Zu Hintergründen und Grundsätzen einer antisexistischen Jungenarbeit Anita Heiliger in: Ingo Bieringer/Walter Buchacher, Edgar J. Forster (Hg.): Männlichkeit und Gewalt. Konzepte für die Jungenarbeit, Opladen 2000" Zusammenfassung: Antisexistische Jungenarbeit konfrontiert sich mit der patriarchalen Struktur der bestehenden Gesellschaft, d.h. der Geschlechterhierarchie. Sie kritisiert die hierin funktionale männliche Identität, die eine Höherwertigkeit mit männlicher Geschlechtszugehörigkeit verbindet und sich daher auf der Abwertung von Mädchen und Frauen gründet, aus der heraus Gewalt entsteht. Ziel ist die Förderung einer männlichen Identität, die sich nicht auf dieser Abwertung gründet, sondern ein stabiles Selbstbewusstsein bei Jungen entwickelt, das keiner Machtaneignung und Überlegenheitsdemonstration bedarf, weil solche Inhalte aus dem Männlichkeitskonzept entfernt würden. Gliederung: 1. Patriarchale Männlichkeitsbilder wirken als pathogene Faktoren Verleugnung von Ängsten und Schwächen Gewalttätigkeit als Kompensation Sexuelle Übergriffe als Bewältigungsstrategie 2. Aufgaben antisexistischer Jungenarbeit Entlastung von patriarchalen Zumutungen Revolutionierung der männlichen Rolle 3. Wo sind die männlichen Vorbilder? Literatur 1. Patriarchale Männlichkeitsbilder wirken als pathogene Faktoren Verleugnung von Ängsten und Schwächen Das Ziel antisexistischer Jungenarbeit kann als Entpatriarchalisierung von Männlichkeit bezeichnet werden. Das patriarchale Männlichkeitsbild, in das Jungen im wesentlichen nach wie vor hineinsozialisiert werden, enthält Zuschreibungen von Stärke, Härte gegen sich selbst und andere, Dominanz (vor allem gegenüber Mädchen und Frauen), Durchsetzungskraft, Rücksichtslosigkeit, Verachtung von Schwächen und Ängsten, Leistungsfähigkeit und Erfolg (vgl. Lempert/Oelemann 1994). Es suggeriert ihnen qua Geschlechtszugehörigkeit eine erhöhte Stellung gegenüber Mädchen und Frauen, letztere als für sie verfügbar, und solches verfügendes Verhalten als zum männlichen Rollenverhalten gehörend bzw. Männlichkeit/ Mann-Sein erst eigentlich konstituierend. Diese Erkenntnisse erbringt u.a. eine Studie, die am Deutschen Jugendinstitut zum Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt und in unserer Gesellschaft vorherrschendem Männlichkeitsbild durchgeführt wurde (Heiliger/Engelfried 1995). Sowohl von Erwachsenen als auch von gleichaltrigen Jungen wird eine immens starke soziale Kontrolle in bezug auf die Übernahme dieses Männlichkeitsbildes ausgeübt. Verweigerung und Distanz ihr gegenüber haben in der Regel Ausgrenzung, Isolation und Aggression durch die Gleichaltrigen zur Folge sowie die Aberkennung von Männlichkeit. Tatsächlich jedoch sind Jungen offensichtlich zunächst in hohem Maße verunsichert, wenn 1 sie erstmals mit Erwartungen patriarchaler Männlichkeit konfrontiert werden. Sie müssen quasi zwangsläufig den Weg gehen, diese Erwartungen durch Verleugnung ihrer Ängste und Unsicherheiten und in der Folge durch gewalthafte Aneignung von Macht und Dominanz zu erfüllen. Aus therapeutischen Zusammenhängen wird von erheblichen Ängsten berichtet, von denen Männer sich verfolgt fühlen und die im wesentlichen aus dem Erwartungsdruck resultieren, die männliche Rolle erfüllen zu müssen (vgl. Brandes 1994, Johnen 1994, Hoffmann 1994). Die Angst vor Versagen, vor Unterlegenheit, vor dem Zeigen von Schwäche, vor einem Mangel an Männlichkeit, vor Gefühlen, vor mangelnder Anerkennung, vor Zurückweisung usw. widerspricht und entspringt gleichzeitig aus der die Jungensozialisation begleitenden Ideologie von Männlichkeit als Synonym für Erfolg, Stärke, Überlegenheit und Härte. Gewalttätigkeit als Kompensation Viele männliche Rituale und Stärkedemonstrationen werden von Johnen (1994) als Angst reduzierende Abwehrstrategien analysiert. Er setzt das Maß an Gewaltbereitschaft in Beziehung zu entsprechender Intensität der empfundenen Angst: "Je stärker die aggressiven Anteile, ...desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine gehörige Portion Angst im Spiel ist, die verschleiert werden soll oder muss" (ebd. S.34). Angst jedoch ist "ein männliches Tabu" (ebd. S.17). Sie wird unter Männern in aller Regel nicht angesprochen, sondern geleugnet und mit kompensatorischen Verhaltensweisen überdeckt. Diesen Zusammenhang hat bereits Enders-Dragässer (1991) aus Beobachtungen zur Jungensozialisation an der Schule abgeleitet. Sie führt rüpelhaftes und aggressives Verhalten von Jungen in der Schule darauf zurück, dass Jungen auf solche Weise "unbearbeitete und zum Teil auch unbewusste Defiziterfahrungen, Frustrationen und Rollenkonflikte ausagieren, die mit den gesellschaftlichen geschlechtsstereotypen Erwartungen, Zuschreibungen und Versagungen zusammenhängen, denen sie ihrer männlichen Identität wegen entsprechen bzw. mit denen sie sich identifizieren sollen" (ebd. S. 6). Schenk (1993) betont speziell im Hinblick auf die Entstehung von Gewaltbereitschaft den Einfluss der Ideologie männlicher Härte und der damit einhergehenden Abspaltung von der eigenen Körperlichkeit: Der Körper wird instrumentalisiert und funktionalisiert für Leistung statt Lust. Trauer, Schmerz, aber auch Freude dürfen sich keinesfalls in Weinen äußern etc. Diese Produktion von "Körper- und Gefühllosigkeit" soll Jungen befähigen, "ihren Mann zu stehen" , gleichzeitig sieht Schenk aber hierin auch den Grund für die Akzeptanz von Gewalt als Möglichkeit, diese Körperlosigkeit durch aktive Weltaneignung zu kompensieren und Identität herzustellen: Schlagen wird so "ein Zeichen der eigenen Lebendigkeit. Die Schmerzen können gespürt und als Lust bringend erlebt werden. Die Macht, die den Jungen über ihre Aggression erwächst, ist 'männliche Lust'" (ebd. S.167, vgl. auch Ottemeier-Glücks 1987). So wird auch die häufige Begründung der Jugendlichen selber für ihre Gewaltanwendung verständlich: "Gewalt ist geil." Und es wird verständlich, dass (junge) Männer umso weniger Sensibilität und Empathie für die Gefühle und Empfindungen anderer - gerade auch im sexuellen Bereich - aufbringen, je "körperloser" sie selbst geworden sind (vgl. auch Holzkamp 1994). Der eigene Körper verliert so den Charakter eines lebendigen, sensiblen Organismus und wird zu einer “im Dauerbetrieb möglichst störungsfrei laufenden Maschine” (Karl 1994, S. 137) umfunktioniert. “Ein Panzer ist notwendig, um den mannhaften Umgang mit dem Körper aushalten zu können” (ebd.) 2 Sexuelle Übergriffe als Bewältigungsstrategie Sexuelle oder sexualisierte Bemächtigung von Mädchen und Frauen wird von Jungen und Männern in besonders häufiger und wirksamer Weise als Bewältigungsstrategie für den ihnen entgegengebrachten Dominanzanspruch angewandt (vgl. Heiliger/Engelfried 1995, Winter 1993, Brandes 1992). Die in der oben genannten Studie (Heiliger/Engelfried 1995) durchgeführten biographischen Interviews mit Männern zeigen, dass die in der patriarchalen Gesellschaft quasi universell wirksame Botschaft der - angeblich freiwilligen - Frauenunterwerfung, die sich Jungen über eine "Kultur" pornographischer Abbildungen von Frauen in Zeitschriften u.a. Medien vermittelt, hierbei eine herausragende Rolle spielt und als Katalysator in der Tradierung und täglich neu reproduzierter hierarchischer Geschlechterverhältnisse wirkt. Jungen wissen durchaus, dass die ihnen zugemuteten Männlichkeitsbilder ebenso wie die darin enthaltene allgemeine Entwertung von Frauen sowie ihre eigene Aufwertung als Jungen/Männer konstruiert, also künstlich hergestellt sind und keiner Naturkonstante bzw. biologischer Bestimmtheiten entsprechen. Sie wissen um die Gleichwertigkeit der Geschlechter oder gar partieller Überlegenheit von Mädchen und Frauen. In der Konfrontation mit Erwartungen aus dem patriarchalen Männlichkeitsbild beginnen sie aber, dieses Wissen, sowie ihre eigene Unsicherheit und Gefühle von Schwäche und Angst zu verleugnen, um den Sprung in die patriarchal-männliche Identität zu schaffen, die die Erlangung von Anerkennung verspricht. Der Verlust von emotionaler und sozialer Intelligenz (vgl. Aliti 1997), der Abbau von Einfühlungsvermögen in andere Menschen, insbesondere Frauen, sowie Härte gegen sich selbst ebenso wie gegen andere sind logische und verheerend destruktive Folgeentwicklungen dieser Konfrontation. 2. Aufgaben antisexistischer Jungenarbeit Entlastung von patriarchalen Zumutungen Aus der Perspektive feministischer Mädchen- und Frauenforschung sowie -politik - aus dieser heraus wird im vorliegenden Beitrag argumentiert - hat antisexistische Jungenarbeit die Aufgabe, all den beschriebenen Prozessen der Aneignung patriarchaler Männlichkeit bewusst entgegenzusteuern. Destruktive patriarchale Männlichkeitsbilder sind durch solche Bilder zu ersetzen, die keine Selbstverleugnung verlangen bzw. voraussetzen, sondern umgekehrt eine positive und ganzheitliche Entfaltung der Persönlichkeit, eingebettet in das soziale Gefüge der jeweiligen Lebensumwelt, fördern (vgl. u.a. Karl 1994). Zunächst geht es um die Einführung einer Verständigung und Kommunikationskultur über die gesellschaftliche Bedeutung und Absicht des gewalttätigen und irrealen patriarchalen Männlichkeitsbildes einerseits und der hierin als Verfügungsobjekte dargestellten Frauen; um die Vermittlung also, dass es sich hierbei um Tradierung und Aufrechterhaltung der geschlechtshierarchischen Verhältnisse handelt. Der "Nutzen, den Männer aus ihrer Teilhabe an der patriarchalen Herrschaftskultur ziehen" (Zieske 1994, S.168) muss angesprochen und problematisiert werden. Ein Ausblenden "des Machtverhältnisses zwischen den Geschlechtern fördert maskulinistische Tendenzen und trägt zur Aufrechterhaltung des patriarchalen Systems bei" (ebd. S. 174). Sodann muss antisexistische Jungenarbeit bereit und fähig sein, Jungen klare Grenzen setzen, wenn sich bei ihnen sexistisches, frauenfeindliches und gewalttätiges Verhalten andeuten. Grenzen zu setzen ist unverzichtbar zur Orientierung von Jungen innerhalb der (noch) patriarchalen Strukturen im Prozess der Entwicklung nicht -patriarchaler 3 männlicher Identität. Wenn aufgehört werden würde, von Jungen zu erwarten, Männlichkeitskriterien nach patriarchalem Muster zu erfüllen; wenn Jungen erlaubt würde, ihren eigenen Wahrnehmungen und Gefühlen zu trauen und ihre männliche Identität nach ihrem eigenen Erleben selbst zu bestimmen, und wenn Orientierungslinien helfen, der Zugkraft Macht verkündender Dominanz zu widerstehen, dann würde dies ohne Zweifel eine enorme Entlastung für Jungen bedeuten. Sie müssten die gewalt- und angstbesetzte Dominanz und die dafür erforderliche Selbstverleugnung gar nicht erst erlernen, sondern könnten ihre Sensibilitäten, ihre wahren Gefühle beibehalten, die sie häufig als kleine Jungen in hohem Maße noch aufweisen (vgl. Benard/Schlaffer 1994, Schnack/Neutzling 1990 u.a.). Mit solch einer Perspektive verknüpft sich sowohl die Hoffnung auf gleichberechtigten Umgang von Jungen mit Mädchen und Frauen als auch auf drastische Reduzierung von aggressivem Gewalthandeln generell auf der Seite von Jungen und Männern, wenn solches nicht länger als symbolischer Ausdruck von Männlichkeit schlechthin vorgeführt und geduldet wird. Voraussetzung für die solche Entwicklungen ist es jedoch, dass nicht patriarchale Ausprägungen von Männlichkeit von der Gesellschaft auch positiv bewertet und nicht, wie es zur Zeit der Fall ist, diskriminiert werden und dadurch für Jungen und Männer nur sehr schwer lebbar sind. Andererseits ist die geschlechtsspezifische Zurichtung von Jungen, die in der kritischen Männerliteratur heute beschrieben wird (vgl. Alte Molkerei Frille 1989, Ottemeier-Glücks 1987, Schnack/Neutzling 19989, Sielert 1989, Schenk 1993, Lempert/Oelemann 1994, Winter 1993): Abhärtung von Körper und Seele, Trennung von Gefühl und Körper, Bewertung von Emotionen als Bedrohung und Schwächung (was seinen Ausdruck findet in aus der Abwertung von Weiblichkeit bezogenen Bezeichnungen wie "Heulsuse", "Muttersöhnchen", "verweichlicht" oder andere beliebte Zuschreibungen wie “schwul” und “Schlappschwanz” etc.), und infolgedessen ihre Verdrängung, dermaßen destruktiv, dass es für die einzelnen Jungen bzw. Männer letztlich nur ein Gewinn sein kann, Männlichkeit von antiquierten Herrschafts-, Schutz- und Kampffunktionen zu befreien, wenn solche Funktionen ihre Glaubwürdigkeit im allgemeinen gesellschaftlichen Selbstverständnis endlich und gründlich verlieren würden. Revolutionierung der männlichen Rolle Bei antisexistischer, feministisch-antipatriarchaler, Jungenarbeit geht es nicht um kleine Veränderungen, sondern um die Auflösung des herrschenden patriarchalen Männlichkeitskonstruktes an sich. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist es, wie oben gesagt, Männlichkeit zu entpatriarchalisieren, was bedeutet, sie von den Mythen: Stärke, Überlegenheit über Frauen, Kampf, Sieg und Herrschaft zu befreien. Die in der Jungenarbeit häufig betonte und durchaus zutreffende Erkenntnis, dass Lernbereitschaft positive Anstöße braucht, um zu greifen, darf nicht dahingehend umgedeutet werden, erneute Verankerung im herkömmlichen Denken zu legitimieren, um der notwendigen Konfrontation mit Defiziten in der männlichen Sozialisation auszuweichen. Es muss vielmehr darum gehen, traditionelle Männlichkeit grundsätzlich abzulehnen und Bestätigungsformen für Jungen zu finden, deren positiven Wert sie erst in einem grundlegenden Umdenkungs- und Umorientierungsprozess erfahren können. Bestätigungsfelder für Jungen müssen daher geschaffen werden, die eben nicht den "tollen Hecht" küren, sondern im Gegenteil Anerkennung vermitteln für Gefühlsäußerung und Empathie, für soziales Verhalten, für respektvollen Umgang mit dem anderen Geschlecht, für Zurückhaltung in 4 der öffentlichen Darstellung, für das Zeigen von Schwächen und Verletzlichkeiten bei sich und anderen, für einen konstruktiven Umgang mit Spannungen, für die Fähigkeit und Bereitschaft zu Kommunikation und (gewaltfreier) Konfliktlösung sowie für die Vereinbarung der eigenen Bedürfnisse mit denen anderer. Hieraus erst könnte sich ein stabiles Selbstbewusstsein bei Jungen entwickeln, das keiner Machtaneignung und Überlegenheitsdemonstration bedarf, weil solche Inhalte aus dem Männlichkeitskonzept entfernt würden. Das würde freilich bedeuten, das bestehende männliche Rollenbild komplett auf den Kopf zu stellen, um den so folgenreichen Gefühlen von Unsicherheit und mangelndem Selbstwert, die zwangsläufig aus der Orientierung am potenten Eroberer resultieren, den Boden zu entziehen. Zur Entpatriarchalisierung von Männlichkeit muss auch in hohem Maße die sexuelle Sozialisation von Jungen aufmerksam begleitet und gesteuert werden. Übersexualisierung von Jungen und Männern, Verknüpfung von sexueller Handlung mit Leistung und Männlichkeitsbeweis, Nahelegung der Ausübung von Sexualität als Beherrschungsinstrument und eine leicht herzustellende Koppelung zwischen sexueller Erregung und Aggression einerseits, Demütigungen und Unterwerfung insbesondere von Frauen andererseits, sind offensichtlich Ergebnisse der ganz normalen männlichen sexuellen Sozialisation, die bisher in keinster Weise hinterfragt werden. Eine systematische Entkoppelung all dieser Ebenen ist unerlässlich. Im Zuge der Entpatriarchalisierung des Männlichkeitskonzeptes muss Sexualität entlastet werden von Funktionalisierungen hinsichtlich Leistungskriterien, Macht- und Dominanzgefühlen sowie Kompensationen. 3. Wo sind die männlichen Vorbilder? Ein von patriarchalen Bestandteilen befreites männliches Rollenkonzept zu vermitteln, erfordert allerdings von den männlichen Fachkräften in der Jugend- und Bildungsarbeit, sich selbstreflexiv einzubringen und sich gemeinsam mit den Jungen auf eine Identität hin zu bewegen, die Männlichkeit neu definiert und sich von Sexismus und Gewalt distanziert (vgl. Schenk 1992, Zieske 1994, Karl 1994). Ohne eigenes radikales Abrücken von traditioneller Männlichkeit und einem eigenen starken Bedürfnis nach Veränderung der geschlechtshierarchischen und gewalthaften gesellschaftlichen Strukturen, kann ein Mann das erforderliche Vorbild, das keinen Macht- und Führungsanspruch stellt, nicht sein. Er würde immer wieder auf das alte Muster zurückgreifen, seine Machtposition gegenüber den Jüngeren und weniger Erfahrenen zur eigenen Selbstbestätigung zu missbrauchen. Wer sich der grundlegenden Kritik am patriarchalen Männlichkeitskonzept nicht stellen kann, wird auch nicht bereit und in der Lage sein, die notwendigen Grenzziehungen bei Jungen in sexistischem Verhalten gegenüber Mädchen und Frauen oder in aggressiv-destruktivem Ausdruck vorzunehmen, um eindeutige Orientierungsmaßstäbe zu setzen. Sicher, Grenzsetzungen und vor allem solche, die z.B. sexistisches und frauenfeindliches Verhalten deutlich machen und negativ sanktionieren sowie Respekt vor Frauen und Mädchen vermitteln wollen, stehen innerhalb der gegenwärtigen sexistischen Gesellschaftsstruktur in drastischem Widerspruch zu den Botschaften und Signalen, die Jungen aus anderen sie umgebenden Quellen beziehen. Diese Tatsache erschwert natürlich nicht nur die Bemühung, sich mit einem anderen Männlichkeitsbild überhaupt Gehör zu verschaffen, sondern hiermit auch Glaubwürdigkeit zu erlangen. Daher ist die gleichzeitige Vermittlung der Begründungszusammenhänge für das zunächst der geltenden Norm widersprechende Ver- 5 halten, das Jungen im antisexistischen Diskurs abverlangt wird, unabdingbar. Dieses Vorgehen setzt aber wiederum Sicherheit und Klarheit auf seiten der (vor allem männlichen) pädagogischen Fachkräfte voraus und unterwirft sie quasi einem permanenten Persönlichkeits- und Glaubwürdigkeitstest. Doch ist da kein Mitleid angesagt, sondern eher die dringende Forderung an Männer generell, sich diesen Prozessen als Erwachsene zu stellen und Verantwortung für eine nicht-sexistische Jungensozialisation zu übernehmen. Literatur Aliti, Angelika: Mama ante portas. Wenn Frauen das Sagen haben, München 1997 Benard, Cheryl/Schlaffer, Edit: Mütter machen Männer. Wie Söhne erwachsen werden. München 1994 Brandes, Holger: Ein schwacher Mann kriegt keine Frau. Männer unter sich. Therapeutische Männergruppen und Psychologie des Mannes. Münster 1992 Enders-Dragässer, Uta/Fuchs, Claudia: Interaktionen der Geschlechter. Weinheim und München 1989 Enders-Dragässer, Uta: Dominanz und Kooperation. Interaktionsformen im Unterricht. In: Jugend und Geselllschaft 2,3/1991 Guggenbühl, Allan: Die unheimliche Faszination der Gewalt. Denkanstöße zum Umgang mit Aggression und Brutalität unter Kindern. Zürich 1993 Heiliger, Anita: Jungenarbeit zwischen Antisexismus und Antifeminismus, in: Frauenfragen 2/1992, Bern Heiliger, Anita/Constance Engelfried: Sexuelle Gewalt. Männliche Sozialisation und potentielle Täterschaft, Frankfurt/New York 1995 Heiliger, Anita/ Hanna Permien: Männliche Gewalt und Prävention, in: Diskurs 1/1995 Hoffmann, Jochen: Die Lüge vom coolen Jungen. Jugendpolitik 1/1994, S. 10 - 11 Johnen, Wilhelm: Die Angst des Mannes vor der starken Frau. Einsichten in Männerseelen. Frankfurt/Main 1994 Karl, Holger: Der ehrenhafte Abschied des Panzersoldaten. Grundlagen antisexistischer Jungenarbeit, in: Glücks, Elisabeth/Gerd Ottemeier-Glücks (Hg.): Geschlechtsbezogene Pädagogik, Münster 1994 Knauer, Sabine: Neue Jungen braucht das Land, in: Unterschiede 2/91 Lempert, Joachim/Oelemann, Burkhard: "Lieber gewalttätig als unmännlich...." Der lange Irrweg auf der Suche nach Männlichkeit. Hamburg 1994 Menzel, Manfred: Jungen lieben anders - Sexualität von Jungen - Intentionen von Pädagoginnen und Pädagogen, in: frankfurter zeitung für kinder- und jugendarbeit 8/1994 Ottemeier-Glücks, Franz-Gerd: Über die Notwendigkeit einer antisexististischen Arbeit mit Jungen, in: Deutsche Jugend 7 - 8/1987 Ottemeier-Glücks, Franz-Gerd: Antisexistische Jungenarbeit - Versuch einer Konzeptentwicklung, in: Außerschulische Bildung 4/1988 Permien, Hanna/Frank, Kerstin: Schöne Mädchen - starke Jungen? Gleichberechtigung - (k)ein Thema in Tageseinrichtungen für Schulkinder. Erscheint 1995 Schenk, Michael: Emanzipatorische Jungenarbeit im Freizeitheim - zur offenen Jungenarbeit mit Unterschichtjugendlichen. In: Was fehlt, sind Männer! Schwäbisch Gmünd und Tübingen 1991, S. 99 - 124 Schenk, Michael: Jugend-Gewalt ist männlich. In: Deutsche Jugend 4/1993, S. 165 - 172 Schnack, Dieter/Neutzling Rainer: Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit. Reinbek 1990 6 Sielert, Uwe: Jungenarbeit. Weinheim und München 1989 Sielert, Uwe: Die Entdeckung der Männlichkeit als soziales Problem: Herausforderungen an die Sozialpädagogik, in: Kind, Jugend und Gesellschaft 2/95 Winter, Reinhard: Identitätskrücken oder Jungenarbeit? Zur Begründung eigenständiger Ansätze kritischer Jungenarbeit. In: Was fehlt, sind Männer! Schwäbisch Gmünd und Tübingen 1991, S. 173 -186 Winter, Reinhard: Sexualität als Lösung? Bewältigungsprobleme von Jungen und Männern und Sexualität, in: Kind, Jugend und Gesellschaft 3/93 Zieske, Andreas: Patriarchatskritische Bildungsarbeit mit Männern und Jungen, in: HansJoachim Lenz (Hg.): Auf der Suche nach den Männern, Veröffentlichung der pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes, Frankfurt a.M. 1994 7