IRIS OTTINGER · DR. MED. MONIKA RONNEBERGER DR. MED. FLORIAN SCHUCH Aktiv leben – trotz Rheuma Mit der modernen Rheuma-Therapie Schmerzen lindern und Gelenkschäden stoppen inem Mit e von ort Vorw chmidt, te S ­ Rena familien es Bund erin a.D. st mini 18 Rheuma – das muss ich ­wissen Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen. Rheumatoide Arthritis Am häufigsten ist unter den entzündlichen Gelenkerkrankungen die chronische Polyarthritis anzutreffen. Die offizielle internationale Bezeichnung lautet rheumatoide Arthritis (RA). Es muss davon ausgegangen werden, dass auf der ganzen Welt zwischen 0,5 und ein Prozent der Menschen davon betroffen sind. Es handelt sich nicht um eine Erkrankung alter Menschen, wie noch immer angenommen wird, sondern sie befällt alle Altersgruppen, auch schon Kinder und Jugendliche. Häufig tritt die rheumatoide Arthritis bei 40- bis 50-Jährigen auf. Im Erwachsenenalter sind unter den Patienten dreimal mehr Frauen als Männer. Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der RA verhindert werden. Das Krankheitsbild Zu Beginn treten oft unklare Symptome auf, die vom Betroffenen entweder nicht ernst genommen oder nicht richtig eingeschätzt werden. Solche Anzeichen sind beispielsweise Müdigkeit, Gewichtsverlust, häufig leicht erhöhte Temperatur oder Appetitlosigkeit. Auch eine Morgensteifigkeit in den Fingern, die sich im Laufe des Vormittags zurückbildet, ist typisch. Das gilt auch für Anlaufbeschwerden und Steifigkeit nach dem Aufstehen in den Füßen. Später, wenn die Krankheit sich deutlicher zu erkennen gibt, bekommt der Patient Schmerzen in einigen Gelenken. Am häufigsten sind es die Gelenke der Finger und Zehen. Auch Schulter, Hüften und Knie sind oft betroffen. Neben den Schmerzen machen sich Schwellungen und nicht selten ein Hitzegefühl in den Gelenken bemerkbar. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt. Schreitet die RA fort, greift sie auf immer mehr Gelenke über. Die Steifigkeit am Morgen kann sich länger hinziehen. Jede Bewegung schmerzt, es fehlt die Kraft. Manchmal zeigen sich auch Rheumaknoten. Gerade am Anfang können die Beschwerden sehr wechselnd sein. Entzündlich-rheumatische ­Systemerkrankungen 19 Mit einem spontanen Stillstand der Erkrankung ohne Behandlung ist nur bei maximal zehn Prozent der Patienten zu rechnen. Da die Folgen ausgesprochen schwerwiegend sein können, sind eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie sehr wichtig. Deshalb sollte man bei den genannten Symptomen rasch den Hausarzt und dann den Rheumatologen aufsuchen. Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der Erkrankung verhindert werden. Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Deshalb ist nicht vorauszusagen, wann und ob die Erkrankung voll ausgeprägt sein wird. Eine volle Ausprägung bedeutet, dass Verformungen und massive Einschränkungen in der Belastbarkeit der befallenen Gelenke bis hin zu Gelenkzerstörungen auftreten können. Außer den Gelenken entzünden sich möglicherweise auch Schleimbeutel und Sehnenscheiden. Als Folge können Sehnen abreißen. Schließlich kann sich die Entzündung auch auf innere Organe, beispielsweise Herzbeutel, Rippenfell, Lunge oder auf die Augen ausweiten. Dennoch können wir es nicht oft genug sagen: Eine solche Entwicklung ist heutzutage recht sicher zu verhindern! Weitere Formen entzündlich-rheumatischer ­Erkrankungen Reaktive Arthritis Wie der Name schon sagt, tritt die Gelenkentzündung als Reaktion auf eine Infektion auf. Die Infektion hat zunächst nichts mit den Gelenken zu tun. Sie befällt meist den Darm oder den Urogenitaltrakt, also beispielsweise die Harnröhre. Auch der Rachen kann betroffen sein. Bekannte Erreger für infektreaktive Arthritiden sind beispielsweise Salmonellen oder auch Chlamydien. Die Symptome der Infektionserkrankung müssen gar nicht stark sein. Manchmal klingen sie vollständig ab, ohne wahrgenommen worden zu sein. Einige Tage oder Wochen später treten dann Entzündungsanzeichen an Gelenken auf. Der Infekt ist Die reaktive Arthritis tritt als Reaktion auf eine Infektion auf. 20 Rheuma – das muss ich ­wissen meistens bereits ausgeheilt und kann nicht mehr diagnostiziert werden. Für gewöhnlich ist eine antibiotische Therapie nicht notwendig. Neben Schmerzen machen sich Schwellungen und eine Überwärmung bemerkbar. Sie sind meist in der unteren Körperhälfte angesiedelt, etwa am Fuß-, Knie- oder Sprunggelenk. Bei der reaktiven Arthritis erkrankt manchmal nur ein Gelenk auf einmal. Allerdings können die Beschwerden springen, also von einer zur anderen Stelle wechseln. Warum bei manchen Menschen aus einer Infektion eine Gelenkentzündung entsteht, ist nicht klar. Fest steht inzwischen, dass Menschen, bei denen das sogenannte Merkmal HLA-B27 im Blut nachgewiesen wird, fünfmal stärker gefährdet sind, reaktive Arthritis zu bekommen, als Menschen ohne diesen Faktor. Es handelt sich dabei um ein angeborenes Merkmal, sozusagen das „Gesicht“ der weißen Blutkörperchen (Humanes Leukozyten-Antigen), das Bakterienbestandteilen ähnelt. Die Therapie hat die Linderung der Schmerzen und den Rückgang der Entzündung zum Ziel. Ist HLA-B27 nachweisbar, ist das Risiko eines chronischen Verlaufs größer. Hier wird öfter eine Basistherapie benötigt. Nach spätestens einem halben Jahr sollte alles überstanden sein. Spondylarthropathien Neben der rheumatoiden Arthritis ist die zweite große Gruppe der entzündlichen Rheumaerkrankungen die der Spondylarthropathien. Hierunter versteht man eine Erkrankungsgruppe, bei der Wirbelkörpergelenke betroffen sind. Zu den Unterformen gehören neben Spondylitis ankylosans und enteropathischer Arthritis auch die Psoriasis-Arthritis, also die Gelenkentzündung, die mit Schuppenflechte vergesellschaftet ist, sowie Rheuma in Verbindung mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch die reaktiven Arthritiden, die Gelenkentzündungen nach Infekten. Entzündlich-rheumatische ­Systemerkrankungen 21 Psoriasis-Arthritis: Hier hat man es mit einer entzündlichen Gelenkerkrankung zu tun, die im Zusammenhang mit einer Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) auftritt. Sie wird Ihnen möglicherweise auch unter dem Begriff Arthritis psoriatica begegnen. Die Gelenkbeschwerden können gleichzeitig mit den typischen scharf begrenzten schuppenden Entzündungsherden der Haut oder auch später auftreten. Sehr selten beginnt es mit der Gelenkentzündung. Man muss davon ausgehen, dass zehn Prozent der Psoriasis-Patienten an Gelenkentzündungen leiden werden. Typisch ist ein angeschwollener einzelner Zeh oder Finger. Frauen und Männer sind dabei gleichermaßen betroffen. Wen es trifft, kann nicht vorausgesagt werden, da die Ursachen nicht bekannt sind. Jedenfalls hängt es nicht von der Intensität der Schuppenflechte ab. Vielmehr spielt eine gewisse erbliche Veranlagung eine Rolle. Auffällig: Menschen mit Schuppenflechtenbefall der Nägel sind besonders häufig in der Gruppe derer vertreten, die eine Arthritis bekommen. Im günstigsten Fall löst die Hautkrankheit nur Gelenkschmerzen (Psoriasis-Arthralgie) aus, die in Schüben auftauchen, aber auch für lange Phasen wieder verschwinden. Kommt es tatsächlich zu Entzündungen, sind diese meist am Knie- oder Sprunggelenk sowie an den Finger- und Zehengelenken zu beobachten. Ganze Finger oder Zehen können in dieser Weise anschwellen. Man spricht dann von „Wurstzehen“. Manchmal sind aber nur einzelne Endgelenke entzündet. So leicht die Beschwerden bei einigen Patienten ausfallen, so schwer sind sie bei anderen. Um Linderung zu erreichen, behandelt man am besten beide Krankheitsbilder. Das ist mit modernen systemischen Therapien heute sehr gut möglich. Die Arthritis wird mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten therapiert. Besonders wichtig ist es, medikamentös die Gelenkzerstörung aufzuhalten. Dazu sind Präparate auf dem Markt, die gut funktionie- Schwere Verläufe der Psoriasis-­ Arthritis sind gut zu verhindern. 22 Rheuma – das muss ich ­wissen ren und auch den Hautbefund verbessern. Schwere Verläufe sind gut zu verhindern. Im nächsten Kapitel zur Rheumatherapie erfahren Sie mehr darüber. Kollagenosen Kollagenosen sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die sich durch ein vielfältiges klinisches Bild auszeichnen. Gerade in frühen Phasen der Erkrankung ist die eindeutige Diagnosestellung oft sehr schwierig. Hierbei handelt es sich um Erkrankungen, bei denen neben Gelenkschmerzen, teils Gelenkentzündungen, oft auch eine Beteiligung des Bindegewebes, der Muskeln und inneren Organe zu beobachten ist. Am häufigsten ist das Sjögren-Syndrom. Der Verlauf dieser Erkrankung ist sehr unterschiedlich, manche Patienten brauchen wegen des milden Verlaufs keine immunmodulierende Therapie und kommen mit ­einer Behandlung der Symptome nach Bedarf aus. Für andere Patienten ist eine kontinuierliche Therapie sinnvoll. Neben Schmerzen und leichten Entzündungen an Gelenken können Lymphknotenvergrößerungen, Hautausschläge und meist einseitige Entzündungen der Speicheldrüsen auftreten. Insbesondere trockene Schleimhäute im Bereich der Augen, am Mund und an den Genitalien sind für manchen sehr belastend. Hier kann man meist mit lokal eingesetzten Maßnahmen gut helfen. Auch im Fall von genitaler Trockenheit kann der Frauenarzt mit einer Lokaltherapie für Linderung sorgen. Dafür muss ihm das Problem allerdings bekannt sein. Leider schweigen viele Betroffene aus falscher Scham. Ein Tipp: Überwinden Sie sich und lassen Sie sich helfen. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen! Häufig berichten Patienten über Phasen mit ausgeprägter Erschöpfung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit. All dies zusammen wird als Fatigue-Syndrom (engl. fatigue = Müdigkeit) bezeichnet. Oft ist die Differenzierung schwierig, ob es sich wirklich um einen Ausdruck von Erkrankungsaktivität des Sjögren-Syndroms