DITRANSITIVE VERBEN UND IHRE OBJEKTE IM WOLOF: POSITIONSREGELN UND KOMBINIERBARKEIT Jutta Becher 1 Einleitung 1.1 Ditransitive Satzkonstruktionen Ditransitive Verben nehmen drei Argumente an, ein Agens-Argument und zwei nicht-Agens Argumente. Einige Sprachen weisen den beiden nicht-Agens Argumenten Kasusrollen zu (Akkusativ, Dativ), andere markieren sie gemäß ihren syntaktischen Funktionen (direktes/indirektes Objekt; primäres/sekundäres Objekt). Wiederum andere Sprachen zeigen keinerlei formale Markierung der beiden .Argumente, sie können nur anhand der thematischen Rollen, die sie in einer ditransitiven Situation innehaben, unterschieden werden. Zu dieser Gruppe gehört auch das Wolof. Die beiden Argumente können daher nur nach ihrer semantischen Funktion klassifiziert werden als Rezipient und Thema. Das typische semantische Szenario ditransitiver Situationen impliziert den Transfer eines Objekts (Thema) zu einem weiteren Partizipanten (Rezipient) entweder im wörtlichen oder im übertragenen Sinn. Weiterhin ist typischerweise der Rezipient ein belebtes Argument, während das Thema stark dazu tendiert unbelebt zu sein. Meist erlauben ditransitive Verben nur in ganz speziellen Situationen wie z.B. Sklaverei oder Heirat ein belebtes Thema: Er gab ihm seine Tochter. Er verkaufte ihm einen Sklaven. In vielen Sprachen (u.a. Deutsch) können ditransitive Verben anstelle eines Rezipienten auch einen Benefaktiv-Partizipanten annehmen. Das Wolof gehört nicht zu dieser Gruppe. Im Wolof sind die thematischen Rollen der Objektargumente inhärent ditransitiver Verben immer Thema und Rezipient. Die Einführung eines Benefaktiv-Partizipanten verlangt die Erweiterung des Verbs (sei es monotransitiv oder ditransitiv) mit dem Applikativsuffix –al. HAAP 3 (2005) 14 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Rezipient / Thema Ich gab dem Kind Reis. Jox naa xale bi ceeb. jox ‚geben’ geben 1SG Kind DET Reis Benefaktiv / Thema Ich kochte dem Kind Reis. Togg-al naa xale bi ceeb togg-al ‘kochen für’ kochen-APPL 1SG Kind DET Reis In diesem Beitrag werden die Positionsregeln und die Kombinationsmöglichkeiten von Thema- und Rezipient-Argumenten inhärent, d.h. nicht-erweiterter ditransitiver Verben diskutiert. Zunächst jedoch einige Anmerkungen zum Pronominalsystem und zur Syntax einfacher Sätze im Wolof, die zum Verständnis für diesen Beitrag relevant sind. (1) Pronominalsystem Wolof besitzt eine Reihe von unabhängigen Pronomen, die als emphatische Subjekte, emphatische Objekte oder als Komplement einer Präposition verwendet werden. Weiterhin verfügt das Wolof über je eine Reihe klitischer Objektpronomen und eine Reihe klitischer Subjektpronomen. Letztere kommt allerdings nur in abhängigen Sätzen und im historischen Narrativ zur Anwendung. In jedem anderen einfachen affirmativen Aussagesatz verbinden sich die Subjektklitika mit Fokusmorphemen zu sogenannten ‚Fokus-PersonenIndikatoren’ (vgl. Becher 2001:99ff). Wolof unterscheidet vier Fokustypen und besitzt somit vier Reihen von Fokus-Personen-Indikatoren. Da nominale Subjekte i.d.R. pronominal wieder aufgenommen werden, ist ein Fokus-Personen-Indikator in jedem einfachen Verbalsatz obligatorisch. Hier eine tabellarische Übersicht zu den unterschiedlichen Pronominalformen im Wolof. emphatische Objektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika Pronomen Narrativ Subjektfokus Aspektfokus Objekt Verbfokus 1SG man ma ma maa naa laa dama 2SG yow la nga yaa nga nga danga 3SG moom ko mu moo na la dafa 1PL ñun ñu ñu ñoo nañu lañu dañu 2PL yeen leen ngeen yeen ngeen ngeen dangeen 3PL ñoom leen ñu ñoo nañu lañu dañu HAAP 3 (2005) 15 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof (2) Syntax einfacher Sätze Das Wolof gehört zu den SVO-Sprachen, im indikativischen Aussagesatz mit nominalen Argumenten ist die Konstituentenreihenfolge Subjekt-Verb-Objekt(e)-Präpositionalphrase(n). Sind die Objekte pronominal repräsentiert, stehen sie i.d.R. vor dem Verb, wie es die folgenden zwei Beispielsätze illustrieren. nominales Objekt S V O Góór gi moo gis xale bi. pronominales Objekt S O V Góór gi moo ko gis. Mann DET 3SG sehen Kind DET Mann DET 3SG O3SG sehen Der Mann sah das Kind. Der Mann sah es. 1. 2 Forschungsstand zu ditransitiven Satzkonstruktionen im Wolof Es gibt bislang nur eine einzige Studie (Mangold 1977: Wolof Pronoun Verb Pattern and Paradigms), die sich mit mehrwertigen Verben und den Kombinationsmöglichkeiten abhängiger Objektpronomen im Wolof beschäftigt. Das Wörterbuch von Munro & Gaye 1991 enthält Hinweise zu Positionsregeln pronominaler Objekte ditransitiver Verben und Schwartz 1975 äußert sich am Rande zu nominalen Objekten ditransitiver Verben in einer grammatischen Detailanalyse zum direkten Objekt im Wolof. In der restlichen Literatur zum Wolof, seien es Lehrbücher (Stewart 1966, Nussbaum & Doneux 1977, Diouf & Yaguello 1991) oder grammatische Beschreibungen (Sauvageot 1965, Robert 1991), finden sich keine Angaben zu ditransitiven Verben und ihren Objekten. Beschrieben werden in den oben genannten Werken lediglich monotransitive Verben und ihr Objekt. Die Angaben in den Werken von Mangold, Munro & Gaye und Schwartz sind zum Teil widersprüchlich und immer unvollständig. In diesem Artikel sollen daher ditransitive Verben und ihre beiden Objekte, seien sie nominal oder pronominal repräsentiert, ausführlich behandelt, die Regeln der linearen Anordnung und der Kombinierbarkeit von Thema- und Rezipient-Argumenten aufgedeckt und die semantischen Interpretationsmöglichkeiten von Objektsequenzen diskutiert werden. HAAP 3 (2005) 16 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Schwartz 1975 In Schwartz findet sich der Hinweis, dass für nominale Objekte ditransitiver Verben die Aufeinanderfolge frei wählbar ist und die verbale Aussage bei jeder gewählten Reihenfolge zwei Lesarten erlaubt. Er zitiert die folgenden Beispielsätze (Schwartz 1975:222): Jigéén ji jox na gaynde gi góór gi. Jigéén ji jox na góór gi gaynde gi. Frau DET geben S.3SG Löwe DET Mann DET Frau DET geben S.3SG Mann DET Löwe DET Die Frau gab dem Löwen den Mann. Die Frau gab dem Mann den Löwen. Die Frau gab dem Löwen den Mann. Die Frau gab dem Mann den Löwen. Einen Effekt auf die mögliche Interpretation hat dagegen, nach Schwartz, die Variable ‚Definitheit’. Ist eines der beiden Objekte definit, das andere dagegen indefinit, wird das definite Argument als Rezipient gelesen und steht immer vor dem indefiniten Argument. Jigéén ji jox na gaynde gi genn góór. Jigéén ji jox na góór gi genn gaynde. Die Frau gab dem Löwen einen Mann. Die Frau gab dem Mann einen Löwen. Schwartz äußert sich zwar nicht explizit zu möglichen Restriktionen bezüglich der Kombinierbarkeit von zwei nominalen Objekten, seine Aussage impliziert jedoch, dass ein definites Thema-Argument nicht mit einem indefiniten Rezipient-Partizipanten kombiniert werden kann, da bei einer Kombination von einem definiten und einem indefiniten Objekt immer das definite Objekt als Rezipient interpretiert wird. Mangold 1977 Mangolds Studie beschäftigt sich ausschließlich mit pronominalen Objekten mono- und ditransitiver Verben. Er beschreibt eine Hierarchie der abhängigen Objektklitika, die bei Kombinationen von mehreren Klitika deren Stellung zueinander regelt. Personen-Hierarchie (I) I II 1SG ma 2SG la 1PL ñu III 2PL leen 3PL leen IV 3SG ko Mangold arbeitete mit zwei Informanten, die beide diese Hierarchie der linearen Anordnung, bzw. Aufeinanderfolge von Objektklitika bestätigten. Einer der beiden Informanten akzeptierte noch eine weitere Möglichkeit der linearen Abfolge von Objektpronomen. HAAP 3 (2005) 17 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Personen-Hierarchie (II) I II 2SG la 1SG ma 2PL leen 1PL ñu III 3PL leen IV 3SG ko Mangold (1977:7) vertritt die Auffassung, dass die Position in einer Sequenz von zwei Objektpronomen keine Identifizierung von Thema und Rezipient erlaubt, dass also jedes der beiden Objektreferenten als Thema oder als Rezipient gelesen werden kann. Gemäß der Personen-Hierarchie (I) hat der folgende Beispielsatz (mit dem Verb jox ‚geben’) daher vier Lesarten, nach der Personen-Hierarchie (II) dagegen nur zwei Lesarten: Jox na ñu leen. 1. Anordnungsregel Er/sie gab uns (zu) euch. Er/sie gab euch (zu) uns. Er/sie gab uns (zu) ihnen. Er/sie gab sie (zu) uns. 2. Anordnungsregel Er/sie gab uns (zu) ihnen. Er/sie gab sie (zu) uns. Unklar bleibt bei Mangold, ob Objektklitika, die die gleiche Positionsstelle besetzen, sich gegenseitig ausschließen, wie es hierarchische Anordnungsregeln erwarten lassen. Hier ist besonders die 1. Personenhierarchie problematisch, in der 1SG ma und 1PL ñu die gleiche Position besetzen und sich gegenseitig ausschließen (partielle Reflexivität liegt vor), 2SG la und 2PL leen (partielle Reflexivität liegt vor) dagegen nicht. Andererseits besetzen 2PL leen und 3PL leen die gleiche Stelle, was einen gegenseitigen Ausschluss implizieren könnte, der jedoch nach seinen Beispielen nicht gegeben ist (Mangold 1977:13): Mu jox leen leen. Er/sie gab sie ihnen. Er/sie gab sie euch. Er/sie gab euch ihnen. Munro & Gaye (1991) Zur linearen Anordnung nominaler Objekte findet sich im Vorwort des Wolof-Englisch Wörterbuches von Munro & Gaye die wage Aussage, dass Diskursfaktoren die Reihenfolge oder Aufeinanderfolge regeln. Die Position mehrerer Objektklitika innerhalb des klitischen Verbalkomplexes dagegen, wird auch nach der Darstellung der beiden Autorinnen, über eine Personen-Numerus-Hierarchie geregelt, die sich nur geringfügig von der Mangolds HAAP 3 (2005) 18 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof unterscheidet (2. Person Plural und 3. Person Plural besetzen nicht die gleiche Positionsstelle). I 1SG ma 1PL ñu II 2SG la 2PL leen III 3PL leen IV 3SG ko Die Frage, ob überhaupt und wenn ja wie die Rollen Thema und Rezipient unterschieden werden können, wird nicht berührt. 2. Analyse ditransitiver Satzkonstrukitonen im Wolof Die folgende Analyse ditransitiver Satzkonstruktionen im Wolof wurde mit Hilfe von zwei Informanten aus Dakar erarbeitet, Herrn Abd El Kader Niang und Frau Dr. Xadi Fall1. Beide Informanten bestätigten Restriktionen bezüglich der linearen Abfolge von Objektpronomen, wie sie von Munro & Gaye beschrieben wurden. Sie bestätigten ebenfalls eine Dominanz definiter nominaler Objekte (erste Position in der linearen Abfolge, vgl. Schwartz 1975) über indefinite nominale Objekte (2. Position in der linearen Abfolge). Was sich nicht bestätigte, war die Aussagen von Mangold und Schwartz, dass die semantische Interpretation sowohl nominaler als auch pronominaler Objekt-Referenten (Thema oder Rezipient) unabhängig von der Position der Referenten innerhalb der linearen Abfolge sei und dass bei nominalen Objekten einzig das Merkmal Definitheit die Positionierung und semantische Rollenzuweisung bestimmt. Im folgenden werden nacheinander zuerst ditransitive Satzkonstruktionen mit nominalen Objekt-Argumenten, dann solche mit einem pronominalen und einem nominalen Objektreferenten und abschließend Konstruktionen mit ausschließlich pronominalen Referenten ausführlich behandelt. 1 Herr Niang, 28 Jahre, in Dakar geboren, ist zur Zeit Jura Student an der Universität Hamburg. Frau Dr. Xadi Fall besetzt einen Lehrstuhl für Germanistik an der Cheikh Anta Diop Universität in Dakar. HAAP 3 (2005) 19 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof 2.1 Ditransitive Konstruktionen mit nominalen Objekt-Argumenten Werden zwei nominale Objekt-Argumente kombiniert, von denen ein Argument definit, das andere indefinit ist, steht der definite Referent vor dem indefiniten Referenten und wird semantisch als Rezipient interpretiert. Soll der Thema-Referent definit und der Rezipient-Referent indefinit sein, muss der Rezipient in einer Präpositionalphrase mit der Präposition ci ‚zu’ ausgelagert werden. Jox naa xale bu jigéén ji benn velo. Ich gab dem Mädchen ein Fahrrad. Jox naa velo bi ci benn xale bu jigéén. Ich gab das Fahrrad zu einem Mädchen. Die Aussage von Schwartz, dass bei gleichem Definitheitsstatus ( beide Objektreferenten sind definit bzw. indefinit) jedes der beiden Argumente als Thema oder Rezipient gelesen werden kann, unabhängig von ihrer Position innerhalb der linearen Abfolge, haben meine Informanten für belebte Thema-Referenten nicht bestätigt. Trägt ein Argument das Merkmal [+belebt] und ein Argument das Merkmal [- belebt], so wird der Referent mit dem Merkmal [- belebt] als Thema gelesen und kann in der linearen Abfolge dem Rezipienten folgen oder vorangehen. Jox naa xale bu jigéén ji velo bi. Ich gab dem Mädchen das Fahrrad. Jox naa velo bi xale bu jigéén ji. Ich gab das Fahrrad dem Mädchen. Unterscheidet das Belebtheits-Merkmal den Rezipienten nicht von Thema-Referent, ist die Reihenfolge nicht frei wählbar. In diesem Fall muss der Rezipient die erste Positionsstelle einnehmen. Jox naa xale bu jigéén ji gaynde gi. Ich gab dem Mädchen den Löwen. Jox naa gaynde gi xale bu jigéén ji. Ich gab dem Löwen das Mädchen. Jox naa benn xale bu jigéén genn gaynde. Jox naa genn gaynde benn xale bu jigéén: Ich gab einem Löwen ein Mädchen. Ich gab einem Mädchen einen Löwen. Da aber auch ein definites Argument vor einem indefiniten Argument stehen muss, sind ein belebter, indefiniter Rezipient und ein belebtes, definites Thema-Argument nicht kombinierbar. Zur eindeutigen Charakterisierung des Rezipienten muss dieser bei dieser Merkmals-Konstellation wieder mittels einer Präpositionalphrase ausgelagert werden. HAAP 3 (2005) 20 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Jox naa xale bu jigéén ji genn gaynde. Ich gab dem Mädchen einen Löwen. Jox naa gaynde gi ci benn xale bu jigéén. Ich gab den Löwen zu einem Mädchen. Wird eines der beiden Objektargumente durch einen Eigennamen repräsentiert, nimmt der Eigennahme die 1. Position innerhalb der Sequenz von Objektreferenten ein, d.h. er steht vor definiten und indefiniten Argumenten und wird in dieser Position als Rezipient gelesen. Jox naa Fatu gaynde gi. Ich gab Fatu den Löwen. Jox naa Fatu genn gaynde. Ich gab Fatu einen Löwen. Soll das Thema-Argument durch einen Eigennamen repräsentiert werden, muss der Rezipient wieder ausgelagert werden. Jox naa Fatu ci gaynde gi. Ich gab Fatu (zu) dem Löwen. Jox naa Fatu ci genn gaynde. Ich gab Fatu (zu) einem Löwen. Die Aufeinanderfolge von zwei Eigennamen innerhalb einer Sequenz von Objektreferenten ist grammatisch nicht zulässig. Auch hier muss der Rezipient-Referent in einer Präpositionalphrase ausgelagert werden. *Jox naa Fatu Amadu. Jox naa Fatu ci Amadu. Ich gab Fatu zu Amadu. Jox naa Amadu ci Fatu. Ich gab Amadu zu Fatu. Einer der beiden Informanten löste das Problem, indem er dem durch den Eigennamen repäsentierten Thema-Referenten den Indefinit Artikel voranstellt. Jaay naa Amadu benn Fatu. Ich verkaufte eine gewisse Fatu an Amadu. Ditransitive Konstruktionen mit einem unbelebten Rezipient-Referenten wurden nicht akzeptiert. bzw. der Rezipient wurde semantisch in ein [+belebt] Argument umgewandelt. Die Satzvorgabe ‚Er gab der Moschee Geld’ wurde übersetzt als ‚Er gab den Leuten von der Moschee Geld’. HAAP 3 (2005) 21 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof *Jox naa jakka ji xaalis. Jox naa waa jakka ji xaalis. geben 1SG Leute:von Moschee DET Geld Selten bleibt eine Feststellung ohne Ausnahme. In einer ditransitiven Situation erlaubte der Informant einen unbelebten Rezipient-Referenten, nämlich mit dem Nomen ‚Auto’. Jox naa moto bi tuur. Ich gab dem Auto einen Namen Zusammenfassung Regeln zur linearen Anordnung: Eigenname > definites Nomen (NP) > indefinites Nomen (NP) Regeln zur semantischen Interpretation 1. Belebte Referenten werden als Rezipient, unbelebte Referenten als Thema interpretiert 2. Sind beide Referenten belebte Entitäten, wird der definite Referent als Rezipient, der indefinite Referent als Thema gelesen. 3. Unterscheiden sich die Referenten nicht in den Merkmalen [Belebtheit] und [Definitheit], wird der Referent in der 1. Position innerhalb einer Sequenz von zwei Objekt-Argumenten als Rezipient interpretiert. Konfliktkonstellationen werden durch unterschiedliche Strategien gelöst, meist jedoch durch Auslagerung des Rezipienten mittels einer Präpositionalphrase. 2.2 Ditransitive Konstruktionen mit einem nominalen und einem pronominalen Objektreferenten In gemischten Sequenzen steht der pronominale Objektreferent immer vor dem nominalen Objektreferenten und der pronominale Referent wird immer als Rezipient gelesen, unabhängig davon, ob der nominale Referent definit oder indefinit, belebt oder unbelebt ist. Jox naa ko benn velo. Ich gab ihm ein Fahrrad. Jox naa ko velo bi. Ich gab ihm das Fahrrad. Jox naa ko benn xale bu jigéén. Ich gab ihm ein Mädchen. Jox naa ko xale bu jigéén bi. Ich gab ihm das Mädchen. HAAP 3 (2005) 22 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Dies bedeutet, dass ein pronominaler Thema-Referent und ein nominaler Rezipient-Referent nicht innerhalb einer Objektsequenz versprachlicht werden können. In dieser Konfliktkonstellation muss der Rezipient zur eindeutigen semantischen Interpretation wieder mittels einer Präpositionalphrase ausgelagert werden. Jox naa ko ci benn xale bu jigéén. Ich gab sie/ihn/es einem Mädchen. Zusammenfassung Regeln der linearen Anordnung: Pronomen > Nomen (NP) Regeln zur semantischen Interpretation: Pronominaler Referent wird als Rezipient gelesen. 2.3 Ditransitive Konstruktionen mit zwei pronominalen Objektreferenten Verweist der pronominale Thema-Referent auf ein unbelebtes Objekt, folgt er in der Objektsequenz stets dem Objektpronomen, das den Rezipienten identifiziert und unterscheidet in der Form nicht zwischen 3. Person Singular und 3. Person Plural. Die Form ist stets 3. Singular ko. Das Wolof weist hier also eine Restriktion bezüglich des Numerus auf. Jox na ma ko. Jox na la ko. Jox na ko ko. Jox na ñu ko. Jox na leen ko. Jox na leen ko. Er gab es (sie) mir. Er gab es (sie) dir. Er gab es (sie) ihm/ihr. Er gab es (sie) uns. Er gab es (sie) euch. Er gab es (sie) ihnen. Verweist der pronominale Thema-Referent auf ein belebtes Objekt, folgt wieder der ThemaReferent in der Objektsequenz dem Rezipienten . Bestimmte Kombinationen innerhalb des Spektrums möglicher Rollenzuweisungen sind jedoch grammatisch nicht zulässig. So stehen 1. Singular/Plural Pronomen stets vor 2. Singular/Plural Pronomen und beide PersonenNumeruskategorien stehen vor 3. Singular/Plural Pronomen. HAAP 3 (2005) 23 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Allerdings erlauben die zulässigen Objektkombinationen nicht multiple Lesarten bezüglich der thematischen Rollenzuweisung wie es Mangold (1977) behauptet, sondern der 1. pronominale Referent wird stets als Rezipient interpretiert. Jox na ma la. aber nicht Er gab dich zu mir. *Er gab mich zu dir. Verbindungen von 2.Person Singular/Plural Rezipient mit 1 Person Singular/Plural Thema und Verbindungen von 1./2. Person Singular/Plural mit 3. Person Rezipient können nur durch Auslagerung des Rezipient-Referenten versprachlicht werden. jaay na ... Er verkaufte jaay na... Er verkaufte ma la ma ko ma leen ma leen la ko la leen ko ko dich mir ihn/sie mir euch mir sie (PL) mir ihn/sie dir sie dir sie/ihn ihm/ihr ma ci yow ma ci moom ma ci yeen/ñoom ma ci ñoom la ci moom la ci ñoom mich dir mich ihm/ihr mich euch mich ihnen dich ihm/ihr dich ihnen ñu la ñu ko ñu leen ñu leen leen ko leen ko (*leen leen) dich uns ihn/sie uns euch uns sie uns ihn/sie euch ihn/sie ihnen -- ñu ci yow ñu ci moom ñu ci yeen ñu ci ñoom leen ci moom leen ci moom leen ci yeen leen ci ñoom uns dir uns ihm/ihr uns euch uns ihnen euch ihm/ihr sie (PL) ihm/ihr sie euch sie ihnen Kombinationen von leen (2./3. Person Plural Rezipient ) und leen (2. / 3. Person Plural Thema) sind grammatisch nicht zulässig. Entweder muss der Thema-Referent nominal repräsentiert oder der Rezipient ausgelagert werden, wie es in der oben abgebildeten Tabelle dargestellt ist. Nur mit einer bestimmten Kategorie von Verben, nämlich solchen die inhärent reziprok sind wie beispielsweise das Verb won ‚zeigen’, nannten mir meine Informanten zwei mögliche Lesarten für ditransitive Konstruktionen. HAAP 3 (2005) 24 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Won na ma la. Daraus ergibt sich Objektpronomen: I ma ñu Er/sie zeigte dich mir. ~ Er/sie zeigte mich dir. für II la das Wolof III leen (2./3. PL) folgende Personen-Numerus Hierarchie der IV ko Die ermittelten Kombinationsmöglichkeiten und Restriktionen entsprechen somit den Ergebnissen von Mangold, wie er sie in seiner ersten Personen-Numerus-Hierarchie darstellte. Multiple Lesarten sind jedoch nicht möglich, es sei denn, es handelt sich um inhärent reziproke Verben. Die Personen-Numerus Hierarchie von Munro & Gaye (1991) variiert von Mangolds und meinen Ergebnissen bezüglich der 2. Person Plural leen, die bei Munro & Gaye mit der 2. Person Singular la die 2. Positionsstelle einnimmt. Nach dieser Hierarchie wäre ein Sequenz von leen (2. Person Plural) und leen (3. Person Plural) möglich. Dies jedoch lehnten meine Informanten als ungrammatisch ab. Zusammenfassung Regeln zur linearen Anordnung: 1. SG/PL > 2. SG > 2. PL / 2. PL > 3. SG Regeln zur semantischen Interpretation: Die erste Positionsstelle innerhalb einer Sequenz von zwei Objektpronomen wird als Rezipient gelesen, es sei denn, es handelt sich um inhärent reziproke Verben. In diesem Fall kann jedes der beiden Objektpronomen als Thema oder als Rezipient gelesen werden. 3. Schlussbetrachtung Restriktionen bezüglich der linearen Anordnung von pronominalen Objektreferenten und ihrer Kombinierbarkeit sind ein häufig beobachtetes Phänomen. Funktionale Linguisten (z.B. Givón 1984) gehen davon aus, dass thematische Hierarchien und Personen-Numerus Hierarchien den Topikalitätsgrad der beteiligten Referenten reflektieren. HAAP 3 (2005) Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof 25 Referenten, die in der Topikalitätsskala höher angesiedelt sind (Rezipienten, definite, belebte Objekte, Pronomen der 1./2. Person) nehmen eine hervorgehobene Position innerhalb von Objektsequenzen ein. Im Wolof ist dies die 1. Position innerhalb der Sequenz, in den Bantusprachen Haya und Shambala dagegen stehen Objektmarkierer mit einem höheren Topikalitätsstatus näher am Verstamm als solche, die in der Topikalitätsskala niedriger rangieren (Duranti 1979). Geraten Topikalitätshierarchien miteinander in Konflikt, gibt es innerhalb der Topikalitätshierarchien häufig nochmals eine Hierarchie. Im Wolof wird i.d.R. in Konfliktkonstellationen der Rezipient-Referent syntaktisch ausgelagert. Konkurrieren jedoch Definitheit und thematische Rolle um die 1. Position innerhalb der Objektsequenz, entscheidet das Merkmal Definitheit über die lineare Anordnung. Dann steht ein ThemaArgument, wenn es definit ist vor einem indefiniten Rezipient Argument. Haspelmath, der ditransitive Satzkonstruktionen mit pronominalen Referenten sprachübergreifend untersuchte, begründet Restriktionen bei der Kombinierbarkeit von gebundenen Objektpronomen über Grammatikalisierungsprozesse im Laufe diachroner Sprachentwicklung. Er weist nach, dass in vielen Sprachen unabhängige Pronomen zu gebundenen Pronomen grammatikalisiert wurden. In ditransitiven Konstruktionen werden jedoch nicht alle theoretisch möglichen Pronomenkombinationen realisiert, sondern nur solche die im tatsächlichen Sprachgebrauch am häufigsten auftreten (usage-based approach). Historische Daten zum Wolof bestätigen diesen funktionalen Erklärungsansatz. Die Grammatikalisierung von unabhängigen zu abhängigen gebundenen Pronomen ist historisch belegt. In Barbot’s West African Vocabularies of c. 1680 (veröffentlicht von Hair 1991), der wohl ältesten Quelle zum Wolof, erscheint das abhängige 1. Person Singular Pronomen noch in der Form man, d.h. in der Form des unabhängigen Pronomens. Barbot c. 1680 doinaman modernes Wolof doy na ma genügen 3SG O1SG Es genügt mir. Haspelmath erwähnt, dass einige Sprachen auch eine monotransititve Restriktion der Personen-Rollen Assoziationen zeigen. In solchen Sprachen werde Kombinationen von 3. Person Agens und 1. / 2. Person Patiens unterdrückt. Reflexe einer solchen monotransitiven Restriktion finden sich auch im Wolof. So ist es nicht möglich, in dem Satz >Ich traf Musa.< die beiden Argumente des Verbs die thematischen Rollen tauschen zu lassen. HAAP 3 (2005) 26 Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof Tase na ak Musa. Ich traf Musa. * Musa tase na ak man. *Musa traf mich. Eine solche Situation (3. Person Agens, 1. Person Patiens) wird mit einem anderen Verb, z.B. daje ‚zufällig mit jemandem zusammentreffen’ versprachlicht. Musa daje na ak man. Musa hat mich zufällig getroffen. Eine genauere Untersuchung dieses Phänomens steht allerdings noch aus. Literaturangaben Becher, J. 2001. Untersuchungen zum Sprachwandel im Wolof aus diachroner und synchroner Perspektive. http://www.sub.uni-hamburg.de/disse/492/ Duranti, A. 1979. Object Clitic Pronouns in Bantu and the Topicality Hierarchy. Studies in African Linguistics 10 (1): 31-45. Hair, P.E.H. 1992. Barbot’s West African Vocabularies of c. 1680. Center of African Studies, Liverpool: University of Liverpool, Centre of African Studies. Haspelmath, Martin 2002. Explaining the Ditransitive Person-Role Constraint: A usagebased approach. Ms. (revised version, August 2002), Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig (downloadable from: http://www.eva.mpg.de/~haspelmt/DPRC2.pdf). Givón, T. 1984. Syntax: A Functional-Typological Introduction, Vol.1. Amsterdam: John Benjamin. Mangold, M. 1977. Wolof Pronoun Verb Pattern and Paradigms. [Homo et Religio, Forschungen zur Anthropologie und Religionsgeschichte 3] Saarbrücken: RotaprintOffset Druckerei Klein. HAAP 3 (2005) Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof 27 Munro, P. & D. Gaye 1991. Ay Baati Wolof. A Wolof Dictionary. [UCCA Occasional Papers in Linguistics, 9] Los Angeles: University of California. Schwartz, A. 1979. Wolof: a language without direct object. Journal of West African Languages 10, 2: 219-267. HAAP 3 (2005)