Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof

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DITRANSITIVE VERBEN UND IHRE OBJEKTE IM WOLOF:
POSITIONSREGELN UND KOMBINIERBARKEIT
Jutta Becher
1 Einleitung
1.1 Ditransitive Satzkonstruktionen
Ditransitive Verben nehmen drei Argumente an, ein Agens-Argument und zwei nicht-Agens
Argumente. Einige Sprachen weisen den beiden nicht-Agens Argumenten Kasusrollen zu
(Akkusativ, Dativ), andere markieren sie gemäß ihren syntaktischen Funktionen
(direktes/indirektes Objekt; primäres/sekundäres Objekt). Wiederum andere Sprachen zeigen
keinerlei formale Markierung der beiden .Argumente, sie können nur anhand der
thematischen Rollen, die sie in einer ditransitiven Situation innehaben, unterschieden werden.
Zu dieser Gruppe gehört auch das Wolof. Die beiden Argumente können daher nur nach ihrer
semantischen Funktion klassifiziert werden als Rezipient und Thema. Das typische
semantische Szenario ditransitiver Situationen impliziert den Transfer eines Objekts (Thema)
zu einem weiteren Partizipanten (Rezipient) entweder im wörtlichen oder im übertragenen
Sinn. Weiterhin ist typischerweise der Rezipient ein belebtes Argument, während das Thema
stark dazu tendiert unbelebt zu sein. Meist erlauben ditransitive Verben nur in ganz speziellen
Situationen wie z.B. Sklaverei oder Heirat ein belebtes Thema: Er gab ihm seine Tochter. Er
verkaufte ihm einen Sklaven.
In vielen Sprachen (u.a. Deutsch) können ditransitive Verben anstelle eines Rezipienten auch
einen Benefaktiv-Partizipanten annehmen. Das Wolof gehört nicht zu dieser Gruppe. Im
Wolof sind die thematischen Rollen der Objektargumente inhärent ditransitiver Verben immer
Thema und Rezipient. Die Einführung eines Benefaktiv-Partizipanten verlangt die
Erweiterung des Verbs (sei es monotransitiv oder ditransitiv) mit dem Applikativsuffix –al.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Rezipient / Thema
Ich gab dem Kind Reis.
Jox naa xale bi ceeb.
jox ‚geben’
geben 1SG Kind DET Reis
Benefaktiv / Thema
Ich kochte dem Kind Reis.
Togg-al naa xale bi ceeb
togg-al ‘kochen für’
kochen-APPL 1SG Kind DET Reis
In diesem Beitrag werden die Positionsregeln und die Kombinationsmöglichkeiten von
Thema- und Rezipient-Argumenten inhärent, d.h. nicht-erweiterter ditransitiver Verben
diskutiert. Zunächst jedoch einige Anmerkungen zum Pronominalsystem und zur Syntax
einfacher Sätze im Wolof, die zum Verständnis für diesen Beitrag relevant sind.
(1) Pronominalsystem
Wolof besitzt eine Reihe von unabhängigen Pronomen, die als emphatische Subjekte,
emphatische Objekte oder als Komplement einer Präposition verwendet werden.
Weiterhin verfügt das Wolof über je eine Reihe klitischer Objektpronomen und eine Reihe
klitischer Subjektpronomen. Letztere kommt allerdings nur in abhängigen Sätzen und im
historischen Narrativ zur Anwendung. In jedem anderen einfachen affirmativen Aussagesatz
verbinden sich die Subjektklitika mit Fokusmorphemen zu sogenannten ‚Fokus-PersonenIndikatoren’ (vgl. Becher 2001:99ff). Wolof unterscheidet vier Fokustypen und besitzt somit
vier Reihen von Fokus-Personen-Indikatoren. Da nominale Subjekte i.d.R. pronominal wieder
aufgenommen werden, ist ein Fokus-Personen-Indikator in jedem einfachen Verbalsatz
obligatorisch. Hier eine tabellarische Übersicht zu den unterschiedlichen Pronominalformen
im Wolof.
emphatische Objektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika Subjektklitika
Pronomen
Narrativ
Subjektfokus
Aspektfokus
Objekt
Verbfokus
1SG
man
ma
ma
maa
naa
laa
dama
2SG
yow
la
nga
yaa
nga
nga
danga
3SG
moom
ko
mu
moo
na
la
dafa
1PL
ñun
ñu
ñu
ñoo
nañu
lañu
dañu
2PL
yeen
leen
ngeen
yeen
ngeen
ngeen
dangeen
3PL
ñoom
leen
ñu
ñoo
nañu
lañu
dañu
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
(2) Syntax einfacher Sätze
Das Wolof gehört zu den SVO-Sprachen, im indikativischen Aussagesatz mit nominalen
Argumenten ist die Konstituentenreihenfolge Subjekt-Verb-Objekt(e)-Präpositionalphrase(n).
Sind die Objekte pronominal repräsentiert, stehen sie i.d.R. vor dem Verb, wie es die
folgenden zwei Beispielsätze illustrieren.
nominales Objekt
S
V O
Góór gi moo gis xale bi.
pronominales Objekt
S
O V
Góór gi moo ko gis.
Mann DET 3SG sehen Kind DET
Mann DET 3SG O3SG sehen
Der Mann sah das Kind.
Der Mann sah es.
1. 2 Forschungsstand zu ditransitiven Satzkonstruktionen im Wolof
Es gibt bislang nur eine einzige Studie (Mangold 1977: Wolof Pronoun Verb Pattern and
Paradigms), die sich mit mehrwertigen Verben und den Kombinationsmöglichkeiten
abhängiger Objektpronomen im Wolof beschäftigt. Das Wörterbuch von Munro & Gaye 1991
enthält Hinweise zu Positionsregeln pronominaler Objekte ditransitiver Verben und Schwartz
1975 äußert sich am Rande zu nominalen Objekten ditransitiver Verben in einer
grammatischen Detailanalyse zum direkten Objekt im Wolof.
In der restlichen Literatur zum Wolof, seien es Lehrbücher (Stewart 1966, Nussbaum &
Doneux 1977, Diouf & Yaguello 1991) oder grammatische Beschreibungen (Sauvageot 1965,
Robert 1991), finden sich keine Angaben zu ditransitiven Verben und ihren Objekten.
Beschrieben werden in den oben genannten Werken lediglich monotransitive Verben und ihr
Objekt.
Die Angaben in den Werken von Mangold, Munro & Gaye und Schwartz sind zum Teil
widersprüchlich und immer unvollständig. In diesem Artikel sollen daher ditransitive Verben
und ihre beiden Objekte, seien sie nominal oder pronominal repräsentiert, ausführlich
behandelt, die Regeln der linearen Anordnung und der Kombinierbarkeit von Thema- und
Rezipient-Argumenten aufgedeckt und die semantischen Interpretationsmöglichkeiten von
Objektsequenzen diskutiert werden.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Schwartz 1975
In Schwartz findet sich der Hinweis, dass für nominale Objekte ditransitiver Verben die
Aufeinanderfolge frei wählbar ist und die verbale Aussage bei jeder gewählten Reihenfolge
zwei Lesarten erlaubt. Er zitiert die folgenden Beispielsätze (Schwartz 1975:222):
Jigéén ji jox na gaynde gi góór gi.
Jigéén ji jox na góór gi gaynde gi.
Frau DET geben S.3SG Löwe DET Mann DET
Frau DET geben S.3SG Mann DET Löwe DET
Die Frau gab dem Löwen den Mann.
Die Frau gab dem Mann den Löwen.
Die Frau gab dem Löwen den Mann.
Die Frau gab dem Mann den Löwen.
Einen Effekt auf die mögliche Interpretation hat dagegen, nach Schwartz, die Variable
‚Definitheit’. Ist eines der beiden Objekte definit, das andere dagegen indefinit, wird das
definite Argument als Rezipient gelesen und steht immer vor dem indefiniten Argument.
Jigéén ji jox na gaynde gi genn góór.
Jigéén ji jox na góór gi genn gaynde.
Die Frau gab dem Löwen einen Mann.
Die Frau gab dem Mann einen Löwen.
Schwartz äußert sich zwar nicht explizit zu möglichen Restriktionen bezüglich der
Kombinierbarkeit von zwei nominalen Objekten, seine Aussage impliziert jedoch, dass ein
definites Thema-Argument nicht mit einem indefiniten Rezipient-Partizipanten kombiniert
werden kann, da bei einer Kombination von einem definiten und einem indefiniten Objekt
immer das definite Objekt als Rezipient interpretiert wird.
Mangold 1977
Mangolds Studie beschäftigt sich ausschließlich mit pronominalen Objekten mono- und
ditransitiver Verben. Er beschreibt eine Hierarchie der abhängigen Objektklitika, die bei
Kombinationen von mehreren Klitika deren Stellung zueinander regelt.
Personen-Hierarchie (I)
I
II
1SG ma
2SG la
1PL ñu
III
2PL leen
3PL leen
IV
3SG ko
Mangold arbeitete mit zwei Informanten, die beide diese Hierarchie der linearen Anordnung,
bzw. Aufeinanderfolge von Objektklitika bestätigten. Einer der beiden Informanten
akzeptierte noch eine weitere Möglichkeit der linearen Abfolge von Objektpronomen.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Personen-Hierarchie (II)
I
II
2SG la
1SG ma
2PL leen
1PL ñu
III
3PL leen
IV
3SG ko
Mangold (1977:7) vertritt die Auffassung, dass die Position in einer Sequenz von zwei
Objektpronomen keine Identifizierung von Thema und Rezipient erlaubt, dass also jedes der
beiden Objektreferenten als Thema oder als Rezipient gelesen werden kann.
Gemäß der Personen-Hierarchie (I) hat der folgende Beispielsatz (mit dem Verb jox ‚geben’)
daher vier Lesarten, nach der Personen-Hierarchie (II) dagegen nur zwei Lesarten:
Jox na ñu leen.
1. Anordnungsregel
Er/sie gab uns (zu) euch.
Er/sie gab euch (zu) uns.
Er/sie gab uns (zu) ihnen.
Er/sie gab sie (zu) uns.
2. Anordnungsregel
Er/sie gab uns (zu) ihnen.
Er/sie gab sie (zu) uns.
Unklar bleibt bei Mangold, ob Objektklitika, die die gleiche Positionsstelle besetzen, sich
gegenseitig ausschließen, wie es hierarchische Anordnungsregeln erwarten lassen. Hier ist
besonders die 1. Personenhierarchie problematisch, in der 1SG ma und 1PL ñu die gleiche
Position besetzen und sich gegenseitig ausschließen (partielle Reflexivität liegt vor), 2SG la
und 2PL leen (partielle Reflexivität liegt vor) dagegen nicht. Andererseits besetzen 2PL leen
und 3PL leen die gleiche Stelle, was einen gegenseitigen Ausschluss implizieren könnte, der
jedoch nach seinen Beispielen nicht gegeben ist (Mangold 1977:13):
Mu jox leen leen.
Er/sie gab sie ihnen.
Er/sie gab sie euch.
Er/sie gab euch ihnen.
Munro & Gaye (1991)
Zur linearen Anordnung nominaler Objekte findet sich im Vorwort des Wolof-Englisch
Wörterbuches von Munro & Gaye die wage Aussage, dass Diskursfaktoren die Reihenfolge
oder Aufeinanderfolge regeln. Die Position mehrerer Objektklitika innerhalb des klitischen
Verbalkomplexes dagegen, wird auch nach der Darstellung der beiden Autorinnen, über eine
Personen-Numerus-Hierarchie geregelt, die sich nur geringfügig von der Mangolds
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
unterscheidet (2. Person Plural und 3. Person Plural besetzen nicht die gleiche
Positionsstelle).
I
1SG ma
1PL ñu
II
2SG la
2PL leen
III
3PL leen
IV
3SG ko
Die Frage, ob überhaupt und wenn ja wie die Rollen Thema und Rezipient unterschieden
werden können, wird nicht berührt.
2. Analyse ditransitiver Satzkonstrukitonen im Wolof
Die folgende Analyse ditransitiver Satzkonstruktionen im Wolof wurde mit Hilfe von zwei
Informanten aus Dakar erarbeitet, Herrn Abd El Kader Niang und Frau Dr. Xadi Fall1.
Beide Informanten bestätigten Restriktionen bezüglich der linearen Abfolge von
Objektpronomen, wie sie von Munro & Gaye beschrieben wurden. Sie bestätigten ebenfalls
eine Dominanz definiter nominaler Objekte (erste Position in der linearen Abfolge, vgl.
Schwartz 1975) über indefinite nominale Objekte (2. Position in der linearen Abfolge). Was
sich nicht bestätigte, war die Aussagen von Mangold und Schwartz, dass die semantische
Interpretation sowohl nominaler als auch pronominaler Objekt-Referenten (Thema oder
Rezipient) unabhängig von der Position der Referenten innerhalb der linearen Abfolge sei und
dass bei nominalen Objekten einzig das Merkmal Definitheit die Positionierung und
semantische Rollenzuweisung bestimmt.
Im folgenden werden nacheinander zuerst ditransitive Satzkonstruktionen mit nominalen
Objekt-Argumenten, dann solche mit einem pronominalen und einem nominalen
Objektreferenten und abschließend Konstruktionen mit ausschließlich pronominalen
Referenten ausführlich behandelt.
1
Herr Niang, 28 Jahre, in Dakar geboren, ist zur Zeit Jura Student an der Universität Hamburg. Frau Dr.
Xadi Fall besetzt einen Lehrstuhl für Germanistik an der Cheikh Anta Diop Universität in Dakar.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
2.1 Ditransitive Konstruktionen mit nominalen Objekt-Argumenten
Werden zwei nominale Objekt-Argumente kombiniert, von denen ein Argument definit, das
andere indefinit ist, steht der definite Referent vor dem indefiniten Referenten und wird
semantisch als Rezipient interpretiert.
Soll der Thema-Referent definit und der Rezipient-Referent indefinit sein, muss der Rezipient
in einer Präpositionalphrase mit der Präposition ci ‚zu’ ausgelagert werden.
Jox naa xale bu jigéén ji benn velo.
Ich gab dem Mädchen ein Fahrrad.
Jox naa velo bi ci benn xale bu jigéén.
Ich gab das Fahrrad zu einem Mädchen.
Die Aussage von Schwartz, dass bei gleichem Definitheitsstatus ( beide Objektreferenten sind
definit bzw. indefinit) jedes der beiden Argumente als Thema oder Rezipient gelesen werden
kann, unabhängig von ihrer Position innerhalb der linearen Abfolge, haben meine
Informanten für belebte Thema-Referenten nicht bestätigt.
Trägt ein Argument das Merkmal [+belebt] und ein Argument das Merkmal [- belebt], so
wird der Referent mit dem Merkmal [- belebt] als Thema gelesen und kann in der linearen
Abfolge dem Rezipienten folgen oder vorangehen.
Jox naa xale bu jigéén ji velo bi.
Ich gab dem Mädchen das Fahrrad.
Jox naa velo bi xale bu jigéén ji.
Ich gab das Fahrrad dem Mädchen.
Unterscheidet das Belebtheits-Merkmal den Rezipienten nicht von Thema-Referent, ist die
Reihenfolge nicht frei wählbar. In diesem Fall muss der Rezipient die erste Positionsstelle
einnehmen.
Jox naa xale bu jigéén ji gaynde gi.
Ich gab dem Mädchen den Löwen.
Jox naa gaynde gi xale bu jigéén ji.
Ich gab dem Löwen das Mädchen.
Jox naa benn xale bu jigéén genn gaynde.
Jox naa genn gaynde benn xale bu
jigéén:
Ich gab einem Löwen ein Mädchen.
Ich gab einem Mädchen einen Löwen.
Da aber auch ein definites Argument vor einem indefiniten Argument stehen muss, sind ein
belebter, indefiniter Rezipient und ein belebtes, definites Thema-Argument nicht
kombinierbar. Zur eindeutigen Charakterisierung des Rezipienten muss dieser bei dieser
Merkmals-Konstellation wieder mittels einer Präpositionalphrase ausgelagert werden.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Jox naa xale bu jigéén ji genn gaynde.
Ich gab dem Mädchen einen Löwen.
Jox naa gaynde gi ci benn xale bu
jigéén.
Ich gab den Löwen zu einem Mädchen.
Wird eines der beiden Objektargumente durch einen Eigennamen repräsentiert, nimmt der
Eigennahme die 1. Position innerhalb der Sequenz von Objektreferenten ein, d.h. er steht vor
definiten und indefiniten Argumenten und wird in dieser Position als Rezipient gelesen.
Jox naa Fatu gaynde gi.
Ich gab Fatu den Löwen.
Jox naa Fatu genn gaynde.
Ich gab Fatu einen Löwen.
Soll das Thema-Argument durch einen Eigennamen repräsentiert werden, muss der Rezipient
wieder ausgelagert werden.
Jox naa Fatu ci gaynde gi.
Ich gab Fatu (zu) dem Löwen.
Jox naa Fatu ci genn gaynde.
Ich gab Fatu (zu) einem Löwen.
Die Aufeinanderfolge von zwei Eigennamen innerhalb einer Sequenz von Objektreferenten ist
grammatisch nicht zulässig. Auch hier muss der Rezipient-Referent in einer
Präpositionalphrase ausgelagert werden.
*Jox naa Fatu Amadu.
Jox naa Fatu ci Amadu.
Ich gab Fatu zu Amadu.
Jox naa Amadu ci Fatu.
Ich gab Amadu zu Fatu.
Einer der beiden Informanten löste das Problem, indem er dem durch den Eigennamen
repäsentierten Thema-Referenten den Indefinit Artikel voranstellt.
Jaay naa Amadu benn Fatu.
Ich verkaufte eine gewisse Fatu an Amadu.
Ditransitive Konstruktionen mit einem unbelebten Rezipient-Referenten wurden nicht
akzeptiert. bzw. der Rezipient wurde semantisch in ein [+belebt] Argument umgewandelt. Die
Satzvorgabe ‚Er gab der Moschee Geld’ wurde übersetzt als ‚Er gab den Leuten von der
Moschee Geld’.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
*Jox naa jakka ji xaalis.
Jox naa waa jakka ji xaalis.
geben 1SG Leute:von Moschee DET Geld
Selten bleibt eine Feststellung ohne Ausnahme. In einer ditransitiven Situation erlaubte der
Informant einen unbelebten Rezipient-Referenten, nämlich mit dem Nomen ‚Auto’.
Jox naa moto bi tuur.
Ich gab dem Auto einen Namen
Zusammenfassung
Regeln zur linearen Anordnung:
Eigenname > definites Nomen (NP) > indefinites Nomen (NP)
Regeln zur semantischen Interpretation
1. Belebte Referenten werden als Rezipient, unbelebte Referenten als Thema interpretiert
2. Sind beide Referenten belebte Entitäten, wird der definite Referent als Rezipient, der
indefinite Referent als Thema gelesen.
3. Unterscheiden sich die Referenten nicht in den Merkmalen [Belebtheit] und
[Definitheit], wird der Referent in der 1. Position innerhalb einer Sequenz von zwei
Objekt-Argumenten als Rezipient interpretiert.
Konfliktkonstellationen werden durch unterschiedliche Strategien gelöst, meist jedoch durch
Auslagerung des Rezipienten mittels einer Präpositionalphrase.
2.2 Ditransitive Konstruktionen mit einem nominalen und einem pronominalen
Objektreferenten
In gemischten Sequenzen steht der pronominale Objektreferent immer vor dem nominalen
Objektreferenten und der pronominale Referent wird immer als Rezipient gelesen,
unabhängig davon, ob der nominale Referent definit oder indefinit, belebt oder unbelebt ist.
Jox naa ko benn velo.
Ich gab ihm ein Fahrrad.
Jox naa ko velo bi.
Ich gab ihm das Fahrrad.
Jox naa ko benn xale bu jigéén.
Ich gab ihm ein Mädchen.
Jox naa ko xale bu jigéén bi.
Ich gab ihm das Mädchen.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Dies bedeutet, dass ein pronominaler Thema-Referent und ein nominaler Rezipient-Referent
nicht innerhalb einer Objektsequenz versprachlicht werden können. In dieser
Konfliktkonstellation muss der Rezipient zur eindeutigen semantischen Interpretation wieder
mittels einer Präpositionalphrase ausgelagert werden.
Jox naa ko ci benn xale bu jigéén.
Ich gab sie/ihn/es einem Mädchen.
Zusammenfassung
Regeln der linearen Anordnung:
Pronomen > Nomen (NP)
Regeln zur semantischen Interpretation:
Pronominaler Referent wird als Rezipient gelesen.
2.3 Ditransitive Konstruktionen mit zwei pronominalen Objektreferenten
Verweist der pronominale Thema-Referent auf ein unbelebtes Objekt, folgt er in der
Objektsequenz stets dem Objektpronomen, das den Rezipienten identifiziert und unterscheidet
in der Form nicht zwischen 3. Person Singular und 3. Person Plural. Die Form ist stets 3.
Singular ko. Das Wolof weist hier also eine Restriktion bezüglich des Numerus auf.
Jox na ma ko.
Jox na la ko.
Jox na ko ko.
Jox na ñu ko.
Jox na leen ko.
Jox na leen ko.
Er gab es (sie) mir.
Er gab es (sie) dir.
Er gab es (sie) ihm/ihr.
Er gab es (sie) uns.
Er gab es (sie) euch.
Er gab es (sie) ihnen.
Verweist der pronominale Thema-Referent auf ein belebtes Objekt, folgt wieder der ThemaReferent in der Objektsequenz dem Rezipienten . Bestimmte Kombinationen innerhalb des
Spektrums möglicher Rollenzuweisungen sind jedoch grammatisch nicht zulässig. So stehen
1. Singular/Plural Pronomen stets vor 2. Singular/Plural Pronomen und beide PersonenNumeruskategorien stehen vor 3. Singular/Plural Pronomen.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Allerdings erlauben die zulässigen Objektkombinationen nicht multiple Lesarten bezüglich
der thematischen Rollenzuweisung wie es Mangold (1977) behauptet, sondern der 1.
pronominale Referent wird stets als Rezipient interpretiert.
Jox na ma la.
aber nicht
Er gab dich zu mir.
*Er gab mich zu dir.
Verbindungen von 2.Person Singular/Plural Rezipient mit 1 Person Singular/Plural Thema
und Verbindungen von 1./2. Person Singular/Plural mit 3. Person Rezipient können nur durch
Auslagerung des Rezipient-Referenten versprachlicht werden.
jaay na ...
Er verkaufte
jaay na...
Er verkaufte
ma la
ma ko
ma leen
ma leen
la ko
la leen
ko ko
dich mir
ihn/sie mir
euch mir
sie (PL) mir
ihn/sie dir
sie dir
sie/ihn ihm/ihr
ma ci yow
ma ci moom
ma ci yeen/ñoom
ma ci ñoom
la ci moom
la ci ñoom
mich dir
mich ihm/ihr
mich euch
mich ihnen
dich ihm/ihr
dich ihnen
ñu la
ñu ko
ñu leen
ñu leen
leen ko
leen ko
(*leen leen)
dich uns
ihn/sie uns
euch uns
sie uns
ihn/sie euch
ihn/sie ihnen
--
ñu ci yow
ñu ci moom
ñu ci yeen
ñu ci ñoom
leen ci moom
leen ci moom
leen ci yeen
leen ci ñoom
uns dir
uns ihm/ihr
uns euch
uns ihnen
euch ihm/ihr
sie (PL) ihm/ihr
sie euch
sie ihnen
Kombinationen von leen (2./3. Person Plural Rezipient ) und leen (2. / 3. Person Plural
Thema) sind grammatisch nicht zulässig. Entweder muss der Thema-Referent nominal
repräsentiert oder der Rezipient ausgelagert werden, wie es in der oben abgebildeten Tabelle
dargestellt ist.
Nur mit einer bestimmten Kategorie von Verben, nämlich solchen die inhärent reziprok sind
wie beispielsweise das Verb won ‚zeigen’, nannten mir meine Informanten zwei mögliche
Lesarten für ditransitive Konstruktionen.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Won na ma la.
Daraus ergibt sich
Objektpronomen:
I
ma
ñu
Er/sie zeigte dich mir. ~ Er/sie zeigte mich dir.
für
II
la
das
Wolof
III
leen
(2./3. PL)
folgende
Personen-Numerus
Hierarchie
der
IV
ko
Die ermittelten Kombinationsmöglichkeiten und Restriktionen entsprechen somit den
Ergebnissen von Mangold, wie er sie in seiner ersten Personen-Numerus-Hierarchie darstellte.
Multiple Lesarten sind jedoch nicht möglich, es sei denn, es handelt sich um inhärent
reziproke Verben.
Die Personen-Numerus Hierarchie von Munro & Gaye (1991) variiert von Mangolds und
meinen Ergebnissen bezüglich der 2. Person Plural leen, die bei Munro & Gaye mit der 2.
Person Singular la die 2. Positionsstelle einnimmt. Nach dieser Hierarchie wäre ein Sequenz
von leen (2. Person Plural) und leen (3. Person Plural) möglich. Dies jedoch lehnten meine
Informanten als ungrammatisch ab.
Zusammenfassung
Regeln zur linearen Anordnung:
1. SG/PL > 2. SG > 2. PL / 2. PL > 3. SG
Regeln zur semantischen Interpretation:
Die erste Positionsstelle innerhalb einer Sequenz von zwei Objektpronomen wird als
Rezipient gelesen, es sei denn, es handelt sich um inhärent reziproke Verben. In
diesem Fall kann jedes der beiden Objektpronomen als Thema oder als Rezipient
gelesen werden.
3. Schlussbetrachtung
Restriktionen bezüglich der linearen Anordnung von pronominalen Objektreferenten und
ihrer Kombinierbarkeit sind ein häufig beobachtetes Phänomen. Funktionale Linguisten (z.B.
Givón 1984) gehen davon aus, dass thematische Hierarchien und Personen-Numerus
Hierarchien den Topikalitätsgrad der beteiligten Referenten reflektieren.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
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Referenten, die in der Topikalitätsskala höher angesiedelt sind (Rezipienten, definite, belebte
Objekte, Pronomen der 1./2. Person) nehmen eine hervorgehobene Position innerhalb von
Objektsequenzen ein. Im Wolof ist dies die 1. Position innerhalb der Sequenz, in den
Bantusprachen Haya und Shambala dagegen stehen Objektmarkierer mit einem höheren
Topikalitätsstatus näher am Verstamm als solche, die in der Topikalitätsskala niedriger
rangieren (Duranti 1979).
Geraten Topikalitätshierarchien miteinander in Konflikt, gibt es innerhalb der
Topikalitätshierarchien häufig nochmals eine Hierarchie. Im Wolof wird i.d.R. in
Konfliktkonstellationen der Rezipient-Referent syntaktisch ausgelagert. Konkurrieren jedoch
Definitheit und thematische Rolle um die 1. Position innerhalb der Objektsequenz,
entscheidet das Merkmal Definitheit über die lineare Anordnung. Dann steht ein ThemaArgument, wenn es definit ist vor einem indefiniten Rezipient Argument.
Haspelmath, der ditransitive Satzkonstruktionen mit pronominalen Referenten
sprachübergreifend untersuchte, begründet Restriktionen bei der Kombinierbarkeit von
gebundenen Objektpronomen über Grammatikalisierungsprozesse im Laufe diachroner
Sprachentwicklung. Er weist nach, dass in vielen Sprachen unabhängige Pronomen zu
gebundenen Pronomen grammatikalisiert wurden. In ditransitiven Konstruktionen werden
jedoch nicht alle theoretisch möglichen Pronomenkombinationen realisiert, sondern nur
solche die im tatsächlichen Sprachgebrauch am häufigsten auftreten (usage-based approach).
Historische Daten zum Wolof bestätigen diesen funktionalen Erklärungsansatz. Die
Grammatikalisierung von unabhängigen zu abhängigen gebundenen Pronomen ist historisch
belegt. In Barbot’s West African Vocabularies of c. 1680 (veröffentlicht von Hair 1991), der
wohl ältesten Quelle zum Wolof, erscheint das abhängige 1. Person Singular Pronomen noch
in der Form man, d.h. in der Form des unabhängigen Pronomens.
Barbot c. 1680
doinaman
modernes Wolof
doy na ma
genügen 3SG O1SG
Es genügt mir.
Haspelmath erwähnt, dass einige Sprachen auch eine monotransititve Restriktion der
Personen-Rollen Assoziationen zeigen. In solchen Sprachen werde Kombinationen von 3.
Person Agens und 1. / 2. Person Patiens unterdrückt.
Reflexe einer solchen monotransitiven Restriktion finden sich auch im Wolof. So ist es nicht
möglich, in dem Satz >Ich traf Musa.< die beiden Argumente des Verbs die thematischen
Rollen tauschen zu lassen.
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Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
Tase na ak Musa.
Ich traf Musa.
* Musa tase na ak man.
*Musa traf mich.
Eine solche Situation (3. Person Agens, 1. Person Patiens) wird mit einem anderen Verb, z.B.
daje ‚zufällig mit jemandem zusammentreffen’ versprachlicht.
Musa daje na ak man.
Musa hat mich zufällig getroffen.
Eine genauere Untersuchung dieses Phänomens steht allerdings noch aus.
Literaturangaben
Becher, J. 2001. Untersuchungen zum Sprachwandel im Wolof aus diachroner und
synchroner Perspektive. http://www.sub.uni-hamburg.de/disse/492/
Duranti, A. 1979. Object Clitic Pronouns in Bantu and the Topicality Hierarchy. Studies in
African Linguistics 10 (1): 31-45.
Hair, P.E.H. 1992. Barbot’s West African Vocabularies of c. 1680. Center of African Studies,
Liverpool: University of Liverpool, Centre of African Studies.
Haspelmath, Martin 2002. Explaining the Ditransitive Person-Role Constraint: A usagebased approach. Ms. (revised version, August 2002), Max Planck Institut für
evolutionäre Anthropologie, Leipzig
(downloadable from: http://www.eva.mpg.de/~haspelmt/DPRC2.pdf).
Givón, T. 1984. Syntax: A Functional-Typological Introduction, Vol.1. Amsterdam: John
Benjamin.
Mangold, M. 1977. Wolof Pronoun Verb Pattern and Paradigms. [Homo et Religio,
Forschungen zur Anthropologie und Religionsgeschichte 3] Saarbrücken: RotaprintOffset Druckerei Klein.
HAAP 3 (2005)
Jutta Becher: Ditransitive Verben und ihre Objekte im Wolof
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Munro, P. & D. Gaye 1991. Ay Baati Wolof. A Wolof Dictionary. [UCCA Occasional Papers
in Linguistics, 9] Los Angeles: University of California.
Schwartz, A. 1979. Wolof: a language without direct object. Journal of West African
Languages 10, 2: 219-267.
HAAP 3 (2005)
Zugehörige Unterlagen
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