Februar 14 Das architektur

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Bau
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Februar
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Das ArchitekturMagazin
Beton
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Ideen
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In einem Schwung wird
aus der Boden- die Deckenplatte. Zur Straße
dominiert der Beton,
nach Osten und Westen sorgen Polykarbonatplatten für Transparenz.
Ti t e l t h e ma
Sportlicher
Rohling
Direkt an der Spree in
Berlin-Köpenick ist ein
Ruderclub fürs 21. Jahrhundert entstanden:
eine rohe Hülle aus
Sichtbeton und Polykarbonat, die innen jederzeit verändert werden
kann.
Architekten
Oliver Mang
Architekten
Kritik
Florian Heilmeyer
Fotos
Kai Bienert
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Ideen
Linke Seite: Oliver
Rechts: Die Freitreppe
Mang sagt, er sei sel-
mit ihrer Betonhülle
ber überrascht gewe-
führt den Schwung der
sen, dass die konse-
Deckenplatte zu Ende.
quente, raue Optik un-
Sie dient als Fluchtweg
ter den Wassersport-
und separater Eingang
lern nicht für mehr
zum Clubraum.
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Kontroversen gesorgt
hätte.
D
er Bruno-Bürgel-Weg ist keine schöne Ecke.
Zwar läuft er entlang der Spree, wo die sich
wie ein nasser Finger, nur wenige Meter
breit, durch Berlins Osten bohrt. An beiden
Ufern haben sich eine handvoll Sportvereine angesiedelt, viele schon seit DDR-Zeiten,
die Regattastrecke in Grünau ist nicht weit
entfernt. Berlin will den Standort als Freizeitgebiet stärken, schrittweise sollen weitere
Wassersportler folgen und irgendwann ein
öffentlicher Fußweg am Fluss entlang führen. Klingt idyllisch. Aber vor Ort dominieren
die kleinen Gewerbegebiete das Bild. Auf
dem Weg zum neuen Wassersportzentrum
des Vereins „Turngemeinde in Berlin“ (TiB)
sieht man zuerst „Netto“ und „Fristo“ (der
freundliche Getränkemarkt), und während
links der Fluß hinter ein paar Bäumen schimmert, liegen rechts Autohäuser, Baracken,
Mauern, Zäune und Parkplätze. Da wirkt der
schmale Grünstreifen ein wenig dünn.
Alleine der Blick zum anderen Ufer ließe sich
„idyllisch“ nennen. Dort stehen einige ältere
Ruderhäuser, darunter auch die beiden Baudenkmäler „Ruderclub Sturmvogel“ von Emil
Frey (1910) und das Clubhaus „Elektra“, 1912
von Peter Behrens für die Betriebsruderer der
AEG entworfen. Eben diesen Behrensbau
nutzten in den letzten Jahren die Ruderer der
TiB; das Baudenkmal ließ in seinem großen
Vereinszimmer auch modernere Nutzungen
wie Aerobic-, Yoga- und Zumbakurse zu,
aber Wünsche wie Sauna- und Fitnessräume
waren sich nicht zu erfüllen.
So entstand die Idee eines „Wassersportzentrums“, um die Ruder- und Kanusportler des
TiB zusammenlegen zu können. Das Grundstück am Bruno-Bürgel-Weg nutzte der Verein bereits, ein altes, mehrfach umgebautes
Haus diente mehr schlecht als recht als
Bootshalle mit Umkleiden. Der Neubau wurde mit Geldern der Lotto-Stiftung möglich,
die jedoch mit der Bedingung verbunden
sind, einen Teil der Bausumme aus Eigenmitteln, einen anderen in Eigenleistung zu erbringen. Als Architekt des Neubaus wurde
Oliver Mang engagiert.
Das niedrige Budget und die vertraglich festgeschriebene Eigenleistung machte Mang
umstandslos zu den Grundlagen seines Entwurfs. „Es war absehbar, dass die Vereinsmitglieder die Arbeiten relativ einfach ausführen würden“, sagt er beim Rundgang
durchs Gebäude. „Umso robuster sollte die
Architektur sein. Sie sollte einiges aushalten
können.“
Das kann sie. Insbesondere im Vergleich mit
den gegenüber liegenden, hundert Jahre
älteren Ruderclubs wird deutlich, dass Mang
eine typologische Revolution betreibt. Sein
Wassersportzentrum ist kein Landhaus mehr,
sondern ein Gebrauchshaus. Eine lichte,
helle Werkstatt, die eine atmosphärische
Verbindung zwischen den Gewerbegebieten und der Freizeit am Fluss herstellt.
Das Wasser ist der Ausgangspunkt, um das
Ra u m p ro g ra m m i n e i n e m e l e g a n t e n
Schwung auf zwei Etagen zu sortieren: Vom
Anlegeplatz über den beleuchteten Sattelplatz für die Wartung der Boote führt der
Weg durch drei breite Tore in die Ruderhalle.
Maßgebend ist der Wander-Achter, ein breites Holzboot mit der Länge von 18 Metern.
„Wenn Sie den aufrichten, sind Sie fast auf
Berliner Traufhöhe“, sagt Mang. „Mit so einem Boot will man nicht rangieren, das muss
von der Halle geradeaus ins Wasser gebracht werden.“ So richtet die Halle ihre Tore
orthogonal aufs Wasser, die Maße vom Vorplatz und der Halle ergeben sich aus dem
Achter und den weiteren Booten. Zur Straße
folgen Technikräume und die Werkstatt und
am Eingang die Treppe ins Obergeschoss.
Straßenseitig formt der vor Ort gegossene
Beton eine schroffe, geknickte Außenwand,
mittig sitzt eine grau gestrichene Lüftungsöffnung. Als Geste wird sie von den Gebäudeseiten lesbar: In einem Schwung wird der
Beton ums Treppenhaus geklappt, wie Teig,
und aus der Bodenplatte entsteht das Dach
des Obergeschosses. Hier liegen Gästezimmer, Umkleiden, Sauna und Fitnessräume sowie vorne, zum Wasser, der große Clubraum.
Davor wird der Beton wieder weich nach unten
gefaltet und formt einen Balkon mit großen
Fensterausschnitten. Vom Balkon führt eine
Außentreppe nach unten, sie ist zweiter Fluchtweg und separater Eingang, damit der Clubraum auch für externe Veranstaltungen vermietet werden kann. Der Ortbeton in Sichtbetonklasse 3 (für hohe gestalterische AnforWeiter
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Ideen
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3
Die industrielle, provi-
Rechte Seite: Der Bal-
sorische Ästhetik des
kon vor dem Clubraum
Gebäudes zeigt, dass
wird von Ortbeton um-
die Architektur kein
mantelt, Ausschnitte
fertiges Produkt ist,
im Breitbandformat
sondern vom Nutzer
öffnen den Blick aufs
fortgeführt werden soll.
Spreewasser.
Links: der Clubraum
d e r u n g e n) w i rd g e n u t z t, u m d i e
verschiedenen Knicke und Wellenbewegungen des Gebäudes fließend wirken zu
lassen. Die Büro- und Umkleideräume im
Obergeschoss haben eine lichte Höhe von
2,75 Meter, dann knickt das Dach nach oben
um den vorderen Räumen, insbesondere
dem Clubraum, angenehmere Raumproportionen von 3,50 Meter Raumhöhe zu geben. In einem weiteren Knick fällt das Dach
gleichzeitig zur Grundstücksgrenze hin ab,
um die Abstandsfläche zum Nachbarn zu
verringern.
Zum Wasser und zur Straße dominiert in diesem Konzept der Sichtbeton. Die Ost- und
Westfassaden bestehen hingegen aus Stegplatten aus transluzentem Polykarbonat, die
auf eine Unterkonstruktion aus Aluminium
geschraubt sind. Oliver Mang hatte sich gefragt, warum die Typologie des Ruderhauses
die Boote bislang immer in geschlossenen
Hallen versteckt hatte. Hier schimmern die
aufgehängten Boote durch das Polykarbonat. „Gleichzeitig verhindert die Fassade
einen allzu offenen Blick in die Ruderhalle,
die ja nicht immer perfekt aufgeräumt ist“,
schmunzelt Mang. Nach innen ergibt sich
noch ein schöner Effekt, zeichnen sich doch
in der Fassade auf abstrakte Weise das Licht
und die Farben der Umgebung ab, sich im
Lauf des Tages und der Jahreszeiten ändernd. Dabei wird auch die Tragstruktur des
Gebäudes – insbesondere die schräg aussteifenden Stützen im Untergeschoss – in
Szene gesetzt. Auch die horizontalen Aluminiumt räger, die auf der ganzen Länge
durchs Obergeschoss laufen, bleiben so
schimmernd sichtbar. Sie dienen als Haltepunkte für die frei positionierten Fenster und
als Soganker für die Polykarbonatplatten.
Das ergibt eine raue, robuste Ausstrahlung.
Es ist ein bewusst unfertig gelassenes Haus,
das benutzt werden soll; das zeigen die unverputzten Decken im Inneren und die grob
an die Betonstützen geschraubten Aluminiumprofile. Auch die Statik räumt Freiheiten
ein: Neben dem Treppenhaus und den wenigen gemauerten Kernwänden besteht das
Haus aus Stützen, Unterzügen und Decken,
es sind aufeinander gestapelte Hallen. Die
untere Bootshalle ist unbeheizt, im Obergeschoss sorgt die Fußbodenheizung dafür,
dass die Raumaufteilung um die beiden
kleinen Innenhöfe, die Licht in die Gebäudetiefe bringen, flexibel verändert werden
kann.
Stützen und Unterzüge sind in Sichtbetonklasse 2 (normale gestalterische Anforderungen), die Decken in Klasse 3 ausgeführt.
„Für das Projekt war wichtig, eine RohbauFirma zu finden, die mit Ehrgeiz und Spaß
an diese Aufgabe herangeht“, sagt Mang.
Gefunden wurde dieser Partner mit ANES
Bauausführungen, die sich unter anderem
mit dem Atelierhaus für Katharina Grosse
(von Augustin & Frank Architekten) empfohlen hatten. Viele Stellen, vor allem in
den Knicken der Nord- und Südfassade,
sind in bemerkenswerter Qualität betoniert
worden, der architektonisch gewollte Charakter eines Rohlings wurde aber erhalten.
„Die Firma hat eine so gute Qualität abge-
liefert, dass ich auf Nachbesserungen ganz
verzichten wollte.“ Das war aber dem Nutzer zu radikal, und so wurde die rohe Hülle
an einigen wenigen Stellen doch nachträglich korrigiert.
Es wird interessant sein, zu sehen, wie das
Gebäude altert. Schon wächst an der Nordseite das erste Moos auf dem Beton, was
das Gebäude enger mit der Natur zusammen bringt. „Ich hatte diese Diskussion
schon im Vorfeld mit den Nutzern. Das Moos
beschädigt das Gebäude ja nicht – wenn
es einen stört, nimmt man einen Hochdruckreiniger.“ Mang sagt, er war erstaunt,
wie schnell sich die Mitglieder des Ruderclubs, die sich in einer Abstimmung für seinen Ent wur f ausgesprochen hatten, auf
dieses pragmatische Bauwerk geeinigt
hätten.
Zur Zeit wird diskutiert, an der Straßenseite
eine Kletterwand einzurichten. Nicht, um
die Seite weniger schroff wirken zu lassen,
im Gegenteil. Eher entdecken die Sportler
gerade, welche zusätzlichen Möglichkeiten ihnen dieses Gebäude eröffnet. Wenn
es eine vorrangige Aufgabe der Architektur ist, sich auf die Gegenwart einzulassen
und ihr eine Form zu geben, die auch der
Zukunft funktioniert, dann ist das dem Wassersportzentrum in Köpenick gelungen.
Pläne auf den
folgenden Seiten
82
Fragen
83
1
Kunst oder Architektur?
Die Kirche zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit in
Wien stammt von Fritz Wotruba und wurde 1976 fertig gestellt. Ihre Monumentalität ist charakteristisch für die brutalistische
Formensprache und wurde aus dem Querbezug
von Kunst und Architektur
entwickelt. Der Bau nimmt
das Thema Kirche auf und
wandelt es durch Ausdeutung zu einem neuen „Bekannten“ um. So entfaltet
er eine Poesie, entstanden aus einem dynamischen Schaffensprozess,
der sich radikal in Material und Raumbildung ausdrückt.
text
Was
ist
Brutalismus
?
Tite lthem a
Fotos: Ane tte Busse
Anette Busse
84
Fragen
von
III
Der Brutalismus ist
für viele eine rätselhafte Architekturströmung – man
liebt sie oder man
hasst sie. Ihre
Entstehung ist eng
verknüpft mit
den Ereignissen
zwischen 1945 und
1960. Unsere Autorin schaut zurück
auf den historischen Kontext. Mit
diesem Beitrag
beginnen wir eine
dreiteilige Serie
zum Thema.
Erst die Verwüstung der Städte im Zweiten Weltkrieg
machte ihn möglich: Der Wiederaufbau war notwendig,
und so konnten die Ideen und Thesen des 1928 gegründeten CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) umgesetzt und deren fortlaufend gemeinschaftlich
formulierte Ideale Realität werden. Die Charta von Athen
von 1933 hatte Le Corbusier im Jahr 1943 im Alleingang veröffentlicht – sie war maßgebend für die städtebaulichen
Planungen der späten 1940er und frühen 1950er Jahre.
Bekanntlich war das Ziel, städtische Funktionen streng in
Nutzungszonen einzuteilen und so zu entmischen, mit
ausschließlich autogerechten Verkehrswegen, die die
„alte Stadt“ mit ihren Eigenarten negiert und standortunabhängige Prototypen proklamiert. Kurz, beabsichtigt
waren Funktionalisierung, Industrialisierung, Standardisierung und ökonomische Produktionsmethoden, also
eine Radikalisierung und damit Vereinheitlichung des
Bauens.
Gegen diese Grundsätze regte sich bei der jüngeren Generation Widerspruch, da die Thesen als zu formalistisch
und diagrammatisch aufgefasst wurden. Besonders Alison und Peter Smithson, die Wortführer der englischen
„Independent Group“, welche die Keimzelle des Brutalismus war, stellten in einem Artikel in der „Architectural Review“ 1953 die Forderung nach einer Reformulierung dieser Grundsätze. Sie vertraten als junge Delegierte am
CIAM-Kongress 1953 die Auffassung, dass jedes Ordnungsprinzip grundsätzlich falsch, Planung überhaupt
gefährlich und im Zufall ausreichend Möglichkeit neuer
Entwicklungen enthalten sei – Stadtentwicklung sei vor
allem ein sozialer Prozess.
menschliche Aspekte fehlten – ebenso wie erzählende
und geschichtliche Bedeutung, was zum Verlust von Lebendigkeit und künstlerischer Imagination führte. Die Independent Group entwickelte Ausstellungskonzepte, die
sie als Teststationen unter Laborbedingungen nutzten,
um ihre neue Einstellung umzusetzen und neue Formen
für die sich verändernden Verhältnisse zu finden. Diese
Erkenntnisse übertrugen sie auf architektonische Konzepte als Ausdruck eines gesellschaftspolitischen Programms, mit groß angelegten Sozialwohnungsbauten,
für den Ausgleich der Wohnverhältnisse von Ober- und
Unterschicht.
Der Architekturtheoretiker Reyner Banham, selbst Mitglied der Independent Group, veröffentlichte 1955 den
ersten Artikel über den „New Brutalism“ in der Architectural Review. Darin führte er zu den brutalistischen Attributen aus, dass diese soweit gefasst seien, dass sehr viel
oder auch nur sehr wenig darunter verstanden werden
könne: je nach Auslegung erstens Erinnerbarkeit als
„Image“, zweitens Sichtbarkeit der Konstruktion und drittens eine Hochschätzung der Materialien „as found“. Genau hierin liegt die Schwierigkeit der Definition. Nur in
großer Kenntnis des Sujets lässt sich ein wahrhaft brutalistisches Gebäude identifizieren – es hängt ab von der Einstellung seines Gestalters und dessen Entwurfshaltung,
vom Reagieren auf Vorhandenes, jedoch auch dem nötigen Eigensinn. Authentizität als Gegenmodell zur Moderne, im Wunsch das Gewöhnliche radikal zur Kenntnis zu
nehmen und in Relation zur vorhandenen Wirklichkeit zu
setzen.
der jeweiligen Architekten. Der Diskurs zur Definition des
Brutalismus hat sich bis heute nicht aufgelöst. Auch das
2012 veranstaltete, von der Autorin mitinitiierte, internationale Symposium zum „Brutalismus, Architekturen zwischen Alltag, Theorie und Poesie“ hat zwar viele neue
Aspekte und Erkenntnisse hervorgebracht, es blieben
aber auch viele Fragen offen oder wurden neu gestellt.
Die wichtigste Erkenntnis aus dieser vielschichtig geführten Diskussion ist jedoch, dass Brutalismus keine Stilausformung war, sondern als eine Haltung verstanden werden muss. Diese architektonische Haltung war eng verknüpft mit den sozialen und kulturellen Auffassungen sowie den biografischen Verflechtungen ihrer Schöpfer. Der
Zweite Weltkrieg spielt hierbei, vor allem in den verschiedenen brutalistischen Ausprägungen einzelner Länder,
eine große Rolle. Ohne den Krieg hätte es keinen Brutalismus gegeben, er hat ihn hervorgebracht. Deshalb sind
auch die Ausformungen der brutalistischen Architektur
so unterschiedlich geartet – ein internationales Phänomen mit jeweils regionaler und persönlich differenzierter
Umsetzung.
Diesem wird im nächsten Heft im Vergleich zweier formal
brutalistischer Häuser im englischen und deutschen Kontext nachgegangen.
Die Bewegung zieht Kreise
1 Stirling und Gowan, Wohnbebauung Ham Common,
Richmond, Surrey, 1955-1958
2 Denys Lasdun, Cluster-Wohnblock, Claredale Street,
Bethnal Green, London, 1953-1955
3 Alison und Peter Smithson, Secondary School, Hunstanton, Norfolk, 1949-1954
Die Anfänge
Den Grundsätzen „Wohnen“, „Arbeiten“, „Erholen“ und
„Zirkulieren“ wurden die Begriffe „Haus“, „Straße“, „Stadtteil“ und „Stadt“ entgegen gesetzt. Dieser offensichtliche
Generationenkonflikt des CIAM, aus dem sich das von
der jüngeren Generation gegründete Team X als opponierende Gruppe herausbildete, hatte solch rebellische
Sprengkraft und Polemik, dass sich der bis dahin sehr einflussreiche Congrès 1959 endgültig auflöste. Allerdings ist
davon auszugehen, dass die brutalistischen Theorien sich
überhaupt erst über den CIAM international verbreiteten.
Die Smithsons hatten erst in den vierziger Jahren studiert
und wurden schon sehr jung Vertreter im CIAM und später
im Team X. Die Mitarbeit in diesen Gremien war für sie
sehr wichtig und die Auseinandersetzung mit deren Mitgliedern prägend. Sie lernten aber auch durch ihre eigene Kritik an dem, was über Jahre erarbeitet worden war,
dass nichts von Ewigkeit ist und sich alles weiterentwickelt, was ihre sehr offen gehaltenen Thesen belegen.
Stetige Suche
So ist nach meinem Dafürhalten der Brutalismus äußerer
Ausdruck einer inneren Suche nach der richtigen Form für
eine sich wandelnde Gesellschaft. Die Stadtplanung des
Wiederaufbaus erschien vor allem deshalb unwirtlich, da
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1
Ab Mitte der 1950er Jahre weitete sich die Basis des Brutalismus von der Independent Group auf weitere Vertreter der englischen Architekturszene aus: etwa auf James
Stirling mit seiner Wohnanlage „Ham Common“ 1958 1
oder Denys Lasdun mit dem „Cluster Block“ 2 in Bethnal
Green 1955, die sich jedoch selbst nicht als Brutalisten bezeichneten, aber von den theoretischen Grundlagen der
Smithsons und Banhams beeinflusst waren. Die Smithsons
selbst hatten bis dahin nur sehr wenige Bauten realisiert,
viele Projekte waren nur gezeichnet. Wie Denys Lasdun
im April 1957 in der Zeitschrift Architectural Design anmerkte, sei es schwierig, die Theorien des Brutalismus an
gebauten Projekten zu überprüfen, da es keine realisierten Bauten gäbe, die diesen Begriff veranschaulichen
würden. Die Schwierigkeit in der Beurteilung der Theorie
läge darin, dass der New Brutalism bisher nur über die Literatur wahrzunehmen sei. Aus diesem Dilemma erklärt
sich auch die Deutung der „Secondary School of Hunstanton“3 , die von den Kritikern als erstes brutalistisches
Bauwerk bezeichnet wurde. Denn sie entstand, als der
Begriff New Brutalism noch nicht als Bezeichnung dieser
Architekturströmung existierte, sie aber eben das erste
umgesetzte Projekt der Smithsons war.
Ab 1958 breitete sich die brutalistische Strömung international aus und erhielt je nach nationaler und regionaler
Interpretation eine eigene Färbung durch die Biografien
I
II
III
Der erste Teil lei-
Im zweiten Teil
Im dritten Teil
tet in das Thema
stellen wir zwei
gibt es einen
Brutalismus ein.
gebaute, bruta-
Ausblick auf den
listische Beispie-
Stand der For-
le vor.
schungen.
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