Zusammenhang zwischen Patienten- und

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270 Originalarbeit
Zusammenhang zwischen Patienten- und
Therapeuteneinschätzungen der Ergebnisqualität in
der Rehabilitation von Patienten mit psychischen/
psychosomatischen Erkrankungen am Beispiel des SF-8
Can Quality of Life in Psychotherapy Be Measured with Clinician-Ratings?
A Comparison of Patient- and Clinician-Ratings Using the SF-8
Autoren
H. Schulz1, T. Harfst2, S. Andreas1, S. Kawski1, U. Koch1, S. Rabung1
Institute
1
Schlüsselwörter
▶ Psychosomatik
●
▶ Lebensqualität
●
▶ Fremdeinschätzungen
●
Zusammenfassung
&
Abstract
&
Hintergrund: Für die Rehabilitation einer
Vielzahl körperlicher, aber auch psychischer
Erkrankungen stellt die Lebensqualität ein zentrales Kriterium für das Behandlungsergebnis
dar. Bisher liegen jedoch nur wenige Studien zur
zentralen Frage vor, inwieweit dieser Outcomebereich in der Routine durch die behandelnden
Ärzte und Therapeuten oder durch den Patienten
selbst eingeschätzt werden kann bzw. sollte.
Methodik: Selbst- und Fremdeinschätzungen
der Lebensqualität wurden mit dem SF-8 an einer Stichprobe von 1 812 Patienten des Indikationsbereichs psychische und psychosomatische
Erkrankungen in elf Rehabilitations-Fachkliniken
zu Behandlungsbeginn und -ende erhoben. Die
Fragestellungen wurden mithilfe von ProduktMoment-Korrelationen überprüft.
Ergebnisse: Die Korrelation für die psychische
Summenskala beträgt zur Aufnahme r = 0,46 und
zur Entlassung r = 0,51, für die körperliche Summenskala r = 0,48 und r = 0,58. Vergleichsweise
hohe Übereinstimmungen finden sich für das
Item Körperliche Schmerzen, besonders niedrige
für das Item Soziale Funktionsfähigkeit. Ein Vergleich der elf Kliniken zeigt eine große Spannbreite des Zusammenhangs zwischen Patientenund Therapeuteneinschätzungen.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass vor
allem für den Zeitpunkt der Entlassung, aber
auch bereits zur Aufnahme Zusammenhänge
mit großer bzw. annähernd großer Effektstärke
bestehen. Jedoch kann trotz des hohen Zusammenhangs ein beträchtlicher Teil der Variation
der Selbsteinschätzungen durch den Patienten
nicht durch den behandelnden Therapeuten erklärt werden. Zudem erweist sich die Höhe der
Zusammenhänge von verschiedenen Patientenmerkmalen vor allem aber den einzelnen Kliniken abhängig.
Objective: Quality of life is a major criterion of
the outcome of psychotherapeutic interventions.
The concept of quality of life emphasizes patient
self-ratings. However, they can be burdensome
or inappropriate in some cases. Therefore we
have compared self-ratings and clinician-ratings
of quality of life.
Methods: Self- and clinician-ratings of the SF8 (1-week recall version) were measured from
consecutive samples of 1 812 inpatients from eleven psychotherapeutic clinics at admission and
at discharge six weeks later. A physical summary
score (PSS) and a mental summary score (MSS)
were calculated. Pearson product-moment correlations were used.
Results: Self- and clinician-ratings of the PSS
correlate r = 0.48 at admission and r = 0.58 at
discharge, of the MSS r = 0.46 and r = 0.51, respectively. Concerning single items we find
the highest correlation for item 4 (bodily pain:
r = 0.53 and r = 0.55), the lowest for item 6 (social
functioning: r = 0.26 and r = 0.30). Change scores
of the PSS correlate r = 0.20, of the MSS r = 0.32.
Correlations differ between diagnostic groups:
Correlations are low for patients with either
schizophrenia (F2), depressive episode (F32) or
personality disorder (F60–62), comparatively
higher for patients with dysthymia. Comparing
correlations across the 11 clinics reveals substantial differences, for the MSS ranging from r = 0.38
to r = 0.58 at admission and r = 0.27 to r = 0.68 at
discharge.
Conclusion: Patient self-ratings of quality of
life as a psychotherapeutic outcome measure
using the SF-8 Health Survey could not be substituted by clinician-ratings, they should be used
as complements.
Bibliografie
DOI 10.1055/s-0029-1239549
Rehabilitation 2009;
48: 270–276
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
ISSN 0034-3536
Korrespondenzadresse
PD Dr. Holger Schulz
Institut für Medizinische
Psychologie
Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, Haus W26
20246 Hamburg
[email protected]
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Bundespsychotherapeutenkammer, Berlin
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Key words
▶ psychotherapy
●
▶ quality of life
●
▶ clinician-ratings
●
2
Einleitung
&
Für Intervention in der Akutversorgung wie auch der Rehabilitation stellt bei einer Vielzahl primär organischer, aber auch psychischer Erkrankungen die Lebensqualität ein zentrales Outcomekriterium dar: Fortschritte in der Diagnostik und Therapie
von Erkrankungen, wie z. B. die sehr häufigen Herz-Kreislauf-,
Krebs-, neurologischen oder Nieren- und Lebererkrankungen,
führen zu einer Verlängerung der Krankheitsverläufe und Behandlungsdauern sowie zu einer größeren Anzahl therapiefähiger und auch längerfristig überlebender Patienten.
Diese Entwicklungen bringen jedoch in Anbetracht der Krankheitsfolgen und der Nebenwirkungen der Therapien neue Aufgaben- und Problemstellungen für die Behandlung mit sich, insbesondere für die Rehabilitation. Die veränderten Zielsetzungen
bzw. Aufgabenstellungen der Behandlung erfordern aber auch
eine Anpassung der Erfolgsindikatoren für eine erfolgreiche Behandlung in Richtung auf funktionale Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Somit stellt sich vor allem für die Rehabilitation die Frage nach
den konzeptuellen Grundlagen und den vorhandenen Messinstrumenten zur Lebensqualität (vgl. hierzu [1–5]). Schließlich ist
im Zuge der Forderung nach einem Ausbau der Qualitätssicherung in der Routine darüber hinaus die zentrale Frage zu klären,
inwieweit dieser Outcomebereich durch die behandelnden Ärzte
und Therapeuten oder durch den Patienten selbst eingeschätzt
werden kann bzw. sollte. Diese Frage soll im Folgenden zunächst
konzeptuell, vor allem aber auf der Basis eigener empirischer Ergebnisse diskutiert werden.
Eine wichtige konzeptuelle Grundlage stellt eine bereits im Jahre
1947 aufgestellte Definition der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) dar, wonach als Gesundheit nicht allein das Fehlen von
Krankheit und Gebrechen verstanden wird, sondern – im Sinne
einer Idealnorm – ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Damit wird ein bio-psychosoziales Modell von Gesundheit formuliert (vgl [6]), dem nicht
mehr allein dadurch Rechnung getragen werden kann, dass Indikatoren des Gesundheitszustandes auf gängige somatische Aspekte, wie Überlebenszeit oder Symptomverbesserung, reduziert werden. Eine in diesem Sinne umfassende Abbildung der
Gesundheit setzt somit auch die subjektiven Einschätzungen der
Betroffenen im Selbstbericht voraus. Damit ist ein Experte für
Gesundheit nicht nur der behandelnde Arzt, sondern ebenso die
einzelne Person selbst. In diesem Zusammenhang ist ein Synonym für die subjektive Gesundheit der Ausdruck „gesundheitsbezogene Lebensqualität“. Daraus ist auch abzuleiten, dass die
Lebensqualität ein nicht direkt beobachtbares psychologisches
Konstrukt ist.
Eine sehr weit gefasste, aber auch besonders anschauliche Definition gesundheitsbezogener Lebensqualität findet sich bei Cella
[1]: Sie kann als das Ausmaß bezeichnet werden, in dem das körperliche, psychische oder soziale Wohlbefinden durch Krankheit
und/oder Behandlung beeinträchtigt wird. In dieser Definition
enthalten ist auch die multidimensionale Konzeption des Konstruktes. Eine andere, hinsichtlich der Dimensionalität noch etwas differenzierte Definition geben Bullinger und Hasford [7]:
Danach bezieht sich Lebensqualität auf körperliche, emotionale,
kognitive, soziale und verhaltensbezogene Komponenten von
Wohlbefinden und Funktionsfähigkeit, und zwar aus der Sicht
von Patienten und/oder Beobachtern. Eine aktuelle Analyse
kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass sich bisher nur die zwei
Dimensionen körperliches und psychisches Wohlbefinden eindeutig empirisch haben nachweisen lassen [8].
Hieran anknüpfend lassen sich hinsichtlich der Formen der Lebensqualitätsmessung uni- von mehrdimensionalen Verfahren
unterscheiden: Erstere finden sich vor allem in Studien, in den
gesundheitsökonomische Fragestellungen im Kontext der Lebensqualität untersucht werden, weil hierfür zumeist ein einziger Outcomewert benötigt oder präferiert wird, zuweilen werden für diese Studien aber auch Ergebnisse multidimensionaler
Instrumente zu einem Wert aggregiert. Sehr viel häufiger werden allerdings mehrdimensionale Instrumente eingesetzt. Eines
der weltweit sehr verbreiteten Instrumente ist der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand mit acht Dimensionen, die zu
zwei Summenskalen der körperlichen und psychischen Lebensqualität (KSK und PSK) zusammengefasst werden können [9, 10].
Der SF-36 ist ein Beispiel für ein krankheitsübergreifendes, d. h.
ein sog. generisches Verfahren, ein krankheitspezifisches Verfahren stellt im Bereich der Onkologie z. B. der EORTC-QLQ-30
dar [11] oder für die multiple Sklerose der HAQUAMS [12].
Schließlich kann hinsichtlich der Erhebungsquellen noch unterschieden werden zwischen Fragebogen zur Selbsteinschätzung
durch den Patienten auf der einen Seite sowie Fremdeinschätzungen, vornehmlich durch Ärzte oder Familienangehörige, auf
der anderen Seite. Eine der Stärken des Konzeptes der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist es gerade, wie oben angeführt, dass die subjektive Sicht der Betroffenen deutlich betont
wird. Dennoch könnte es aus der Sicht der Forschung wie auch
aus den Anforderungen der routinisierten Qualitätssicherung
einige Gründe für die Untersuchung bzw. die Erhebung fremdeingeschätzter Lebensqualität geben: So ist es unter bestimmten
Bedingungen den betroffenen Patienten aufgrund krankheitsoder behandlungsbedingter Einschränkungen nicht möglich,
Fragebogen auszufüllen oder im Interview auf Fragen zur Lebensqualität direkt zu antworten. In diesem Fall könnte es u. U.
sinnvoll sein, wenn eine Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen soll, nicht auf die Erhebung der Lebensqualität zu verzichten, sondern durchaus im Sinne der Betroffenen Fremdeinschätzungen vorzunehmen. Schließlich sind in
der Klinikroutine Fremdeinschätzungen relevante Outcomeparameter, wie eben auch der Lebensqualität, sehr viel schneller
und weniger aufwändig zu erheben. Bisher liegen jedoch nur
vergleichsweise wenige Studien zum Zusammenhang zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzungen der gesundheitsbezogenen
Lebensqualität vor. Daher sollen in diesem Beitrag Ergebnisse
zum Zusammenhang beider Einschätzungsarten präsentiert
werden und der Frage nachgegangen werden, unter welchen Bedingungen der Zusammenhang besonders klein, aber auch vergleichsweise groß ist.
Methode
&
Als empirische Grundlage für die Analysen zum Zusammenhang
von Selbst- und Fremdeinschätzungen der Lebensqualität dienen Daten, die in der Pilotphase eines Qualitätssicherungsprogramms der gesetzlichen Krankenversicherung im Indikationsbereich psychische und psychosomatische Erkrankungen in elf
Rehabilitations-Fachkliniken erhoben wurden [13]. Die Ausgangsstichprobe umfasst insgesamt n = 2 386 Rehabilitanden, die
während der Pilotphase in den Klinken behandelt wurden. Von
diesen nahmen n = 2 161 Patienten an der Studie teil, für n = 1 812
Patienten liegen verwertbare Prä-Post-Daten (Kriterium: min-
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Originalarbeit 271
272 Originalarbeit
Stichprobe (n = 1812)
Merkmal
Geschlecht
Anteil Frauen
Alter (M = 42, SD = 14)
Schulbildung
Hauptschule/Volksschule
Realschule/mittlere Reife
Abitur/Fachhochschulreife
Erstdiagnose (ICD-10)
depressive Störung (F32–F34)
Angststörung (F40–F41)
Belastungs-/Anpassungsstörung (F43)
somatoforme Störung (F45)
Essstörung (F50)
sonstige psychische Störungen
Anzahl
Prozent ( %)
1 397
77
720
561
509
40
31
28
690
167
290
83
287
292
38
9
16
5
16
16
Tab. 1 Verteilung von soziodemografischen
und klinischen Merkmalen.
destens 70 % gültiger Aufnahme- und Entlassungsdaten) vor
▶ Tab. 1). Gemessen an der Gesamtzahl im Untersu(siehe ●
chungszeitraum behandelter Patienten liegt die Teilnahmequote
damit zum Entlassungszeitpunkt bei durchschnittlich 80 %, die
Drop-out-Raten der einzelnen Kliniken schwanken zwischen 2
und 40 %.
Als Outcomeparameter wurden neben der Lebensqualität die
Symptombelastung sowie Probleme im Bereich der interpersonellen Beziehungen zu Beginn und am Ende der Behandlung erhoben. Hierfür wurden primär standardisierte klinische Testverfahren verwendet, welche für die Gruppe von Patienten mit
psychischen Störungen gut validiert sind (eine detaillierte Übersicht über die psychometrischen Eigenschaften der eingesetzten
Verfahren gibt [14]).
Für die Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
wurde mit dem Fragebogen SF-8 [15] eine von den amerikanischen Originalautoren entwickelte Kurzform des Fragebogens
zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität SF-36 [9, 10, 16] verwendet, welche über zwei Summenskalen (Psychische und Körperliche Summenskala, PSK bzw. KSK) Aspekte des psychischen
und körperlichen Befindens und dessen Auswirkungen auf das
berufliche und private Leben erfasst. Die Summenskala Körperliche Lebensqualität umfasst die Dimensionen Allgemeine Gesundheitswahrnehmung (AG, General Health Perceptions), Körperliche Funktionsfähigkeit (KF, Physical Functioning), Körperliche Rollenfunktionen (KR, Role-Physical) sowie Körperliche
Schmerzen (KS, Bodily Pain), die Summenskala Psychische Lebensqualität beinhaltet die Dimensionen Vitalität (VI, Vitality),
Soziale Funktionsfähigkeit (SF, Social Functioning), Psychisches
Wohlbefinden (PW, Mental Health) sowie Emotionale Rollenfunktion (ER, Role-Emotional). Der SF-8-F wurde als ergänzendes Fremdeinschätzungsverfahren zur therapeutenseitigen
Erfassung der Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität eingesetzt. Eingeschätzt werden soll der Zeitraum
der zurückliegenden Woche, es existiert jedoch auch eine Version mit einem 4-Wochen-Zeitfenster. Der SF-8-F ist eine für diese Studie vorgenommene Adaptation des Selbsteinschätzungsbogens SF-8 an die Erfordernisse eines Fremdeinschätzungsinstruments und lehnt sich an das bestehende Fremdeinschätzungsverfahren des SF-36 an. Als weiteres Fremdeinschätzungsverfahren wurde die international weit verbreitete Health
of the Nation Outcome Scales (HoNOS) eingesetzt [17], die der
Einschätzung des Schweregrades von Patienten mit psychischen
Störungen dient und u. a. in Großbritannien und Australien zur
Evaluation und Qualitätssicherung der Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen in der klinischen Routine
verwendet wird [18]. Bei der vorliegenden deutschen Version
(HoNOS-D) handelt es um eine durch die englischen Originalautoren autorisierte Übersetzung [19].
Ergänzend wurden verschiedene klinische, soziodemografische
und sozialmedizinische Variablen erhoben. Die Erhebungen
(Selbsteinschätzungen, Fremdeinschätzungen durch die Bezugstherapeuten) fanden in der Regel in den ersten drei Tagen nach
Aufnahme in der Klinik sowie in den letzten drei Tagen vor der
Entlassung aus der Klinik statt.
Die Fragestellungen wurden mithilfe von Produkt-Moment-Korrelationen überprüft. Die Interpretation der Koeffizienten orientiert sich an Cohen [20], mit r > 0,10 als kleine, r > 0,30 als mittlere und r > 0,50 als große Effektstärke. Für einen Vergleich jeweils zweier Korrelationen auf signifikante Unterschiede
(p < 0,05, zweiseitig) werden die beiden zu vergleichenden Koeffizienten mittels Fischer-Z-Transformation transformiert. In der
untersuchten Stichprobe werden bereits Differenzen der Korrelationskoeffizienten von 0,05 signifikant. Diese geringe erforderliche Differenz ist bei der Interpretation der Ergebnisse einschränkend zu berücksichtigen.
Ergebnisse
&
Die Zusammenhänge der beiden Skalen sind für die Gesamt▶ Abb. 1) sowohl für den Aufnahme – als
stichprobe (siehe ●
auch für den Entlassungszeitpunkt von großer (KSK) bzw. annähernd großer Effektstärke (PSK). Für beide Skalen erweist sich
erwartungsgemäß die Korrelation zur Entlassung als signifikant
höher gegenüber der zur Aufnahme. Auf der Ebene der einzel▶ Abb. 2) findet sich für das Item 4 (KS: Körnen Items (siehe ●
perlicher Schmerz) die höchste Übereinstimmung zu beiden
Zeitpunkten, bei den drei anderen Items der KSK findet sich eine
signifikante Zunahme der Zusammenhänge zur Entlassung. Bei
der PSK werden die Items 7 (PW: Psychisches Wohlbefinden)
und 8 (ER: Emotionale Rollenfunktionen) zu beiden Zeitpunkten
signifikant übereinstimmender eingeschätzt als die Items 5 (VI:
Vitalität) und 6 (SF: Soziale Funktionsfähigkeit).
Geprüft wurde auch die Frage, inwieweit die Veränderungen
der Lebensqualität von Patienten und Bezugstherapeuten übereinstimmend eingeschätzt wurden. Die Differenzwerte aus Aufnahme und Entlassung korrelieren für die PSK mit mittlerer Ef-
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Anm.: Differenzen zur Gesamtstichprobe sind auf fehlende Werte in den einzelnen Variablen zurückzuführen
Originalarbeit 273
Abb. 1 Zusammenhang zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzungen auf
den Summenskalen des SF-8 (ProduktMoment-Korrelationen).
,70
,58
,60
,51
,50
,48
,46
,40
,30
,20
,10
,00
SF-8 psychisch (Entlassung)
SF-8 somatisch (Aufnahme)
SF-8 somatisch (Entlassung)
Abb. 2 Zusammenhang zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzungen der
einzelnen Items des SF-8 (ProduktMoment-Korrelationen) (liniert:
somatisch, gepunktet: psychisch; dunkel:
Aufnahme, hell: Entlassung).
,70
,60
,53
,55
,50
,46
,45
,43
,43
,42
,40
,40
,37
,35
,30
,30
,29
,39
,30
,29
,26
,20
,10
,00
AG
KF
KR
KS
VI
SF
fektstärke (r = 0,32), für die KSK mit geringer Effektstärke
(r = 0,20).
Als nächster Auswertungsschritt wurde getestet, inwieweit
soziodemografische und klinische Variablen Varianz der Korrelation zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen aufzuklären
vermögen. Zunächst wurden die Einschätzungen nach Geschlecht getrennt berechnet: Es zeigten sich zur Entlassung auf
beiden Summenskalen signifikant höhere Werte für Männer, jedoch sind diese Unterschiede nur von geringer Höhe (PSK:
Δr = 0,07, KSK: Δr = 0,05). Signifikante Unterschiede in der Höhe
der Korrelationen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen
ergeben sich auch für die Variable Schulbildung. Hier zeigt sich
vor allem in der KSK zum Entlassungszeitpunkt eine höhere
Korrelation für Patienten, die als höchsten Abschluss die Hauptschule angegeben haben (r = 0,64) im Vergleich zu denen mit
Mittlerer Reife (r = 0,48) oder Abitur (r = 0,52).
Zur Frage, bei welchen Diagnosegruppen eine besonders niedrige bzw. besonders hohe Übereinstimmung zwischen Patienten
PW
ER
und Therapeuten besteht, wurden Korrelationen für die beiden
Summenskalen des SF-8 bzw. SF-8-F getrennt nach Erstdiagnosen berechnet. Hier zeigten sich zur Aufnahme, aber auch noch
zum Entlassungszeitpunkt deutliche Differenzen (siehe
▶ Abb. 3): Die PSK wurde zur Entlassung für Patienten mit einer
●
schizophrenen Störung (F2), aber auch für Patienten mit einer
depressiven Episode (F32) und Persönlichkeitsstörungen (F60–
62) weniger übereinstimmend eingeschätzt, besonders hohe
Übereinstimmungen finden sich hingegen für Patienten mit einer dysthymen Störung (F34.1). Hinsichtlich der KSK zeigen sich
die niedrigsten Korrelationen ebenfalls für Patienten mit einer
schizophrenen Störung.
Eine weitere Varianzquelle für unterschiedlich hohe Übereinstimmungen zwischen den Einschätzungen der Patienten und
den Fremdeinschätzungen der Therapeuten können die Kliniken
sein, in denen die Patienten behandelt wurden. Es wurde deshalb überprüft, inwieweit sich zwischen den elf Kliniken unterschiedlich hohe Korrelationen ergeben. Es zeigte sich für die
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SF-8 psychisch (Aufnahme)
274 Originalarbeit
Abb. 3 Nach Erstdiagnose getrennt
berechneter Zusammenhang zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzungen auf
den Skalen des SF-8 (sortiert nach der
Höhe der Korrelation in der Psychischen
Summenskala zur Entlassung).
Dysthymie
PTSD
rez. depressive Störung
sonstige Diagnosen
Anpassungsstörungen
somatoforme Störungen
Angststörungen
Esstörungen
Persönlichkeitsstörungen
depressive Episode
SF-8 somatisch (Entlassung)
SF-8 psychisch (Entlassung)
SF-8 psychisch (Aufnahme)
,00
,10
,20
,30
,40
,50
,60
,70
,70
SF-8 psychisch (Aufnahme)
,65
SF-8 psychisch (Entlassung)
,60
,53
,52
,45
,45
,42
,40
,47
,46
,57,56
,58
,50
,49
,50
,55,55
Abb. 4 Zusammenhang zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzungen auf der
psychischen Summenskala des SF-8 bzw.
SF-8-F (Produkt-Moment-Korrelationen)
getrennt nach Klinik (dunkel: Aufnahme,
hell: Entlassung).
,45
,42
,41
,38
,38
,32
,30
,27
,20
,10
,00
Klinik 8 Klinik 6 Klinik 1 Klinik 4 Klinik 11 Klinik 7 Klinik 9 Klinik 2 Klinik 5 Klinik 3 Klinik 10
PSK, dass zur Aufnahme die Werte je nach Klinik zwischen 0,38
und 0,58 und zur Entlassung zwischen 0,27 und 0,68 liegen (sie▶ Abb. 4). Eine vergleichbare Spannweite findet sich auch für
he ●
die KSK, hier liegen die Werte zur Aufnahme zwischen 0,48 und
0,66 sowie zur Entlassung zwischen 0,42 und 0,67. Alle genannten Differenzen sind signifikant.
Diskussion
&
Es sollte untersucht werden, inwieweit die beiden zentralen Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, das körperliche und das psychische Wohlbefinden [8] im Selbst- und im
Fremdrating zusammenhängen und ob die Variation in der Höhe
des Zusammenhangs von den einzelnen Kliniken abhängig sein
könnte. Dazu konnte an einer Stichprobe von 1 812 Patienten aus
elf Fachkliniken für Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen auf Einschätzungen zu Beginn und am Ende
der Behandlung zurückgegriffen werden, die mittels des SF-8
vorgenommen wurden, wobei eine Selbst- und eine Fremdratingform eingesetzt wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem für den Zeitpunkt der Entlassung, aber auch bereits zur Aufnahme Zusammenhänge mit
großer bzw. annähernd großer Effektstärke bestehen. Angesichts
der im Konzept verankerten expliziten Betonung der subjektiven
Einschätzung durch den Patienten mag dieser relativ hohe Zu-
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SF-8 somatisch (Aufnahme)
Schizophrenie
sammenhang überraschen. Jedoch bleibt trotz der hohen Korrelation nur ein Anteil determinierter Varianz von 25–36 %, ein
beträchtlicher Teil der Variation der Selbsteinschätzungen durch
den Patienten kann demnach nicht durch den behandelnden
Therapeuten erklärt werden. Zudem basieren die Fremdeinschätzungen der Therapeuten zumeist auf Informationen, die sie
in ersten (anamnestischen) Gesprächen mit den Patienten erfahren haben, die Fremdeinschätzungen enthalten also auch immer zu einem bestimmten Anteil Selbstauskünfte des Patienten.
Eher erwartungsgemäß ist der gefundene Zuwachs der Übereinstimmung von der Aufnahme zur Entlassung. Es kann vermutet werden, dass die genauere Kenntnis über den Patienten,
die im Verlauf einer mehrwöchigen stationären Behandlung gewonnen wird, auch die Fremdeinschätzung durch die Behandler
zuverlässiger werden lässt. Wenngleich dieser Anstieg der Korrelation signifikant ist, bleibt seine Höhe jedoch überraschend
niedrig, vor allem für die Psychische Summenskala, womit ebenfalls ein Hinweis dafür vorliegen könnte, dass die subjektive Bewertung des Patienten, gerade in Bezug auf eher psychische Aspekte von entscheidender Bedeutung ist, wohingegen bei den
körperlichen Einschränkungen unter Umständen beobachtbares
Verhalten und subjektive Einschätzung weniger weit auseinandergehen und/oder häufiger thematisiert werden.
Da der SF-8 so entwickelt worden ist, dass nicht nur die beiden
Summenskalen interpretiert werden können, sondern jedes der
acht Items eine der acht Skalen des umfassenderen SF-36 repräsentiert, können auch die Ergebnisse auf Ebene der einzelnen
Items von Interesse sein: Hier finden sich von den vier Items der
KSK insbesondere für das Item Schmerz (KS) hohe Übereinstimmungen, bei der PSK sind es die Items Psychisches Wohlbefinden (PW) und Emotionale Rollenfunktion (ER), die mit etwas
höherer Übereinstimmung eingeschätzt werden. Diese Ergebnisse sind plausibel, weil Schmerz ein vergleichsweise leicht zu
kommunizierendes Merkmal ist und zudem auch in der unmittelbaren Gesprächssituation mit dem Patienten gut beurteilt
werden kann, was – mit Einschränkungen – auch für die globale
Einschätzung psychischer Probleme gelten könnte. Einschränkungen in beruflichen und alltäglichen Rollenfunktionen wiederum weisen einen unmittelbaren Bezug zum rehabilitativen
Auftrag der Behandlung in der hier untersuchten Indikationsgruppe auf. Denkbar ist also, dass diese Aspekte in den Gesprächen mit den Patienten besonders fokussiert wurden und
deshalb die Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdurteil
etwas höher ausfällt als auf den anderen beiden Items der PSK.
Für die Evaluation des Behandlungserfolges im Rahmen von Evaluationsforschung oder Qualitätssicherung ist die Einschätzung
der Veränderung, d. h. der Verbesserung der Lebensqualität von
Bedeutung. Diese wird bevorzugt als indirekte Veränderungsmessung über die Differenz von Entlassungs- und Aufnahmezeitpunkt bestimmt [21]. Da zu den beiden Zeitpunkten Aufnahme und Entlassung die Übereinstimmung zwischen Patienten
und Therapeuten nicht ausreichend hoch ist, verwundern die
vorliegenden geringen Korrelationen (maximal kleine Effektstärken) der Differenzwerte nicht. Neben diesem methodischen
Gesichtspunkt könnte ein weiterer Aspekt darin liegen, dass gerade die erzielten Veränderungen für Therapeuten, aber auch die
beteiligten Einrichtungen insgesamt in einer vergleichenden
Qualitätssicherungsstudie von entscheidender ökonomischer
Bedeutung sind und deshalb einem größeren Bias unterliegen
als die Einschätzungen der Patienten.
Für die soziodemografischen Variablen kann vermutet werden,
dass der Zusammenhang zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung für Frauen und für Patienten mit höheren Schulabschlüssen
größer ist, da in beiden Fällen tendenziell von einem höheren
Ausmaß an Offenheit im Umgang mit Einschränkungen durch
körperliche oder psychische Probleme ausgegangen werden
könnte. Tatsächlich zeigt sich jedoch ein signifikant höherer Zusammenhang bei Männern als bei Frauen, dieser Unterschied
ist allerdings in seiner absoluten Höhe so gering, dass er nicht
weiter interpretiert werden soll; es bleibt jedoch das Fazit, dass
die Ergebnisse der formulierten Erwartung nicht entsprechen.
Ein Grund hierfür mag sein, dass aufgrund des deutlich höheren
Frauenanteils in der Inanspruchnahme psychotherapeutischer
Unterstützung die Stichprobe der Männer selegierter ist in Richtung einer offeneren Kommunikation psychischer oder körperlicher Probleme. Ebenso zeigt sich für die Schulbildung kein der
Erwartung entsprechendes Ergebnis. Für die drei verglichenen
Gruppen zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede in der
Höhe der Korrelation, mit Ausnahme der KSK zum Entlassungszeitpunkt: Hier ist die Korrelation zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung der Lebensqualität überraschenderweise bei Patienten mit Hauptschulabschluss am höchsten.
Für die unterschiedlichen Diagnosegruppen lassen sich ebenfalls verschieden hohe Korrelationen zwischen Selbst- und
Fremdeinschätzungen zeigen: Erwartungsgemäß sind sie für Patienten mit der Diagnose Schizophrenie zur Aufnahme am niedrigsten und sie werden bei diesen Patienten zur Entlassung sogar
noch geringer. Damit wird deutlich, dass gerade bei den Patientengruppen, die aufgrund ihrer Erkrankung üblicherweise
weniger für eine Selbsteinschätzung der Lebensqualität mittels
Fragebogen zur Verfügung stehen oder dazu in der Lage sind,
eine ersatzweise vorgenommene Fremdeinschätzung nur wenig
aussagekräftig ist.
Schließlich machen die vorgenommenen klinikvergleichenden
Auswertungen deutlich, dass je nach Klinik bedeutsame Unterschiede in der Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung für die gesundheitsbezogene Lebensqualität der
Patienten bestehen. Dieses könnte in einem geringen Ausmaß
sowohl auf Unterschiede im sog. Case-Mix der Patienten der Kliniken zurückzuführen sein, u. a. in den Variablen, die auch in
dieser Auswertung einige wenige Unterschiede in der Höhe der
Korrelationen deutlich werden ließen, es kann aber auch unterschiedliche Struktur- und Prozessmerkmale der Einrichtungen
widerspiegeln. Eine wichtige Variable in diesem Zusammenhang
ist u. U. der Zeitpunkt des Ausfüllens der Fremdratings und damit verbunden das unterschiedliche Ausmaß, in dem der behandelnde Arzt oder Therapeut Informationen vom Patienten selbst
erhalten hat, die er zur Beurteilung der Lebensqualität heranziehen kann. Dies betrifft allerdings vor allem den Aufnahmezeitpunkt und kann die bestehenden Unterschiede zum Entlassungszeitpunkt nicht erklären. Zur Aufklärung dieser Varianz
sind somit noch ausstehende Analysen im Zusammenhang mit
den – ebenfalls im Rahmen dieser Studie – auch erhobenen
Struktur- und Prozessmerkmalen der Kliniken erforderlich.
Die hier vorgestellte Studie unterliegt einigen Einschränkungen:
Es wurden Patienten untersucht, die wegen psychischer Störungen eine stationäre, primär psychotherapeutische Behandlung erhalten haben: Inwieweit die Ergebnisse auch auf andere
Indikationsgruppen und/oder Settings übertragbar sind, bleibt
offen. Da das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
bei Patienten mit primär somatischen Erkrankungen seinen
Ausgangspunkt genommen hat, ist eine Untersuchung dieser Pa-
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Originalarbeit 275
tientengruppen von besonderer Bedeutung. Zu fragen ist auch,
inwieweit die Zusammenhänge zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung der Lebensqualität geringer ausfallen, wenn nicht ein
1-, sondern ein 4-Wochen-Zeitfenster eingeschätzt wird. Ebenso
fehlt es noch an Wissen zur Frage des Zusammenhangs der Einschätzung nicht mit Behandlern, sondern mit den Familienangehörigen der Patienten, da diese im Allgemeinen eine sehr viel
vertraulichere und zeitlich umfassendere Grundlage zur Beurteilung besitzen. Weiterhin bleibt auch offen, inwieweit die vorliegenden Ergebnisse vom eingesetzten Fragebogen abhängig
sind und ob bei anderen generischen, aber vor allem auch krankheitsspezifischen Verfahren höhere Zusammenhänge zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzung bestehen. Als ein Vorteil des eingesetzten Verfahrens kann allerdings seine Kürze, d. h. die Möglichkeit zur zeitökonomischen Nutzung und seine Praktikabilität
angesehen werden. Umfassende Analysen zu seinen psychometrischen Eigenschaften, die über die hier vorgestellten Auswertungen hinausgehen, stehen jedoch noch aus und sind in Vorbereitung.
Kernbotschaft
&
Für die Rehabilitation einer Vielzahl körperlicher, aber auch psychischer Erkrankungen stellt die Lebensqualität ein zentrales
Kriterium für das Behandlungsergebnis dar [22]. Bisher liegen
jedoch nur wenige Studien zur Frage vor, inwieweit dieser zentrale Outcomebereich in der Routine durch die behandelnden
Ärzte und Therapeuten oder durch den Patienten selbst eingeschätzt werden kann bzw. sollte. Unter dem Gesichtspunkt der
Qualitätssicherung in der klinischen Routine kann festgehalten
werden, dass die vorliegenden empirischen Befunde es nicht erlauben, sich auf Fremdeinschätzungsverfahren zu stützen, sondern die Einschätzung der Patienten selbst der entscheidende
Qualitätsindikator sein sollte.
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