genepool - Ox

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Interviews & Artikel
GENEPOOL
... spalten die Nation
GENEPOOL aus Köln sind
mittlerweile keine
Neulinge mehr in der
hiesigen Musikszene. Seit
dem Jahr 2001 haben sie
inzwischen vier CDs und
fünf Split-Singles veröffentlicht und sich dadurch einen sehr
guten Ruf erspielt. Nach einigen personellen Wechseln Mitte
des letzten Jahrzehnts haben GENEPOOL inzwischen eine
feste Stammbesetzung, die sich seit dem Erscheinen der
CD„Lauf! Lauf!“ von 2009 musikalisch stetig weiterentwickelt
hat. Bislang standen GENEPOOL für Post-Punk, wobei nun
deutlich hörbar der Achtziger-Jahre-Wave-Einfluss an
Einfluss gewonnen hat. Mit „Spalter!“ veröffentlichten
GENEPOOL Anfang April dieses Jahres auf Rookie Records
ihr inzwischen fünftes Album, was wir zum Anlass nahmen,
mit Gitarrist Thilo über die neue Platte zu sprechen.
Euer neues Album „Spalter!“ lässt den Hörer eigentlich nur
staunen. Zumindest ist es mir so ergangen. Auf „Spalter!“
meine ich einen ganz bestimmten Einfluss herauszuhören,
der in Richtung New beziehungsweise Cold Wave der frühen
Achtziger geht, aber dennoch soundtechnisch ganz eindeutig
im 21. Jahrhundert angesiedelt ist. Wäre euer neues Album
Anfang der Achtziger herausgekommen, würde es heute
vermutlich zu den All-time-Klassikern zählen. Seht ihr euch
als Galionsfigur oder Vorreiter einer neuen Retro-Welle?
Der Sound, den du beschreibst, ist ja eigentlich schon von Anfang
an unser größter Einfluss gewesen. Es war nur eben nicht immer
so deutlich zu hören wie auf dieser Scheibe. Generell finde ich,
wird die damalige Zeit musikalisch zu wenig beachtet. Da sind
einige ganz große Platten erschienen. Zum Beispiel ist meiner
Ansicht nach TUXEDOMOON eine ebenso hervorragende wie
auch unterschätzte Band. Insofern empfinde ich es als großes
Lob, dass du meinst, die Platte wäre damals ein Klassiker
geworden. Als Vorreiter oder Galionsfigur empfinden wir uns nicht.
Vielmehr haben wir oft das Gefühl, zwischen allen Stühlen zu
sitzen.
Wie seht ihr selbst eure derzeitige musikalische Richtung?
Eher britisch beeinflusst à la GANG OF FOUR oder auch
amerikanisch-futuristisch im Stile von DEVO?
Weder noch. Wir benutzen ja auch einige Stilelemente des
Krautrocks, auch wenn die auf der neuen Platte etwas kürzer
kommen, und gute Wave-Bands gab es ja auch aus Deutschland.
Daher sehen wir unsere Wurzeln eher in Deutschland. Aber
natürlich können wir Einflüsse von sowohl GANG OF FOUR als
auch DEVO nicht abstreiten. Generell finde ich aber eine solche
Verortung auch schwierig. Es gibt in unserer Musik ja auch viele
Punkrock-Elemente und modernere Einflüsse.
Wie hat sich für euch der Wechsel am Gesang bemerkbar
gemacht, von Letten von SMOKE BLOW, hin zum neuen Ian
Sänger Spehr? Seine Stimme ist einzigartig melodisch und
dominiert den Sound von GENEPOOL. War es ein Glücksfall
für euch, dass Ian zur Band gestoßen ist?
Die Sängerposition war bei uns ja schon immer ein großes
Thema. Da war mal Letten, dann Chris von ROSTOK VAMPIRES,
dann wieder Letten und jetzt eben Ian. Letten ist ein super Sänger
und auch Frontmann, aber mit Ian sind wir musikalisch da
angekommen, wo wir schon immer hinwollten. Zudem spielt
GENEPOOL für Ian auch eine große Rolle und wir müssen nicht
mit einer sehr erfolgreichen Band konkurrieren. Insofern ist Ian
schon ein Glücksfall, besser hätten wir es nicht treffen können.
Ians Gesang hat als kreativer Einfluss die Band auch nachhaltig
geprägt.
Das Songwriting ist auf der neuen CD sehr gut geworden, da
ihr euch nicht auf einen bestimmten einzelnen Stil
beschränkt, sondern mit verschiedenen Stilen herum
experimentiert und trotzdem etwas ganz Eigenes schafft. Wie
seht ihr selbst eure musikalische Entwicklung im Vergleich
zu „Lauf! Lauf!“, eurer letzten CD?
Wie schon gesagt, sind wir mit dieser Platte endlich angekommen.
Wenn man die Entwicklung auf den letzten vier Scheiben
betrachtet – „Everything Goes In Circles“ eher punkig, MISFITSartig; „Sendung/Signale“ dann etwas poppiger mit sehr vielen
Wave-Einflüssen und sehr düster –, haben wir dann mit „Lauf!
Lauf!“ die logische Verschmelzung der beiden Vorgänger
geschaffen. Der größte Unterschied zwischen „Lauf! Lauf!“ und
„Spalter!“ liegt wohl im Gesang. Auf dem Vorgänger musste sich
Ian sehr in unseren Sound reinarbeiten, viel probieren und
verwerfen, um dann das Beste zu finden. Bei den Aufnahmen zu
„Spalter!“ ging alles viel schneller. Ian wusste sofort, wo es
langgeht, und das hört man auch.
Mein persönlicher Hit auf der neuen CD ist „Feindtbildt“, in
dem es textlich um die Aufforderung zum Sich-ehelichenLassen geht als auch zum physischen Vermehren. Klärt uns
doch einmal auf, was euch zu diesem Text angespornt hat?
Ich habe erst gestern eine Kritik gelesen, in der „Feindtbildt“ als
einziger Totalausfall gewertet wurde. So unterschiedlich kann
Geschmack sein. Alle Texte sind von Ian. Wir haben im Vorfeld
viel über Texte und Inhalt gesprochen und Ian hat hier eine klare
Position. Er möchte, dass die Texte assoziativ bleiben. Jeder soll
sich sein eigenes Bild machen. Natürlich steckt immer eine, meist
persönliche Aussage dahinter. Daher kann ich jetzt nur meine
Interpretation wiedergeben. Der Song ist auf jeden Fall ironisch
gemeint. Wir sind in einem Alter, in dem Kinder eine immer
größere Rolle spielen und wir auch immer wieder darauf
angesprochen werden. Die Mutter, die eben gerne Oma werden
möchte – das kennen bestimmt viele.
Welche anderen Themen behandelt ihr in euren Texten auf
„Spalter!“, zum Beispiel bei „I’m in love with the ghost“?
Generell überwiegen die eher düsteren und auch endzeitlichen
Themen. In „Ghost“ geht es um den Verlust eines Menschen, den
man aber auch nach seinem Tod noch liebt. Eben „I’m in love with
a ghost“. Auch „End of the world show“, „Bottom kill“ und „This is
where it all begins“ haben endzeitliche Inhalte. Geprägt von
unserer Umwelt. Die gesamte aktuelle ökologische Entwicklung ist
ja auch sehr bedenklich. Ich finde, dass ein Snake Plissken immer
wahrscheinlicher wird. In letzter Zeit gibt es auch wieder viele
Endzeit-Filme wie „The Road“. Offensichtlich wird die Angst vor
„dem Ende“ immer größer.
Ihr seid ja gerade auf Tour gewesen, wie wichtig ist es für
euch, live zu spielen?
Einer der wichtigsten Antriebe, Musik zumachen, neben dem
Wunsch des kreativen Ausdrucks, ist es ja, auf der Bühne zu
stehen. Für mich gibt es kaum etwas Besseres. Für kleine Bands
wie uns wird es aber immer schwieriger. Die „Großen“ müssen
immer mehr live spielen, um ihre Verluste aus den
Plattenverkäufen aufzufangen und somit wird das Angebot größer
und größer. Der „normale“ Musikhörer kann sich aber nicht zehn
Konzerte im Monat leisten, da wird es dann langsam schwierig.
Das ist vor allem ein Problem für Veranstalter.
Helge Schreiber
Webseite
© by Ox-Fanzine / Ausgabe #96 (Juni/Juli 2011)
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