Sozialforschung in einer Welt der Geschichten -

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DISKUSSIONSPAPIERE AUS DER FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
EMPIRISCHE SOZIALFORSCHUNG
IN EINER ›WELT DER GESCHICHTEN‹
von
Christoph Weischer
Diskussionspapier Nr. 02 – 3
Juli 2002
Korrespondenzanschrift:
PD Dr. Christoph Weischer
Ruhr-Universität Bochum
Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung
NA 6 / 67
D-44780 Bochum
Telefon
Telefax
0234 - 32 280 57
0234 - 32 149 81
Die Diskussionspapiere aus der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität
Bochum werden von der Fakultät für Sozialwissenschaft herausgegeben. Die inhaltliche Verantwortung für die Beiträge liegt bei den Autoren und nicht bei der Fakultät. Die Papiere können bei den jeweiligen Autoren angefordert werden.
Die Liste aller Papiere finden Sie auf den Internet Seiten der Fakultät unter
http://www.ruhr-uni-bochum.de/sowi/forschung/dkpaper/liste98.htm
ISSN 0943 - 6790
Gliederung:
1. Die Bedeutung von Narrationen für die Wahrnehmung und Deutung
der sozialen Welt.................................................................................................4
Die Geschichte als eine spezifische Wissensform und -struktur.................5
Geschichten und soziale Strukturen................................................................7
2. Die Entwicklung der Wissenschaft als Entwicklung von Argumentations- und Begründungsformen .......................................................................8
3. Probleme der Produktion und Verwendung sozialwissenschaftlichen
Wissens...............................................................................................................10
Das Verhältnis von sozialwissenschaftlichem Wissen und
feldspezifischen Wissensformen und –erwartungen..................................11
Sozialwissenschaftliches Wissen als zeit- und kulturspezifisches
Wissen ................................................................................................................12
4. Konsequenzen für die sozialwissenschaftliche Forschung und ihre
Begründung .......................................................................................................13
Konstruktivistische Reflexion sozialwissenschaftlicher Forschung .........15
Konsequenzen für den Forschungsprozess..................................................18
Für eine pragmatische Fundierung empirischer Forschung......................20
Literatur ...................................................................................................................22
Empirische Sozialforschung
in einer ›Welt der Geschichten‹
Die Debatten um den Entwicklungsstand und verschiedene methodische Ansätze in der empirischen Sozialforschung werden üblicherweise eher aus einer
Binnenperspektive betrieben; das führt zu dem bekannten sich selbst perpetuierenden Streit um die sogenannte qualitative und quantitative Sozialforschung
und die damit verknüpften methodologischen Konzepte und Theorieansätze. In
diesem Beitrag soll es darum gehen, die verschiedenen Wissensformen, die mit
unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen hervorgebracht
werden, im Kontext des umgebenden gesellschaftlichen Wissens zu begreifen;
die verschiedenen Formen empirisch orientierter sozialwissenschaftlicher Argumentation sollen in Bezug gesetzt werden zu den Argumentations- und Begründungsformen, die sich in einzelnen gesellschaftlichen Praxisfeldern finden.
Wenn hier von narrativen Wirklichkeitskonstruktionen und weitergehend von
einer ›Welt der Geschichten‹ gesprochen wird, in der sich die Befunde empirischer Sozialforschung zu behaupten haben, ist damit eine gewisse Provokation
verknüpft; wissen die Sozialwissenschaften doch um die Bedeutung von ökonomischen Strukturen, von politischen Machtverhältnisse und anderen Faktoren für die Gestalt der sozialen Welt. Die folgenden Überlegungen schließen
sich an die Beobachtung an, dass - ungeachtet des Wissens um derartige Strukturen, ungeachtet der Aufklärungsprozesse, die mit der Herausbildung der
Wissenschaften einhergingen, und ungeachtet der ›Rationalisierungsprozesse‹
in Ökonomie, Politik und Verwaltung - narrative Wirklichkeitskonstruktionen
für die Wahrnehmung und Deutung der sozialen Welt auch außerhalb des lebensweltlichen Bereichs nach wie vor bedeutsam sind.
In den sozial- und kulturwissenschaftlichen Metadiskursen ist die Wiederentdeckung narrativer Konstruktionen im Gefolge der verschiedenen paradigmatischen Wenden1 en vogue; die folgenden Überlegungen lassen neben einer Reflexion sozialwissenschaftlicher Praxis auch erkennen, wie ein kritischer sozialwissenschaftlicher Beitrag zu diesen Debatten aussehen könnte.
Das Programm ist recht weit gefasst, aber die Frage nach der Bedeutung verschiedener Wirklichkeitskonstruktionen macht nur Sinn, wenn man sie auf Forschungshandeln bezieht. Nur der Bezug auf eine solche Frage nach den Möglichkeiten empirischer Forschung kann vor den Problemen des infiniten Regresses bewahren, die hinter einer solchen Perspektive lauern. In diesem Sinne ist
auch auf dem Einwand zu begegnen, ob es nicht sinnvoller sei, diese Frage der
Philosophie zu überlassen: Akzeptable Aussagen zum Verhältnis verschiedener
Wirklichkeitskonstruktionen lassen sich nur treffen, wenn sie sich auf die typischen Probleme einer Wissenschaft, hier der Sozialwissenschaft, beziehen.
Im folgenden soll zunächst geklärt werden, was man sich unter einer solchen
›Welt der Geschichten‹ vorzustellen hat. Dann wird es um die Frage der Produktion und Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens in einem solchen
Kontext gehen, um schließlich Überlegungen zu den Konsequenzen für sozialwissenschaftliches Forschungshandeln und seine Begründung anzustellen.
Zu verweisen ist auf die verschiedenen Varianten von linguistic (vgl. Rorty 1967, Sandbothe 2000) und
cultural turns (vgl. Hammersley 1993, Hartmann/ Janich 1998, Reckwitz 1999).
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1. Die Bedeutung von Narrationen für die Wahrnehmung und Deutung der
sozialen Welt
Es ist davon auszugehen, dass Geschichten eine zentrale Rolle für die Wahrnehmung, Beschreibung und Deutung der sozialen Welt spielen; umgekehrt
sollte man jedoch nicht der relativistischen Versuchung unterliegen, auf Grund
formaler Ähnlichkeiten alles Wissen in ›Geschichten‹ aufgelöst zu sehen.
Die Bedeutung solcher Geschichten läßt sich zunächst phänomenologisch aufzeigen: Am Anfang sollen einzelne Personen stehen; für die Konstruktion ihrer
Identität ist es wichtig, dass sie sich über Geschichten verorten. Das sind Geschichten zu ihrer Biographie, mit denen sie verschiedenste Ereignisse, die ihnen wiederfahren sind, in eine Ordnung bringen: Geschichten über das Elternhaus, den Prozess der Sozialisation, Geschichten der Jugend, Bildungsgeschichten, Geschichten zum beruflichen Entwicklungsweg, zum Älterwerden, Geschichten zum Körper etc. Wenn man die Konzeption solcher Geschichten reflektiert, wird deutlich, dass es in vielen Fällen um Beziehungsgeschichten geht:
Geschichten über das Verhältnis zu Eltern und Geschwistern; Geschichten über
eingegangene Beziehungen, über Lebenspartner, über Kollegen etc.
Gerade an solchen Beziehungsgeschichten kann man auch deutlich machen,
dass diese Geschichten nicht nur darum kreisen, wie man handelnd und erfahrend mit Personen bzw. mit der Umwelt umgeht, sondern mit diesen Geschichten sind auch Affekte und Fragen der Bewertung verknüpft; sie dienen dazu,
Probleme zu verarbeiten, Handlungen zu legitimieren etc. Wilhelm Schapp
([1953] 1976), ein Schüler Husserls, hat in den fünfziger Jahren in seiner Arbeit
›Verstrickt in Geschichten‹ eine Unterscheidung zwischen Eigengeschichten,
Wir- und Fremdgeschichten eingeführt.
Geschichten werden nicht immer neu erfunden; man bezieht sich auf vergangene Geschichten, diese werden reproduziert und verändert; in diesem Sinne
gibt es kein außerhalb, kein vor und nach den Geschichten. Die Einübung in
Geschichten ist ein wesentlicher Gegenstand von Sozialisationsprozessen, von
denen SozialwissenschaftlerInnen aber wissen, dass sie kulturell, schicht- oder
geschlechtsspezifisch geprägt sind.
Geschichten finden sich nicht nur im sozialen Nahbereich; sie spielen auch im
Arbeits- und Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle. Es finden sich Geschichten
zur körperlichen und geistigen Arbeit, Geschichten über Arbeiter und Angestellte, Theoretiker und Praktiker, Geschichten zur Kooperation in formalen
und informalen Organisationen: Geschichten zum Anleiten und Führen und
umgekehrt Geschichten wie Menschen mit den daraus erwachsenden Verhaltenszumutungen umgehen, diese konterkarieren und sich individuell und kollektiv widersetzen - Mythen über erfolgreiche Manager und Unternehmen auf
der einen, Mythen über den Kampf der Arbeiter und der Gewerkschaft auf der
anderen Seite.
Es gibt auch Geschichten zu den Instrumenten, zu der Technik, mit der Menschen in ihren Arbeitsvollzügen umgehen, zu einzelnen Handwerkzeugen und
Maschinen aber auch zu ganzen Techniksystemen: die euphorischen oder kritischen Geschichten zu Informationstechnologien und ihrer Vernetzung. Technikgeschichte ist immer auch eine Geschichte solcher Technik-Geschichten. Es
finden sich Geschichten über einzelne Unternehmen bzw. einzelne Branchen
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und ihre Zukunft, ihren Erfolg und Misserfolg; was wäre eine Börse ohne diese
Geschichten?
Der soziale Raum ist zugleich ein Raum der Geschichten; Geschichten über das
Oben und Unten, die Mühen des Aufstiegs, die Schrecken des sozialen Abstiegs, über das menschliche Zusammenleben, über Zugehörigkeiten und Klassen, über Gleichheit und Solidarität aber auch über Egoismus, soziale Ungleichheit, Ausgrenzung und Diskriminierung.
Schließlich der politische Raum; hier finden sich die großen und kleinen politischen Ideologien verknüpft mit dem Aufstieg und Abstieg alter, neuer und
neuester sozialer Bewegungen, Geschichten vom Nationalstaat, vom Sozialstaat, Geschichten von politischen Krisen und ihrer friedlichen oder unfriedlichen Bewältigung etc.2. Denkt man an politische Ideologien oder an die jüngeren Kontroversen um die Deutung von Globalisierungsprozessen, dann zeigt
sich, dass es auch um Auseinandersetzungen um die legitime Deutung von
Prozessen im Kontext komplexer Machtgefüge geht. So vollzieht sich gegenwärtig ein weitreichender Prozess der ›Umwertung‹ von Geschichten: klassische Erfolgsgeschichten vom Nationalstaat, vom Sozialstaat, vom
gewerkschaftlichen Kampf um fortschreitende soziale Sicherung geraten unter
einen neuen Rechtfertigungsdruck.
Ausgehend von dieser eher kursorischen Betrachtung werden nun Charakteristika dieser Geschichten zusammengetragen, und es erfolgt eine nähere Bestimmung des Begriffs.
Die Geschichte als eine spezifische Wissensform und -struktur
Man kann eine einzelne Geschichte als eine bestimmte Form begreifen, in der
Wissen über die soziale Welt aufbereitet und kommuniziert wird; sie weist bestimmte Regelhaftigkeiten auf. Eine Geschichte hat einen bestimmten Bezugspunkt: die eigene Person, soziale Beziehungen oder schließlich die Beziehungen
zur umgebenden Welt; sie bezieht sich auf einzelne Ereignisse bzw. auf eine
Verkettung von Ereignissen sowie die damit verknüpften Deutungen und stellt
darüber bestimmte Ordnungen her: zeitliche Ordnungen, kausale Bezüge, legitimatorische Verweise etc. Dabei werden Regelmäßigkeiten erkennbar, Paul
Ricœur und Hayden White sprechen von plots. Geschichten drücken eine bestimmte Haltung, bestimmte Affekte, eine bestimmte Umweltbeziehung aus:
positiv - negativ, optimistisch – pessimistisch. Es sind Fortschrittsgeschichten
oder kulturkritische Geschichten, Geschichten vom Verfall, von Bedrohungen
etc. Sie implizieren moralische Kodierungen und Stellungnahmen, sie dienen
der Selbstverständigung und Legitimierung, sie drücken bestimmte Wertvorstellungen aus. Die Geschichten stellen eine wichtige Form dar, in der in einzelnen Gruppen oder gesellschaftsweit moralisch-ethische Diskurse geführt werden. Geschichten können dabei vorhandenes Wissen affirmieren oder sie können in kritischem Sinne als Gegengeschichte (mit veränderten Standpunkten,
Moralen, Wertbezügen) fungieren. Jean François Lyotard weist auf die eigentümlichen Verstrickungen der narrativen Rollen hin, wenn die Erzählerrolle
voraussetzt, dass man bei einer früheren narrativen Gelegenheit die Empfän2 Verwiesen sei hier auf das Konzept der ›symbolischen Politik‹: Edelman (1976), Sarcinelli (1987), Doerner
(1995); vgl. auch Cassirer (1985) oder auch Flacke (1998).
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ger-Rolle wahrgenommen hat ([1979] 1999:70). Damit wird deutlich, dass Geschichten kaum für sich allein stehen; sie bilden ein Gewebe, knüpfen an einander an, bilden komplexe Verweisungsstrukturen.
Implizit ist damit schon manches zu den Funktionen gesagt, die solche Geschichten erfüllen: sie ermöglichen Kommunikationen, Distinktionen und
Handlungen in unwägbaren und überkomplexen Situationen, indem sie zeitliche, kausale, legitimatorische Ordnungen anbieten, indem sie motivieren, Sinn
stiften, Antwort auf moralische Fragen geben etc. Ricœur bringt die Erzählung
auch in Zusammenhang mit der (in einem Leben) gelebten und durchmessenen
Zeit3.
Ein Spezifikum der Geschichten scheint darin zu liegen, dass sie alles in einem
sind; Ferdinand Fellmann geht davon aus, dass »die Einzigartigkeit der Geschichte
als Wissensform« darin bestehe, »daß sie Tatsachen und Vorstellungen, Geschehen
und Gedanken zur Einheit eines (Sinn-)Bildes verdichtet. Erzählte Geschichte und Bild
haben dieselbe Logik« (1989:14). Lyotard sieht es als ein Spezifikum der narrativen
Form, dass sie eine Pluralität von Sprachspielen zulässt: neben beschreibenden
Aussagen finden sich präskriptive, interrogative oder evaluierende Aussagen
([1979] 1999: 68f).
Eine gewisse Gefahr vieler Argumentationsgänge, liegt in einem quasi omnipotenten Geschichtenbegriff: der Begriff der Geschichte wird als eine bestimmte
Form eingeführt, in der soziale Phänomene wahrgenommen und in der dieses
Wissen kommuniziert wird; das ersetzt jedoch nicht eine Auseinandersetzung
um die Inhalte, die mit solchen Geschichten transportiert werden und um die
(vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen) Handlungen, auf die sich solche
Geschichten beziehen.
Selten wird versucht, das Konzept der Geschichten als eine spezifische Form
der Wahrnehmung, Deutung und Kommunikation von sozialen Phänomenen
systematischer zu verorten. Der Kommunikationstheoretiker Siegfried Schmidt
begreift Diskurse und Geschichten im Kontext verschiedener Ebenen, auf denen
Gesellschaftliches beobachtet wird bzw. Gesellschaft sich selbst beobachtet4.
- Auf der Makroebene kann das Wirklichkeitsmodell als ein (kulturübergreifendes) System von Distinktionen und Differenzen verstanden werden, gewissermaßen ein Vorrat von Unterscheidungsmöglichkeiten, aus denen sich eine Gesellschaft bedienen kann. Als Kulturprogramm wird demgegenüber das Programm begriffen, nachdem angesichts dieser Möglichkeiten Unterscheidungen
getroffen werden; ein Programm zur je gesellschaftsspezifischen Hervorbringung kultureller Phänomene.
- Auf der Mesoebene ermöglicht ein Gewebe von Geschichten, dass bestimmte
Sinnorientierungen verfügbar sind; sie ermöglichen eine (kognitive wie affektive) Vororientierung von Handlungen und Deutungen; demgegenüber verweisen Diskurse nach diesem Konzept stärker auf den strukturellen Zusammenhang. Im Unterschied zur Makroebene werden auf der Mesoebene (in Geschichten verstrickte) Aktanten und die Zeit eingeführt.
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Vgl. Liebsch (1997:199).
Vgl. dazu S. J. Schmidt: Medientheorie (http://kommunix.uni-muenster.de/IfK/sjs/main.htm).
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- Auf der Mikroebene wird mit den Wortschöpfungen Kommunikationshandlung und Handlungskommunikation die enge Bezogenheit dieser Praktiken herausgestrichen: So sei nicht nur in eher operativer Perspektive nach den Handlungen zu fragen, die ablaufen, sondern auch, wie diese Handlungen als sinnvolle Handlungen konstruiert werden können. Alle Operationen, die von Aktanten auf dieser Ebene vollzogen werden, ihre Handlungen und ihre Kommunikation können nur im Rahmen des Gesamtmodells begriffen werden; sie sind
eingebunden in den Zusammenhang von Geschichten und Diskursen bzw. in
ein entsprechendes Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm; dieses Zusammenwirken wird als ein wichtiger Vergesellschaftungsmodus verstanden.
Das dargestellte Modell vermag recht gut, verschiedene soziologische Konzeptionen dieser Welt der Deutungen und Symbole zu integrieren: das Konzept der
symbolischen Interaktionisten (Mead, Blumer), das von Alfred Schütz in Anlehnung an Weber entwickelte Konzept der Sinnwelten, die Arbeiten der
Ethnomethodologen oder auch Goffmans zur Produktion sozialer Ordnungen,
Bergers und Luckmanns Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion oder auch Oevermanns Konzept der Deutungsmuster. Es wird versucht,
den Blick auf kommunikatives Handeln, auf die Prozesse symbolischer Interaktion oder das Bemühen um eine verstehende Soziologie, durch den Verweis auf
die damit korrespondierenden Meso- bzw. Makroebenen zu strukturieren.
Geschichten und soziale Strukturen
Wenn in den bisherigen Überlegungen die Bedeutung von narrativen Wirklichkeitskonstruktionen in den Vordergrund gestellt wird, so zielt das vor allem auf
die vorherrschende Weise ab, in der die Welt des Sozialen wahrgenommen
wird. Andere sozialwissenschaftliche Modellvorstellungen von dieser Welt
werden damit keinesfalls ausgehebelt: wenn diese sich mit Fragen der Macht
und der Verteilung von Macht beschäftigen, wenn die Verteilung von ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitalien untersucht, wenn nach funktionalen oder systemischen Zusammenhängen gefragt oder wenn Situationen der rationalen Wahl modelliert werden.
Die Perspektiven stehen vielmehr in engem Zusammenhang; d.h. die ›Produktion‹ von Geschichten, ihre Verbreitung, ihre Interpretation und Rezeption erfolgt in gesellschaftlichen Zusammenhängen, die der empirischen Analyse zugänglich sind. Die Geschichten hängen mit den Ressourcen der Beteiligten, mit
ihren sozialen Positionen, ihrer Entwicklung etc. zusammen: Wie die Entwicklung des ›neuen Marktes‹ zeigt, kann sich die Geschichte von dem aufstrebenden High-Tech-Unternehmen mit grenzenlosen Möglichkeiten nur bis zu einem
bestimmten Grad von den bilanzmäßig feststellbaren Erfolgen des Unternehmens lösen. Die Geschichte vom sozialen Aufstieg, die sich dann in spezifischen
Lebensstilen ausdrückt, kann sich nur in bestimmten Grenzen vom tatsächlich
verfügbaren Einkommen und anderen Ressourcen abkoppeln.
Man könnte sagen, dass sich die Kämpfe und Konflikte, die die soziale Welt
strukturieren, in der Welt der Geschichten gewissermaßen verdoppeln. Es sind
immer auch Konflikte um die Benennungs- und Deutungsmacht über das jeweilige Geschehen; so gibt es eine Sieger- und eine Besiegtengeschichte, eine
Unternehmens- und eine Arbeitergeschichte, eine Männer- und eine Frauenge7
schichte. Zentrale Strukturen, die die Soziale Welt ausmachen, die Strukturierung nach verschiedenen sozialen Gruppen, nach Ethnie, nach Geschlecht, nach
Kulturen und Milieus spiegeln sich auch in der Welt der Geschichten wieder;
aber es gibt auch viele Geschichten, die quer zu diesen eingeführten Strukturierungen liegen.
Zusammenfassend läßt sich konstatieren: in der Wahrnehmung und Deutung
der sozialen Welt spielen diese Gewebe von Geschichten eine wichtige Rolle,
aber diese Gewebe weisen durchaus soziale Strukturen auf und diese Strukturen sind ihrerseits der Beobachtung zugänglich.
2. Die Entwicklung der Wissenschaft als Entwicklung von Argumentationsund Begründungsformen
Die Herausbildung der Wissenschaft kann als der Versuch gelesen werden, sich
von der Welt der Geschichten abzusetzen, indem man bestimmte Strategien der
Validierung von Wissen, bestimmte Regeln der Argumentation, der Reflexion
und der wissenschaftlichen Kommunikation entwickelte; das implizierte auch
den Ausschluss oder die Differenzierung bestimmter Sprachspiele, die oben als
Charakteristika der Pragmatik narrativen Wissens hervorgehoben wurden.
Man versuchte, über bestimmte Räume (das Labor) und bestimmte Handlungsweisungen (das Experiment und die Art seiner Beschreibung) Regeln für
die Hervorbringung und Überprüfung von Wissen zu setzen etc. Über die wissenschaftstheoretischen Diskurse wollte man zu einer Legitimation einer spezifischen wissenschaftlichen Praxis gelangen. Die verschiedenen Vorschläge für
die Einführung von wissenschaftlichen Kunstsprachen markieren die weitreichendsten Konsequenzen eines solchen Verwissenschaftlichungsprogramms.
Dieser Prozess wurde in wissenschaftsgeschichtlichen Analysen verschiedentlich thematisiert:
Zum einen im Sinne einer Fortschrittsgeschichte wie dem Comteschen ›Dreistadiengesetz‹, das die stufenweise Herausbildung des positivistischen Wissens
aus dem theologischen und dem metaphysischen Wissens beschreibt, oder in
der Idolenlehre Francis Bacons, der sich kritisch mit den griechischen Mythen
auseinandergesetzt und eine Kritik überkommenen Wissens und falscher wissenschaftlicher Methoden liefert. Gaston Bachelard (1978) beschreibt die Geschichte der Wissenschaften als die Bewältigung verschiedener epistemologischer Hindernisse5.
Zum anderen finden sich aber auch Darstellungen, die eher von einem Nebeneinander von ›Wissenschaft‹ und ›Geschichten‹ ausgehen, wie bei Ernst Cassirer ([1923] 1973), der in seiner ›Philosophie der symbolischen Formen‹ den Mythos als eine spezifische Denkform fasst, in der Menschen neben Wissenschaft
und Kunst die Welt begreifen. Vergleichbare Ansätze finden sich bei Maurice
Halbwachs (1991), der zwischen der wissenschaftlich rationalen Geschichte und
dem kollektiven Gedächtnis der Akteure differenziert. Eine genealogische Beschreibung dieses Prozesses findet sich in Foucaults ([1966] 1974) Archäologie
der Humanwissenschaften.
Verweisen wird auf den Bruch mit der ersten Erfahrung, mit den geläufigen Bildern, mit der einheitlichen und pragmatischen Erkenntnis etc.
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Die Herausbildung der Wissenschaft ist, folgt man der Perspektive Max Webers, nur eine Facette in einem umfassenden Rationalisierungsprozess, der die
äußere Organisation der Welt - Wirtschaft, Technik, Recht, Politik - aber auch
die Sphäre der Kultur und der Lebensführung durchdrungen hat und der mit
einem umfassenden Säkularisierungsprozess einherging. Neben den WissenschaftlerInnen bildeten sich in verschiedensten Praxisbereichen feldspezifische
ExpertInnen heraus. Man kann die Entwicklung der Wissenschaften und verschiedener feldspezifischer Diskurse als einen Prozeß begreifen, indem sich die
Melange verschiedenster Sprachspiele, die den Typus der Narration auszeichnet, ausdifferenziert: in Deskription, Kausalanalyse, technische Diskurse, Evaluation, Rechtssprechung, Sozialphilosophie, ethische Diskurse etc.
Nun zeigen aber wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftssoziologische
Forschungen aber auch organisations- und techniksoziologische Studien (s.u.),
dass diese sich ausdifferenzierenden Handlungsfelder keinesfalls ausschließlich
einem Modell wissenschaftlicher, ökonomischer oder technischer Rationalität
bzw. Effizienz folgen; auch die Forschungen zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens deuten in diese Richtung. Im Wissenschaftssystem stößt
man auf sich verändernde Paradigmen und Wissenschaftsprogramme; im wirtschaftlichen Bereich stößt man auf Leitbilder und Pfade der Technikentwicklung, auf schnell wechselnde Mythen der effizienten Organisation etc. Der Niederschlag von Machtsstrukturen findet sich, wenn es um die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Forschungsansätzen, zwischen verschiedenen
Expertengruppen oder Managementfraktionen geht.
Das heißt aber wohlgemerkt nicht, dass das Agieren auf diesen Feldern damit
völlig losgelöst von irgendwelchen Kriterien der Rationalität und Effizienz erfolgt. Dieser Trugschluss wird gern gezogen, wenn es gilt, sich von den Bildern
einer rationalistischen wissenschaftsorientierten Moderne zu verabschieden.
Wenn gezeigt werden kann, dass die Logik des wissenschaftlichen Diskurses
nicht nur als ein fortschreitender Prozess der Wahrheitsfindung zu begreifen
ist, oder wenn deutlich wird, dass technische oder ökonomische Rationalität an
bestimmte Rahmenbedingungen und Wirklichkeitsdeutungen, zuvor getroffene
Entwicklungsentscheidungen und etablierte Pfade und Institutionen gebunden
ist, heißt das nicht, dass man in eine Ära des Vorwissenschaftlichen oder des
Alchemismus zurückgeworfen wird. Es sollte vielmehr versucht werden, auch
die wenig reflektierten Spuren der Narration in Diskursen, die für sich ganz
andere Argumentations- und Legitimationsmuster reklamieren, zum Gegenstand der systematischen Analyse und Reflexion zu machen.
Viehöver geht davon aus, daß die Verständigungs- und Distinktionsmechanismen von Narrationen mit dem Prozeß der Entzauberung nicht zerfallen: »Selbst
nach dem Ende der Großen Erzählungen kursieren auch in modernen Gesellschaften eine Vielzahl sich verändernder themenspezifischer Erzählungen und
einige ›Basiserzählungen‹« (2001:184).
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3. Probleme der Produktion und Verwendung sozialwissenschaftlichen
Wissens
Man kann, wie zuvor angesprochen, die Entwicklung der Sozialwissenschaften
als einen Versuch begreifen, jenseits einer ›Welt der Geschichten vom Sozialen‹
Ordnungen und Strukturen auszumachen, neue Typen der Beschreibung und
Analyse von sozialen Phänomenen zu finden, Zusammenhänge zu analysieren
etc. An die Stelle religiöser, politischer oder alltagsweltlicher Deutungen sollte
die wissenschaftliche Deutung des Sozialen treten. Das ›Unternehmen empirische Sozialforschung‹ war dabei nicht nur ein Unternehmen, die soziale Welt
zu erforschen; diesem Unternehmen lagen auch bestimmte Weltbilder zugrunde, Bilder, wie sozialwissenschaftliches Wissen diese Welt verändern sollte:
Die empirische Sozialforschung ist zum einen mit dem Ansinnen angetreten,
neues wissenschaftliches fundiertes Wissen über die Welt des Sozialen hervorzubringen; im Ideal war damit die Vorstellung verknüpft, dass man über die
hypothesentestende Forschung zur Validierung von Gesetzmäßigkeiten des Sozialen komme. Obwohl sicherlich nur von einem Teil der SozialwissenschaftlerInnen in dieser Form vertreten, bildet das Credo Zetterbergs eine zentrale
Denkfigur der ›Gründerzeit‹ der empirischen Sozialforschung ab: »In einer heute noch utopischen Zukunft, in der wir alle relevanten soziologischen Theorien
kennen, werden wir sagen können, warum irgendeine beliebige soziale Gruppe
(...) sich in ihrem gerade gegebenen Zustand befindet, und wir werden sagen
können, wie sie unter bestimmten anderen Bedingungen voraussichtlich aussehen wird« (Zetterberg [1962] 1967:65).
Zum anderen sollte dieses Wissen im Rahmen ganz unterschiedlicher politischer Projekte - von der Gesellschaftstransformation über die Sozialreform bis
hin zur Optimierung von Steuerungsleistungen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung - zur Gestaltung der sozialen Welt genutzt werden; die Verhältnisse
des Sozialen sollten in ihrer Beschaffenheit analysiert und in ihren kausalen Zusammenhängen geklärt werden; Entwicklungstrends und künftige Probleme
bzw. Risiken sollten prognostiziert werden, um entsprechende Interventionen
anzuleiten. Bei Zetterberg liest sich ein solches Szenario wie folgt: »Wenn ein
Patient mit einem Problem zu einem Arzt oder ein Industrieller zu einem Ingenieur kommt, dann wird ihnen meistens schon auf Grund systematisch geordneten Wissens Rat zuteil. Soweit die Soziologie jetzt Theorien entwickelt, die
frühere Forschungsergebnisse zusammenfassen und künftige Entwicklungen
voraussagen, kann der Praktiker sich hier auf ähnliche Art und Weise an die
Theorie wenden, um eine wissenschaftliche Lösung für praktische Probleme zu
erhalten« (Zetterberg [1962] 1967:64)6.
Wichtig war dabei die Koppelung dieser beiden Konzepte: mit der Verwissenschaftlichungsoption war auch eine bestimmte Praxisoption verknüpft. Diese
Verknüpfung spielte schließlich auch für Entwicklung der empirischen Sozialforschung und ihre erfolgreiche akademische Institutionalisierung eine wichtige Rolle. Im Rückblick wird deutlich, dass die so fundierte Entwicklungsgeschichte von Sozialforschung und akademischen Sozialwissenschaften ausge6 Einschränkend fügt er hinzu: »Dieser Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis ist allerdings noch im
Anfangsstadium. Doch wirken bereits Sozialwissenschaftler als mehr oder weniger informelle Berater von
Regierung, Industrie, Erziehungs- und Wohlfahrtsinstitutionen« (ebd.).
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sprochen erfolgreich war: es waren recht hohe Studierendenzahlen zu verzeichnen, es konnten große Finanzvolumina für die empirische Sozialforschung
und ihre Institutionen mobilisiert werden und schließlich fanden sozialwissenschaftliches Wissen und auf empirische Forschung gegründete Befunde Eingang in verschiedenste Wissenschafts- und Praxisfelder sowie in medienöffentliche und alltagsweltliche Argumentations- und Begründungsmuster.
Die spezifische Koppelung der Verwissenschaftlichungs- und der Praxisoption
hat sich jedoch nur bedingt eingestellt. Zum einen ist das Projekt eines kumulativ zu erstellenden Gebäudes von räumlich und zeitlichen invarianten Gesetzmäßigkeiten des Sozialen als gescheitert anzusehen; auch die seit den siebziger
und achtziger Jahren wieder entdeckten und weiterentwickelten qualitativen
Forschungsansätze haben - trotz des weitreichenden Anspruchs, wie er von
Ansätzen wie der objektiven Hermeneutik vertreten wird – eher zeit-, feld- und
kulturspezifisches Wissen hervorgebracht; zum anderen folgt die ›Verwendung‹ empirisch fundierten sozialwissenschaftlichen Wissens in den verschiedenen Praxisfeldern kaum der (einfachen) Logik wissenschaftlicher Aufklärung; vielmehr wird dieses Wissen feldspezifisch adaptiert und von den dort
vertretenen Akteuren strategisch eingesetzt. Das für die Belange wissenschaftlicher Forschung entwickelte komplexe und voraussetzungsvolle Arsenal der
empirischen Sozialforschung wurde in den verschiedenen Verwendungskontexten eher wie ein Werkzeugkasten genutzt; auch theoretische Konzepte wurden eher im Sinne eines Steinbruchs gehandhabt. Die der Karriere der Naturwissenschaft entlehnte Hoffnung, dass sich sozialwissenschaftlich fundiertes
Wissen, als das bessere Wissen in den verschiedenen Praxisfeldern durchsetze,
hat sich nur ansatzweise erfüllt.
Im folgenden sollen zwei daraus erwachsende Probleme eingehender untersucht werden, um dann einige Konsequenzen für die Praktiken und die Begründungen empirischer Forschung zu reflektieren.
Das Verhältnis von sozialwissenschaftlichem Wissen und feldspezifischen Wissensformen und –erwartungen
Die verstärkt seit den achtziger Jahren durchgeführten Untersuchungen zur
›Verwendung‹ sozialwissenschaftlichen Wissen haben verdeutlicht, dass die in
dem Verwendungsbegriff implizierte einfache mechanische Vorstellung kaum
den feldspezifischen Konstellationen entsprach; demgegenüber gehen Beck und
Bonß von einem anderen Modell der Verwendung aus: »immer und notwendig
in Form von langen, meist örtlich, zeitlich und sozial versetzten Interpretationsprozessen, im Wechsel zwischen Sprachformen, in einer aktiven, die Ergebnisse im Horizont praktischer Erwartungen und Erfahrungen über viele Instanzen und längere Zeiträume neu deutenden und nach eigenen Regeln herstellenden ›Umgangsform‹. Verwendung ist also nicht ›Anwendung‹, sondern
ein aktives Mit- und Neuproduzieren der Ergebnisse, die gerade dadurch den
Charakter von ›Ergebnissen‹ verlieren und im Handlungs-, Sprach-, Erwartungs- und Wertkontext des jeweiligen Praxiszusammenhangs nach immanenten Regeln in ihrer praktischen Relevanz überhaupt erst geschaffen werden«
(1989:11).
11
Sozialwissenschaftliches Wissen hat in diesem Diffusionsprozeß in den verschiedenen Praxisfeldern etablierte Deutungsmuster und Wissensbestände (z.B.
aus dem geisteswissenschaftlichen, dem juristischen und naturwissenschaftlichtechnischen Bereich) wie auch das akkumulierte Wissen der Praktiker verdrängt oder zumindest unter Legitimationsdruck gesetzt. Die Phase der Hegemonie sozialwissenschaftlichen Wissens ist jedoch, wenn überhaupt, nur von
kurzer Dauer; neue Wissensbestände treten auf den Plan, andere können wieder an Bedeutung gewinnen. In den achtziger Jahren ist zu beobachten, wie Sozialforschung und über Sozialforschung hervorgebrachtes Wissen in Konkurrenz
mit neuen Fortschrittsgeschichten gerät; es bilden sich neue ›Hoffnungsträger‹
heraus, die teilweise ähnliche Praxis- und Rationalisierungsversprechen geben,
wie einst die Sozialforschung: Dienstleistungsangebote im Bereich der Unternehmensberatung, der Organisationsentwicklung, der Evaluation etc. Hinzu
kommt, daß die soziologischen Angebote mit der Etablierung und Professionalisierung der Sozialforschung eine Veralltäglichung erfahren, eher auf beschreibende Funktionen zurückfallen und ihren deutenden und orientierenden Überschuss einbüßen, der den Fortschrittsgeschichten eigen war.
Der sozialwissenschaftliche Versuch einer ›Rationalisierung‹ der feldspezifischen
Argumentations- und Begründungsmuster qua Wissenschaft; war nur bedingt
erfolgreich; eine eingehendere Analyse der Entwicklung der erkenntnis- und
handlungsleitenden Vorstellungen z.B. im Bereich von wirtschaftlichen Organisationen oder Verwaltungen offenbart die Persistenz verschiedenster Organisationsmythen7; ähnliche Befunde erwachsen aus der Analyse der (produktions)technischen Entwicklungen8.
Sozialwissenschaftliches Wissen als zeit- und kulturspezifisches Wissen
In soziologiegeschichtlicher Perspektive werden enge Bezüge zwischen den
sich wandelnden sozialwissenschaftlichen Fragestellungen und Theorieansätzen und den je zeitspezifischen Diskursen und Geschichten über das Soziale offenbar. Dementsprechend müssen sich SozialwissenschaftlerInnen selbstkritisch
der Frage stellen, in wie weit sie nicht – etwas überspitzt – selbst zu einem neuen Typus von Geschichtenerzählern geworden sind.
Die Entwicklung der jüngeren Sozialwissenschaft lebte in einem hohen Maße
von der Koppelung mit bestimmten Metageschichten (Fortschritts- und Niedergangsgeschichten): mit biologistischen Denkmustern, mit geschichtsphilosophischen Konzepten, mit politischen Ideologien, mit naturwissenschaftlichen
Erfolgsgeschichten, mit alten und neuen Mustern der Kulturkritik, mit Krisentheorien etc. Auch Ansätze wie René Königs ›reine Soziologie‹ waren, wie der
Blick auf Zetterbergs Fortschrittsgeschichten zeigte, davon nicht frei. Eine Analyse der verschiedenen Entwicklungsphasen der empirischen Sozialforschung
offenbart eine Vielzahl von Fortschritts- und Rationalisierungserwartungen, die
mit dem Einsatz sozialwissenschaftlichen Wissens insbesondere auch mit verschiedenen Techniken der Sozialforschung und Statistik verknüpft waren.
Im Gefolge der nunmehr klassischen Analysen von Meyer und Rowan (1977), die die Rolle formaler Organisationsstrukturen als ›Myth and ceremony‹ untersuchten, finden sich in jüngerer Zeit verschiedene
Analysen, die den ›Moden und Mythen des Organisierens‹ (Kieser 1996) oder der ›Mythenspirale‹ in Prozessen der industriellen Rationalisierung (Deutschmann 1997) nachgehen.
8 Vgl. Ortmann (1995), Dierkes u.a. (1991), Kern/Schumann (1984).
7
12
Die Akademisierung der Soziologie und die Routinisierung der Lehre seit den
siebziger Jahren war mit der Produktion neuer Geschichten verknüpft; das neue
Genre sozialwissenschaftlicher Lehrbücher schien es zu erfordern, Theoriekonzepte zu schematisieren, Zugehörigkeiten und Gegensätze zu konstruieren,
manchmal sogar die Guten und die Bösen zu bestimmen etc. Auch für eine Analyse der Logik wissenschaftlicher Kommunikation und Auseinandersetzung die Konstruktion von Antinomien, die Praktiken der Selektion, die mit der Generationsstruktur einhergehenden Theorie- und Methodenkonjunkturen, die
Zyklen des Entdeckens und Vergessens - verspricht der Blick auf die Geschichten gewisse Aufschlüsse.
Viele wissenschaftsgeschichtliche und –soziologische Untersuchungen9 haben
einen grundlegenden Zweifel am epistemologischen Status wissenschaftlichen
Wissens hinterlassen. Im Bereich der Kulturanthropologie hat sich Clifford
Geertz eingehend mit den Wirklichkeitskonstruktionen von Anthropologen befasst; Paul Atkinson hat die Probleme der Vertextlichung wissenschaftlichen
Wissens untersucht; in den Geschichtswissenschaften wurde mit den Thesen
Hayden Whites zur Metahistory eine Auseinandersetzung losgetreten, die noch
heute währt10.
In den deutschen Sozialwissenschaften wurden diese Debatten nur sehr bedingt
aufgegriffen; am ehesten wurden noch die Arbeiten Kuhns rezipiert: Beck und
Hartmann (1985) hatten in den achtziger Jahren unter dem Thema ›Entzauberung der Wissenschaft‹ einen solchen Versuch unternommen. Es scheint, als sei
der Streit um verschiedene Wissenschaftsprogramme und ihre Legitimation
über eine fortgesetzte Segmentierung der Sozialwissenschaften neutralisiert
worden.
4. Konsequenzen für die sozialwissenschaftliche Forschung und ihre Begründung
Die Sozialwissenschaften sollten sich systematisch mit dieser Welt der Geschichten befassen; sie erweist sich als eine zutiefst sozial strukturierte Welt, die
für das Verständnis sozialen Handelns und sozialer Entwicklungen von großer
Bedeutung ist. Auch für ein Verständnis der Rahmenbedingungen sozialwissenschaftlicher Forschung können solche Analysen fruchtbar sein: wenn es um
die Genese und die Konjunkturen von Forschungsfragen geht oder um die
komplexen Bedingungen der ›Verwendung‹ sozialwissenschaftlichen Wissens
im Kontext von je feldspezifischen Wissensformen und Geschichten.
Viele Phänomene, mit denen sich die Sozialwissenschaften befassen, werden in
ihrer spezifischen Konsistenz, in der sie erscheinen, erst über die um sie gerankten Deutungen und Geschichten konstruiert; unspezifische Handlungsfolgen
und Interaktionen werden in eine Ordnung gebracht11. Als sich die ›Kölner
Zeitschrift‹ jüngst in einem Sonderheft mit dem Thema ›Soziale Integration‹ befasste, wurde eine gewisse Hilflosigkeit erkennbar, wenn bei der Analyse von
Integrationsphänomenen Fragen der kollektiven Wirklichkeitsdeutung, die inVgl die Analysen von Ludwik Fleck, Gaston Bachelard, Georges Canguilhem, Thomas Kuhn und Paul
Feyerabend, in jüngerer Zeit von Bruno Latour, Alain Desrosières oder Karin Knorr-Cetina u.a.
10 Vgl. Stückrath/ Zbinden (1997), Kiesow/ Simon (2000)
11 Vgl. Desrosières (1991).
9
13
tegrierenden und ausgrenzenden Diskurse und Geschichten unbeachtet bleiben.
Der Blick auf die Geschichten führt nicht unbedingt zu mehr Konfusion, wie
vielleicht manche befürchten; wenn man die Muster dieser Geschichten in den
Blick bekommt, wenn deutlich wird, dass viele Geschichten auch Variationen je
älterer Geschichten sind, kann das auch dazu beitragen, entgegen dem Zeitgeist
den Blick auf längerfristige Veränderungsprozesse zu richten.
Auch die wachsende und sich verändernde Bedeutung verschiedener Medien
in den sozialen Prozessen der Wirklichkeitsproduktion, ihr Einfluss auf Sozialisationsprogramme und die sich damit einstellenden Veränderungen im Prozeß
der Vergesellschaftung sind in den Sozialwissenschaften nur unzureichend beachtet worden.
Die Analyse von Geschichten und Diskursen kann im Kontext anderer Kulturund Textwissenschaften nur bedingt erfolgen, wenn nicht die Wirklichkeitskonstruktionen auch als soziale Konstruktionen, als Konstruktionen, über die
sich Vergesellschaftung vollzieht, begriffen werden. Dabei können die Sozialwissenschaften auch zur Analyse der mit diesen Geschichten implizierten (nicht
in deterministischem Sinne) Macht- und Interessenkonstellationen beitragen.
Sicherlich haben sich manche SozialwissenschaftlerInnen schon immer mit diesen Geschichten befasst; es geht um den Stellenwert, den ein solches Thema in
der Forschung spielen sollte: die Befassung mit den Geschichten und Diskursen
als einem konstitutiven Element eines sozialwissenschaftlichen Programms
kann nicht in spezielle Bindestrichsoziologien, die sich mit Fragen des Verstehens, mit Wissenssoziologie oder qualitativer Sozialforschung befassen, abgeschoben werden; sie sollte, um im Jargon der Organisationsberatung zu sprechen, als Querschnittsaufgabe begriffen werden.
Die vorherrschende Befassung mit Fragen der Wahrnehmung und Deutung der
sozialen Welt weist, auch befördert durch die standardisierte Einstellungsforschung, einen starken individualistischen Bias auf. So haben in die Wohlfahrtsforschung zwar Fragen nach der Wahrnehmung der eigenen Situation Eingang
gefunden; in der Armutsforschung wird auch der subjektiven Dimension des
Phänomens nachgegangen; die kollektiven Anteile an solchen Konstruktionen
geraten aber kaum in den Blick.
Vielleicht geht das geringe sozialwissenschaftliche Interesse für die Welt der
Diskurse und Geschichten auch darauf zurück, dass ihre Erforschung andere
weniger gebräuchliche und akzeptierte empirische Zugänge erfordern würde:
Diskursanalysen sind in den westdeutschen Sozialwissenschaften eher ein
Nicht-Thema12. Eine wichtige Aufgabe ist darin zu sehen, solche diskursanalytischen Perspektiven stärker mit den etablierten soziologischen Fragestellungen
zu verknüpfen.
Es gilt einen Weg zwischen den Extremen zu finden13: auf der einen Seite die
Auflösung der Welt in Geschichten, in Text; das übersieht die sozialen Voraussetzungen der Textproduktion, die relativ hohen Kongruenzen in den je grupErst in jüngerer Zeit finden sich systematische Ansätze einer sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse
(vgl. Keller u.a. 2001).
13 Wolf Lepenies hat dies mit seinem Konzept der drei Kulturen recht gut umrissen: ›Soziologie zwischen
Literatur und Wissenschaft‹.
12
14
pen- bzw. gesellschaftsspezifischen Konstruktionen, die die vorherrschenden
Wirklichkeitsbilder und soziales Handeln prägen; auf der anderen Seite die Reduktion der Welt auf Handlungen und ihre materiellen Substrate; d.h. die Ausklammerungen von Sprechhandlungen, Symbolen, Geschichten.
Konstruktivistische Reflexion sozialwissenschaftlicher Forschung
Die bisherigen Ausführungen brauchten SozialwissenschaftlerInnen nicht besonders zu beunruhigen, solange es nur um eine erweiterte Perspektive auf die
zu untersuchenden ›Objekte‹ geht. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt,
dass die Sozialwissenschaften, trotz ihres Bemühens um wissenschaftlich kontrollierte Methoden der sozialen Analyse, selbst mehr oder weniger in diese
Welt der Geschichten ›verstrickt‹ sind; wenn deutlich wird, in welchem Maße
die Gegenstände und das von den Sozialwissenschaften hervorgebrachte Wissen durch zeit- und kulturspezifische Diskurse geprägt sind, dann muss die
Argumentation grundsätzlicher angelegt werden.
Um die Frage nach der Rolle der empirischen Sozialforschung in dieser Welt
der Geschichten zu klären, soll auf konstruktivistische Ansätze der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie verwiesen werden; diese Programme können
am ehesten die vorgebrachten Zweifel am Status sozialwissenschaftlichen Wissens aufnehmen14. Die folgende Skizze folgt nur bedingt dem radikalen Programm des Konstruktivismus; sie bezieht sich stärker auf die verschiedenen
Versuche einer soziologischen ›Zivilisierung‹ dieses Programms.
Der konstruktivistische Ansatz ist vor diesem Hintergrund als ein spezifisches
wissenschaftstheoretisches Programm zu begreifen, das mit ganz unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Theorieprogrammen kompatibel sein kann; man
sollte sich vor landläufigen Koppelungen z.B. mit der Systemtheorie hüten. Ein
Blick auf andere Theorieansätze zeigt, dass sich auch in den Programmen von
Bourdieu15 und Giddens16 ein dezidiert konstruktivistisches Fundament findet.
Der Konstruktivismus kann dabei nicht als ein kohärentes Programm begriffen
werden. Ideengeschichtlich betrachtet, finden sich viele Facetten, die bereits
anderweitig entwickelt wurden. Exemplarisch sei verwiesen: auf Nietzsche, auf
den Michel Foucault und Hayden White rekurrieren; auf Husserl auf den
Schapp, Berger und Luckmann zurückgreifen; sowie auf Piaget, der für die Analysen Glasersfelds eine wichtige Rolle spielte; auch in Meads pragmatischer
Theorie der Wahrheit finden sich wichtige Grundzüge eines konstruktivistischen Programms17.
14 Wenn ich mich als ein an empirischer Forschung und an substantiellen Fragestellungen orientierter Sozialwissenschaftler, der die relative Folgenlosigkeit der wissenschaftstheoretischen Debatten der sechziger
und siebziger Jahre vor Augen hat, auf das Abenteuer der wissenschaftstheoretischen Reflexion einlasse,
so liegt dem eine eher pragmatisch orientierte Abwägung zu Grunde. Ich erhoffe mir auf der Positivseite
eine ›Rationalisierung‹ sowohl in den innerwissenschaftlichen Debatten wie auch im Verhältnis der Sozialwissenschaften zu verschiedenen Praxisfeldern. Ich konzentriere mich auf einige Eckpunkte eines solchen konstruktivistischen Programms, die für eine Wissenschaftstheorie sozialwissenschaftlicher Forschung von besonderem Interesse sind.
15 Pierre Bourdieu argumentiert z.B. als ›konstruktivistischer Strukturalist‹ (Bourdieu, Pierre/ Jean-Claude
Chamboredon/ Jean-Claude Passeron [1968] 1991:269ff).
16 Giddens (1976).
17 Mead (1987).
15
Ausgangspunkt der erkenntnistheoretischen Überlegungen des Konstruktivismus sind bestimmte Annahmen zum Prozess des Beobachtens, die auf die Arbeiten Maturanas und Varelas zurückgehen. Beobachtung wird als ein Prozess,
als ein Handeln begriffen, in dem ein System - oder ein Subjekt bzw. ein Akteur
- in einer gegebenen Umwelt Unterscheidungen trifft und diese benennt. Bei
Glasersfeld heißt es schlicht: »Indem ich unterscheide, bringe ich mich als Beobachter hervor« (1990:287).
Dieser Beobachtungsprozess zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass die zu beobachtende Umwelt für das beobachtende System kognitiv nicht zugänglich ist;
d.h. die Unterscheidungen, die im Prozess des Beobachtens getroffen und benannt werden, können nicht als Eigenschaften der Umwelt sondern nur als Eigenschaften des System angesichts einer beobachteten Umwelt begriffen werden. Dasselbe Problem der operativen Geschlossenheit von Systemen stellt sich
bei der Konzeptionierung der Beziehungen zwischen verschiedenen beobachtenden Systemen: Kein System, keine Person kann in das bzw. die andere ›hineinschauen‹. Die Beobachtungen und die getroffenen Unterscheidungen sind
systemrelativ18; dementsprechend bestehen die Unterscheidungen nicht, sondern sie werden von den Beobachtenden hervorgebracht, konstruiert.19
An diese Annahmen zum Beobachtungsprozess schließt sich nun eine sehr
weitreichende Folgeüberlegung an: Anstelle eines vertrauten Subjekt-ObjektModells, in dem forschende oder wahrnehmende Subjekte die sie umgebenden
Objekte, die Wirklichkeit untersuchen, hat man es zunächst mit ›beobachtenden
Monaden‹ zu tun, die sich über diesen Prozess als BeobachterInnen hervorbringen und die bestimmte Vorstellungen der beobachteten Umwelten ausbilden;
Umwelt oder Wirklichkeit‹ kann so immer nur in Bezug zu den Beobachtenden
verstanden werden.
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive stellt sich ausgehend von diesen Überlegungen des radikalen Konstruktivismus eine grundsätzliche Frage: Wie
können angesichts der beobachtenden Monaden Phänomene der Vergesellschaftung begriffen werden: Sprache, Kommunikation, soziale Konstruktionen
etc. Aufschlüsse können aus einer Analyse der Rahmenbedingungen dieser Beobachtungsprozesse, die ja ihrerseits beobachtbar sind, gewonnen werden20:
Aus biologischer Perspektive ist vor allem auf die Ähnlichkeiten in der Konstitution der menschlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsapparate zu verweisen, die eine wichtige Voraussetzungen für die Konstruktion kollektiver
Wirklichkeitsvorstellungen bilden. Im Bereich des Sozialen steht die Konditionierung des Beobachtens durch Sprache bzw. durch Kommunikation und Diskurse im Vordergrund: Die beobachteten Unterschiede können nur benannt
werden, indem Individuen kommunizieren und dabei vor allem auf Sprache
zurückgreifen; damit wird der Status der beobachtenden Monaden überwunMan muss an dieser Stelle jedoch vorsichtig sein, damit man sich nicht durch den Bezug auf die neurobiologischen Argumentationen einen neuen Realismus einhandelt
19 Die Beobachtung durch menschliche Systeme steht dabei im Zusammenhang mit anderen Prozessen:
Der Psychiater Luc Ciompi, hat ausgehend von Ansätzen Piagets und der Psychoanalyse das Konzept einer Affektlogik entwickelt, indem er von einer engen Koppelung von Kognition und Affekt ausgeht; d.h.
die Art und Weise, wie sich verschiedene kognitive Elemente zueinander in Beziehung setzen, hängt wesentlich von affektiven und situativen Faktoren ab. Dieses Konzept scheint mir für ein Verständnis der
Bedeutung von Geschichten von besonderem Interesse.
20 Zum Folgenden vgl. Schmidt (2000:15ff).
18
16
den. Kommunikation impliziert Prozesse der reflexiven Wahrnehmung und die
Herausbildung eines als gemeinsam unterstellten Wissens. Zudem sind die
Aktanten bei ihren Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen in ein Netz
von bisherigen Erfahrungen, von Wissensbeständen, Normen und Konsensen
eingebunden. Im historischen Verlauf ermöglichen Sprache und Schrift, die
darauf aufbauenden Medien wie Buchdruck und die verschiedenen elektronischen Medien eine zeitliche, sachliche und soziale Ausdifferenzierung von
Kommunikationen (und Handlungen). Der Spracherwerb wie auch der gesamte
Sozialisationsprozess wird zu einem Ort, wo die Einübung in gesellschaftliche
Wirklichkeitsmodelle und Kulturprogramme erfolgt, wo sozial spezifische
Handlungsräume eröffnet und begrenzt werden. Vor diesem Hintergrund kann
man von sozialen Wirklichkeiten als »effizienten Kollektivfiktionen« sprechen;
im Vergleich zu ontologischen Wirklichkeitsmodellen sind diese ›prozessualisiert‹ und ›temporalisiert‹.21
In soziologischer Perspektive scheint es von Interesse, dass weder von individuellen noch von kollektiven Wirklichkeitsmaschinen auszugehen ist; man hat
es, wie das z.B. im Bourdieuschen Modell des Habitus als einer Wahrnehmungs-, Denk und Handlungsmatrix konzipiert ist, mit Modi der Wirklichkeitskonstruktion zu tun, in denen individuelle und kollektive Anteile zusammenwirken.
Die Vehemenz, mit der zuweilen gegen konstruktivistische Positionen argumentiert wird, scheint mit der Sorge verknüpft, dass mit der Preisgabe ontologischer Gewissheiten, mit dem Bezug auf andere Wirklichkeitsmodelle auch die
Grundlagen ›seriöser‹ Forschung und Argumentation in Frage stehen. Man
kann das auch genau umgekehrt sehen; ein konstruktivistischer Ansatz stellt an
sozialwissenschaftliche Forschung weit höhere Ansprüche der Systematisierung und Begründung: Wenn die wissenschaftlichen Beobachtungen nicht länger per se von den Alltagsbeobachtungen geschieden, wenn nicht länger auf eine naturalistisch konzipierte Wirklichkeit als gemeinsame Referenz zurückgegriffen werden kann und wenn Wissenschaft um die Risiken der unreflektierten
Vertextlichung von Forschungsbefunden weiß, erfordert das, in besonderem
Maße systematische und reflektierte Verfahrensweisen zu entwickeln und zu
sichern, wenn soziale Welten beobachtet, Unterscheidungen getroffen und benannt werden und wenn diese zu Forschungsbefunden verdichtet und kommuniziert werden.
Einwände gegenüber konstruktivistischen Ansätzen kommen auch von SozialwissenschaftlerInnen, die dem Programm einer kritischen oder einer normativ
orientierten Wissenschaft verpflichtet sind. Diese Einwände nähren sich von
21 »Wirklichkeit wird proliferiert in Wirklichkeiten, die nicht nach ontologischen Parametern voneinander
unterschieden werden, sondern nach den constraints ihrer Entstehung, der Pragmatik ihrer Nutzung und
den Wertvorstellungen ihrer Beurteilung(en). Wirklichkeiten erscheinen in dieser Sicht als Resultate hochkonditionierter Prozesse, die wiederum als Voraussetzungen in neue(rliche) Wirklichkeitskonstruktionen
eingehen, und nicht als das Umgebende von Realität, in dem Wirklichkeiten entstehen. In der komplexen
wie komplizierten Maschine der Mediensysteme, so kann man vielleicht zugespitzt sagen, ist aus der
scheinbar unbezweifelbaren Wirklichkeit der Realität ein dynamisches Geflecht von Wirklichkeitsinszenierungen geworden, die von unterschiedlichen Nutzern in ganz unterschiedlicher Weise genutzt, also als
Komponenten ihrer unvermeidbar eigenen wirklichkeitskonstruktiven systemspezifischen Operationen
verwendet werden können« (Schmidt 2000:44f).
17
Thesen, wie sie z.B. bei Heinz von Foerster zu finden sind, der deutlich macht,
dass es sich bei moralischen Entscheidungen um generell unentscheidbare Fragen handelt. Der Konstruktivismus steht hier vor dem Problem, dass Wirklichkeitskonstrukte als prinzipiell gleichwertig anzusehen sind; bezieht man diese
Wirklichkeitskonstrukte jedoch auf die damit korrespondierenden Handlungsfolgen, eröffnet sich auch eine Möglichkeit der Bewertung22. Das Programm einer kritischen oder emanzipativen Wissenschaft kann der Konstruktivismus
nicht einlösen; das hindert aber KonstruktivistInnen nicht daran, als kritische
WissenschaftlerInnen zu agieren.
Konsequenzen für den Forschungsprozess
Nun zu den Konsequenzen, die daraus für den Forschungsprozess erwachsen.
SozialwissenschaftlerInnen beobachten und treffen dabei Unterscheidungen, sie
benennen diese, sie kommunizieren, und sie reflektieren diese Prozesse. Damit
unterscheiden sich SozialwissenschaftlerInnen nicht grundsätzlich von anderen
BeobachterInnen und Interpreten der sozialen Welt. Die Unterschiede können
nur aus der Art und Weise erwachsen, wie beobachtet wird, wie Unterscheidungen getroffen und diese benannt werden und wie darüber kommuniziert und
reflektiert wird.
Hier kann eine konstruktivistisch hinterfragte Sozialforschung zunächst an etablierte Prinzipien sozialwissenschaftlicher Forschung und wissenschaftlicher
Kommunikation anknüpfen. Differenzen erwachsen jedoch aus der veränderten
Leitorientierung des Forschungsprozesses: es kann nicht länger um ›Wahrheit‹
gehen, sondern eher um Problemlösungskapazität: »Weder die Welt noch die
Vernunft ist Schiedsrichterin, sondern kollektives Wissen, Kommunikation und
Kultur« (Schmidt 1998:25).
Das impliziert jedoch andere Gütekriterien für den Forschungsprozess und die
dort benutzten Instrumente. Während die Forderungen an die methodische
Kontrolliertheit des Vorgehens und (soweit möglich) an die Replizierbarkeit
auch unter veränderten wissenschaftstheoretischen Rahmenbedingungen bedeutsam sind, ist insbesondere das Kriterium der Validität neu zu bestimmen23.
Es kommen aber auch neue Aspekte hinzu: Während in einem Konzept der inkrementalistischen Erschließung von Wahrheit und Gesetzmäßigkeiten jede
noch so entlegene Forschungsfrage zu rechtfertigen war, muss vor einem konstruktivistischen Hintergrund stärker nach der Relevanz einzelner Forschungsperspektiven gefragt werden.
Es ist davon auszugehen, dass sowohl die sogenannte quantitative oder standardisierte Sozialforschung wie auch die qualitative Sozialforschung angesichts
dieser Welt der Geschichten angemessene Forschungsansätze darstellen. Standardisierte Forschungsansätze sind insbesondere dann unterlässlich, wenn bestimmte Strukturen für große soziale Einheiten und mit hohem Verallgemeinerungsanspruch beschrieben werden sollen; qualitativ verfahrenden Ansätze, die
auf die Rekonstruktion von Handlungssituationen und ihre Deutung orientiert
Vgl. dazu die Debatte zum Verhältnis von Konstruktivismus und ethischer Verantwortung (Rusch/
Schmidt 1995).
23 Eine sehr weitgehende Position wird hier von Friedberg vertreten; danach »sucht der Soziologe in der
Ergebnsivermittlung nicht primär eine Validierung, sondern die Beobachtung der Auseinandersetzung
der Betroffenen mit den von seiner Arbeit erzeugten Daten« (1995:322).
22
18
sind, bieten demgegenüber bessere Möglichkeiten der Analyse der geschilderten Welt der Geschichten. Die hier skizzierten konstruktivistischen Überlegungen zu verschiedenen Mustern der Wirklichkeitskonstruktion und den Möglichkeiten wissenschaftlicher Analyse sollten jedoch grundsätzlich in die Reflexion beider Forschungsansätze einbezogen werden24. Schließlich hängt es von
den spezifischen Forschungsfragen und dem Handlungskontext, aus dem sie
erwachsen, ab, welcher Stellenwert den Wahrnehmungsweisen, Deutungen
und Diskurskontexten in den jeweiligen Modellvorstellungen zukommt.
In der konstruktivistischen Perspektive kommt beiden ›Wirklichkeitsmaschinen‹ ein je eigener Platz zu; die Frage nach der richtigen oder der objektiven
Methode wird je situationsspezifisch zur Frage nach der angemessenen Methode. Weder kann die quantifizierende Sozialforschung in Anspruch nehmen,
Kausalanalysen zu ermöglichen, noch können Verfahren wie die objektive
Hermeneutik für sich den Weg zu Letztbegründungen reklamieren.
Das heißt natürlich umgekehrt, dass die Vorstellung, dass beide Verfahren aus
unterschiedlicher Perspektive ein und dasselbe Phänomen in der sozialen Welt
beschreiben, wie es das beliebte Bild der Triangulation suggeriert, nicht länger
haltbar ist; es sind unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen mit unterschiedlichen expliziten und impliziten Annahmen, deren Befunde sich nicht so
unmittelbar integrieren lassen, wie dies in manchem neueren Forschungsantrag
erscheint.
Im übrigen würde es ein konstruktivistisches Modell vom Erkenntnisprozess
nahe legen, das bislang eher als Dichotomie konzipierte Verhältnis von qualitativen und quantitativen Ansätzen als ein Kontinuum zu begreifen und ein stärkeres Augenmerk auf die Binnendifferenzen in diesen Forschungsfeldern zu
richten. So sind manche Konzepte der qualitativen Forschung, wie die ›objektiven Hermeneutik‹ einer objektivistischen Wirklichkeitsvorstellungen weitaus
näher, als es das qualitative Programm vermuten läßt; umgekehrt stehen qualitative Verfahren, die auf klassifikatorische und typologisierende Ergebnisse
hinaus laufen, vor ganz ähnlichen Problemen wie die zählenden und vergleichenden Ansätze. Auch innerhalb der sogenannten quantitativen Forschung
findet sich ein großes Spektrum von Ansätzen, in der Spanne von ›Deskription‹
und ›Erklärung‹25; damit sind sehr unterschiedliche Modelle der sozialen Welt
verknüpft.
Die Hypostasierung der Dichotomie von qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen entspringt einem eigentümlichen Koppelungsgeschäft, dass
sich nur aus der Logik ›wissenschaftsstrategischer‹ Diskurse begreifen läßt: Unterschiede im Prozeß der empirischen Forschung wurden verkoppelt mit unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Konzepten (kritischer Rationalismus
vs. Phänomenologie), mit dem Bezug auf unterschiedliche Wissenschaftskulturen (Naturwissenschaften vs. Kultur- und Geisteswissenschaften), zeitweilig
sogar mit unterschiedlichen politischen Konzepten (›Gesellschaftskritik‹ vs.
›Systemstabilisierung‹).
Üblicherweise wird auf konstruktivistische Metatheorien eher in der Begründung qualitativer Forschungsansätze rekurriert; während in der quantifizierenden Forschung eher auf den erkenntnistheoretischen Rationalismus Popperscher Provenienz zurückgegriffen wird.
25 Der von Gerhard Schulze (1992:562ff) so genannte Versuch einer ›Hermeneutik mit Massendaten‹ mag
hier als Hinweis genügen.
24
19
Für eine pragmatische Fundierung empirischer Forschung
Abschließend einige Überlegungen zum Status und zur ›Verwendung‹ sozialwissenschaftlichen Wissens: Im Kontext des kritischen Rationalismus wurde
der Vorschlag gemacht, dass sich sozialwissenschaftliche Forschung auf Begründungszusammenhänge von Theorien begrenzen solle und die Fragen des
Entdeckungs- wie des Verwendungszusammenhanges auszublenden seien. Das
ist gewissermaßen der Versuch, aus einer komplex strukturierten sozialen Welt
einen Bereich herauszuschneiden, der mit wissenschaftlichen Mitteln bearbeitbar ist. Dieses Denkmodell implizierte, wie oben dargestellt, die Vorstellung,
dass sich das so hervorgebrachte Wissen gleichsam naturwüchsig in der sozialen Welt behaupten und durchsetzen werde.
Demgegenüber muss eine konstruktivistische Hintergrundtheorie von Sozialforschung von einem anderen Verhältnis von wissenschaftlichem Feld und Praxisfeld ausgehen: In dem Maße wie sich Sozialwissenschaft nicht länger über
die Hervorbringung objektiven Wissens legitimieren läßt, bleibt ihr die Bewährung über praktisches Wissen. Dementsprechend geht es im Verhältnis von Sozialwissenschaft und gesellschaftlicher Praxis nicht länger um den Bezug auf
eine gemeinsam geteilte gesellschaftliche Wirklichkeit, sondern um Prozesse
der Kommunikation über unterschiedliche Wirklichkeitsmodelle und daraus
abgeleitete Handlungserfordernisse. Das führt in stärkerem Maße dazu, Sozialwissenschaft pragmatisch zu fundieren. Ziel des Forschungsprozesses ist weniger die Gewinnung ›objektiven‹, räumlich/ zeitlich invarianten Wissens über
die soziale Welt, sondern die Bestimmung und Bearbeitung von Problemen,
Poppers problemsolving26. Das impliziert auch ein anderes Verhältnis von wissenschaftlichem Wissen und feldspezifischem Expertenwissen; Anknüpfungspunkte bieten sich z.B. an die Debatte der Industrie- bzw. Organisationssoziologen, die darum streiten, wie weit dass von ihnen hervorgebrachte wissenschaftliche Wissen sich auch für Prozesse der Beratung und Organisationsentwicklung eignen sollte.27 Auch die von nicht wenigen WissenschaftlerInnen eher belächelte Evaluationsforschung, die ja mittlerweile sehr stark auf konstruktivistische Ansätze rekurriert, erscheint vor diesem Hintergrund in einem anderen Licht.
Eine stärkere Verwendungsorientierung der Wissensproduktion zielt auch auf
ein anderes Selbstverständnis sozialwissenschaftlicher Theorieproduktion: erinnert sei an das Konzept der Grounded Theory, das vor allem auf gegenstandsnahe, feld- und situationsspezifische, Theorien orientiert; zu verweisen ist
auch auf das von Erhard Friedberg formulierte Programm, das darauf zielt, die
Spezifik lokaler Ordnungen zu rekonstruieren (1995:302) und dieses Wissen
auch in Auseinandersetzung mit den lokalen Akteuren zugänglich zu machen.
Man muss den Konstruktivismus noch nicht einmal als fundamentalen Gegensatz zu dem sich auf Popper beziehenden Programm des kritischen Rationalismus ausmachen; das ist ja das Vertrackte der über die
Geschichten konstruierten Antinomien und Ausschlüsse. In den umfangreichen Arbeiten Poppers finden
sich verschiedenste Überlegungen, die dem konstruktivistischen Programm gar nicht so fern sind. So die
Poppersche Grundhaltung des Zweifels, seine Kritik am Historizismus und an geisteswissenschaftlichen
Positionen, die operative Orientierung auf Wissenschaft als Problemlösungsmittel und Stückwerktechnik,
oder das Konzept einer ›objektiv verstehenden Methode‹, das er auf der berühmten Positivismustagung
der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, skizziert hat (Popper [1969] 1980).
27 Vgl. dazu die Beiträge in Minssen (1998).
26
20
Ralf Dahrendorf hat ein solches Selbstverständnis von sozialwissenschaftlicher
Forschung und Theorie auf den Punkt gebracht, als er vor wenigen Jahren in
einem autobiographischen Text äußerte: »In früheren Jahren habe ich mich dagegen gewehrt, von der Soziologie als einer ›Perspektive‹ zu reden. Mir war das
zu wenig. Ich träumte von Theorien, die eine eigenständige Disziplin begründen können. Heute sehe ich den Gedanken einer soziologischen Perspektive gelassener« (1998:301).
21
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