PSYCHOPHARMAKA IN DER SCHWANGERSCHAFT – RISIKEN

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Diplomarbeit
PSYCHOPHARMAKA IN DER
SCHWANGERSCHAFT –
RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN
eingereicht von
Debora Fink
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ. Prof. i. R. Mag. Pharm. Dr. Eckhard Beubler
Univ. Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer
Graz, am 16.08.2016:
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am 16.08.2016
Debora Fink eh.
i
Danksagungen
Ich danke meinem Betreuer Univ. Prof. Eckhard Beubler für die unkomplizierte
Begleitung während dem Erarbeiten der Diplomarbeit.
Ein großer Dank gebührt meinen Eltern, die während meiner gesamten Lebenszeit
und besonders während meines Studiums hinter mir gestanden sind und mich
tatkräftig durch das Betreuen von Tabea und auch emotional und im Gebet
unterstützt haben.
Auch meiner Schwester Sarah möchte ich danken, die mir mit ihrem
künstlerischen Talent bei den Zeichnungen im Rahmen der Diplomarbeit geholfen
hat.
Ich danke meinem lieben Ehemann Paul für sein Verständnis und seine
Unterstützung in den letzten Jahren.
Vielen Dank, Tabea, dass du deine Mama für den Abschluss ihres Studiums
immer wieder entbehrt hast.
Zum Schluss möchte ich meinen größten Dank meinem Herrn und Heiland Jesus
Christus aussprechen, der mich durch die stressige und oft turbulente Zeit
getragen und mir Kraft und Weisheit gegeben hat, um das Studium zu vollenden.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher wird mir Hilfe kommen?
Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht!
Psalm 121,1 und 2
ii
Zusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit versucht den aktuellen Forschungsstand über die
Pränataltoxikologie
einer
Anwendung
von
Psychopharmaka
in
der
Schwangerschaft wiederzugeben.
Zu Beginn einer Schwangerschaft gilt bis zur Einnistung ein Alles- oder Nichts
Gesetz. Danach folgt die sensibelste Phase der Schwangerschaft bezüglich
teratogener Noxen: die Organogenese. Prinzipiell können nur Substanzen, die
kleiner als 600-800 Dalton sind die Plazentaschranke überwinden und eine
fruchtschädigende Wirkung ausüben.
Auf folgende Substanzklassen wird im Rahmen der Diplomarbeit genauer
eingegangen:
Antidepressiva: Die aktuelle Forschung im Bereich der Antidepressiva beschäftigt
sich hauptsächlich mit der Gruppe der SSRIs. Hinweise auf kardiale Defekte oder
andere Anomalien konnten nicht bestätigt werden.
Antipsychotika: Für Olanzapin, Quetiapin und Risperidon lässt sich mit ziemlicher
Sicherheit eine Verbindung zu kongenitalen Malformationen ausschließen. Für
Aripiprazol ist die Datenlage noch zu gering und weitere Studien sind notwendig.
Anxiolytika und Hypnotika: Bis dato durchgeführte Studien liefern keinen Hinweis
auf ein negatives Outcome bezüglich kongenitaler Anomalien noch in Bezug auf
den Spracherwerb der pränatal exponierten Kinder.
Phasenprophylaktika:
insbesondere
Ein
Antiepileptika
negativer
kann
Effekt
durch
die
durch
Phasenprophylaktika
aktuelle
Datenlage
nicht
ausgeschlossen werden. Weitere Studien sind notwendig, um sichere Aussagen
treffen zu können. Die Verschreibung dieser Substanzgruppe sollte in der
Schwangerschaft mit Vorsicht vorgenommen werden, wobei auf das erhöhte
Risiko für neuerliche Erkrankungsphasen und deren Risiko unbedingt Rücksicht
genommen werden muss.
In der Therapie von psychischen Erkrankungen in der Schwangerschaft muss ein
sorgfältiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgestellt werden: Auf der einen Seite
stehen die mütterliche Mortalität und ihr Wohlbefinden, Schwangerschafts- und
geburtshilfliche Komplikationen… auf der anderen Seite befindet sich das Risiko
für das Ungeborene: Malformationen, neurologische und psychomotorische
Defizite sowie spätere Verhaltensauffälligkeiten.
ii
i
Abstract
The intention of this diploma thesis is to give an overview on the current
publications concerning prescription of psychopharmacy in pregnancy and the risk
of maternal, obstetric and neonatal complications.
In the beginning of pregnancy teratogens would destroy everything or nothing. The
following weeks of organogenesis are the most sensible for teratogens and toxins.
At any time only substances which are able to cross the placenta may have an
impact on the foetus.
This diploma thesis describes information on the following classes of substances:
Antidepressants: The current research is on SSRIs mainly. Some publications
pointed out cardiac defects and other anomalies. These couldn’t be assured by the
newest publications.
Antipsychotics: Olanzapine, Quetiapine and Risperidone can be considered as
safe for the newborns. There are little studies concerning Aripiprazole. More
studies should be carried out on this topic.
Anxiolytics and hypnotics: There is no evidence on any negative outcome at
children exposed to anxiolytics and hypnotics during pregnancy.
Mood stabiliser: Women taking these medication should be aware that negative
effects can’t be excluded by the current publications. Further studies are
necessary. Although women and doctors should consider the high risk on
recurrence when therapy is discontinued.
Prescription of psychopharmacy during pregnancy needs to be carefully balanced
on benefit and risk for maternal morbidity and mortality, complications during
pregnancy
and
delivery
and
neonatal
complications,
malformations,
neurodevelopmental and behavioural deficits.
iv
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen ....................................................................................................................... ii
Zusammenfassung ................................................................................................................ iii
Abstract ................................................................................................................................. iv
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. v
Glossar und Abkürzungen .................................................................................................... vi
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ vii
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ viii
1 Einleitung .......................................................................................................................... 1
1.1 Grundlagen .............................................................................................................. 1
1.1.1
Physiologie des weiblichen Hormonhaushaltes .............................................. 1
1.1.2
Embryogenese ................................................................................................. 3
1.1.3
Funktionen der Plazenta .................................................................................. 7
1.1.4
Neurobiologische Grundlagen ......................................................................... 8
1.2 Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft ................................................ 9
1.2.1
Verhütung bei bestehenden psychischen Erkrankungen: ................................ 9
1.2.2
Depressionen und Psychosen........................................................................... 9
1.2.3
Diagnose von psychischen Erkrankungen in der Schwangerschaft (Edinburgh
postnatal depression scale) .......................................................................................... 10
1.3 Psychopharmaka ................................................................................................... 11
1.3.1
Antidepressiva ............................................................................................... 11
1.3.2
Antipsychotika / Neuroleptika ....................................................................... 14
1.3.3
Anxiolytika .................................................................................................... 16
1.3.4
Phasenprophylaktika und Antimanika ........................................................... 17
1.3.5
Hypnotika ...................................................................................................... 18
1.3.6
Antidementiva ............................................................................................... 19
1.4 Risiken in der Schwangerschaft ............................................................................ 20
1.4.1
Teratogenität .................................................................................................. 20
1.4.2
Planung einer Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft ........................ 21
1.5 Arzneimittelwirkung in der Schwangerschaft ...................................................... 21
1.5.1
Kinetik der Arzneimittel in der Schwangerschaft ......................................... 22
1.6 Alternative Behandlungsmöglichkeiten ................................................................ 24
1.6.1
Elektrokrampftherapie ................................................................................... 24
1.6.2
Lichttherapie .................................................................................................. 24
2 Material und Methoden ................................................................................................... 25
3 Ergebnisse – Resultate .................................................................................................... 26
3.1 Studien zu den Antidepressiva .............................................................................. 26
3.2 Studien zu den Neuroleptika ................................................................................. 31
3.3 Studien zu den Anxiolytika und Hypnotika .......................................................... 35
3.4 Studien zu Phasenprophylaktika und Antimanika ................................................ 37
4 Diskussion ....................................................................................................................... 42
5 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 46
v
Glossar und Abkürzungen
ACH
Acetylcholin
AD
Antidepressiva
DSA
Duales serotonerges Antidepressivum
EPDS
Edinburgh postnatal depression scale
EPS
Extrapyramidalmotorisches Syndrom
FSH
Follikelstimulierendes Hormon
GnRH
Gonadotropin-Releasing Hormon
hCG
humanes Choriogonadotropin
KI
Konfidenzintervall
LH
Luteinisierendes Hormon
MAO-I
Monoaminooxidasehemmer
MCA
Major congenital anomalies
NA
Noradrenalin
NARI
Selektive Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren
NaSSA
Noradrenalin- und Serotonin-spezifisches Antidepressivum
OR
Odds Ratio
PNS
Peripheres Nervensystem
RR
Relatives Risiko
SNRI
Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake Inhibitoren
SSRI
Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren
SSW
Schwangerschaftswoche
TCA
Trizyklische Antidepressiva
TetraZA
Tetrazyklische Antidepressiva
ZNS
Zentrales Nervensystem
vi
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: negativer Rückkopplungsmechanismus ............................................ 1
Abbildung 2: Endometriumaufbau .......................................................................... 2
Abbildung 3: Befruchtung, Zwei-Zell-Stadium, Morula und Blastozyste ................. 3
Abbildung 4: Von der Ovulation bis zur Nidation .................................................... 3
Abbildung 5: Differenzierung in der zweiten Woche ............................................... 4
Abbildung 6: Trophoblast 9.Tag ............................................................................. 4
Abbildung 7: Darstellung der Invagination .............................................................. 5
Abbildung 8: Primitivstreifen am Epiblasten ........................................................... 5
vi
i
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Transmitterübersicht .............................................................................. 8
Tabelle 2: Antidepressiva ..................................................................................... 11
Tabelle 3: Nebenwirkungen und Kontraindikationen von Antidepressiva ............. 13
Tabelle 4: Antipsychotika ..................................................................................... 14
Tabelle 5: Anxiolytika ........................................................................................... 16
Tabelle 6: Phasenprophylaktika ........................................................................... 17
Tabelle 7: Hypnotika ............................................................................................. 18
Tabelle 8: Antidementiva ...................................................................................... 19
Tabelle 9: Übersicht Metastudien Antidepressiva ................................................. 29
Tabelle 10: Übersicht: Studien Antidepressiva ..................................................... 30
Tabelle 11: Daten aus dem Review von Ennis und Damkier (2014) .................... 31
Tabelle 12: Übersicht: Studien zu Neuroleptika.................................................... 34
Tabelle 13: Übersicht: Studien zu Anxiolytika und Hypnotika ............................... 36
Tabelle 14: Daten aus der Kohortenstudie von Bodén et al. (2012) ..................... 38
Tabelle 15: Übersicht: Studien zu Neuroleptika 1................................................. 40
Tabelle 16: Übersicht: Studien zu Neuroleptika 2................................................. 41
vi
ii
1 Einleitung
Das Heranwachsen von neuem Leben ist besonders schützenswert. Im Bereich
der Pharmakotherapie stellt sich dabei so manche Herausforderung. Diese
Diplomarbeit
konzentriert
sich
auf
den
Bereich
der
Therapie
mittels
Psychopharmaka während der Schwangerschaft, da auch viele werdende Mütter
unter psychischen Erkrankungen wie depressiven Verstimmungen leiden und
unbehandelt auch das ungeborene Leben gefährden können. Im Zuge der
Diplomarbeit soll dargestellt werden, wie Psychopharmaka wirken und inwieweit
sie den Fötus beeinflussen und belasten. Grundsätzlich soll unterschieden werden
zwischen Teratogenität, welches eine potenzielle Schädigung des Fötus durch
äußere Einflüsse beschreibt, und Toxizität, womit eine Schädigung eines
Organismus durch Arzneimittel, Chemikalien, Infektionen und physikalischen
Noxen bezeichnet wird. Beobachtet man dabei nur die Zeit während der
Schwangerschaft so spricht man von Pränataltoxikologie.(1)
1.1 Grundlagen
1.1.1 Physiologie des weiblichen Hormonhaushaltes
Voraussetzung für eine Schwangerschaft stellt der Menstruationszyklus der Frau
dar, der maßgeblich durch Hormone beeinflusst wird. Ausgehend von der
pulsatilen Freisetzung von Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH) aus dem
Hypothalamus wird eine Ausschüttung der beiden Gonadotropine Luteinisierendes
Hormon
(LH)
Follikelstimulierendes
und
Hormon
den Gonaden, wo sie an spezifische
membranständige
Rezeptoren
in
unterschiedlichen Zielzellen binden.
In den Ovarien werden dadurch
sowohl die Produktion der Eizelle
Hypothalamus
GnRH
Hypophyse
LH, FSH
Hypophyse
Östrogene, Gestagene
gelangen über das Blutsystem zu
GnRH
Östrogene, Gestagene
(FSH) herbeigeführt. LH und FSH
Hypothalamus
Gonaden
Abbildung 1: negativer
Gonaden
als auch der Sexualsteroide und Rückkopplungsmechanismus
gonadalen Proteinhormone angeregt. FSH übernimmt hier die Kontrolle der
Gametenreifung, indem es an die FSH-Rezeptoren der Granulosazellen bindet. Im
1
Gegensatz dazu bewirkt LH bei den Granulosazellen deren finale Differenzierung,
den Eisprung und die Umstellung der Steroidsynthese von Östrogenen zu
Gestagenen.
Die
reproduktiven
Hormone
verfügen
über
einen
Rückkopplungsmechanismus, indem die Sexualsteroide im Hypothalamus und in
der Hypophyse die Freisetzung von GnRH, LH und FSH hemmen. Somit ergibt
sich ein geschlossener Regelkreis.(2)
Der weibliche Zyklus mit Menstruation, Proliferationsphase und Sekretionsphase
dreht sich um das Heranreifen eines Follikels, um am 14. Tag (+/- 3 Tage) in Folge
des Eisprungs für eine Schwangerschaft vorbereitet zu sein. Wenn sich keine
Nidation eines Embryos durch einen Anstieg des humanen Choriogonadotropin
(hCG) bemerkbar macht, wird
das aufgebaute Endometrium im
Zuge
der
Menstruation
abgetragen.
Wird die Eizelle aber im Eileiter
innerhalb von 12 Stunden post
Ovulationem
befruchtet,
so
nistet sich der Embryo etwa eine
Abbildung 2: Endometriumaufbau
Woche nach der Befruchtung als Trophoblast im Uterus ein und produziert hCG,
wodurch die Progesteronbildung im Corpus luteum graviditas und demzufolge die
Schwangerschaft
aufrechterhalten
werden.
Ab
der
8.
bis
10.
Schwangerschaftswoche (SSW) wird die Progesteronproduktion von der Plazenta
übernommen. Ab der 10.SSW werden das Blutvolumen und damit das HerzMinuten-Volumen
erhöht.
Da
das
Blutvolumen
stärker
ansteigt
als
die
Erythrozytenzahl sinkt der Hämatokrit und der Eisenbedarf ist deutlich erhöht.
Weitere Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft können Übelkeit und
Erbrechen, sowie vermehrter Harndrang, Dyspnoe, Sodbrennen und Obstipation
sein. (2)
2
1.1.2 Embryogenese
Die Embryogenese beginnt mit der Befruchtung der Eizelle
durch ein Spermium. Sobald das Spermium in die Eizelle
eingedrungen ist, spricht man von einer Zygote. Männlicher und
weiblicher Vorkern verdoppeln sich im Zytoplasma der Eizelle.
Anschließend folgt die erste Zellteilung. Daraufhin liegt bereits
ein Zwei-Zell-Stadium vor. Die Zygote durchläuft eine Reihe
weiterer Zellteilungen, bis sie sich nach etwa 3-4 Tagen im 16Zellen-Stadium
der
sogenannten
Morula
befindet.
Die
Vermehrung der Zellen mittels Teilung nennt man Furchung. Mit
jeder
Teilung
werden
die
Zellen
kleiner
und
heißen
schlussendlich Blastomere. Bereits in diesem Stadium existieren
feste Zellverbindungen, über die die Zellen zusammenhalten und
die Differenzierung zur Blastozyste aus der Morula ermöglicht
wird. Die Zellen teilen sich in eine innere Zellmasse, die den
Embryoblasten
bildet,
Trophoblasten.
Durch
und
eine
äußere
Zellmasse,
Interzellularflüssigkeit
entsteht
den
die
Blastozystenhöhle. Der Embryoblast liegt dabei an jener Stelle
am Trophoblasten an, an welcher etwa am Ende der ersten Abbildung 3:
Befruchtung, Zwei-
Woche die Einnistung in die mütterliche Schleimhaut beginnt. Zell-Stadium,
Dann fängt die Blastozyste an hCG
Morula und
Blastozyste
zu sekretieren. Durch hCG geht
das Corpus luteum im Ovar nicht
zugrunde, sondern wandelt sich in
ein corpus luteum graviditatis um
und bildet weiterhin das für den
Erhalt
der
notwendige
Schwangerschaft
Progesteron.
Die
übrigen Trophoblasten flachen sich
ab und werden im Verlauf die Abbildung 4: Von der Ovulation bis zur Nidation
Eihäute bilden. Am Ende der ersten Woche ist der Embryo gerade dabei sich
einzunisten. (3)
3
Die zweite Entwicklungswoche kann man gut mit der Woche der Zweis
umschreiben:
Wie
in
Abbildung
5
dargestellt, entwickelt sich aus dem
Trophoblasten der Zytotrophoblast und
der
Synzytotrophoblast.
Im
Zytotrophoblast finden Mitosen statt.
Die
neuen
Zellen
Zytotrophoblasten
legen
des
dann
ihre
Zellmembran ab und verschmelzen mit Abbildung 5: Differenzierung in der zweiten
dem Synzytotrophoblast, um dort eine
Woche
vielkernige Schicht zu bilden. Im Synzytotrophoblast bilden sich Lakunen, die
während der zweiten Woche ein Netzwerk ausbilden und von mütterlichem Blut
gefüllt werden. Dies ist der Beginn des uteroplazentaren Kreislaufs. Die
mütterliche Schleimhaut ist rund um die Einnistungsstelle gut durchblutet. Die
Schleimhaut bildet Sinusoide aus. Der Embryoblast differenziert sich in die
zweiblättrige Keimscheibe bestehend aus dem Epiblast und dem Hypoblast. Die
kleinen polyedrischen Zellen des Hypoblasten kleiden die Blastozystenhöhle aus.
Unterhalb der Keimscheibe bildet sich eine weitere Höhle: die Amnionhöhle. Sie
wird durch flache Zellen den Amniobasten vom Trophoblasten abgegrenzt. Im
Laufe der zweiten Woche dringt die Blastozyste immer tiefer in die mütterliche
Schleimhaut ein. Oberflächlich wird der Defekt durch ein Fibrinkoagulum
verschlossen. Ausgehend vom Hypoblasten wird die ehemalige Blastozystenhöhle
von einer dünnen Membran, der Heuser Membran, ausgekleidet und nun primärer
Dottersack genannt.
Zwischen
der
Membran
Heuser
und
dem
Zytotrophoblasten
entsteht
ein
lockeres
neues
Gewebe,
das
extraembryonale
Mesoderm. Innerhalb des
extraembryonalen
Mesoderms
entstehen
Abbildung 6: Trophoblast 9.Tag
4
Hohlräume, die sich zur Chorionhöhle vereinen. Das extraembryonale Mesoderm,
das die Chorionhöhle auskleidet wird parietales Mesoderm, während das den
Dottersack und die Amnionhöhle umgebende Mesoderm viszerales Mesoderm
genannt wird. Nun bildet der Hypoblast Zellen, die innerhalb des primären
Dottersacks eine neue Höhle nämlich den definitiven Dottersack bilden. Dieser ist
viel kleiner und liegt innerhalb der Chorionhöhle. Die Blastozyste ist nur mehr über
den Haftstiel, der später die Nabelschnur bilden wird, mit dem Zytotrophoblasten
verbunden.(3)
In der dritten Woche findet die Gastrulation statt.
Diese bezeichnet die Bildung der drei Keimblätter
Ektoderm, Mesoderm und Entoderm aus dem
Epiblasten. Auf dem Epiblasten wird am Boden der
Amnionhöhle
Richtung
ein
Primitivstreifen
kranial
hinwächst
sichtbar,
und
endet
der
im
Primitivknoten mit der Primitivgrube. Weiter kranial
befindet sich die Prächordalplatte. Die Zellen Abbildung 8: Primitivstreifen am
Epiblasten
beginnen im Primitvstreifen nach unten
abzuwandern (Invagination). Die Zellen
verdrängen
den
Hypoblasten
nach
lateral und bilden das Entoderm. Zellen,
die zwischen Ento- und Ektoderm zu
liegen kommen werden durch Fibroblast
growth
factor 8
Mesodermzellen
(FGF8) in
lockere
umgewandelt.
Die Abbildung 7: Darstellung der Invagination
Zellen, die durch den Primitivknoten invaginieren, bilden die chorda dorsalis,
indem sie nach kranial zur Prächordalplatte wandern. Die Ausbildung der drei
Keimblätter schreitet von kranial nach kaudal voran. Schlussendlich sind Ektoderm
und Entoderm bis auf die Prächordalplatte und die Kloakenmembran überall durch
das Mesoderm getrennt. Je nach Zeitpunkt einer Noxe können bereits in diesem
Stadium organspezifische Schäden verursacht werden.
In der dritten Woche macht auch die Entwicklung des Trophoblasten große
Fortschritte.
Aus
den
Primärzotten
(Zytotrophoblastkern
und
Synzytiumaußenschicht) bilden sich Sekundärzotten mit einem mesodermalen
Kern und in weiterer Folge Tertiärzotten mit Kapillaren und Blutzellen. Das
5
Kapillarsystem
wird
bald
an
Blutgefäße,
die
sich
im
Haftstiel
bilden
angeschlossen. Bis das Blutgefäßsystem nun seine Funktion aufnimmt wird der
Embryo per Diffusion versorgt.(3)
Die vierte bis achte Woche wird Embryonalperiode genannt. In dieser Phase findet
die Organogenese statt. Die drei Keimblätter differenzieren sich in die
unterschiedlichen Organe:
Aus dem Ektoderm bilden sich die Epidermis mit den Talgdrüsen, das zentrale
und periphere Nervensystem, die sensorischen Epithelien von Augen, Ohren und
Nase sowie die Hypophyse, die Milchdrüsen, die Schweißdrüsen und der
Zahnschmelz.
Im Mesoderm entwickeln sich Somiten, von denen die Sklerotome und damit die
segmentale Gliederung des Körpers ausgehen. Aus dem Mesoderm differenzieren
sich
Knochen,
Knorpel,
Muskulatur,
Blut-
und
Lymphgefäße
und
das
Bindegewebe.
Im Entoderm entwickelt sich die Schleimhaut des Gastrointestinal- sowie
Respirationstraktes, der Harnblase sowie der Paukenhöhle und der Tuba auditiva.
Des Weiteren bilden sich aus dem Entoderm die Tonsillen, Schilddrüse,
Nebenschilddrüse, Thymus, Leber, Pankreas. (3)
Der letzte intrauterine Abschnitt des jungen Lebens stellt die Fetalperiode dar.
Dies ist der Zeitraum zwischen drittem Monat und Geburt. In dieser Phase nimmt
der Fetus hauptsächlich an Länge und Gewicht zu. Die angelegten Organe
differenzieren und reifen in dieser Zeit. (3)
6
1.1.3 Funktionen der Plazenta
Die Plazenta besteht aus zwei Anteilen, dem kindlichen (Chorion frondosum) und
dem mütterlichen (Dezidua basalis). Diese beiden Anteile sind durch die
Plazentaschranke bestehend aus fetalem Bindegewebe, der endothelialen
Innenauskleidung der fetalen Blutgefäße, dem Zytotrophoblasten und dem
synzytialen Überzug voneinander getrennt. Die Plazentaschranke schützt den
Fetus vor vielen schädlichen Einflüssen, doch können viele Arzneimittel und Viren
die Schranke überwinden und schädlichen Einfluss auf das Ungeborene ausüben.
Die Funktion der Plazenta besteht im Stoffwechsel- (Aminosäuren, Fettsäuren,
Kohlenhydrate,
Vitamine
und
Elektrolyte)
und
Gasaustausch
(Sauerstoff,
Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid) und in der Hormonbildung(Progesteron,
Östriol,
humanes
Choriogonadotropin,
Somatomammotropin).
Außerdem erhält der Fetus durch mütterliche Immunglobuline, die ab der 14. SSW
übertragen
werden,
eine
passive
Immunisierung
gegenüber
vielen
Infektionskrankheiten.(3)
7
1.1.4 Neurobiologische Grundlagen
Da viele Psychopharmaka über Transmittersysteme wirken, ist es wichtig, diese
kurz zu beleuchten. Die Informationsweitergabe von einer Nervenzelle zur
nächsten wird über Transmittersysteme
Substanzklasse
Transmitter
gesteuert. Transmitter sind Botenstoffe,
Acetylcholin
Acetylcholin
die an der präsynaptischen Membran
Dopamin,
ausgeschüttet
Serotonin,
werden
und
an
postsynaptischen Rezeptoren andocken.
Monoamine
Noradrenalin,
Durch das Andocken wird eine Exzitation
Adrenalin,
oder eine Inhibition der nachfolgenden
Histamin
Zelle
ausgelöst.
Rezeptor
an
Membran
der
ab.
Dies
hängt
vom
postsynaptischen
Im
Aminosäuren
Glutamat,
(exzitatorisch)
Aspartat
peripheren
Aminosäuren
Nervensystem (PNS) sind vor allem die
(inhibitorisch)
GABA, Glycin
Transmitter Acetylcholin (ACH) sowie
Substanz P,
Noradrenalin (NA) vorrangig. ACH ist in
Enkephaline,
der motorischen Endplatte sowie in
Endorphine,
vegetativen
Dynorphin,
Neuronen
vorhanden
während NA im zweiten sympathischen
Neurotensin,
Neuron als Botenstoff fungiert. Das PNS
Somatostatin,
arbeitet auch mit anderen Transmittern,
Neuropeptide
Oxytocin,
diese sind aber eher zweitrangig. Im
Vasopressin,
Zentralen Nervensystem (ZNS) kommen
Vasoaktives
neben
die
intestinales
γ-
Polypeptid,
ACH
Aminosäuren
und
NA
auch
Glutamat,
Aminobuttersäure (GABA) und Glycin,
Neuropeptid Y,
verschiedene biogene Amine (Dopamin,
Cholezystokinin
Serotonin, NA, Adrenalin, Histamin) und
Purine
Adenosin
diverse Neuropeptide als Transmitter
Gasförmige
Stickstoffmonoxid
vor. Man spricht je nach Transmitter von
Transmitter
(NO
GABAergen,
glutamatergen,
cholinergen,
dopaminergen...
Tabelle 1: Transmitterübersicht
Neuronen. Sowohl im PNS als auch im ZNS kann ein Neuron auch mehrere
Transmitter einsetzen. Ein zweiter Transmitter in einem Neuron wird dann als
8
Kotransmitter bezeichnet. Als Kotransmitter sind Neuropeptide wie zum Beispiel
Substanz
P
und
Enkephalin
besonders
häufig.
Die wichtigsten in der Regel exzitatorisch wirkenden Transmitter sind Glutamat
und ACH, die häufigsten inhibitorischen Transmitter sind GABA und Glycin. Die
tatsächliche Wirkung der Transmitter hängt jedoch von dem postsynaptischen
Rezeptor ab. Für die Neurotransmitter existieren zwei verschiedene Arten von
Rezeptoren: G-Protein gekoppelte Rezeptoren für die langsame und Rezeptoren
mit Ionenkanälen für die schnelle Signalübertragung. Exzitatorisch wirkende
Transmitter im ZNS bewirken einen Natriumeinstrom in die Zelle und damit eine
Depolarisation der Membran. Inhibitorische Transmitter hingegen öffnen in der
Erfolgszelle Chloridkanäle, sodass eine Hyperpolarisation der Membran erschwert
wird. Die langsamen Signalübertragungswege laufen über second messenger
Mechanismen (z.B. cAMP- oder cGMP-Anstieg) oder über G-Proteine ab. Im ZNS
wirken sie vor allem modulierend auf die Erregbarkeit der postsynaptischen Zelle
als das Aktionspotential direkt auslösend oder verhindernd. (4,5)
1.2
Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft
1.2.1 Verhütung bei bestehenden psychischen Erkrankungen:
In Behandlung unter einigen Arzneimitteln wie Antiepileptika wird die hormonale
Kontrazeption herabgesetzt. Aus diesem Grund wird zu einer primär nicht
systemisch hormonellen Verhütung geraten, da in diesem Fall das Risiko für
unerwartete Schwangerschaften erhöht wäre. Klassische Neuroleptika bewirken
einen prolaktinämischen Anstieg im Blut und tragen so zur Verhütung bei. Bei
Umstellung auf ein Atypikum entfällt diese kontrazeptive Nebenwirkung. Der Arzt
muss die Patientin in diesem Fall auf eine mögliche Schwangerschaft aufmerksam
machen.(1)
1.2.2 Depressionen und Psychosen
Dass eine Frau im Wochenbett zu Depressionen neigt, ist bereits weithin bekannt,
doch auch in der Schwangerschaft ist die Frau einem erhöhten Risiko für
Depressionen ausgesetzt.(6) Dahingegen treten in dieser Zeit Psychosen relativ
selten auf, während sie im Wochenbett circa 10mal häufiger als in anderen
Lebenssituationen der Frau sind.(7) Eine Schwangerschaft stellt für manche
Frauen eine große Belastungssituation durch die langsam zunehmende
9
hormonelle Umstellung und dem Einstellen auf eine völlig neue und unbekannte
Lebenssituation dar. Auch genetische Veranlagungen können sich bemerkbar
machen. Das Risiko für eine Gestationspsychose steigt mit Dauer der
Schwangerschaft. In der Schwangerschaft zeigen sich vor allem depressive und
schizophrene Zustände mit teils latenter oder manifester Suizidalität. Davon
abzugrenzen sind eine Reaktivierung einer latenten Psychose, Angst vor
Schwangerschaft und Geburt sowie eine Anpassungsstörung. Therapeutisch sollte
die Patientin vor allem durch Psychotherapie, Ergotherapie und Soziotherapie
unterstützt werden.(8)
1.2.3 Diagnose
von
psychischen
Erkrankungen
in
Schwangerschaft (Edinburgh postnatal depression scale)
der
Das Edinburgh postnatal depression scale (EPDS) ist ein kurzer Fragebogen, den
die Patientinnen selbst beantworten sollen. Dieser Test wurde speziell für
schwangere Frauen und Frauen im Wochenbett entwickelt. Die Patientin soll dabei
die folgenden Fragen in Bezug auf die letzte Woche und nicht nur auf ihr
momentanes Befinden beantworten:(9)
Ich konnte lachen und die schöne
[0] Nein, niemals.
Seite des Lebens sehen.
Ich
[3] Überhaupt nicht.
Gründen ängstlich oder besorgt.
[2] Deutlich weniger als früher.
[3] Ja, sehr oft.
[1] Nicht ganz so wie früher.
[2] Ja, gelegentlich.
[0] So wie immer.
[1] Selten.
Ich konnte mich so richtig auf
[0] Nein, gar nicht.
etwas freuen.
Ich erschrak leicht oder geriet
[3] Kaum.
grundlos in Panik.
[2] Deutlich weniger als früher.
[3] Ja, sehr häufig.
[1] Etwas weniger als sonst.
[2] Ja, gelegentlich.
[0] So wie immer.
[1] Nein, kaum.
Ich habe mich grundlos schuldig
[0] Nein, überhaupt nicht.
gefühlt, wenn etwas schief ging.
Ich fühlte mich durch verschiedene
[3] Ja, meistens.
Umstände überfordert.
[2] Ja, gelegentlich.
[3] Ja, meistens konnte ich die
[1] Nein, nicht sehr oft.
Situationen nicht meistern.
war
aus
unerfindlichen
10
[2] Ja, gelegentlich konnte ich die
[2] Ja, gelegentlich.
Dinge nicht so meistern wie sonst.
[1] Nein, nicht sehr häufig.
[1] Nein, meistens konnte ich die
[0] Nein, gar nicht.
Situation meistern.
Ich war so unglücklich, dass ich
[0] Nein, ich bewältigte die Dinge so
weinen musste.
gut wie immer.
[3] Ja, die ganze Zeit.
Ich war so unglücklich, dass ich
[2] Ja, sehr häufig.
nur schlecht schlafen konnte.
[1] Nur gelegentlich.
[3] Ja, meistens.
[0] Nein, nie.
[2] Ja, gelegentlich.
Ich hatte den Gedanken, mir selbst
[1] Nein, nicht sehr häufig.
etwas anzutun.
[0] Nein, gar nicht.
[3] Ja, recht häufig.
Ich habe mich traurig oder elend
[2] Gelegentlich.
gefühlt.
[1] Kaum jemals.
[3] Ja, meistens.
[0] Niemals.
1.3
Psychopharmaka
1.3.1 Antidepressiva
Als erstes Antidepressivum entdeckte R. Kuhn im Jahre 1957 Imipramin, welches
zu den trizyklischen Antidepressiva gehört. Im Laufe der Zeit wurden auch andere
Antidepressiva entwickelt. Es ergibt sich folgende Einteilung der Antidepressiva:
 Klassische Antidepressiva:
Monoaminooxidase-Inhibitoren
(MAO-I); Trizyklische Antidepressiva
(TCA)
 Tetrazyklische Antidepressiva
(TetraZA)
 Selektive Serotonin Reuptake
Inhibitoren (SSRI)
 Antidepressiva mit dualem
Wirkmechanismus:
Noradrenalin- und Serotonin-
Wirkstoff (Gruppe)
Präparat
Escitalopram (SSRI) Cipralex®
Fluoxetin (SSRI)
Fluctine®
Venlafaxin (SNRI)
Efectin®
Duloxetin (SNRI)
Cymbalta®
Mirtazapin (NaSSA)
Mirtabene®
Trazodon (DAS)
Trittico®
Amitriptylin (TZA)
Saroten®
Johanniskraut
Jarsin®
Maprotilin (TetraZA)
Ludiomil®
Tabelle 2: Antidepressiva
11
spezifisches Antidepressivum (NaSSA), Duales serotonerges
Antidepressivum (DAS); Serotonin- und Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren
(SNRI)
 Selektive Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (NARI)
In der Pflanzenheilkunde wird Johanniskraut (Hypericum perforatum) eine
antidepressive Wirkung zugeschrieben.(10)
1.3.1.1 Wirkung und Indikationen:
Die grundlegende Wirkungsweise ist die Erhöhung der Neurotransmitter Serotonin
und Noradrenalin im synaptischen Spalt. Dies wird erreicht durch Hemmung der
Wiederaufnahme der Neurotransmitter (TZA, SSRI, SNRI, NARI). MAO- I hemmen
den Abbau von Serotonin und Noradrenalin, sodass diese länger im synaptischen
Spalt wirken können. In der Behandlung mit den Antidepressiva sollte auf den
psychomotorischen Einfluss Rücksicht genommen werden. So sind NaSSA, DSA,
TZA vom Amitriptlintyp und die TetraZA Mianserin und Maprotilin psychomotorisch
sedierend
während
sich
TZA
vom
Imipramintyp
und
Johanniskraut
psychomotorisch neutral auswirken. Die meisten SSRI, SNRI, NARI, MAO-I und
TZA vom Clomipramintyp wirken eher aktivierend auf die Psychomotorik. Beim
Gesunden zeigt sich bei Einnahme der Antidepressiva ein unverändertes Bild.
Außerhalb depressiver Zustandsbilder sind Antidepressiva auch zur Behandlung
anderer Krankheiten zugelassen. Eine Depression wird diagnostiziert bei
anhaltender Symptomatik über mindestens 2 Wochen. Die Symptomatik
umschließt Hauptsymptome (Störung in Antrieb, Affektivität und Aktivität) sowie
Nebensymptome (vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, Suizidgedanken,
Schlafstörungen,
Appetitverlust,
verminderte
Konzentrationsfähigkeit,
psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung). (10)
1.3.1.2 Nebenwirkungen
Die folgende Tabelle gibt die häufigsten Nebenwirkungen und die wichtigsten
Kontraindikationen für Antidepressiva wieder.(10)
12
Gruppe der AD
Nebenwirkungen
Orthostatische Dysregulation, QTc-Veränderungen,
TZA
anticholinerge Effekte, Gewichtszunahme,
prokonvulsives Risiko erhöht
TetraZA
Maprotilin: TZA ähnliche NW
Mianserin: Gewichtszunahme, Granulozytopenien
Kontraindikationen
Schwere kardiovaskuläre Erkrankungen, Glaukom,
Prostatahyperplasie, Pylorusstenose
Siehe TZA
Orthostatische Hypotonie; Hypertone Blutdruckkrisen
bei Genuss von tyraminhaltigen Nahrungsmitteln;
MAO-I
Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms bei
Kombination mit SSRI, SNRI, Clomipramin, Mirtazapin
St.p. Insult, Phäochromozytom, Karzinoid, arterielle
Hypertonie, bevorstehende Narkose
und sympathomimetischen Substanzen
SSRI
Gastrointestinale Nebenwirkungen, sexuelle
Funktionsstörungen, Kopfschmerz
Kombination mit MAO-I
SNRI
Siehe SSRI
Siehe SSRI
NaSSA
Gewichtszunahme, weiße Blutbildveränderungen
Siehe SSRI, bekannte Leukopenie
DSA
Priapismus, orthostatische Dysregulation
St. P. Myokardinfarkt
NARI
Schlaflosigkeit, Schwitzen, Schwindel
Glaukom, Harnretention, kardiovaskuläre Erkrankung
Johanniskraut
Photosensibilisierung
Beeinflusst v.a. CYP3A4  zahlreiche
Medikamenteninteraktionen
Tabelle 3: Nebenwirkungen und Kontraindikationen von Antidepressiva
13
1.3.2 Antipsychotika / Neuroleptika
Der Durchbruch zur Behandlung psychotischer Symptome gelang mit der
Entdeckung von Chlorpromazin im Jahre 1952. Die typischen Antipsychotika, die
in den folgenden Jahren entwickelt wurden unterscheiden sich in ihrer
antipsychotischen Potenz, ihren extrapyramidalen Nebenwirkungen und ihrer
sedierenden Wirkung. Folgende Einteilung wurde vorgenommen:
 Hochpotente Antipsychotika: hohe antipsychotische Wirkung,
starke
extrapyramidale Nebenwirkungen und geringe Sedierung.
 Mittelpotente
Antipsychotika:
mittelstarke
antipsychotische
und
antipsychotische
und
extrapyramidale Wirkung, mäßige Sedierung
 Niedrigpotente
Antipsychotika:
schwache
extrapyramidale Wirkungsweise, aber ausgeprägte Sedierung.
Mit der Einführung von Clozapin 1972 in Österreich war der Startschuss für die
sogenannten
Clozapin
Atypika
wurde
gefallen.
notwendig
sind,
Wirkstoff (Gruppe)
Präparat
keine
Amisulprid
Solian®
Nebenwirkungen
Aripiprazol
Abilify®
Psychosen
Clozapin
Leponex®
Olanzapin
Zyprexa®
Quetiapin
Seroquel®
Risperidon
Risperdal®
Sertindol
Serdolect®
Haloperidol
Haldol®
Chlorprothixen
Truxal®
Levomepromazin
Nozinan®
gezeigt,
extrapyramidalen
um
Mittels
dass
zu
behandeln. Allerdings birgt die Anwendung
von
Clozapin
ein
erhöhtes
Risiko
für
Granulozytopenien und Agranulozytose. In
den 90er Jahren kamen weitere acht
Atypika (Olanzapin, Quetiapin, Amisulprid,
Risperidon, Ziprasidon, Sertindol, Zotepin,
Aripiprazol) in Österreich auf den Markt, die
dafür ein geringeres Risiko aufweisen. (10)
Tabelle 4: Antipsychotika
1.3.2.1 Wirkungen und Indikationen
Neuroleptika wirken über Antagonisierung von Dopaminrezeptoren, einige weitere
Pharmaka
weisen
eine
Hemmung
von
Serotoninrezeptoren
und
eine
Beeinflussung von Noradrenalin-, Acetylcholin- und Histamin-Rezeptoren auf. Sie
bewirken dadurch eine Bewusstseinseinengung, Dämpfung des ZNS, affektive
Indifferenz und Anxiolyse. Neuroleptika werden somit antipsychotisch als auch
antiaggressiv eingesetzt. Atypika wirken aufgrund ihres partiellen Agonismus am
D2-Rezeptor
und
ihrer
Wirkung
am
5-HT2A-Rezeptor
auch
auf
die
14
Minussymptomatik (Verarmung der Sprache und der Inhalte, Affektverflachung,
Freudlosigkeit, sozialer Rückzug, Minderung der Initiative) und über ihre Affinität
zu 5-HT1A-Rezeptoren entfalten sie zusätzlich eine antidepressive Wirkung. Die
früher entwickelten Neuroleptika hingegen beeinflussen über D2-Rezeptoren nur
die Positivsymptomatik (Halluzinationen, Wahn, psychotische Ich-Störungen,
zerfahrenes Denken, bizarres Verhalten, Erregung und Spannung).
Indikation für Antipsychotika stellt vor allem die Schizophrenie dar, sie sind aber
auch bei psychotischen Syndromen (zum Beispiel Alkoholentzugssyndrome,
depressive Episoden mit psychotischen Symptomen, medikamenten- oder
drogeninduzierte Psychosen) oder psychomotorischen Erregungszuständen (zum
Beispiel
Delirien,
Chorea
Huntington)
anderer
psychischer
Krankheiten
indiziert.(10)
1.3.2.2 Nebenwirkungen
Die ersten Neuroleptika zeigen im Gegensatz zu Atypika eine Wirkung auf das
extrapyramidale
System
und
können
demnach
je
nach
Potenz
ein
Extrapyramidalmotorisches Symptom (EPS) auslösen. Dieses ist gekennzeichnet
durch: Frühdyskinesien (Verkrampfungen der Halsmuskulatur, Blickkrämpfe),
Parkinsonoide Symptome (Rigor, Hypokinesie, kleinschrittiger Gang), Akathisie
(Drang
zur
Bewegung,
innere
Unruhe),
Spätdyskinesien
(choreatische
Hyperkinesien im Kopfbereich und an den Extremitäten, Zunahme unter
emotionaler Belastung). (10)
Eine weitere Nebenwirkung ist das maligne neuroleptische Syndrom. Damit wird
ein Symptomenkomplex aus Rigor, Fieber und Zeichen vegetativer Dysfunktionen
beschrieben, der vor allem zu Beginn einer antipsychotischen Therapie unter
hochpotenten Neuroleptika auftreten kann. Hinzu kann sich eine CreatininkinaseErhöhung (>300U/L) und eine Leukozytose im Blutbild zeigen. Besonderes Risiko
dafür
weisen
jüngere
Begleiterkrankungen
Personen,
bei
Männer,
rascher
Patienten
mit
somatischen
Aufdosierung
auf.
Unter Antipsychotika können sich Hyperprolaktinämien mit den folgenden
Beschwerden
entwickeln:
Gynäkomastie,
Galaktorrhoe,
sexuelle
Funktionsstörungen, Libidoverlust sowie Osteoporose (insbesondere bei Frauen)
Des Weiteren führen besonders niedrig- und mittelpotente Neuroleptika sowie
Atypika zur Appetitsteigerung und daraus resultierend zur Gewichtszunahme.(10)
15
Neuroleptika, die zum Beispiel in suizidaler Absicht der Patientin in Überdosis
eingenommen wurden, äußern sich in einem passageren deliranten Stadium, auf
das ein tiefes Koma folgt. Aufgrund des Kreislaufversagens und der Atemlähmung
tritt der Tod ein. Die akute Vergiftung kann nur symptomatisch behandelt werden,
da kein spezifisches Antidot bekannt ist. (11)
1.3.3 Anxiolytika
1.3.3.1 Wirkungen und Indikationen
Anxiolytika wurden früher auch als Tranquilizer
Wirkstoff
bezeichnet. Sie sind indiziert bei Angst, innerer
Meprobamat Miltaun®
Unruhe und Anspannung, Aggressivität, innerer
Hydroxycin
Atarax®
Erregung,
Buspiron
Buspar®
Muskelverspannungen. Im engeren Sinne zählen
Lorazepam
Temesta®
Benzodiazepine, Meprobamat, Hydroxyzin und
Oxazepam
Praxiten®
Buspiron zu den Anxiolytika. Im weiteren Sinne
Alprazolam
Xanor®
Diazepam
Psychopax®
Clobazam
Frisium®
Clorazepat
Tranxilium®
Schlafstörungen,
werden aber auch niedrigdosierte Antipsychotika
und Betarezeptorblocker anxiolytisch verwendet.
Benzodiazepine wirken angstlösend (Lorazepam),
dämpfend
(Flunitrazepam),
schlafanstoßend
(Midazolam), muskelrelaxierend (Tetrazepam) und
Präparat
Tabelle 5: Anxiolytika
antikonvulsiv (Clonazepam). Die Angstlösende und beruhigende Wirkung der
Benzodiazepine findet als Zusatzmedikation in vielen Bereichen Anwendung: für
die Krisenintervention bei Suizidversuchen, in der Notfallmedizin bei Herzinfarkten,
in der Anästhesie vor operativen Eingriffen, in der Geburtshilfe bei Prä- und
Eklampsie...(10)
1.3.3.2 Nebenwirkungen
Eine relative Überdosierung macht sich durch eine Verstärkung der eigentlich
erwünschten
Wirkung
bemerkbar:
Benommenheit,
Muskelschwäche,
Blutdruckabfall, Konzentrationsschwäche. Eine kontinuierliche Anwendung von
Benzodiazepinen birgt das Risiko einer Abhängigkeit, die sich bei Absetzen durch
eine Entzugssymptomatik bemerkbar macht. Benzodiazepine weisen ein erhöhtes
teratogenes Risiko auf und sollten aus diesem Grund im ersten Trimenon
unterlassen
und
in
der
weiteren
Schwangerschaft
nur
unter
strenger
16
Indikationsstellung verabreicht werden. Benzodiazepine können perinatal ein
vorübergehendes Floppy-infant-Syndrom verursachen.(10)
1.3.4 Phasenprophylaktika und Antimanika
1.3.4.1 Wirkungen und Indikationen
Phasenprophylaktika sind vor allem bei bipolar affektiven Störungen induziert und
sollen die Stimmung stabilisieren, sodass
Wirkstoff
Präparat
sie weder in die Depression noch in die
Lithiumcarbonat
Neurolepsin®
Manie kippt. Aus diesem Grund werden sie
Carbamazepin
Tegretol®
auch Stimmungsstabilisierer genannt.
Valproinsäure
Depakine®
Lamotrigin
Lamictal®
Lithiumsalze verschrieben. Die Wirkung
Olanzapin
Zyprexa®
bedingt
Quetiapin
Seroquel®
Risperidon
Risperdal®
Als
Rezidivprophylaxe
einen
Wirkspiegel
werden
von
oft
enger
therapeutischer Breite (0,6-0,8mmol/L) und
setzt erst nach etwa einem halben Jahr ein.
Tabelle 6: Phasenprophylaktika
Antikonvulsiva weisen eine gute antimanische Wirkung auf. Obwohl der genaue
Wirkmechanismus noch nicht geklärt ist, finden sie in der Praxis breite
Anwendung. Antimanische und sedierende Effekte werden durch eine Verstärkung
der inhibitorischen Systeme erreicht: Tiagabin, Vigabatrin. Anders wirken
Lamotrigin
und
Felbamat
über
eine
Verminderung
der
exzitatorischen
Transmittersysteme.
Des Weiteren werden viele Antipsychotika aufgrund ihrer sedierenden Wirkung
auch antimanisch eingesetzt.(10)
1.3.4.2 Nebenwirkungen
Eine Behandlung mit Lithium benötigt regelmäßige Kontrollen (erst wöchentlich,
dann monatlich und bei guter Einstellung halbjährlich) des Serumspiegels, da
Lithium eine sehr enge therapeutische Breite besitzt. Bereits bei Plasmaspiegel
über 1,6 mmol/L treten Symptome einer Lithiumintoxikation auf: grobschlägiger
Händetremor, verwaschene Sprache, Ataxie sowie Allgemeinsymptome: Fieber,
Durchfall, Erbrechen, Schwitzen. In therapeutischer Dosis können folgende
Nebenwirkungen
auftreten:
Übelkeit,
Durchfall,
Erbrechen,
feinschlägiger
Händetremor, Gewichtszunahme, vergrößerte Schilddrüse, Ödeme, Müdigkeit,
Schwindel. (10)
17
Häufige Nebenwirkungen unter Carbamazepin und Valproinsäure sind: Erbrechen,
Schwindel, Müdigkeit, Tremor, Erhöhung der Leberwerte und Leukopenie. Der
Carbamazepinspiegel wird durch CYP3A4 Hemmer erhöht und kann aufgrund der
hämatotoxischen Wirkung eine Knochenmarksdepression verursachen. Bei
Blutungsneigung, Nierenschäden, Hirnschäden und Stoffwechselerkrankungen ist
für Valproinsäure Vorsicht geboten (10)
Bei einer Therapie mit Carbamazepin oder Valproinsäure muss die Patientin auf
das Risiko von Neuralrohrdefekten bei einer eintretenden Schwangerschaft
aufgeklärt werden. In dem Fall, dass eine Therapie unter Carbamazepin auch in
einer Schwangerschaft dringend indiziert ist, muss die Schwangere im ersten
Trimenon 4-5 mg Folsäure täglich zu sich nehmen. Perinatal kann sich eine
Carbamazepin-Therapie in Hämorrhagien und hepatischen Dysfunktionen zeigen.
Unter
Lamotrigin
können
sich
Hautveränderungen,
erhöhte
Leberwerte,
Blutbildveränderungen, Müdigkeit, Tremor, Schwindel zeigen. Ein erhöhtes
teratogenes Risiko ist nicht bekannt, trotzdem wird eine zusätzliche Einnahme von
Folsäure empfohlen.(10)
1.3.5 Hypnotika
1.3.5.1 Wirkungen und Indikationen
Hypnotika
werden
als
schlaffördernde
Medikamente eingesetzt. Früher wurden vor
allem
Barbiturate
zur
Schlafinduzierung
eingesetzt. Diese sind heute aber aufgrund
des
möglichen
letalen
Ausgangs
bei
Überdosierung in der Psychiatrie obsolet.
Hypnotika werden in Benzodiazepin-Hypnotika
und Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika eingeteilt.
Beide Gruppen wirken über eine Verstärkung
des inhibitorischen Neurotransmitters GABA.
Wirkstoff
Präparat
Flunitrazepam
Somnubene®
Nitrazepam
Mogadon®
Brotizolam
Lendorm®
Lormetazepam
Noctamid®
Triazolam
Halcion®
Zolpidem
Ivadal®
Zopiclon
Somnal®
Tabelle 7: Hypnotika
Im Gegensatz zu den Barbituraten sind die Toxizität gering und die therapeutische
Breite groß. Als Antidot kann bei beiden Gruppen Flumazenil (Anexate®)
eingesetzt
werden.
Außerdem
wird
die
schlaffördernde
Wirkung
von
Antidepressiva, Antipsychotika und Antihistaminika zur Schlafförderung genützt.
Hypnotika sind bei hartnäckigen Schlafstörungen, die durch andere Medikamente
18
nicht behoben werden konnten, in einer zeitlichen Begrenzung indiziert. Bei
anhaltenden Schlafstörungen ist eine Intervalltherapie möglich.(10)
1.3.5.2 Nebenwirkungen
Als Nebenwirkung muss man bei Hypnotika mit einer Toleranzentwicklung und
Abhängigkeit rechnen, weshalb eine zeitliche Begrenzung unabdingbar ist. Eine
Kumulationsneigung oder Überdosierung führt zu einem Hang-Over Effekt, der
sich in Müdigkeit, Benommenheit, Interesse- und Antriebsmangel zu einem
unerwünschten Zeitpunkt zum Beispiel am Morgen nach dem Aufwachen zeigt.
Während
Schwangerschaft
und
Stillzeit
sind
Hypnotika
prinzipiell
kontraindiziert.(10)
1.3.6 Antidementiva
Antidementiva
werden
eingesetzt
um
Störungen im Gedächtnis entgegen zu wirken,
Wirkstoff
Beispielpräparat
den intellektuellen Abbau zu stoppen oder
Galantamin
Reminyl®
zumindest zu bremsen, sowie beeinträchtigte
Donepezil
Aricept®
soziale Alltagsaktivitäten wiederherzustellen.
Rivastigmin
Exelon®
Früher
Memantin
Ebixa®
wurden
Antidementiva
auch
Nootropika bezeichnet.(10)
als
Tabelle 8: Antidementiva
1.3.6.1 Wirkungen und Indikationen
Galantamin, Donepezil und Rivastigmin hemmen die Cholinesterase und
verhindern den Acetylcholinabbau. Besonders bei Morbus Alzheimer, der durch
einen zerebralen Acetylcholinmangel gekennzeichnet ist, führt dies zu einer
Besserung der kognitiven Defizite. Kognitive Defizite sind unter anderem auch
durch eine erhöhte glutamaterge Neurotransmission bedingt. Hier greift Memantin
an und antagonisiert Glutamat. Die Indikation der Antidementiva bei Alzheimer
Demenz wird mit Hilfe eines Mini Mental Status Test erstellt. 11-26 erzielte Punkte
indizieren eine Behandlung mit Galantamin, Donepezil oder Rivastigmin.
Memantin ist bei einer Punkteanzahl von 11 bis 19 angezeigt und bei einem
Ergebnis unter 10 Punkten ist eine Kombination von Donepezil und Memantin
ratsam. Für die Behandlung von Parkinson-Demenz und Lewy-Körper-Demenz ist
Rivastigmin zugelassen. Bei vaskulären Demenzen werden Donepezil oder
Memantin eingesetzt.(10)
19
1.3.6.2 Nebenwirkungen
Galantamin, Donepezil und Rivastigmin zeigen cholinerge Begleiteffekte wie
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Tremor, Bradykardie. Memantin verursacht zwar
keine cholinergen Effekte, kann aber Halluzinationen, Verwirrtheit und Schwindel
hervorrufen.(10)
Für eine Schwangerschaft spielen Antidementiva eine untergeordnete Rolle und
werden deshalb nicht weiter beleuchtet.
1.4 Risiken in der Schwangerschaft
Besonders
bei
Psychopharmaka
setzen
Frauen
aus
Angst
vor
einer
fruchtschädigenden Wirkung bei eingetretener Schwangerschaft ihre Medikation
ab. Nicht beachtet wird dabei, dass schwere psychische Krisen und psychiatrische
Erkrankungen den Schwangerschaftsverlauf ungünstig beeinflussen können.
Hansen et al. beobachteten ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen embryonaler
ZNS-Strukturen
nach
schwerwiegenden
Lebenskrisen
in
der
Schwangerschaft.(12)
Im
Falle
einer
psychiatrischen
Erkrankung
sollte
eine
Schwangerschaft
längerfristig geplant und die Patientin auf Medikamente ohne teratogene
Nebenwirkungen eingestellt werden. Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass
sich durch eine Schwangerschaft der Verlauf einer psychiatrischen Erkrankung
nicht wesentlich verändert. In der Zeit um die Geburt ist besondere
Aufmerksamkeit auf einen Rückfall und die Wochenbettdepression zu richten.(1)
1.4.1 Teratogenität
Aus molekularbiologischer Sicht wird die Entwicklung durch bestimmte Gene
gesteuert. Lösliche und membrangebundene Rezeptormoleküle vermitteln durch
körpereigene und Fremdstoffe die Aktivität beziehungsweise Inaktivität der
Genabschnitte. Substanzen oder Schädigungen, die sich auf die Genaktivität
auswirken, können daher beträchtliche Folgen haben. Vom Organismus selbst
wird zum Beispiel die Apoptose, der programmierte Zelltod, durch Glukokortikoide
und Wachstumsfaktoren initialisiert ganz gezielt eingesetzt. Durch einen Eingriff
von außen können zu viele oder zu wenige Zellen durch die Apoptose zugrunde
gehen. Als Beispiel einer Störung wären hier verbleibende Häute zwischen den
Fingern oder Zehen zu nennen.(1)
20
1.4.2 Planung einer Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft
Bei Behandlung einer Frau im gebärfähigen Alter sollte eine mögliche
Schwangerschaft
immer
anamnestisch
erhoben
werden.
Im
Falle
einer
Schwangerschaft wird der Embryo (meist) ungewollt mitbehandelt. Jedoch sollte
man bedenken, dass sich eine Erkrankung der Mutter schwerwiegender auf das
Kind auswirken kann, als die Behandlung mit Arzneimitteln. Je nach Medikament
muss auf eine potentielle teratogene Wirkung hingewiesen und zur Kontrazeption
aufgefordert werden. Bei Langzeittherapien ist es von Vorteil Medikamente ohne
teratogenes Risiko zu verabreichen. Bei eingetretener Schwangerschaft sollten
neue Medikamente nur nach strenger Indikationsstellung verschrieben werden.
Prinzipiell ist eine Monotherapie mit niedriger Dosis anzustreben, um möglichst
wenig in die natürlichen Entwicklungsprozesse einzugreifen. Außerdem können
alternative
nicht-medikamentöse
Behandlungswege
in
Erwägung
gezogen
werden.(1)
1.5 Arzneimittelwirkung in der Schwangerschaft
Im Jahre 1977 hat Wilson aus tierexperimenteller Beobachtung einige Regeln für
die Arzneimittelwirkung aufgestellt. Prinzipiell sind die Wirkung und damit auch
eine potentielle Schädigung des Embryos abhängig von der Dosis, der Spezies,
dem Entwicklungsstadium und dem Wirkungsmechanismus des Arzneimittels.
1.Regel: Je höher die Dosis, desto höher das Risiko teratogener Effekte. Großen
Einfluss hat auch die Art und Häufigkeit der Verabreichung des Medikamentes.
Durch Infusionen werden bei gleicher Dosis höhere Konzentrationsspitzen erreicht
als bei oraler Einnahme.
2. Regel: Embryos sind je nach individuellem Genotyp unterschiedlich empfindlich
gegenüber toxischen Einflüssen. Man diskutiert zum Beispiel eine mögliche
erbliche Empfindlichkeit für das Antiepileptikum Phenytoin aufgrund eines Mangels
des mikrosomalen Enzyms Epoxidhydrolase. Dies würde bei Einnahme in der
Schwangerschaft eine Anhäufung teratogener Metabolite verursachen, die die
Zellfunktionen stören und zur Apoptose führen können.
3. Regel: Besondere Aufmerksamkeit sollte auf das Entwicklungsstadium des
Embryos gelegt werden, da gerade die Zellen, die sich zum gegebenen Zeitpunkt
formieren und differenzieren für schädigende Einflüsse anfälliger sind. Bis zur
Nidation des Embryos gilt ein „Alles oder Nichts-Gesetz“, das besagt, dass sich
die Zellen entweder ganz regenerieren können oder ansonsten der Embryo
21
abgestoßen wird. Während der Organogenese (3.-8. Entwicklungswoche) ist der
Embryo auf toxische Einflüsse besonders sensibel. In der anschließenden
Fetalphase (2. und 3. Trimenon) nimmt die Sensibilität wieder ab. Jedoch können
toxische Stoffe wie Alkohol, Blei, Methylquecksilber und Organochlorverbindungen
zu
Intelligenzdefiziten
und
Verhaltensauffälligkeiten
führen.
Angiotensin-
Converting-Enzym Hemmer können ein Nierenversagen des Fetus auslösen.
4. Regel: Unterschiedliche embryotoxische Einflüsse wirken über spezifische
molekulare Mechanismen auf die morphologische Entwicklung des Embryos.
5. Regel: Trotz schädigender Einflüsse gibt es unterschiedliche Verlaufsformen
der weiteren Schwangerschaft:
 Normale Entwicklung: Die verursachten Schädigungen können repariert
werden;
 Absterben des Embryos: Die Defekte sind zu gravierend und mit dem
Leben nicht vereinbar.
 Fehlbildungen von Organen
 Wachstumshemmung: Intrauterine Wachstumsretardierung
 Gestörte Organfunktion: zum Beispiel des ZNS: Intelligenzminderung
 Tumore:
nur
bei
Behandlung
mit
Diethylstilbestrol
nachgewiesene
Scheidencarcinome
 Keimzellmutationen: Die Eizellen werden bekanntlich bereits intrauterin
gebildet.
Die
Schäden
werden
erst
in
der
nächsten
Generation
ersichtlich.(1)
1.5.1 Kinetik der Arzneimittel in der Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft beeinflusst die Kinetik ungemein. Folgende Faktoren
beeinflussen die Wirkungsweise eines Medikamentes:
 Aufnahme: Die gastrointestinale Absorption ist durch die verlangsamte
Verdauung herabgesetzt, während die Aufnahme über Lunge und Haut
aufgrund der guten Durchblutung verstärkt ist.(1)
 Verteilung: In einer Schwangerschaft wird vermehrt Wasser eingelagert,
was zu einer Konzentrationsabnahme des Medikamentenspiegels führt.
Auch
der
Plasmaanteil
des
Blutes
nimmt
zu,
wohingegen
die
Plasmaproteine abnehmen. Daraus resultiert ein vermindertes Potential zur
Proteinbindung
des
Wirkstoffes.
Bedingt
durch
die
22
Schwangerschaftshormone
legt
eine
schwangere
Frau
vermehrt
Fettreserven an.(1)
 Obwohl die weiblichen Hormone in der mütterlichen Leber Enzyme zum
Abbau von Fremdstoffen aktivieren, ändert sich die Ausscheidung über
Leber, Galle und Darm in der Schwangerschaft kaum. (1)
 Die Niere ist in der Schwangerschaft besonders gut durchblutet, die
Filtrationsrate ist erhöht und eine Dosisanpassung bei renal eliminierten
Medikamenten kann erforderlich sein.(1)
 Die Plazenta als Passage zum Embryo filtert zu große Moleküle (über 600800 Dalton) aus und kann auch Arzneimittel verstoffwechseln. Abhängig
von Plazentaperfusion, pH-Differenz zwischen mütterlichem und fetalem
Blut und den chemischen Eigenschaften des Arzneimittels findet man auf
fetaler Seite eine Konzentration des Medikamentes zwischen 20 und 80 %
der mütterlichen Konzentration. Die meisten klinischen Untersuchungen
finden allerdings sehr spät in der Schwangerschaft statt, weshalb kaum
Ergebnisse für die Frühschwangerschaft vorliegen, obwohl die Verhältnisse
sich zu diesem Zeitpunkt wesentlich unterscheiden. Bezüglich der
Durchlässigkeit gelangen fettlösliche Substanzen eher in den fetalen
Kreislauf als wasserlösliche.(1)
 Die Verteilung, Ausscheidung und der Stoffwechsel des Embryos sowie die
Rückresorption aus dem Fruchtwasser spielen ebenfalls eine Rolle. Bereits
im dritten Schwangerschaftsmonat kann die kindliche Leber Fremdstoffe
aktivieren und inaktivieren. Des Weiteren kann die fetale Leber die
Produktion
toxischer
Stoffe
katalysieren,
die
aufgrund
der
Plazentaschranke sich im Fetus kumulieren und in hoher Konzentration
Schaden anrichten können. Der Blutkreislauf des Fetus mit Umgehung der
Leber über den Ductus venosus und die sich noch im Aufbau befindende
Blut-Hirnschranke begünstigen eine potentielle Hirnschädigung durch
teratogene Substanzen. Die Umgehung der Leber via Ductus venosus ist
der indizierten Lungenreifung mittels Glukokortikoiden vor der 35.
Schwangerschaftswoche von Nutzen. Renal metabolisierte Medikamente
kumulieren im Fruchtwasser und können nur indirekt an die Mutter
abgegeben werden, indem der Fetus das Fruchtwasser schluckt. Dieser
Effekt wird auch therapeutisch genützt, um zum Beispiel einer HIV23
Transmission vorzubeugen. Um ein steady state des Wirkstoffspiegels im
fetalen Kreislauf zu erreichen ist sowohl die mütterliche als auch die fetale
Verteilung im Körper sowie eine Rückverteilung von Fetus zur Mutter zu
beachten. Ein steady state wird erst nach rund 5 Halbwertszeiten
erreicht.(1)
1.6 Alternative Behandlungsmöglichkeiten
1.6.1 Elektrokrampftherapie
Die Elektrokrampftherapie kann bei therapieresistenten Depressionen und
Psychosen auch in der Schwangerschaft und im Wochenbett angewendet werden.
Dabei
wird
mittels
Kurzpulstechnik
in
Kurznarkose
ein
zerebrales
Krampfäquivalent ausgelöst, das die Neurotransmittersysteme positiv beeinflussen
soll. Kontraindikationen sind ein frischer Myokardinfarkt, Aneurysmen, erhöhter
Hirndruck und ein frischer zerebraler Insult. Als Begleitwirkungen können ein
kurzfristiger Gedächtnisverlust, Kopfschmerzen und Reaktionsverlangsamung
auftreten. Die Krampfinduktion wird 2-3mal/ Woche für 6-12 Anwendungen
durchgeführt. Nach der Behandlung muss die pharmakologische Therapie
unbedingt noch für einige Zeit fortgeführt werden, um Rezidiven vorzubeugen. (8)
Anderson und Reti analysierten in ihrem Review 57 Papers und fanden bei 339
Fällen von Krampftherapien in der Schwangerschaft einen einzigen Fall mit
fetalem Absterben, 3 % fetale Komplikationen (meist Bradyarrythmie) und 5%
Schwangerschaftskomplikationen (meist Frühgeburtsbestrebungen)(13)
1.6.2 Lichttherapie
Bei der Lichttherapie wird versucht über eine mindestens 30-minütige Bestrahlung
des Gesichtes mit weißem Licht für mindestens eine Woche Einfluss auf die
Epiphyse und die Melatoninproduktion zu nehmen. Dadurch soll der körpereigene
zirkadiane Rhythmus dem Tag-Nacht-Rhythmus angeglichen werden und so einer
saisonalen Depression, Jetlag oder Durchschlafstörungen sowie Aufwachen in
den frühen Morgenstunden vermieden werden. (8)
24
2 Material und Methoden
Das Thema dieser Diplomarbeit stellen die Risiken und Nebenwirkungen der
Einnahme von Psychopharmaka in der Schwangerschaft, die im allgemeinen Teil
anhand von renommierten Fachbüchern in ihren Substanzklassen erarbeitet
wurden, dar. Für den folgenden Teil wurden Daten über die Teratogenität einer
Einnahme der jeweiligen Substanzgruppen in der Schwangerschaft mittels
Recherche in Pubmed erhoben. Angewendete Suchbegriffe waren zum Beispiel:
„psychopharmacy in pregnancy“; „antidepressants AND pregnancy“; „psychotropic
medication in pregnancy“; „antipsychotics AND pregnancy“. Die gefundenen
Publikationen wurden auf
ihre Relevanz bezüglich des Themas dieser
Diplomarbeit und ihrer Verfügbarkeit geprüft. Ausgewählt wurden Publikationen,
die
Informationen
über
eine
Exposition
an
Psychopharmaka
in
der
Schwangerschaft und dem Outcome auf Geburt und Neugeborenes beinhalteten
und zugänglich waren. Englisch- und deutschsprachige Studien wurden in die
Auswahl miteinbezogen. Danach wurden die Inhalte nach ihrer Aussage
kategorisiert und in der vorliegenden Diplomarbeit thematisiert, analysiert und
verglichen. Zur Veranschaulichung wurden Tabellen erstellt.
25
3 Ergebnisse – Resultate
3.1 Studien zu den Antidepressiva
Nikfar et al. erörterten das Outcome einer Therapie mit SSRI in therapeutischen
Dosen während einer Schwangerschaft. Die Metastudie umfasst 25 Studien von
1990 – 2012. Untersuchte Outcome Kriterien waren Spontanabort, Major
congenital Anomalies (MCA), kardiovaskuläre Malformationen sowie kleinere
Malformationen. Unter MCA wurden alle strukturellen Defekte (allein oder
kombiniert aufgetreten) und Syndrome, die die Lebensfähigkeit einschränken,
gezählt. Strukturelle Defekte, die nicht notwendigerweise behandelt werden
müssen und die keinen Einfluss auf die Lebensfähigkeit haben wurden zu den
Minor congenital Anomalies gerechnet. Die Ergebnisse zeigten ein signifikant
erhöhtes Risiko für Spontanabort (OR 1,87; 95% KI: 1,5-2,33, P<0,0001) und für
MCA (OR 1,272; 95% KI: 1,098-1,474, P= 0,0014), während für kardiovaskuläre
Malformationen (OR 1,192; 95% KI: 0,39-3,644; P= 0,7578) und für Minor
congenital Anomies (OR 1,36; 95% KI: 0,61-3,04, P= 0,4498) kein erhöhtes Risiko
erhoben wurde. Um die Heterogenität der zu vergleichenden Studien festzustellen
wurde der Cochrane Q test for heterogeneity angewandt. (14)
Grigoriadis et al. durchsuchten verschiedene Datenbanken bis zum Juni 2010. In
die Auswahl eingeschlossen wurden 19 Studien, die eine Verwendung von
Antidepressiva betrachteten. Als Outcome wurde das Augenmerk auf kongenitale
Malformationen, schwerwiegende Malformationen, kardiovaskuläre Defekte und
Septumdefekte des Herzens gelegt. Für die statistische Analyse wurde die Odds
Ratio (OR) und das relative Risiko (RR) errechnet. Um die Heterogenität der
Studien zu beurteilen, wurde Cochrane Q und I 2 angewendet. Die Metaanalyse
belegt kein erhöhtes Risiko für kongenitale Malformationen (RR=0,93; 95%KI:
0,85-1,02, P= 0,113) noch für MCA (RR= 1,07; 95% KI:,99-1,17; P=0,95). Jedoch
scheint
die
Verwendung
von
Antidepressiva
ein
erhöhtes
Risiko
für
kardiovaskuläre Malformationen (RR=1,36; 95% KI: 1,08-1,71; P= 0,008) und für
Septumdefekte (RR=1,4; 95%KI: 1,10-1,77; P=0,005) mit sich zu bringen.(15)
Huybrechts et al. beleucheten in ihrer Kohortenstudie von 2000-2007, ob ein
erhöhtes Risiko für kardiale Defekte des Neugeborenen besteht, wenn eine
schwangere Frau im ersten Trimenon (erster Tag der letzten Menstruation bis Tag
26
90) Antidepressiva einnimmt. Die Antidepressiva wurden in folgende Kategorien
eingestuft: SSRI im Allgemeinen, Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin, TCA, SNRI,
Bupropion und andere Antidepressiva. Als Referenzgruppe wurde eine Gruppe
von Frauen ohne Antidepressiva Einnahme im ersten Trimenon herangezogen.
Aus der Studie ausgeschlossen wurden Schwangerschaften, in denen eine
chromosomale Abnormalität festgestellt wurde oder die Mutter mit bekannten
Teratogenen (Lithium, Chemotherapeutika, Retinoide, Thalidomid) im ersten
Trimenon behandelt wurde. Folgende Gruppen an kardialen Defekten wurden
unterschieden: Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes, ventrikulärer
Septumdefekt und andere kardiale Malformationen. Frühgeburtsassoziierte
Anomalien wie persistierender Ductus arteriosus oder Pulmonalklappenstenose
wurden aus der Studie ausgeschlossen. Um das Risiko abzuschätzen, wurde auf
Kovariablen, die auf das Neugeborene ebenfalls Auswirkungen haben können,
geachtet. Als solche wurden Mehrfachschwangerschaften, chronische mütterliche
Erkrankungen (Hypertension, Diabetes, Epilepsie und renale Erkrankungen),
mögliche andere teratogene Medikation, andere psychotrope Medikamente,
Einnahme von Antihypertensiva und Antidiabetika. Die Ergebnisse zeigten ein RR
einen kardialen Defekt durch Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft zu
verursachen von 1,25 (95 % KI: 1,13-1,38) in der nicht zugeordneten Analyse. In
der Analyse, die auf Schwangere mit Depressionen eingeschränkt wurde, ließ sich
ein RR von 1,12 (95 % KI: 1,00-1,26) berechnen und in der vollständig korrigierten
Analyse eingeschränkt auf Schwangere mit Depression, ließ sich ein RR von 1,06
(95% KI: 0,93-1,22) erheben. Es zeigte sich somit kein signifikant erhöhtes Risiko
für kardiale Malformationen, die mit Antidepressivaeinnahme im ersten Trimenon
in Verbindung stehen. Die in anderen Studien erhobenen Assoziationen zwischen
Paroxetin und Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes und Sertralin
und ventrikulärem Septumdefekt konnten durch kein signifikantes Ergebnis
bestätigt werden.(16)
Louik et al. werteten die Daten der Birth Defects Study in USA aus den 5
Studienzentren Boston, Philadelphia, Toronto, San Diego, New York State
bezüglich dem Risiko für konnatale Malformationen bei SSRI Einnahme in der
Schwangerschaft aus. Eingeschlossen wurden Frauen von 1993-2004, die im
ersten Trimenon SSRI eingenommen hatten. Die Frauen wurden bis 6 Monate
nach der Geburt zu einem Interview oder Telefongespräch gebeten. Dabei wurden
27
folgende Daten erfragt: Jahr der letzten Menstruation und der Geburt, Alter der
Mutter, ethische Zugehörigkeit, mütterliche Bildung, Rauchstatus im ersten
Trimenon, Alkoholkonsum im ersten Trimenon, Geburtsdefekte oder kardiale
Malformationen in der Familie, Body mass index vor der Schwangerschaft, Größe,
Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Unfruchtbarkeit, Verwendung
von Folsäure im ersten Trimenon und in der Schwangerschaft. Es wurden 9848
Kinder mit Malformationen und 5860 Kinder in der Kontrollgruppe in die Studie
miteinbezogen.
Als
Outcome
wurden
folgende
Gruppen
definiert:
Kraniosynostose, Omphalozele, kardiale Defekte (Truncusdefekt, Obstruktion des
rechtsventrikulären
Ausflusstraktes,
Obstruktion
des
linksventrikulären
Ausflusstraktes, Septumdefekte), Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalte, Pylorusstenose,
Nierendefekte, Hypospadie, Klumpfuß, Gaumenspalte alleine, Hodenhochstand,
Neuralrohrdefekte,
Analatresie,
Diaphragmahernie,
Dys-/Amelie,
keine
Malformationen. Für die jeweiligen Gruppen wurden OR und 95% KI sowohl für
SSRI Einnahme im Generellen als auch für spezifische Antidepressiva (Fluoxetin,
Sertralin, Paroxetin, Citalopram) und für nicht SSRI-Antidepressiva berechnet. In
den Resultaten zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen SSRI im
Allgemeinen und Kraniosynostose (OR:0,8; 95% KI: 0,2-3,5), Omphalozele
(OR:1,4; 95% KI: 0,4-4,5), Herzdefekte generell (OR: 1,2; 95% KI: 0,9-1,6).
Signifikante Ergebnisse wurden für Omphalozele bei Sertralineinnahme (OR: 5,7;
95% KI: 1,6-20,7) und für Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes und
Therapie mit Paroxetin (OR: 3,3; 95% KI: 1,3-8,8) berechnet.(17)
In der Studie von Alwan et al. wurden die Daten von 9622 Kindern mit schweren
konnatalen Defekten und 4092 Kindern ohne Defekte in der Kontrollgruppe
analysiert. Die Daten stammen von der National Birth Defects Prevention Study in
acht US-Staaten. Als SSRI Exposition wurde eine SSRI Einnahme einen Monat
vor bis 3 Monate nach Konzeption definiert. In den Analysen stellte sich kein
signifikanter
Zusammenhang
zwischen
SSRI-Exposition
in
der
frühen
Schwangerschaft und kongenitalen Herzdefekten dar. Assoziationen konnten
gefunden werden zwischen mütterlicher SSRI-Einnahme und Anencephalie (OR:
2,4; 95% KI: 1,1-5,1), Kraniosynostose (OR: 2,5; 95% KI: 1,5-4,0) und
Omphalozele (OR:2,8; 95% KI: 1,3-5,7).(18)
28
Hviid et al. verlinkten Daten aus einer Kohortenstudie in Dänemark in den Jahren
1996-2005 mit einem Follow-up im Jahr 2009 bezüglich dem Risiko für Autismus
bei SSRI-Einnahme vor und während der Schwangerschaft. Von 626875 Geburten
wurden 3892 als Autismus-Fälle identifiziert. Die Analyse ergab kein signifikantes
Ergebnis für ein erhöhtes Autismusrisiko bei SSRI-Einnahme vor (OR: 1,46; 95%
KI: 1,17-1,81) noch während der Schwangerschaft (OR: 1,2; 95% KI: 0,91,61).(19)
Publikation
Autor(en)
Studienart
Publikationsjahr
Anzahl der Studien
Untersuchte
Substanzen
Outcome
Increasing the risk of
Antidepressant exposure
spontaneous abortion and
during pregnancy and
major malformations in
congenital malformations: Is
newborns following use of
there an association? A
serotonin reuptake inhibitors
systematic review and meta-
during pregnancy:
analysis of the best evidence
Nikfar et al.
Grigoriadis et al.
Metastudie
Metastudie
2012
2013
25
19
SSRI
Antidepressiva
Spontanabort, MCA,
MCA, kongenitale Anomalien,
kardiovaskuläre Defekte, Minor
kardiovaskuläre
congenital Anomalies
Malformationen, Septumdefekte
Fazit
Mögliches Risiko für
Signifikant erhöhtes Risiko für
kardiovaskuläre und septale
Spontanabort und MCA, nicht
Defekte bei Antidepressiva
für die anderen Outcome
Verwendung, kein signifikantes
Kriterien
Risiko für kongenitale
Malformationen oder MCA
Tabelle 9: Übersicht Metastudien Antidepressiva
29
Antidepressant use in
Publikation
pregnancy and the risk of
cardiac defects
Autor(en)
Studienart
Publikationsjahr
Anzahl der
Schwangeren
Untersuchte
Substanzen
First trimester use of
selective serotoninreuptake inhibitors and the
risk of birth defects
Use of selective SerotoninReuptake-inhibitors and the
risk of birth defects
Use of selective serotoninreuptake inhibitors during
pregnancy and risk of
autism
Huybrechts et al.
Louik et al.
Alwan et al.
Hviid et al.
Retrospektive Studie
Retrospektive Studie
Retrospektive Studie
Retrospektive Studie
2016
2016
2016
2016
949504
15708
13714
626875
SSRI, TCA, SNRI, Bupropion
SSRI
SSRI
SSRI
Outcome
Kraniosynostose,
Kardiale Defekte
Omphalozele, kardiale
Defekte
Fazit
Herzdefekte, Anenzephalie,
Kraniosynostose, Omphlozele
Kein signifikanter
Kein signifikantes Risiko für
Kein signifikant erhöhtes
Zusammenhang außer für
kardiale Defekte; Assoziation
Risiko für kardiale Defekte bei
Sertralin und Omphalozele
zwischen SSRI und
Antidepressiva Einnahme im
und Paroxetin und
Anenzephalie,
ersten Trimenon
Obstruktion des rechts-
Kraniosynostose,
ventrikulären Ausflusstraktes.
Omphalozele
Autismus
Kein signifikantes Risiko für
Autismus bei SSRI Einnahme
in der Schwangerschaft
Tabelle 10: Übersicht: Studien Antidepressiva
30
3.2 Studien zu den Neuroleptika
Das Review von Ennis und Damkier aus dem Jahr 2014 fasst den
Forschungsstand bis Mai 2014 zusammen. Aus den gefundenen Studien wurden
25 Fallberichte, 12 Kohorten- und fallkontrollierte Studien ausgewählt, die die
Exposition im ersten Trimester behandeln und Informationen zu kongenitalen
Malformationen als Outcome enthalten. Dabei wurden aus allen Studien folgende
Daten erhoben:
Olanzapin
Quetiapin
Risperidon
Aripiprazol
1090
443
432
100
Malformationen
38
16
22
5
Prozent
3,5%
3,6%
5,1%
5,0%
RR (95%KI)
1,0 (0,7-1,4)
1,0 (0,6-1,7)
1,5 (0,9-2,2)
1,4 (0,5-3,1)
Exponierte
Schwangerschaften
Tabelle 11: Daten aus dem Review von Ennis und Damkier (2014)
Für Olanzapin kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erhöhtes Risiko für
kongenitale Malformationen ausgeschlossen werden. Aufgrund der Datenlage
lässt sich auch für Quetiapin und Risperidon kein Zusammenhang vermuten. Für
Aripiprazol ist die Datenlage zu gering, um eine qualifizierte Aussage treffen zu
können.(20)
Die Studie von Lacroix et al. beleuchtet die psychomotorische Entwicklung des
Neugeborenen bei pränataler psychotroper Behandlung der Mutter. 493 Kinder,
die psychotropen Substanzen im Mutterleib ausgesetzt gewesen waren, wurden
mit 32303 Kindern verglichen, die keinen Kontakt zu psychotropen Medikamenten
gehabt hatten. Als Exposition wurde bereits die einmalige Verordnung von
Antipsychotika, Anxiolytika, Antidepressiva oder Antiepileptika während der
Schwangerschaft definiert. Die psychomotorische Entwicklung der Kinder wurde
nach dem 9.Monat und nach 24 Monaten vom Hausarzt oder einem Kinderarzt
mittels speziell angefertigter Testbögen beurteilt. Sowohl nach 9 Monaten (OR 1,6
95% KI: 1,1-2,2) als auch nach 24 Monaten (OR 2,7; 95% KI: 1,5-4,8) zeigte sich
in
der
exponierten
Gruppe
ein
psychomotorisches
Defizit.
In
der
31
klassenspezifischen
Analyse
ließen
sich
signifikante
Ergebnisse
für
psychomotorische Entwicklungsdefizite bei pränataler Exposition an Antiepileptika
(15,5% vs. 6,1%; p= 0,004), Neuroleptika (13,9 % vs. 6,1 %; p=0,02) und
Antidepressiva nach 2 Monaten (5,9% vs. 1,5%; p=0,002) darstellen. Für die
anderen Medikamentengruppen konnten keine signifikanten Unterschiede zur
Vergleichsgruppe errechnet werden.(21)
Die Kohortenstudie von Vigod et al. verwendet Daten aus variablen Datenbanken
der
Provinz
Ontario
in
Kanada,
um
Assoziationen
zwischen
Antipsychotikaverwendung in der Schwangerschaft und perinatalem Outcome zu
evaluieren. Alle Frauen, die während der Studiendauer (1.April 2003 und
31.Dezember 2012) ein Kind (Lebend- oder Totgeburt) zur Welt gebracht hatten,
wurden in die Studie miteinbezogen. Als Definition der Exposition galt die
zumindest zweimalige Verschreibung eines Antipsychotikums während der
Schwangerschaft (Konzeption bis Geburt). Die erste Verordnung musste zudem
im ersten oder zweiten Trimenon erfolgen. Um den Daten eine Vergleichbarkeit zu
verleihen, wurde für jede Patientin mittels high dimension propensity score
Algorithmus ein Propensitätsscore errechnet. So konnte jede Patientin, die
während der Schwangerschaft Antipsychotika exponiert war, mit einer Patientin
aus der Kontrollgruppe verglichen werden. Die Kategorien für das medizinische
Outcome mütterlicherseits waren: Schwangerschaftsdiabetes, Hypertonie (mit
oder
ohne
Präeklampsie),
venöse
Thrombosen,
die
während
der
Schwangerschaft, während des Krankenhausaufenthaltes im Rahmen der Geburt
und in der Nachgeburtsperiode (bis 42 Tage nach der Geburt) aufgetreten sind.
Perinatale Outcome-Kategorien sind in dieser Studie: Frühgeburt (<37 SSW)
extremes Geburtsgewicht (kleiner als die dritte Perzentile oder größer als die 97
Perzentile). Die Ergebnisse zeigten kein erhöhtes Risiko für Schwangere, die die
oben genannten Antipsychotika einnahmen, im Vergleich zur Kontrollgruppe einen
Schwangerschaftsdiabetes
Hypertensive
Probleme
(Rate
(RR:
Ratio
1,12;
(RR):
95%
1,10;
KI:
95%
0,7-1,78)
KI:
0,77-1,57),
oder
venöse
Thromboembolien (RR: 0,95; 95% KI: 0,40-2,27) zu erleiden. Auch für Frühgeburt
(RR: 0,99; 95% KI: 0,78-1,26) noch für extremes Geburtsgewicht (RR 1,21; 95%
KI: 0,81-0,82 für ein Gewicht unter der 3. Perzentile und RR:1,26; 95% KI: 0,692,29 für ein Gewicht über der 97.Perzentile) konnte kein signifikant erhöhtes
Risiko berechnet werden. (22)
32
Die Studie von Bellet et al. hat sich zum Ziel gesetzt etwaige Risiken für MCA
ausgelöst
durch
Exposition
an
Aripiprazol
während
der
Embryogenese
nachzuweisen. In weiterer Folge wurden auch Komplikationen im Verlauf der
Schwangerschaft und Geburt auf mütterlicher Seite beobachtet. Dazu wurden 86
exponierte und 172 nicht-exponierte Schwangere Frauen aus Frankreich in den
Jahren 2004-2011 in die Studie miteingeschlossen. Als exponiert galten Frauen,
die
mindestens
28
Tage
während
der
Embryogenese
(4.-8.
Schwangerschaftswoche) Aripiprazol zu sich genommen hatten. Die Forscher
fanden keinen signifikanten Zusammenhang zu MCA (OR 2.30, 95%KI 0.32–
16.7),
noch
für
Fehlgeburten(OR:1.66,
95%
KI
0.63–4.38)
oder
Gestationsdiabetes (OR:1.15, 95% KI 0.33–4.04). Signifikante Ergebnisse wurden
für eine erhöhte Rate an Frühgeburten(OR 2.57, 95%KI 1.06–6.27) und niedrigem
Geburtsgewicht (OR 2.97, 95%KI 1.23–7.16) errechnet. (23)
33
Publikation
Pregnancy exposure to
Psychomotor
Olanzapine, Quetiapine,
developmental effect of
Risperidone, Aripiprazole
and risk of congenital
Malformations. A
systematic review
prenatal exposure to
psychotropic drugs: a
study in EFERMIS
Antipsychotic drug use in
pregnancy: high
dimensional, propensity
matched, population
based cohort study
database
Exposure to aripiprazole
during embryogenesis: a
prospective multicenter
cohort study
Autor(en)
Ennis und Damkier
Lacroix et al.
Vigod et al.
Bellet et al.
Studienart
Review
Retrospektive Studie
Kohortenstudie
Retrospektive Studie
2014
2016
2015
2015
2065
45707
52615
86
Untersuchte
Olanzapin, Quetiapin,
Neuroleptika, Anxiolytika,
Substanzen
Risperidon, Aripiprazol
Antidepressiva
Antipsychotika
Aripiprazol
Psychomotorische
Frühgeburt (<37 SSW);
MCA
Entwicklung nach 9 und 24
extremes Geburtsgewicht
Frühgeburt, mütterliche
Monaten
mütterliche Erkrankungen
Komplikationen
Kein erhöhtes Risiko für
Signifikante
Kein signifikantes Risiko für
Kein signifikant erhöhtes
Olanzapin, kein erhöhtes
psychomotorische Defizite
mütterliche oder kindliche
Risiko MCA;
Risiko für Quetiapin und
zeigten sich bei
Beeinträchtigung durch
Signifikante Ergebnisse für
Risperidon, geringe
Neuroleptika, Antiepileptika
Antipsychotika in der
Frühgeburt und niedriges
Datenlage für Aripiprazol
sowie bei Antidepressiva.
Schwangerschaft
Geburtsgewicht
Publikationsjahr
Anzahl der
Schwangerschaften
Outcome
Kongenitale Malformationen
Fazit
Tabelle 12: Übersicht: Studien zu Neuroleptika
34
3.3 Studien zu den Anxiolytika und Hypnotika
Ein Review von Bellantuono fasst das Risiko für MCA bei Benzodiazepineinnahme
während der Schwangerschaft aus den in Pubmed gefundenen Studien von 20012011 zusammen. 12 Studien wurden in das Review miteinbezogen. Dabei zeigt
sich kein Zusammenhang. Trotzdem stellen sich Chlordiazepoxid und Diazepam
als die sichersten Benzodiazepine in der Schwangerschaft dar.(24)
Die Studie von Ban et al. erarbeitete anhand der Daten einer großen Datenbank
des United Kingdoms das absolute Risiko eine MCA nach Exposition der
Schwangeren an Anxiolytika und Hypnotika im ersten Trimester. Analysiert wurde
die OR für das Risiko bei Einnahme folgender Medikamente im ersten Trimester:
Diazepam (OR: 1,02; 99% KI: 0,63-1,64), Temazepam (OR: 1,07; 99% KI: 0,492,37), Zopiclon (OR: 0,96; 99% KI: 0,42-2,20), andere Anxiolytika/Hypnotika (OR:
1,27; 99% KI: 0,43-3,75) und unbehandelte Depression/Angststörung (OR:1,01;
99% KI: 0,90-1,14).(25)
Die prospektive norwegische Kohortenstudie befasst sich mit der Frage, ob die
Verwendung von Anxiolytika oder Hypnotika während der Schwangerschaft sich
auf den späteren Spracherwerb auswirkt. Untersucht wurden dabei die Gruppen
Benzodiazepin-Anxiolytika (Diazepam, Oxazepam, Alprazolam); Benzodiazepin
Hypnotika (Nitrazepam, Midazolam), Benzodiazepin-Antiepileptika(Clonazepam)
und zentrale Hypnotika (Zopiclon, Zolpidem). Als Outcome wurde für diese
Publikation die Sprachkompetenz im Alter von 3 Jahren, die mit einem
Fragebogen erhoben wurde, definiert. Für die Studie selbst werden die Mütter
gebeten drei Fragebögen während der Schwangerschaft und jeweils einen im
Alter von 6 Monaten, 11/2 , 3, 5, 7 und 8 Jahren des Kindes auszufüllen. Die Studie
ist derzeit noch am Laufen. Die Verwendung dieser Medikamentengruppe wurde
eingeteilt in nie verwendet, nur vor der Schwangerschaft angewandt und während
der Schwangerschaft eingenommen (mindestens einmal). Die errechnete OR für
kurzzeitige und langfristige Anwendung betragen: (OR: 1,2; 95% KI: 0,9-1,5) und
(OR: 1,7; 95% KI: 1,0-2,8). Die Studie stellte kein signifikantes Risiko für einen
verspäteten oder verminderten Spracherwerb mit 3 Jahren nach pränataler
Exposition an Anxiolytika oder Hypnotika fest.(26)
35
First trimester exposure to anxiolytic and
Publikation
hypnotic drugs and the risks of major congenital
Prenatal exposure to anxiolytics and hypnotics
anomalies: A united kingdom population-based
and language competence at 3 years of age
cohort study
Autor(en)
Ban et al.
Odsbu et al.
Studienart
Kohortenstudie
Prospektive Kohortenstudie
2014
2015
Anzahl der Schwangeren
372922
51748
Untersuchte Substanzen
Diazepam, Tremazepam, Zopiclon,
Benzodiazepine, Benzodiazepin-verwandte
Depression/Angststörung unbehandelt
Hypnotika
MCA
Sprachkompetenz mit 3 Jahren
Publikationsjahr
Outcome
Fazit
Es zeigt sich kein erhöhtes Risiko für MCA bei
Verwendung von Benzodiazepinen und anderen
Hypnotika im ersten Trimester.
Kommentar
Kein signifikantes Ergebnis, dass sich der Gebrauch
von Anxiolytika und Hypnotika in der
Schwangerschaft auf die Sprachbeherrschung
auswirkt.
Weitere Studien sind notwendig, um die Sicherheit zu
Studie geht weiter (Sprachbeherrschung im Alter von
gewährleisten.
5, 7 und 8 Jahren
Tabelle 13: Übersicht: Studien zu Anxiolytika und Hypnotika
36
3.4 Studien zu Phasenprophylaktika und Antimanika
Da viele Frauen ihre Therapie mit Phasenprophylaktika aus Angst um das
ungeborene Leben pausieren, beleuchtet Viguera et al. die Rückfallrate von 89
Frauen mit der Diagnose einer bipolaren Erkrankung in einer prospektiven Studie
von 1999 bis 2004. In die Studie eingeschlossen wurden schwangere Frauen, die
bereits vor der letzten Menstruation die Diagnose Bipolare Störung erhalten und in
den letzten 4 Wochen vor der letzten Menstruation euthym gewesen sind. Eine
Gruppe (N=27) setzte die Therapie mittels Lithium (55 von 89), Antikonvulsiva (32
von 89: Valproinsäure N= 15, Lamotrigin N= 8, Carbamazepin N=6, Gabapentin
N= 3) und atypischen Antipsychotika (2 von 89) fort. Die andere Gruppe (N= 62)
unterbrach ihre Therapie innerhalb von 6 Wochen vor bis 12 Wochen nach der
Befruchtung. Während der Schwangerschaft durchlebten 70,8% mindestens eine
Episode ihrer Erkrankung. Es errechnete sich ein Risiko für Frauen, die ihre
Therapie abrupt absetzten, von 50% innerhalb der ersten 2 Wochen einen
Rückfall zu erleiden. Frauen, die ihre Therapie absetzten, befanden sich bis zu
40% ihrer Schwangerschaft in einer manischen oder depressiven Phase, während
sich der Prozentsatz bei Frauen mit Therapie bei 8,8 % hält. Laut dieser Studie ist
die Wahrscheinlichkeit für die Gruppe, die ihre Therapie unterbricht, einen Rückfall
zu erleiden doppelt so hoch und die mittlere Zeit bis zum ersten Rückfall viermal
so kurz. Besonders abruptes Absetzen der Therapie wirkte sich gravierend
aus.(27)
Eine populationsbasierende Kohortenstudie in Schweden von Bodén et al.
analysierten
Geburtsgewicht,
das
Outcome
Einleitung,
(Frühgeburt,
Spontangeburt
oder
Schwangerschaftsdiabetes,
Kaiserschnitt,
Neonatale
Anpassung, Kongenitale Malformationen) bei 332137 Frauen in den Jahren 20052009. Die Studie beleuchtet, ob es einen Zusammenhang zwischen Outcome und
Behandlung einer Bipolaren Störung gibt. Eine Gruppe (N=320), die mit
Phasenprophylaktika (Lithium, Antipsychotika, Antikonvulsiva) behandelt wurden,
wurde einer Gruppe (N=554) mit unbehandelter bipolarer Störung und einer
Kontrollgruppe
(N=331263)
ohne
Diagnose
einer
bipolaren
Störung
gegenübergestellt. Es wurde für jedes Outcome und jede Gruppe die OR in Bezug
zur Kontrollgruppe errechnet:
37
Behandelte
Störung
Kaiserschnitt
Bipolare Unbehandelte Bipolare
Störung
OR:2,12
OR: 1,57
95% KI: 1,68-2,67
95% KI: 1,3-1,9
Frühgeburt
50%
50%
Mikrozephalie
OR: 1,26
OR: 1,68
95% KI: 0,67-2,37
95% KI: 1,07-2,62
OR: 1,18
OR:1,51
95% KI: 0,64-2,16
95% KI: 1,04-2,43
Neonatale
Hypoglykämie
Tabelle 14: Daten aus der Kohortenstudie von Bodén et al. (2012)
Es zeigte sich somit kein signifikanter Unterschied zwischen behandelter und
unbehandelter Bipolarer Störung. Jedoch für beide Gruppen ein erhöhtes Risiko in
Bezug auf die betrachteten Outcome-Kriterien.(28)
Ban et al. stellten sich in der Kohortenstudie in der UK die Frage, ob
perikonzeptionelle Einnahme von Folsäure (ein Monat vor bis zwei Monate nach
Konzeption) das Risiko für kongenitale Anomalien minimiert. Dabei fanden sie ein
zweifach erhöhtes Risiko für MCA beim Neugeborenen für Schwangere, die im
ersten Trimester Antiepileptika einnahmen, jedoch keine Reduzierung des Risikos
für
kongenitale
Anomalien
bei
hochdosierter
perikonzeptioneller
Folsäureeinnahme. (29)
Es gibt Hinweise, dass perinatale Antiepileptika-Exposition sich auf Intelligenz,
Aufmerksamkeit und Gedächtnis negativ auswirkt. Mit dieser Frage beschäftigt
sich die prospektive Fallkontrollierte Kohortenstudie von Gopinath et al. aus
Indien. Dabei wurden 190 Kinder im Alter von 10-12 Jahren, deren Mütter
während
ihrer
Schwangerschaft
Antiepileptika
eingenommen
hatten,
verschiedenen Intelligenztests unterzogen und mit einer Kontrollgruppe gleichen
Alters verglichen. Die exponierten Kinder schlossen signifikant schlechter
(p=0,001) als ihre Kontrollgruppe ab. Die Ergebnisse stehen in direktem Verhältnis
zu Medikamentendosis sowie der elterlichen Bildung und IQ.(30)
Die Studie von Dolk et al. beleuchtet ganz spezifisch Lamotrigin und untersucht
anhand einer Populations-basierenden Studie, ob Lamotrigin mit Mund-, Kiefer-,
Gaumenspalte oder Klumpfuß oder anderen kongenitalen Anomalien assoziiert ist.
38
147 Fälle mit monochromosomalen kongenitalen Anomalien unter Lamotrigin
Monotherapie wurden identifiziert. Die OR für Mund-Kiefer-Gaumenspalte ergab
1,31 (95% KI: 0,73-2,33) und für Klumpfuß 1,83 (95% KI: 1,01-3,31). Das Risiko
sowohl für eine Mund-, Kiefer-, Gaumenspalte als auch für Klumpfuß konnte nicht
als signifikant erhöht nachgewiesen werden. Es wurden keine weiteren
kongenitalen Anomalien als signifikant assoziiert nachgewiesen.(31)
Lithium wird häufig als Stimmungsstabilisierer eingesetzt. Die prospektive Studie
von Diav-Citrin et al. analysiert das Outcome nach pränataler Lithium-Exposition
nach folgenden Kriterien: Anzahl an Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbrüchen,
MCA, kardiovaskulären Malformationen, nicht-kardiovaskulären Anomalien und
Frühgeburten. Dabei ergaben die Ergebnisse ein signifikant erhöhtes Risiko für
kardiovaskuläre Malformationen bei Lithium-Behandlung (p=0,005) während der
Schwangerschaft besonders im ersten Trimenon. Auch zeigte sich eine erhöhte
Anzahl an Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüchen in der Lithiumexponierten Gruppe.(32)
39
Risk of recurrence in women with
Publikation
bipolar disorder during pregnancy:
prospective study of mood
stabilizer discontinuation
Autor(en)
Studienart
Viguera et al.
Prospektive Kohortenstudie
Publikationsjahr
Risk of adverse pregnancy and
Congenital anomalies in children of
birth outcomes in women treated or
mothers taking antiepileptic drugs
not treated with mood stabilisers
with and without periconceptional
for bipolar disorder: population
high dose folic acid use: a
based cohort study
population-based cohort study
Bodén et al.
Populationsbasierende
Kohortenstudie
Ban et al.
Kohortenstudie
2007
2012
2015
89
320 (behandelt); 554 (unbehandelt)
476
Untersuchte
Antidepressiva, Antikonvulsiva,
Antipsychotika, Antikonvulsiva,
Substanzen
Lithium
Lithium
Anzahl der
Schwangeren
Outcome
Antikonvulsiva +/- Folsäure
Frühgeburt, Geburtsmodus,
Rückfälle und Erkrankungsdauer in
Gestationsdiabetes, Geburtsgewicht,
der Schwangerschaft
neonatale Morbidität, kongenitale
MCA
Anomalien
Fazit
Doppelt so hohes Risiko für einen
Rückfall bei Unterbrechung der
Therapie (besonders bei abruptem
Absetzen)
Kein signifikanter Unterschied
zwischen un- oder behandelter
bipolarer Erkrankung, jedoch für beide
Gruppen ein erhöhtes Risiko für die
Outcome-Kriterien
zweifaches Risiko für MCA (1.
Trimenon), keine
Risikoreduzierung durch
Folsäureeinnahme
Tabelle 15: Übersicht: Studien zu Neuroleptika 1
40
Children (10-12 years age) of
Publikation
Pregnancy outcome following in
women with epilepsy have lower
Lamotrigine use in pregnancy and
utero exposure to Lithium: a
intelligence, attention and memory:
risk of orofacial cleft and other
prospective, comparative,
Observational from a prospective
congenital anomalies
observational study
cohort case control study
Autor(en)
Gopinath et al.
Dolk et al.
Diav-Citrin et al.
Studienart
Kohortenstudie
Kohortenstudie
Prospektive Studie
2015
2016
2014
190
147
183
Antiepileptika
Lamotrigin
Lithium
IQ anhand verschiedener Tests im
Alter von 10-12 Jahren
Mund-Kiefer-Gaumen-Spalte,
Klumpfuß, andere kongenitale
Malformationen
Signifikant niedrigerer IQ bei
pränatal exponierten Kindern;
direkter Zusammenhang zu
Dosierung, elterliche Bildung und
IQ
Kein signifikant erhöhtes Risiko
Publikationsjahr
Anzahl der
Schwangeren
Untersuchte
Substanzen
Outcome
Fazit
Fehlgeburten, Interruptio, MCA,
kardiovaskuläre Malformationen,
Anomalien, Frühgeburten
signifikant erhöhtes Risiko für
kardiovaskuläre Malformationen
(besonders im 1.Trimenon)
gehäufte Fehlgeburten und
Interruptio
Tabelle 16: Übersicht: Studien zu Neuroleptika 2
41
4 Diskussion
Der folgende Teil dient dem Vergleichen und Analysieren der unter Ergebnisse
dargestellten und näher beleuchteten Studien. Es sei schon zu Beginn darauf
hingewiesen, dass die Aussagekraft dieser Diplomarbeit aufgrund der niedrigen
Anzahl an Studien zu den jeweiligen Einzelthemen begrenzt ist. Im Rahmen dieser
Arbeit wurde versucht den aktuellen Forschungsstand wiederzugeben. Da die
Auswahl an Studien limitiert ist, müssen in diesem Abschnitt teilweise Studien
unterschiedlichen Studiendesigns und unterschiedlicher Anzahl an Probanden
gegenübergestellt werden.
Die Metastudien aus den Jahren 2012 und 2013 fassen den Wissenschaftsstand
bis zu dem jeweiligen Datum zusammen. Die Studie von Nikfar et al. beschäftigt
sich ausschließlich mit der Gruppe der SSRI während die Metastudie von
Grigoriadis et al. Antidepressiva im Allgemeinen analysiert. Mit 25 (Nikfar et al.;
1990-2012) und 19 (Grigoriadis et al.; Beginn der Datenbanken bis 2010)
inkludierten Studien haben beide Metaanalysen ungefähr dieselbe Anzahl an
Studien. Dabei ist der Umstand zu betonen, dass sich einige der analysierten
Studien überschneiden. Grigoriadis et al. fassen die Ergebnisse ihrer Studie damit
zusammen,
dass
Antidepressiva
kein
erhöhtes
Risiko
für
kongenitale
Malformationen aufzuweisen scheinen. Ein statistisch signifikantes Risiko für
kardiovaskuläre Malformationen wurde gefunden, das jedoch kein klinisches,
relevantes Level erreicht. Nikfar et al. finden für SSRI ein signifikant erhöhtes
Risiko für Spontanabort und MCA, jedoch keine anderen Risiken. Ein Mangel
beider Metaanalysen ist, dass nicht zwischen den einzelnen Substanzen
differenziert und keine substanzspezifische Analyse durchgeführt wurde. (14,15)
Die aktuelle Forschung im Rahmen der Antidepressiva beschäftigt sich
hauptsächlich mit der Gruppe der SSRIs, da diese heutzutage vorrangig verordnet
werden. Die vier in dieser Diplomarbeit beleuchteten Studien wurden alle im Jahr
2016 publiziert. Alle vier sind retrospektive Studien und beschäftigen sich mit der
Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft. Nur die Studie von Huybrechts et al.
schließt auch TCA, SNRI und Bupropion in ihre Analyse mit ein. Bei der Anzahl an
untersuchten Schwangerschaften hebt sich die Studie von Huybrechts et al. mit
fast einer Million deutlich von den anderen ab. Hviid et al. analysierten rund 60000
während die beiden anderen Studien nur rund 15000 Schwangerschaften
42
beobachteten.
Huybrechts
et
al.
screente
die
Schwangerschaften
auf
kardiovaskuläre Malformationen und konnte keinen Zusammenhang zu einer
Einnahme im ersten Trimenon finden. Die Studie könnte eine Antwort auf das
Ergebnis der Metastudie von Grigoriadis et al. sein, die auf ein fragliches Risiko für
kardiovaskuläre Defekte bei Antidepressiva-Einnahme in der Schwangerschaft
hinwies. Die Studie von Louik et al. findet einen Zusammenhang zwischen
Sertralin und Omphalozele sowie von Paroxetin und einer Obstruktion des
rechtsventrikulären Ausflusstraktes, wohingegen die Studie von Huybrechts et al.
einen Zusammenhang zwischen kardialen Defekten und Paroxetin nicht
nachweisen konnte. Die Studie von Alwan et al. konnte auch kein signifikant
erhöhtes Risiko für Omphalozele bei pränataler SSRI Exposition feststellen. Diese
Studie differenziert jedoch die einzelnen Substanzen aus der Klasse der SSRIs
nicht. (16-19)
Bis Mai 2014 wurden die Daten zu Publikationen bezüglich Neuroleptika in dem
Review von Ennis und Damkier aufgearbeitet. Die bis dato publizierten Studien
lieferten keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Olanzapin, Quetiapin
und Risperidon und kongenitalen Malformationen. Für Aripiprazol war die
Datenlage zu gering, um eine qualifizierte Aussage treffen zu können. Meine
Suche in PubMed ergab nur eine weitere Publikation aus dem Jahr 2015. Auch die
Studie von Bellet et al. konnte keinen Zusammenhang mit kongenitalen
Malformationen
nachweisen.
Jedoch
ist
die
Anzahl
der
analysierten
Schwangerschaften, die Aripiprazol ausgesetzt waren immer noch zu gering.
Weitere Studien auf diesem Gebiet sind notwendig. (20,23)
Bellet et al. errechneten ein signifikant erhöhtes Risiko für ein zu geringes
Geburtsgewicht und eine erhöhte Rate an Frühgeburten bei Exposition von
Aripiprazol während der Embryogenese. Die Kohortenstudie von Vigod et al.
schließt einen solchen Zusammenhang aus. Aufgrund der hohen Anzahl an
untersuchten Schwangerschaften und dem marginal erhöhten Risiko in der erst
genannten Studie ist ein definitiver Zusammenhang eher auszuschließen. (22,23)
Die Suche zu Neuroleptika ergab auch eine Studie zur psychomotorischen
Entwicklung pränatal exponierter Babys. Die durch diese Studie festgestellten
Defizite sind mit kritischem Auge zu betrachten, da Ko-Faktoren während der
Schwangerschaft wie Rauchstatus, Alkoholkonsum und andere nicht in die
43
Analyse miteinbezogen wurden. Außerdem lässt sich in der Studie keine
Differenzierung in die unterschiedlichen Substanzen finden. Weitere Studien zur
psychomotorischen Entwicklung pränatal exponierter Kinder sind notwendig, um
auf diesem Gebiet eine sichere Aussage treffen zu können.(21)
Die Datenlage zu Anxiolytika und Hypnotika Exposition in der Schwangerschaft ist
gering. Das Review von Bellantuono (2011) hebt Diazepam und Chlordiazepoxid
als die sichersten Benzodiazepine hervor, kann aber auch für die anderen
Benzodiazepine keinen Hinweis auf ein negatives Outcome in den bis dato
publizierten Studien finden. Auch die Kohortenstudie von Ban et al. kann keinen
Hinweis auf kongenitale Malformationen bei Benzodiazepinanwendung im ersten
Trimenon finden. Die prospektive Kohortenstudie mit einem noch laufenden
Follow-up, konnte kein erhöhtes Risiko für einen verminderten oder verlangsamten
Sprachenerwerb bis 3 Jahren nach pränataler Exposition an Anxiolytika oder
Hypnotika nachweisen.(24-26)
Besonders bei Erkrankungen wie Bipolarer Störung ist es wichtig neuerliche
Krankheitsepisoden zu verhindern, um das Risiko durch die Krankheitsepisoden
zu vermeiden. Viguera et al. errechneten aus den Daten der prospektiven
Kohortenstudie ein doppeltes Risiko für einen Rückfall bei Absetzen der Therapie
in der Schwangerschaft und einen 4fach kürzeren Zeitraum bis zur nächsten
Krankheitsepisode als bei kontinuierlicher Therapie. Die Studie mit rund 170
Teilnehmern gibt einen Einblick in die Sachverhalte bei (abruptem) Absetzen einer
phasenprophylaktischen Therapie, jedoch wurde in der Recherche keine
vergleichbare Studie gefunden, die sich mit der Rückfallquote und Episodendauer
bipolarer Störung in der Schwangerschaft beschäftigt. Weitere Studien sind zur
Verifizierung der Datenlage notwendig. Auf jeden Fall stellt die Studie aber klar,
dass Schwangerschaft an sich keine Protektion für psychische Erkrankungen ist
und dass ein vor allem abruptes Absetzen antipsychotischer Therapie mit einem
hohen Risiko für Rückfälle verbunden ist. (27)
Die Kohortenstudie von Bodén et al. differenzierte die Gruppen in unbehandelte
und behandelte Schwangere mit der Diagnose bipolare Erkrankung und fand
keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Untersuchte
Outcome Kriterien waren mütterliche und kindliche Komplikationen, Anomalien,
neonatale Morbidität. Boden et al. stellten aber fest, dass bei Schwangeren mit der
44
Diagnose einer bipolaren Erkrankung ohnehin ein signifikant erhöhtes Risiko für
die beobachteten Outcome Kriterien gegeben ist. Dieser Umstand kombiniert mit
der vorigen Studie würde ein Fortsetzen der phasenprophylaktischen Therapie
zum Wohle der Mutter und des Kindes indizieren.(27,28)
Die weiteren Studien zu den Phasenprophylaktika beziehen sich hauptsächlich auf
Antiepileptika, da Antipsychotika unter einer eigenen Kategorie behandelt wurden.
Ban et al. stellten ein zweifach erhöhtes Risiko für MCA bei AntiepileptikaEinnahme im ersten Trimenon fest, das auch durch eine perikonzeptionelle
Folsäuregabe nicht minimiert werden konnte. Ban et al. differenzieren aber nicht in
die unterschiedlichen Substanzen, und auch nicht wie lange Folsäure verabreicht
wurde. Möglicherweise hat präkonzeptionelle Folsäuregabe, die für die Dauer der
Organogenese fortgesetzt wird, einen protektiven Effekt. Für Lamotrigin im
Speziellen konnte von Dolk et al. kein erhöhtes Risiko für kongenitale
Malformationen
festgestellt
werden.
Weitere
Studien
mit
höheren
Teilnehmerzahlen sind notwendig, um sichere Aussagen zu diesem Thema treffen
zu können.(29,31)
Gopinath et al. untersuchen als Outcome den IQ von pränatal Antiepileptikaexponierten Kindern im Alter von 10-12 Jahren. Sie fanden zwar ein signifikant
niedrigeres Ergebnis vor, jedoch steht dieses in direktem Zusammenhang zu der
elterlichen Bildung und dem elterlichen IQ. Dieser Umstand limitiert die
Aussagekraft dieser Studie. Außerdem wird in der Studie nicht unterschieden
zwischen Kindern, die nur pränatal und solchen, die auch postnatal exponiert
gewesen waren. Eine vergleichbare Studie wurde nicht gefunden.(30)
Für Lithium sind die meisten Studien nicht zugänglich gewesen. Eine prospektive
Studie aus dem Jahr 2014 von Diav-Citrin fand ein erhöhtes Risiko für
kardiovaskuläre Malformationen bei Gabe von Lithium im ersten Trimenon. Um
eine klare verifizierte Aussage machen zu können, wie sich Lithium auf das
Ungeborene auswirkt, muss eine umfangreichere Recherche durchgeführt
werden, dabei ist es wichtig, die Dosis einer Lithiumtherapie miteinzubeziehen, da
Lithium eine sehr geringe therapeutische Breite aufweist. (32)
45
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