St. Nicolai-Gesangverein

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St. Nicolai-Gesangverein
zu Reval.
Dirigent
Türnpu.
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Dienstag, den 8. März, $ Uhr Abends
(in H-moll)
Johann Sebastian Bach.
Solisten:
Sopran:
Alt:
Tenor:
Bass:
Fr. Emmy Kanze-Dähne.
Fr. Jäma Walter-Choinanus.
Herr Georg Lehbert.
Herr Walther Blossfeldt.
PesejiB, 1905.
TlesaTaHO bt> rnnorp. ABrycrt Mhkbhpt».
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Jj,03B0JieH0 nenaypoio — PeoeJiL, 28-ro OeBpajia 1905 roAa;
Texte
der Soli und Chöre.
Seite.
Kyrie.............................................................................................................
Gloria..........................................................................................
Credo............................
Sanctus........................................................
Osanna........................................................................................................
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Zur Einführung
in
J. S. Bach’s H-moll-Messe
von
Dr. Leopold Schmidt.
Als in den dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts die Werke Joh.
Sebastian Bachs zu neuem Leben erweckt worden waren, wendete sich
ihnen sofort das tiefgehendste Interesse zu, und die Forschung hat seitdem
nicht aufgehört, sich immer intimer mit dem grossen Thomas-Kantor zu
beschäftigen. Zu seinen Lebzeiten war Bach kaum über seinen näheren
Wirkungskreis in Mitteldeutschland hinausgedrungen; dann folgten Jahr­
zehnte, denen die Kenntnis seiner Musik mehr und mehr entschwand. So
sehr konnte sie in Vergessenheit gerathen, dass ihre Wiedergeburt auf die
Kunstwelt wie eine Offenbarung wirkte. Nun erst begann man die Grösse
und eigenthümliche Bedeutung Bachs zu würdigen. Bekanntlich war es
das Verdienst Felix Mendelssohns, den ersten Schritt hierzu gethan zu
haben. Mit seiner Aufführung der Matthäus-Passion in der Berliner Sing­
akademie am 17. März 1829 gab er den Anstoss zu erneuter Pflege der
Bachschen Werke, für die er zeitlebens mit seiner künstlerischen Ueberzeugung eingetreten ist. Andere folgten ihm. Männer wie Schumann, Liszt
und Brahms erblickten in Bach den Träger eines Evangeliums, das sie
nicht müde wurden, ihren Jüngern zu predigen; seine Werke galten ihnen
als die höchsten Gipfelpunkte in der Entwickelung ihrer Kunst und als
Grundlage allen musikalischen Studiums. Bald gab es keinen ernsten
Musiker mehr, der diesen Standpunkt nicht theilte, und die folgende Gene­
ration wurde bereits in der Ehrfurcht vor dem Altmeister erzogen. Für
die Verbreitung seiner Musik bildeten sich in Deutschland Bach-Vereine,
und die 1850 am Todestage Bachs zu Leipzig gegründete Bachgesellschaft
hat durch die kritische Herausgabe der sämmtlichen Vokal- und Instrumental­
werke des Meisters ihrer Verehrung den würdigsten Ausdruck gegeben.
Im Anfang blieb diese Bewegung naturgemäss vorwiegend auf die
Kreise der Fachmusiker beschränkt. Galt es doch auch zunächst, das
Kunstvolle der Bachschen Schöpfungen in seinem ganzen Umfang zu
überschauen und zu ergründen. Die Theilnahme der Öffentlichkeit stieg
wohl im Laufe der Zeit zusehends, ohne jedoch den Wärmegrad zu er­
reichen, der der Begeisterung der Kunstgenossen entsprochen hätte. Einzig
die Matthäus-Passion, gestützt einerseits auf den dramatischen Gehalt der
Leidensgeschichte Jesu, andererseits auf has volkstümliche Element des
Choralgesanges, hat sich die Stellung eines wirklich populären Kunstwerkes
erobert. Die Johannes-Passion, das Magnificat, die Messen und zahlreichen
Kantaten wie die rein instrumentale Musik Bachs zwingen noch immer den
Laien in respektvolle Entfernung. Dem Gesammtschaffen des Meisters
erging es ungefähr wie dem Messias Klopstocks: es wurde bewundert, aber
nicht genossen; wenigstens nicht so, wie es das Wesen aller Kunst verlangt.
Mit dem Fortschreiten des Verständnisses ist auch die Liebe zu Bach ge­
wachsen, aber selbst heutzutage dürfte die Zahl derer, die ihm die rechte,
aus innerster Ergriffenheit hervorgehende Verehrung entgegenbringen, nicht
allzu gross sein
Wir brauchen die Stellung Bachs im modernen Musikleben nicht als
eine endgiltige anzusehen Die Scheu, die noch gar viele von ihm fernhält,
erscheint nicht unüberwindlich, wenn man ihre Ursachen in nähere Er­
wägung zieht. Eins freilich wird immer bestehen bleiben. Eine Künstler­
natur von dem Ernst und der Tiefe Bachs setzt auch beim Hörer eine
nicht gewöhnliche Geistes- und Gemüthsbildung voraus; ein Komponist,
der sich den höchsten Dingen zuwendet und seine Kunst vornehmlich in
den Dienst der Kirche stellt, kann nicht auf die wohlfeile Gunst der Menge
rechnen, die gedanken- und mühelos geniessen wili Bei Bach kommt zu
diesen Voraussetzungen, die er mit allen ernsteren Meistern theilt, noch
die streng kontrapunktische Schreibweise, die an sich schwerer verständlich
ist als die freie, mehr deklamatorische modernerer Komponisten. Dies
alles kennzeichnet aber noch nicht hinlänglich die Stellung Bachs dem
Laien gegenüber und erklärt nicht die kühle Zurückhaltung vieler, die sehr
wohl die nöthige Empfänglichkeit und beträchtliches Kunstverständnis mit­
bringen. Zu den Gründen, die in dem Wesen seiner Musik selbst wurzeln,
kommen eben auch solche, die lediglich in unserer Auffassung seiner
künstlerischen Persönlichkeit zu suchen sind, das heisst in der Auffassung,
wie sie in das Allgemeinbewusstsein übergegangen ist.
Der Laie pflegt in Bach vor allen den Mann der „Fugen“ zu sehen;
seine Musik gilt ihm als „gelehrte“ Musik. Kein Wunder, dass er sich zu
ihrem Verständnis weder angetrieben noch verpflichtet fühlt. Der Musiker
hat es ihm ja verkündet: dieser Meister ist der Meister aller, sein Können
steht unerreicht da, und eingehenden Studiums bedarf es, um das Geheimnis
seiner tiefsinnigen Kontrapunktik zu ergründen. Gewiss gehörte es, wie
schon angedeutet, zu der Aufgabe der Forschung, zunächst die kunstvolle
Gestaltung der Bachschen Werke zu beleuchten; keinesfalls aber war da­
mit die Aufgabe gelöst. Bach wendet den fugirten Stil im weiteren Sinne
unterschiedslos fast überall an. Es ist der Stil seiner Zeit, der Zeit, die
er vollendend zum Abschluss führte, und zugleich die ihm natürlichste Aus­
drucksweise. So eigenthümlich für ihn der gebundene Stil, so ist er doch
eben nur seine Art sich zu äussern, und somit das Zufällige und Neben­
sächliche. Dass aber auch bei Bach die starke und originelle Individualität,
das tiefe und leidenschaftliche Empfinden das Wesentliche ist, dessen wird
sich die Mehrzahl der Musikfreunde nicht in gleichem Masse wie bei andern
Meistern bewusst.
Der Einseitigkeit der theoretischen Betrachtungsweise Bachs entspricht
die Art der praktischen Ausführung seiner Musik, die ihrerseits nur zu
sehr das Formelle in den Vordergrund stellt. Die zufällige Form der Fuge
mit ihren Künsten der Beantwortung, der Engführung und dergleichen wird
dem Hörer sorgfältig klargelegt; das kononische Gerüst der Stimmen er­
steht so vor seinem innern Auge, ohne dass der poetische Gedanke, um
dessentwillen der Tonbau aufgeführt ist, immer erschöpfend zur Darstellung
gelangte. Eine solche Auffassung bringt den Tonkünstler zur Geltung
auf Kosten des Tondichters; sie ermüdet das Ohr Unkundigen, und dem
Wissenden zeigt sie den Meister in seiner göttlichen Unnahbarkeit. Aber
„Bach war auch nur ein Mensch“, soll Hans von Bülow einst geäussert
haben. Und Bülow durfte dafür zeugen, denn ihm war es gegeben, durch
die scheinbar starre Rinde hindurch das Menschenherz Bachs schlagen zu
hören, weil seine Phantasie diese Rinde zu beleben verstand. Bach unserem
Empfinden menschlich näher zu bringen, das ist es, was noch zu tun
bleibt und was seiner Kunst erst den ganzen Kreis derer, die sie in sich
aufzunehmen fähig sind, zuführen wird.
Es ist hier nicht der Ort, eingehend über die technischen Mittel zu
sprechen, durch die auch die Bachsche Musik, um ein Schlagwort der mo­
dernen Aestetik zu gebrauchen, sich als eine Kunst des Ausdrucks erweisen
kann. Nur einige Punkte seien hervorgehoben. Da seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts sich die Ansprüche an Fülle und Farbenreichtum des
Klanges ausserordenlich gesteigert haben, hat man, wie bei Händel, es auch
bei Bach mehrfach mit Bearbeitungen versucht, die im wesentlichen in einer
Bereicherung der Orchesterbegleitung bestanden. Solches Verfahren ist
wenig ratsam. Die Begleitungen Bachs sind meist viel zu charakteristisch,
als dass sie der Aenderungen bedürfen oder sie auch nur vertrügen;
andrerseits gewöhnt sich das Ohr an die mangelnde Klangfülle und empfin­
det sie dann als Stileigentümlichkeit und archaistischen Reiz. Höchstens
ist eine mehrfache Besetzung der Bläser angezeigt, um den gegen früher
bedeutend stärkeren Sänger- und Streicherchor die Wage zu halten. Im
Uebrigen können nur solche Mittel in Betracht kommen, die, ohne mate­
rielle Aenderungen, dazu dienen, einen musikalischen Gedanken- und
Empfindungsgehalt lebendig zu machen. Wenn wir nicht mehr Fugen mit
untergelegtem Gesangstext, sondern die musikalische Wiedergabe einer
Dichtung hören wollen, so ist ein Aufgeben der allzu straffen Temponahme
geboten. Die jeweilige Modifizirung des Tempos ergiebt sich aus den
Worten und aus der Stimmung des Ganzen. Wichtiger noch ist die dyna­
mische Abschätzung der motivischen und thematischen Gebilde wie der
einzelnen Satzglieder untereinander. Diese Ansicht wird freilich voraus­
sichtlich noch lange gerade in den massgebenden Kreisen auf heftige
Wiedersacher stossen. Was hier gewöhnlich ins Feld geführt wird, ist der
Begriff der Pietät. Die Partituren aus Bachs Zeit enthalten so gut wie
gar keine Vortragsbezeichnungen. Selbst diejenigen nun, die zugeben, dass
diese Musik unmöglich in solcher Gleichförmigkeit gemacht worden sein
kann, scheuen sich, aus der Sache heraus die fehlenden Zeichen eigen­
mächtig herzustellen Diese Pietät ist begreiflich, so lange es sich um die
Reinerhaltung der Niederschrift von graphischen Abänderungen handelt.
Sobald jedoch eine Musik zum Erklingen gebracht werden soll, kommt
lediglich die Wirkung in Betracht, und für sie ist nicht das Empfinden
einer vergangenen Epoche, sondern allemal das der gegenwärtigen mass­
gebend. Wäre dem nicht so, das beste Ringen und Kämpfen unserer
grossen Meister wäre vergeblich gewesen. Vielleicht darf hier ein Vergleich
aus der Architektur herangezogen werden. Die Reste der altgriechischen
Denkmäler, wie sie uns erhalten geblieben, sind des Farbenschmuckes
beraubt, in dem sie nachweislich einst geprangt haben. Jede polychrome
Wiederherstellung dieser Kunstwerke, mit welchen Farben auch immer die
Phantasie sie ausschmücken mag, wird dem Eindruck der Originale näher
kommen, als die farblosen Reproduktionen der Renaissance. Marmorkalt
liegen die Partituren einer längst entschwundenen Musikepoche vor uns.
Den Achromisten gleichen jene Musiker, die uns die Werke eines Bach,
eines Händel in grauer Eintönigkeit vorführen wollen, nur weil der einstige
Farbenschmuck sich nicht erhalten hat. Wohl birgt eine nachträgliche
Kolorirung die Gefahr der Willkür in sich. Ein feiner Geschmack wird
sich jedoch in vorsichtigen Grenzen zu halten wissen; so wenig die
Modifizirung des Tempos in ein rubato ausarten darf, so wenig wird man
das festgefügte Gebäude eines Bachschen Chores durch eine nervöse oder
übertriebene Dynamik erschüttern wollen. Der künstlerische Instinkt wird
hier entscheiden und, wie überall, das Richtige treffen.
*
*
*
Unter den Werken Sebastian Bachs ist eines, das selbst trotz seiner
gewaltigen Umgebung in einsamer Grösse ragt: die hohe Messe in H-moll.
Wenn alle Musik des Meisters verloren ginge, sie allein würde uns ein
ausreichendes Bild von der Bedeutung seiner Künstlerschaft, von der un­
erhörten Kraft und dem Tiefsinn seiner musikalischen Konzeptionen geben.
Wer den Wunderbau dieses Riesenwerkes recht betrachtet, wer sich ganz
in die hoheitsvolle und doch so menschliche Gedankenwelt, die es um­
spannt, versenkt, der wird in ihm nicht nur die reinste Offenbarung des
Bachschen Geistes, sondern einen der Höhepunkte, vielleicht den höchsten
Gipfel der Entwickelung der gesammten Tonkunst überhaupt verehren
lernen. Der Popularisirung der H-moll-Messe standen von jeher besondere
Schwierigkeiten im Wege. Nicht nur die kolossalen Proportionen machen
den einheitlichen Genuss des Werkes in seinem ganzen Umfang fast
unmöglich; auch die Anforderungen, die es an das musikalische und tech­
nische Können der Ausführenden stellt, übersteigen das gewöhnliche Mass
bei weitem und können nur in seltenen Fällen befriedigt werden. Um so
mehr sollten die grossen Centren des musikalischen Lebens es sich ange­
legen sein lassen, in nicht zu langen Zwischenräumen für würdige Auf­
führungen zu sorgen. Wie die grosse Messe Beethovens, die neunte
Symphonie, der Messias und die Oratorien Haydns, so müsste neben der
Matthäus-Passion auch Bachs H-moll-Messe ein Sanktuarium bilden, das
jeder Zeit denen, die danach Verlangen tragen, offen steht.
Die vorangehenden allgemeinen Bemerkungen über die Erfordernisse
einer rechten Bach-Pflege sollen ganz besonders dazu dienen, lebensvollen
Aufführungen der hohen Messe das Wort zu reden, Aufführungen, die mit
der künstlerischen Schönheit und Bedeutung zugleich auch den tiefen
poetischen Gehalt des Werkes erschöpfend zur Darstellung bringen. Die
folgende Einführung in die einzelnen Theile beansprucht nicht als Analyse
im wissenschaftlichen Sinne zu gelten; sie mag der Betrachtung einige
Anhaltspunkte geben und dadurch vielleicht dem Hörer eine gewinnbringende
Auffassung erleichtern helfen.
Einige historische Daten seien zur Orientirung über die Entstehung
der Messe vorausgeschickt.
Neben lateinischen Hymnen, Responsorien und Motetten, sowie dem
Magnificat, aus dem bekanntlich Bach gleichfalls eines seiner hervor­
ragendsten Werke schöpfte, hatten sich zwar in dem Kultus der Leipziger
Kirchen auch die Hauptbestandtheile der katholischen Messe erhalten;
aber sie wurden nur mehr einzeln aufgeführt. Feststehend war der Ge­
brauch des Kyrie am 1. Adventsonntage; an hohen Festtagen wurde das
Sanktus gesungen, das Gloria eignete sich für das Weihnachtsfest. Die
deutsche Kirchenkantate hatte alle übrige Figuralmusik verdrängt, und für
die Messe als Ganzes war kein Raum mehr geblieben. Dennoch fuhren
auch protestantische Tonsetzer fort, wenigstens das Kyrie und Gloria im
Zusammenhang zu komponiren, angeregt durch die sich bedingenden
♦
musikalischen und gedanklichen Gegensätze. Bach hat vier solche zweisätzigen Messen (missa brevis) geschrieben, die in G-dur, G-moll, A-dur
und F-dur stehen, lieber ihre Entstehungszeit ist so wenig wie über die
der grossen H-moll-Messe Genaues zu ermitteln gewesen. Nur soviel steht
fest, dass sie alle nicht vor 1730, und zwei von ihnen um 1737 geschrieben
sind. Es scheint, dass die Kyrie- und Gloriasätze der H-moll-Messe, die
ursprünglich auch ein solch zweisätziges Ganze für sich bildeten, am
frühesten entstanden sind und somit Bachs erste Komposition der Messe
darstellen. Zunächst war es wohl sein lebhaft bekundetes Interesse für
italienische Kirchenmusik, was Bach zu der Beschäftigung mit dem Mess­
texte antrieb. Seine Neigung für Lotti, Caldara, selbst Palestrina sind
durch die vorhandenen eigenhändigen Abschriften von Werken jener Meister
bezeugt. Aber noch eine andere Veranlassung trat für Bach hinzu, auch
für die katolische Kirche zu schreiben. Nach dem Tode des Kurfürsten
Friedrich August II. im Jahre 1733 hatte er beschlossen, die Gunst des
Nachfolgers für sich in Anspruch zu nehmen, um durch die Beziehungen
zum Dresdener Hofe das Ansehen seiner wenig erfreulichen Stellung in
Leipzig zu heben. Er that dies, indem er zwei wahrscheinlich zu dem
Zweck komponierte Messsätze überreichte. Das Begleitschreiben ist für
die Verhältnisse, in denen Bach lebte, so charakteristisch, dass es hier
eine Stelle finden mag. Die Dedikation*) lautet:
Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herren. Herrn Friedrich Augusto,
Königlichen Prinzen in Pohlen und Litthauen, Herzogen zu Sachsen (folgt
der grosse Titel) Meinen gnädigsten Herrn,
Durchlauchtigster Churfürst,
Gnädigster Herr.
Ew. Königl. Hoheit überreiche in tiefster Devotion gegenwärtige
geringe Arbeit von derjenigen Wissenschaft, welche ich in der Musique
erlanget, mit ganz unterthänigster Bitte, Sie wollen dieselbe nicht nach
der schlechten Composition, sondern nach Dero Welt berühmten Clemenz
mit gnädigsten Augen anzusehen und mich darbey in Dero mächtigste
Protection zu nehmen geruhen. Ich habe einige Jahre und bis daher bey
den beyden Haupt-Kirchen in Leipzig das Directorium in der Music gehabt,
darbey aber ein und andere Bekränkung unverschuldeterweise auch jezu­
weilen eine Verminderung derer mit dieser Function verknüpften Accidentien
empfinden müssen, welches aber gänzlich nachbleiben möchte, daferne
Ew. Königl. Hoheit mir die Gnade erweisen und ein Praedicat von Dero
Hoff-Kapelle conferiren, und deswegen zur Ertheilung eines Decrets, ge­
hörigen Orts hohen Befehl ergehen lassen würden; Solche gnädigste
Gewehrung meines demüthigsten Bittens wird mich zu unendlicher
Verehrung verbinden und ich offerire mich in schuldigsten Gehorsam, jedes­
mal auf Ew. Königl Hoheit gnädigstes Verlangen, in Componirung der
Kirchen Musique sowohl als zum Orchestre meinen unermüdeten Fleiss
zu erweisen, und meine ganzen Kräffte zu Dero Dienste zu widmen in
unaufhörlicher Treue verharrend Ew. Königl. Hoheit
unterthänigst gehorsamster Knecht
Johann Sebastian Bach.
Dresden, den 21. Juli 1733.
Die hier erwähnte „geringe Arbeit“ waren das Kyrie und das Gloria
der H-moll-Messe. Sie sind aus einem Guss und stellen sich schon
äusserlich als ein geschlossenes Ganze dar. Die Anordnung der Tonarten
führt am Ende des Kyrie auf die Dominante Fis und lässt somit das Gloria
*) Mitgetheilt in: Spitta, Joh. Seb. Bach, II-2. Leipzig, Br. & H, und in dem Vorwort
von Julius Rietz zu der Partitur der II-moll-Messe der Bach-Gesellschaft, ebenda.
als nothwendige Folge erscheinen. Endlich findet sich in der handschrift­
lichen Partitur am Ende des Gloria die sonst nur am gänzlichen Schlüsse
vorkommende Bezeichnung S. D. Gl. (Solo Deo Gloria).
Die Frage, ob Bach von vornherein den Plan gehegt habe, diese
beiden gigantischen Sätze, deren wuchtiger Grösse er sich zweifellos be­
wusst war, zu einer vollständigen Messe zu ergänzen, ist vielfach erwogen
worden. Der hochverdiente Biograph Bachs, Philipp Spitta, bejaht sie und
trägt sogar kein Bedenken, der Konzeption des unvergleichlichen Werkes
eine weit über das Künstlerische hinausgehende Bedeutung nnd Tendenz
zu vindiciren. Er sieht darin das Wiedererscheinen von Anschauungen des
Urchristenthums, das Hervorbrechen des reformatorischen Geistes, in dem
einst Luther sich erhoben hatte. Angeregt durch den katholischen Kultus,
aber in Hinblick auf den protestantischen Gottesdienst habe Bach, bewusst
oder unbewusst, in dieser Messe ein Kunstwerk geschaffen, das den
Protestantismus nicht als Gegensatz des katholischen Wesens, sondern als
seine nothwendige Weiterbildung auf der gleichen Grundlage offenbare.
Diesen anregenden und feinsinnigen Ausführungen Spittas stehen leider
die Thatsachen nicht überzeugend genug zur Seite. Verschiedene Umstände
sprechen dafür, dass ursprünglich die Komposition der ganzen Messe garnicht in Bachs Absicht lag; dass er vielmehr lediglich das Kyrie und Gloria
zu einer missa brevis vereinigen wollte und später nach und nach, wahr­
scheinlich durch praktische Beweggründe veranlasst, die übrigen Sätze
hinzugefügt hat. Bachs Arbeit an der H-moll-Messe zog sich, wie man
annehmen darf, bis ins Jahr 1738. Im Jahre 1736 hatte er den Titel eines
Königlich Polnischen und Churfürstlich Sächsischen Hofcompositeurs er­
halten, der ihn verpflichtete, von Zeit zu Zeit etwas für den Dresdener Hof zu
liefern, und da mag er sich zur Vollendung der Messe entschlossen haben.
Das Sanctus ist allerdings vermuthlich schon 1735 geschrieben; doch
scheint es unabhängig von der Messe entstanden zu sein — die Vermehrung
der Singstimmen auf sechs deutet darauf hin — und wurde nur mit einigen
Veränderungen in dieselbe aufgenommen. Das ist aber gerade das Merk­
würdige, dass Bach bereits fertige Stücke aus seinen Kantaten nahm und
ihnen den Text der noch fehlenden Messsätze unterlegte. Das Crucifixus
(aus der Kantate: „Weinen und Klagen“), das Osanna (aus der Kantate:
„Preise dein Glücke“), das Agnus Dei (aus der Kantate: „Lobet Gott in
seinen Reichen“) und das Gratias (aus der Kantate zur Leipziger Rathswahl)
sind nachweislich durch solche Entlehnung entstanden. Allerdings wählte
Bach nur solche Stücke aus, deren poetischer Gehalt mit den neu unter­
gelegten Worten übereinstimmte, und keines hat er ganz unverändert
gelassen. Immerhin ist es nicht wahrscheinlich, dass so ein Komponist
verfährt, der nach einem vorgefassten, einheitlichen Plane arbeitet. Gegen
das Ende scheint es Bach sogar zum Abschluss seines Werkes gedrängt
zu haben; er wiederholt zum Dona nobis pacem noch einmal die bereits
entlehnte Musik des Gratias mit geringen, durch die Worte bedingten
Modifikationen. Mit Recht bemerkt jedoch Julius Rietz in der bereits
erwähnten Vorrede, dass diese an sich interessanten Ergebnisse der For­
schung auf unsere Würdigung und Bewunderung des herrlichen Werkes,
wie es nun als Ganzes dasteht, keinen Einfluss haben können.
Wie sich aus der Beschaffenheit der in der Privatbibliothek des
Königs von Sachsen befindlichen Originalstimmen ergiebt, ist in Dresden
nichts von der Messe aufgeführt worden. Bach hatte wohl auch kaum
darauf gerechnet, da die ungewöhnliche Ausdehnung der Sätze sie für den
katholischen Kultus unbrauchbar machte. Er hatte vielmehr bei der Abfas­
sung an die Thomas- oder Nicolaikirche in Leipzig gedacht. Freilich kamen
auch hier nur Bruchstücke zur Aufführung. Das Gloria hat Bach später
noch einmal für das Weihnachtsfest (1740) überarbeitet. In dieser gekürzten
Form enthält es nur den ersten und letzten Chor, dazwischen das Duett
„Domine Deus“. Die Messe in ihrem ganzen Umfange aufzuführen, dürfte
auch heut so ziemlich ein Ding der Unmöglichkeit sein. Für praktische
Zwecke erweisen sich eine Anzahl Striche als rathsam, die man bei Wieder­
holungen und langausgesponnenen Ritornellen sehr wohl anbringen kann,
ohne dem Werke allzu weh zu thun. Dass die Messe schon zu Lebzeiten
Bachs auch über die Grenzen seiner engeren Heimath hinaus bekannt
wurde, ist verbürgt. So wissen wir, dass er die Stimmen des Sanctus dem
Grafen Sprock nach Böhmen sandte.
Die Originalhandschrift der Messe befindet sich auf der königlichen
Bibliothek in Berlin und hat folgende Eintheilung:
No. 1. Missa (Kyrie und Gloria).
No. 2. Symbolum Nicaeum (Credo).
No. 3. Sanctus.
No. 4. Osanna, Benedictus, Agnus Dei et Dona nobis pacem.
Diese Eintheilung zeigt eine abweichende Eigenart der H-moll-Messe
von dem katholischen Schema, in dem das Sanctus, Osanna und Benedictus
zu einem Theil, Agnus Dei und Dona zu einem anderen verbunden zu
sein pflegt, während hier das Sanctus für sich steht. Die besonderen
Vorschriften der Leipziger Liturgie, an die sich Bach hielt, erklären diesen
Unterschied. Für moderne konzertmässige Aufführungen ist er zwar
belanglos geworden ; für die Auffassung des letzten Abschnittes, der da­
durch mehr den Charakter einer Dankeshymne, als eines bussfertigen
Gebetes gewinnt, behält er jedoch seine Bedeutung.
I.
Kyrie.
Chor.
Herr erbarme Dich unser!
Duett.
Christe eleison!
Christus erbarme Dich unser!
Das Kyrie (H-moll 4/-i) beginnt mit vier einleitenden Takten, die
offenbar nur den Zweck haben, die Grundstimmung des Werkes vor­
zubereiten und die Haupttonart harmonisch in kurzen und krängen
Zügen festzustellen. Unmittelbar an diese erste Anrufung knüpft sich
ein längerer Orchestersatz, der den Hauptgedanken und Theile seiner,
weiteren Entwickelung in freier Weise benutzt. Gegenüber den einleitenden
Adagio bezeichneten Takten tritt hier zugleich ein etwas langsameres Tempo
(Largo) ein. Flöten, Oboi d’amore und Fagotte gesellen sich den Streich­
instrumenten und geben ein weiches, durch die Lage dunkel gehaltenes
Kolorit. Dann bringt der Chor, fünfstimmig — 2 Soprane, Alt, Tenor und
Bass — das schon vom Orchester berührte Thema:
Kyrie eleison!
und führt es in einer Fuge durch. Anfangs ist alles, Instrumente und
Singstimmen, in ein mystisches Halbdunkel (un poco piano) gehüllt, das
sich erst allmählich lichtet. Die Ausdrucksgewalt dieses Stückes ist eine
so unerhörte, dass es wie eine freie Dichtung wirkt, und man das Kunst-
volle der strengen Form kaum gewahr wird. Man darf, trotz allem, was
noch folgt, diesen Anfangschor vielleicht als das Ergreifendste in dem
ganzen Werk bezeichnen. Nie ist wohl der Ausdruck seelischen Leidens
und die Bitte um Erbarmen in der Noth in beweglichere Töne gefasst
worden! Schon der musikalische Hauptgedanke enthält in sich alle psycho­
logischen Momente der Gesammtempfindung. Der ehrfurchtsvolle Anruf
des Herrn ist nur rhythmisch auf demselben Tone deklamirt; dann steigt
das Thema, sich wie in Schmerzen windend, von Stufe zu Stufe aufwärts,
wobei die sehnsüchtigen Accente des „Erbarme Dich“ jedesmal durch die
halben Tonschritte hervorgehoben werden. Einem vorübergehenden Sinken
der Tonreihe folgt bei dem erneuten „Kyrie“ ein gesteigerter Aufschrei der
Angst. Immer dringlicher wird das Flehen, je mehr Stimmen hinzutreten.
Man beachte die fast moderne Chromatik und das Uebermass eines mit
gleichmässiger Empfindungsstärke festgehaltenen, ganz persönlichen Aus­
druckes. Nachdem die fünf Stimmen das Thema durchgeführt haben und
ein Abschluss auf Cis-moll stattgefunden, löst sich ein zweites Motiv los,
das in den Sopranen auftaucht. Es bildet, ohne von der Grundstimmung
weniger erfüllt zu sein, den Gegensatz einer ruhigeren, milderen Bitte.
In nicht geringerem Grade, als die Erfindung des Themas, fordert seine
geniale Verwerthung die höchste Bewunderung heraus. Wie Bach diesen
leidenschaftlichen, fast pathologischen Gefühlsinhalt in die denkbar strengste
Form gemeistert hat, das ist eines der Wunder der Kunstgeschichte, die
sich nicht in Worten beschreiben lassen. Hier wie an einigen andern
Stellen der Messe hat Bach den ganzen Reichthum seines kontrapunktischen
Könnens aufs tiefsinnigste verwendet, obgleich die Fuge in klaren und
einfachen Verhältnissen gehalten ist und nur die nächstliegenden Tonarten
berührt.
Die persönliche Vorstellung des Erlösers, wie sie das „Christe
eleison“ auslöst, gestattet auch den individueller wirkenden Klang der
Solostimme. Bach hat sich den musikalischen Gegensatz nicht entgehen
lassen und diesen Abschnitt zwei Sopranen übertragen. Zugleich tritt an
die Stelle der H-moll- die parallele D-dur-Tonart. Seinen Charakter erhält
das nur mit den Violinen und dem fortlaufenden Basse (Continuo) begleitete
Stück von der lieblich schmeichlerischen Geigenmelodie:
die im Vorspiel erklingt, das Ganze durchzieht und den Gesang der Stimme
umrankt. In ihr ist die sofort eintretende Wendung zur Unterdominate
bedeutungsvoll; durch die immer wiederkehrende leiterfremde Septime und
die dadurch sich ablösenden Dominantakkorde erhält die Modulation des
Ganzen etwas Gleitendes, Unabgeschlossenes. Wo die Singstimmen sich
von einander loslösen, tritt kanonische Nachahmung ein.
II.
Gloria.
Chor.
Gloria in excelsis Deo, et in terra
Ehre sei Gott in der Höhe, und
pax hominibus bonae voluntatis.
Friede auf Erden den Menschen,
welche guten Willens sind.
Arie.
Laudamus te, benedicimus te, ado- Wir loben Dich, wir preisen Dich,
ramus te, glorificamus te.
wir beten Dich an, wir verherr­
lichen Dich.
Chor.
Gratias agimus tibi propter magnam
Dank sagen wir Dir, wegen Deiner
gloriam tuam.
grossen Herrlichkeit.
Duett.
Domine Deus, rex coelestis, pater Herr unser Gott, himmlischer König,
allmächtiger Vater, Herr des Vaters
omnipotens, domine fili unigenite,
eingeborner Sohn, Jesus Christus,
Jesu Christe, altissime domine
Höchster Herr unser Gott, Lamm
Deus, agnus Dei, filius patris.
Gottes, Sohn des Vaters.
Chor.
Qui tollis peccata mundi, miserere Der Du hinwegnimmst die Sünden
nobis,
suscipe
deprecationem
der Welt, erbarme Dich unser,
nostram !
nimm auf unser Flehn !
Arie.
Qui sedes ad dexteram patris, miseDer Du sitzest zur Rechten des
rere nobis.
Vaters, erbarme Dich unser.
Arie.
Quoniam tu solus sanctus, tu solus Denn Du allein bist heilig, Du allein
dominus, tu solus altissimus, Jesu
bist der Herr, Du allein bist der
Christe.
Höchste, Jesus Christus.
Chor.
Cum sancto spiritu in gloria Dei
patris. Amen.
Mit dem heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen.
Das Gloria beginnt wieder fünfstimmig, zunächst mit einem Jubelchor
(D-dur 3/s, Vivace), der gegen das vorangehende Kyrie völlig veränderte
Klangfarben zeigt. Das Orchester erhält Glanz und Helligkeit durch die
Trompeten, denen Pauken beigefügt sind; die Oboen sind diesmal die
gewöhnlichen. Frohlockend feierlich intoniren die Trompeten die Weise:
Tromba I.
Tromba II.
in die nach 24 Takten der Alt, und nach ihm der Tenor und der übrige
Chor mit den Worten : „Gloria in e x c e 1 s i s Deo“ einfällt. Mit dem
„Et in terra pax“ tritt ein auffälliger Taktwechsel ein, der nach der
Stimmung der Textworte wie nach dem Charakter des folgenden Musik­
stückes zugleich einen Tempowechsel in sich schliesst. Da keine weitere
Bezeichnung vorhanden, wird man den neuen 4A Takt metronomisch unefährt J = J. (d. h. die Viertel wie vorher drei Achtel) auffassen müssen.
ach hat der neuen Wendung des Textes einen besonders schönen und
warmen musikalischen Ausdruck gegeben, ln einem herrlichen Friedens­
thema wiegen sich die Stimmen:
S
wird dann als zweites selbständiges Thema beantwortet, so dass sich eine
gewaltige Doppelfuge entwickelt, eine der stolzesten Hallen in dem Pracht­
bau dieser Messe.
,, . ,
Die Sopranarie „Laudamuste“ (A-dur */♦) hat Bach wohl wieder
der Abwechslung wegen einer Solostimme zugewiesen. Sie ist reichlich
verziert und im Orchester, ausser den Streichern, mit einer Solovioline
begleitet. Mehr als in der Singstimme wird in der Geigenmelodie:
Violino Solo.
die Haltung eines weihevollen Lobgesanges gewahrt.
Der nun folgende Ghor (D-dur *!■>):
ist wieder vierstimmig gesetzt. Wir wissen den Grund; er wurde der
Kantate „Wir danken dir Gott“ entlehnt und ist bis auf die hinzugefügten
Flöten auch in der Begleitung fast unverändert herübergenommen. Es ist
wieder eine Doppelfuge, besonders kunstreich gearbeitet, da, wie das erste,
auch das zweite Thema:
von den verschiedenen Stimmen gleich in der Engführung gebracht wird.
Feierlichen Ernst athmet dieser Chor, mit dem Bach den Hymnus angelicus
und die fröhliche Weihnachtstimmung verlassen hat.
Es folgt jetzt das unbedingt reizvollste Stück der ganzen Partitur,
das liebliche Duett „Domine Deus“ (Andante, G-dur>) zwischen Sopran
und Tenor. Schon die Instrumentation (gedämpfte Geigen und PizzicatoBässe, darüber eine Soloflöte,) weist darauf hin, das der Komponist hier
durch Klangeffecte wirken wollte. Auch die beiden Stimmen, die sich
vielfach kanonisch imitiren, fügen sich in ihren Terzen- und Sextengängen
zu höchstem Wohlklang. Stellen von der Innigkeit der folgenden:
ni -ge-ni-te Je-su
Cliristc al-tis-si - me.
finden sich selten. Ein längeres Vorspiel bringt zuerst die in Flöte und
Violine sich antwortende Melodie:
aus der sich das Gesangsthema:
u.
s. f.
durch Verlängerung entspinnen. Die Worte werden nicht wie im Messtext
nach einander vorgetragen, sondern der Tenor wendet sich an Gott den
Vater, der Sopran an Gott den Sohn. Das Grundmotiv des ganzen Stückes,
das nur die ersten vier Töne
umfasst, ist der eigentliche Kern, aus dem sich alles entwickelt; es taucht
in den Instrumenten bald hier bald dort auf, und seine Verwerthung muthet
wie ein Vorhang Beethovenscher Thematik an. Es scheint, dass in dem
Festhalten dieses Motives innerhalb eines Stückes, dessen Text das
geheimnisvolle Dogma von der Einheit des Vaters und des Sohnes be­
handelt, bei Bach sich dogmatische Anschauungen wirksam erwiesen haben.
In enger Verbindung steht der Chor „Qui toi Us“ (vierstimmig,
h-moll s,4, Lento) mit der Alt-Arie „Qui se des“ h-moll *>). Nicht nur
die Tonart bleibt dieselbe, der Chor bereitet auch die Arie durch einen
Halbschluss vor, und aus einer Stimmung und Melodik heraus entwickelt
sich das Motiv der Oboe d’amore:
das mit der Altstimme in Wechselgesang tritt. Die Worte „Qui tollis“
u. s. w. hat Bach in einem wunderbar ausdrucksvollen Chorsatze behandelt.
Das tiefempfundene Thema:
Qui
toi - Us pec -
ca .
-
-
ta
müa - di
weist mit der Bitte um Vergebung zugleich auf den Versöhnungstod des
Erlösers hin. Die Stimmen ahmen das klagende Motiv kanonisch nach,
während die Violen sie wie mit Flügelschlägen umwehen, und über ihnen
die Flöten auf- und niedersteigen. Von besonderer Wirkung sind die
Hemiolen*) am Schlüsse auf den Worten „deprecationem nostram“.
Die Bass-Arie „Quoniam tu solus sanctus“ (d-dur, 3 4) ist ein
Stück voll Würde und stolzer Haltung. Eigentümlich wirkt die Instru­
mentation. Ausser dem Continuo begleiten nur 2 Fagotte und ein Corno
da caccia. Diese Klangkombination, sowie das weite Hornthema:
*) Zweitheilige Werthe im dreitheiligen Takt.
geben der Musik ein geheimnisvolles, fast bizarres Gepräge. Vom Stand­
punkt des Sängers darf, bei aller Pietät gegen Bach, diese Arie als nicht
gerade sehr glücklich erfunden bezeichnet werden.
Wir kommen nun zu dem Schlusssatz des Gloria. Entsprechend
den gewaltigen Verhältnissen des ganzen Abschnittes ist auch er in weiten
Formen angelegt, ein erneuter Jubelhymnus (Vivace, d-dur 3A), dessen
wuchtiges Thema:
gleich mehrstimmig gesetzt im Chore auftritt. Der Sopran ist wieder wie
im ersten Chor getheilt. Eigentümlich glanzvoll klingen die in den oberen
vier Stimmen gehaltenen Akkorde, während deren der Bass in gebrochenen
Dreiklängen abwärts schreitet. Ueberhaupt beruht die besondere Wirkung
des Satzes vielfach auf diesen getragenen Stellen, die zu den lebhaften
Figurationen, die ihn durchwogen, einen prachtvollen Gegensatz bilden.
Dreimal (auch das ist wohl symbolisch) kehrt eine markante Harmonie­
folge wieder, die den von Bach höchst selten verwendeten verminderten
Septimenakkord enthält:
=*T
Das eigentliche Fugenthema bringt zuerst der Tenor:
Cum san-cto
ri - tu
in
Unerschöpflich in immer neuen kontrapunktischen Kombinationen,
lässt Bach es vom Chore durchführen und erreicht namentlich mit der
Einschachtelung des Themas in sich selbst, durch die sich in den Stimmen
überspringenden Quarteneinsätze eine hinreissende Steigerung.
Das Orchester — Streichquartett, Flöten, Oboen, Fagotte, Trom­
peten und Pauken — beteiligt sich mit dem Chore gleichwertig an dieser
Durchführung und giebt besonders dem jubelnden Schlüsse eine strahlende
Färbung.
III. Credo.
Chor.
Credo in unum Deum.
Patrem omnipotentem, factorem coeli
et terrae, visibilium omnium et
invisibilium.
Ich glaube an Einen Gott.
Den allmächtigen Vater, Schöpfer
des Himmels und der Erde, alles
Sichtbaren und Unsichtbaren.
Duett.
Et; in unum Dominum JesumChristum,
filium Dei unigenitum, et ex patre
natum ante Omnia saecula, Deum
de Deo, lumen de luminc, Deum
verum de Deo vero, genitum non
factum, consubstantialem patri, per
quem Omnia facta sunt, qui propter
nos homines et propter nostram
salutem descendit de coelis.
Und an einen Herrn, Jesum Christum,
den eingebornen Sohn Gottes, und
vom Vater abstammend vor allen
Zeiten, Gott von Gott, Licht vom
Lichte, wahrer Gott vom wahren
Gotte, gezeugt, nicht erschaffen,
gleichen Wesens mit dem Vater,
durch den Alles erschaffen worden
ist, der wegen uns Menschen und
wegen unsres Heils herniederstieg
vom Himmel.
Chor.
Et incarnatus est de spiritu sancto
ex Maria virgine, et homo factus
est.
Und empfangen wurde vom heiligen
Geiste, geboren von Maria der
Jungfrau, und Mensch ward.
Chor.
Crucifixus etiam pro nobis sub Pontio
Pilato, passus et sepultus est.
Und gekreuzigt wurde für uns unter
Pontius Pilatus, litt und begraben
ward.
Chor.
Et resurrexit tertia die secundum
scripturas, et ascendit in coelum,
sedet ad dexteram patris, et iterum
venturus est cum gloria judicare
vivos et mortuos cujus regni non
erit finis.
Und am dritten Tage wieder aufer­
stand nach der Schrift, und aufstieg in den Himmel, der sitzet
zur Rechten des Vaters, und wieder
kommen wird in Herrlichkeit zu
richten die Lebendigen und die
Todten, dessen Reich ohne Ende
sein wird.
Ario.
Et in spiritum sanctum, dominum et
vivificantem, qui ex patre filioque
procedit, qui cum patre et filio
simul adoratur et conglorificatur,
qui locutus est per prophetas. Et
unamsanctam catholicametapostoÜcarn ecclesiam.
Und ich glaube an den heiligen Geist,
der Herr ist und Leben giebt, der
aus dem Vater und Sohne hervor­
geht, der mit dem Vater und Sohne
zugleich angebetet wird und ver­
herrlicht, der geredet hat durch
die Propheten. Und ich glaube an
eine heilige allgemeine und aposto­
lische Kirche.
Der vierstimmig gehaltene Chor (D-dur4/«) setzt in den Oberstimmen
mit dem Credo ein, der Bass aber stimmt ein folgendes Fugenthema an:
Patrem o - mni-poten - tem, facto-rem
coe-li et
ter - rae.
Es ist, als ob die Allmacht Gottes in den weitspringenden Intervallen
dieses Themas versinnlicht werden sollte. Zu der kraftvollen Einfachheit
des Hauptgedankens bildet das krause Stimmengewebe der „sichtbaren und
unsichtbaren Dinge“ mit seinen Gegenbewegungen den wirksamen Kontrast.
Das volle Orchester mit Trompeten und Pauken ist an der Begleitung
betheiligt.
Das Duett „Et in unum Dominum“ für Sopran und Alt ist
in den Singstimmen durchweg kanonisch gehalten, das Intervall, in dem
die Imitation eintritt, ändert sich jedoch mehrfach. Wie gleich im Beginn
aus dem Einklang die Unterquarte wird:
das darf, wie so oft bei Bach, als ein tiefsinniger Zug gelten, der hier die
Loslösung der Persönlichkeit Christi aus der göttlichen Wesenseinheit
symbolisiren soll. Ein ähnlicher symbolischer Zug ist vielleicht der herab­
steigende Oktavengang bei den Worten „propter nostram salutem descendit
de coelis.“ Wie eine Hindeutung auf die nun eintretenden Vorgänge klingt
die Tonart G-moll düster in den Schluss des Duetts hinein.
Es folgen nun drei Stücke, die wiederum eng unter sich Zu­
sammenhängen: das schmerzlich bewegte „Incarnatus“, das berühmte
„Crucifixus“, in dem wir uns den Höhepunkt der Messe zu bewundern
gewöhnt haben, und das „Resurrexit“. Beim Beginn des fünfstimmigen
„Incarnatus“ (H-moll a/j) fallen wieder abwärts führende Terzenschritte
auf, die an das „descendit“ erinnern:
Et
in - car -
nä -
tus
est
Geheimnisvoll lassen die Bässe ihre gleichmässig ruhigen Viertel
ertönen; die Violinen umgeben mit einer sanft klagenden Figur:
die ungewöhnlich homophon gehaltenen Singstimmen, die nach dem
Aufschwung des „homo factus est“ wie in einem Halbschluss in H-dur
ausklingen.
Damit ist zugleich der Uebergang zu dem in E-moll (Larghetto, 3/?)
stehenden „Crucifixus“ gegeben. War die Stimmung des „Incarnatus“
eine wehmüthig-bange, so tritt jetzt der Ausdruck des Schmerzes mit
seinen herben Accenten an ihre Stelle. War dort schon das feste kontra­
punktische Gefüge der freien Deklamation gewichen, so löst sich hier die
Melodie in unzusammenhängende, irre Interjektionen auf, Erst antworten
sich die vier Stimmen des Chores einzeln mit den Motiven:
Cru - ci -
- fi -
- xus
und
dann treten sie enger und enger zusammen, meist in chromatischen, ver­
minderten und übermässigen Schritten sich bewegend. Es ist eine stille,
scheue und doch so mitleidsvolle Klage, die angestimmt wird, und die sich
nie zu lauten Aeusserungen des Schmerzes hinreissen lässt. Die Violinen,
Bratschen und Flöten begleiten mit leisen Akkorden, während der Bass in
einem viertaktigen Thema chromatisch hinabsteigt, um sich immer wieder
zu erheben:
Dreizehn Mal wiederholt sich dies Thema (auch das ist wohl eine
symbolische Beziehung auf Christus und seine zwölf Jünger), ganz nach
Art des alten Passacaglio. Es wurde schon erwähnt, dass dieser ganze
Tonsatz, freilich nicht ohne Aenderungen, einer früheren Kantate ent­
nommen ist. Das Bassthema, das dort übrigens nur zwölf Mal erscheint,
ist ein Gedanke, der Bach von Jugend auf des öfteren beschäftigt hat.
Wie er hier als Fundament des Crucifixus sein mystisches Wesen treibt,
ist er von unbeschreiblicher Wirkung. Bei der dreizehnten Wiederkehr
verstummen plötzlich die übrigen Instrumente, die Singstimmen knien im
piano nieder und verhallen, indem sich die Modulation unverniuthet nach
G-dur wendet. Dieser wunderbare Schluss hat etwas von der kühlen Ruhe
des Grabes, in das der Gestorbene hinabgesenkt wird, man hat unwill­
kürlich die Empfindung, als ob eine schmerzliche, lang verhaltene Spannung
sich löst. Vielleicht ist es erlaubt, dabei an die Schlussworte des Parsifal
zu denken: „Erlösung dem Erlöser.“
Die erschütternde Wirkung des „Crucifixus“ wird vielleicht noch
überboten durch das darauf folgende „Et resurrexit“, das mit elementarer
Gewalt in die Höhe fährt. Einen grösseren Gegensatz, als ihn Bach hier
aneinander gekettet hat, kann die menschliche Phantasie sich nicht vorstellen. Wie eine Fluth des Lichts ergiessen sich die Töne des fünf­
stimmigen Chores (D-dur ;‘/ö, der die Auferstehung verkündet. Sieghaft,
im vollen Chor der Instrumente und Stimmen steigt das Motiv auf:
aus dem sich dann ein rollendes Fugenthema entwickelt. Aber es kommt
zu keiner rechten Durchführung. Die Empfindung ist noch zu erregt, und
Zwischenspiele des Orchesters unterbrechen mehrmals den Fluss der Singstimmeh. Einem ruhigeren Mittelsatze „Et escendit“ folgt das Bass-Solo
„Et iterum venturusest“ (Fis-moll). Der Keim des ersten Motives,
das alles durchdringt zeigt auch hier seine treibende Kraft; namentlich
kehrt die charakterische Triole in dem ganzen Satze wieder. Das „Cujus
regni“ nimmt nun das volle Thema und seine Fortführung wieder auf und
führt es mit der kraftvollen Versicherung „non erit finis“ zu glänzendem
Abschluss.
Bei der Arie „Et in spiritum sanctum“ befremdet zunächst die
ausgesprochen pastorale Weise, die mit ihrem "/s-Takt und der dem Continuo
und zweien Oboi d’amore zugetheilten Begleitung wenig zu einem Glaubens­
bekenntnis passen will. Es scheint, dass sich hier Bachs Vorstellung des
heiligen Geistes mit der des Pfingstfestes verschmolzen hat, und, so auf­
gefasst, kann der Sinn des lieblichen Tonstückes verstanden werden.
4. Sanctus.
Chor.
Sanctus, sanctus, sanctus, dominus Heilig, heilig, heilig, Herr Zebaoth!
Deus Sabaoth! pleni sunt coeli et
Voll sind Himmel und Erde Seines
terra gloria ejus.
Ruhmes.
Der vierte Abschnitt der Messe zerfällt in zwei gesonderte Theile:
in das eigentliche Sanctus, einen breiten, majestätischen Gesang, und in
einen mehr figurierten, lebendig fortströmenden Satz „Pleni sunt coeli“.
In dem Sanctus der H-moll-Messe hat Bach alles vereinigt, was ihm an
Erhabenheit und Fülle des musikalischen Ausdrucks zu Gebote stand;
zugleich schwelgt er hier in der Freude am Wohlklang, wie kaum wo
anders. Wir fühlen, dass die leitende Vorstellung ein Lobgesang ist, zu
dem die Kräfte des Himmels und die Chöre der Engel sich mit der Mensch­
heit vereinen. Es ist das machtvollste Tonstück der Messe, dieser Hymnus
seraphicus, zu dem der Komponist schon äusserlich die musikalischen
Mittel erweitert hat. Der Chor wird durch Theilung des Alts sechsstimmig.
Dass es ungewiss, ob Bach dieses Tonstück selbständig oder in Hinblick
auf die H-moll-Messe geschaffen hat, haben wir schon erwähnt.
Seinen Charakter erhält der Satz (D-dur 4A) durch die breiten Triolen
Sanctus,
sanc
-
-
-
tus, sanc
-
-
-
tus
die in einzelnen Stimmgruppen auf und niederschweben. Diese Gruppen
stehen sich antwortend gegenüber. Der Bass aber schreitet, während die
oberen Stimmen den Triolenrhythmus fortführen oder in weiten Harmonien
ausklingen, in wuchtigen Oktaven, die namentlich abwärts:
Sanc - tus
Do - rni - rius.
De - us
Sa - ba - oth
mehrere I akte hindurch beibehalten sind. Schliesslich übernimmt auch
der Bass die Triolenbewegung, und nach einem kräftigen Abschluss in
Fis-moll setzt folgendes Thema ein:
- jus —
ln einer längeren Fuge und in kunstvoller Verschlingung mit aus
ihm selbst gewonnenen Motiven wird es in den Stimmen und Instrumenten
durchgeführt. Es ist eine nicht endenwollende frohe Empfindung, die diesen
Satz beherrscht; sie kann sich nicht genug thun im Jubiliren und erweckt
im Hörer das Gefühl der Freude und der Unendlichkeit zugleich.
5. Osanna. Benedictus. Agnus Bei. Dona.
Chor.
Osanna in excelsis.
Hosanna in der Höhe.
Ario.
Benedictus qui
domini.
venit in
nomine
Gelobt sei der da kommt im Namen
des Herrn.
Ario.
Agnus Bei, qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Lamm Gottes, das du hinwegnimmst
die Sünde der Welt, erbarme dich
unser.
Chor.
Dona nobis pa«cem!
Gieb uns Frieden!,
Folgt das Osanna (D-dur, 3/s) unmittelbar dem Sanctus, so kann
die Wirkung nur eine Abschwächung sein. Derselbe Jubel, der eben ver­
klungen, hebt aufs neue an, ohne noch einer Steigerung fähig zu sein.
Auch die musikalischen Mittel der Darstellung sind zu gleichartig. Das Motiv
Jy-4
0
san • nä,, o
•
san - nä
ist dem Thema des „Pleni sunt coeli“ entnommen, Tonart und Taktart
sind hier wie dort dieselben. Wir wissen aber, dass Bach das Sanctus als
selbständiges Stück gedacht hat; mit dem Osanna beginnt ein neuer Ab­
schnitt der Messe, dem ein kirchlicher Akt (die Recitation der Einsetzungs­
worte) vorangehen sollte. Man wird deshalb gut thun, bei Konzert-Auf­
führungen das Osanna, wie es auch Brauch ist, an dieser Stelle fortzulassen
und es erst nach dem Benedictus, wo seine Wiederholung stattfindet, zu
musiziren. Das Osanna ist das einzige doppelchörige (achtstimmige) Stück
der Messe. Dem ersten Motiv schliesst sich ein längeres Thema an,
das in dem ersten Chor seine Beantwortung erhält, während zugleich der
zweite unisono das Anfangsmotiv dreimal dazwischenwirft. Dann wechseln
die beiden Chöre und führen beide Gedanken in den mannigfaltigsten
Kombinationen weiter. Das volle Orchester mit Trompeten und Pauken
dient auch hier zur Begleitung und lässt in einem längeren Nachspiele die
Empfindung zum Ausklang kommen.
Ar
Das „Benedictus“ (H-moll V) ist dem Tenor übertragen. Bach
hat zwar das begleitende Soloinstrument nicht bezeichnet; es kann aber
nur eine Violine sein. Mit der lieblichen Melodie:
Viollno Solo
beginnt die Geige zu präludiren und umspielt mit ihren Figuren in zartester
Weise die Singstimme. Stellen wie:
■ mi - ne
Du - mi
- ni
zeigen, dass auch Bach bedacht war, dem Benedictus jenen Liebreiz und
jene menschliche Wärme des Ausdrucks zu geben, die diesem Satze eigen
zu sein pflegen.
Nach der Wiederholung des Osanna stimmt der Alt im „Agnus
D e i“ (G-moll *14) seine ergreifende Bitte an. Bei der Entlehnung aus dem
Himmelfahrts-Oratorium hat die Weise eine wesentliche Umänderung und
eine fast neue Gestaltung erfahren. Die Melodie:
wird vom Gesänge bei den Worten „qui toliis peccata mürid!“ aufgenommen.
Durch die wundervolle Innigkeit ihres Ausdrucks ist diese Arie, die ausser
dem Continuo nur die Violinen im Einklang begleiten, einer der schönsten
Sologesänge, die Bach überhaupt geschrieben hat.
Wie ein feierlicher Dankeshymnus, mit vollem Orchester erklingt
darauf der Schlusschor „Dona nobis pacem“, der die Musik des „Gratias“
getreulich wiederbringt. Indem er solchergestalt noch einmal an das Gloria
und an die Grundstimmung des Ganzen erinnert, giebt er dem gewaltigen
Werke einen würdigen, innerlich wohlbegründeten Abschluss.
RAHVUSRAAMATUKOGU
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