Klimawandel Anpassungen von Naturschutzstrategien am Beispiel Mesoamerika Vilm, 2007 Dr. Thora Amend z.T. basierend auf: Ignacio March, TNC II Mesoamerikanischer Schutzgebietskongress 4/2006, Panamá Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA • Der Klimawandel verändert die Stoff- und Wasserkreisläufe. Ungewöhnlich ausgedehnte Trockenzeiten und punktuelle Überflutungen sind die Folge. Sie haben Auswirkungen auf die grundlegenden ökologischen Prozesse, die menschlichen Aktivitäten, inklusive der Nahrungsmittelproduktion und des Trinkwassers (WRI, 2006; Dore, 2005). – Laut FAO sind allein bis 2005 aufgrund des Klimawandels 11% der landwirtschaftlichen Nutzflächen verloren gegangen und die Produktion von Grundnahrungsmitteln in 65 der Entwicklungsländer deutlich gesunken. – Extreme Trockenphasen treten auch in feuchten Habitaten auf: Im Amazonasgebiet war die Trockenzeit von 2005 / 06 die härteste seit 50 Jahren (AERI, 2005) Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA • Zwischen 1957 und 2004 hat sich der Konvektionsgürtel im Atlantik, der warme Strömungen nach Europa transportiert und wichtig für die Meeresströmungen in der Karibik ist, um 30% reduziert (Bryden et al., 2005). National Academy of Sciences. 2005 Der Klimawandel hat zu einem signifikativen Anstieg der Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse, wie Hurrikans geführt (Emanuel, 2005). Zum ersten Mal in der Geschichte wurde 2004 ein Hurrikan im Südatlantik registriert (Catarina; Pezza, 2005). Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA • • Der mittlere Temperaturanstieg liegt in Mesoamerika bei 0.6 oC; 2005 war das wärmste Jahr im gesamten Jahrhundert (NASA, 2005). Der Anstieg der Meereswasser-Temperaturen führt durch das Abschmelzen von Polareis und Gletschern, besonders aber durch die Ausdehnung des wärmeren Wassers zu Veränderungen in der Küstenlinie (Wigley, 2005). In Mesoamerika, mit ausgedehnten Küsten an Pazifik und Atlantik, die besiedelt und wirtschaftlich genutzt sind, werden bereits deutliche Auswirkungen beobachtet. Der globale Temperaturanstieg von 0.8 oC im vergangenen Jahrhundert liegt deutlich über den natürlichen Schwankungen und Tendenzen und hat menschliche Ursachen (New Scientist, 2005). Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA Zunahme von Trockenzeiten und Dürren verursachen Brände in Ökosystemen, die nicht auf Feuer eingestellt sind • Brände in Feuchtwäldern hinterlassen auch nach Jahren noch sichtbare Verwüstungsspuren; auch Feuer im Unterholz hat langfristige zerstörerische Wirkungen • Brände vermehren Ausstoss von CO2 in die Atmosphäre, wodurch wiederum der Treibhauseffekt erhöht wird. Foto: R. Jiménez; Selva Lacandona, Chiapas. Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA Einfüsse auf Ökosysteme und Biodiversität • Da einige Arten nicht in der Lage sind, sich an die neuen klimatischen und anderen Umweltbedingungen anzupassen, sind bereits deutliche Auswirkungen in einigen Nahrungsketten zu beobachten. • Der Klimawandel verursacht neben dem Habitatverlust oder – verlagerung auch in vielen Fällen zu einer Minderung in der Nahrungsversorgung – was wiederum zu einer reduzierten Vermehrungsrate einiger Arten führt. Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA Einfüsse auf Ökosysteme und Arten • Zahlreiche Tierarten treten bereits ausserhalb ihrer historischen Verbreitungsgebiete auf. Originäre Habitate reduzieren oder verlagern sich, oder sie verschwinden ganz. – 16 Schmetterlingsarten haben ihre Höhenspannen in den letzten 30 Jahren um mehr als 200 Höhenmeter nach oben verlagert (Wilson et al., 2005). – 36 Fischarten haben ihren Lebensraum nachweislich in kältere Gewässer verlagert (Perry, 2005). Monarch-Schmetterling: Wanderungsrouten von Nordnach Mittelamerika Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA Auswirkungen auf Ökosysteme, ihre Dienstleistungen und die Biodiversität • • • • • Vereinfachung / Reduktion von Gemeinschaften: einige Arten sind schwankungstoleranter als andere Zunahme von Krankheiten und Infektionen (z.B. Pilze bei Amphibien) Klimawandel begünstigt das Einwandern von invasiven Arten (z.B. Insekten in Baumrinden) Abnahme von Feuchtigkeit in Waldgebieten Veränderung der natürlichen Feuerereignisse (Zunahme von Häufigkeit und Intensität) Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA • 1998 wurden weltweit die höchsten je registrierten Meerestemperaturen verzeicnet. Experten gehen davon aus, dass etwa 10% aller Korallenbestände abstarben. Quelle: World Conservation Monitoring Center Klimawandel: bereits eingetretene Veränderungen in LA • Seit 1987 sind aufgrund der angestiegenen Temperaturen und der Trockenheitszunahme mehr als 20 der 50 bekannten Froscharten im Nebelwald von Monteverde in Costa Rica ausgestorben. – Der Befall von parasitären Pilzen hat mehr als 60% der 110 Froscharten Atelopus spp. aussterben lassen (Pounds and Puschendorf, 2004; Blaustein y Dobson, 2006). Bufo periglens in Monteverde, Costa Rica. Pilz, befallene Hautzellen von Bufo, Panama Batrachochytrium dendrobatidis Klimawandel: Vorhersagen über mittelfristige Auswirkungen in Mesoamerika Ökosysteme mit größter Anfälligkeit für Folgen des Klimawandels in Mesoamerika Korallenriffe Berg-Nebelwälder Mangroven und küstennahe Feuchtgebiete Sandstrände zur Eiablage von MeeresSchildkröten Klimawandel: Vorhersagen über mittelfristige Auswirkungen in Mesoamerika Es ist davon auszugehen, dass die ökosystemaren Dienstleistungen der Naturgebiete für den Menschen sich verändern werden – insbesondere die Nahrungsmittelproduktion, die Wasserspeicherkapazität und Trinkwasserbereitstellung, die Produktivität der Böden. Dies wird zu vermehrtem Druck auf Schutz- und andere Naturgebiete führen. Klimawandel: von der (Vor)sorge zum Handeln noch wichtiger, als besorgt zu sein ist es, aktiv zu werden….. Klimawandel: von der (Vor)sorge zum Handeln Klimawandel und Schutzgebiete Schutzgebiete spielen eine zentrale Rolle in den regionalen Strategien Mesoamerikas zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Eckpunkte im Rahmen SICA: • • • Das Vorgehen sollte systematisch und geplant sein, auf wissenschaftlichen Ergebnissen beruhen und die ökologischen Dynamiken und Entwicklungsszenarien einbeziehen. Eine langfristige Absicherung der Finanzierung sollte angestrebt werden. Regelmässiges Monitoring der Aktivitäten und Evaluierungen sollten sicherstellen, dass die Resultate in die angestrebte Richtung führen. Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Konnektivität / räumliche Dimension Angesichts des Klimawandels gewinnt das Konzept der Ökokorridore an Bedeutung: – Einrichtung von Schutz- und Restaurationszonen mit aktivem und systematischen Management unter Berücksichtigung von Umweltgradienten (Höhen- und Breitengrade) – Einrichtung von Korridoren entlang von Flussläufen – Management basierend auf landschaftsökologischen Kriterien (Einbezug von Abhängigkeiten und Verbindungen in zeitlicher und geographischer Dimension) Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Ökokorridore sind existentiell für Arten mit geringen Populationen oder Individuenzahlen Corredor de la Sierra Madre del Sur de Chiapas. Pavón (Oreophasis derbianus). Quetzal ( Pavón (Oreophasis derbianus) Quetzal (Pharomachrus mocinno) Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Kontinuität / zeitliche Dimension Mesoamerikanischer Ökokorridor: Stärkung von langfristigen Aktivitäten, strategische Raumnutzungsplanung unter Hinblick auf Resilienz und Adaptation Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Adaptives Management, um Folgen des Klimawandels zu begegnen Erste Schritte: - Vulnerabilitäts-Analyse durchführen - Szenarien des Wandels für die Region durchspielen, unter Einbezug der aktuellsten wissenschaftlichen Daten und potentiellen Auswirkungen (von–bis Skala, Einbezug der menschlichen Handlungsoptionen und ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel) Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Adaptives Management, um Folgen des Klimawandels zu begegnen - Reduzierung der aktuellen Gefährdungen (auch unter Hinblick auf negative Synergie-Effekte) - Vermeidung von Fragmentation von Habitaten, aktive Förderung von räumlichen Vernetzungen Förderung von strategischer Raumplanung Maximierung der aktiv gemanagten (Schutz)gebiete, um Handlungsoptionen und Entscheidungen auf größerer biogeographischer Skala zu ermöglichen Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Adaptives Management, um Folgen des Klimawandels zu begegnen - Gebiete zur Abpufferung von negativen Einflüssen auf fragile Ökosysteme vorsehen, die flexible Anpassungen von (traditionellen oder innovativen) Landnutzungssystemen ermöglichen - Erhalt von (repräsentativen) Ökosystemen unter Einbezug von Umweltgradienten (horizontal und vertikal) - gezielter Schutz von “reifen” Ökosystemen (Genpool; Old Growth Forests) - Erhalt von funktionalen Gruppen und Schlüsselarten (key species) - klein- und grossräumiger Schutz von klimatischen Rückzugsgebieten - angepasstes Feuermanagement (Zulassen von Bränden in toleranten Ökosystemen) Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Adaptives Management, um Folgen des Klimawandels zu begegnen - gezieltes Vorgehen gegen klimatisch bedingtes Vordringen von invasiven Spezies und Krankheiten (plagues), die Ökosysteme und Arten gefährden - Stärkung von angepassten waldbaulichen Techniken, die die langfristige Produktivität der Wälder sicherstellen; Vermeidung von kommerziellen Anpflanzungen mit nur einer Art; Förderung von Waldnutzungssystemen mit geringer Modifizierung des Ökosystemes (z.B. Gummizapfer, Paranuss-Sammler) Raumplanung unter Berücksichtigung von Erhalt größtmöglicher genetischer Vielfalt; Förderung der “Gesundheit” von Ökosystemen aktive Unterstützung der Migration von lokalen / gefährdeten Arten, u.a. durch Ansiedlung in neuen Gebieten (nach detaillierten Vorstudien über deren Eignung) ex situ Schutz von gefährdeten Spezies. Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Strategische Handlungsoptionen auf politischer Ebene • Regionale Koordination basierend auf nationalen Plänen zur Anpassung an den Klimwandel (National Adaptation Plan, NAP), im Sinne des Kyoto Protokolles • Förderung der transnationalen Zusammenarbeit zur Erhöhung der Resilienz von Ökosystemen und zur Einrichtung von grenzüberschreitenden Ökokorridoren / Schutzgebieten z.B. Programme zur großflächigen Wiederaufforstung oder Restauration von bewaldeten Berghängen und Wassereinzugsgebieten, auch zum Zweck der Katastrophenisikominderung Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Strategische Handlungsoptionen auf politischer Ebene • • Förderung der ökologischen Restauration, nach systematischen und wissenschaftlichen Kriterien, um die Adaptationsfähigkeit der Ökosysteme und Arten gezielt zu erhöhen. Kontrolle der Erosion in Gebieten, die im horizontalen oder vertikalen Sinne die Konnektivität sicherstellen sollen oder für die ökologische Restauration wichtig sind. siehe hierzu z.B. die internationalen Absprachen und PlanungsHandreichungen für ökologische Restauration, Society for Ecological Restoration International , 2005. Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Wissenschaft & Forschung • Förderung der systematischen und systemaren Erforschung der Auswirkungen des Klimawandels auf regionale und lokale Biodiversität: – Entwicklung von Modellen zur Visualisierung von zirkularen Klimaströmungen, Kartierung von Klimaeffekten und –szenarien (Saxon et al. 2005) – Erarbeitung von digitalen Modellen in großen Maßstäben, insbesondere der Küstenlinien (im Zentimeterbereich), um genaue Auswirkungen des Meeresspiegelanstieges in Raumnutzungsplanung berücksichtigen zu können – Ausloten von innovativen Optionen, um “Migrationskorridore” für Arten und Ökosysteme zu ermöglichen – basierend auf wissenschaftlichen Forschungserkenntnissen Festlegen von Indikator-Spezies, IndikatorÖkosystemen und einzelnen Habitaten, die geeignet sind, um früh Wandel und Auswirkungen anzuzeigen (spezielle Berücksichtigung in der Raumplanung) Klimawandel: strategische Handlungsoptionen Strategische Handlungsoptionen auf politischer Ebene • Stärkung des nationalen und regionalen Dialoges und der Kommunikation, um öffentliches Bewusstsein über Klimawandel und seine Folgen zu fördern • Förderung von Politiken zur Minderung des Klimawandels, zur Anpassung an die Auswirkungen desselben, u.a. durch strategische Raumplanung, die potentielle Veränderungsszenarien einbezieht • Berücksichtigung von Aspekten der Katastrophenrisikominderung insbesondere für die lokale Bevölkerung • Förderung der Handlungsfähigkeit / institutionelle Stärkung / Capacity building & development, besonders für staatliche und nicht-staatliche Organisationen, die mit der Erforschung oder der Umsetzung von Aktionen im Kontext des Klimawandels stehen Die Welt ist ein schöner Ort ... sie ist es wert, dass wir uns für ihren Erhalt einsetzen. Ernest Hemingway