MeeresumweltSymposium 2013 23. Symposium 11. bis 12. Juni 2013 Haus der Patriotischen Gesellschaft von 1765 Trostbrücke 4 - 6 20457 Hamburg Kurzfassungen der Vorträge Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit © Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Hamburg und Rostock 2013 www.bsh.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des BSH reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Kurzfassungen wurden in unveränderter Form übernommen und abgedruckt. Inhalt Dienstag, 11. Juni 2013 Wissenschaft goes Politik PAULINI, INGE Welterbe Meer – Das neue Gutachten des WBGU 9 EU-Richtlinien W EISS, ANDREA, KREUTLE, AXEL, BROEG, KATJA UND BARBARA FRANK Auf dem Weg zu Monitoring- und Maßnahmenprogrammen – Sachstand zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 13 INTERWIES, EDUARD Wie lässt sich der Nutzen von Meeresschutzmaßnahmen ermitteln? 16 RIETHMÜLLER, ROLF COSYNA: Küsten & Meere beobachten und eine Brücke zu den Nutzern schlagen 19 MAACK, GERD Arzneimittel im Meer - ein Problem für die Küste? 22 W ITT, JAN Die Interkalibrierung der Bewertungen der deutschen Küsten- und Übergangsgewässer nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - Phase 2 24 Meeres- und Küstennaturschutz PACKEISER, TIM Warum brauchen wir ein UN-Umsetzungsabkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt in Meeresgebieten jenseits nationaler Zuständigkeit? 29 Unterwasserschall in deutschen Gewässern - Beschreibung und biologische Bewertung anhand von Schallkarten SEIBEL, HENRIKE Auswirkungen von Unterwasserschall auf marine Wirbeltiere MAX SCHUSTER Lärmkarten für die deutsche Nord- und Ostsee 32 32 LÜDEMANN, KARIN Aktueller Stand der Entwicklung schallmindernder Maßnahmen bei Offshore-Rammungen 35 HÜPPOP, O MMO Vogelzug und Offshore-Windkraft – Kenntnisstand und Forschungsbedarf 37 STOCK, MARTIN Salzwiesen und Dünen an der Westküste von Schleswig-Holstein – Bestandserfassung und langjährige Entwicklung 40 Schifffahrt KOPPE, KATHARINA Blauer Engel - ein Umweltzeichen auch für Seeschiffe 45 HOLLSTEIN, HENDRIK Umweltschutz im Hafen 46 JANSSEN, FRANK SeatrackWeb – Ein europäisches Driftvorhersagesystem zum Schutz der Meeresumwelt 48 Mittwoch, 12. Juni 2013 Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen BEUSEKOM, J.E.E. Die Rolle der Schwebstoffe für die Eutrophierung des Wattenmeers Ergebnisse des WiMo-Projektes 53 DWORAK, THOMAS Der Nutzen von Maßnahmen zum Schutz der Ostsee gegen Eutrophierung Erkenntnisse aus einer Fallstudie 55 ERLER, RENÉ Pathogene Keime in der Nordsee - Risiken im Zeichen des Klimawandels 57 VAN LABRENZ, MATTHIAS Pathogene und toxische Bakterien in der Ostsee 59 Fischerei KRAUS, GERD Zum Stand der Dinge: Reformprozess der Gemeinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union 63 NEMECKY, STELLA Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik: die Umsetzung des Rückwurf-Verbotes 64 SALOMON, MARKUS Fischereimanagement in Meeresschutzgebieten: Hürden und Optionen der Konfliktlösung 66 LAMP, JOCHEN Fischerei als Bestandteil von Meeresraumplanung: Unmögliches oder Selbstverständlichkeit 69 NILSEN, BENTE M. Results of Fish Monitoring in the North Atlantic 72 Meeresmüll W ERNER, STEFANIE Ergebnisse der "European Marine Litter Conference" - wo geht die Reise hin? 77 ZIEBARTH, NADJA BUND-Müllkampagne - Comics für Seeleute und Modellprojekt "Plastikfreie Inselumwelt" 80 KUCZERA, MIRCO Mikroplastik in marinen Umweltproben – neues Analyseverfahren mittels FTIR Spektroskopie 82 Wissenschaft goes Politik Wissenschaft goes Politik 9 Welterbe Meer – Das neue Gutachten des WBGU Inge Paulini In den letzten 50 Jahren hat die Menschheit in den Meeren Veränderungen angestoßen, die seit Jahrmillionen beispiellos sind. Die Meere werden nicht nur höher, saurer und wärmer (WBGU, 2006), sie werden auch massiv überfischt, verschmutzt und zunehmend auch als letzte große Ressourcenquelle der Erde erschlossen. Neue technologische Möglichkeiten und der Zugang zu bisher eisbedeckten Gebieten leisten diesem Trend Vorschub. In der Arktis herrscht derzeit fast Goldgräberstimmung unter den Anrainerstaaten, auf die damit verbundenen Risiken hat das Umweltprogramm der Vereinten Nationen jüngst hingewiesen (UNEP, 2013). Auch die Überfischung der Meere geht bisher fast ungebremst weiter. Die Meere sind längst nicht mehr die unerschöpfliche Quelle, für die man sie einst hielt: Sie sind inzwischen ein fragiler und von der Menschheit intensiv genutzter, teilweise übernutzter Lebensraum. Dessen ungeachtet erfüllen die Meere für das gesamte Erdsystem unersetzbare Funktionen, nicht zuletzt als Speicher für CO2. Die Herausforderung in diesem Jahrhundert wird sein, die negativen Trends umzukehren, das globale Gemeinschaftsgut Meer wieder zu stabilisieren und in den Bereich der Nachhaltigkeit zurückzuführen. Wird die Menschheit Verantwortung für ihr Wirken auf das globale Gemeinschaftsgut Meer übernehmen? Der WBGU setzt darauf, die Meere insgesamt als „Erbe der Menschheit“ anzusehen und das SRÜ entsprechend weiter zu entwickeln. Diese paradigmatisch neue Sichtweise unterscheidet das vorliegende Gutachten von bisherigen Arbeiten. Im Vordergrund dieses Gutachtens stehen die Anwendungsfelder Energie und Ernährung. Meere bieten mit Wind, Wellen und Gezeiten ein großes Potenzial an erneuerbaren Energien. Welche Rolle könnten sie für die globale Energiewende spielen? Bis Mitte des Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung auf etwa 9 Mrd. Menschen ansteigen. Dies bedeutet, dass nicht nur ein weltweit wachsender Energiehunger sondern auch eine erhöhte Nachfrage nach Nahrungsmitteln befriedigt werden muss: Welche Rolle kann und sollte dabei die Ernährung aus dem Meer spielen? Wie werden sich Änderungen der Ernährungsweisen in aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländern auswirken? Und vor allem: Wie kann der gemeinschaftliche Umgang der Staaten mit den Meeren so weiterentwickelt werden, dass auch künftige Generationen eine intakte Meeresumwelt vorfinden? Wie können Schutz und nachhaltige Nutzung des „blauen Kontinents“ auch in Zukunft gesichert werden? Viel wird von der Steuerung von Meeresnutzungen und Meeresschutz abhängen, also von der Meeres-Governance. Im Zentrum stehen daher Fragen nach den Regeln für den nachhaltigen Umgang mit den Meeren und vor allem die Frage, wie ihre Umsetzung gesichert werden kann. Neben Antworten auf diese Fragen will das vorliegende Gutachten eine 10 Wissenschaft goes Politik integrierte Vision für einen langfristig nachhaltigen Umgang mit den Meeren liefern. Eine entsprechende neue Meerespolitik sollte ein Leitprojekt der Großen Transformation zur klimaverträglichen, nachhaltigen Gesellschaft sein. Der Text ist aus der Einleitung zum Gutachten „Welt im Wandel – Welterbe Meer“ entnommen, das am 5. Juni 2013 an die Bundesregierung übergeben wurde. Literatur: UNEP (2013): Emerging Issues in our Global Environment, UNEP Year Book 2013, Nairobi. WBGU (2013): Welt im Wandel – Menschheitserbe Meer, Berlin. WBGU (2006): Welt im Wandel – Die Zukunft der Meere: zu hoch, zu warm, zu sauer, Berlin. Anschrift der Vortragendin: Dr. Inge Paulini Generalsekretärin Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) Luisenstraße 46 D-10117 Berlin Email: [email protected] EU-Richtlinien EU-Richtlinien 13 Auf dem Weg zu Monitoring- und Maßnahmenprogrammen – Sachstand zur Umsetzung der MeeresstrategieRahmenrichtlinie Andrea Weiss, Axel Kreutle, Katja Broeg, Barbara Frank Das Ziel der EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG, MSRL) ist es, bis zum Jahr 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen oder zu erhalten. Die MSRL gibt für die Erstellung regional koordinierter und kohärenter Meeresstrategien zur Erreichung dieses Zieles einen Aktions- und Zeitplan vor. Danach mussten die Mitgliedsstaaten bis 2012 den aktuellen Umweltzustand ihrer Meeresgewässer bewerten, einen guten Umweltzustand der betreffenden Gewässer beschreiben und Umweltziele sowie ihre beschreibenden Indikatoren festlegen. Hierauf aufbauend sind bis 2014 Monitoringprogramme für die laufende Bewertung und regelmäßige Aktualisierung der Umweltziele von den Mitgliedstaaten zu erstellen und bis spätestens 2015 Maßnahmenprogramme zur Erreichung bzw. Aufrechterhaltung des guten Umweltzustands zu etablieren. Bis 2016 sind die Maßnahmenprogramme praktisch umzusetzen. Die Bewertung der deutschen Teile der Nord- und Ostsee im Jahr 2012 fand ausschließlich auf der Grundlage von Ergebnissen bereits vorliegender Bewertungen statt. Dabei zeigte sich, dass die Daten und Bewertungsverfahren in ihrer zeitlichen, räumlichen und fachlichen Abdeckung lückenhaft und z.T. nicht hinreichend belastbar sind, um den zukünftigen Anforderungen der MSRL in Bezug auf Zustandsbewertung und Ziel- und Maßnahmenbestimmung in ausreichendem Maße gerecht zu werden. Künftig ist eine eigenständige Zustandsbewertung der Meeresgewässer für die MSRL mit Hilfe einer Reihe von Status-, Belastungs- und Umweltziele-Indikatoren und eine entsprechend gezielte Erfassung von Merkmalen des Ökosystems sowie von menschlichen Aktivitäten und ihren Auswirkungen erforderlich. Diese Herausforderungen werden derzeit themenbezogen mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf nationaler, regionaler und EUEbene angenommen und bearbeitet. Die MSRL umfasst alle Meeresgewässer unter nationaler Jurisdiktion und ist thematisch sehr breit angelegt. Elf Deskriptoren beschreiben qualitativ den guten Umweltzustand in Bezug auf alle wesentlichen Meeresschutzthemen wie Biodiversität, nicht-einheimische Arten, kommerzielle Fisch- und Schalentierbestände, Nahrungsnetze, Integrität des Meeresbodens, Hydrografie, Eutrophierung, Schadstoffe, Müll und Lärm. Die Deskriptoren geben eine Struktur für Monitoring, Bewertung und Bewirtschaftung der Meeresgewässer vor. Manche Aspekte der MSRL werden bereits durch bestehende Monitoringprogramme erfasst, andere müssen neu aufgenommen werden. Die MSRL baut auf das Bestehende auf und integriert dieses, um die Vereinbarkeit der verschiedenen Regelungsrahmen, die regionale Kohärenz und die Synergien bei ihrer Umsetzung zu unterstützen. Relevante bestehende EU-Regelungen für Monitoring, Bewertung 14 EU-Richtlinien und Bewirtschaftung von Teilaspekten der MSRL umfassen zum Beispiel die Wasserrahmen-Richtlinie, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die Vogelschutz-Richtlinie und die Gemeinsame Fischereipolitik. Weitere wichtige Grundlagen sind die langjährigen Arbeiten der Trilateralen Wattenmeer Zusammenarbeit und der regionalen Meeresschutzübereinkommen, OSPAR für den Nordost-Atlantik und HELCOM für die Ostsee, die einen wesentlichen Bestand an Monitoringwerkzeugen, -methoden und -standards sowie Bewertungsverfahren für zahlreiche MSRLAspekte bereitstellen. Die Vertragsstaaten von OSPAR und HELCOM haben sich in den letzten Jahren den Herausforderungen der MSRL auf regionaler Ebene gestellt und entwickeln gemeinsame Indikatoren und entsprechende Monitoringprogramme, die für die jeweilige Meeresregion zur Anwendung kommen werden. Für die Erstellung von nationalen Monitoringprogrammen für die MSRL bedeutet dies eine Anpassung und Ergänzung des Bund/Länder-Messprogramms und der regionalen Monitoringprogramme, um räumliche und fachliche Lücken zu schließen. Für einige Themen, wie zum Beispiel Nahrungsnetze, Meeresmüll und Unterwasserlärm, bestehen noch erhebliche Wissenslücken, die durch Unterstützung von laufenden und geplanten Forschungsprojekten geschlossen werden. Die Ergänzung und Optimierung des bestehenden Monitoring durch Einbindung alternativer Datenerfassungsverfahren und verstärkter, auch arbeitsteiliger Kooperationen auf nationaler und internationaler Ebene wird ein wichtiger Aspekt sein bei der Überprüfung bestehender und der Konzeption künftiger Messprogramme. Eine Zusammenfassung des nationalen MSRL-Monitoringprogramms für Nord- und Ostsee wird am 15. Oktober 2013 im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung für die MSRL in ein schriftliches sechsmonatiges Anhörungsverfahren gehen. Die Detailarbeiten an den Messprogrammen werden daneben kontinuierlich weitergeführt. Daneben haben auf nationaler, regionaler und EU-Ebene die Arbeiten zur Erstellung von Maßnahmenprogrammen zur Umsetzung der MSRL begonnen. Auch hier ist die Einbindung bestehender Systeme – wie die Ausweisung von Schutzgebieten nach der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie (Natura 2000 Schutzgebiete), die Maßnahmen in Bezug auf landseitige Verschmutzungsquellen z.B. gemäß der Wasserrahmen-Richtlinie oder Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik – wesentlich. Es stellen sich insgesamt eine Vielzahl methodischer, juristischer und praktischer Fragen der Umsetzung, über die derzeit auf EU-Ebene ein gemeinsames Verständnis entwickelt wird. EU-Richtlinien Anschrift der Vortragendin: Andrea Weiß MSRL Sekretariatsfunktion im BMU-Geschäftsbereich Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau E-Mail:[email protected] 15 16 EU-Richtlinien Wie lässt sich der Nutzen von Meeresschutzmaßnahmen ermitteln? Eduard Interwies Der folgende Vortrag präsentiert die Erkenntnisse, die im vom Umweltbundesamt geförderten Forschungsvorhaben "Methodische Grundlagen für sozio-ökonomische Analysen sowie Folgenabschätzungen von Maßnahmen einschließlich Kosten-Nutzen Analysen nach EGMeeresstrategie-Richtlinie (MSRL)" gewonnen wurden. Der Vortrag basiert entsprechend auf der Arbeit des gesamten Projektteams, neben Hr. Interwies (Projektleitung): Christine Bertram (IfW, Kiel), Thomas Dworak (Fresh Thoughts, Wien), Rainer Friedrich (IER, Stuttgart), Stefan Görlitz (InterSus, Berlin), Claas Hiebenthal (GEOMAR, Kiel), Ulrike Kugler (IER, Stuttgart), Philipp Preiss (IER, Stuttgart), Jutta Reumann-Schwichtenberg (IER, Stuttgart), Katrin Rehdanz (IfW, Kiel). Die Ziele des Forschungsvorhabens waren zweierlei: zum einen der Frage nachzugehen, welche ökonomischen Nutzen durch Meeresschutzmaßnahmen entstehen, und zum anderen zu untersuchen, wie die Nutzen einer solchen Maßnahme quantifiziert und in die Analyse einbezogen werden können. Zu berücksichtigen war dabei insbesondere, dass in Deutschland bislang wenig Erfahrung mit der Durchführung von monetären Kosten-Nutzen Analysen (KNA) im Umweltbereich existiert. Im Projekt wurden zuerst ein methodisches Vorgehen, und darauf basierend ein Mengengerüst zur Monetarisierung von ökonomischen Nutzen von Meeresschutzmaßnahmen entwickelt. In einem international besuchten Stakeholder-Workshop wurden diese ersten Resultate den teilnehmenden Experten aus Politik und Wissenschaft präsentiert und mit ihnen diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass das gewählte Vorgehen unter den Teilnehmern grundsätzlich auf Zustimmung traf, und dass im Kontext der späteren Anwendung im Rahmen von KNA sowohl die Nachvollziehbarkeit des Vorgehens als auch die Transparenz im Umgang mit Unsicherheiten von großer Bedeutung für die maßnahmenauswählende Stelle sein würden. Das methodische Vorgehen ist daraufhin in zwei Fallstudien auf seine Praktikabilität und Einfachheit hin getestet worden. Die Erkenntnisse dieser Tests wurden zum Abschluss des Projektes in die Entwicklung einer Handlungsanleitung aufgenommen. Diese dient der Information und Anleitung von Entscheidungsträgern im "Dschungel der Nutzenbewertung nach MSRL", und liegt als eigenständiges Dokument vor. EU-Richtlinien 17 Außerdem wurde im Rahmen des Projekts eine Zahlungsbereitschaftsanalyse zur Eutrophierungsreduktion in der Ostsee durchgeführt, deren Ergebnisse in die Arbeiten des internationalen Forschungsnetzwerks BalticSTERN sowie in eine der o.g. Fallstudien eingeflossen sind. Im Projekt war von Beginn an deutlich, dass das Vorhaben in Bezug auf verfügbare Daten und Informationen an die Grenzen des Verfügbaren stoßen würde - dieses Aufzeigen der Grenzen des heute Möglichen war jedoch ausdrücklich gewünscht und geplant. Es hat sich im Verlauf des Vorhabens und insbesondere in der Bearbeitung der Fallstudien gezeigt, dass die schwerwiegendsten Daten- und Informationslücken in den folgenden Bereichen liegen: • • • • Grundlagenwissen zu den jeweiligen Belastungen (z. B. Meeresmüll): Höhe und Eintragspfade der jeweiligen Belastung, Lebensdauer und Schadenspotential. Grundlagenwissen zur Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen von Ökosystem und Sozio-Ökonomie: Zusammenhänge zwischen "Verbesserung der Qualität des Ökosystems" mit der damit verbundenen "Steigerung der Ökosystemdienstleistungen" bzw. der "Steigerung der ökonomischen Nutzen". Bewertungsstudien: fehlende Bezüge zur untersuchten Belastung, keine klare Trennung bzw. Bestimmung der untersuchten Nutzenkategorien, geringe Übertragbarkeit. Maßnahmen: potentielle Maßnahmen, inklusive Kosten und Wirksamkeit. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor bei der Nutzenermittlung ist die weit verbreitete Verwendung von Zahlungsbereitschaftsanalysen (ZBA), deren Nutzung durch vielfältige inhärente Schwächen - methodisch und im Design der jeweiligen Studie begründet - zu stark schwankenden und wenig belastbaren Ergebnissen führen. Bei der Übertragung von solchen Studienergebnissen aus anderen Weltregionen auf deutsche Verhältnisse - mit Hilfe eines sog. "benefit transfers" - addieren sich diese inhärenten Unsicherheiten mit den Unsicherheiten, die mit der Übertragung verbunden sind, zu einem hohen Niveau. 18 EU-Richtlinien Für die im Rahmen des Forschungsvorhabens zu erstellende Handlungsanleitung sind auf Grundlage der gewonnenen Einsichten folgende konkrete Empfehlungen gegeben und in die Handlungsanleitung aufgenommen worden: • • • Zur Verringerung der Unsicherheiten: Keine oder sehr eingeschränkte Verwendung von ZBA zur Herleitung von Nutzen, mit Ausnahme von auf den speziellen Verwendungszweck zugeschnittenen Studien (wie z. B. Meyerhoff/Angeli 2011). Bei der Quantifizierung/Monetarisierung von ökonomischen Nutzen stattdessen Verwendung von Schadenskosten (oder Marktpreisen) als Ausgangsdaten. Die Situation im Hinblick auf Daten- und Informationslücken ließe sich durch angepasste, speziell auf diesen Zweck zugeschnittene Forschungsvorhaben verbessern. Hier ist darüber hinaus auch wünschenswert, dass Sozio-Ökonomen in der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung (zu ökosystemaren Zusammenhängen in marinen Ökosystemen) hinzugezogen werden, um die Verwendbarkeit der in solchen Projekten generierten Erkenntnisse in sozio-ökonomischen Analysen verbessern zu können. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine zu einseitig auf die Monetarisierung jeden ökonomischen Nutzens ausgerichtete Herangehensweise an KNA im Prozess der MSRL-Implementierung als nicht durchführbar angesehen werden muss. Zu groß sind einerseits der Arbeitsaufwand, andererseits aber auch die Unsicherheiten, die die Verwendung solcherart generierter Ergebnisse im politischen Entscheidungsprozess sehr zweifelhaft erscheinen lassen. Es wird daher empfohlen, grundsätzlich deutlich zwischen belastbarer und nicht-belastbarer Datengrundlage zu unterscheiden, und nur erstere als Basis für die Generierung monetärer Werte zu benutzen. Nutzen, die nur über nicht-belastbare Daten quantifiziert werden könnten, sollten eher qualitativ beschrieben und bewertet, und in einer entsprechenden Entscheidungsfindungsmatrix (wie einer Multi-Kriterien Analyse) mit quantitativen Werten zusammengebracht werden. Anschrift des Vortragenden: Eduard Interwies InterSus - Sustainability Services Chodowieckistr. 2 10405 Berlin E-Mail:[email protected] EU-Richtlinien 19 COSYNA: Küsten & Meere beobachten und eine Brücke zu den Nutzern schlagen Rolf Riethmüller, Burkard Baschek, Gisbert Breitbach, Christiane Eschenbach, Hajo Krasemann, Wilhelm Petersen, Friedhelm Schroeder, Friedwart Ziemer In der Bewertung der integrierten Nordseeforschung Deutschlands der achtziger und neunziger Jahre formulierten die beteiligten Wissenschaftler drei dringliche Fragenkomplexe: • • • Welche Veränderungen in der Nordsee in den kommenden Jahrzehnten zu erwarten? In welchem Maße sind diese anthropogen und damit im Prinzip kontrollierbar? Welche Strategien der Beobachtung und des Küstenmanagements sind für eine nachhaltige Entwicklung angemessen? In einer Denkschrift schlug das Konsortium Deutscher Meeresforschung in diesem Zusammenhang den Aufbau eines integrierten Küstenobservatoriums aus Beobachtung, Datenassimilation und Modellierung vor. Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht erhielt im Weiteren Investitionsmittel zum Aufbau von COSYNA (Coastal Observing System for Northern and Arctic Seas) in enger Mitwirkung mit Partnern aus der deutschen Küstenforschung und zuständigen Behörden des Bundes und der Länder. Ein erstes Ziel von COSYNA ist das Bereitstellen einer umfassenden Beobachtungsinfrastruktur im Kontext wissenschaftlicher Fragen wie Stoffkreisläufe und –budgets, Algenblüten, der Bedeutung von Extremereignissen und weiterer Wetteranomalien. Als drängende aktuelle Entwicklung kommen die die lokalen und Fernwirkungen der Windparks in der Deutschen Bucht hinzu. Das zweite Ziel von COSYNA betrifft die Entwicklung und Demonstration neuer Methoden in der operationellen Ozeanographie: autonome Beobachtungssysteme für eine breite Palette von Zustandsvariablen, Harmonisierung unterschiedlicher Datenquellen und Datenassimilationstechniken. Dabei werden auch Fragen notwendiger Beobachtungsdichte in Raum und Zeit und Grenzen der Vorhersagbarkeit verschiedener Zustandsvariabler betrachtet. Nicht zuletzt werden die gewonnenen Beobachtungs- und Modelldaten routinemäßig dokumentiert und Nutzern visualisiert und frei zugänglich gemacht. 20 EU-Richtlinien Das Beobachtungsnetz von COSYNA besteht aus diversen autonomen Systemen, die routinemäßig Daten auf verschiedenen Raum- und Zeitskalen liefern: an Feststationen wird die zeitliche Dynamik einer Vielzahl von Parametern hoch aufgelöst, FerryBoxen auf Linienschiffen vermessen diese Messgrößen im Rhythmus von Tagen bis Wochen entlang von Schifffahrtsrouten in der südlichen Nordsee, in bestimmten Zeitperioden undulieren Glider im Gebiet nordwestlich von Helgoland und liefern zusätzlich Informationen über die Vertikalverteilung der Zustandsgrößen. Fernerkundungssysteme liefern flächendeckende Beobachtungen von der Wasseroberfläche: landgestützte Radarsysteme (X-Band, HF) liefern Strömungs- und teilweise Seegangsfelder in unterschiedlicher räumlicher Auflösung für große Teile der inneren Deutschen Bucht oder an kritischen Küstenpunkten; aus Satellitenmessungen der Ozeanfarbe werden mittels speziell für Küstengewässer entwickelte Algorithmen die Konzentrationen verschiedener Wasserinhaltstoffe hergeleitet. Bei der Auslegung des Netzwerkes wurde auf die Komplementarität mit dem MARNET des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) geachtet. Diese Daten werden innerhalb von Minuten bis Stunden in das Rechenzentrum des HZG übertragen und dort mit operationellen Filtern einer automatischen Qualitätsprüfung unterzogen. Sie stehen danach im COSYNA-Web-Portal frei zur Verfügung. Das Portfolio der COSYNA-Parameter umfasst somit in erster Linie Strömung, Wellen, Salzgehalt, Temperatur, Sauerstoff sowie Konzentrationen von Schwebstoff und Chlorophyll. Nach und nach werden komplexe Größen wie hochgenauer pH oder Alkalinität den Routinemessungen hinzugefügt. Ergänzt werden die Routinemessungen durch gezielte Schiffskampagnen, in denen spezielle Prozesse untersucht und neue Messsysteme für den autonomen Routineeinsatz erprobt werden. Eine wichtige Komponente ist die mit verschiedenen Forschungseinrichtungen gemeinsam vorangetriebene Entwicklung von Unterwasserknoten, an die namentlich Systeme zur Bestimmung turbulenter Flüsse oder abbildende optische Systeme gekoppelt werden, mit denen über längere Zeiträume Austauschprozesse an der Grenzschicht Boden-Wasser oder die Dynamik höherer trophischer Ebenen untersucht werden. Im „Post-processing“ wird die Produktpalette von COSYNA erweitert durch komplexere Parameter, wie zu Beispiel Wärme- und Süßwasserflüsse im Wattenmeer oder lokale Tiefenfelder aus den Messungen des X-Band Radars. Das derzeit am weitesten entwickelte Produkt ist die pre-operationelle Bereitstellung von Strömungsfeldern aus stündlichen HFRadar-Beobachtungen, die mit einer neuartigen Kalman-Filter-Variante in ein mitlaufendes Strömungsmodell für aktuellen Status und mehrstündige Vorhersage assimiliert werden. EU-Richtlinien 21 Brücken zu diversen Nutzern werden auf vielfältige Weise geschlagen. Im Zentrum steht das COSYNA-Datenportal, das alle bisherigen und aktuellen Beobachtungsdaten in dokumentierter Weise im Internet frei zur Verfügung stellt. COSYNA ist hier sowohl Kooperationspartner der Marinen-Daten-Infrastruktur-Deutschland (MDI-DE) als auch Partner beim Marine Network for Information and Data Access (MaNIDA) dem zukünftigen "Portal Deutsche Meeresforschung". Neben allgemein Interessierten sind hier bisher Wissenschaftler diverser Einrichtungen im In- und Ausland Hauptnutzer. Bezüglich der operationellen Entwicklungen sind die zuständigen Behörden wie das BSH im Hinblick auf die Übernahme entsprechend angepasster Methoden Adressaten. Von Bedeutung für den Küstenschutz sind die Radar-Verfahren zur Veränderung von Bathymetrien oder die Weiterentwicklung genauerer Seegangsvorhersagen. Eine zukünftiger Schwerpunkt von COSYNA werden die Auswirkungen der Windparks auf den Zustand der Deutschen Bucht sein, u. a. die Veränderungen der Seegangsfelder im Bereich und im Schatten der Windparks oder zuverlässigere kleinräumige Vorhersagen von Wind, Strömung und Seegang für Perioden von Bauoder Wartungsarbeiten. Verschiedene Foren bieten einen strukturierten Rahmen für den Dialog mit möglichen Nutzern. Im COSYNA Scientific Steering Comittee werden regelmäßig Ergebnisse aus COSYNA und daraus folgende Strategien mit den Partnern aus Wissenschaft und interessierten Behörden diskutiert. Dieser Diskurs über die verschiedenen COSYNA-Produkte soll intensiviert werden durch Nutzerworkshops. Gemeinsam mit dem BSH ist konkret ist ein Nutzerworkshop für Offshore Windparkbetreiber im Herbst dieses Jahres geplant. Anschrift des Vortragenden: Dr. Rolf Riethmüller Institut für Küstenforschung Helmholtz-Zentrum Geesthacht Zentrum für Material- und Küstenforschung Max-Planck-Strasse 1 21502 Geesthacht E-Mail:[email protected] 22 EU-Richtlinien Arzneimittel im Meer - ein Problem für die Küste? Gerd Maack Hintergrund 2012 wurden allein in Deutschland Humanarzneimittel mit mehr als 3000 Wirkstoffen, mit einer Gesamtmenge von fast 30.000 Tonnen, verwendet. Tierarzneimittel wurden 2011 ca. 3.000 Tonnen verbraucht, wobei mengenmäßig Antibiotika die mit Abstand größte Rolle spielten. Arzneimittel sind auf Stabilität optimiert. Sie sollen erst am Zielort wirken und den Transport dorthin über Magen, Darm und Haut überstehen. Deshalb sind mehr als 90% aller Arzneimittel biologisch nicht leicht abbaubar, mit der Konsequenz, dass viele Wirkstoffe zu einem großen Anteil den Körper unverändert wieder verlassen. Arzneimittel gelangen so, hauptsächlich als Nebeneffekt des bestimmungsgemäßen Gebrauchs, in die Umwelt. Die unsachgemäße Entsorgung von Humanarzneimittel ist im Vergleich dazu mengenmäßig nicht ganz so bedeutend. Tierarzneimittel gelangen ebenfalls über die Ausscheidungen, aber auch als Wirtschaftsdünger in die Umwelt. Wirkungen in der Umwelt Arzneimittel entfalten bei Lebewesen in der Umwelt ähnliche oder sogar gleiche Effekte wie bei Menschen und den behandelten Tieren. So wirken Antibiotika auch gegen die Bakterien im Klärschlamm. Hormone zeigen bei Fischen eine vergleichbare Wirkung wie beim Menschen. Der Wirkstoff Ethynylestradiol z.B. ist ein Hauptbestandteil von vielen Kontrazeptiva. In Laborversuchen aber auch in Freilandversuchen konnte gezeigt werden, dass Konzentrationen, wie sie in der Umwelt gemessen werden, die Reproduktion komplett inhibieren. Hinzu kommt, dass bei den meisten Fischarten die Geschlechtsentwicklung nicht, wie z.B. bei Säugetieren, genetisch determiniert ist, sondern von mehreren Faktoren abhängig ist. So ist es möglich, durch externe Hormongabe das Geschlecht der Fische zu verändern, was in der Umwelt für Populationen als auch für das Ökosystem nicht absehbare Folgen haben kann. Effekte in Küstengewässer Die Aalmutter (Zoarces vivparus) ist ein lebendgebärender, standorttreuer benthischer Küstenbewohner. Deshalb wird diese Spezies u.a. von mehreren Anrainerstaaten der Ost- und Nordsee als Bioindikator genutzt. In einem Langzeitprojekt an der mecklenburgischen Ostseeküste sowie an 2 Standorten in der Nordsee wurden die Gonaden der Aalmutter untersucht. Bei allen Standorten wurde ein hoher Prozentsatz an Fischen mit Intersex gefunden. EU-Richtlinien 23 Viele Männchen hatten sowohl männliche, als auch weibliche Gonadenzellen. Im Gegensatz dazu trat dieser Effekt bei der schwedischen Referenzstation überhaupt nicht auf. Bei weiblichen Tieren wurde in dem Projekt ein hoher Prozentsatz mit degenerierten, abgestorbenen ungeborenen Larven in weiblichen Aalmuttern gefunden (Atresie). Messungen von Pharmazeutika in Küstengewässer Messungen von Arzneimitteln in deutschen Küstengewässern finden nicht regulär statt. Bei allen bislang durchgeführten Messkampagnen konnten aber verschiedene Arzneimittel nachgewiesen werden. Die gemessenen Werte sind in der Regel niedriger als in Flüssen oder Seen. Verbindliche Umweltqualitätsnormen für Arzneimittel gibt es derzeit nicht. Die Bewertung der gemessenen Konzentrationen ist aufgrund der geringen zeitlichen und geographischen Abdeckung schwierig. Zudem sind die Konzentrationen von Einzelstoffen wenig aussagekräftig, da die Lebewesen im Wasser diversen Wirkstoffen mit ähnlichen Wirkweisen, die sich in ihren Wirkungen ergänzen, gleichzeitig ausgesetzt sind. Da einige der potenten Steroide schon in Konzentrationen Wirkungen zeigen, in denen analytische Methoden zur Zeit an technische Grenzen stoßen, sollte darüber nachgedacht werden, bioanalytische Verfahren in ein notwendiges Monitoring mit einzubeziehen. Anschrift des Vortragenden: Dr. Gerd Maack Umweltbundesamt, Fachgebiet IV.2.2 Arzneimittel Wörlitzer Platz 1 06846 Dessau E-Mail: [email protected] 24 EU-Richtlinien Die Interkalibrierung der Bewertungen der deutschen Küstenund Übergangsgewässer nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - Phase 2 Jan Witt Die Interkalibrierung ist ein europäisches Projekt das seit 2004 parallel zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) von den Mitgliedstaaten (MS) mit hohem personellem und finanziellem Aufwand zu den Gewässerbewertungen der jeweiligen geografischen Regionen durchgeführt wird. Ziel ist es die nationalen Bewertungen der MS nach objektiven Kriterien vergleichbar zu machen. Insbesondere wenn gemeinsame Gewässer oder Gewässer gleichen Typs bewertet werden ist ein gemeinsamer Bewertungsmaßstab bzw. ein vergleichbares Ergebnis unerlässlich und ein Kernanliegen der WRRL. Neben einer europaweiten Vergleichbarkeit sind bei Erfolg dieses Projektes in allen Ländern gleiche und überprüfbare Standards für die Bewertung und die Ableitung von möglicherweise kostspieligen Maßnahmen für die Verbesserung der Gewässer (Guter Zustand bis 2027) vorhanden. Für die weitreichenden Vorgaben der WRRL (Verschlechterungsverbot, Verbesserungsgebot bei Gewässern im nicht guten ökologischen Zustand) müssen vergleichbare Maßstäbe für die Gewässerbewertung herangezogen werden. Nach einer pilothaften ersten Phase von 2005-2008 (Decision 2008) wurde jetzt die Phase 2 von 2009-2011 (Decision 2012) mit zahlreichen Ergebnissen (Vergleichbare Grenzwerte der Bewertungsmetriks) abgeschlossen. In einer jetzt beginnenden Phase 3 (2013-2016) sollen alle noch ausstehenden Bewertungsverfahren und damit alle Gewässertypen und biologischen Komponenten interkalibriert werden. Die Arbeit in den geografischen Interkalibrationsgruppen (GIGs) wird von deutschen Experten für die Küsten- und Übergangsgewässer in der NEA GIG (Nordsee) und der Baltic GIG (Ostsee) zu den biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Zoobenthos, Makrophyten und Fischen begleitet. Die Daten werden zusammengetragen und gemeinsam anhand einer vorgegebenen Methode einer CIS-Guidance bearbeitet. Die Ergebnisse der Phase 2 werden kurz dargestellt und erläutert. Die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Charakterisierung (Typologie) der Wasserkörper, der verschiedenen Datensätze, Vergleich der Bewertungsverfahren und der Nachweis des erforderlichen Bezugs der Bewertung zum jeweiligen Stressor werden an Beispielen veranschaulicht. EU-Richtlinien 25 Die Vorteile und Nachteile eines solchen sehr aufwändigen und langwierigen Vorgehens bei der Umsetzung einer europäischen Richtlinie werden anhand der Erfahrungen in diesem Prozess diskutiert. Anschrift des Vortragenden: Dr. Jan Witt Flussgebietsmanagement Übergangs-/Küstengewässer NLWKN Betriebsstelle Brake / Oldenburg Ratsherr-Schulze-Str. 10 26122 Oldenburg E-Mail:[email protected] Meeres- und Küstennaturschutz Meeres- und Küstennaturschutz 29 Warum brauchen wir ein UN-Umsetzungsabkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt in Meeresgebieten jenseits nationaler Zuständigkeit? Tim Packeiser Mehr als 60% der Ozeane liegen jenseits der Ausschließlichen Wirtschaftszonen der Küstenstaaten und damit jenseits nationaler Zuständigkeit. In den letzten Jahren hat die Nutzung dieser Meeresgebiete, der sog. Hohen See, deutlich zugenommen - unter anderem durch Fischereiaktivitäten, Schifffahrt oder zuletzt verstärkt durch die Erkundung von mineralischen Rohstoffen in der Tiefsee. Entsprechend ist auch die marine biologische Vielfalt in diesen Meeresgebieten zunehmend den Einflüssen menschlicher Aktivitäten ausgesetzt. Die Nutzung der Meeresgebiete jenseits nationaler Zuständigkeit wird durch einen Rechtsrahmen bestimmt, welcher sich aus dem Völkergewohnheitsrecht, dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ/UNCLOS) sowie einer Reihe von globalen und regionalen, vorwiegend sektoralen Vereinbarungen und Organisationen zusammensetzt. Das SRÜ regelt allgemein sowohl die Rechte wie auch die Verpflichtungen der Staaten bei der Nutzung der Hohen See. Während das SRÜ zwar eine allgemeine Verpflichtung zum Schutz der Meeresumwelt aufführt, so fehlen bis heute Ausführungen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der marinen Biodiversität. Vielmehr findet sich der Begriff “Biodiversität“ noch nicht einmal im SRÜ. Es gibt eine Vielzahl von internationalen Organisationen und multilateralen Konventionen, welche jeweils für eine spezifische geografische Region der Hohen See, für bestimmte menschliche Aktivitäten oder auch einzelne Fischarten zuständig sind, u.a. das Fish Stocks Agreement der Vereinten Nationen (UNFSA), regionale FischereimanagementOrganisationen (RFMOs), die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) oder die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA). Allerdings existieren zwischen diesen Organisationen und Abkommen keine oder nur sehr begrenzte Koordinations- oder Kooperationsmechanismen. Im Vergleich dazu finden sich nur sehr wenige regionale oder internationale Organisationen mit einem expliziten Mandat und der dazugehörigen Autorität, die marinen Ökosysteme der Hohen See zu schützen und zu bewahren. Es gibt bis heute immer noch keine Institution mit der Befugnis, in diesen Gebieten sektorenübergreifende Nutzungskonflikte aufzulösen, kumulative Auswirkungen der unterschiedlichen Nutzungsformen zu adressieren oder sensible Ökosysteme zu identifizieren und gleichzeitig gegen die relevanten Eingriffe zu schützen. 30 Meeres- und Küstennaturschutz Es ist weiterhin nicht möglich, global verbindliche Meeresschutzgebiete in der Hohen See auszuweisen. Bis dato sind dort Umweltverträglichkeitsprüfungen oder strategische Umweltprüfungen vor der Durchführung menschlicher Aktivitäten nicht verbindlich geregelt. Auch gibt es keinen zentralisierten, globalen Mechanismus zur Überwachung der Einhaltung der diversen, vereinbarten Regelungen. Diese Schwachstellen im bestehenden Regelwerk sowie der institutionellen Landschaft machen es unmöglich, ein ökosystem-basiertes Management menschlicher Aktivitäten in der Hohen See umzusetzen und die dort vorhandene Vielfalt an Lebensräumen, Arten und Ressourcen zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Das für die Hohe See geltende Regime ist - noch - nicht an die Situation und Entwicklungen im 21. Jahrhundert angepasst. Im Rahmen der UNCSD, dem “Rio+20-Gipfel“ der internationalen Staatengemeinschaft im Juni 2012 in Rio de Janeiro/Brasilien, sind die Staats- und Regierungschefs unter anderem unter großer Aufmerksamkeit die folgende Verpflichtung eingegangen: "[…] before the end of the 69th Session of the United Nations General Assembly we commit to address, on an urgent basis, the issue of the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction, including by taking a decision on the development of an international instrument under UNCLOS." (§ 162 des UNCSD-Abschlussdokumentes “The Future We Want”). Ein Durchführungsabkommen als Ergänzung zum SRÜ, welches den Schutz und die nachhaltige Nutzung mariner Biodiversität in Meeresgebieten jenseits nationaler Zuständigkeit verbindlich regelt, könnte die bestehenden Schwachstellen im derzeitigen Regime beheben. Ein solches Abkommen könnte u.a.: • • • • ein explizites Mandat zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der marinen biologischen Vielfalt in Meeresgebieten jenseits nationaler Zuständigkeit ausweisen; Prinzipien und Mechanismen der Kooperation der bestehenden regionalen und globalen Organisationen spezifizieren; den Prozess und die Verantwortlichkeiten für die Identifizierung, Einrichtung und das Management von global verbindlichen Meeresschutzgebieten in der Hohen See festlegen; den Prozess und die Verantwortlichkeiten für die Durchführung von umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfungen vor der Durchführung von Aktivitäten mit potentiell negativen Auswirkungen in der Hohen See festlegen; Meeres- und Küstennaturschutz • • • 31 den Zugang zu genetischen Ressourcen in der Hohen See gerecht regeln und einen Vorteilsausgleich aus deren Nutzung sicherstellen; ein zentrales Überwachungssystem für alle in der Hohen See operierenden (Fischerei-) Schiffe etablieren; den Aufbau von adäquaten Kapazitäten in Entwicklungsländern fördern. Anschrift des Vortragenden: Tim Packeiser Hohe See & Marine Ökoregionen WWF Deutschland Internationales WWF-Zentrum für Meeresschutz Mönckebergstraße 27 20095 Hamburg E-Mail: [email protected] 32 Meeres- und Küstennaturschutz Unterwasserschall in deutschen Gewässern - Beschreibung und biologische Bewertung anhand von Schallkarten Auswirkungen von Unterwasserschall auf marine Wirbeltiere Henrike Seibel Lärmkarten für die deutsche Nord- und Ostsee Max Schuster Die Beurteilung der Auswirkungen von Unterwasserschall auf marine Wirbeltiere (Schweinswale, Seehunde, Kegelrobben und Fische) - auf einer wissenschaftlichen Grundlage - ist bisher nur ansatzweise möglich. Für die artenschutzrechtlichen Prüfungen im Rahmen von Genehmigungsverfahren sind daher zusätzliche, grundlegende Forschungen zu den Auswirkungen von Unterwasserschall insbesondere auf marine Wirbeltiere erforderlich. In diesem Cluster wird anwendungsorientierte Forschung zu einer möglichen Beeinflussung der belebten Natur durch menschengemachten Lärm betrieben. Ziel ist es, überprüfbare Standards zur Bewertung des Einflusses von Unterwasserschall auf marines Leben zu entwickeln. Das vom ITAW der TiHo Hannover in Büsum in enger Zusammenarbeit mit dem BfN koordinierte Cluster 7 untersucht dabei ein breites Aufgabenspektrum. In Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern (Universität Aarhus; DW-ShipConsult GmbH; Universität Liege; IMARES; DMM Stralsund, HZG) und Einrichtungen (Fjord&Baelt Kerteminde; Delphinarium und Rehabilitationszentrum Harderwijk; Seehundstation Friedrichskoog e.V.; Marine Station Hel) werden in verschiedenen Teilprojekten das Hörvermögen von Schweinswalen und Robben erforscht sowie Untersuchungsansätze zu möglichen Schädigungen von Fischen durch impulsartige Schallereignisse entwickelt. Zudem werden die akustische Belastungsgrenze und mögliche Stressreaktionen durch anthropogenen Unterwasserlärm bei Schweinswalen untersucht. Darüber hinaus sollen freilebende Robben und Schweinswale mit einem automatischen Fahrtenschreiber ausgestattet werden, der gleichzeitig die aktuelle Schallbelastung der Tiere im Wasser aufzeichnen kann. Ziel solcher Untersuchungen ist das bessere Verständnis möglicher Verhaltensänderungen der Tiere (Flucht, Tauchverhalten, Abwanderung aus den „lauten“ Gebieten) nach Unterwasserschallereignissen. Zur Vervollständigung der Informationen über Lärm im Meer wird in den Natura 2000 Schutzgebieten der Nord- und Ostsee eine Schallkartierung mittels Unterwassermikrofonen durchgeführt werden. In Absprache mit anderen Institutionen und dem Cluster 2 soll dann ein Konzept für ein standardisiertes Messverfahren zur Schallkartierung entwickelt werden. Meeres- und Küstennaturschutz 33 Im Rahmen des Projekts „Cluster 7“ wird der momentane akustische Zustand der Natura2000 Gebiete in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone durch Schallmessungen untersucht. Die Messungen werden mithilfe autonomer Rekorder über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten aufgezeichnet, sodass eine umfangreiche Datengrundlage diverser Umweltzustände vorliegt. Im Jahr 2012 wurden Messungen an 8 Orten in den Schutzgebieten der Ostsee aufgezeichnet. Im Sommer 2013 folgt eine Datenerhebung in der Nordsee. Anhand der Messdaten werden Eindrücke von diskreten Messpunkten gewonnen, die eine statistische Auswertung durchlaufen. Damit ist es möglich, die akustische Belastung zeitliche Verteilung des Hintergrundschalls präzise zu erfassen und in Frequenzspektren darzustellen. Mit den Spektren werden Aussagen über den Beitrag natürlicher Schallquellen (Wind, Wellen, Regen) sowie menschlicher Quellen (z.B. Schifffahrt) abgeleitet. Darüber hinaus ermöglichen Frequenzspektren eine Einordnung der biologischen Relvanz. Die Messungen sind sehr gut geeignet für die präzise Erfassung des akustischen „Ist“-Zustands eines Gewässers. Wegen der großen räumlichen Abstände zwischen den Rekordern sind die Messungen alleine aber nicht für eine Darstellung in Form von Schallkarten geeignet. Eine ausreichend hohe räumliche Auflösung für die Darstellung der akustischen Informationen in Form von Schallkarten kann derzeit nur durch Simulation gewonnen werden. Im Auftrag des Umweltbundesamts wird derzeit eine Software entwickelt, die es ermöglicht, Hintergrundschall als farbige Karten darzustellen. Damit können akustische Quellen beliebig kombiniert werden, sodass das Einflussgebiet zusätzlicher Lärmerzeuger wie z.B. offshoreBauwerke während der Installation grafisch dargestellt und im Kontext anderer Hintergrundgeräusche bewertet werden kann. Der Vortrag zeigt erste Ergebnisse der beiden Vorhaben. 34 Meeres- und Küstennaturschutz Anschriften der Vortragenden: Dr. med. vet. Henrike Seibel Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) Werftstrasse 6 25761 Büsum E-Mail: [email protected] Max Schuster DW-ShipConsult GmbH Lise-Meitner-Str. 1 - 7 24223 Schwentinental E-Mail: [email protected] Meeres- und Küstennaturschutz 35 Aktueller Stand der Entwicklung schallmindernder Maßnahmen bei Offshore-Rammungen Karin Lüdemann und Sven Koschinski Derzeit sind in der Nordsee 26 und in der Ostsee 3 Offshore Windparks (OWPs) genehmigt, weitere 81 bzw. 17 sind beantragt. Damit soll das Ausbauziel der Bundesregierung erreicht werden, bis zum Jahr 2030 25.000 MW Leistung auf See zu installieren. Die Fundamente zur Gründung von Offshore Windenergieanlagen (OWEA) sind Monopiles, Tripods und Jacket-Fundamente als aufgelöste Gründungsstrukturen. Zu deren Verankerung müssen Stahlpfähle mit teilweise sehr großem Durchmesser in den Meeresboden eingebracht werden, was bislang meist durch Impulsrammung erfolgt. Dabei treten hohe Schalldrücke auf, die sich über große Entfernungen auf die Meeresumwelt auswirken können. Diese Schallemissionen haben ein hohes Verletzungs- und Störungspotenzial für marine Säugetiere, Fische und andere Meeresorganismen. Mögliche Schadwirkungen umfassen im Falle von Fischen in unmittelbarer Nähe der Schallquelle den sofortigen oder verzögert eintretenden Tod, bei allen Organismen Verletzungen wie z.B. die Zerstörung der Sinnesepithelien, die zeitweise oder permanente Taubheit (temporary/permanent threshold shift, TTS/PTS), die Maskierung biologisch relevanter Geräusche sowie sie Störung, erkennbar an Verhaltensreaktionen, und physiologische Reaktionen wie z.B. erhöhte Stresspegel. Bei der Errichtung des Offshore Windparks (OWP) alpha ventus wurden in einer Entfernung von 750 m von den Rammarbeiten Schallpegel von bis zu 174 dB (SEL) gemessen. Für die Verankerung in bis zu 40 m Tiefe waren für jeden der Gründungspfähle bis zu 8.700 Rammschläge erforderlich. Abhängig u.a. von der verwendeten Rammenergie und dem Pfahldurchmesser entstehen beim Bau ohne Schallschutzmaßnahmen derzeit Schalleinträge von über 180 dB (SEL) bzw. 200 dB peak-to-peak, gemessen jeweils in 750 m Entfernung. Damit wird der geltende Grenzwert von 160 dB (SEL) und 190 dB (peak-to-peak) überschritten. Darüber hinaus ist durch die Entwicklung immer größerer OWEA und den Bau von OWP an immer küstenferneren Standorten zu erwarten, dass die Pfahldurchmesser immer größer werden und damit auch die Schallemissionen noch steigen werden. Somit ist eine Minderung der bei den Errichtungsarbeiten entstehenden Schalldrücke notwendig. Zur Erreichung dieses Ziels gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege. Entweder wird die Ausbreitung der bei der Impulsrammung entstehenden Schalldrücke durch technische Schallminderungsverfahren reduziert, oder es werden alternative Gründungsvarianten verwendet, bei deren Errichtung deutlich geringere Schallemissionen auftreten. 36 Meeres- und Küstennaturschutz Es werden sowohl die unterschiedlichen Schallminderungssysteme als auch mögliche alternative Gründungsvarianten einschließlich der damit bislang erzielten Erfahrungen dargestellt. Das Schallminderungspotenzial und der Entwicklungsstand technischer Schallminderungssysteme wie Blasenschleier (großer, kleiner, gestufter, geführter) und unterschiedlich konstruierter Schallschutzmäntel (IHC Noise Mitigation System, BEKA-Schale) sowie von Kofferdamm-Applikationen und Hydroschalldämpfern werden beschrieben. Die alternativen Gründungsvarianten umfassen gebohrte oder schwimmende Fundamente, Schwergewichtsfundamente, die durch ihr hohes Eigengewicht am Meeresboden verankert werden, oder Bucketfundamente, die als überdimensionale „Eimer“ (sog. Caissons) durch Unterdruck im Boden festgesaugt werden. Anschrift der Vortragendin: Dipl.-Biol. Karin Lüdemann Biologin · Autorin · Projektmanagerin Wissenschaftsbüro Telemannstr. 56a 20255 Hamburg E-Mail:[email protected] Meeres- und Küstennaturschutz 37 Vogelzug und Offshore-Windkraft – Kenntnisstand und Forschungsbedarf Ommo Hüppop Die Errichtung von Windkraftanlagen kann sehr bald - neben der Fischerei - zum größten menschlichen Eingriff in den deutschen Meeresgebieten von Nord- und Ostsee werden. Derzeit sind zwar erst 76 Anlagen mit einer Leistung von 320 MW in Betrieb und 400 weitere im Bau (ca. 1.800 MW). Im Zuge der Energiewende sind aber Dutzende weiterer Windparks mit einer Leistung von bis zu 40.000 MW geplant. Nord- und Ostsee liegen im Zentrum von Vogelzugwegen der westlichen Paläarktis: Alljährlich überqueren Millionen Vögel auf ihren Wanderungen zwischen den Brutgebieten in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika und ihren Überwinterungsgebieten, die sich je nach Art irgendwo zwischen Mitteleuropa und dem südlichen Afrika befinden, auch die Deutsche Bucht und die Ostsee. Viele Arten nutzen das Gebiet zudem regelmäßig als Nahrungs-, Rast- oder Überwinterungsraum. Und auch Fledermäuse ziehen ähnlich wie Vögel über das offene Meer. Eine umfassende Quantifizierung und Qualifizierung des Vogelzugs sowie die Beurteilung möglicher Probleme mit Offshore-Windkraftanlagen ist äußerst schwierig. Nur eine Kombination verschiedener Methoden verspricht Erfolg. Mittels visueller und akustischer Beobachtungen und verschiedener technischer Ansätze wurde und wird versucht, ein möglichst breites Spektrum des Vogelzugs über See zu erfassen, vor allem (1) die beteiligten Arten, (2) die jahres- und tageszeitliche Zugintensität, (3) die Individuenzahlen, (4) die horizontale und vertikale Verteilung des Zugs, (5) das Ausweichverhalten oder die Attraktion an anthropogene Strukturen, (6) die Ursachen für Kollisionen mit Hindernissen und (7) den Einfluss des Wetters auf Verhalten und Kollisionsrisiko. Dies sind die Grundlagen, um den Umfang möglicher Auswirkungen abzuschätzen und Maßnahmen zur Verminderung und Vermeidung negativer Einflüsse zu entwickeln. Vogelzug findet zu allen Jahres- und Tageszeiten statt. Die Intensität variiert jedoch sehr stark und hängt hauptsächlich von Jahreszeit und Wetter ab. Unsere Daten bestätigten ganzjährig Flugbewegungen in allen untersuchten Höhen (Wasseroberfläche bis 2.000 m Höhe) mit höchsten Anteilen in den unteren 200 m und den stärksten Intensitäten in den Monaten März bis Mai und August bis Oktober. Beide Meere werden in breiter Front überflogen. Über der Nordsee nimmt die Intensität mit zunehmender Entfernung von der Küste ab. Zumindest tagsüber wirken die Küsten als deutliche Leitlinien. 38 Meeres- und Küstennaturschutz Per Radar konnten jeweils mehrere starke Heim- und Wegzugschübe differenziert werden. Besonders starker Zug ist meist auf einzelne Tage bzw. Nächte beschränkt. Generell liefen der Heimzug im Frühjahr und der Wegzug im Herbst in mehreren intensiven „Zugwellen“ ab, mit durchschnittlich jeweils nur drei bis vier starken Zugnächten im Wechsel mit etlichen Tagen schwachen Zuges. Der küstennahe Standort Alte Weser registrierte auch im November noch eine vergleichsweise große Flugaktivität, die vermutlich auf kleinräumige, auch nächtliche Bewegungen von Vögeln im Küstenbereich oder auf Nahrungsflüge von Vögeln im Wattenmeer zurückzuführen ist. Die nachts hell beleuchtete Forschungsplattform FINO 1 zieht, insbesondere bei einer Wetterverschlechterung (Gegenwind, Nebel, Niederschlag nach zunächst guten Zugbedingungen), viele desorientierte Vögel an, die wegen der Wetterbedingungen auf der Suche nach einem Rastplatz sind und daher niedrig fliegen. Gerade in Nächten mit einem erhöhten Anteil desorientierter Vögel ist mit Kollisionen zu rechnen. Modellrechnungen haben gezeigt, dass die etwa 770 auf FINO 1 von Oktober 2003 bis Dezember 2007 gefundenen Vögel nur ein Bruchteil der tatsächlichen Vogelschlagopfer repräsentieren. Je nach Windrichtung und -stärke landet ein beachtlicher Teil der kollidierten Vögel im Meer. Große Wissenslücken bestehen generell noch hinsichtlich des Verhaltens von Vögeln an Offshore-Windkraftanlagen. Zumindest bei guter Sicht umfliegen etliche Arten Windparks anscheinend weiträumig (was den Energieaufwand für den Zug erhöht), während andere Arten Strukturen auf See gezielt als Rastplatz anfliegen (und dort kollisionsgefährdet sind). Zu Kollisionen kommt es vor allem bei schlechter Sicht (Nieselregen, Nebel), wenn Vögel von der Sicherheits- und Arbeitsbeleuchtung angezogen werden. Sinnvolle Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen können daher eine Optimierung der Sicherheitsbeleuchtung und in bestimmten Fällen das Abschalten der Windkraftanlagen sein. Aber wie ist die Beleuchtung zu optimieren? Welche Arten werden überhaupt in welchem Ausmaß von Kollisionen mit Windkraftanlagen auf See betroffen sein? Wie groß ist der energetische Aufwand für Ausweichbewegungen und wie lässt er sich durch geschickte Anordnung der einzelnen Anlagen minimieren? Über all diesen Einzelaspekten steht natürlich die Frage, welche Auswirkungen Offshore-Windkraftanlagen auf die Bestände und den Erhaltungszustand der Arten haben können. Die Untersuchungen im Rahmen der Projekte BEOFINO, FINOBIRD und FINORAD wurden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert (FKZ 0327526, 0329983 und 0325083). Meeres- und Küstennaturschutz Anschrift des Vortragenden: Dr. Ommo Hüppop Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" An der Vogelwarte 21 26386 Wilhelmshaven E-Mail: [email protected] 39 40 Meeres- und Küstennaturschutz Salzwiesen und Dünen an der Westküste von SchleswigHolstein – Bestandserfassung und langjährige Entwicklung Martin Stock Küstenzonen sind ökologisch wertvolle Landschaften. An der schleswig-holsteinischen Westküste stehen insbesondere die Salzwiesen im besonderen öffentlichen Interesse. Sie sind Bestandteil eines Kultur- und Naturraumes, dessen Schutz in den letzten Jahrzehnten einen gesellschaftlichen Wandel erlebt hat. Die Salzwiesen der Westküste von SchleswigHolstein befinden sich überwiegend im Nationalpark. Die großen Dünenvorkommen auf den Inseln sind überwiegend als Naturschutzgebiete geschützt. Salzwiesen und Dünen sind Bestandteil der Flora- und Fauna Habitatrichtlinie, für die spezifische Erhaltungsziele definiert worden sind. Im Rahmen dieser Richtlinie sind die Verbreitung, das Vorkommen und die Qualität der Lebensraumtypen anhand der Vegetation und weiterer Parameter regelmäßig zu erfassen und zu bewerten. Eine erste großflächige Erfassung der Salzwiesenvegetation im Nationalpark SchleswigHolsteinisches Wattenmeer wurde kurz nach Gründung des Nationalparks im Jahr 1988 durchgeführt. Die Erfassung beschränkte sich ausschließlich auf die Salzwiesen der Festlandsküste. 1996 erfolgte die erste Wiederholungskartierung, die seitdem im Rhythmus von fünf Jahren im aktualisiert wird. 2001 konnte aufgrund einer beispielhaften Zusammenarbeit mehrerer Behörden erstmalig eine flächendeckende Erfassung aller Salzwiesen an der Westküste von Schleswig-Holstein durchgeführt und im Jahr 2006 wiederholt werden. 2011/2012 wurde die Salzwiesenerfassung um eine Kartierung sämtlicher Dünengebiete an der Westküste ergänzt. Damit liegt erstmalig eine vollständige Erfassung aller terrestrischen Lebensraumtypen vor. Grundlage für diese Kartierung war eine Wattenmeer-weite standardisierte Erfassungs- und Darstellungsmethode, die im Rahmen des Trilateralen Monitoring und Assessment Programmes (TMAP) erstellt wurde. Im Rahmen des Vortrages wird eine Übersicht über das aktuelle Vorkommen der Salzwiesen und Dünenvegetation an der Westküste von Schleswig-Holstein gegeben. Darüber hinaus wird die Entwicklung der Salzwiesenvegetation der letzten 25 Jahre vor dem Hintergrund des praktizierten Managements im Nationalpark dargestellt. Von den langjährigen Monitoringdaten werden Managementempfehlungen für den Salzwiesenschutz abgeleitet. Meeres- und Küstennaturschutz Anschrift des Vortragenden: Dr. Martin Stock Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein Nationalparkverwaltung Schlossgarten 1 25832 Tönning E-Mail:[email protected] 41 Schifffahrt Schifffahrt 45 Blauer Engel - ein Umweltzeichen auch für Seeschiffe Katharina Koppe Das Umweltzeichen „Blauer Engel“ ist vor allem bekannt von verbrauchernahen Produkten, wie Papier, Farben und Lacke. Er zeichnet seit 1978 Produkte und Dienstleistungen aus, die besonders umweltfreundlich sind und zugleich hohe Ansprüche an Arbeits-und Gesundheitsschutz erfüllen. Seit gut 10 Jahren gibt es den Blauen Engel auch für Seeschiffe. Zwei Umweltzeichen bestehen: der Blaue Engel für das „Umweltfreundliche Schiffsdesign“ (RAL-UZ 141) und der Blaue Engel für den „umweltschonenden Schiffsbetrieb“ (RAL-UZ 110). Die Umweltzeichen bieten die Möglichkeit, innovative Umweltschutzmaßnahmen, die über die gesetzlichen Standards hinausgehen, öffentlichkeitswirksam an Bord sichtbar zu machen. Um die Auszeichnung zu erlangen, muss die Reederei, die Werft oder der Schiffsbetreiber eine Vielzahl von Umweltanforderungen erfüllen. Die Kriterien reichen von höheren Vorgaben an das Personal an Bord (z.B. zusätzliches Umweltschutztraining), strengere Auflagen an den Umgang mit Müll und Abwasser bis zu ambitionierterem, energieeffizienterem Schiffsdesign bei einem Schiffsneubau. Aktuell sind vier Schiffe mit dem Blauen Engel ausgezeichnet, weitere befinden sich in der Beantragung. Anschrift der Vortragendin: Katharina Koppe Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-Roßlau E-Mail: [email protected] 46 Schifffahrt Umweltschutz im Hafen Hendrik Hollstein Häfen sind Gebiete, in denen sehr komplexe Aktivitäten mit maritimem Bezug stattfinden. Mit jeweils standortspezifisch unterschiedlicher Ausprägung sind sie Warenumschlagsplätze, multimodale Verkehrszentren, Logistikstandorte, Industrieansiedlungen oder Gewerbestandorte. Um den Betrieb eines Hafens zu gewährleisten, ist eine Vielzahl an Regularien zu beachten, die von internationalen, nationalen und lokalen Gremien erlassen wurden. Einen vergleichsweise großen Teil nehmen dabei auch die Regeln zum Umweltschutz ein. Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sind ein wichtiges Wettbewerbsmerkmal. Immer mehr Unternehmen achten auf eine grüne Logistikkette. Häfen spielen dabei eine wichtige Rolle. An Hafenstandorten werden Umweltthemen unterschiedlich priorisiert. Diese Priorisierung ist u.a. abhängig von der Organisation des Hafenmanagements und dessen Zuständigkeiten und ändert sich auch entsprechend der jeweiligen Situation des Hafens, der wirtschaftlichen Entwicklung oder auf Grundlage rechtlicher Änderungen. Bei der strategischen Hafenplanung fließen alle Themen mit Umweltbezug generell in Entscheidungen ein. Die europäischen Häfen haben bereits frühzeitig einen „Code of Practice“ erarbeitet, der Häfen bei der Weiterentwicklung ihrer umweltrelevanten Leistungen unterstützt. Dieser Code ist durch den im vergangenen Jahr veröffentlichten „Green Guide“ weiterentwickelt worden. Mit Hilfe dieser Werkzeuge agieren Häfen in immer stärkerem Maße proaktiv und kooperieren mit anderen Häfen sowie Interessengruppen. Für den intensiven Austausch werden dabei die Plattformen der European Sea Ports Organisation (ESPO) und der World Ports Climate Initiative (WPCI) genutzt. Für den Hamburger Hafen ist entscheidend, die wirtschaftliche mit der sozialen und ökologischen Verantwortung zu verbinden. Die Hamburg Port Authority ist der Überzeugung, dass ein Hafen nur so Akzeptanz bei Politik, Bevölkerung und Wirtschaft findet. Letztendlich ist nachhaltiges Handeln auch mit der Steigerung der Effizienz und dem daraus folgenden wirtschaftlichen Erfolg gepaart. Am Beispiel des Hamburger Hafens wird im Vortrag näher ausgeführt, in welcher Art und Weise Umwelt und Hafenentwicklung gemeinsam gestaltet werden. Dazu zählt nicht nur die Mitarbeit in der ESPO und der WPCI, sondern auch die Einführung einer Umweltkomponente in das Hafengeld auf Grundlage des Environmental Ship Index, vergleichbare Bestandteile für das Nutzungsentgelt der Hafenbahninfrastruktur, die Umsetzung des Pilotprojektes Smart Port Logistics oder die Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien. Schifffahrt Anschrift des Vortragenden: Hendrik Hollstein Umweltstrategie und Raumplanung/SH2-3 Hafenstrategie Hamburg Port Authority AöR Neuer Wandrahm 4 20457 Hamburg E-Mail: [email protected] 47 48 Schifffahrt SeatrackWeb – Ein europäisches Driftvorhersagesystem zum Schutz der Meeresumwelt Frank Janssen und Silvia Maßmann Numerische Öldriftmodelle sind bereits seit vielen Jahren in zahlreichen Meeresregionen weltweit als Werkzeuge in der Ölunfallbekämpfung etabliert. Sie liefern wichtige Informationen über die Ausbreitung und eventuelle Strandung des Öls bei Öleinbringungen auf See. In einigen Ländern werden Öldriftmodelle auch intensiv zur Ermittlung der Verursacher von Ölverschmutzungen im Sinne der Strafverfolgung eingesetzt. Sowohl die Öldriftvorhersage, die der Optimierung des Schutzes gefährdeter Küstenregionen dient, als auch die zeitliche Zurückverfolgung eines Driftwegs, welche durch Ermittlung potentieller Verschmutzer den Verfolgungsdruck erhöht und somit abschreckend wirkt, liefern dabei einen wertvollen Beitrag zum Meeresumweltschutz! In Deutschland wurde der Nutzen der numerischen Modellierung in der Bekämpfung von Ölverschmutzungen bereits in den frühen 1980ziger-Jahren erkannt und am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit der Entwicklung eines operationellen Modellsystems begonnen das u.a. zur Vorhersage der Ölausbreitung diente. Anfangs lag dabei der Schwerpunkt in der Nordsee, später wurde das Modellsystem um das Gebiet der Ostsee erweitert. Gemäß der HELCOM Recommendation 12/6 “Development of a drift forecasting system to respond to spills of oil and other harmful substances” aus dem Jahre 1991, wurde zu Beginn der 1990ziger-Jahre mit der gemeinsamen Entwicklung eines Öldriftvorhersagesystems für die Ostsee begonnen. Die Basis dieser gemeinschaftlichen europäischen Entwicklung bildeten die am BSH entwickelten Modellkomponenten. Dem Anfangs kleinen Kreis von Modellentwicklern haben sich heute nahezu alle Ostseeanrainer in der HIROMB (HIgh Resolution Operational Model of the Baltic Sea) genannten Initiative angeschlossen. Im Rahmen von HIROMB werden sowohl ein Zirkulationsmodell als auch das Driftvorhersagemodell SeaTrackWeb entwickelt, betrieben und allen Ostseeanrainern zur Verfügung gestellt (siehe https://stw-helcom.smhi.se/). Das heute am BSH für Fragestellungen der Ölausbreitung zum Einsatz kommende Modellsystem beinhaltet im Wesentlichen zwei Komponenten: a) Zirkulationsmodell, b) das Driftund Ausbreitungsmodell SeatrackWeb, die über ein dazwischengeschaltetes Datenarchiv miteinander verknüpft sind. Das Zirkulationsmodell berechnet dabei einmal täglich Vorhersagen, die neben dem 3-dimensionalen Strömungsfeld auch weitere Informationen wie Wasserstand, Temperatur, Salzgehalt und Eisbedeckung auf zwei Modellrastern unterschiedlicher räumlicher Auflösung (1. Gebiet von Nord- und Ostsee: Auflösung von ca. Schifffahrt 49 5,5 km, 2. Gebiet der Deutschen Bucht und westlichen Ostsee: Auflösung von ca. 900 m) beinhalten. Das Gesamtsystem wird außer von den Gezeiten, die direkt in das Zirkulationsmodell eingehen, vor allem durch die atmosphärischen Randbedingungen angetrieben, die von den Wettervorhersagemodellen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur Verfügung gestellt werden. Basierend auf den archivierten Modellergebnissen des Zirkulationsmodells können bei Bedarf Driftvorhersagen für Öl oder treibendende Gegenstände mit SeatrackWeb durchgeführt werden. Das mathematische Grundprinzip von SeaTrackWeb ist ein Lagrange’sches Verfahren bei dem der zu simulierende Ölfleck durch eine große Anzahl von Partikeln (~1000) dargestellt wird, deren Drift einzeln berechnet wird. Dabei wird neben den meteorologischen und hydrographischen Verhältnissen auch das Verhalten unterschiedlicher Ölsorten im Wasser berücksichtigt. Das Modell simuliert also neben der reinen Drift auch Prozesse wie „Spreading“, horizontale und vertikale Dispersion, Verdunstung und Emulsionsbildung. Das Modellsystem wird im Routinebetrieb eingesetzt und liefert vor allem dem Havariekommando - bei Unfällen oder illegalen Öleinleitungen auf See - Vorhersagen der Ölausbreitung für die nächsten 1-3 Tage. Weiterhin werden auch sog. „Rückwärtsrechnungen“ zur Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden mit dem Modellsystem durchgeführt. Die Modellergebnisse werden dabei nicht isoliert, sondern in Kombination mit anderen Informationsquellen, vor allem AIS (Automatisches Identifikationssystem) und von Satelliten oder Flugzeugen gewonnenen Fernerkundungsdaten, genutzt. Anschrift des Vortragenden: Dr. Frank Janssen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg E-Mail: [email protected] Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen 53 Die Rolle der Schwebstoffe für die Eutrophierung des Wattenmeers - Ergebnisse des WiMo-Projektes J.E.E. van Beusekom1 2, T. Dammrich 3, C. Geimecke 2, R. Hofmeister 2, J. Staneva2 und K. Wirtz2 1 Institut für Küstenforschung, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Geesthacht Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaften, Universität Hamburg, Hamburg 3 Wattenmeerstation Sylt, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, List/Sylt 2 Das Wattenmeer wird durch hohe Schwebstoffkonzentrationen charakterisiert. Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts hat Postma (1954) festgestellt, dass der Schwebstoff-Gradient zwischen Nordsee und Wattenmeer durch Akkumulationsprozesse aufrechterhalten werden muss. Schwebstoffe im Wattenmeer und in der Nordsee bestehen zu einem signifikanten Teil aus organischen Substanzen, die lokal durch Primärproduktion gebildet werden. Eine der Konsequenzen des Imports von Schwebstoffen aus der Nordsee in das Wattenmeer ist denn auch, dass im Wattenmeer mehr organische Substanz veratmet wird als lokal produziert wird (Postma, 1984; van Beusekom et al., 1999). Die Eutrophierung der Küstengewässer hat zu einem Anstieg der Import organischer Substanzen aus der Nordsee geführt (de Jonge & Postma, 1974). Seit Mitte der 1980-er Jahre nehmen die Flussfrachten wieder ab, was auch im internationalen Wattenmeer zu einer Abnahme der Eutrophierung geführt hat (van Beusekom et al., 2009). Als Anzeiger (Proxies) der Eutrophierung funktionieren die mittleren Sommerwerte des Chlorophylls oder die Herbstwerte des Ammoniums plus Nitrits. Auch gelöste organische Phosphorverbindungen reflektieren den Eutrophierungsstatus. Die Auswertung der Eutrophierungsanzeiger zeigte konsistente regionale Unterschiede im internationalen Wattenmeer mit den höchsten Werten im südlichen Teil (niederländisches Wattenmeer, ostfriesisches Wattenmeer) und mit den niedrigsten Werten im nordfriesischen Wattenmeer um Amrum und Sylt. Eine mögliche Erklärung für die beobachteten Unterschiede ist, dass es regionale Unterschiede beim Import von Schwebstoffen gibt. Im Rahmen des vom Land Niedersachsen geförderten Projekts WiMo (wissenschaftliche Monitoringkonzepte für die Deutsche Bucht) wurde diese Hypothese überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die zur Küste gerichteten Bodenströme vor dem stärker eutrophen niedersächsischen Wattenmeer stärker ausgeprägt sind als vor dem weniger eutrophen nordfriesischen Wattenmeer. Konzeptionelle Modelle bestätigen den Transport organischer Substanz und Schwebstoffe von der Nordsee zum Watteneer und die entsprechende Freisetzung von Nährstoffen im Wattenmeer. 54 Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen Insgesamt konnte die Hypothese bestätigt werden, dass im Wattenmeer regionale Unterschiede vorherrschen, die durch regional unterschiedliche Importe aus der Nordsee verursacht werden. Literatur: Postma, H. 1954. Hydrography of the Dutch Wadden Sea. Archives néerlandaises de Zoologie 10:405-511. Postma, H. 1984. Introduction to the symposium on organic matter in the Wadden Sea. Netherlands Institute for Sea Research Publication Series 10:15-22. de Jonge, V. N. and H. Postma. 1974. Phosphorus compounds in the Dutch Wadden Sea. Netherland Journal of Sea Research 8:139-153. van Beusekom, J. E. E., U. H. Brockmann, K. J. Hesse, W. Hickel, K. Poremba, and U. Tillmann. 1999. The importance of sediments in the transformation and turnover of nutrients and organic matter in the Wadden Sea and German Bight. German Journal of Hydrography 51:245-266. van Beusekom, J. E. E., P. Bot, J. Carstensen, J. Goebel, H. Lenhart, J. Pätsch, T. Petenati, T. Raabe, K. Reise, and B. Wetsteijn. 2009. Eutrophication. Thematic Report No. 6.in H. Marencic and J. de Vlas, editors. Quality Status Report 2009, WaddenSea Ecosystem. No 25. Common Wadden Sea Secretariat, Trilateral Monitoring and Assessment Group, Wilhelmshaven, Germany. Anschrift des Vortragenden: Dr. J.E.E. van Beusekom, Helmholtz-Zentraum Geesthacht Max-Planck-Straße 1 21502 Geesthacht E-Mail: [email protected] Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen 55 Der Nutzen von Maßnahmen zum Schutz der Ostsee gegen Eutrophierung - Erkenntnisse aus einer Fallstudie Thomas Dworak Der folgende Vortrag präsentiert die Erkenntnisse, die im vom Umweltbundesamt geförderten Forschungsvorhaben "Methodische Grundlagen für sozio-ökonomische Analysen sowie Folgenabschätzungen von Maßnahmen einschließlich Kosten-Nutzen Analysen nach EG-MeeresstrategieRichtlinie (MSRL)" gewonnen wurden. Der Vortrag basiert entsprechend auf der Arbeit des gesamten Projektteams, neben Hr. Interwies (Projektleitung): Christine Bertram (IfW, Kiel), Thomas Dworak (Fresh Thoughts, Wien), Rainer Friedrich (IER, Stuttgart), Stefan Görlitz (InterSus, Berlin), Claas Hiebenthal (GEOMAR, Kiel), Ulrike Kugler (IER, Stuttgart), Philipp Preiss (IER, Stuttgart), Jutta Reumann-Schwichtenberg (IER, Stuttgart), Katrin Rehdanz (IfW, Kiel). Die hier dargestellten Ergebnisse aus der Fallstudie beruhen auf der im Beitrag “ Wie lässt sich der Nutzen von Meeresschutzmaßnahmen ermitteln“ dargestellten Methodik. Die Fallstudie hatte in diesem Zusammenhang eine zweifache Zielsetzung: zum einen sollte die entwickelte Methodik getestet, und zum anderen eine fachliche Aussage über den ökonomischen Nutzen eines Bündels von Maßnahmen generiert werden. "Eutrophierung in der Ostsee" wurde u. a. aufgrund der hohen Relevanz des Themas als thematischer Schwerpunkt ausgewählt. Der Fallstudie wurden drei Szenarien zugrunde gelegt: Basisfall, Politikszenario und verzögertes Minderungsszenario. Im Basisfall wurde von den oben beschriebenen jährlichen mittleren Eintragsmengen von 20 kt N ausgegangen. Das Politikszenario reflektierte das im Ostseeaktionsplan beschlossene Ziel für Deutschland von Eintragsmengen in Höhe von 15 kt N bis 2021. Das verzögerte Minderungsszenario wurde darüber hinaus gewählt, um exemplarisch zu zeigen, welcher Nutzenverlust sich ergibt, wenn die Eintragsziele erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht würden. Dafür wurde von einer 50%igen Erreichung der Reduktionsziele bis 2015 und einer vollen Erreichung vereinbarten Reduktionsziele bis 2027 ausgegangen. Basierend auf den Maßnahmenprogrammen der Bundesländer wurde dafür ein fiktives Maßnahmenbündel entwickelt – mit voller Wirksamkeit bis 2021 im Politikszenario und bis 2027 im verzögerten Minderungsszenario. Basierend auf den oben beschriebenen Szenarien konnten Nutzen für Besucher (Nutzenkategorie „Erholung“) und für die Gesellschaft (Nutzenkategorien „Optionswerte“ und „Nicht-Gebrauchswerte“) quantifiziert werden. Für alle anderen betroffenen Nutzenkategorien konnte der Nutzen nur qualitativ festgehalten werden, da die Daten und Informationen aus den monetären Studien zu diesen Punkten unzureichend waren. Der somit quantifizierbaren Gesamtnutzen beträgt von 53.610 bis 441.032 EUR2010 pro Tonne vermiedenem Stickstoffeintrag bzw. zu 291.774.842 bis 2.356.322.487 EUR2010 für Deutschland als maximalen jährlichen Nutzen. Nicht mit eingerechnet sind hier die Nutzenänderungen für die Fischerei, Sportangeln und die menschliche Gesundheit, die nur qualitativ festgehalten werden konnten. 56 Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen Die Bandbreite der Ergebnisse spiegelt die Datenlücken, Unsicherheiten in Bezug auf die Nährstoffkreisläufe und, ökosystemare Zusammenhänge und die Wirksamkeit von Maßnahmen sowie in der die ökonomische Bewertung wieder. Die Nutzung der Ergebnisse im Politikprozess ist daher nur bedingt sinnvoll. Hinzu kommt, dass das entwickelte Konzept der Nutzenbewertung mit Hilfe des TEV, welches in der Fallstudie Eutrophierung in der Ostsee zur Anwendung gekommen ist, für eine Anwendung in der Praxis nur geeignet ist, wenn sich der Anwender bereits mit ökonomischen Methoden und mit den Ökosystemauswirkungen der Eutrophierung auseinandergesetzt hat. Es wird daher empfohlen, bis auf weiteres entweder • auf die Ergebnisse der deutschen Zahlungsbereitschaftsstudie von Meyerhoff und Angeli (2012) zurückzugreifen, um einen Gesamtnutzen einer verminderten Eutrophierung zu ermitteln (ohne die hier im Rahmen der Fallstudie vorgenommene Aufteilung in verschiedene Nutzenkategorien); oder, wenn eine Akzeptanz für Zahlungsbereitschaftsstudien politisch nicht gegeben ist: • den Vermeidungskostenansatz zu wählen: die Kosten zur Vermeidung der Eutrophierung (= Minderungskosten der Maßnahmen) werden aufsummiert und als Näherung für den Nutzen herangezogen. Anschrift des Vortragenden: Thomas Dworak Fresh-Thoughts Consulting GmbH Where science meets policy! Auhofstrasse 4/7 1130 Wien Österreich E-Mail: [email protected] Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen 57 Pathogene Keime in der Nordsee - Risiken im Zeichen des Klimawandels René Erler Im Zuge des Klimawandels haben sich die Oberflächentemperaturen der Ost- und Nordsee innerhalb von nur 25 Jahren um 1,3 °C erhöht. Damit rangieren diese beiden Randmeere auf Platze eins und zwei der Liste mit den sich am schnellsten erwärmenden marinen Ökosystemen [1]. Direkte Folgen einer solchen Klimaerwärmung werden eine Erhöhung des Meeresspiegels, wechselnde Meeresströmungen und ein Rückgang des Meeressalzgehalts sein. Diese sich ändernden Umweltbedingungen haben einen starken Einfluss auf die Zusammensetzung mariner Ökosysteme [2, 3]. Mehrere Studien belegen bereits jetzt schon eine Zuwanderung von eher in wärmeren Gewässern vorkommenden Arten in die Nordsee [4]. Allerdings sind klimabedingte Auswirkungen auf die marine Mikroflora, der untersten Ebene der Nahrungskette, noch weitgehend unbekannt. Insbesondere die Ausbreitung potentiell pathogener Bakterienspezies stellt ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar – sowohl für die marine Lebensmittelindustrie als auch für den Tourismussektor. Fäkalbakterien zum Beispiel gelangen über Flussmündungen in die Nordsee. In Gebieten mit niedrigerem Salzgehalt können sie längere Zeit überleben, sich per Ballastwasser verbreiten und über Fischereierzeugnisse wieder den Darmtrakt von Menschen besiedeln [5]. Auf dieser Reise durch das Meer kommen Bakterien zudem mit Antibiotika in Kontakt, wogegen sie eine Resistenz entwickeln können [6]. Auch einige Arten der Gattung Vibrio sind potentiell krankheitserregend – für Muscheln, Krebse, Fische und auch für Menschen [7]. Vibrionen sind ein fester Bestandteil der marinen Mikroflora und können auch im Brackwasser der Ems und Weser gefunden werden [8]. Allerdings sind die meisten Vibrio Spezies im Gegensatz zu vielen anderen marinen Bakterien mesophil (wärmeliebend). Erhöhte Wassertemperaturen fördern demzufolge deren Vermehrung [9]. Über globale Meeresströmungen können sich zudem besonders gefährliche Vibrio Stämme über Kontinente hinweg ausbreiten und somit Meeresgebiete in der gemäßigten Klimazone besiedeln [10]. Eine wichtige Voraussetzung zur Einschätzung dieser Gefahr in der Nordsee ist die Identifizierung von Bakterien aus Umweltproben. Im Rahmen des VibrioNet Verbundprojekts wird versucht, dies mittels MALDI-TOF Massenspektrometrie zu erreichen [11]. Mit dieser Technik lassen sich nicht nur Vibrio Spezies, sondern auch andere potentiell krankheitserregende Bakterien schnell und kosteneffizient identifizieren [12, 13]. Ziel ist es, diese Methode im Umweltmonitoring zu etablieren, damit zeitnah auf höhere Konzentrationen pathogener Keime reagiert werden kann. 58 Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen Literatur: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Belkin, I.M. (2009). Rapid warming of Large Marine Ecosystems. Progress In Oceanography 81, 207213. Harvell, C.D., Kim, K., Burkholder, J.M., Colwell, R.R., Epstein, P.R., Grimes, D.J., Hofmann, E.E., Lipp, E.K., Osterhaus, A.D.M.E., Overstreet, R.M., et al. (1999). Review: Marine ecology - Emerging marine diseases - Climate links and anthropogenic factors. Science 285, 1505-1510. Harvell, C.D., Mitchell, C.E., Ward, J.R., Altizer, S., Dobson, A.P., Ostfeld, R.S., and Samuel, M.D. (2002). Ecology - Climate warming and disease risks for terrestrial and marine biota. Science 296, 2158-2162. Perry, A.L., Low, P.J., Ellis, J.R., and Reynolds, J.D. (2005). Climate change and distribution shifts in marine fishes. Science 308, 1912-1915. 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Anschrift des Vortragenden: René Erler Alfred-Wegener-Institut Kurpromenade 27498 Helgoland E-Mail:[email protected] Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen 59 Pathogene und toxische Bakterien in der Ostsee Matthias Labrenz Die Ostsee ist ein über 400 tausend km2 (inklusive Kattegat) großes brackisches Binnenmeer, welches durch seine horizontalen und vertikalen Salinitätsgradienten gekennzeichnet ist. Die horizontalen Salinitätsgradienten resultieren aus dem salzreicheren Nordseezufluss und reichen durch die gesamte Ostsee, mit hohen Salinitäten (>25) in der Übergangszone des Kattegats zu niedrigen Salinitäten (<3) im Bottnischen Meerbusen. Die ausgeprägten vertikalen Salinitätsgradienten beruhen auf der Dichteschichtung von schwerem Nordseewasser und leichterem Flusswasser aus dem Drainage-Gebiet der Ostsee. Das DrainageGebiet der Ostsee ist viermal größer als die Ostsee selbst und schließt etwa 90 Millionen Menschen aus 14 Nationen ein. Damit unterliegt die Ostsee erheblichen anthropogenen Einflüssen, im Umkehrschluss können aber auch Entwicklungen in der Ostsee direkte und ggf. große Bedeutung für die Ostseeanrainer selbst besitzen. Das gilt z. B. für die Entwicklung pathogener Mikroorganismen, insbesondere in von Tourismus abhängigen Küstengebieten. Drei grundsätzliche Faktoren spielen in Bezug auf diese Mikroorganismen eine Rolle: 3. Klimawandel • • Erwärmung. Es ist prognostiziert, dass die Temperatur des Oberflächenwassers der Ostsee um etwa 6°C in den nächsten 100 Jahren ansteigt. Einige humanpathogene Vertreter von Vibrio, z. B. V. parahaemolyticus, V. cholerae, oder V. vulnificus, könnten davon profitieren, da diese Organismen vor allem bei höheren Wassertemperaturen eine Populationsdichte erreichen, welche ihnen eine erfolgreiche Infektion badender Menschen ermöglicht. In der Ostsee ist dies während heißer Sommer mit Wassertemperaturen über 20°C bereits mehrfach geschehen. Starkregenereignisse. Der Klimawandel führt voraussichtlich zu häufigeren Starkregenereignissen und Überschwemmungen an der deutschen Ostseeküste, wobei Staunässe bzw. Verwesung von Kadavern in diesen Gebieten und Abfluss in die Ostsee ggf. zu erhöhten Eintrag von Fäulnisbakterien beitragen. 2. Eutrophierung Eutrophierung, verstärkt durch Temperaturanstieg, kann die Anzahl toxischer Cyanobakterien erhöhen. Dies gilt in der Ostsee insbesondere für Nodularia spumigena, dem Produzenten des Hepatotoxins Nodularin. 60 Einträge von Nährstoffen und pathogenen Keimen 3. Infrastruktur bzw. direkte anthropogene Einflüsse Unterschiedlichste Faktoren können hier eine Rolle spielen. Als Beispiele seien genannt: • • • Eine immer noch zunehmende Besiedlung des Küstenraumes mit sehr hoher zusätzlicher Besiedlungsdichte durch Touristen während der Sommersaison Ballastwasser von Schiffen, damit verbunden eine Invasion gebietsfremder Bakterien Anstieg des Hartsubstrats in der Ostsee (z. B. Windkraftanlagen), damit potentielle Anreicherung verwesender Biomasse am Meeresgrund. In diesem Vortrag wird der Stand der Dinge in Bezug auf die unterschiedlichen Faktoren und Organismen vorgestellt, aber auch die Lücken und der daraus resultierende Forschungsbedarf für die nächsten Jahre aufgezeigt. Anschrift des Vortragenden: PD Dr. Matthias Labrenz Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) Seestraße 15 18119 Rostock-Warnemünde Email: [email protected] Fischerei Fischerei 63 Zum Stand der Dinge: Reformprozess der Gemeinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union Gerd Kraus Die gemeinsame Fischereipolitik der EU befindet derzeit sich im Reformprozess. Kürzlich wurde mit großem Medienecho die Stellungnahme des EU-Parlaments zum Reformvorschlag der EU-Kommission veröffentlicht. Die Beteiligung des EU-Parlaments nach dem Lissabon-Vertrag ist ein Novum, aber damit ist die Reform noch lange nicht beschlossen, sondern jetzt geht es in die nächste Abstimmungsrunde. Im sogenannten Trilog finden Abstimmungsgespräche zwischen Ministerrat, EU-Kommission und EU-Parlament zu einem gemeinsamen Entwurf für die Grundverordnung statt. Der Trilog verleiht dem Reformprozess nicht nur eine größere demokratische Legitimation sondern auch eine ungewohnte Dynamik. Am Parlament vorbei werden sich viele der zentralen Elemente des Reformvorschlages nicht durchsetzen lassen. Während zunächst große Befürchtungen bestanden, dass der ambitionierte Reformvorschlag der EU-Kommission im parlamentarischen Prozess verwässert würde, haben sich diese Erwartungen nicht bestätigt, sondern ganz im Gegenteil, das EU-Parlaments stützt den ambitionierten Reformkurs und bildet ein starkes Gegengewicht zu den Strömungen im Ministerrat, die aufgrund der derzeitigen angespannten wirtschaftlichen Situation in vielen Mitgliedstaaten eine möglichst weiche Reform mit wenigen Änderungen für den Sektor befürworten. Wichtige Elemente des aktuellen GFP-Reform Vorschlages sind die Einführung des Prinzips des maximalen Dauerertrages als übergeordnetes Bewirtschaftungsziel, sowie eine stärkere Berücksichtigung von ökonomischen- und Umweltaspekten in der Steuerung der Fischereiaktivitäten. Im Zusammenhang mit Letzterem ist die Einführung eines Rückwurfverbotes sicher dasjenige Element, welches die tiefgreifendsten Änderungen für den Sektor mit sich bringen wird. In dem Vortrag werden ausgehend von der Historie der GFP und der aktuellen Lage der Fischerei zentrale Elemente der anstehenden Reform zur Lösung der strukturellen Probleme der GFP besprochen. Anschrift des Vortragenden: Dr. Gerd Kraus Thünen-Institut Institut für Seefischerei Palmaille 9 22767 Hamburg Email:[email protected] 64 Fischerei Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik: die Umsetzung des Rückwurf-Verbotes Stella Nemecky Schätzungen zufolge sind weltweit alljährlich etwa 40 Prozent des Gesamtfangs unerwünschter Beifang (Davies et al. 2009) – das entspricht einer Menge von etwa 38,5 Millionen Tonnen Fisch und anderen Meerestieren. Allein in der Nordsee werden jährlich etwa 3 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Zusätzlich dazu werden ca. 1 Million Tonnen Meeresorganismen beigefangen und gehen als unerwünschte Rückwürfe tot oder sterbend wieder über Bord, davon sind Schätzungen zufolge 60 bis 70 Prozent Rund- und Plattfische (Catchpole et al. 2005). In Anbetracht des Zustandes der Fischbestände und der weltweiten Ernährungssituation ist dies eine nicht hinnehmbare Praxis der Verschwendung. Die Praxis der Rückwürfe hat viele Ursachen, wie z.B. unselektive Netze, geringer oder kein Marktwert der Fische oder ein beschädigter Fang. Doch es gibt derzeit auch noch rechtliche Gründe für Rückwürfe, wie mangelnde Größe des Fisches oder keine bzw. eine bereits ausgeschöpfte Quote. Um dieser Verschwendung ein Ende zu bereiten, wird derzeit im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU ein Anlandegebot für unerwünschten Beifang diskutiert. Je nach Fischerei und Fischart wird es im Rahmen des Anlandegebotes unterschiedliche Regeln zum Umgang mit Beifängen geben. Der Vortrag soll einen Überblick über die (geplanten) neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten und die Umsetzbarkeit dieser Regelungen kritisch beleuchten. Da die Lösung des Beifangproblemes auf See erfolgen muss, werden abschließend die Möglichkeiten jenseits des Anlandegebotes ausgelotet und weitere Methoden zur Reduktion unerwünschter Fänge vorgestellt. Literatur: Davies et al. (2009). Defining and estimating global marine fisheries bycatch. Marine Policy, 33(4), 661-672 Catchpole et al. (2005).Discards in North Sea fisheries: causes, consequences and solutions. Marine Policy 29 (5) 421–430 Fischerei Anschrift der Vortragendin: Stella Nemecky EU-Fischereipolitik WWF Deutschland Internationales WWF-Zentrum für Meeresschutz Mönckebergstraße 27 20095 Hamburg Email:[email protected] 65 66 Fischerei Fischereimanagement in Meeresschutzgebieten: Hürden und Optionen der Konfliktlösung Markus Salomon Meeresschutzgebiete sind ein wichtiges Instrument für den Erhalt der marinen Biodiversität. Bekanntermaßen ist Deutschland hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten in den deutschen Teilen der Nord- und Ostsee bzw. der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vorbildhaft. So sind 31,5% der Fläche als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen worden. Der nächste wichtige Schritt in der Umsetzung der Schutzgebiete ist die Festlegung von Managementmaßnahmen. Dem Management der Fischereiaktivitäten kommt dabei, aufgrund der besonderen Rolle der Fischerei als Verursacher von Schäden in den Meeren, eine große Bedeutung zu. Dabei zeichnen sich bereits jetzt Konflikte zwischen den Belangen des Meeresnaturschutzes auf der einen und den Fischereiinteressen auf der anderen Seite ab. Die Abwägung der Fischerei- und Naturschutzinteressen stellt in vielerlei Hinsicht ein Musterbeispiel für die Herausforderungen der Integration des Meeresschutzes in andere Politiken dar. Bereits frühzeitig wurden in einem vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) initiierten Forschungsprojekt (EMPAS = Environmentally Sound Fisheries Management in Marine Protected Areas) die drei zentralen Konflikte zwischen den Schutzzielen der marinen Natura 2000-Gebieten und den Fischereiaktivitäten identifiziert. Dabei handelt es sich um: • • • die Auswirkungen von mobilen grundberührenden Fanggeräten auf die benthischen Lebensraumtypen Sandbänke und Riffe und ihre typischen Arten in der Nordsee, den Beifang von Seevögeln in passiven Fanggeräten, insbesondere in am Grund stehenden Kiemen- und Verwickelnetzen in der Ostsee und den Beifang von Schweinswalen in passiven Fanggeräten, hauptsächlich in Kiemenund Verwickelnetzen in der Nord- und Ostsee. Auf der Basis der EMPAS-Ergebnisse entwickelten das von Thünen Institut (vTI) und das BfN einen ersten Entwurf für eine deutsche Position zum „Fischereimanagement in den Natura 2000-Gebieten der deutschen AWZ“. Derzeit befinden sich diese Vorschläge in der Abstimmung zwischen den beiden verantwortlichen Ressorts bzw. zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Fischerei 67 Eine der wesentlichen Hürden für die Festlegung von Fischereimaßnahmen in den deutschen Meeresschutzgebieten ist die Kompetenzverteilung in der Fischereipolitik. So vertritt die Europäische Kommission die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der im Primärrecht begründeten ausschließlichen Kompetenz der EU an der Festlegung jeglicher Maßnahmen in marinen Natura 2000-Gebieten gehindert sind, die eine Einschränkung der Fischerei mit sich bringen kann. Danach ist folgendes Verfahren für diesen Prozess vorgesehen: Zuerst ein Antrag des Mitgliedstaats an die Europäische Kommission, anschließend Einbeziehung relevanter Akteure sowie Gremien und schließlich die Verabschiedung durch den Europäischen Rat bzw. gegebenenfalls auch durch das Europäische Parlament. Mitgliedstaaten können Fischereimaßnahmen in der eigenen AWZ nur verhängen, wenn es sich bei diesen um vorübergehende Sofortmaßnahmen handelt oder aber diese nur die eigene Fischerei betreffen. Demgegenüber verpflichten die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen des Arten- und Habitatschutzes (z.B. Schweinwale) wie auch des Gebietsschutzes (z.B. Sandbänke und Riffe). Die festgelegten Maßnahmen müssen gewährleisten, dass keinerlei menschliche Aktivitäten in den Schutzgebieten stattfinden, die im Konflikt zu den Schutzzielen der beiden genannten Richtlinien stehen. Aus Sicht des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) ist es für einen adäquaten Schutz der gefährdeten Populationen und besonders wertvollen Lebensräume unumgänglich konfligierende Fischereiaktivitäten zu beschränken oder sogar vollständig zu verbieten. Das betrifft insbesondere die Stellnetzfischerei in Wal- und Vogelschutzgebieten sowie den Einsatz von mobilen, grundberührenden Fanggeräten in Gebieten mit Riffen und Sandbänken. Der Einsatz von Vergrämern (Pingern) in Walschutzgebieten ist nach Ansicht des SRU mit den Schutzzielen nicht vereinbar. Alternative Fangtechniken sollten entwickelt bzw. geprüft und Maßnahmen zu deren Förderung zum Beispiel über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds ergriffen werden. Außerdem ist es erforderlich, die notwendigen Ressourcen zur Überwachung von Fischereimaßnahmen in den Natura 2000-Gebieten bereitzustellen. Hinsichtlich des Schweinswals werden Maßnahmen in den Schutzgebieten alleine nicht ausreichen, um diese FFH-Art erfolgreich zu schützen. Dafür ist zusätzlich ein Gesamtschutzkonzept, welches auch Maßnahmen außerhalb von Schutzgebieten umfasst, erforderlich. Ziel der Bundesregierung sollte es sein, einen möglichst zielführenden Vorschlag für die Umsetzung eines erfolgreichen Natura 2000-Gebietsnetzes in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone zu erarbeiten. 68 Fischerei Anschrift des Vortragenden: Dr. Markus Salomon Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) Luisenstraße 46 10117 Berlin Email:[email protected] Fischerei 69 Fischerei als Bestandteil von Meeresraumplanung: Unmögliches oder Selbstverständlichkeit Jochen Lamp Der Beitrag wertet insbesondere die Ergebnisse aus dem Meeresraumplanungsprojekt BaltSeaPlan aus, das von 2009 bis 2012 aus dem EU Programm INTERREG in der Ostsee durchgeführt wurde. Der Autor bearbeitete dort federführend den Bereich Integration der Fischerei. Fachlicher Hintergrund: • • • • • Bislang gilt Fischerei als eine Raumnutzung, die durch eigene Rechtsrahmen geregelt ist (UN-Seerechtsübereinkommen, EU Fischereipolitik), und die sich nicht in eine allgemeingültige Nutzungsregelung integrieren lässt. In den meisten Meeresraumplänen ist bislang Fischerei von der Raumordnung ausgenommen. Im BaltSeaplan-Projekt wurde bewusst eine Integration der Fischerei in allen Phasen des Projektes vorgenommen. Im Rahmen des Projektes wurde gezeigt, dass eine Integration begründet ist und dass sie auch in allen Phasen der Raumordnung möglich ist. Der WWF hat eine Reihe von Studien zu diesem Thema erstellt, die eine raumordnerische Einordnung der Fischerei zum Inhalt haben. Kurzfassung Inhalt: Der Beitrag arbeitet zunächst heraus, warum Fischerei bisher nicht als räumliche Meeresnutzung unter anderen betrachtet wurde und zeigt dann auf, warum und wie Fischereiaktivitäten sich räumlich auf andere Nutzungen und Schutzfunktionen auswirken. Weiterhin werden die Methoden und Werkzeuge kurz beleuchtet, mit denen im BaltSeaPlan und den im Projekt erarbeiteten Studien das Thema Fischerei und Raumordnung bearbeitet wurde (u.a. mit Bezug auf die Studien Remote Sensing, Legal aspects of Fisheries integration und MARXAN- Eignungsgebiets-Ermittlung, die von WWF herausgegeben wurden. Im abschließenden Teil wird dargestellt, wie der Bereich Fischerei als räumliche Nutzung Eingang in die verschiedenen Pilot-Raumordnungspläne des BaltSeaPlan Projektes und eines weiteren Projektes gefunden hat. 70 Fischerei Ergebnisse: • • • • • Der Autor spricht sich klar für eine Integration der Fischerei in die Meeresraumplanung aus und belegt, dass Fischerei in ihren Auswirkungen und hinsichtlich des Regelungsbedarfs sehr wohl vergleichbar mit anderen Raumansprüchen ist. Es wird auch verdeutlicht, dass hinsichtlich der Methoden und Instrumente es möglich ist, Fischerei in allen Planungsphasen der Meeresraumplanung abzuhandeln und zu integrieren, wie die volle Einbeziehung im Rahmen des BaltSeaPlan Projektes und auch anderer Projekte gezeigt hat. Es wird aber auch aufgezeigt, dass die derzeitige Datenlage und die Aufbereitung der Daten nicht für eine raumordnerische Planung geeignet sind und angepasst werden müssen. Auch der politisch-administrative Rahmen für eine volle Integration der Fischerei in die Meeresraumplanung (Gesetzliche Grundlagen, Zuständigkeiten, gegenseitige Integration von Sektoren und Abstimmung der Aufgaben zwischen den Sektoren) liegt noch nicht vor (z.B. abgestimmte Planungsverfahren zwischen NaturschutzManagementplanung, räumlicher Fischereiregelungen und Meeresraumplanung). Im Schnittbereich Meeresraumplanung/Meeresnaturschutz/Meeresfischerei dürften die Ergebnisse des Projektes BaltSeaPlan weltweit zu den wenigen Beispielen gehören, wo eine solche Integration angegangen wird. Ausblick: • • Die Aufnahme des Fischereiaspektes in den Entwurf der EU Richtlinie zu Meeresraumplanung und Küstenmanagement zeigt, dass eine Integration der Fischerei in die räumliche Planung folgerichtig ist und weiter ausgebaut werden sollte. Auch im Ostseeraum findet der beschriebene Ansatz nun seine erste Anwendung in neueren Meeresraumplan-Entwürfen. So sind in den ersten Entwürfen des Landesentwicklungsprogramms für Mecklenburg-Vorpommern erstmals Fischereibelange als Raumnutzungskategorie einbezogen worden. Fischerei 71 Literatur: Bergström, L., Korpinen, S., Bergström, U., Andersson, A. (2007): Essential fish habitats and fish migration patterns in the Northern Baltic Sea. BALANCE Interim Report 29, Stockholm. Gee, K. (ed): Developing a Pilot Maritime Spatial Plan for the Pomeranian Bight and Arkona Basin. BaltSeaPlan report No. 9. Download from www.baltseaplan.eu Gee, K., Kannen, A., Heinrichs, B. (2012): BaltSeaPlan Vision 2030 - Towards the sustainable planning of Baltic Sea. Download from www.baltseaplan.eu Backer, H, & Frias, M. (2012) Planning the Bothnian sea – key findings of the Plan Bothnia project. Finepress Turku, 153pp. Schabelon, H., Wolf, F., Grieger, C., Kube, J. (2007): Gutachten zur Berücksichtigung der fischereiwirtschaftlichen Belange bei der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms M-V für das Küstenmeer. Institut für Angewandte Ökologie, Neu Broderstorf (in German, download unter or databases.eucc-d-de/files…/00000253www.ifaoe.de/en/rerences/umwelt-raum-landschaftsplanung Artikel5_Schabelon.pdf) Schmiedel, J. & Lamp, J. (2012): Case Study: Site selection of fisheries areas for MSP Site selection of fisheries areas for Maritime Spatial Planning with the help of tool “Marxan with Zone” in the pilot area Pomeranian Bight. BaltSeaPlan report 30, download from www.baltseaplan.eu Schmiedel, J. & Winter, G. (2012): Legal and planning options for integrating Fisheries into Maritime Spatial Planning at the Baltic Sea. BaltSeaPlan report 23, download from www.baltseaplan.eu Lamp, J. (2012) : Fisheries in the context of Maritime Spatial Planning (MSP), BaltSeaPlan report 23, download from www.baltseaplan.eu Anschrift des Vortragenden: Jochen Lamp WWF-Projektbüro Ostsee Knieperwall 1 18439 Stralsund Email:[email protected] 72 Fischerei Results of fish monitoring in the North Atlantic Bente M. Nilsen, Kåre Julshamn, Sylvia Frantzen, Arne Duinker and Amund Måge In Norway, the monitoring of undesirable substances in seafood is conducted by the National Institute of Nutrition and Seafood Research (NIFES). NIFES performs several annual monitoring and surveillance programs for the Norwegian Food Safety Authority, monitoring contaminants in shellfish, wild fish, farmed fish and fish feed. In collaboration with the Institute of Marine Research (IMR), NIFES have performed spot-check monitoring of contaminants in about 20 different wild fish species from the Barents Sea, the Norwegian Sea and the North Sea since 1994. The number of samples (positions) and frequency of sampling of each species depended on the commercial importance of each species. However, spotcheck monitoring was not sufficient to document the levels of contaminants in Norwegian wild fish. From 2006, NIFES have therefore conducted a series of comprehensive baseline studies documenting the levels of a wide range of contaminants in the most commercially important species of wild fish from Norwegian waters. The levels of heavy metals (mercury, cadmium and lead) and arsenic, as well as the organic contaminants dioxins and dioxinlike PCBs, non-dioxinlike PCBs (PCB6) and the polybrominated flame retardants PBDE were determined in individual fish captured throughout the entire area of distribution of each species and through different seasons. Physical parameters, age, length, weight, and fat content were determined for each individual fish. Baseline studies have so far been completed for six fish species/fish stocks, i.e. Norwegian spring spawning herring (800 fish from 29 different locations), North Sea herring (1000 fish from 40 locations), Greenland halibut (1300 fish from 27 locations), Mackerel (850 fish from 31 locations), Atlantic cod (2100 fish from 80 different locations) and Northeast Arctic Saithe (950 fish from 39 different positions). Results from these baseline studies have demonstrated that the levels of contaminants in muscle samples from most of the fish species studied were low. With the exception of Greenland halibut, all species had levels of contaminants in muscle well below the maximum levels permitted in fish muscle for human consumption given by EU. For Greenland halibut, however, the levels of the sum of dioxins and dioxinlike PCBs were high, and average levels above the maximum permitted levels for foodstuffs were found in fish from two areas along the continental shelf edge between 66 and 68 °N. About 65 - 70% of the individual fish from these areas had concentrations of the sum of dioxins and dioxinlike PCBs above the maximum level. From 2012, the Norwegian authorities closed these two areas, forbidding the fishing of Greenland halibut within the areas. Also the levels of mercury were higher in Greenland halibut than in the other fish species so far analyzed, but the average mercury concentrations per position did not exceed the maximum levels set for fish muscle for human consumption. In the case of Atlantic cod and Northeast Arctic saithe, samples of Fischerei 73 fish liver were also analyzed, and the results showed that the levels of organic contaminants in liver were higher in cod than in saithe. In cod from the North Sea and coastal areas, the average levels of the sum of dioxins and dioxinlike PCBs exceeded the maximum permitted level for foodstuffs given by EU. The baseline studies have provided basic and comprehensive information about the levels of contaminants in important fish species in Norwegian waters. The results from these studies are now being used to determine how continued monitoring of these species should be performed in order to provide sufficiently reliable documentation of the levels of undesirable substances and ensure that Norwegian seafood is safe to eat. Address of lecturer: Dr. Bente M. Nilsen National Institute of Nutrition and Seafood Research Pb. 2029 Nordnes N-5817 Bergen Norway. Email:[email protected] Meeresmüll Meeresmüll 77 Ergebnisse der "European Marine Litter Conference" - wo geht die Reise hin? Stefanie Werner Die „International Conference on Prevention and Management of Marine Litter in European Seas“ fand vom 10.-12. April 2013 in Berlin an der Spree statt und wurde durch das UBA im Auftrag des BMU und in Kooperation mit der Europäischen Kommission organisiert. Rund 200 Teilnehmer aus Politik, Privatwirtschaft und Wissenschaft, von internationalen Organisationen wie UNEP oder NOAA sowie Umweltverbänden erörterten mögliche Lösungsansätze, um dem offensichtlichen und dringenden Problem der Vermüllung der Weltmeere zu begegnen. Erklärtes vorrangiges Ziel der Konferenz war die Initiierung beziehungsweise Weiterentwicklung konkreter Regionaler Aktionspläne zur Verminderung und Vermeidung weiterer Mülleinträge in die europäischen Meeresregionen Nordostatlantik, Ostsee, Mittelmeer und Schwarzes Meer. Zu diesem Zweck wurde bereits im Vorfeld eng mit den Regionalen Meeresschutzübereinkommen (OSPAR, HELCOM, UNEP/MAP und Black Sea Commission) zusammengearbeitet, um ein gemeinsames Verständnis über die wichtigen Quellen, Mengen und Eintragspfade zu entwickeln, die sich von Region zu Region stark unterscheiden können. Generell stammen etwa 80 Prozent der Einträge von landseitigen Aktivitäten, wie Verbraucherabfälle, die beispielsweise durch den Tourismus an den Küsten oder über die Flüsse ins Meer gelangen. Insbesondere für die Nordsee spielen aber auch maritime Aktivitäten wie die kommerzielle Schifffahrt und die Fischerei eine entscheidende Rolle. Darauf aufbauend wurden Maßnahmen zur Reduktion land- und seeseitiger Einträge, zur Entfernung vorhandenen Müll aus der Meeresumwelt und zur Konzeption von neuen Produkten unter Beachtung ihres kompletten Lebenszyklus und möglichen Umweltauswirkungen identifiziert (siehe Grundlagenpapier (Issue Paper) der Konferenz: http://www.marine-litter-conference-berlin.info/downloads.php). Auf der Konferenz wurden vielfältigste Beispiele für gute Umweltpraxis und neue Initiativen präsentiert und in einer Datenbank mit Kurzbeschreibungen und Ansprechpartnern versehen, weitere wurden im Nachklapp durch die Teilnehmer in die Datenbank eingespeist (siehe http://www.marine-litter-conference-berlin.info/tbdb.php). Weiterhin wurden quantitative Reduktionsziele und insbesondere regionsspezifische Maßnahmen mit allen Teilnehmern intensiv erörtert. Das erfreuliche Resultat: Alle vier europäischen Meeresschutzübereinkommen erklärten, Regionale Aktionspläne aufbauend auf den Konferenzergebnisse entwickeln und implementieren bzw. im Fall des Mittelmeeres, die identifizierten Maßnahmen in den bereits bestehenden Plan aufzunehmen zu wollen. 78 Meeresmüll Damit wird gleichzeitig der Europäische Beitrag zur Umsetzung der Honolulu-Strategie, dem globalem Aktionsplan zur Bekämpfung von Meeresmüll (http://5imdc.wordpress.com/) sowie dem Rio + 20-Beschluss zu Meeresmüll (“To take action to, by 2025, based on collected scientific data, achieve significant reductions in marine debris to prevent harm to the coastal and marine environment”) geleistet. Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EU) als Umweltsäule der „Integrated Maritime Policy“ (IMP) ist ein Schlüsselelement in den europäischen Aktivitäten, um Meeresmüll zu adressieren. In der Richtlinie werden Abfälle im Meer als wichtiges Kriterium für die geforderte Erreichung des guten Umweltzustands der Meere bis 2020 ausgewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt muss sichergestellt werden, dass „die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten-und Meeresumwelt haben“. Bis 2016 sollen die Mitgliedsstaaten ein adäquates Programm von geeigneten Maßnahmen zur Eindämmung der marinen Müllbelastung umgesetzt haben. Die Konferenzergebnisse und insbesondere die Datenbank mit bestehenden Maßnahmen und neuen Initiativen sollen die Mitgliedsstaaten bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen unterstützen und darüber hinaus Akteure generell vernetzen und zu koordiniertem Handeln inspirieren. Am Ende der Konferenz wurde die „Message from Berlin“ verlesen, in der 10 prioritäre Aktionsfelder für dringenden Handlungsbedarf dargelegt werden, um das Problem des Meeresmülls einzudämmen (http://www.marine-litter-conference-berlin.info/press.php). Gemeinsam mit dem überarbeiteten Issue Paper wurde diese Botschaft der Konferenzteilnehmer beim anstehenden Treffen der Marinen Direktoren Ende Mai in Irland vorgelegt und mit Vorschlägen für weitere Arbeiten zum Thema für die EU-Mitgliedsstaaten versehen. Deutschland wird insbesondere im Kontext von HELCOM und OSPAR die Weiterentwicklung Regionaler Aktionspläne zur Reduktion und Prävention mariner Abfälle unterstützen. Deutschland hat sich innerhalb der Festlegung seiner Umweltziele unter der MSRL dafür ausgesprochen, dass bis 2020 eine fünfzigprozentige Reduktion von Meeresmüll angestrebt werden sollte. Neben der Auswahl und Implementierung von effektiven Maßnahmen auf Basis der Konferenzergebnisse bedarf es dafür der Detektion von Trends der Müllbelastung in der Meeresumwelt. Aus diesem Grund entwickelt das UBA momentan unterstützt durch ein entsprechendes F&E-Vorhaben statistisch abgesicherte Verfahren für die Bewertung und Überwachung der Deskriptor 10-Indikatoren, um Empfehlungen für ein effizientes Monitoring der verschiedenen Meereskompartimente und biologischen Auswirkungen vorlegen zu können. Im Anschluss soll ein kohärentes Monitoring der Belastungen deutscher Meeres- und Küstengewässer mit menschlichen Abfällen und der ökologischen Konsequenzen mit weiterem Fokus auf eingehender Identifizierung der Quellen durchgeführt werden. Meeresmüll Anschrift der Vortragendin: Stefanie Werner Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-Roßlaut Email: [email protected] 79 80 Meeresmüll BUND-Müllkampagne - Comics für Seeleute und Modellprojekt "Plastikfreie Inselumwelt" Nadja Ziebarth Weltweit landen täglich mehrere hundert Tonnen Abfälle dort, wo sie nicht hingehören – im Meer. Der Zuwachs an Müll in der Meeresumwelt und damit die negativen Auswirkungen auf Meeresorganismen und Lebensräume im Meer werden immer stärker. Es gibt verschiedene Quellen dafür. Eine ist sicherlich die Schifffahrt, eine andere der Tourismus an der Küste. Leidtragende der Vermüllung der Meere ist die Meeresnatur mit tausenden von toten und verletzten Tieren jährlich. Darüber sind die Kosten für die tägliche Reinhaltung der Badestrände für die Küsten- und Inselgemeinden immens hoch. Ca. 15% des Mülls im Meer landet wieder an der Küste. Die BUND-Müllkampagne setzt genau an diesen Stellen an: die Eintragsquelle Schifffahrt sowie Tourismus, als auch die Müllbelastungen an den Stränden und Küstenbereichen. Die Kampagne wird gefördert vom Umweltbundesamt. Comic „Nothing Overboard“ Die Sensibilisierung der Seeleute für das Thema ist ein wichtiger Schritt, denn ein Verbot der Entsorgung ist bereits im MARPOL Annex V formuliert. Mit dem BUNDComicwettbewerb „Nix geht über Bord“ / „Nothing Overboard“ sollen Seeleute mit einem attraktiven Informationsmedium ohne Worte angesprochen werden. Mit lustigen, dramatischen und romantischen Geschichten wird das Thema ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt. Dabei setzt der BUND auf die sequenzielle Kunst, die mit einer angemessenen ästhetischen Wirkung wichtige Informationen aufbereitet. Der Comic thematisiert die zu den Folgen der Vermüllung sind und was jeder Seemann tun kann. Die Zielgruppe der Seeleute soll dafür sensibilisiert werden, dass anthropogene Abfälle sachgerecht an Land entsorgt werden müssen und können, da sie sonst eine Gefahr für Umwelt, Tier und Mensch darstellen. Somit wird mit dem BUND-Comic das Umweltbewusstsein der Seeleute gestärkt und perspektivisch der Eintrag von Müll in die Meeresumwelt reduziert. Die Comics werden vom BUND, seinem internationalem Dachverband für Meeresschutz Seas at Risk und mit Hilfe der Seemannsmission weltweit an Seeleute verteilt. Weiterhin wurden die Comics als Poster und Heft allen deutschen Reedereien kostenfrei für die Verwendung auf ihren Schiffen angeboten. „Plastikfreie Inselumwelt Juist“ Mit der Idee der Modellinsel „Plastikfreie Inselumwelt“ ist der BUND bei der Inselgemeinde Juist und der Nationalpark Verwaltung Niedersächsisches Wattenmeer schnell auf offene Ohren gestoßen. Mit dem Modellprojekt soll eine breite Öffentlichkeit von Inselbevölkerung und Inselgäst/innen für die Thematik sensibilisiert sowie Eintragsquellen von der Insel evaluiert werden. Handlungsansätze zur Müllvermeidung sind mit der Gemeinde skizziert Meeresmüll 81 und umgesetzt, weitere Ideen insbesondere mit der Tourismusbranche weiterentwickelt worden. Der BUND ist mit den Mitarbeiter/innen des BUND-Nationalparkhauses auf der Insel aktiv. Mit Informationsveranstaltungen und in Kooperationen mit der Inselschule und dem Kindergarten wird das Projekt auch mit Kindern und Jugendlichen voran gebracht. BUND-Strandaktionen Bei mehreren Strandaktionen wurde auf Juist und an der Ostsee mit ehrenamtlichen Aktiven Müll gesammelt. Jeden Morgen wird während der Urlaubssaison der Badestrand am Ort auf Juist gereinigt. Außerhalb dieses Zeitraums allerdings nicht. Nur einmal im Jahr nach dem Winter wird die gesamte Insel „aufgeräumt“. Sowohl in den Dünen als auch am Strand sammelt sich so über das Jahr Müll an. Im März 2013 hat der BUND mit einer Gruppe Aktiver auf einen 1,5km langen Strandabschnitt 900kg gesammelt. Am International Coastal Clean Up Day im September 2012 wurde mit 24 BUND-Aktiven auf Juist der Müll sowohl gesammelt als auch erfasst. Die Top Ten des Abfalls waren: Plastikschnüre /-netzteile (56 x); Plastiktütenfetzen (53 x); Tüten von Süßigkeiten, Chips etc. (34 x); Papier (16 x); Schaumgummi (13 x); Luftballons (11 x); Bauschaum (11 x); Trinkhalme (8 x); Spielzeug (7 x); Deckel, Verschlüsse (6 x) Weitere Informationen zur BUND-Müllkampagne sowie den BUND-Müllnewsletter finden Sie auf www.bund.net/meer Anschrift der Vortragendin: Nadja Ziebarth Meeresschutzreferentin Leiterin des Projektbüros BUND-Projektbüro Meeresschutz Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) Am Dobben 44 28203 Bremen Email: [email protected] 82 Meeresmüll Mikroplastik in marinen Umweltproben – neues Analyseverfahren mittels FTIR Spektroskopie Mirco Kuczera Der Begriff Mikroplastik gewann in den letzten Jahren an Popularität und wird verwendet um die aktuelle Verschmutzungslage der maritimen Umwelt mit sehr kleinem Plastikmüll zu beschreiben. Doch was ist Mikroplastik? Wie entsteht es? Welche potentiellen Gefahren birgt es? Welche Auswirkungen hat es auf die Flora und Fauna? Diese Fragen beschäftigen Umweltanalytiker und Biologen gleichermaßen. Dieser Vortrag soll erläutern, dass Plastik nicht gleich Plastik ist, sondern dass es signifikante Unterschiede gibt, wie zum Beispiel Dichte, Hydrophilität, Lipophilität oder Kristallinität. Die Unterschiede basieren im chemischen Grundaufbau als auch in den Herstellungsverfahren und sind bedeutend für die Verbreitung, Akkumulation, Persistenz und Toxizität von Mikroplastik in der Umwelt. Um geeignete Analyseverfahren zu etablieren, sind also Kenntnisse der Polymerchemie von essentieller Bedeutung. Am Alfred Wegener Institut auf Helgoland wird aktuell eine spektroskopische Methode (basierend auf FT-IR) entwickelt, welche es ermöglichen soll, unterschiedliche Polymersorten im Größenmaßstab ab 10µm Durchmesser zu analysieren. Im Rahmen des Vortrages werden grundlegende Basiskenntnisse der FT-IR Spektroskopie angerissen und erläutert, um die besondere Eignung dieses Verfahrens zu untermauern. Es werden erste Ergebnisse mit Plankton- und CrangonProben, die mit Polymerpartikeln kontaminiert wurden, gezeigt. Der Ausblick diskutiert Möglichkeiten der vollständig automatisierbaren Analyse auf Mikroplastik in Meerwasser und Crangon-Proben. Anschrift des Vortragenden: Mirco Kuczera Alfred-Wegener-Institut Kurpromenade 27498 Helgoland Email:[email protected]