PRESSEMITTEILUNG Hepatitis C – die stille und vergessene Epidemie. Eine große Herausforderung für die Gesundheitspolitik der nächsten Jahre: Nehmen wir sie an? Hepatitis C (HCV) ist eine Infektionskrankheit, die im wesentlichen durch Blut-zu-Blut Kontakte übertragen wird; eine Transmission durch sexuelle Kontakte ist relativ gering.Die Infektion verläuft in den allermeisten Fällen (60-80 % laut Robert-Koch-Institut) nach etwa 15-20 Jahren chronisch. Heute stellen die intravenös konsumierenden DrogengebraucherInnen die am stärksten von HCV betroffene Gruppe dar. Mehr als 60% der ca. 5-6.000 Neuinfektionen pro Jahr in Deutschland werden bei Menschen mit dem Risiko ‚intravenöser Drogenkonsum’ festgestellt. Dabei erfolgt die Übertragung durch gemeinsame Benutzung von Spritzen oder Spritzutensilien, aber auch durch Blut-Blut-Kontakte im Haushalt. Die Virusträger können eine lange Zeit symptomfrei leben, dabei jedoch Andere (unwissentlich) anstecken, bevor die Krankheit ausbricht. Die dann auftretenden Erkrankungen reichen von ständiger Müdigkeit bis zum Leberkrebs. Die europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenabhängigkeit (EMCDDA) in Lissabon (Portugal) schätzt die Zahl der HCV-Infizierten in Europa auf etwa 1 Mio. Menschen. In Deutschland geht man von 4-500.000 Menschen aus. Etwa 60-90% aller intravenös konsumierenden DrogengebraucherInnen sind inzwischen mit HCV infiziert. Damit übertrifft die Verbreitung dieser Infektionskrankheit HIV/AIDS um einiges: Mit dem HI-Virus sind erfreulicherweise nur ca. 5% aus dieser Gruppe infiziert. Was sind die Gründe für die weite Verbreitung von HCV unter DrogenkonsumentInnen? Ein Grund liegt in der leichten Übertragbarkeit: bereits geringste Mengen Blut reichen zur Ansteckung aus (HCV ist 15 mal ansteckender als HIV)! Gerade im Umgang mit Spritzdrogen ist die Ansteckungsgefahr deshalb besonders groß. Ein weiterer Grund liegt aber in der langen Zeit, in der HCV sich bereits verbreiten konnte, und zwar lange vor HIV/AIDS und dann ‚im Schatten’ von HIV/AIDS. Dies ist auch ein wesentlicher Grund der Verbreitung dieser Infektionskrankheit: Im Gegensatz zu HIV/AIDS wurde ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Drogen- und AIDS-Hilfen einerseits haben sich in ihren Botschaften und Angeboten stark auf HIV/AIDS konzentriert: Weil die Ansteckungswege ähnlich sind, hatte man angenommen, mit denselben Strategien beide Infektionskrankheiten bekämpfen zu können. Dies hat sich jedoch als Trugschluß erweisen. Andererseits haben aber auch die gesundheitspolitisch Verantwortlichen zu spät auf diese Herausforderung reagiert. Noch immer gibt es keine eigenständige nationale Strategie gegen Hepatitis, noch immer gibt es (anders als bei HIV/AIDS) keine Projektmittel, oder auch Forschung zu Prävention. 1 akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik Geschäftsstelle:Christine Kluge Haberkorn * Südwestkorso 14 * 12161 Berlin Tel. 030 – 827 069 46 * Fax: 030 - 822 28 02 * [email protected] * www.akzept.org Bank für Sozialwirtschaft Berlin, BLZ 100 205 00, Konto 322 25 00 Während sich die Thematisierung von HCV im wesentlichen auf die Behandlung beschränkt, bleiben die Bemühungen um eine Prävention dieser Krankheit weitgehend ausgeklammert. Liegt dieser Präventionspessimismus daran, daß man keine Hoffnung mehr hat, Neuansteckungen zu vermeiden? Dabei besteht dringender Handlungsbedarf: Vor allem müssen Strategien für jungen Menschen entwickelt werden, die noch nicht infiziert sind, aber, so eine Studie, sich innerhalb von 2 Jahren des Drogenkonsums zu einem Großteil angesteckt haben. Wie kann man diese jungen Menschen erreichen? Wie kann man sie zur Vorsicht veranlassen? Eine weitere Gruppe stark Gefährdeter sind Menschen mit Hafterfahrungen, die also unter ganz schlechten Spritz-Hygienbedingungen Drogen in Gefängnissen konsumiert haben. Hier ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion besonders hoch. Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept e.V.) fordert die gesundheitspolitisch verantwortlichen Kräfte in Deutschland dazu auf, der Prävention von HCV verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Die sollte über eine konzertierte Aktion aller beteiligten Verbände, Vereine, Ämter und wissenschaftlichen Institute geschehen, um das vorhandene Know-How in praxisorientierte Präventionsstrategien umzusetzen. Zur gleichen Zeit geht es um eine wissenschaftliche Begleitung von Pilotprojekten, um gesicherte erfahrungs- und erkenntnisgeleitete Strategien der Prävention in Zukunft zu verbessern. Ingeborg Schlusemann, Vorsitzende von akzept e.V. ruft zur Überwindung des Präventionspessimusimus auf: “Neuinfektionen mit HCV können vermieden werden, aber nur wenn bundesweit das Gesundheitsproblem ‚Hepatitis’ offensiv im Zusammenschluss aller Verantwortlichen angegangen wird. Der Kampf gegen HIV/AIDS war erfolgreich – warum sollte der gegen Hepatits so erfolglos bleiben?“ Berlin/Bremen, 8. März 2004 akzept e.V. Dr. Heino Stöver Christine Kluge Haberkorn Geschäftsführung 2 akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik Geschäftsstelle:Christine Kluge Haberkorn * Südwestkorso 14 * 12161 Berlin Tel. 030 – 827 069 46 * Fax: 030 - 822 28 02 * [email protected] * www.akzept.org Bank für Sozialwirtschaft Berlin, BLZ 100 205 00, Konto 322 25 00