Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes - Beck-Shop

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Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes
von
Harald Feldmann, Jürgen Alberty, Tilman Brusis, Thomas Deitmer
überarbeitet
Thieme 2006
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 542306 7
Zu Inhaltsverzeichnis
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
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8 Begutachtung der Eignung für bestimmte Tätigkeiten und Berufe
8.7 Eignung zu Arbeiten unter
Überdruck, Tauchen
Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften hat entsprechende Grundsätze
für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
„Überdruck“ (G 31, Fassung 5,1981) herausgegeben.
Er betrifft Taucher, d. h. Unterwasserarbeiter, die
über ein Druckluft-Tauchgerät mit Atemluft versorgt werden, und Druckluftarbeiter, die in einem
Überdruck von mehr als 10 kPa (0,1 bar) beschäftigt
sind. Befunde im HNO-Bereich, die eine Tauglichkeit für diese Berufe ausschließen, sind: Hörvermögen von weniger als 5 m Umgangssprache, Trommelfellperforationen und atrophische Trommelfellnarben bei Tauchern, chronischer Tubenverschluss und chronische Erkrankungen der Nasennebenhöhlen, Neigung zu wiederholten oder
schweren Erkrankungen durch Überdruck, negatives Ergebnis bei mehrfachen Probeschleusungen.
Die häufig an den HNO-Arzt herangetragene Frage,
ob jemand zum Sporttauchen geeignet ist, kann
nach ähnlichen Kriterien beantwortet werden.
8.8 Tauglichkeitsbestimmungen
bei der Bundeswehr
Die Bestimmungen für die Durchführung ärztlicher
Untersuchungen bei der Bundeswehr sind in der
zentralen Dienstvorschrift ZDv 46/1 niedergelegt.
Diese Vorschrift ist nur für den innerdienstlichen
Gebrauch in der Bundeswehr bestimmt, kann aber
auch Behörden sowie Instanzen der Verwaltungsund Sozialgerichtsbarkeit zur Klärung anhängiger
Rechtsfragen zugänglich gemacht werden. Der
HNO-Arzt, der als Gutachter für ärztliche Dienststellen der Bundeswehr tätig wird, sollte die wichtigsten, sein Fachgebiet berührenden Bestimmungen kennen. Auch für die Deutung von Eintragungen in Gesundheitskarten und anderen Formblättern ist die Kenntnis der Fehlertabelle und der Beurteilungskriterien notwendig. Änderungen der
Beschreibung und Zuordnung zu den Gradationen
der Körperfehler in der ZDv 46/1 sind zwischenzeitlich erfolgt und werden weiterhin durchgeführt. Eine umfassendere Änderung ist für das Jahr
2006 angekündigt (persönliche Mitteilung aus dem
Bundesministerium der Verteidigung). Die Historie
und Protokollierung der Änderungen würden den
Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen. Originale
Unterlagen, aus denen evtl. detaillierter der Gesundheitszustand rekonstruiert werden kann, können unter Beifügung einer Schweigepflichtsentbindung des Betroffenen unter der folgenden Adresse
bei der Bundeswehr angefordert werden: Institut
für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen, Aktienstraße 87, 56626 Andernach.
Die Musterungsuntersuchung wird durch Musterungsärzte (hauptsächlich Medizinalbeamte der Bundeswehrverwaltung) oder gelegentlich Vertragsärzte durchgeführt. Weitere Begutachtungen erfolgen durch Truppenärzte (Sanitätsoffiziere) bei der Einstellungs- und Entlassungsuntersuchung sowie bei speziellen Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen. Zur Abklärung des Gesundheitszustands kann der Musterungsarzt Befunde von behandelnden Ärzten anfordern. Da diese der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, ist hierzu das Einverständnis des zu
Musternden erforderlich. Wird das Einverständnis nicht
erteilt oder ist sonst eine fachärztliche Beurteilung nötig,
kann der Musterungsarzt eine Überweisung zum Facharzt und ggf. die Erstellung eines Gutachtens veranlassen.
Das Ergebnis der Musterungsuntersuchung wird
dem Betroffenen in einer Durchschrift eines Formblattes (sog. Verwendungsausweis) mitgeteilt. Das
Ergebnis (Tauglichkeitsgrad und evtl. ausgeschlossene Verwendungen) begründet sich aus den bei
der Musterungsuntersuchung festgestellten Gesundheitsstörungen, die nach der ZDv 46/1 in Gesundheitsziffern (vormals als Fehlerziffern bezeichnet) aus Gesundheitsnummer und Gradation kodiert werden. Die Gesundheitsziffer setzt sich aus
einer Gesundheitsnummer als arabische Ziffer
(Bezeichnung eines Krankheitsbildes, z. B. Hörfähigkeit) und einer Gradation als römische Ziffer
zur Bezeichnung der Ausprägung der evtl. Störung
zusammen. Bezeichnung des Schweregrades von I
= gesund oder geringe Störung bis VI = schwere
Störung, z. B. II 28 = geringgradige Schwerhörigkeit
auf einem Ohr.
Hinsichtlich des HNO-Befundes sind folgende
Erhebungen vorgeschrieben:
Auf Veränderungen an den Ohrmuscheln (Gesundheitsnummer = GNr. 27), Narben am Warzenfortsatz, auf Weite oder Enge des Gehörganges,
Fremdkörper, Polypen, Ekzeme usw. im äußeren
Gehörgang ist zu achten. Gehörgang und Trommelfell (GNr. 29) sind mit dem Ohrenspiegel oder dem
Otoskop zu untersuchen.
Die Nasenatmung (GNr. 30 und 31) soll frei sein.
Die Durchgängigkeit wird für jedes Nasenloch einzeln mit einem Spiegel geprüft.
Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes (ISBN 3135423069) © 2006 Georg Thieme Verlag
8.8 Tauglichkeitsbestimmungen bei der Bundeswehr
Veränderungen an Mundhöhle und Rachen
(GNr. 32 und 33), Entzündungen, Missbildungen
sowie Sprachfehler (GNr. 36), Erkrankungen des
Kehlkopfes (GNr. 39) sind zu beachten. Sofern Auffälligkeiten festgestellt werden, wird eine Abklärung durch den HNO-Arzt veranlasst.
Die Hörprüfung wird mit einem Audiometer für
die Frequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz in
5 dB-Stufen, beginnend mit 20 dB, durchgeführt.
Die Prüfung wird nach den in Abb. 8.1 dargestellten Kriterien für jedes Ohr in die Stufen 1–5 eingeteilt.
Erläuterungen der Stufen (in Zusammenhang
mit Abb. 8.1):
> 1 = Normalhörigkeit, Hörverlust unter 20 dB
Umgangssprache, Flüstersprache mindestens
6 m.
> 2 = Annähernde Normalhörigkeit, Hörverlust
20–29 dB Umgangssprache, Flüstersprache mindestens 4 m.
> 3 = Geringgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust
30–39 dB Umgangssprache mindestens 6 m,
Flüstersprache mindestens 1 m.
> 4 = Mittelgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust
40–49 dB Umgangssprache 1–4 m, Flüstersprache am Ohr.
> 5 = Hochgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust ab
50 dB und darüber Umgangssprache 1 m.
40
50
60
70
80
90
100
120
1
KL max
20
30
1 000 2000 4 000 8 000 Hz
2
3
4
5
dB Hörverlust
0
10
500
LL max
normal
125 200
dB
–10
3 000 6 000 12 000
Abb. 8.1 Hörbeurteilung nach dem Tonaudiogramm.
Für die Festlegung der arabischen Zahlen ist die Zahl
unter dem tiefsten geschnittenen Balken maßgebend
(Beispiel: Senke 35 dB/3kH = 3).
Tabelle 8.2 zur Gradationsvergabe nach ermitteltem Hörvermögen/Hörverlust. Die zu vergebende Gradation liegt
im Schnittpunkt der für das rechte und linke Ohr ermittelten arabischen Zahlen
rechtes Ohr
1
II
III
IV
VI
2
II
II
III
IV
VI
3
III
III
IV
IV
VI
4
IV
IV
IV
VI
VI
5
VI
VI
VI
VI
VI
1
2
3
4
5
linkes Ohr
Aus der Kombination der Hörbeurteilungsstufen
des rechten und linken Ohres ergibt sich die Gradation nach Tab. 8.2.
Der Tauglichkeitsgrad wird wie folgt aufgrund
der ärztlichen Untersuchung in 6 Gradationen unterteilt:
> wehrdienstfähig, voll verwendungsfähig = T 1 –
Grad I, II (ohne Ausschluss),
> wehrdienstfähig, verwendungsfähig mit Einschränkungen = T 2 – Grad II, III,
> vorübergehend nicht wehrdienstfähig = T 4 –
Gradation V,
> nicht wehrdienstfähig = T 5 – Gradation VI.
Eine Gesundheitsstörung, deren Ausheilung oder Besserung voraussichtlich länger als 4 Wochen dauern wird
und danach mindestens die Vergabe der Gradation III
möglich ist, bedingt die Zuordnung zur Gradation V und
damit „vorübergehend nicht wehrdienstfähig“.
Nicht wehrdienstfähig (Gradation VI) bedeutet dauernd
in keinem militärischen Dienst verwendbar.
Folgende Gesundheitsstörungen aus der Gesundheitstabelle können für den HNO-Arzt als Gutachter von Interesse sein:
GNr. 16 bezeichnet Zustände nach traumatischen Hirnschäden, abgestuft von einer seit mindestens 1 Jahr zurückliegenden Gehirnerschütterung ohne Folgeerscheinungen, über gelegentliche
postkommotionelle Beschwerden bis hin zu erheblichen Folgen mit Einschränkung der Belastbarkeit.
GNr. 27 bezeichnet Verunstaltungen bis hin
zum Fehlen einer oder beider Ohrmuscheln.
GNr. 28 bezeichnet Hörstörungen verschiedenen Ausmaßes (vgl. Tab. 8.2).
Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes (ISBN 3135423069) © 2006 Georg Thieme Verlag
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8 Begutachtung der Eignung für bestimmte Tätigkeiten und Berufe
GNr. 29 bezeichnet Veränderungen am Trommelfell und Mittelohr.
Zur Gradation VI werden folgende Störungen zugeordnet:
Durchlöcherungen eines oder beider Trommelfelle mit
chronischer Eiterung. Zustand nach Tympanoplastik mit
chronischen Eiterungen. Großes Cholesteatom mit chronischer Eiterung. Erkrankungen des Labyrinthes mit nicht
kompensiertem Labyrinthschwindel. Zustand nach otogener Gehirnkomplikation mit nachweisbarem vestibulären Schwindel. Hereditäre oder rezidivierende Erkrankung des Innenohres mit prognostisch ungünstigem Verlauf.
Bei Vorschäden ab der Gradation III werden Verwendungseinschränkungen zur Vermeidung von Lärmexpositionen vorgenommen.
GNr. 34 bezeichnet Veränderungen der Weichteile oder der Knochen der Mundhöhle, z. B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, je nach Ausdehnung,
Erfolg einer durchgeführten Operation und Behinderung der Nahrungsaufnahme Gradation II–VI.
GNr. 35 bezeichnet Veränderungen der Zunge,
z. B. Vergrößerungen, Narben, Gewebeverlust, je
nach Behinderung der Nahrungsaufnahme Gradation I–VI.
GNr. 36 bezeichnet Sprachstörungen.
Gradation VI bezeichnet eine starke Beeinträchtigung der
Sprache durch anatomische Veränderungen im Mundund Rachenbereich. Zentrale funktionelle Sprachstörungen können auch nach der GNr. 13 beurteilt werden.
GNr. 30 bezeichnet Funktionsstörungen der Nasenatmung.
Gradation VI wird vergeben bei: Knochen- oder
Knorpelzerstörungen, die die Atemwege der Nase
verlegen und die körperliche Leistungsfähigkeit
deutlich einschränken. Verlust der Nase.
GNr. 31 bezeichnet Erkrankungen der Nase, der
Nasennebenhöhlen und des Nasenrachenraumes.
GNr. 39 bezeichnet Erkrankungen des Kehlkopfes
und der Luftröhre.
Gradation VI wird vergeben bei: Schwere oder ekelerregende chronische Erkrankungen der Nase und Nebenhöhlen. Schwerwiegende pathologische Folgezustände nach
Operationen der Nase und Nebenhöhlen.
GNr. 45 bezeichnet allergische Erkrankungen.
GNr. 32 bezeichnet Erkrankungen des Rachens und
der Tonsillen.
Gradation VI wird vergeben bei: Veränderungen an Gaumen und/oder Rachen, die das Schlucken oder die Nasenatmung erheblich behindern oder die Leistungsfähigkeit
erheblich einschränken.
GNr. 33 bezeichnet Veränderungen im Gesichtsbereich, z. B. Lippenspalten, Hämangiome, Narben,
Operationsfolgen, je nach Entstellung Gradation
I–VI.
Gradation VI ist zu vergeben bei: Fehlbildungen und/oder
erhebliche chronische Leiden des Kehlkopfes und/oder
der Luftröhre, die einen militärischen Einsatz ausschließen. Starke funktionelle Beeinträchtigung der Stimme
mit anatomischen Veränderungen. Aphonie. Mutationsfistelstimme. Bösartige Tumoren.
Gradation VI besteht bei: Stärkere allergische Erkrankungen, die auch weitgehend therapieresistent sind und mit
stärkerer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit einhergehen.
Die alten Fehlertabellen für Heer und Marine von
1904–1920, für die Reichswehr von 1921–1935, für
die Wehrmacht von 1935–1945 und die vorläufige
Fehlertabelle der Bundeswehr von 1957 sind mit
den für den HNO-Arzt wichtigen Eintragungen von
Stengel 1958 veröffentlicht worden. Hierbei wird
auch eine ausführliche Diskussion zu Musterungsund Begutachtungsproblemen gegeben.
Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes (ISBN 3135423069) © 2006 Georg Thieme Verlag
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