Nachweis aller relevanten Genveränderungen an einer Tumorprobe

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Pharma Report
Neue Technologie für die molekulare Tumordiagnostik
Nachweis aller relevanten Genveränderungen
an einer Tumorprobe
© Springer-Verlag GmbH
Die zielgerichtete Tumortherapie erfordert eine exakte, rasche und detaillierte Diagnostik. Die klassische molekulare Tumoranalytik mit diagnostischen Methoden der ersten und zweiten Generation
– Sequenzierung und FISH – ist dafür oft nicht ausreichend: Bei oftmals widersprüchlichen oder
unvollständigen Ergebnissen wird viel Zeit und Tumormaterial benötigt. Mit dem „Hybrid Capturebased Next Generation Sequencing“ ist jetzt ein gewebesparender diagnostischer Test der dritten
Generation verfügbar, mit dem sich alle therapierelevanten genomischen Veränderungen des
Tumormaterials in einem Schritt nachweisen lassen.
Impressum
Corporate Publishing (verantwortlich):
Ulrike Hafner,
Dr. Michael Brysch, Dr. Katharina Finis,
Dr. Friederike Holthausen, Sabine Jost,
Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler,
Inge Kunzenbacher, Dr. Christine Leist,
Dr. Sabine Lohrengel, Dr. Ulrike Maronde,
Dr. Monika Prinoth, Dr. Annette Schilling,
Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski,
François Werner, Teresa Windelen
Report in „Der Onkologe“
Band 21, Heft 10, Oktober 2015
Mit freundlicher Unterstützung der
NEO New Oncology AG, Köln
Die Herausgeber der Zeitschrift
übernehmen keine Verantwortung
für diese Rubrik.
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Treibermutationen:
Ziel für die Therapie
Im Zentrum der molekularen Tumordiagnostik stehen Treibermutationen, die ursächlich an der
Entstehung und Progression eines
Tumors beteiligt sind und häufig
als therapeutisches Ziel genutzt
werden können. So wurden z. B.
gegen Mutationen in EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor) oder gegen Genfusionen wie
EML4-ALK (Echinoderm Microtubule-associated protein-Like 4/
Anaplastic Lymphoma Kinase),
wie sie etwa beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC)
vorkommen [1], spezifische Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) entwickelt. Auch in zahlreichen anderen soliden Tumoren wie etwa
im malignen Melanom, in CUP
(Cancer of Unknown Primary)-
Tumoren, im Mamma- oder Ovarialkarzinom sind therapierbare
Genveränderungen bekannt.
Überlebensvorteil
durch personalisierte Therapie
Für Patienten ist die personalisierte Therapie von großer Relevanz.
Das zeigte z. B. eine Studie, in der
5.000 Patienten mit Lungenkarzinom auf molekulare Veränderungen und Treibermutationen getestet wurden [1]. NSCLC-Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutationen, die mit einem EGFR-TKI
behandelt wurden, überlebten
im Mittel 31,5 Monate, Patienten
unter Chemotherapie 9,6 Monate
(Abb. 1). Auch Patienten mit nachgewiesener ALK-Genfusion profitierten von der personalisierten
Therapie: Unter Crizotinib lag das
Gesamtüberleben bei 23 Monaten
versus elf Monate unter zytostatischer Therapie.
Einen weiteren Beleg für den
Nutzen molekularer Tumorana-
lysen ergab eine 2012 publizierte
Vergleichsstudie [2]: Bei 460 von
insgesamt 1.144 Patienten mit fortgeschrittenem Tumor wurden genetische Veränderungen nachgewiesen. Patienten, die daraufhin
eine zielgerichtete Therapie erhielten, profitierten im Vergleich
zu konventionell behandelten Patienten von einem verbesserten
Ansprechen und einer längeren
Gesamtüberlebenszeit.
Angesichts der zahlreichen
Initiativen zur Analyse des Krebsgenoms ist davon auszugehen,
dass in den kommenden Jahren weitere therapeutisch relevante genomische Veränderungen identifiziert werden können
– was die Entwicklung neuer Medikamente ermöglicht [3]. Damit
steigen auch die Anforderungen
an eine umfassende molekulare
Tumordiagnostik, die eine zunehmende Anzahl therapierelevanter
Veränderungen berücksichtigen
und testen muss.
Abb. 1 NSCLC: Überlebensvorteil durch Therapie mit Tyrosinkinase­
inhibitoren bei Nachweis definierter genomischer Veränderungen
Tumor mit EGFR-Mutation
EGFR-Inhibitor
Chemotherapie
100
60
40
20
0
9,6
0
10
31,5
20 30 40 50
Zeit (Monate)
Tumor mit ALK-Fusionsgen
Crizotinib
Chemotherapie
100
HR 0,169
95%-KI 0,07–0,41
p<0,001
80
60
Gesamtüberleben (%)
Bericht:
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg i. Br.
Das Wissen um genetische Veränderungen in Tumorzellen hat im
letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen. Lungenkrebs beispielsweise wird nicht mehr nur in kleinzellig und nicht-kleinzellig unterteilt, sondern in weitere Untergruppen, die je nach molekularbiologischen Eigenheiten unterschiedliche Prognosen und Ansatzpunkte
für Behandlungen bieten. Derzeit
sind allein in dieser Indikation mehr
als ein Dutzend therapeutisch relevante genetische Veränderungen
bekannt. Ähnliches gilt auch für
viele andere solide Tumoren. Eine
genaue Identifizierung und Beurteilung aller relevanten Genveränderungen im Tumor des einzelnen Patienten ist Voraussetzung für
eine zielgerichtete Therapie.
Gesamtüberleben (%)
„Nachweis aller relevanten Genveränderungen an einer Tumorprobe“
Literaturarbeit
HR 0,235
95%-KI 0,074–0,742
p=0,024
80
60
40
20
0
11
0
10
23
20 30 40 50
Zeit (Monate)
EGFR= Epidermal Growth Factor Receptor; ALK= Anaplastic Lymphoma Kinase; HR=Hazard Ratio;
KI=Konfidenzintervall
modifiziert nach [1]
60
Pharma Report
Diagnostik aus dem Blut: Nachweis von Resistenzen
Ein Patient mit metastasierendem Adenokarzinom der Lunge stellt sich
mit einer Vorbehandlung aus EGFR-Inhibitoren, Chemotherapie, Neurochirurgie und Bestrahlung vor. Mit konventioneller Diagnostik konnten
keine therapierelevanten Mutationen in einer Tumorprobe nachgewiesen werden. Anhand einer Blutprobe wurden eine EGFR-T790M-Mutation
und eine damit vermittelte Resistenz gegen die bisher eingesetzten
EGFR-Inhibitoren ermittelt. Der Patient wurde daraufhin mit einem alternativen EGFR-Inhibitor behandelt.
Die Erkrankung zeigte schnelles Ansprechen mit Reduktion von Primärtumor und Metastasen und eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustands. Verlaufskontrollen in vierzehntägigem Abstand zeigten
eine graduelle Abnahme der Resistenzmutation im Blut. Der Patient ist derzeit klinisch, radiologisch und molekulargenetisch progressionsfrei und
in gutem Zustand. Die Behandlung wird fortgesetzt [4].
Herausforderung für die
Pathologie
Für die molekulardiagnostischen
Tests ist jedoch meist nur wenig
Tumorgewebe verfügbar, an dem
nicht nur einzelne Punktmutationen, sondern zunehmend auch
therapierelevante
Insertionen,
Deletionen, Veränderungen der
Kopienzahl einzelner Gene sowie
Genfusionen detektiert werden
sollen.
Die Sanger-Sequenzierung
kann dabei nur zum Nachweis
von Punktmutationen, kleinen
Insertionen und Deletionen genutzt werden. Zwar ist diese Methode kostengünstig, wenn nur
eine kleine Zahl von Genabschnitten untersucht wird, die Sensitivität ist jedoch gering. Änderungen der Kopienzahl sowie Genfusionen müssen separat mittels
FISH-Analyse (Fluoreszenz-in-situHybridisierung) getestet werden
– eine Methode, die fehleranfällig
und zeitintensiv ist, da die Testung
sequentiell durchgeführt werden
muss. In vielen Fällen ist das Tumormaterial aufgebraucht, bevor
die Analyse abgeschlossen werden kann [3].
Hingegen können molekulardiagnostische Methoden der
zweiten Generation, wie z. B. Realtime-PCR (Polymerase Chain Reaction) oder das PCR-basierte NGS
(Next Generation Sequencing), somatische Mutationen parallel und
dank höherer Sensitivität auch bei
niedriger Allelfrequenz nachweisen. Es ist jedoch nicht möglich,
intronische Regionen, in denen
die Bruchpunkte von Genfusionen liegen, adäquat mit zu untersuchen. Um Genfusionen detektieren zu können, sind daher zusätzliche FISH-Analysen erforderlich,
für die weiteres Tumorgewebe
benötigt wird.
Neu entdeckte genomische
Veränderungen können nur unter
größerem Aufwand in die Tests integriert werden: In der Regel muss
hierfür ein neuer Assay entwickelt
und validiert werden. Zudem kann
das Verfahren des PCR-basierten
NGS zu fehlerhaften Ergebnissen
führen. Insbesondere bei in Formalin fixiertem Gewebe können
bei der Amplifikation Fehler auftreten, welche im weiteren Verlauf als falsch-positive Mutationen
fehlinterpretiert werden können.
Ein Test für alle therapierelevanten Genveränderungen
Mit einem molekulardiagnostischen Test der dritten Generation
lässt sich das gesamte Spektrum
klinisch relevanter genomischer
Veränderungen (Mutationen, Insertionen, Deletionen, Änderungen der Kopienzahl und Genfusionen) an einer kleinen Tumorprobe nachweisen. Hierzu wird das
„Hybrid Capture-based Next Generation Sequencing“ Verfahren
eingesetzt [3]. Für den Einsatz in
Europa wurde hierzu der diagnos-
tische Test NEO entwickelt. In dem
Verfahren werden zunächst alle
zu untersuchenden therapierelevanten Genregionen angereichert
(Hybrid Capture Verfahren) und im
Anschluss mit hoher Abdeckung
parallel sequenziert und hochauflösend analysiert (NGS). Im Rahmen dieses Verfahrens werden
auch große Intronregionen angereichert und analysiert, sodass
Genfusionen verlässlich detektiert
werden können.
Die gewonnenen Daten werden mittels Computer-Algorithmen ausgewertet, die genomische Treibermutationen von klinisch nicht relevanten PassengerMutationen abgrenzen können.
Neu identifizierte, diagnostisch relevante Genveränderungen können zeitnah in den Assay implementiert werden, ohne dass sich
die Analysedauer verlängert, der
Test kann somit jederzeit an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse
angepasst werden.
Mit der Methode des „Hybrid
Capture-based Next Generation
Sequencing“ sind genomische
Veränderungen bei geringer Allelfrequenz detektierbar. Auch bislang unbekannte onkogene Genfusionen können nachgewiesen
werden.
Die diagnostische Methode
der dritten Generation erlaubt daher die Anreicherung und Detektion aller therapierelevanten genomischen Veränderungen in nur
einem einzigen Test. Zusätzliche
FISH-Analysen oder weitere Sequenzierungen sind nicht nötig,
sodass sowohl Tumorgewebe als
auch Laborzeit eingespart werden
können.
Mit dem NEOliquid Test können
nun therapierelevante Genveränderungen an einer Blutprobe des
Patienten nachgewiesen werden.
Dabei werden im Blut des Patienten zirkulierende Bruchstücke von
Tumor-DNA ermittelt und untersucht („Flüssigbiopsie“). Der Bluttest stellt damit nicht nur eine Alternative zur klassischen Biopsie
dar, sondern ermöglicht auch eine
Verlaufskontrolle. Durch die parallele Detektion aller therapierelevanten genomischen Veränderungen an einer einzigen Blutprobe
kann der Bluttest eine valide und
für den Patienten wenig belastende Grundlage für die weitere Therapieentscheidung bieten.
Fazit
Die Fortschritte in der Sequenziertechnik und die Entwicklung
zielgerichteter Therapeutika haben die Tumortherapie innerhalb
weniger Jahre revolutioniert. Die
neue Herausforderung besteht
darin, therapeutisch relevante genomische Veränderungen bei jedem einzelnen Patienten rasch
und zuverlässig zu identifizieren,
damit zügig eine zielgerichtete,
effektive Behandlung eingeleitet
werden kann. Das „Hybrid Capture-based Next Generation Sequencing“ bietet hier eine sensitive und schnelle Methode, mit der
das gesamte Spektrum therapierelevanter genomischer Veränderungen anhand geringer Gewebemengen oder im Blut festgestellt
werden kann.
Bluttestung:
nicht-invasive Diagnostik
In einigen Fällen kann dennoch
nicht genügend Tumorgewebe
für eine molekulardiagnostische
Untersuchung gewonnen werden.
Zudem gestaltet sich die Kontrolle von Therapieerfolg, Metastasierung und möglichem Rezidiv immer noch schwierig – es sei denn,
der Patient würde in regelmäßigen Abständen biopsiert.
Literatur
1. The Clinical Lung Cancer Genome
Project (CLCGP) and Network Genomic
Medicine (NGM), Science Translational
Medicine 2013, 5:209ra153
2. Tsimberidou AM et al., Clin Cancer Res
2012, 18:6373–6383
3. Heuckmann JM, Thomas RK, Ann Oncol
2015, 26:1830–1837
4. Gautschi O et al., J Thorac Oncol 2015,
Epub ahead of print
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