Antivirale Therapie Dr. med. Daniela Huzly Institut für Virologie Therapierbare Viren? • • • • • Herpesviren: HSV 1+2, VZV, CMV, HHV6 Influenzaviren A, B Hepatitisviren: HBV, HCV HIV (RSV, Adenoviren, Lassaviren, Hantaviren…) – Keine randomisierten Therapiestudien verfügbar Wirkweise von antiviralen Substanzen • Antivirale Medikamente sind virostatisch (vermehrungshemmend), nicht viruzid (abtötend) • Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel, sie bedienen sich des Stoffwechsels der Körperzelle ‐ Angriffspunkte müssen bei den Stadien der Virusvermehrung liegen und dürfen nicht in den Zellstoffwechsel eingreifen Angriffspunkte in den Vermehrungsstadien eines Virus • Andocken der Viruspartikel an der Zellmembran des Wirtsorganismus • Eindringen in die Wirtszelle, uncoating (Freisetzung von Kapsid und Genom aus der Virushülle) • Synthese viraler Nukleinsäuren und Proteine (z.B. Kapsidproteine) • Assembly (Zusammenfügung der synthetisierten Virusbestandteile zu neuen Viren) • Freisetzung der neu gebildeten Viren aus der Wirtszelle www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molecular-Virology Am längsten bekannt: Polymerase‐Inhibitoren • Störung des Aufbaus viraler Nukleinsäurestränge • Polymerase braucht freies 3‐Hydroxy‐Ende am Nukleotid um komplementären Strang zu synthetisieren • Polymerase kann gehemmt werden durch Substanzen, die ihr diese Struktur vorgaukeln www.wikipedia.de Nukleosid/Nukleotid‐Analoga • Sehen ähnlich aus wie Nukleoside/Nukleotide (Nukleosid‐Triphosphate) • Durch Einbau des falschen Bausteins kann die Polymerase die Kette nicht zu Ende synthetisieren – Kettenabbruch • Gefahr: Zytotoxizität • Ideal: Prodrug wird durch virale Enzyme aktiviert www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molecular-Virology Guanosintriphosphat Wirksamkeit von Acyclovir • Abhängigkeit von der viralen Thymidinkinase: – Wirksam am besten gegen HSV1 und HSV2 – Schlechter wirksam gegen Varicella‐Zoster‐Virus , höhere Dosen notwendig – In vitro wirksam gegen EBV, nicht in vivo – Nicht wirksam gegen andere Herpesviren bzw. gegen andere Viren – Schlechte Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe Ähnliche Wirkstoffe • Penciclovir – Ähnlich wie Aciclovir, nur für die topische Anwendung • Famciclovir – Diacetylderivat von Penciclovir, oral bioverfügbar • Ganciclovir Ganciclovir • Auch ein Guanin‐Analogon • Virale Kinase: Monophosphat • Zelluläre Kinase: Diphosphat • Kinase der CMV‐infizierten Zelle (10x effektiver): Triphosphat Zytotoxisch: Knochenmarksuppressiv Ganciclovir • Oral schlechte Bioverfügbarkeit: – Prodrug: Valganciclovir, zur Prophylaxe und Therapie der CMV‐Infektion zugelassen • Sehr enges therapeutisches Fenster – Zu niedriger Wirkspiegel: nicht ausreichend wirksam, Resistenzentwicklung – Zu hoher Wirkspiegel: evtl. Knochenmarktoxisch Nukleotid‐Analogon: Cidofovir • Analogon von Deoxy‐Cytidin‐Monophosphat • Blockiert in vitro viele DNA‐Viren – Zugelassen nur für die Therapie von CMV • Phosphorylierung durch zelluläre Kinasen • Hemmt virale Polymerase viel stärker als zelluläre Polymerase dermatology-s10.cdlib.org Nicht‐Nukleosidische Polymerase‐ Inhibitoren • Blockieren die Polymerase‐Aktivität ohne Nukleoside/Nukleotide nachzuahmen und ohne in die Kette eingebaut zu werden • Foscarnet: • Bindet die virale Polymerase, die dadurch blockiert wird Weitere antivirale Wirkstoffe • Hemmung des Viruseintritts: – Fusions‐Inhibitoren: Énfurvitide (HIV) – Hemmung des Uncoating: z.B. Amantadin (Influenza) • Hemmung viraler Proteine – Proteaseinhibitoren : HIV, HCV – Integraseinhibitoren: HIV • Hemmung der Virusfreisetzung: Zanamivir, Oseltamivir – Influenza • (Interferon alpha (und Lambda): Stimulierung der körpereigenen Virusabwehr) http://www.noezsv.at Probleme der antiviralen Therapie • Viren werden nicht abgetötet – Immunsystem muss „helfen“ • Therapie muss rechtzeitig gestartet werden, bevor zu viele Zellen mit dem Virus infiziert sind • Resistenzentwicklung durch weitere Replikation unter Medikation und „Fehler“ bei der Replikation Fallbeispiel • 52‐jährige Nierentransplantierte Patientin • Unter antibiotischer Therapie mit Erythromycin (Cytochrom p450 Hemmung) Anstieg der Cyclosporin‐Konzentration • Plötzlicher Anstieg der Leberwerte und Pankreasenzyme • Hepatitis‐Serologie und PCR auf Herpesviren – Nachweis hoher Konzentration HSV‐1‐DNA im Blut • Sofortiger Start einer i.v. Aciclovir‐Therapie mit 10mg/kg 3x täglich • Zwei Tage später Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz • Exitus Letalis ‐ HSV‐1 nachweisbar in allen Organen in hoher Konzentration • HSV‐1‐Reaktivierung, wahrscheinlich zu später Therapie‐Beginn bei zusätzlich fehlender zellulärer Immunität Fallbeispiel 2 • 10 Tage alter Säugling wird schlapp, trinkt nicht mehr • Anstieg der Leberwerte, Fieber, Leukozytose • Sofortiger Start einer Aciclovir‐Therapie • Molekulare Diagnostik für verschiedene virale Erreger der neonatalen Sepsis • Nachweis von 20 Mio Kopien/ml HSV‐1‐DNA im Blut • Klinische Besserung innerhalb weniger Tage • Deutliche Abnahme der Viruslast im peripheren Blut • Nach 3 Wochen konnte der Säugling gesund entlassen werden • HSV‐1‐Primärinfektion rechtzeitig therapiert bei funktionierendem Immunsystem Herpes simplex – Wann therapieren? • Optional: Primärinfektion mit ausgeprägter Symptomatik consultant360.com • Genitale Primärinfektion • Herpetischer Rundlauf en.wikipedia.org Herpes simplex – wann therapieren • Optional: Häufige Rezidive bei genitalem Herpes – Langzeitprophylaxe über 6 – 12 Monate mit oralem Valaciclovir oder Famciclovir Herpes simplex – Immer therapieren bei: • Reaktivierung unter Immunsuppression • Verdacht auf Primärinfektion bei – Schwangeren – Immunsupprimierten – Säuglingen NICHT AUF DIAGNOSTIK WARTEN !!! • Verdacht auf Herpes‐Enzephalitis – NICHT AUF DIAGNOSTIK WARTEN !!! Varicella‐Zoster‐Virus Therapie notwendig? • Ab 50 J. zunehmende Häufigkeit von Komplikationen • Postzosterische Neuralgie (PZN) mit hohem Leidensdruck und enormen Therapiekosten • Jeder Zoster ab 50 muss frühzeitig behandelt werden – Therapiebeginn innerhalb von 48h nach Auftreten der ersten Bläschen Therapie der VZV‐Infektion • Zoster unter Immunsuppression muss immer therapiert werden – Um hohe Aciclovir‐Spiegel zu erreichen, i.v. Therapie empfohlen • Varizellen‐Primärinfektion bei Auftreten von Komplikationen wie Pneumoníe, Enzephalitis und bei Immunsuppression Brivudin ‐ Zostex • Thymidin‐Analogon • Phosphorylierung durch virale Thymidinkinase, nur in virusinfizierten Zellen aktiviert • Bleibt ca. 10h in der Zelle aktiv, hohe antivirale Potenz • Wirksamkeit nur gegen HSV1 und VZV • Gute orale Bioverfügbarkeit • Muss innerhalb von 48h nach Symptombeginn begonnen werden Therapie der Influenzavirusinfektion • Früher: Amantadin, eigentlich gegen Parkinson, hemmt den Eintritt der viralen Erbsubstanz in die Zelle – Nur gegen Influenza‐A‐Viren wirksam – H1N1 2009pdm resistent • Neuraminidasehemmer: Oseltamivir (Tamiflu) und Zanamivir (Relenza) Influenza behandeln ? • Im Prinzip zugelassen ab 1J • Kann Symptomdauer verkürzen und evtl. Komplikationen verhindern • Muss innerhalb von 36h, besser 24h nach Symptombeginn begonnen werden • Therapie empfohlen bei Pat. mit Grunderkrankungen, Immunsuppression • Resistenzentwicklung möglich Entwicklung von Resistenzen bei antiviralen Medikamenten • Jede antivirale Therapie kann Resistenzentwicklung mit sich bringen • Virusreplikation ist „Evolution im Zeitraffer“ – Schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten • Bei Viren mit hoher Fehlerrate besonders schnelle Resistenzentwicklung www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molecular-Virology Antivirale Resistenz • Je länger die Therapiedauer, desto wahrscheinlicher entwickeln sich Resistenzen • Da viele Wirkstoffe auf ähnlichen Wirkmechanismen basieren und miteinander verwandt sind, sind Kreuzresistenzen häufig • Resistente Stämme können übertragen werden Antivirale Resistenzen • HIV‐Therapie – vergleichbar mit TBC, nur Kombinationstherapie möglich, ständiges Therapiemonitoring notwendig, um rechtzeitig umzusetzen • HCV und HBV – Anstieg der Viruslast unter Medikation – Lamivudintherapie bei HBV: innerhalb von wenigen Jahren hoher Prozentsatz resistenz, Kreuzresistenz zu neueren Medikamenten – heute obsolet Resistenz bei Herpesviren: HSV, CMV • Vor allem nach vorheriger Prophylaxe unter Immunsuppression • Meistens Mutation der Thymidinkinase, die das Medikament aktiviert (Aciclovir bzw. Ganciclovir) – Foscarnet und Cidofovir meistens noch wirksam Resistenz bei Influenzaviren • H1N1 2009pdm gegen Amantadin resistent • Bei manchen Stämmen hoher Prozentsatz an Resistenzen (H1N1 saisonal zu nahe 100% Tamiflu resistent) • bei längerer Anwendung , vor allem unter Immunsuppression, Entstehung unter Therapie Wie stellt man Antivirale Resistenzen fest? • So geht es leider nicht… Wie stellt man antivirale Resistenzen fest? • A: Klinische Resistenz – Wiederanstieg der Viruslast bzw. fehlende Besserung der Symptomatik bei zuverlässiger Medikamenteneinnahme – Muss nicht immer durch echte Resistenz verursacht sein, Dosierungsprobleme, Interaktionen etc. Wie stellt man antivirale Resistenzen fest? • B: Phänotypische Resistenztestung – Virusanzucht (nicht bei allen Viren möglich) unter verschiedenen Konzentrationen des Medikamentes. – Benötigt Zeit und viel Erfahrung – Hoch spezifisch, weist auch Resistenzen nach, für die die genetische Grundlage noch nicht bekannt ist Wie stellt man antivirale Resistenzen fest? • C: Genotypische Resistenzbestimmung – Durch PCR und Sequenzierung oder durch spezielle PCR‐Methoden, die die bekannten Punktmutationen nachweisen – Methode ist darauf angewiesen, dass die Resistenzmutationen bekannt sind – Abgleich mit Datenbanken, die gut geführt sein müssen • Bindung der Hybridisierungssonde an die Amplifikate wird durch langsame Erhöhung der Temperatur gelöst • Schmelzkurve stellt die Temperatur dar, bei der noch 50% der Bindungen vorliegen • Bei Mutation lösen sich die Sonden aufgrund des Mismatches schon bei geringerer Temperatur als beim Wildtyp, wodurch sich die Schmelzkurve in der Analyse nach links verschiebt