Grundlagen der physikalischen Vorgänge II

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Teilentladungen in elektrisch hoch beanspruchten Isolierungen, Technische Akademie Esslingen April 2011
Grundlagen der physikalischen Vorgänge II – Äußere Teilentladungen
Grundlagen der physikalischen Vorgänge II - Äußere Teilentladungen
von Prof. Dr.-Ing. Michael Kurrat und Dr.-Ing. Michael Budde, TU Braunschweig, Institut für
Hochspannungstechnik und El. Energieanlagen, Schleinitzstr. 23, 38106 Braunschweig,
[email protected]
Einleitung
Äußere Teilentladungen sind eine besondere Form der Gasentladungen, die in der Nähe von
elektrischen Leitern entweder im freien Gasraum oder entlang von Isolierstoffoberflächen
auftreten. Sie können z.B. an Isolatoren sowie Durchführungen von Freiluft-Schaltanlagen
entstehen. Aber auch bei luftisolierten und gasisolierten metallgekapselten InnenraumSchaltanlagen und -Schaltgeräten ist das Auftreten von äußeren Teilentladungen möglich.
Eine Auswirkung der Teilentladungen sind Funkstörungen. Zum anderen entstehen aus dem
Isoliergas Zersetzungsprodukte, die zur Korrosion von Metallen und zur Schädigung von
Isoliermaterialien führen können. Im Zuge der dadurch beschleunigten Alterung des
Isolierstoffs bilden sich Kriechströme aus, die schließlich einen Überschlag und damit den
Ausfall des Betriebsmittels auslösen. Verstärkt werden diese Effekte durch zusätzliche
Verschmutzungen oder Feuchtigkeitsbeläge auf den Isolierstoffoberflächen /1/ - /10/.
1
Gasentladungsprozesse
Im Beitrag zu den inneren Teilentladungen sind die wesentlichen physikalischen Prozesse
bereits dargestellt. Damit beschränkt sich dieser Teil auf die Merkmale der Gasentladung, die
für äußere Teilentladungen von Bedeutung sind.
1.1
Ionisierung und Anlagerung
Elektronenlawinen entstehen bei ausreichend großer elektrischer Feldstärke durch
Stoßionisierung von Gasmolekülen aus einem ersten Elektron heraus. Diese Startelektronen
werden durch energiereiche Strahlung (UV- oder γ-Strahlung) mit einer bestimmten
Generationsrate in einem Gasvolumen erzeugt. Für Luft wird hier beispielsweise ein Wert
von 50 cm-3.s-1 angegeben. Das bedeutet, dass in einem größeren Volumen Elektronen
innerhalb eines kürzeren Zeitintervalls produziert werden.
Die Elektronen hinterlassen auf ihrem Weg die ionisierten Gasteilchen als positive
Raumladung.
Positive Ionen
Elektronen
E
Bild 1.1:
Ladungsträgerlawine bestehend aus
Lawinenschwanz der positiven Ionen.
Lawinenkopf
der
Elektronen
und
Die positiven Ionen bewegen sich aufgrund der größeren Masse einige hundert Mal
langsamer als die Elektronen. Daher können die Ionen im Wachstumsverlauf der
Elektronenlawine zur Vereinfachung als ortsfest angenommen werden. Die kontinuierlich
anwachsende Elektronenwolke bildet den „Kopf“ der Elektronenlawine (s. Bild 1.1).
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Die Ionen können durch ihr Raumladungsfeld das zeitliche Auftreten der Elektronenlawinen
beeinflussen. Dazu muss die Ladungsträgerdichte ausreichend groß sein, um ein elektrisches
Feld zu erzeugen, das in der Größenordnung der Betriebsfeldstärken liegt. So können
Flächenladungsdichten von bis zu 4.10-8 C.cm-2 entstehen; das durch sie gebildete
Raumladungsfeld überlagert sich der Betriebsfeldstärke (Bild 1.2).
Bild 1.2:
Resultierendes Feld entsteht durch Überlagerung der Betriebsfeldstärke mit dem
Raumladungsfeld.
Gleiches gilt für negative Ionen, die in elektronegativen Gasen wie z.B. Luft oder SF6
auftreten. Sie bilden sich durch Anlagerung von Elektronen an Gasteilchen. Dieser
Bildungsprozess wirkt sich in den Bereichen aus, in der die elektrische Feldstärke für die
Stoßionisierung zu gering ist. In diesen feldschwachen Bereichen bilden sich dann negative
Raumladungen aus. Für Luft liegt der Feldstärkegrenzwert für Normalbedingungen bei ca. 25
kV.cm-1 /11/ - /13/.
1.2
Selbständige Gasentladung
Die ersten Untersuchungen wurden an Niederdruckgasentladungen mit einem
kontinuierlichen Entladungsstrom durchgeführt. Dabei stellte sich schnell heraus, dass ein
Entladungsstrom nur entsteht, wenn die Elektronenlawinen selbständig neue Elektronen für
Nachfolgelawinen
erzeugen.
Für
diese
Sekundärelektronen
wurden
zwei
Nachlieferungsprozesse entdeckt.
Positive Ionen können beim Auftreffen auf die Kathode, mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit im Prozentbereich, Sekundärelektronen herauslösen. Dabei spielt die
kinetische Energie und die Ionisierungsenergie der Gasteilchen sowie die Austrittsarbeit der
Metalle eine Rolle. Der kontinuierliche Strom der positiven Ionen, der auf die Kathode trifft,
löst also einen Strom von Sekundärelektronen aus. Die selbständige Gasentladung läuft dann
nach dem Townsend-Mechanismus ab.
Neben der Stoßionisierung finden in einer Elektronenlawine durch Elektronenstöße auch
hochenergetische Anregungen von Gasteilchen statt. Gelangen diese Teilchen wieder in ihren
energetischen Grundzustand, so werden Photonen abgestrahlt. Diese hochenergetischen
Photonen lösen beim Auftreffen auf die Kathode Sekundärelektronen aus, die den
Entladungsstrom mit weiteren Elektronenlawinen aufrecht erhalten.
Die Photonenstrahlung gewinnt erst bei höheren Feldstärken von 100 kV.cm-1 für den
selbständigen Gasentladungsprozess an Bedeutung. Die aus dem Lawinenkopf abgestrahlten
Photonen werden zum Teil von den umgebenden Gasteilchen absorbiert. Dabei kommt es
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auch zur Photoionisierung von Gasteilchen. Es entstehen zusätzliche Elektronen im Gasraum.
Damit liegt eine weitere Quelle für Sekundärelektronen im Gasraum selbst. Wird die
selbständige Gasentladung durch die Photoionisierung ausgelöst, so spricht man vom
Streamer-Mechanismus. Welcher Mechanismus letztendlich entscheidend ist, hängt von den
Randbedingungen ab /12/.
2
Modellierung der Vorgänge bei äußeren Teilentladungen
2.1
Typische TE-Quellen
Teilentladungen beschränken sich auf Teilbereiche der Gesamtisolation und rufen damit
keinen sofortigen Überschlag oder Durchschlag hervor. Die Ursache für die räumliche
Beschränkung ist bei äußeren Teilentladungen auf inhomogene Felder zurückzuführen.
Bild 2.1:
Äußere Teilentladungen - durch „Blitze“ angedeutet - im inhomogenen Feld
einer Anordnung Leiter-über-Erde.
So wird bei einem dünnen Leiter, wie er in Bild 2.1 dargestellt ist, nur in dessen unmittelbarer
Umgebung eine ausreichend hohe Feldstärke entstehen. In dieser Leiterumgebung treten dann
selbständige Gasentladungen auf, die sich aber wegen der starken Abnahme der elektrischen
Feldstärke nicht zur Gegenelektrode (der Erdfläche) ausbreiten können. Diese Anordnung ist
typisch für eine Vielzahl von technischen Produkten, die mit möglichst geringem Aufwand
die erforderliche Spannungsfestigkeit erreichen.
Bei der zweiten wichtigen Klasse von Anordnungen, bei denen äußere Teilentladungen
entstehen, sind Isolierstoffe wie in Bild 2.2 betroffen, an deren Oberfläche hohe elektrische
Feldstärken konstruktionsbedingt auftreten.
Bild 2.2:
Äußere Teilentladungen - durch einen „Blitz“ angedeutet - im inhomogenen
Feld einer Anordnung Leiter-gegen-Erdpotenzial, zwischen denen sich eine
Feststoffisolation (hellgrau) befindet.
Diese Form der Teilentladungen werden auch Oberflächenentladungen genannt. Die
Vermeidung dieser Entladungen stellt eine Herausforderung bei der Konstruktion von
hochspannungstechnischen Betriebsmitteln dar /12/, /14/, /15/.
2.2
Modellierung mit Hilfe des Ersatzschaltbildes
Neben der Leiter-über-Erde Anordnung wird zur Veranschaulichung der äußeren
Teilentladungen oft die Spitze-Platte Anordnung herangezogen. Ein einfaches
Ersatzschaltbild für diese Anordnung ist in Bild 2.3 dargestellt. Der Feldbereich in der
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Umgebung der Spitze, der eine ausreichend hohe Feldstärke aufweist, ist als Kondensator C
dargestellt. Nur in diesem begrenzten Bereich können die für die Gasentladung erforderlichen
Ionisierungsprozesse ablaufen. Die Entladung dieses Kondensators durch die Funkenstrecke F
simuliert daher die Gasentladung im Bereich der Spitze. Die verbleibenden Ionen im Gasraum
fließen im elektrischen Feld zu den Elektroden ab. Dieser Vorgang wird durch den
Widerstand R im Ersatzschaltbild abgebildet.
C
F
R
Bild 2.3:
Ersatzschaltbild für äußere Teilentladungen an einer Spitze-Platte Anordnung
bestehend aus einer Funkenstrecke F, einem Kondensator C und einem
Widerstand R für die Gasentladungsprozesse.
Die zeitlichen Verläufe der Spannungen im Ersatzschaltbild sind in Bild 2.4 dargestellt. Die
sinusförmige Prüfspannung ist die Gesamtspannung der Spitze-Platte-Anordnung. Die
Spannung UC am Kondensator folgt dem sinusförmigen Verlauf. Bei Erreichen der
Zündbedingung wird der Kondensator durch die Funkenstrecke entladen. Nach dem
Erlöschen der Funkenstrecke wird der Kondensator C über den Widerstand R wieder
aufgeladen. Die Zeitkonstante R.C bestimmt die Folgefrequenz der Entladungen.
Charakteristisch ist das Auftreten der äußeren Teilentladungen um die Scheitelpunkte der
Wechselspannung herum. Je nach Höhe der Wechselspannung können unterschiedlich viele
Entladungen in einer Halbwelle entstehen /16/.
Prüfspannung
U
t
UC
Bild 2.4:
2.3
Zeitlicher Verlauf der Spannungen im Ersatzschaltbild einer Spitze-PlatteAnordnung. Die Prüfspannung ist die Gesamtspannung und UC ist die Spannung
am Kondensator C.
Modellierung mit Hilfe der Gasentladungsprozesse
Anstelle des Ersatzschaltbildes lässt sich der zeitliche Verlauf der Spannung auch mit der
Physik der Gasentladungsprozesse erklären. In Bild 2.5 sind die Vorgänge für eine SpitzePlatte Anordnung dargestellt. Die Spitze befindet sich auf einem positiven Potenzial
gegenüber der Platte. Die Inhomogenität der Elektrodenanordnung, dargestellt als
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Ausnutzungsfaktor η, und die Schlagweite s entscheiden über das Verhältnis zwischen
anliegender Spannung und maximaler Feldstärke.
Eˆ max = Uˆ ⋅ (s ⋅ η )−1
(1.1)
Überschreitet die Feldstärke in Luft im inhomogenen Feld der Spitze deutlich den zuvor
eingeführten Wert von 25 kV.cm-1, können Elektronenlawinen starten. Die Elektronen
bewegen sich auf die Spitzenelektrode (Anode) zu und werden von ihr aufgenommen. Dabei
werden durch Photoionisation Sekundärlawinen im feldstarken Bereich der Spitze
nachgeliefert. Die positiven Ionen aller Entladungen sammeln sich, wegen ihrer geringeren
Geschwindigkeit, im Bereich der Spitze an. Sie erzeugen ein Raumladungsfeld Er, das vor der
Spitze zu einer Absenkung der Feldstärke und damit zu einem Abklingen der
Elektronenlawinen führt. Es handelt sich somit um einen impulsförmigen
Gasentladungsprozess, der z.B. in Luft einige 10 ns dauert.
Er
E
Bild 2.5:
Die Entladungen in der Umgebung der Spitze hinterlassen positive
Raumladungen, die ein Zusatzfeld Er erzeugen.
Bei Betrachtung der zeitlichen Verläufe der Feldstärke im Bereich der Spitze muss zwischen
der ungestörten Feldstärke durch die Wechselspannung und dem Raumladungsfeld der
positiven Ionen unterschieden werden. Erreicht die Feldstärke den Zünd- oder Einsetzwert, so
kommt es zu einem impulsförmigen Gasentladungsprozess, der durch die erzeugten positiven
Ionen ein Raumladungsfeld hinterlässt. Die positiven Ionen driften innerhalb von einigen
100 ns zur Kathode und das Raumladungsfeld vor der Spitze klingt ab. Das resultierende Feld
führt erneut zu Elektronenlawinen und einem Entladungsimpuls. Die äußeren Teilentladungen
treten daher immer um den Scheitelpunkt der Wechselspannung herum auf.
Raumladungsfeld Er
U
t
resultierendes
Feld
ungestörte
Feldstärke E
Bild 2.6:
Zeitlicher Verlauf der Feldstärke im Spitzenbereich einer Spitze-PlatteAnordnung. Das resultierende Feld ergibt sich aus der Überlagerung der
ungestörten sinusförmigen Feldstärke und dem Raumladungsfeld.
Die mit dem Prüfkreis messbare scheinbare Ladung unterscheidet sich von der wahren
Ladung, die in der Umgebung der Spitze durch die Stoßionisierungsprozesse erzeugt und
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getrennt wird. Bei einer Erfassung der TE-Impulse mit einem Oszilloskop (s. Bild 2.6) wird
der schnelle Zusammenbruch des elektrischen Feldes durch die Raumladungen beobachtet.
Da die größte positive Raumladungsdichte im Bereich der Spitze auftritt, werden dort durch
Influenz die meisten der Elektronen an der Spitzenoberfläche festgehalten. Nur ein geringer
Teil der Elektronen kann durch den Prüfkreis zur gegenüberliegenden Plattenelektrode fließen
und als scheinbare Ladung gemessen werden.
2.4
Polaritätseffekt
Die Wechselspannung an einer Spitze-Platte Anordnung wird kontinuierlich gesteigert. Die
ersten äußeren Teilentladungen treten bei negativer Polarität der Spitze im Scheitelwert der
Wechselspannung auf. Die Elektronenlawinen laufen von der Spitze aus in den Gasraum
hinein. Mit der räumlich abnehmenden Feldstärke lagern sich die Elektronen an und bilden
negative Ionen. Zusammen mit den vor der Spitze verbliebenen positiven Ionen (Bild 2.8)
bildet sich ein Raumladungsfeld, das den Entladungsprozess beendet. Der nächste
Entladungsimpuls kann erst wieder auftreten, wenn die negativen Ionen weit genug
abgewandert sind und die Zündfeldstärke vor der Spitze wieder erreicht wird. Die positiven
Ionen erhöhen die Feldstärke vor der negativen Spitze. Dieser Effekt führt zu der niedrigeren
Einsetzfeldstärke bei negativer Spitze.
Er
E
Bild 2.8:
Die Entladungen in der Umgebung der Spitze hinterlassen positive
Raumladungen vor der Spitze und negative im restlichen Gasraum, die ein
Zusatzfeld Er erzeugen.
Die Elektronenlawinen bei positiver Spitze starten im Gasvolumen vor der Spitze, wo die
Feldstärke aufgrund der inhomogenen Feldverteilung noch ausreichend hoch ist. Der Einsatz
der äußeren Teilentladungen bei positiver Spitze erfordert je nach Inhomogenität des Feldes
eine etwas höhere Feldstärke. Da sich die Elektronenlawinen vor einer positiven Spitze mit
Unterstützung des Raumladungsfeldes der positiven Ionen weiter in das Gasvolumen hinein
ausbilden können, sind die gemessenen scheinbaren Ladungen erheblich größer als bei einer
negativen Spitze /12/.
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Praktische Beispiele für äußere Teilentladungen
3.1
Versuchsaufbau
Prüfgefäß
Filter
Trenn-Trafo
Cm
Prüfling
Ck
Cu
HS-Trafo
LDM-5
TE-Messvierpol
Spannungsmessung
LDS-6
LDIC
TE-Messgerät
Bild 3.1:
Versuchsaufbau mit Prüf- und Messkreis
Zur Messung der äußeren Teilentladungen (TE) werden die hier vorgestellten Ergebnisse
unter Berücksichtigung der IEC 60270 mit einer schrittweise gesteigerten 50-HzPrüfwechselspannung durchgeführt. Der Prüf- und Messkreis ist in Bild 3.1 zu sehen. Die TEImpulse werden über einen Messvierpol erfasst und mittels eines automatisierten TEMessgeräts aufgezeichnet. Die TE-Messeinrichtung erlaubt eine Bandbreite von 100 kHz und
eine Messempfindlichkeit von 1 pC. Bei Einsetzbedingungen wird die TE-Aktivität für den
Zeitraum von einer Minute aufgezeichnet und im folgenden jeweils als
Phasenwinkeldiagramm dargestellt /18/. Die Prüflinge werden zusammen mit den
Messergebnissen vorgestellt.
3.2
Spitze-Platte-Anordnung
Bild 3.2:
Spitze-Platte-Anordnung mit einer Schlagweite von 20 mm und einem
Spitzenradius von 1,5 mm.
Als am häufigsten verwendetes Beispiel für äußere Teilentladungen wird eine Spitze-Platte
Anordnung (Bild 3.2) benutzt. Im ersten Versuch wird die Spitze an Hochspannung und die
Platte auf Erdpotenzial gelegt. Das sich für dieses Beispiel einstellende
Phasenwinkelhistogramm ist in Bild 3.3 abgebildet. Jeder Teilentladungsimpuls wird als
Punkt dargestellt. Die Phasenlage zeigt den Zeitpunkt des TE-Impulses bezogen auf die
Prüfwechselspannung und die Ladungshöhe gibt die scheinbare Ladung des Impulses in pC
wieder. Aufgrund des Polaritätseffektes (s. Kapitel 2.4) gibt es starke Größenunterschiede der
scheinbaren Ladung in der negativen und positiven Halbwelle. Deutlich zu erkennen ist das
Auftreten der Teilentladungen, also die Phasenlage, um die Scheitelpunkte der
Wechselspannung herum.
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Bild 3.3:
Phasenwinkelhistogramm für eine Spitze-Platte-Anordnung mit einer
Schlagweite von 20 mm und der Spitze auf Hochspannungspotenzial bei einer
Einsetzspannung von 13 kV. Getrennte Darstellung der Teilentladungen in der
negativen und positiven Halbwelle der Prüfwechselspannung.
In einem zweiten Beispiel ist nun die Spitze geerdet und die Platte auf Hochspannungspotenzial. Es stellt sich ein sehr ähnliches Phasenwinkelhistogramm (s. Bild 3.4) mit
vertauschter Polarität ein. Die Höhe der scheinbaren Ladung und der Einsetzspannung ist
vergleichbar zur vorherigen Messung.
Bild 3.4:
Phasenwinkelhistogramm für eine Spitze-Platte-Anordnung mit einer
Schlagweite von 20 mm und der Spitze auf Erdpotenzial bei einer Einsetzspannung von 13,5 kV. Getrennte Darstellung der Teilentladungen in der
negativen und positiven Halbwelle der Prüfwechselspannung.
Der Einfluss des Elektrodenabstandes auf die scheinbare Ladung ist in Bild 3.5 zu finden. Die
relativ geringen Entladungen in der jeweils negativen Halbwelle sind aus Skalierungsgründen
nicht mehr dargestellt. Die in Kapitel 2.3 theoretisch eingeführte Überlegung, dass die
scheinbare Ladung mit zunehmender Schlagweite abnimmt, findet hier seine Bestätigung. Mit
der Erhöhung des Abstandes zwischen Spitze und Platte von 20 auf 30 mm nimmt die
scheinbare Ladung im umgekehrten Verhältnis auf ca. 2/3 des Ausgangswertes ab.
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Bild 3.5:
3.3
Phasenwinkelhistogramm für zwei unterschiedliche Spitze-Platte Anordnungen
mit der Spitze auf Hochspannungspotenzial bei Einsetzbedingungen.
Linke Seite: Schlagweite 20 mm,
Rechte Seite: Schlagweite 30 mm.
Oberflächenentladungen
Bild 3.6:
Platte-Platte Anordnung mit einer 2 mm starken Isolierstoffbarriere aus Silikon.
Die kleinere aufgesetzte Elektrode hat einen Außendurchmesser von 20 mm und
einen Kantenradius von 2,5 mm.
Als Beispiel für eine Anordnung, an der Oberflächenentladungen zünden können, wird eine
2 mm starke Isolierstoffscheibe aus Silikon als Barriere zwischen zwei unterschiedlich großen
Elektroden gelegt (Bild 3.6) und geprüft. Es ergibt sich ein charakteristisches
Phasenwinkelhistogramm wie in Bild 3.7 dargestellt.
Bild 3.7:
Phasenwinkelhistogramm für die Platte-Platte-Anordnung mit Isolierstoffbarriere und der kleinen Elektrode auf Hochspannungspotenzial bei einer
Einsetzspannung von 3,5 kV.
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Die Phasenlage der Teilentladungen ist im Gegensatz zu der Spitze-Platte Anordnung etwas
verschoben. Die Isolierstoffbarriere verhindert ein Abfließen der Ladungsträger zur unteren
Plattenelektrode. Ähnlich wie bei den inneren Teilentladungen werden Oberflächenladungen
gespeichert und führen in der darauf folgenden Halbwelle entgegengesetzter Polarität zu einer
Feldverstärkung und somit zu einer Verschiebung der Phasenlage in die betragsmäßig
ansteigende Flanke der Halbwelle zwischen Nulldurchgang und Scheitelwert.
3.4
Wassertropfenkorona
Bild 3.8:
Platte-Platte-Anordnung mit einer Schlagweite von 52 mm und einer 10 mm
starken Isolierstoffbrücke aus Silikon. Die Oberseite der Silikonbrücke wird
befeuchtet.
Freiluftisolatoren müssen ihre Spannungsfestigkeit unter erschwerten Umweltbedingungen
wie z.B. Beregnung oder Betauung aufrechterhalten. Dabei treten in der sogenannten
Frühalterungsphase zunächst Teilentladungen auf, die auch Tropfenkorona genannt wird. Zur
Untersuchung dieser äußeren Teilentladungen an Wassertropfen wird hier eine tangentiale
Feldbelastung der Isolierstoffoberfläche gewählt (Bild 3.8).
Bild 3.9:
Phasenwinkelhistogramm für die Platte-Platte-Anordnung mit befeuchteter
Isolierstoffbrücke bei Einsetzspannung.
Rechts: Tropfenschicht (13 kV)
Links: einzelner 30 μl-Tropfen (26,5 kV),
Zwischen zwei Elektroden ist eine Isolierstoffbrücke geklemmt, die mit einem „großen“ 30
µl-Tropfen oder zum Vergleich mit einem feinen Tropfenbelag, ähnlich einer Tauschicht,
belegt ist. Die typischen Phasenwinkelhistogramme bei Einsetzbedingungen finden sich in
Bild 3.9. Scheinbare Ladung und Einsetzspannung unterscheiden sich deutlich /19/. An dem
Einzeltropfen entstehen Teilentladungen erst bei einer Feldstärke von ca. 10 kV.cm-1 mit
hohen scheinbaren Ladungen. Der feine Tropfenbelag führt dahingegen zu einer deutlichen
Reduktion der Einsetzspannung und durch die „kleinen“ Entladungsgebiete zu niedrigen
scheinbaren Ladungen. Die Phasenlage erinnert sowohl an die Teilentladungen einer SpitzePlatte Anordnung als auch an Oberflächenentladungen.
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3.5
Potenzialfreier Metallpartikel
Bild 3.10:
Platte-Platte-Anordnung mit Isolierstoffbrücke, auf der ein 5 mm langer
Metallpartikel in Feldrichtung liegt.
Als abschließendes Beispiel für äußere Teilentladungen befindet sich ein potenzialfreies,
5mm langes Metallpartikel auf einer Isolierstoffbrücke zwischen zwei Elektroden (Bild 3.10).
Das gemessene Phasenwinkelhistogramm bei Einsetzbedingungen ist in Bild 3.11 dargestellt.
Bild 3.11:
Phasenwinkelhistogramm für die Platte-Platte-Anordnung mit Isolierstoffbrücke, auf der ein 5 mm langes Metallpartikel bei einer Einsetzspannung von
24 kV liegt.
Die Teilentladungen treten um die Scheitelpunkte der Wechselspannung herum auf. Diese
Phasenlage weist auf äußere Teilentladungen hin. Die Höhe der scheinbare Ladung ist
vergleichbar mit den Werten des Einzeltropfens. Im Prinzip handelt es sich um zwei SpitzePlatte Anordnungen, die so geschaltet sind, dass sich kein Polaritätseffekt ausbilden kann. Im
Gegensatz zur Spitze-Platte Anordnung treten die Teilentladungen nur in der betragsmäßig
ansteigenden Flanke der Halbwellen auf. Dies hängt mit der Potenzialfreiheit des
Metallpartikels zusammen. Nach einer Gasentladung ist das Partikel aufgeladen und es
können erst in der folgenden Halbwelle entgegengesetzter Polarität wieder
Teilentladungsimpulse entstehen.
Zusammenfassung
Äußere Teilentladungen können bei einer Vielzahl von hochspannungstechnischen
Anordnungen auftreten und daher nahezu jedes Betriebsmittel oder jede Anlage in der
elektrischen Energietechnik betreffen. Ein einfaches Hilfsmittel zur theoretischen
Beschreibung der Teilentladungen liefern Ersatzschaltbilder. Ein tieferes Verständnis der
Mechanismen kann allerdings erst durch die Betrachtung der physikalischen Vorgänge der
Gasentladungsprozesse gewonnen werden. Messungen an typischen Anordnungen, die äußere
Teilentladungen verursachen können, werden beispielhaft dargestellt und erläutert.
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