Das Immunsystem in Schwung bringen

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Forschung aktuell –
Impfung gegen Nierenkrebs
Das Immunsystem in Schwung bringen
Therapeutische Impfung gegen Nierenkrebs
Das Nierenzellkarzinom ist der häufigste bösartige Nierentumor. In
Deutschland gibt es pro Jahr etwa 14.000 Neuerkrankungen, die meist
durch Zufall entdeckt werden. Bisher sind Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom kaum therapierbar, da die Tumorzellen auf
Bestrahlung oder Chemotherapie praktisch nicht ansprechen. Wissenschaftler am GSF-Institut für Molekulare Immunologie entwickeln neue
Therapieformen, die das Immunsystem des Patienten aktivieren sollen,
um Tumorzellen effektiv zu bekämpfen.
as Nierenzellkarzinom oder kurz RCC
(Renal cell carcinoma) ist eine äußerst aggressive Krebsform. „Häufig liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eines Nierenzellkarzinoms schon Metastasen
z.B. in Knochen, Lunge oder Gehirn“, so Dr.
D
Bernhard Frankenberger vom GSF-Institut für
Molekulare Immunologie. Die Prognose ist
schlecht – über drei Viertel der Erkrankten
mit Metastasen sterben innerhalb von zwei
Jahren. Gemeinsam mit Institutsleiterin Professor Dolores Schendel setzt er große Hoff-
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Impfung gegen Nierenkrebs
tem besonders gut ankurbeln können“, erklärt Frankenberger. Tumorantigene sind spezifische Proteine, durch die sich Krebszellen
von gesunden Zellen unterscheiden. Eigentlich sollte das Immunsystem die Krebszellen
anhand dieser Antigene als entartet erkennen und vernichten können. Das Problem dabei: Die Tumoren haben verschiedene Mechanismen entwickelt, die ihnen helfen, den
Immunzellen zu entkommen.
So fehlen beispielsweise den RCC26-Zellen
bestimmte kostimulatorische Moleküle, die
notwendig sind, um eine Immunantwort auszulösen. Ohne diese Moleküle wandern zwar
Abwehrzellen - hauptsächlich zytotoxische
CD8-positive T-Zellen – zu den Tumorzellen
hin, dort werden sie aber abgeschaltet, anstatt zum Kampf gegen die Tumorzellen aktiviert zu werden.
Computertomographischer
Schnitt durch eine Niere mit
RCC-Nierenzellkarzinombefund
(Pfeile).
nungen auf die Immuntherapie, denn es gibt
Hinweise darauf, dass der Tumor prinzipiell
eine Immunantwort auslösen kann: Er wird
häufig von Abwehrzellen des Immunsystems
infiltriert, und bei etwa zwei Prozent der Patienten kommt es zu einer spontanen Rückbildung des Tumors. Die Aktivierung des Immunsystems mit Zytokinen wie Interferon-alpha und/oder Interleukin-2 als klassische
Immuntherapie kann manchmal zu partiellen
oder sogar kompletten Remissionen führen,
ist für die Patienten aber oft mit massiven
Nebenwirkungen verbunden.
Langzeitüberlebende im
Dienste der Forschung
Oft ist bei einer Krebserkrankung der Tumor nicht das alleinige Übel. Einzelne Tumorzellen breiten sich im Körper aus
und führen in anderen Organen
zu Metastasen. So finden sich
zum Zeitpunkt der Erstdiagnose
eines Nierenzellkarzinoms häufig schon Metastasen z.B. in
Knochen, Lunge oder Gehirn.
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Die Wissenschaftler arbeiten deshalb an einer therapeutischen Vakzine, die das Immunsystem mit Hilfe von gentechnisch veränderten Tumorzellen stimulieren soll. Zur Impfung
verwenden sie Tumorzellen der Zelllinie
RCC26, die von einem Patienten stammt,
dessen Immunsystem den Tumor offensichtlich besonders gut bekämpfen konnte, da er
als „Langzeitüberlebender“ den Ausbruch
der Erkrankung um mehr als zehn Jahre überlebte. „Möglicherweise präsentieren diese
Tumorzellen immundominante Tumorantigene auf ihrer Oberfläche, die das Immunsys-
Um die Immunreaktion gegen die Tumorantigene zu verbessern, schleusten Prof. Schendel und ihre Mitarbeiter in Kooperation mit
Prof. Blankenstein und seiner Gruppe am
Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin deshalb sowohl das Gen für
das kostimulatorische Molekül B7.1 in
RCC26-Tumorzellen ein als auch Gene für bestimmte Zytokine (wie Interleukin-2 und -7),
die dafür sorgen sollen, dass sich tumorspezifische T-Zellen besser vermehren können
und eine lang anhaltende Immunreaktion
aufrechterhalten.
Präsentierteller für
Tumorantigene
Die eigentlichen Tumorantigene der Zelllinie
RCC26, die die T-Zellen auf den Tumor „abrichten“, können bei dieser Art der therapeutischen Impfung unbekannt bleiben, da sie
von der Tumorzelle selbst präsentiert werden. Glücklicherweise scheinen die von der
Zelllinie RCC26 präsentierten Tumorantigene
auch von Nierenzelltumoren anderer Patienten erkannt zu werden, da sie auch von T-Zellen anderer Patienten erkannt wurden. Allerdings erkennen T-Zellen tumorspezifische
Antigene nur, wenn die Tumorzelle sie ihnen
auf bestimmten Präsentierschalen, den
MHC-Molekülen, anbietet. RCC26-Zellen
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präsentieren die Antigene auf einem MHCMolekül des Typs HLA-A2. Damit die Kommunikation zwischen Antigen-präsentierender
Tumorzelle und T-Zelle klappt, müssen die TZellen der Patienten so genannte HLA-A2restringierte Zellen sein, die dieses Molekül
zusammen mit einem Fragment der Tumorantigene erkennen.
Hier kommt den Forschern ein Zufall zugute:
„Glücklicherweise ist das HLA-A2-Molekül
bei etwa 50 Prozent der kaukasischen Bevölkerung exprimiert, so dass unsere genmodifizierte RCC26-Vakzine bei etwa der Hälfte
aller Patienten eingesetzt werden kann“, erklärt Frankenberger. Neben den zytotoxischen T-Zellen der adaptiven Immunabwehr
können RCC26-Zellen auch natürliche Killerzellen (NK) und nicht-MHC-restringierte (NKähnliche) T-Zellen des angeborenen Immunsystems aktivieren. NK-Zellen können veränderte oder körperfremde Zellen auch dann
erkennen, wenn diese ihre MHC-Moleküle
herunterregulieren. Deshalb sind sie für die
Eliminierung entarteter, körpereigener Zellen
ebenso wichtig. Die RCC26-Zellen besitzen
anscheinend eine natürliche Immunogenität,
so dass der Tumor von verschiedenen Effektorzellen des Immunsystems erkannt werden
kann.
Erste Schritte in die Klinik
In einer im letzten Jahr begonnenen klinischen Phase-I/II-Studie werden in der Urologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in Kooperation mit der Klinischen Kooperationsgruppe von Dr. Heike Pohla zwölf
Patienten mit der RCC26-Vakzine behandelt.
„Der Impfstoff zeigte bei diesen Patienten
bislang keine toxischen Nebenwirkungen.
Über einen Effekt der Impfung kann aber
noch keine endgültige Aussage getroffen
werden, da das begleitende Monitoring zu
dieser Studie noch läuft“, so Frankenberger.
Trotz der vergleichsweise guten immunogenen Eigenschaften der RCC26-Vakzine kann
die Impfung mit Tumorzellen auch Nachteile
haben, denn Tumorzellen sind generell eher
schwache Antigen-präsentierende Zellen, da
sie aufgrund häufig fehlender MHC-Klasse-
II-Moleküle oft keine CD4-positiven Helfer-TZellen ansprechen können. Deshalb verfolgen die Wissenschaftler parallel zur Impfung
mit gentechnisch veränderten RCC26-Zellen
einen weiteren Ansatz: „Professionelle Antigen-präsentierende Zellen wie z.B. dendritische Zellen (DC) können das Immunsystem
viel besser stimulieren: Sie induzieren sowohl CD8- als auch CD4-T-Zellen, sie tragen
kostimulatorische Moleküle auf ihrer Oberfläche und sie produzieren für das Immunsystem eher förderliche Stoffe“, erklärt Frankenberger. Daher sollen auch DC im Kampf gegen das Nierenzellkarzinom zum Einsatz
kommen. Anders als bei der Impfung mit
RCC26 ist es für die Entwicklung einer DC-basierten Vakzine allerdings von Vorteil, wenn
die RCC-assoziierten Tumorantigene bekannt
sind. Dann könnte ganz spezifisch die RNS,
die für diese Tumorantigene kodiert, in die DC
Um die Immunreaktion gegen
die Tumorantigene zu verbessern, schleusten Prof. Schendel
und ihre Mitarbeiter das Gen
für das kostimulatorische
Molekül B7.1 in RCC26-Tumorzellen ein sowie Gene für
bestimmte Zytokine (wie Interleukin-2 und -7). Sie sollen die
Vermehrung tumorspezifischer
T-Zellen stimulieren und damit
eine lang anhaltende Immunreaktion aufrechterhalten.
Schematische Darstellung der Regulation MHCrestringierter und nicht-MHC-restringierter T-Lymphozyten. Klassische zytotoxische T-Zellen erkennen über ihren spezifischen T-Zellrezeptor (TCR)
den auf Tumorzellen exprimierten HLA/Peptid-Komplex. Diese Interaktion ist Voraussetzung für die
Aktivierung dieser Killerzellen. Nicht-MHC-restringierte T-Zellen dagegen werden über MHC/PeptidKomplexe spiegelbildlich reguliert: Über die Bindung an inhibitorische Rezeptoren (KIR) werden
negative Signale induziert, die nicht-MHC-restringierte T-Zellen abschalten.
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eingebracht werden. „Die DC produzieren die
von der RNS kodierten Antigene und präsentieren sie auf ihrer Oberfläche, wo sie im Idealfall von tumorspezifischen T-Zellen erkannt
werden. Dadurch kann eine Stimulation des
Immunsystems und eine spezifische Reaktion
auf den Tumor erfolgen“, so Frankenberger.
Neue Spürhunde im Einsatz
Wesentlich vorangetrieben wird dieser Therapieansatz durch große Fortschritte in den
Methoden, mit denen potenzielle tumorassoziierte Antigene (TAA) identifiziert werden
können: Welche Antigene von den Tumorzel-
len präsentiert werden, untersucht die Gruppe von Prof. Schendel in Zusammenarbeit mit
Laboratorien in Tübingen und in den USA, wo
die von den Tumorzellen auf HLA-A2 präsentierten Peptide isoliert und sequenziert werden. Differenzielle Transkriptom-Analysen,
bei denen die Transkriptmengen der potenziellen TAA in Tumorzellen und normalen Nierenzellen verglichen werden, helfen dabei,
überexprimierte tumorspezifische Antigene
zu entdecken, die in normalen Zellen nicht
oder nur in geringer Menge vorkommen. Die
Proben dazu erhielten die Wissenschaftler
vom GSF-Institut für Pathologie. „Unser Ziel
ist, möglichst viele tumorassoziierte Antige-
Nach guter handwerklicher Praxis – Das künftige
GMP-Labor der GSF
Kontakt
Iris Bigalke
GSF - Forschungszentrum
GMP-Labor
Am Klopferspitz 19
D-82152 Martinsried
Tel.: 0 89/70 07 68-20
[email protected]
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Die Herstellung von mit RCC-Antigenen beladenen dendritischen Zellen (DC) wird innerhalb eines Sonderforschungsbereichs verfolgt. „Zurzeit testen wir die Herstellung und
Beladung der DC im Sinne höchsten Qualitätsmanagements nach „Good Manufacturing Practice“ (GMP), damit sie möglichst
schon 2007 in einer klinischen Studie eingesetzt werden können“ sagt Iris Bigalke, Leiterin des derzeit im Aufbau befindlichen neuen GMP-Labors der GSF. Ihre Aufgabe wird
es sein, mit ihrer Arbeitsgruppe die DC für
Alle Arzneimittel, die am Patienten eingeden Einsatz bei Patienten unter den Bedinsetzt werden sollen, müssen in einer Umgegungen der GMP zu generieren: Alle Arzneibung hergestellt werden, die frei von baktemittel, die am Patienten eingesetzt werden
riellen Kontaminationen und Partikeln ist.
Mit ihrer Arbeitsgruppe stellt Iris Bigalke,
sollen, unterliegen strengen gesetzlichen
Leiterin des im Aufbau befindlichen GMPAuflagen. Da Zelltherapeutika sterile ProdukLabors der GSF Zelltherapeutika zukünftig
te sind, müssen sie unter Reinraumbedinunter solchen Reinraumbedingungen her. Ein
gungen, das heißt in einer Umgebung hergeÜberdrucksystem sorgt dafür, dass keine
stellt werden, die frei von bakteriellen Konkontaminierte Luft von außen eindringen
kann.
taminationen und Partikeln ist. Ein Überdrucksystem sorgt dafür, dass keine
kontaminierte Luft in die Reinräume von außen eindringen kann. Seit zwei Jahren wird bei der
GSF eine solche Reinraumanlage zur Herstellung von Zellpräparaten auf die Inbetriebnahme
vorbereitet.
Die Herstellungsprotokolle und die entsprechenden Standard-Arbeitsanweisungen für die DC
werden parallel hierzu in einem Vorbereitungslabor entwickelt. Bevor eine Labormethode in die
Praxis der GMP umgesetzt werden kann, vergehen oft ein bis zwei Jahre, da nicht alle Methoden bzw. Reagenzien, die in der Forschung eingesetzt werden, auch für eine GMP-Produktion
geeignet sind. Für eine therapeutische Anwendung sind außerdem wesentlich größere Zellzahlen erforderlich als für wissenschaftliche Ansätze, so dass zum Teil eine nahezu neue Etablierung von bereits bestehenden Methoden mit anderen Reagenzien oder Geräten erforderlich
wird. Hinzu kommen eine aufwändige Dokumentation und Qualitätskontrolle.
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Parallel zur Impfung mit gentechnisch veränderten
RCC26-Zellen verfolgen die
GSF-Immunologen im Kampf
gegen das Nierenzellkarzinom einen weiteren aktuellen Ansatz: Sie verwenden
dendritische Zellen aus dem
Blut der Patienten, die durch
effektive Antigen-Präsentation eine wichtige Funktion
in der Immunabwehr
erfüllen.
ne zu finden und in Form von RNS in die DC
einzubringen, um dem Immunsystem viele
verschiedene Angriffspunkte gegen den Tumor zu bieten“, erklärt Frankenberger.
Dieselben Antigene können auch für die
Erfolgskontrolle nach einer Impfung des Patienten verwendet werden: Schlägt die Impfung an, müssen sich im Blut des Patienten
antigenspezifische zytotoxische T-Zellen befinden, die bei Kontakt mit den entsprechenden Antigenen zur Vermehrung angeregt
werden und immunologische Botenstoffe
produzieren.
„Als drittes Standbein bei der Immuntherapie
von Nierenzellkarzinomen wollen wir an unserem Institut in naher Zukunft auch eine
Therapie mit tumorspezifischen transgenen
T-Zellen entwickeln“, erläutert Frankenberger. Die Wissenschaftler bringen auf gentechnischem Wege tumorspezifische Rezeptoren in T-Zellen ein, die dann – ähnlich wie
bei einer passiven Immunisierung mit Antikörpern – ganz spezifisch vereinzelte Tumorzellen im Blut des Patienten bzw. Mikrometastasen aufspüren und bekämpfen.
Neuer Sonderforschungsbereich für die
Immunitätsforschung
Grundlegende Arbeiten von Prof. Kolb hatten gezeigt, dass eine Infusion von Spender-Lymphozyten nach Knochenmarktransplantation die Eliminierung von Leukämiezellen herbeiführen
kann, dass dies auf eine T-Zell-vermittelte Immunität zurückzuführen ist und dass das Immunsystem also die Fähigkeit besitzt, Krebs zu heilen. Ausgehend von dieser Entdeckung ist jüngst
ein neuer Transregio-Sonderforschungsbereich zwischen zwei Helmholtz-Zentren - der GSF und
dem Max-Delbrück-Centrum in Berlin, den beiden Münchener Universitäten, der Humboldt-Universität Berlin sowie der Berliner Charité etabliert worden.
Ziel der Arbeiten ist es, die Grundlagen der durch spezifische T-Lymphozyten vermittelten
Immunität zu verstehen sowie neue Formen der Therapie maligner Erkrankungen und chronischer Infektionen durch Übertragung solcher T-Zellen in den Patienten zu entwickeln.
Kontakt
Dr. Bernhard Frankenberger
GSF-Institut für Molekulare
Immunologie
Tel. 0 89/70 99-3 62
[email protected]
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