8. Internationales Symposium 23. Juni 2007 Die MS als T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung Prof. Dr. med. Roland Martin, Institut für Neuroimmunologie und Klinische MS-Forschung, Universitätsklinikum HamburgEppendorf Die Ätiologie der MS ist gegenwärtig nicht geklärt, es wird jedoch davon ausgegangen, dass sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse zum Auftreten und der phänotypischen Ausprägung der Erkrankung beitragen. Hinsichtlich der molekularen Pathogenese sind vermutlich eine Reihe von Prozessen im ZNS und den Gewebeschäden beteiligt, die Entzündungsherde, Entmarkung, axonalen und neuronalen Schaden sowie Glianarbe umfassen. In der Pathogenese der MS spielen T-Lymphozyten in allen Stadien und Verlaufsformen eine Rolle, wenn auch die Bezeichnung der MS als T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung mittlerweile als Vereinfachung erscheint. Folgende Befunde unterstützen die pathogenetische Bedeutung von T-Zellen in der MS. Im Tiermodell der experimentell autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) wurde Übertragbkarkeit der EAE von erkrankten auf naive Tiere durch myelin-spezifische T-Zellen gezeigt, die Krankheitsinduktion durch Antikörper ist bisher nicht gelungen. Viele der im EAE Modell erarbeiteten pathogenetischen Schritte haben, nach gegenwärtigem Kenntnisstand, auch in der MS Bedeutung. Die transgene Expression myelin-spezifischer T-Zell Rezeptoren, die von MS Patienten isoliert worden waren, erzeugt im Tier spontane oder induzierbare Erkrankung. Die wichtigsten Argumente für eine Rolle von T-Zellen in der MS stammen jedoch zum einen von einer langen Reihe genetischer Untersuchungen, die alle die HLAKlasse II Region als mit Abstand wichtigste Suszeptibilitätsgene identifiziert haben. HLA-Klasse II Moleküle dienen autoreaktiven CD4+ T-Zellen als Restriktionsmoleküle, ein wichtiger, wenn auch indirekter Hinweis für die Bedeutung dieser Zellen in der MS. Zum anderen wurde in einer experimentellen klinischen Studie, die auf die Wiederherstellung von Immuntoleranz abzielte, gezeigt, dass die Injektion eines Myelinpeptids auch im Menschen enzephalitogenes Potential hat. Die relative Rolle von CD4+ versus CD8+ TZellen ist gegenwärtig nicht klar. Erstere sind vermutlich eher in der Induktion und Perpetuierung von Bedeutung, während zytotoxische CD8+ T-Zellen eher während der Effektorphase, d.h. der Zerstörung von Myelinscheide und/oder Axonen, eine Rolle spielen. CD4+ T-Zellen sind außerdem an der Induktion und Unterhaltung der Antikörperantwort beteiligt. Seite 1 Weder eine allein auf T-oder B-Zellen fokussierte Sichtweise wird der Komplexität der MS gerecht. Im einzelnen Patienten kann sowohl die zelluläre oder humorale Immunantwort im Vordergrund stehen, beide sind aber auf vielen Ebenen verschaltet und funktionieren nicht isoliert voneinander. Es ist darüber hinaus wichtig, neben den immunologischen Aspekten die neurobiologischen Prozesse im Zielorgan, dem ZNS, zu berücksichtigen. Prof. Dr. med. Roland Martin Institut für Neuroimmunologie und Klinische MS-Forschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Seite 2