Lösungen zur Kompetenzen-Seite © 2010 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Die Bildung neuer Arten vollzieht sich nach der synthetischen Theorie der Evolution in der Regel in zwei Schritten: Der erste Schritt besteht in der Trennung von Teilpopulationen, wodurch der Genfluss zwischen diesen unterbrochen wird. Kommt es während dieser Trennung in einem zweiten Schritt zu ihrer reproduktiven (genetischen) Isolation, sind getrennte Arten entstanden. Denn nun können sich Angehörige der getrennten Populationen nicht mehr gemeinsam miteinander fortpflanzen. Eine reproduktive Isolation kann durch verschiedene Mechanismen bewirkt werden, zum Beispiel durch zeitliche Isolation (unterschiedliche Fortpflanzungszeiten), ethologische Isolation (unterschiedliches Fortpflanzungsverhalten), mechanische Isolation (nicht zueinanderpassende Fortpflanzungsorgane), Polyploidie oder Bastardsterilität. Fast immer geht der Artaufspaltung eine räumlichen Trennung (Separation) voraus. Dies wird als allopatrische Artbildung bezeichnet. Nur selten entstehen neue Arten sympatrisch, also ohne räumliche Trennung der Populationen in demselben Gebiet, zum Beispiel durch Polyploidie. Bilden sich innerhalb eines evolutiv kurzen Zeitraums aus einer Stammart zahlreiche neue Arten mit unterschiedlichen Anpassungen, bezeichnet man dies als adaptive Radiation. Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein vieler unterschiedlicher ökologischer Lizenzen zur Bildung entsprechender ökologischer Nischen. Es ist anzunehmen, dass in den geologisch jungen ostafrikanischen Seen zur Zeit der ersten Besiedlung durch Buntbarsche viele ökologische Lizenzen existierten, da keine oder nur wenige andere Fische ökologische Nischen gebildet hatten. Die Buntbarsche konnten somit durch adaptive Radiation zahlreiche Arten mit Anpassungen an unterschiedliche ökologische Nischen bilden. Die ökologischen Nischen der Fische eines Sees können sich bezüglich der Anpassungen an die herrschenden abiotischen Umweltfaktoren, wie Sauerstoffgehalt, Mineralstoffgehalt, Temperatur und pH-Wert unterscheiden. Von den Arten können zudem verschiedene Bereiche des Gewässers, etwa der Uferbereich (Litoral) oder der Tiefenbereich (Profundal), genutzt werden. Aber auch in Nahrungspektrum und Ernährungsweise zeigen sich die Anpassungen der einzelnen Arten. So sind die stark voneinander abweichenden Kopf- und Zahnformen der im unteren Bild benannten ostafrikanischen Buntbarsche ein deutliches Anzeichen für die Spezialisierung der Tiere bezüglich ihrer Ernährung – ein Faktor, der für ihre Radiation vermutlich von großer Bedeutung war. Als sexuelle Selektion bezeichnet man die Selektion von Verhaltensweisen und Strukturen, die im Dienst der Fortpflanzung stehen. Beispiele sind ausgeprägte Geschlechtsmerkmale wie Färbung, Signalstrukturen, Geräusche und Düfte, aber auch Verhaltensweisen der Balz und Paarung. Für die Hypothese von D. J. FUTUYMA spricht die Tatsache, dass die auffällig bunte Färbung der Fische bei Balz und Paarung wirksam ist, spezielle Hochzeitsfärbungen existieren und sich verwandte Arten darin unterscheiden. Demnach könnten Varianten der Färbung innerhalb des komplexen Balzverhaltens einen unterschiedlichen Fortpflanzungserfolg durch sexuelle Selektion bewirken. Die als ethologische Isolationsmechanismen wirksamen Färbungsmuster könnten somit eine weitere Ursache der Cichlidenvielfalt in den afrikanischen Seen sein. Evolution und Ökosysteme Ursachen der Evolution Seite 1 von 2 Lösungen zur Kompetenzen-Seite © 2010 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Die abgebildete Verbreitung der Buntbarsche in Südamerika, Ostafrika, Madagaskar und Indien kann nicht durch Ausbreitung aufgrund von Wanderung erklärt werden, da die Distanzen sehr groß sind und die Fische in Meerwasser nicht überleben. Es besteht eine enge Verwandtschaft (Monophylie) zwischen den beiden Arten aus Madagaskar und Indien bzw. jenen aus Ostafrika und Südamerika. Dies und ihre gleichzeitige Bindung an Süßwasser lässt sich erklären, wenn man ihre Entstehung in einem ursprünglich gemeinsamen Süßwassergebiet annimmt. Eine Erklärung dafür liefert die Theorie der Kontinentaldrift, nach der aus einer einheitlichen Landmasse (Südkontinent, Gondwana) ab dem Erdmittelalter durch Trennung und Drift der Kontinente bzw. Subkontinente die heutige Verteilung von Madagaskar, Indien, Südamerika und Afrika entstand. Die Buntbarsche gehen demnach auf eine gemeinsame Stammart des Südkontinents Gondwana zurück. Evolution und Ökosysteme Ursachen der Evolution Seite 2 von 2