Evolution 1 Evolutionsbelege 1.1 Der Evolutionsbegriff 1.2 Ordnung der Arten im natürlichen System 1.3 Homologie auf verschiedenen Ebenen a) Homologie oder Analogie? b) Organe und Homologiekriterien c) Embryonalentwicklung d) Rudimente e) Atavismen f) Eiweiße und Gene g) Verhalten 1.4 Fossilien a) Altersbestimmung b) Archaeopterix c) Pferdestammbaum 2 Evolutionstheorien 2.1 Lamarck 2.2 Darwin 2.3 Synthetische Theorie 2.3.1 genetische Variabilität und Gendrift a) Mutation b) Rekombination c) Gendrift 2.3.2 Selektion a) Selektionsformen b) Selektionsfaktoren 2.3.3 Artbildung durch Isolation a) geographische Isolation b) ökologische Isolation c) reproduktive Isolation 3 Evolution des Menschen 3.1 Vergleich Mensch-Menschenaffe a) anatomisch b) serologisch c) chromosomal d) parasitologisch 3.2 Die Sonderstellung des Menschen a) Out-of-africa-Hypothese b) Vorläufige Erklärungsmodelle Evolution 1 Evolutionsbelege 1.1 Der Evolutionsbegriff Evolution = langsame Veränderung, die nach bestimmten Gesetzen abläuft - physikalische Evolution: Entstehung des Universums, der Elemente und der Erde - chemische Evolution: Entstehung der ersten Zellen - biologische Evolution: Entstehung und Veränderung der ausgestorbenen und der heute lebenden Arten ⇒ kein abgeschlossener Prozess! 1.2 Ordnung der Arten im natürlichen System - künstliches System: Anordnung nach Gemeinsamkeiten im Körperbau: Alle Individuen mit sehr ähnlichem Körperbau gehören zur selben Art = morphologischer Artbegriff - natürliches System: Anordnung nach gemeinsamer Abstammung: Alle Individuen einer Population, die miteinander fortpflanzungsfähige Nachkommen erzeugen können, gehören zur selben Art = biologischer Artbegriff ⇒ oft Übereinstimmungen aber auch Widersprüche - die fünf Reiche: Bakterien echte Einzeller Pflanzen Pilze Zellwand Chloropolasten Endosymbiose von Mitochondrien und Chloroplasten kein echter Zellkern einzellig mehrfacher Übergang zur Vielzelligkeit Tiere - wichtige Tierstämme: Hohltiere Plattwürmer Rundwürmer Gliederfüßer Stachelhäuter Wirbeltiere Wirbelsäule Neumund Segmentierung sekundäre Leibeshöhle Körperlängsachse - Gliederfüßerklassen: Spinnentiere Krebstiere Tausendfüßer Insekten drei Beinpaare Tracheenatmung kauend-beißenden Mundwerkzeuge - Wirbeltierklassen: Fische Amphibien Reptilien Vögel Säugetiere Federn Haare Eischale Beine Beispiel Honigbiene Mensch Reich Animalia (Tiere) Animalia (Tiere) Stamm Arthropoda (Gliederfüßer) Vertebrata (Wirbeltiere) Klasse Insecta (Insekten) Mammalia (Säugetiere) Ordnung Hymenoptera (Hautflügler) Primaten (Herrentiere) Familie Apidae (Bienenartige) Homindae (Menschenartige) Gattung Apis (Biene) Homo (Mensch) Art Apis melifera (Honigiene) Homo sapiens ⇒ Vorteil: viele Merkmale sind bereits aus übergeordneten Kategorien bekannt 1.3 Homologie auf verschiedenen Ebenen a) Homologie oder Analogie? - Homologie: Übereinstimmung von Merkmalen aufgrund gleicher Abstammung = „Ursprungsgleichheit“ (starke Abwandlung möglich) - Analogie: Übereinstimmung von Merkmalen aufgrund gleicher Funktion aber unterschiedlicher Abstammung = „Funktionsgleichheit“ Führt oft zu Konvergenz (Ähnliches Aussehen, vgl. Ökologie) - Beispiele: Rübe Kartoffel Wurzelknolle Sprossknolle Efeu Wein Wurzelranke Sprossranke Heuschrecke Känguruh Sprungbein Sprungbein Maulwurfsgrille Grabbein Maulfwurf Grabbein b) Organe und Homologiekriterien c Kriterium der Lage Maulwurf zwischen Schultergürtel und Unterarmknochen Oberarmknochen Mensch Oberarmknochen d Kriterium der Stetigkeit Reptil primäres Kiefergelenk Vogel fossile Zwischenform Säugetier Gehörknöchelchen Reptil (rezente Zwischenform) Blutkreislaufsystem Säugetier Blutkreislaufsystem d Kriterium der spezifischen Qualität Hai gleicher Aufbau Hautschuppe aus gleichem Organ (Vorderdarm) Fisch Schwimmblase Mensch Zahn Mensch Lunge ) Embryonal – Entwicklung Rekapitulationsregel „Die Individualentwicklung (Ontogenese) ist eine kurze Wiederholung der Stammesentwicklung (Phylogenose).“ ELRJHQHWLVFKH*UXQGUHJHO (LQVFKUlQNXQJHQ 1. vernachlässigt Anpassung an das Embryonalstadium 2. meist werden nur Organanlagen gebildet Fisch Wirbeltierembryo Kiemenbögen Kiemen Säugetier Kehlkopf Krebstierlarve Flusskrebs Seepocken d) Rudimente = zurückgebildete, funktionslose Organe (1) erhalten beim Erwachsenen: - Steißbein - Wurmfortsatz - Eckzahn, Weisheitszahn - Nickhaut (2) nur embryonal angelegt: - Kiemenspalten - Haarkleid e) Atavismen = für Vorfahren typische Merkmale (aus embryonal angelegten Rudimenten) - Kiemenspalte am Hals - dichtes Haarkleid - verlängerte Schwanzwirbelsäule - überzählige Brustwarzen f) Eiweiße und Gene Verwandtschaftsnachweiß auf Eiweiß-Ebene (1) Eiweiß(= Antigen) - Antikörper - Reaktion z.B. Serum - Präzipitintest (2) Eiweiß-Primärstruktur z.B. Sequenzanalyse von Cytochrom C (alle Lebewesen) oder Insulin (z.B. Rind, Schaf, Schwein) Rind Schaf Schwein (Pos.9) (Pos. 8, 10) => je mehr Änderungen der Aminosäuresequenz, desto frühere Verzweigungen Verwandtschaftsnachweis auf Gen - Ebene: DNA – Sequenzanalyse genauer als auf Eiweißebene, da: Degeneration des genetischen Codes (vgl. Proteinbiosynthese/ Expression) Methode z.B. DNA-Hybridisierung g) Verhalten z.B. Ritualisierte Verhaltensweisen Scheinputzen der Erpel bei der Balz z.B. Säuglingsreflex Klammerreflex bei Mensch und Affe 1.4 Fossilien a) Altersbestimmung • Radiocarbonmethode (0-50.000 Jahre) • Kalium-Argon-Methode (4 Mrd.-50.000 Jahre) Isotopengehalt [%] 100 50 Zeit 0 Halbwertszeit konstant! • Leitfossilien in charakteristischen Gesteinsschichten Æ Hinweis auf Kontinentalverschiebung (Paläogeographie!) b) Archaeopterix • Brückentier/ Mosaiktier Reptilienmerkmale Gebiss Vogelmerkmale Zähne Becken / / Schambein nach hinten gerichtet Vorderextremität drei Krallen Flügel Schwanz lang Federn Haut / mit Federn c) Pferdestammbaum • keine geradlinige Entwicklung, sondern ausgestorbene Seitenäste nicht: “Ziel” heutiges Pferd sondern: einzige überlebende Gattung • Tendenzen: Übergang vom Laub- zum Grasfresser - ¾Größenzunahme ¾Beinverlängerung / Zehenreduzierung ¾Mahlzähne ¾Herden - viele Analogien zum Rind! 2 Evolutionstheorien 2.1 Lamarck • erkennt richtig die Veränderlichkeit der Arten aber • geht von Vererbung erworbener Eigenschaften aus 2.2 Darwin • erklärt die Veränderlichkeit der Arten: (1) Überproduktion von Nachkommen (vgl. Ökologie: Populationswachstum) (2) Variabilität der Nachkommen (vgl. Genetik: - Genotyp, Phänotyp - Rekombination (Meiose + Befruchtung, Crossing Over) -Mutation) (3) Natürliche Selektion (vgl. Ökologie: dichtbegrenzende Umweltfaktoren) (vgl. Genetik: -Modifikation -Reaktionsnorm) (4) Vererbung der selektierten Merkmale • Missverständnis NR.1: Zu (3): nicht: sondern: der “Tüchtigste, stärkste, schönste...” ist unbedingt bestangepasst, die Gesamtfitness wird durch den lebenslangen Fortpflanzungserfolg bestimmt. Öspätere Erweiterung von (3) sexuelle Selektion durch den Geschlechtspartner • Missverständnis NR. 2: Zu (3):nicht: aktive Anpassung an Umweltbedingungen, sondern: • Präadaption, d.h. schon vorher zufällig vorhandene Merkmalsvarianten, die später selektiert werden. Missverständnis NR. 3: nicht: „der Mensch stammt vom Affen ab“ (gemeint: rezente Affen) sondern: „Mensch und Affe haben gemeinsame Vorfahren“ Darwin Variabilität der Nachkommen (2) Mutation Vererbung der selektierten Merkmale (4) Rekombination Gendrift genetische Variabilität und Gendrift Überproduktion von Nachkommen (1) Formen natürliche Selektion (3) Faktoren Selektion Synthetische Theorie Genetik Ökologie Evolution Isolation geografisch sexuelle Selektion ökologisch reproduktiv Artbildung durch Isolation 2.3 Synthetische Theorie 2.3.1 Genetische Variabilität und Gendrift a) Mutation Genommutation := Veränderung der Chromosomenzahl Entstehung: Chromosom enpaar R! R! Ä! Ä! Befruchtung (+ Synthesephase) Das Chromosomenpaar der weiblichen Keimbahnzelle wird in der 1. Reifeteilung (oder die Chromatiden werden in der 2. Reifeteilung) nicht voneinander getrennt. Non – disjunction D Genmutation: Punkt- und Rastermutation, (nicht verwechseln mit Modifikation!) := Veränderung eines Gens Formen: Punktmutation: eine Base wird durch eine andere ausgetauscht z. B. Sichelzellenanämie, Marfan – Syndrom Rastermutation: eine Base geht verloren oder wird hinzugefügt z. B. Bluterkrankheit Entstehung: • • spontan bei der Replikation und durch Oxidation von Nucleotiden induziert durch Umwelteinflüsse: o Strahlung: UV Röntgen (ionisierend) Radioaktive (ionisierend) o Chemikalien: Interkalierende Aromaten (Farbstoffe!) Basenanaloga Methylierende Stoffe, Nitrosamine (viele Elektrophile) D Reparaturmechanismen überfordert b) Rekombination • Meiose und Befruchtung 1) Meiose: Bildung der Geschlechtszellen durch Reduktions- und Äquationsteilung -nur in der Keimbahn -Bildung der Gameten -Reduktion der Chromosomenzahl auf haploiden Chromosomensatz -Neuverteilung der Chromosomen -Neukombination der Gene 2) Befruchtung: Verschmelzung von Spermienkern und Eizellenkern • Crossing Over: Austausch von Chromatiden-Stücken während der ersten Reifeteilung der Meiose (Reduktionsteilung) ermöglicht Entkopplung von Genen 2.3.1. c) Gendrift := zufällige und schnelle Anreicherung von sonst seltenen (rezessiven oder neutralen) Allelen in einem Genpool einer kleinen Population z.B. Seitenfleckenleguan • Population im Golf von Mexiko: Allel für grüne Farbe sehr häufig • Population in den USA: Allel für grüne Farbe sehr selten 2.3.2 Selektion a ) Selektionsformen Individuenzahl Phänotypische Variation (z.B. Größe ) (z.B. DDT Resistenz) (z.B. Finkenschnabelform) - stabilisierend Art 1 - gerichtet Art2 -aufspaltend (z.B. Organformen) Art 2 Art 3 Art 1 Art 1 Legende : vorher (schwarz) nachher (rot ) Selektionsdruck Richtung der Phänotypveränderung Art 1 b) Selektionsfaktoren - biotisch z.B. Birkenspanner „Industriemelanismus“ z.B. Winkerkrabbe -> Sexualdimorphismus -> sexuelle Selektion (Vgl. 12/1 Genetik: Geschlechtszellenbildung bei Mann und Frau, Verhalten 13/1: Ritualisierte Verhaltensweisen) - abiotisch z.B: flügellose Insekten auf Tropeninseln mit Sturmgefahr /Vgl. 12/2 Ökologie: abiotische Umweltfaktoren) 2.3.3 Artbildung durch Isolation a) geografische Isolation z.B. Nachtigall/Sprosser z.B. Silbermöwe/Heringsmöwe 1) Der Genfluss zwischen zwei Populationen wird durch geografische Barriere verhindert. 2) Die Populationen entwickeln sich getrennt weiter Önoch kreuzbare Rassen sind entstanden Öoder nicht mehr kreuzbare neue Arten sind entstanden 3) bei Entstehung aus Populationen in verschiedenen Lebensräumen Öallopatrische Artbildung b) ökologische Isolation 1) Eine Gründerpopulation kommt in einen neuen Lebensraum 2) Aus der Stammform entwickeln sich neue Arten durch Einnischung 3) Häufig Konvergenz zu Arten des ursprünglichen Lebensraums z.B. Beuteltiere in Australien zu Plazentatieren in Eurasien (Vgl. 12/2 Ökologie: zwischenartliche Konkurrenz, Stellenäquivalenz) 4) häufig starke Ausbreitung durch Artaufspaltung aufgrund neuer Anpassungen Öadaptive Radiation z.B. Darwinfinken 4) Arten, die es in ausschließlich in dem neuen Lebensraum gibt: Öendemische Arten c) reproduktive Isolation verhinderte Paarung/Begattung: z.B. mechanisch/morphologisch: Begattungsorgane bei männlichen Käfern ethologisch: Balzgesang bei Fitis, Zilpzalp Zygoten-/ und Embryonensterblichkeit Polypolidisierung bei Pflanzen Vervielfältigung des Chromosomensatzes z.B. bei Getreide Bei Individuen der gleichen Population (im gleichen Lebensraum) Ösympatrische Artbildung 3 Evolution des Menschen 3.1 Vergleich Mensch-Menschanaffe a) anatomisch Wirbelsäule Becken Schädel - Hinterhauptsloch - Gesichtsschädel - Unterkiefer Hand Augen Gehirn - Gewicht - Großhirnrinde Schimpanse einfach gekrümmt schaufelförmig Mensch doppel-S-förmig schüsselförmig hinten vorspringend U-förmig Greifhand nach vorne gerichtet unten flach parabolisch drehbare Greifhand nach vorne gerichtet 2.) 450g klein 1350g große assoziative Felder, stärkere Repräsentation der Hand in sensorischen und motorischen Feldern 3.) Einfache Hypothese: 1.) Aufrechter Gang 2.) Geschickter Nahrungserwerb 3.) Intelligenzzunahme b) serologisch - Präzipitin-Test (Übereinstimmung in %): Mensch Schimpanse Gorilla Orang Utan 100 85 64 42 Pferd 2 - Blutgruppen: alle Menschenaffen haben A, B, 0-System - Hämoglobin: ähnlich - Cytochrom c: identisch unterschiedliche, aber konstante Austauschraten! 1.) c) chromosomal - Chromosomensatz: Schimpanse 48 (n = 24) Mensch 46 (n = 23) Chr. Nr. 2 Chr. Nr. 3 Chr. Nr. 2 => gleiches Bandenmuster! d) parasitologisch - Kopflaus der Gattung pediculus nur auf Mensch und Schimpanse 3.2 Die Sonderstellung des Menschen a) vorläufiger Stammbaum Ömehrere ausgestorbene Seitenäste Önur scheinbare Trends Vertreter Alter Aufrechter Gang ja Australophithecus 3,7-2,9 Mio afarensis Jahre Homo erectus 1,8 - 40.000 ja Jahre Homo sapiens ja neanderthalensis 200.00030.000 200.000-heute ja sapiens (Vgl. Pferdestammbaum) Hirnvolumen [cm3] 450 Werkzeugherstellung nein 1.000 ja 1450 ja 1350 ja b) Out-of-africa-Hypothese - molekularer Stammbuam der mütterlichen Mitochondrien DNA enge Verwandtschaft aller heute lebender Großrassen (Europide, Negride, Mongolide) - Sprach-Stammbaum gute Übereinstimmung mit dem genetischen Stammbaum Ö Ö c) vorläufige Erklärungsmodelle - Der Mensch als „Mängelwesen und Werkzeugmacher“ Der Mensch als „Soziales Wesen“ Der Mensch als „sexuell selektiertes Wesen“