Streptococcus pyogenes – tödlich für Makrophagen

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WISSENSCHAFT
Infektionsbiologie
Streptococcus pyogenes – tödlich
für Makrophagen
OLIVER GOLDMANN 1 , MANFRED ROHDE 2 , EVA MEDINA 1
1 AG INFEKTIONSIMMUNOLOGIE, 2 ABTEILUNG MIKROBIELLE AKTIVITÄT,
HELMHOLTZZENTRUM FÜR INFEKTIONSFORSCHUNG, BRAUNSCHWEIG
Während einer Infektion mit dem humanpathogenen Erreger Streptococcus pyogenes sind Makrophagen die wichtigsten Immunzellen, die die
Infektion kontrollieren. Wir konnten zeigen, dass S. pyogenes in Makrophagen einen Signalweg aktiviert, der zu einem inflammatorischen Zelltod, der Onkose, führt.
Resident macrophages are important effector cells for the control of
Streptococcus pyogenes infection. This bacterium can circumvent the
antimicrobial activity of these phagocytic cells by activating an inflammatory programmed cell death pathway leading to Oncosis.
Streptokokken-Infektionen
ó Der humanpathogene Erreger Streptococcus pyogenes zeigt ein vielfältiges Krankheitsspektrum, das von milder Pharingitis
bis zu schweren Infektionen, wie der nekrotisierenden Fasziitis [1], reicht. Als erste Verteidigungslinie der Immunabwehr nehmen
A
C
Makrophagen invadierende Erreger auf und
töten diese ab, um deren Vermehrung und
Ausbreitung zu verhindern. Daher ist die
Fähigkeit von S. pyogenes, in der Gegenwart
eines intakten Immunsystems zu persistieren, von großer Bedeutung, um erfolgreich
eine Infektion zu etablieren.
B
D
¯ Abb. 1 Auswirkungen der Onkose
auf die Morphologie
der Makrophagen. A,
Uninfizierte Makrophagen wachsen
länglich ausgebreitet
auf dem Trägermaterial; C, und zeigen im
Ultradünnschnitt nur
einige Vakuolen. B,
Mit Streptococcus
pyogenes infizierte
Makrophagen zeigen
dagegen eine deutliche Tendenz zum
kugelförmigen
Wachstum; D, und
zeigen eine Vakuolisierung im Zellinneren.
Streptococcus pyogenes induziert
einen onkotischen Zelltod in
Makrophagen
Nach einer erfolgten Streptokokkeninfektion
nehmen residente Makrophagen die Bakterien auf [2, 3]. Wir konnten experimentell im
Mausmodel einen sehr effizienten Mechanismus aufklären, mit dem S. pyogenes die
Abtötung durch Makrophagen unterwandern
kann. Dieser Mechanismus besteht in der
Induktion des onkotischen Zelltodes der
Makrophagen [4].
Onkose ist definiert als eine Vorstufe der
Nekrose, die durch ein starkes Anschwellen
der Zellorganellen und der gesamten Zelle
charakterisiert ist, die mit der Bildung von
Bläschen und Vakuolisierungen im Zytoplasma einhergehen. Ferner erhöht sich die Membranpermeabilität und die Kernstruktur
beginnt sich aufzulösen (Karyolyse) [5] (Abb.
1). Neuere Studien, so wie auch unsere Arbeit,
zeigen, dass es sich bei der Onkose um einen
sehr komplexen, klar strukturierten, programmierten Zelltod handelt, der vom Erreger
gezielt angesteuert werden kann, um Wirtszellen auszuschalten.
Der von uns aufgeklärte Mechanismus läuft
folgendermaßen ab: S. pyogenes setzt Zytolysine wie die porenbildenden Toxine Streptolysin S (SLS) und Streptolysin O (SLO) frei
[6]. SLO ist ein sauerstofflabiles, sekretiertes
Protein, welches an das Cholesterol in der
eukaryotischen Zellmembran bindet, dort oligomerisiert [7] und Poren in der Membran
formt. SLS hingegen ist ein sauerstoffstabiles Oligopeptid mit einer sehr hohen hämolytischen Aktivität [8]. Durch Verwendung
von S. pyogenes-Mutanten, die defizient in der
Produktion dieser Zytolysine sind, sowie
mittels aufgereinigtem SLO und SLS konnten
wir zeigen, dass die Induktion des onkotischen Zelltodes in Makrophagen durch die
Aktivität dieser Proteine gesteuert wird.
SLO und SLS sind theoretisch in der Lage
Transmembranporen zu bilden, die zu einer
osmotischen Instabilität und Lyse der Makrophagen führen. Makrophagen haben jedoch
die Fähigkeit, diese Poren in ihrer ZytoplasBIOspektrum | 04.09 | 15. Jahrgang
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Zudem konnte die Zugabe osmoprotektiver Substanzen wie Saccharose zu Makrophagen, die mit S. pyogenes infiziert wurden, den onkotischen Zelltod dieser Zelle nicht verhindern, was die Vermutung untermauerte, dass nicht die Störung des
osmotischen Gleichgewichts, sondern ein weit komplexerer Mechanismus vorliegen muss. Daher war
die nächste Aufgabe, die potenziellen
Mechanismen, die dem von S. pyogenes induzierten onkotischen Zelltod in Makrophagen zugrunde lagen,
zu identifizieren.
Da die Vitalität von Zellen hauptsächlich durch den Energiestatus
der Mitochondrien geregelt wird
und der beginnende Zelltod vielfach
durch Faktoren beeinflusst wird, die
das elektrochemische Potenzial über
der inneren Mitochondrienmembran herabsetzen [9], untersuchten
wir den Einfluss des bioenergetischen Zustands der Mitochondrien
auf den durch S. pyogenes induzierten onkotischen Zelltod der Makrophagen. Es wurde nachgewiesen,
dass S. pyogenes zum einen eine
Depolarisation der Mitochondrienmembranen bewirkt und zum anderen die ATPase-Aktivität erhöht, was
mit einer verstärkten Hydrolyse von
ATP einhergeht. Dies trägt letztendlich zur Erschöpfung des ATPReservoirs der Mitochondrien bei.
Da die Apoptose einen aktiven, energieverbrauchenden Prozess darstellt
und zur Initiation der apoptotischen
Kaskade ATP benötigt wird [10],
kann das reduzierte ATP-Reservoir
in den Mitochondrien der Makrophagen der Grund dafür sein, dass
Onkose, und nicht Apoptose zum
Zelltod führt. Als nächstes wurde
der Einfluss der Streptokokken-Zytolysine auf die Mitochondrien und
den Zelltod untersucht. Die Behandlung der Zellen mit oxidativen Stressinhibitoren bewahrte die Makrophagen vor der Onkose. Somit zeichnete sich ein Einfluss des oxidativen Stresses, hervorgerufen durch
S. pyogenes, in der Mitochondrienschädigung und des nachfolgenden
Zelltodes ab. Weiterhin war die KalBIOspektrum | 04.09 | 15. Jahrgang
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zium-aktivierte Cystein-Endopeptidase Calpain involviert, da Inhibitoren für dieses Enzym ebenfalls
den Makrophagen-Zelltod deutlich
reduzierten. Besonders interessant
war der Befund, dass die Zugabe von
Glycin, das verschiedene Zelltypen
vor dem Zelltod bewahren kann,
ebenfalls den durch S. pyogenes
induzierten zytotoxischen Effekt auf
die Makrophagen aufheben konnte.
Der Mechanismus beruht dabei auf
einer Blockierung von organischen
Anionenkanälen, die permeabel für
Chlorid-Ionen und polyvalente Anionen sind [11]. Die Öffnung dieser
Kanäle resultiert in einem Anstieg
des osmotischen Drucks, der die Zellen zum Anschwellen bringt und
letztendlich zum Platzen der Plasmamembran führt.
Zusammengefasst lässt sich als
jetzige Hypothese formulieren, dass
das Freisetzen von SLS und SLO
durch S. pyogenes am Ort der Infektion zur Porenbildung in der Plasmamembran von lokal vorhandenen
Makrophagen führt, die wiederum
zur Aktivierung von mehreren Zelltodwegen verantwortlich sind, wie
z. B. oxidativer Stress, Aktivierung
von Calpainen und möglicherweise
das Anschalten von anderen Signalkaskaden. Die Aktivierung dieser
Wege führt zu einem bioenergetischen Kollaps der Mitochondrien,
die eine Öffnung der Glycin-sensitiven Kanäle in der Plasmamembran
einleiten und damit den Zelltod initiieren (Abb. 2).
Konsequenzen der in vivoInfektion für den Makrophagen-Zelltod
Die Bedeutung der beschriebenen
Ergebnisse ist vor allem im Hinblick
auf die Pathogenese der Krankheit
relevant. Ein wesentliches Element
der Onkose ist das Hervorrufen einer
Inflammation am Ort der Infektion.
Die zu Beginn onkotischen Zellen
werden nekrotisch mit anschließender Lysis. Damit einhergehend ist
ein Freisetzen von zellulärem Material, welches wiederum von phagozytischen Zellen erkannt wird. Das
freigesetzte zelluläre Material der
nekrotischen Zellen enthält Mole-
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Literatur
˚ Abb. 2 Schematische Darstellung des durch Streptococcus pyogenes induzierten onkotischen
Zelltodes in Makrophagen. Die Onkose wird eingeleitet durch Freisetzung der Zytolysine Streptolysin S (SLS) und Streptolysin O (SLO) durch die Bakterien (1). Diese induzieren die Bildung von
Poren in der eukaryotischen Zellmembran (2). Die Zellschädigung führt zu oxidativem Stress, zur
Erhöhung der Konzentration reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS) und zu einer Schädigung der
Mitochondrienmembranen (3). Dies bewirkt eine Depolarisation der Mitochondrienmembranen
(Ψm) (4), sowie eine damit verbundene Erhöhung der ATPase-Aktivität, welche zur ATP-Hydrolyse
führt. Das ATP-Reservoir der Mitochondrien erschöpft sich (5), wodurch die Zerstörung an den
Mitochondrien beschleunigt wird. Der bioenergetische Kollaps der Mitochondrien führt dann zur
Öffnung Glycin-sensitiver Kanäle in der Plasmamembran (6) und damit zum Zelltod der Makrophagen unter Freisetzung des Enzyms Lactat-Dehydrogenase (LDH). Dieses Enzym konnte verstärkt
im Zellkulturüberstand infizierter Zellen mithilfe eines kolorimetrischen Assays (CyTox96R NonRadioactivity Cytotoxicity Assay, rote Färbung) nachgewiesen werden (7).
küle, die als Signal für die Ausbildung der
Inflammation verantwortlich sind. Wir haben
außerdem gefunden, dass im Vergleich zum
zytotoxischen Wildtypstamm von S. pyogenes
die intraperitoneale Infektion von SLS- und
SLO-Mutanten von S. pyogenes zu einer signifikant niedrigeren Ansammlung von Neutrophilen in der Bauchhöhle führte. Des Weiteren zeigte eine subkutane Infektion des
Wildtypstamms größere Läsionen sowie eine
wesentlich schnellere Ausbreitung der Bakterien im Vergleich zu den SLS- und SLOMutanten.
Aus diesen Gründen sehen wir die Aktivierung des inflammatorisch programmierten Zelltodes, die Onkose, der Makrophagen
als einen wichtigen neu aufgeklärten Pathogenitätsmechanismus von S. pyogenes an,
durch den der Erreger die Wirtsabwehr umgehen und sein eigenes Überleben sichern
kann.
Danksagung
Diese Arbeit wird durch den „Impuls und Vernetzungsfond“, HGF Präsidentenfonds (HGF)
unterstützt.
ó
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Korrespondenzadresse:
PD Dr. Eva Medina
AG Infektionsimmunologie
Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung
Inhoffenstraße 7
D-38124 Braunschweig
Tel.: 0531-6181-4500
Fax: 0531-6181-4499
[email protected]
AUTOREN
Oliver Goldmann
Manfred Rohde
1992–2000 Biologiestudium an der TU Braunschweig. 2000–2003
Promotion im Bereich
Mikrobiologie des Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in
der Abteilung Mikrobielle
Pathogenität. Seit 2004
Wissenschaftler im Bereich Mikrobiologie, AG
Infektionsimmunologie
am HZI Braunschweig.
1976–1981 Biologiestudium an der
Georg-August Universität Göttingen.
1981–1983 Promotion am Institut
für Mikrobiologie, Universität Göttingen. 1985–1986 Research Associate
Dept. of Biochemistry, University of
Adelaide, Australien. Seit 1988 Wissenschaftler im Bereich Mikrobiologie (elektronenmikroskopisches Labor) am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig.
2008 Habilitation für das Lehrgebiet
Mikrobiologie an der Carola-Wilhelmina zu Braunschweig.
Eva Medina
1980–1985 Biologiestudium an der Universität von Sevilla. 1987–1990 Promotion an
der Medizinischen Hochschule, Sevilla. 1991–1993 Postdoctoral Fellow am Royal
Free Hospital School of Medicine, London, UK. 1993–1996 Postdoctoral Fellow am
Trudeau Institute, Saranac Lake, NY, USA; bis heute Arbeitsgruppenleiterin am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig. 2008 Habilitation für das Fach
Medizinische Mikrobiologie, Medizinische Hochschule Hannover.
BIOspektrum | 04.09 | 15. Jahrgang
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