17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan (J. Kirsch) 17

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17 Kopf
In der Camera vitrea (postrema) liegt der Glaskörper (Corpus vitreum). Er besteht
zu 99 % aus Wasser, das an Hyaluronsäure gebunden ist. Hierdurch erhält der Glaskörper eine hohe Viskosität. Die wässrige Phase (Humor vitrei) wird von einem
unregelmäßigen Netz aus kollagenen Mikrofibrillen durchzogen, die an der Außenseite zur Glaskörpergrenzmembran (Membrana vitrea) verdichtet sind. Von der
Linsenrückfläche bis zum Discus n. optici durchzieht der Canalis hyaloideus (Cloquet-Kanal) den Glaskörper. Bis zum Abschluss der Linsenentwicklung wurde der
Kanal von der A. hyaloidea durchzogen. Da sich diese jedoch vollständig zurückbildet, ist der Kanal beim Erwachsenen optisch leer.
17.6
Hör- und Gleichgewichtsorgan
(J. Kirsch)
Das Hör- und Gleichgewichtsorgan ist ein stammesgeschichtlich „altes“ Organ zur
Detektion und Transformation mechanischer Reize. Im Verlauf der Evolution hat
es sich zu einem Organ zur Aufnahme und Verarbeitung akustischer Signale
(Luftdruckschwankungen) differenziert. Das Gleichgewichtsorgan besteht aus
einem Organ für die Wahrnehmung von Lageempfindungen (Sacculus, Utriculus)
und einem Organ für die Wahrnehmung von Bewegungsempfindungen (Bogengänge).
17.6.1 Mittelohr
17
Unter dem Mittelohr versteht man die mit Schleimhaut ausgekleideten und mit
Luft gefüllten (pneumatisierten) Räume im Os temporale, die sich nach medial
an das Trommelfell anschließen (Abb. 17.41). Zum Mittelohr gehören die Paukenhöhle (Cavitas tympani13) mit der Gehörknöchelchenkette, das Antrum mastoideum und die Mastoidzellen (Cellulae mastoideae) sowie die Tuba auditiva12 (Eustachi-Röhre).
Trommelfell (Abb. 17.42)
Der äußere Gehörgang (Meatus acusticus externus) endet am Trommelfell (Membrana tympanica). Die durch den Meatus acusticus externus eintreffenden Schallwellen (periodische Luftdruckschwankungen) bringen das Trommelfell zum
Schwingen. Diese Schwingungen werden auf die in der Paukenhöhle (Cavitas tympani) liegende Gehörknöchelchenkette übertragen.
Die Membran des Trommelfells ist über einen Faserknorpelring, Anulus fibrocartilagineus, im Sulcus tympanicus der Pars squamosa des Os temporale fixiert. Da
das Trommelfell mit dem Hammergriff (Manubrium mallei), einem Teil des ersten
Gehörknöchelchens, verwachsen ist, bildet es einen nach innen gerichteten Trichter, dessen Spitze Umbo7 genannt wird. Das Trommelfell hat einen Durchmesser
von 8–10 mm und ist um etwa 45 ° von außen oben hinten nach innen unten vorn
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678
17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
13
16
12
14
15
17
Abb. 17.41 Hör- und Gleichgewichtsorgan in situ. Frontalschnitt durch den rechten äußeren Gehörgang und das Mittelohr, Ansicht von ventral.
10 Stapes (Steigbügel)
1 Canalis semicircularis posterior
11 M. tensor tympani
2 Canalis semicircularis lateralis
12 Tuba auditiva
3 Canalis semicircularis anterior
13 Cavitas tympani
4 Vestibulum
14 Membrana tympanica
5 N. vestibularis
15 Processus styloideus
6 N. cochlearis
16 Incus (Amboss)
7 Cochlea
17 Meatus acusticus externus
8 Caput mallei (Hammerkopf)
9 Pars petrosa ossis temporalis
17
1
11
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2
9
3
8
6
4
IV
7
III
I
5
II
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1
679
Abb. 17.42 Rechtes Trommelfell.
Ansicht von außen, Lichtreflex im
vorderen unteren Quadrant.
1 Incisura tympanica
2 Pars flaccida
3 Stria membrana tympani anterior
4 Pars tensa
5 Stria mallearis
6 Os tympanicum
7 Umbo
8 Stapes
9 Incus
10 Stria membrana tympani posterior
11 Prominentia mallearis
680
geneigt. Der spannungslose Teil des Trommelfells oberhalb des Hammergriffs wird
Pars flaccida tympani2 (Shrapnell-Membran) genannt, der größere, gespannte Teil
des Trommelfells Pars tensa tympani4.
Das Trommelfell wird mit 2 senkrecht aufeinander stehenden Linien in 4 Quadranten eingeteilt. Die von oben nach unten verlaufende Linie folgt der Verwachsungslinie mit dem Manubrium mallei und wird Stria mallearis5 genannt. Die senkrecht hierzu verlaufende Linie kreuzt die Stria mallearis im Umbo.
Die Außenseite des Trommelfells wird vom N. auriculotemporalis (aus dem
N. mandibularis) und dem R. auricularis des N. vagus sensibel innerviert, die zur
Paukenhöhle gerichtete Seite aus dem Plexus tympanicus des N. glossopharyngeus.
Die Blutversorgung leisten Äste der A. auricularis profunda, A. temporalis superficialis und A. auricularis posterior.
Paukenhöhle (Abb. 17.43)
Die Paukenhöhle (Cavitas tympani) ist etwa 20 mm hoch und 2 mm schmal. Sie
erstreckt sich zwischen Trommelfell und knöchernem Labyrinth und wird von
6 Wänden (Parietes) begrenzt:
Die laterale Wand wird Paries membranaceus genannt und von der Innenseite
des Trommelfells10 gebildet.
Gegenüber der lateralen Wand liegt der Paries labyrinthicus als mediale Wand.
Er trennt die Cavitas tympani vom Innenohr. An dieser Wand sind mehrere Substrukturen erkennbar: hier befinden sich das ovale und das runde Fenster (Fenestra ovale und vestibuli), die Vorwölbungen von Promontorium6 und Prominentia canalis facialis4, die durch die basale Windung der Helix des Innenohrs
und den Fazialiskanal hervorgerufen werden.
Die Hinterwand wird vom Paries mastoideus gebildet. Hier befindet der Zugang16 zum Antrum mastoideum und den Mastoidzellen.
Nach ventral wird die Paukenhöhle durch den Paries caroticus begrenzt. In dieser Wand vor dem Canalis caroticus der A. carotis interna liegt die Eingangsöffnung der Tuba auditiva.
Den Boden bildet der Paries jugularis, eine dünne Knochenplatte, welche die
Paukenhöhle vom Bulbus venae jugularis internae trennt.
Der Paries tegmentalis (Dach) besteht aus einer dünnen Knochenlamelle der
mittleren Schädelgrube, dem Tegmen tympani.
*
*
*
17
*
*
*
Man unterteilt die Paukenhöhle in 3 Etagen:
Das obere Stockwerk (Epitympanon, Kuppelraum) liegt oberhalb des Trommelfells. Hier befinden sich der Hammerkopf (Caput mallei) und der Ambosskörper
(Corpus incudis). Über den Aditus ad antrum mastoideum gelangt man ins Antrum mastoideum und zu den Mastoidzellen.
Zwischen Trommelfell und Promontorium, rundem und ovalem Fenster erstreckt sich das mittlere Stockwerk (Mesotympanon, Hauptraum).
*
*
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17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
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1
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7
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Abb. 17.43 Wände der Cavitas tympani.
1 N. petrosus minor
2 N. facialis
3 Prominentia canalis semicircularis lateralis
4 Prominentia canalis facialis
5 Stapes mit Fenestra vestibuli
6 Promontorium
7 Plexus tympanicus
8 N. tympanicus
*
8
9
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11
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16
Meatus acusticus externus
Membrana tympanica
Ansatzsehe des M. stapedius
M. tensor tympani
Chorda tympani
Incus
Malleus
Aditus ad antrum mastoideum
Unterhalb des Trommelfells liegt das untere Stockwerk (Hypotympanon, Paukenkeller). Auf seiner ventralen Seite am Übergang zum Mesotympanin befindet
sich die Öffnung zur Tuba auditiva, die eine Verbindung zum Pharynx herstellt.
Die Paukenhöhle und ihre Nebenräume sowie die in ihr liegenden Strukturen sind
mit einer dünnen, drüsenfreien Schleimhaut ausgekleidet.
Das Epithel der Paukenhöhle ist ähnlich aufgebaut, wie das der Nasennebenhöhlen. Die
unter dem Epithel liegende dünne Bindegewebsschicht liegt dem Periost unmittelbar
auf, weshalb die Schleimhaut auch als Mukoperiost bezeichnet wird.
In der Paukenhöhle verlaufen zahlreiche Schleimhautfalten. An der Innenseite der
Pars flaccida des Trommelfells verlaufen die Plicae malleares anterior und posterior, durch die die Chorda tympani zieht. Beide Falten begrenzen die Recessus
membranae tympani anterior et posterior und superior. Die Plica incudalis zieht
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15
17
17
17 Kopf
über das Lig. incudis posterior und den kurzen Schenkel des Corpus incudis. Die
Plica stapedialis umgibt Caput und Crura stapedis sowie die Sehne des M. stapedius.
In der Paukenhöhle befinden sich die 3 Gehörknöchelchen Hammer (Malleus15),
Amboss (Incus14) und Steigbügel (Stapes5), die beiden Mittelohrmuskeln (M. stapedius11 und M. tensor tympani12) sowie als nervale Strukturen die Chorda tympani13 und der Plexus tympanicus7 des N. glossopharyngeus.
Die Gehörknöchelchen dienen der Weitergabe und Verstärkung der Auslenkungen des Trommelfells auf das ovale Fester.
Der Malleus gliedert sich in Hammergriff (Manubrium mallei), Hammerhals (Collum mallei) Hammerkopf (Caput mallei) und 2 Fortsätze (Processus lateralis und
Processus anterior). Das Manubrium mallei ist mit der Innenseite der Pars tensa
des Trommelfells verwachsen. Das Caput mallei bildet mit dem Amboss (beide
im Epitympanon) ein Sattelgelenk, die Articulatio incudomallearis. Der Malleus
ist durch 3 Bänder in der Paukenhöhle befestigt: Vom Collum mallei aus zieht
das Lig. mallei laterale zur lateralen Wand der Paukenhöhle. Am Processus anterior
befindet sich die Ansatzstelle des Lig. mallei anterius, das zur Vorderwand verläuft.
Vom Hammerkopf aus zieht das Lig. mallei superius zum Paries tegmentalis.
Der Körper des Amboss (Corpus incudis) setzt sich fort in das kurze Crus breve
incudis, das nahezu horizontal nach hinten zieht, und das längere Crus longum incudis, das senkrecht nach hinten unten verläuft. Es bildet über den Processus lenticularis ein Gelenk mit dem Steigbügelkopf, die Articulatio incudostapedialis. Das
Crus breve ist über das Lig. incudis posterius mit der lateralen Wand und über das
Lig. incudis superius mit dem Dach der Paukenhöhle verbunden.
Der Kopf des Steigbügels (Caput stapedis) ist über das Crus anterius und posterius mit der Basis stapedis verbunden. Das Lig. anulare stapediale fixiert die Basis
stapedis im Fenestra vestibuli, erlaubt aber Bewegungen. Zwischen den beiden
Schenkeln des Steigbügels spannt sich die Membrana stapedialis.
Tab. 17.22
Eigenschaften der Mittelohrmuskeln.
Muskel
Ursprung
Verlauf
M. tensor
tympani
Semicanalis
musculi tensoris tympani
der Pars petrosa des Os
temporale
Manubrium Ast des
Umlenkung
N. pteryam Processus mallei
goideus
cochleariformis
aus dem
nach lateral
N. mandibularis
Ansatz
M. stapedius Cavum musculi direkt zum
Caput stastapedii
Caput stapedis pedis
Innervation Wirkung
Regulierung der
Vorspannung des
Trommelfells
durch Zug am
Hammergriff
N. stapedius Reduzierung der
Kraftübertragung
(Ast des
durch VerkanN. facialis)
tung des Caput
stapedis im ovalen Fenster
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682
17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
683
Die beiden quergestreiften Mittelohrmuskeln M. tensor tympani und M. stapedius dienen der Verringerung hoher Schallintensitäten, einer dynamischen Anpassung des Lautstärkebereichs und einer Abschwächung der Übertragung der eigenen Stimme. Ihre Eigenschaften sind in Tab. 17.22 zusammengefasst.
Leitungsbahnen. Die Paukenhöhle ist gut durchblutet. Hieran sind die in Tab. 17.23
genannten Gefäße beteiligt.
Innerviert wird die Schleimhaut der Paukenhöhle vom N. tympanicus, einem Ast
des N. glossopharyngeus. Er gelangt durch den Canalis tympanicus in die Paukenhöhle. Die parasympathischen Anteile des N. tympanicus verlassen als N. petrosus
minor durch den Canalis n. petrosi minoris die Paukenhöhle. Der Plexus tympanicus unter der Schleimhaut des Paries labyrinthicus ist eine Durchgangsstation sensibler Fasern des N. glossopharyngeus, parasympathischer Fasern aus den Nn. facialis und glossopharyngeus sowie sympathischer Fasern aus dem Plexus caroticus.
Nerven mit Bezug zur Paukenhöhle (Abb. 17.44). In der medialen Wand der Paukenhöhle verläuft der N. facialis3 im knöchernen Canalis n. facialis1. Am äußeren
Fazialisknie (Geniculum canalis facialis) liegt das einem Spinalganglion vergleichbare Ganglion geniculi4. Dort zweigt der N. petrosus major7 ab, der präganglionäre
parasympathische Fasern aus dem Intermediusanteil des N. facialis führt. Kurz vor
Ende des Kanals verlässt ein weiterer Intermediusanteil als Chorda tympani21 den
Fazialisstamm. Sie zieht rückläufig zwischen Malleus und Incus nahe der Pars
Tab. 17.23
Arterien der Paukenhöhle.
Arterie
Herkunft
Versorgungsgebiet
Aa. caroticotympanicae
A. carotis interna
Tuba auditiva und Vorderwand der
Paukenhöhle
A. stylomastoidea
A. auricularis posterior
Paries mastoideus, Cellulae mastoideae, M. stapedius, Stapes
A. tympanica inferior
A. pharyngea ascendens
Boden der Paukenhöhle,
Promontorium
A. auricularis profunda
A. maxillaris
Trommelfell, Boden der Paukenhöhle
A. tympanica posterior
A. stylomastoidea
Chorda tympani, Malleus,
Trommelfell
A. tympanica superior
A. meningea media
M. tensor tympani,
Dach der Paukenhöhle, Stapes
A. tympanica anterior
A. maxillaris
Trommelfell, Antrum mastoideum,
Malleus, Incus
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Bei einer Fazialislähmung kann es zu einer Lähmung des M. stapedius kommen, die
mit einer gesteigerten Empfindlichkeit für laute Geräusche (Hyperakusis) einhergeht. &
17
684
17 Kopf
1
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3
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13
Canalis n. facialis
N. stapedius
N. facialis
Ganglion geniculi
N. trigeminus
Hiatus canalis n. petrosi majoris
N. petrosus major
Ganglion trigeminale
N. mandibularis
N. maxillaris
N. ophthalmicus
A. carotis interna
N. petrosus profundus
Abb. 17.44 Aufzweigung des N. facialis
im Felsenbein. Felsenbein entlang des
N. facialis aufgesägt. Ansicht von lateral.
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
Canalis pterygoideus
N. canalis pterygoidei
Rr. ganglionares n. maxillaris
Ganglion pterygopalatinum
Cavitas tympani
Fissura petrotympanica
N. lingualis
Chorda tympani
Foramen stylomastoideum
M. stylohyoideus
M. digastricus, Venter posterior
N. auricularis posterior
flaccida des Trommelfells durch die Paukenhöhle. Als letzter Nerv spaltet sich der
motorische N. stapedius2 zur Versorgung des M. stapedius im Fazialiskanal ab.
Der N. petrosus major führt sensible, motorische und vor allem präganglionäre,
parasympathische Fasern. Er tritt durch den Hiatus canalis n. petrosi majoris6 zur
Vorderseite der Felsenbeinpyraminde und von dort durch das Foramen lacerum.
Er verbindet sich mit dem sympathischen N. petrosus profundus13 zum N. canalis
pterygoidei15, der durch den Canalis pterygoideus des Os sphenoidale zum Ganglion
pterygopalatinum17 zieht (s. Abb. 17.1719 und Abb. 20.33c). Hier werden die parasympathischen Fasern auf das 2. Neuron umgeschaltet, dessen Axone mit dem N. maxillaris10 ihre Zielorgane (Tränendrüse, Drüsen im Nasen und Rachenraum) erreichen.
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15
685
Die Chorda tympani16 führt aus dem sensiblen Ganglion geniculi sensible und
sensorische Fasern sowie präganglionäre, parasympathische Fasern aus dem Intermediusanteil des N. facialis. Sie verlässt den Fazialiskanal kurz vor dem Foramen
stylomastoideum17 und läuft zurück zur Cavitas tympani. Von einer Schleimhautfalte (Plica mallearis superior) geschützt, zieht sie zusammen mit der A. tympanica
posterior zum Collum mallei. Die Paukenhöhle verlässt sie durch die Fissura petrotympanica14. Danach legt sich die Chorda tympani dem N. lingualis15 an. Sie
führt Geschmacksfasern und wahrscheinlich auch sensible Fasern für die vorderen
zwei Drittel der Zunge. Ihre präganglionären, parasympathischen Fasern werden
im Ganglion submandibulare umgeschaltet und innervieren dann die Glandula
sublingualis und submandibularis.
Der N. stapedius2 verlässt den Fazialisstamm im Bereich des Fazialisknies. Er
führt motorische Fasern zur Innervation des M. stapedius.
Antrum mastoideum und Cellulae mastoideae
Bei den Innenräumen des Processus mastoideus handelt es sich um einen großen
(Antrum mastoideum) und zahlreiche kleinere Räume (Mastoidzellen, Cellulae
mastoideae), die mit Schleimhaut ausgekleidet sind. Ihre Pneumatisierung vollzieht sich innerhalb der ersten 6 Lebensjahre. Der Zugang zum Antrum mastoideum befindet sich im Paries mastoideus, der Hinterwand der Paukenhöhle. Die
Cellulae mastoideae sind untereinander und mit dem Antrum verbunden und
stehen in enger topografischer Nachbarschaft zum Sinus sigmoideus.
Ohrtrompete
Die Ohrtrompete (Tuba auditiva, s. Abb. 17.4112) stellt eine Verbindung zwischen
der Pars nasalis des Pharynx und Paukenhöhle her. Sie dient dem Druckausgleich
zwischen beiden Hohlräumen, der normalerweise durch Schlucken erzielt wird.
Durch die Tuba auditiva können sich Entzündungen des Nasen- und Rachenraums
leicht bis in die Paukenhöhle fortpflanzen, zu einer kompletten Verlegung der Tube
(Tubenkatarrh) führen oder eine Entzündung der Schleimhaut des Mittelohrs (Otitis
media, Mittelohrentzündung) hervorrufen. &
Die Tube ist etwa 4 cm lang und verläuft von oben lateral hinten nach unten medial
vorn. Das Ostium tympanicum tubae liegt im Paries caroticus, die Mündung (Ostium pharyngeum tubae) befindet sich seitlich in der Pars nasalis des Rachens etwa
4 cm hinter der Concha nasalis inferior. Der Canalis musculotubarius der Pars petrosa des Os temporale bildet die knöcherne Wand desjenigen Drittels der Tube, das
von der Paukenhöhle ausgeht. Der Canalis musculotubarius wird von einer Knochenlamelle in den Semicanalis m. tensoris tympani für den gleichnamigem Muskel und den Semicanalis tubae auditivae unterteilt. Die Wände der rachennahen
zwei Drittel der Tube sind knorpelig-membranös (Cartilago tubae auditivae) und
erweitern sich trompetenförmig in Richtung Rachen. Die engste Stelle der Tube
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17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
17
686
17 Kopf
(Isthmus tubae) liegt am Übergang der beiden Anteile. Die Cartilago tubae auditivae bildet die mediale und kraniale Wand der Tube. Die laterale und kaudale
Wand wird von einer bindegewebigen Lamina membranacea gebildet, von der
3 Muskeln entspringen: M. levator veli palatini, M. tensor veli palatini und M. salpingopharyngeus. Die Kontraktion dieser Muskeln erweitert das Lumen der Tube.
Die Auskleidung der Tuba auditiva besteht aus einer Schleimhaut, die in den oberen
Abschnitten der Paukenhöhle ähnelt und Richtung Rachen in ein respiratorisches
Epithel (Flimmerepithel mit Becherzellen) übergeht.
17.6.2 Innenohr
Das knöcherne Labyrinth (Labyrinthus osseus) bildet ein komplexes Kanalsystem
im Innern der Pars petrosa des Os temporale. Es beherbergt das analog geformte
membranöse Labyrinth (Labyrinthus membranaceus). Zwischen knöchernem und
membranösem Labyrinth befindet sich der perilymphatische Raum, der über den
Ductus perilymphaticus mit dem liquorgefüllten Subarachnoidalraum kommuniziert. Das membranöse Labyrinth ist mit Endolymphe gefüllt und mit dem knöchernen Labyrinth nur über spärliche Bindegewebsfasern verbunden.
Funktionell unterscheidet man 2 Anteile des Labyrinthsystems:
Labyrinthus cochlearis: Hörorgan mit der knöchernen Schnecke (Cochlea) und
dem membranösen Ductus cochlearis,
Labyrinthus vestibularis: Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) aus Sacculus,
Utriculus und den 3 Bogengängen (Ductus semicirculares).
*
*
Knöchernes Labyrinth
17
Die Schnecke (Cochlea) muss man sich als ein zu einer Spirale mit 2,5 Windungen
aufgerolltes Rohr (Durchmesser an der Basis ca. 9 mm, Höhe ca. 5 mm) vorstellen.
Ihre Spitze zeigt nach lateral und ventral. Die knöcherne Achse der Schnecke wird
Modiolus genannt, von dem die Lamina spiralis ossea wie die Gewindegänge einer
Schraube in den knöchernen Schneckenkanal (Canalis spiralis cochleae) vorspringt.
Das runde Fenster an der Basis der Schnecke ist durch die Membrana tympanica
secundaria verschlossen. Die Spitze der Schnecke wird als Schneckenkuppel (Cupula cochleae) bezeichnet.
Die 3 halbkreisförmigen Bogengänge (Canalis semicircularis anterior, posterior
und lateralis) haben einen Durchmesser von 1 mm bei einer Länge von 20 mm.
Nahe dem Vestibulum (s.u.) ist jeweils ein Schenkel der Gänge zu Ampullen
(Ampullae osseae) erweitert. Die nicht erweiterten Schenkel des vorderen und
hinteren Bogengangs vereinigen sich zu einem kurzen gemeinsamen Schenkel
(Crus osseum commune). Die Anordnung der Bogengänge weicht um 45 ° von
der Sagittalebene ab, der laterale (horizontale) Bogengang ist um 30 ° nach vorne
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Die Kontraktion des M. tensor veli palatini beim Schlucken übt auf die Lamina
membranacea einen einen Zug aus, wodurch das Lumen der Tube erweitert wird. &
17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
687
1
2
45¡
3
4
6
45¡
a
6
7
4
8
9
3
10
30¡
5
11
b
12
Abb. 17.45 Lage des Innenohrs im Felsenbein. Ansicht von oben (a) und von rechts (b).
7 N. facialis, N. vestibulocochlearis
1 Porus acusticus internus
8 Pars squamosa ossis temporalis
2 Pars petrosa ossis temporalis
9 Vestibulum
3 Cochlea
10 Frankfurter Horizontale
4 Canalis semicircularis anterior
11 Porus acusticus externus
5 Canalis semicircularis lateralis
12 Processus mastoideus
6 Canalis semicircularis posterior
oben gekippt. Die beiden anderen Bogengänge stehen senkrecht zum horizontalen
(Abb. 17.45).
Sacculus und Utriculus liegen in einem gemeinsamen knöchernen Hohlraum
von 5 mm Durchmesser, der als Vestibulum bezeichnet wird. Nach vorne steht
das Vestibulum mit der Cochlea, nach hinten mit den Bogengängen in Verbindung.
Zusätzlich kommuniziert es am ovalen Fenster, das mit der Basis stapedis verschlossen ist, mit der Paukenhöhle.
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5
90¡
17
688
Der Aquaeductus vestibuli zieht nach dorsal Richtung Kleinhirn. Er beinhaltet
den Ductus endolymphaticus, der zum membranösen Labyrinth zählt und eine
Art Überlaufgefäß darstellt. Über den Ductus perilymphaticus (Canaliculus cochleae) kommuniziert der Perilymphraum mit dem Subarachnoidalraum.
Der Meatus acusticus internus ist etwa 10 mm lang und 5 mm weit. Er verläuft in
der Felsenbeinpyramide und beeinhaltet den N. facialis (mit Intermediusanteil),
den N. vestibulocochlearis mit dem Ganglion vestibulare und die A. und V. labyrinthi.
Membranöses Labyrinth (Abb. 17.46)
Das membranöse Labyrinth (Labyrinthus membranaceus) wird vom knöchernen
Labyrinth umschlossen und entspricht somit weitgehend dessen räumlicher Ausrichtung. Es handelt sich um ein membranumschlossenes Hohlraumsystem, das an
definierten Positionen Sinneszellen zur Wahrnehmung der jeweiligen Reize enthält. Man unterscheidet folgende Anteile:
Der Ductus cochlearis14 liegt im Canalis spiralis cochleae. Er ist an seinem basalen Ende über den Ductus reuniens19 mit dem Sacculus verbunden und endet
blind in der Schneckenkuppel.
*
1
2
3
4
5
6
7
8
17
9
10
22
11
21
20
12
19
13
18
17
16
15
14
Abb. 17.46 Schematische Darstellung des Innenohrs.
Ansicht von oben.
1 Ductus semicircularis lateralis
2 Ductus semicircularis posterior
3 Ductus semicircularis anterior
4 Canalis semicircularis anterior
5 Dura mater encephali
6 Saccus endolymphaticus
7 Cristae ampullares
8 Aquaeductus vestibuli
9 Utriculus
10 Macula utriculi
11 Macula sacculi
12 Sacculus
13 Cochlea
14 Ductus cochlearis
15 Scala vestibuli
16 Helicotrema
17 Scala tympani
18 Ductus perilymphaticus
19 Ductus reuniens
20 Fenestra cochleae (rundes
Fenster)
21 Stapes
22 Fenestra vestibuli (ovales
Fenster)
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17 Kopf
*
*
*
689
Sacculus12 und Utriculus9 liegen im Vestibulum des knöchernen Labyrinths. Sie
stehen über den Ductus utriculosaccularis miteinander in Verbindung.
Ductus semicircularis anterior3, posterior2 und lateralis1 liegen in den gleichnamigen Canales und stehen über die Schenkel mit dem Utriculus in Verbindung.
Die den Erweiterungen im knöchernen Labyrinth entsprechenden Strukturen
bezeichnet man als Ampulla membranacea anterior, posterior und lateralis.
Der Ductus endolymphaticus zweigt vom Ductus utriculosaccularis ab und zieht
im (knöchernen) Aquaeductus vestibuli8 zur Hinterfläche des Felsenbeins. Er
endet in einer epiduralen Aussackung, dem Saccus endolymphaticus6.
Das membranöse Labyrinth ist von einem Epithel ausgekleidet, das an den Rezeptorarealen verdickt ist. Spezialisierte Epithelzellen der Stria vascularis cochleae (s.u.),
der Cristae ampullares und von Epithelanteilen von Sacculus und Utriculus sezernieren
die Endolymphe, eine kaliumreiche und natriumarme Flüssigkeit mit einer ähnlichen
Zusammensetzung wie die Intrazellularflüssigkeit. Sie füllt die Hohlräume (ca.
70 μl/Seite) des membranösen Labyrinths vollständig aus. Resorbiert wird die Endolymphe im Saccus endolymphaticus.
Zwischen membranösem und knöchernem Labyrinth erstreckt sich der perilymphatische Raum. Auch in ihm befindet sich eine Flüssigkeit, die Perilymphe, deren Zusammensetzung in etwa dem Liquor cerebrospinalis entspricht. Der Proteingehalt ist mit
200–300 mg/l etwas höher als im Liquor. Verbindungen zu den Liquorräumen bestehen
über das Perineurium des N. vestibulocochlearis und über den Ductus perilymphaticus
mit dem Subarachnoidalraum.
Corti-Organ (Organum spirale) (Abb. 17.47)
Zwischen der Lamina spiralis ossea der knöchernen Schnecke und der gegenüberliegenden knöchernen Wand spannen sich die Basilarmembran (Membrana basilaris6) und die Vestibularmembran (Membrana vestibularis1, Reissner-Membran).
Beide Membranen unterteilen den knöchernen Canalis spiralis in 3 schlauchförmige Räume: den mit Endolymphe gefüllten Ductus cochlearis (zwischen Basilar- und
Reissner-Membran) und die ober- bzw. unterhalb davon verlaufenden Perilymphräume der Scala vestibuli bzw. Scala tympani. An der Spitze der Cochlea stehen die
beiden Perilymphräume über das Helicotrema miteinander in Verbindung.
Der Ductus cochlearis hat einen dreieckigen Querschnitt. Nach oben bzw. unten
wird er von der Vestibular- bzw. Basilarmembran begrenzt. Die seitliche Begrenzung wird vom Lig. spirale2 gebildet.
Das Lig. spirale ist ein lockeres Netz aus Fasern und Bindegewebszellen. Seine Hohlräume kommunizieren mit den perilymphatischen Räumen. Die Abgrenzung zur Endolymphe des Ductus cochlearis bildet die Stria vascularis, deren Epithelzellen nicht von
einer Basallamina getragen werden. Als einziges Epithel des Körpers ist die Stria vascularis reich kapillarisiert. Wichtigste Aufgabe dieses Epithels ist die Produktion der
Endolymphe.
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17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
17
17
17 Kopf
Die Membrana basilaris grenzt den Ductus cochlearis zur Scala tympani ab. Auf
ihr befindet sich das eigentliche Hörorgan (Corti-Organ, Organum spirale). Die
Membrana basilaris ist ca. 34 mm lang und an der Cochleabasis ca. 200 μm, an
der Kuppel ca. 360 μm breit.
Das Epithel besteht neben Stütz- und Grenzzellen aus den eigentlichen Sinneszellen, Haarzellen mit Stereozilien. Man unterscheidet eine Reihe innerer Haarzellen14 (insgesamt etwa 3500) und 3–5 Reihen äußerer Haarzellen5 (insgesamt
ca. 15.000). Während jede der inneren Haarzellen synaptisch mit nur einer afferenten Nervenfaser verbunden ist, sind es bei den äußeren Haarzellen jeweils Zellgruppen. Die Länge der Stereozilien nimmt von der Schneckenbasis (4 μm) bis
zur Cupula cochleae (8 μm) kontinuierlich zu. Bei den inneren Haarzellen sind
die Stereozilien C-förmig, bei den äußeren Haarzellen W-förmig angeordnet. Sie
sind durch „tip links“ miteinander verbunden. Knapp über den Haarzellen, die
auf der Basilarmembran sitzen, erstreckt sich wie ein Dach die Membrana tectoria4
in den Ductus cochlearis.
Leitungsbahnen. Zur Versorgung der Cochlea gibt die A. labyrinthi (aus der
A. basilaris) den R. cochlearis und den R. vestibulocochlearis ab. Aus diesen Zweigen formiert sich in der Lamina spiralis ossea in Höhe der Scala vestibuli das Vas
spirale der Basilarmembran und ein dichtes Kapillarbett in der Stria vascularis. Der
venöse Abfluss der Scala tympani verläuft über die Vv. labyrinthales.
Das Ganglion spirale cochleae11 (Ganglion cochleae) liegt innerhalb des
Canalis spiralis modioli. Es enthält bipolare Ganglienzellen, von denen 95 %
(30.000–40.000) den inneren Haarzellen, die verbleibenden 5 % den äußeren
Haarzellen zugeordnet sind. Ihre afferenten Fortsätze stehen entweder in mehrfachem synaptischen Kontakt mit jeweils einer inneren Haarzelle oder sie bilden
Synapsen mit einer Gruppe von äußeren Haarzellen (s.a. S. 792). Die efferenten
Fortsätze der bipolaren Ganglienzellen schließen sich am Boden des Meatus acusticus internus zur Pars cochlearis des N. vestibulocochlearis zusammen.
Signalübertragung im Hörorgan
Über den äußeren Gehörgang gelangt der Schall (periodische Luftdruckschwankungen) zum Trommelfell und versetzt dieses in Schwingungen. Diese werden
durch die Gehörknöchelchenkette verstärkt und über das ovale Fenster (Fenestra
vestibuli) auf die Perilymphe der Scala vestibuli übertragen.
Da der Wellenwiderstand (Impedanz) von Flüssigkeiten wesentlich größer ist als der
von Luft, würde eine direkte Übertragung von Schall auf die Perilymphe dazu führen,
dass ca. 98 % der Schallenergie reflektiert würden. Dies wird durch 2 Mechanismen verhindert: Die „Schall-Sammelfläche“ des Trommelfells (55 mm2) ist etwa 17-mal größer
als die Fläche des ovalen Fensters an der Basis stapedis (3 mm2). Außerdem bewirken die
unterschiedlich langen Hebelarme von Hammer und Amboss eine Kraftverstärkung
von etwa 1 : 3. Hierdurch werden nur etwa 40 % der Schallenergie reflektiert. Beide
Mechanismen führen zu einer etwa 22-fachen Verstärkung der Schallsignale. Die Anpas-
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17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
Scala vestibuli
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Ductus
cochlearis
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3
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5
6
11
10
9
Scala tympani
8
7
Abb. 17.47 Querschnitt des Ductus cochlearis, Corti-Organ.
9 Corti-Tunnel
1 Membrana vestibularis (Reissner-Membran)
10 Sulcus spiralis internus
2 Lig. spirale
11 Ganglion spirale
3 Stria vascularis
12 Lamina spiralis ossea
4 Membrana tectoria
13 Limbus spiralis
5 äußere Haarzellen
14 innere Haarzelle
6 Basilarmembran
15 Nuel-Raum
7 Knochenwand
8 Corti-Organ
sung des Eingangswiderstands wird auch als Impedanzanpassung bezeichnet. Sie ist
abhängig von der Tonfrequenz und funktioniert am besten zwischen 1000 und
2000 Hz, der Resonanzfrequenz des Trommelfells.
Die von der Gehörknöchelchenkette am ovalen Fenster (Fenestra vestibuli) erzeugten hydraulischen Druckstöße werden auf die Perilymphe der Scala vestibuli (und
über das Helicotrema auch auf die Scala tympani) übertragen. Der dadurch bedingte periodische Druckanstieg im perilymphatischen Raum wird über Auslenkungen
der Membrana tympanica secundaria des runden Fensters ausgeglichen. Die Übertragung der Druckwellen auf den Endolymphraum führt zu einer Auslenkung der
Basilarmembran. Diese Auslenkung nimmt die Form einer Wanderwelle an. Je nach
Frequenz wird die maximale Amplitude der Wanderwelle an unterschiedlichen
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2
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Schon Auslenkungen der Stereozilien von 10–10 bis 10–12 m öffnen dehnungsabhängige
Kationenkanäle (hauptsächlich K+-Kanäle). Bei den äußeren Haarzellen kommt es mit
der Depolarisation zu einer zusätzlichen Verkürzung, die durch das (ATP-unabhängige)
Motorprotein Prestin in der lateralen Zellmembran vermittelt werden. Prestin koppelt
die elektrische Aktivität der äußeren Haarzelle direkt mit hochfrequenten, mechanischen Kontraktionen, welche die Bewegungen der Endolymphe verstärken. Erst hierdurch kommen die Stereozilien der inneren Haarzellen in Kontakt mit der Tektorialmembran, was zur Depolarisation der Haarzellen führt. Die äußeren Haarzellen sind
daher Signalverstärker. Bei der Depolarisation schütten die inneren Haarzellen den
Neurotransmitters Glutamat aus, der die entsprechenden Rezeptoren der afferenten
Fortsätze der Nervenzellen der Pars cochlearis des N. vestibulocochlearis erregt.
Unterschiedliche Frequenzen führen zu einer Auslenkung der Basilarmembran an
unterschiedlichen Orten: hohe Frequenzen (20.000 Hz) führen zu einer Auslenkung der Basilarmembran an der Basis des Ductus cochlearis, tiefe Frequenzen
(20 Hz) zu einer Auslenkung an der Spitze. Somit werden in der Cochlea die Frequenzen des eintreffenden Schalls analysiert. Diese Frequenzanalyse setzt sich
auch in den nachfolgenden Bereichen des auditorischen Systems fort.
17
Auch ohne Impedanzanpassung wird der Schall nicht vollständig reflektiert. Da der
Schall auch über die Knochen weitergeleitet wird (Knochenleitung) führt selbst der
komplette Ausfall von Trommelfell und Gehörknöchelchenkette nicht zur völligen
Taubheit. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit kann durch eine Erhöhung des Schalldrucks (z.B. durch ein Hörgerät) zumindest teilweise kompensiert werden.
Bei einer Innenohrschwerhörigkeit dagegen sind die Sinneszellen des Corti-Organs
geschädigt. Dies kann bereits durch laute Geräusche geschehen (z.B. Lärm am Arbeitsplatz, häufige Diskothekbesuche, Explosion). Diese Art von Schwerhörigkeit versucht man durch Kochlea-Implantate zu heilen. &
Gleichgewichtsorgan (Abb. 17.48)
Die senkrecht bzw. horizontal angeordneten Sinneszellen des Sacculus bzw. Utriculus des Gleichgewichtsorgans dienen der Wahrnehmung linearer Beschleunigungen. Winkelbeschleunigungen werden dagegen von den Bogengängen registriert.
Der Ductus endolymphaticus verbindet die Ductus des Vestibularorgans mit dem
Saccus endolymphaticus im Epiduralraum und dient somit als „Überlaufgefäß“.
Im Epithel der Maculae von Sacculus und Utriculus sitzen zusammen mit Stützzellen die Mechanorezeptoren (sekundären Sinneszellen). Zusammengenommen
werden beide Maculae als Macula statica bezeichnet. Das Sinnesepithel der Bogengänge liegt in Erweiterungen, die Cristae ampullares1 genannt werden.
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Stellen der Basilarmembran erreicht. Die Auslenkung der Basilarmembran durch
die Wanderwelle führt zu einer Verschiebung der äußeren Haarzellen gegenüber
der Tektorialmembran und verursacht durch die Auslenkung der Stereozilien eine
Erregung der Sinneszellen.
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1
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14
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3
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a
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b
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24
25
26
27
c
20
28
Abb. 17.48 Gleichgewichtsorgan.
a Aufbau des Gleichgewichtsorgans (Vestibularorgan),
das sich aus den 3 Bogengängen sowie Sacculus und
Utriculus zusammensetzt.
693
1 Crista ampullaris mit
N. ampullaris anterior
2 Ganglion vestibulare
3 Utriculus
4 Macula utriculi mit
N. utricularis
5 Macula sacculi mit
N. saccularis
6 Sacculus
7 Ductus reuniens
8 Crista ampullaris mit
N. ampullaris posterior
9 Ductus endolymphaticus
10 Ductus semicircularis post.
11 Ductus semicircularis lat.
12 Saccus endolymphaticus
13 Crista ampullaris mit
N. ampullaris lateralis
14 Ductus semicircularis ant.
15 Canalis semicircularis ant.
b Aufbau von Ampulla und
Crista ampullaris eines
Bogengangs.
16 Canalis semicircularis
17 Ampulla
18 Cupola
19 Zilien der Sinneszellen
20 Stützzelle
21 Sinneszelle
22 Crista ampullaris
c Aufbau der Macula statica
von Sacculus und Utriculus.
23 Statolithen
24 Stereozilien
25 Haarzelle Typ I
26 Haarzelle Typ II
27 Membrana propria
28 afferente Nervenfaser
29 Statolithenmembran
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17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
17
694
17 Kopf
Tab. 17.24 Aufbau und Funktion der Sinneszellen des Gleichgewichtsorgans. Die Nummern beziehen sich auf Abb. 17.48.
Lokalisation der
Sinneszellen
Utriculus
5
Macula sacculi
vertikal zur
Körperachse
Macula utriculi
horizontal zur
Körperachse
Bogengänge
4
Statokonien-/Otolithenmembran30:
Aufbau der
gallertigen Deckflach
schicht
enthält Kalkkristalle
Dichte höher als Endolymphe
*
*
*
*
*
lineare Beschleunigungen
nach Größe und Richtung
Abweichungen der Kopfhaltung
von der Senkrechten
*
*
17
Cupula18:
kuppelförmig
enthält keine Kristalle
Dichte gleich wie Endolymphe
*
Mechanismus der Kopfbewegung
Reizübertragung ↓
Otolithenmembran bleibt aufgrund
ihrer Trägheit zurück
↓
Auslenkung der Stereozilien
Registrierte
Bewegung
Cristae ampullares1, 8, 13
Kopfbewegung
↓
Endolymphe bleibt aufgrund
ihrer Trägheit gegenüber den
Bogengängen zurück
↓
Auslenkung der beweglichen
Cupula
↓
Auslenkung der Stereozilien
radiale Beschleunigungen
entsprechend dem Ausmaß
der Ablenkung der Cupula
Drehrichtung wird aus der
Auslenkung aller 6 Cupulae
im Gehirn „errechnet“
*
*
Aufbau. Das Sinnesepithel besteht neben den Stützzellen aus flaschenförmigen
(„bauchigen“) Typ-I-26 und zylindrischen („schlanken“) Typ-II-Haarzellen27. Beide
Typen tragen an ihrer apikalen Oberfläche 80–100 Stereozilien und eine Kinozilie.
Letztere scheint für die Erregbarkeit der Sinneszelle keine Rolle zu spielen, wohl
aber für die Richtung der Potenzialänderungen. Die Zilien ragen in eine gallertige
Deckschicht18, 30, die bei Maculae und Cristae unterschiedlich aufgebaut ist. Einzelheiten sind in Tab. 17.24 zusammengefasst.
Funktion und Innervation. Lageänderungen des Kopfes führen zu einer Verbiegung der Stereozilien relativ zum Zellkörper. Verbiegen sich die Stereozilien
zum Kinozilium hin, kommt es zu einer Depolarisation der Zellmembran, bei einer
Verbiegung vom Kinozilium weg, ergibt sich eine Hyperpolarisation. Die Potenzialänderungen der Sinneszelle werden entweder über elektrische und chemische
Synapsen (Typ-I-Zellen) oder ausschließlich über chemische Synapsen (bei TypII-Zellen) an die afferenten Fortsätze der bipolaren Nervenzellen des Ganglion
vestibulare weitergegeben. Dieses Ganglion liegt am Boden des Meatus acusticus
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Sacculus
17.6 Hör- und Gleichgewichtsorgan
695
Vestibulär bedingter Schwindel entsteht aus Diskrepanzen zwischen den Raumwahrnehmungen der verschiedenen hierzu beitragenden Sinnessysteme (Auge,
Vestibularapparat, Propriozeption). Man unterscheidet einen unspezifischen (weil
bei vielen Erkrankungen als Begleitsymptom vorkommenden) „Schwankschwindel“
von einem „Drehschwindel“, bei dem die Patienten oft sogar die Drehrichtung angeben können. Anfallsartiger Drehschwindel ist eines der Hauptsymptome des Morbus Menière. Außerdem kommt es zu Hörverlust im tiefen Frequenzbereich, Ohrgeräuschen (Tinnitus) und Druckgefühl im Ohr. Eine Anästhesie des Labyrinths
oder eine Entfernung der knöchernen Begrenzung des Saccus endolymphaticus
(„Überlaufgefäß“) verbessern die Symptomatik. Das Schwindelgefühl nimmt auch
ohne Behandlung im Verlauf mehrerer Jahre ab, die Schwerhörigkeit für tiefe Töne
bleibt jedoch bestehen. &
Gefäßversorgung. Der Vestibularapparat wird von den Rr. vestibularis und vestibulocochlearis der A. labyrinthi (aus der A. basilaris) versorgt. Die venöse Drainage
verläuft über die Vv. labyrinthales als Sammelgefäße.
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internus. Die efferenten Fortsätze dieser Nervenzellen bilden die Pars vestibularis
des N. vestibulocochlearis.
Da das Gleichgewichtsorgan beidseits symmetrisch angelegt ist, kommt es bei
Kopfdrehungen zu gegensätzlichen Erregungen entsprechender Sinnesfelder.
Dieser Mechanismus erhöht die Unterscheidbarkeit von Rotationsbewegungen
im Sinne einer „Kontrast“verstärkung.
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