Krebsmedikamente bei pulmonaler arterieller Hypertonie

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Schermuly, Ralph et al. | Krebsmedikamente bei pulmonaler ...
Tätigkeitsbericht 2008
Entwicklungs- und Evolutionsbiologie/GenetikImmun- und Infektionsbiologie/Medizin
Krebsmedikamente bei pulmonaler arterieller Hypertonie
Schermuly, Ralph; Seeger, Werner;
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim
Abteilung - Entwicklung und Umbau der Lunge
Korrespondierender Autor
Schermuly, Ralph,
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Ein Gefäßwandumbau (Remodeling) von Lungenarterien spielt die entscheidende Rolle in der Pathogenese von pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH), auch bekannt als Lungenbluthochdruck. Dieser
Umbau führt zu einer Anreicherung von Zellen in der Gefäßwand und damit zu einem Lumenverlust.
Ein neuer Therapieansatz besteht darin, diese gutartige Zellwucherung mittels Krebsmedikamenten zu
unterbinden und so den strukturellen Wandumbau in den erkrankten Gefäßen rückgängig zu machen
(Reverse Remodeling). Hemmstoffe von Tyrosinkinasen haben in präklinischen Modellen und ersten
klinischen Heilversuchen überragende Ergebnisse gezeigt.
Abstract
Pulmonary vascular remodeling of lung arteries plays an important role in the pathogenesis of pulmonary arterial hypertension (PAH). This leads to an accumulation of cells in the vessel wall and to
a reduced vascular lumen. New therapeutic approaches try to reduce the benign proliferation and
attempt to reverse the remodeling of the pulmonary arteries using anti-cancer drugs. In the focus of
our interest are inhibitors of tyrosine-kinases, which showed promising effects in preclinical models of
pulmonary hypertension and first clinical studies.
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) – Lungenbluthochdruck – ist eine lebensbedrohende
Erkrankung, welche durch eine fortschreitende Gefäßveränderung der Lungenarterien gekennzeichnet
ist. Es gibt für diese Erkrankung bisher keine Heilung [1]. Die heute zugelassenen medikamentösen
Therapien verfolgen fast ausschließlich nur das Ziel, die pulmonalen Gefäße zu erweitern (Vasodilatation). Die (Weiter)Entwicklung einer optimalen Therapie der PAH sollte allerdings nicht nur mit
Vasodilatantien erfolgen, sondern auch einen direkten anti-proliferativen Ansatz umfassen, da die
endotheliale Dysfunktion, die Verdickung der Adventitia, die Intimaproliferation und die Proliferation sowie die Migration glatter Muskelzellen [2] ebenfalls wichtige pathologische Charakteristika der
PAH sind. Weitere wichtige Merkmale des Lungenbluthochdrucks sind außerdem die In-situ-Thrombose sowie der oxidative Stress. Durch die oben angeführten proliferativen Vorgänge kommt es zu
einem perfusionsbegrenzenden Lumenverlust – vor allem die Proliferation glatter Gefäßmuskelzellen
spielt bei der Verlegung des Gefäßbettes eine entscheidende Rolle. Hier konnten in den letzten Jahren
durch den Einsatz von Elastase-Hemmstoffen, Rho-Kinase-Hemmstoffen oder Serotonin-Antagonisten
in tierexperimentellen Modellen der pulmonalen Hypertonie deutliche Anti-Remodeling-Effekte erzielt
werden. Die klinische Relevanz dieser Ansätze ist jedoch noch unklar.
Interessanterweise findet man funktionelle, biochemische und zelluläre Gemeinsamkeiten zwischen
diesen „benignen“, also gutartigen pulmonalvaskulären Proliferationsprozessen und dem malignen,
bösartigen Tumorwachstum [3]. Unter anderem gibt es bei Krebserkrankungen eine Dysregulation von
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Wachstumsfaktoren mit nachgeschalteten Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK). Wachstumsfaktoren wie
PDGF (Platelet Derived Growth Factor), FGF (Fibroblast Growth Factor), EGF (Epidermal Growth
Factor) oder IGF (Insulin-like Growth Factor) sind kausal in Tumorwachstum, Invasion und Metastasierung involviert. Der neuesten Generation der Rezeptorantagonisten gelingt es, das Tumorwachstum
mit einem gewissen Grad an Selektivität zu hemmen. Durch die Behandlung mit diesen so genannten
Tyrosinkinase-Hemmern wird die durch eine Aktivierung der Rezeptor-Tyrosinkinase vermittelte
Signalübertragung zum Zellkern unterbunden. In der Folge wird die Zellvermehrung gehemmt und
Prozesse des Zellsterbens (Apoptose) werden induziert [4].
Krebsmedikamente gegen Lungenbluthochdruck
Bei der abnormalen Proliferation und Migration glatter Gefäßmuskelzellen (VSMC), wie sie bei der
pulmonalen arteriellen Hypertonie auftritt, spielen die Wachstumsfaktoren (PDGF, b-FGF, EGF) eine
wichtige Rolle: Insbesondere PDGF und der PDGF-β-Rezeptor sind bei PAH erhöht exprimiert, wie
jüngst in experimentellen Modellen der pulmonalen Hypertonie und in humanem Gewebe von PAHPatienten nachgewiesen werden konnte. Die neueste Generation der Krebsmedikamente, die Tyrosinkinase-Hemmstoffe, besitzen aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils eine exzellente klinische
Perspektive. Medikamente aus dieser Substanzklasse sind bereits zur Therapie maligner Erkrankungen
zugelassen.
Die Arbeitsgruppe um Ralph Schermuly konnte kürzlich an Modellen der experimentellen pulmonalen Hypertonie zeigen, dass der PDGF-Rezeptorantagonist Imatinib (Gleevec®, STI571), welcher zur
Therapie der chronisch myelomischen Leukämie und progressiver maligner gastrointestinaler Tumoren zugelassen ist, eine überragende antiproliferative Wirkung mit Induktion von Reverse Remodeling
bei PAH besitzt. So führte eine chronische Imatinib-Therapie der Versuchstiere mit bereits bestehender pulmonaler Hypertonie zu einer weitgehenden Rückführung des strukturellen Gefäßwandumbaus
sowie der hämodynamischen Veränderungen (Abb. 1). Insbesondere der pulmonal-arterielle Druck,
welcher mittels einer telemetrischen Technik kontinuierlich gemessen wurde, konnte eindrucksvoll reduziert werden. Als relevanter Wirkmechanismus wurden die Reduktion der Proliferation und die Zunahme der Apoptose identifiziert. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler am MPI für Herz- und
Lungenforschung erstmals klinisch die Wirksamkeit von Imatinib bei einem Patienten mit schwerster
pulmonaler Hypertonie zeigen [5, 6].
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Abb. 1: Vergleich von Lungenarterien bei einem an pulmonaler arterieller Hypertonie erkrankten Patienten und
einem gesunden Donor.
links: Lungenarterie eines Patienten mit PAH mit einer deutlichen Verdickung der Gefäßwand und Verringerung
des Lumens.
rechts: Lungenarterie eines Gesunden. (ECM: extrazelluläre Matrix)
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung/Schermuly
Allerdings sind noch wesentliche grundlagenwissenschaftliche und klinische Fragen zum Expressionsprofil von Tyrosinkinasen unter physiologischen und pathophysiologischen (vaskuloproliferativen)
Bedingungen offen. Weiterhin muss geklärt werden, inwieweit andere Rezeptor-TyrosinkinaseHemmstoffe mit einem möglicherweise optimierten Antagonisten-Profil noch besser geeignet sind, das
Therapieziel der Rückführung der strukturellen Gefäßwandveränderungen (Reverse Remodeling) zu
erreichen. Erst kürzlich konnten Schermuly und seine Mitarbeiter zeigen, dass der neue MultikinaseHemmstoff Sorafenib nicht nur die pulmonale Hypertonie, sondern auch die Herzhypertrophie signifikant senken kann [7].
Umbauprozesse am rechten Herzen
Aufgrund des oben erwähnten Lumenverlusts durch die proliferativen Veränderungen in den Pulmonalarterien bei PAH steigt die Druckbelastung in der pulmonalen Zirkulation, und es kommt nachfolgend
zu einer erhöhten Nachlast für den rechten Ventrikel. Dies resultiert in Umbauprozessen in Form von
Herzvergrößerung, Fibrose und interstitieller Entzündung (myokardiales Remodeling). Zunächst stellt
das übermäßige Wachstum zusammen mit einer passiven Erweiterung der rechten Herzkammer als
Folge der PAH einen Adaptationsprozess des Herzens an die erhöhte Leistungsanforderung dar. Die
rechtsventrikuläre Adaptation ist einer der wichtigsten prognostischen Faktoren bei pulmonaler arterieller Hypertonie [8]. Unter chronischer Belastung nimmt im weiteren Verlauf das Muskelwachstum ab
und die Überdehnung der Herzkammerwand stark zu (Dilatation). Diese Überdehnung der Herzkammer weist eine schlechte Prognose auf. Die dilatierte rechte Kammer mit resultierender verminderter
Kontraktionkraft ist nicht mehr in der Lage, das Blut gegen die erhöhte Nachlast auszuwerfen. Somit
sterben Patienten mit PAH letztendlich am sogenannten Rechtsherzversagen.
Nach wie vor gibt es zur direkten Behandlung der dargestellten Umbauprozesse im Bereich des
rechten Herzens, welches letztendlich mit dem Untergang von vitalem Myokardgewebe einhergeht,
keine Therapieansätze. Da zugrunde gegangenes Herzmuskelgewebe nach bisherigen Erkenntnissen
nicht ersetzt werden kann, werden die Phasen des Remodelings auf Proteinebene in einem Tiermodell
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für rechtsventrikuläre Herzhypertrophie untersucht. Um essentielle Regulatoren der rechtsventrikulären Hypertrophie infolge PAH zu ermitteln, soll ein sogenannter proteomics approach durchgeführt
werden. Dieser beinhaltet Techniken, welche die simultane Detektion einer Vielzahl von Proteinen
und deren Modifikationen aus dem Herzgewebe ermöglichen. Die Aufschlüsselung des Proteinhaushalts soll die morphologische und die molekularbiologische Analyse von Remodeling-Vorgängen im
rechten Herzen ergänzen und zur Entdeckung spezifischer Marker und Schlüsselproteine hypertropher
Prozesse im rechten Herzen beitragen. Letztlich soll dies zur Identifikation möglicher therapeutischer
Zielstrukturen dienen. So wollen die Forscher Kenntnisse zur Entwicklung neuer, ursächlicher Therapieansätze insbesondere der rechtsventrikulären Hypertrophie gewinnen, welche in der bisherigen,
hauptsächlich die linksventrikuläre Hypertrophie betreffenden Forschung eine eher untergeordnete
Rolle spielte.
Inwiefern medikamentöse Therapien der pulmonalen arteriellen Hypertonie einen direkten Einfluss
auf die Umbauprozesse am rechten Herzen haben (können) oder nur indirekt über die Reduktion der
rechtsventrikulären Nachlast zu einer Abnahme der Hypertrophie des rechten Ventrikels führen, ist
bisher unbekannt und von großem wissenschaftlichen Interesse. Dennoch zeigen aktuelle Forschungsergebnisse am Beispiel des Tyrosin- und Serin-/Threonin-Kinase-Inhibitors Sorafenib die Möglichkeit
eines kombinierten Wirkmechanismus auf [7].
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Literaturhinweise
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Combined tyrosine and serine/threonine kinase inhibition by sorafenib prevents progression of
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Chest 114, 101-106 (1998).
Drittmittelfinanzierung
DFG, Humboldt-Stiftung, DAAD, Higher Education Commission (Pakistan)
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