Kunsthalle Wien How To Live Together 25/5 – 15/10 2017

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Kunsthalle Wien
How To Live Together
25/5 – 15/10 2017
Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria
www.kunsthallewien.at
Pressekonferenz: Mittwoch, 24. Mai 2017, 10 Uhr
Eröffnung: Mittwoch 24. Mai 2017, 19 Uhr
Mit einem Aufruf an die Menschlichkeit wendet sich Goshka Macugas Android
To the Son of Man who Ate the Scroll an die Besucher/innen. Er wirkt wie ein
Prophet aus der Zukunft. Seine Worte entlehnt er Paul Austers Romanen und
Martin Luther Kings Reden, er zitiert Hannah Arendt, Friedrich Nietzsche,
Judith Butler und Charlie Chaplin und er appelliert an den Humanismus als
Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Miteinander. Gleichzeitig warnt er vor
den zerstörerischen Fähigkeiten des Menschen im Sinn des antiken Aphorismus,
wonach der wahre Feind des Menschen der Mensch selbst sei. Goshka Macugas
humanoide Maschine beschwört Anfang und Ende der Menschheit und zielt durch
seine Mimik und Gestik auf die Empathiefähigkeit der Betrachter/innen.
To the Son of Man who Ate the Scroll spannt den Rahmen, innerhalb dessen sich
die Ausstellung How To Live Together entfaltet: Er verbindet Gesellschaftsanalyse
und Kunst, verknüpft Utopien aus der Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft und
erzählt von der Fragilität des Individuums innerhalb jener gesellschaftlichen Normen
und Zwänge, denen es ausgesetzt ist, für die es aber auch mitverantwortlich ist.
How To Live Together beschäftigt sich mit den individuellen wie gesellschaftlichen
Bedingungen und Potenzialen unseres Zusammenlebens. Im Vordergrund stehen
dabei die Dynamiken von Ökonomie und Politik, aber auch sich wandelnde
soziale Beziehungen. Die Werke von über dreißig internationalen Künstler/innen
verschiedener Generationen gehen von persönlichen Erfahrungen aus und
verweisen gleichzeitig auf sich verändernde Verhältnisse zwischen Privatem und
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Politischem, Stillstand und Bewegung, Wirklichkeit und Utopie. Die Vielfalt der
präsentierten Lebenswelten zeigt auf, dass Gesellschaft mehr ist als die Summe
ihrer Individuen.
Gesellschaft zwischen Erosion und Aufbruch
Wie kann das Zusammenleben heterogener Gemeinschaften in einer globalisierten
Welt funktionieren? Diese Frage zielt auf unsere Alltagserfahrungen, die durch die
gegenwärtigen sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklungen bedingt
sind. Alte Strukturen lösen sich auf, Perspektiven auf Vergangenes verändern
sich und neue Modelle eines sozialen Miteinanders entstehen. Die Freiheit des
Menschen, über sein eigenes Leben zu bestimmen, ist durch seine Einbettung
in das Soziale festgelegt. Lebensrealitäten stellen sich als gesellschaftliche
Konstruktionen dar und verweisen auch auf das Potenzial individueller
Handlungsmöglichkeiten.
Ausgehend von persönlichen Erfahrungen berichten die ausgestellten Kunstwerke
von Flucht und Migration, von Rassismus und Ausgrenzung, aber auch von
Solidarität und Teilhabe: So entwickelt der Künstler Aslan Gaisumov seine Arbeiten
in Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner Heimat Tschetschenien. In der
Videoarbeit Volga (re)inszeniert er die Flucht seiner Familie während des ersten
Tschetschenien-Krieges. Als Transportmittel diente der namensgebende Volga, in
dem er gemeinsam mit zwanzig Verwandten Platz fand, um zu entkommen.
Auch bei Kader Attia prägt seine persönliche Erfahrung die künstlerische
Praxis. Der Begriff der „Reparatur“ ist für ihn eine adäquate Möglichkeit der
Wiederaneignung zerstörter oder vergessener Werte, seien sie kultureller,
persönlicher oder auch psychischer Natur. In seinem filmischen Essay Reflecting
Memory zieht er Parallelen von Phantomschmerzen zu Traumata, die sich auf den
individuellen wie gesellschaftlichen Körper beziehen. Als eine Art permanenter
Schmerz trägt er sich durch mehrere Generationen und erfordert bewusstes
Erinnern und aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Reflektionen gelebter Erfahrung
Kunst fungiert schon seit jeher als ein Medium, Gesellschaftsbilder einer jeweiligen
Zeit nachzuzeichnen und Reflektionsraum für gelebte Erfahrung zu bieten. Die
Vorstellungen vom Scheitern oder Erfolg des Zusammenlebens speisen sich
aus persönlicher Erfahrung, sind aber im gleichen Maße Ausdruck struktureller
Gegebenheiten.
August Sanders Porträts aus dem frühen 20. Jahrhundert umfassen ein großes
Spektrum an damaligen Gesellschafts- und Berufsgruppen. Sanders bewahrt einen
distanzierten Blick auf die von ihm Fotografierten. Seine Fotografien sind Zeitzeugnisse
für eine Gesellschaft im Umbruch, die Gegensätze wie Verbindungen reflektieren.
Pressetext
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Dem analysierenden Blick seiner Kamera gegenübergestellt sind Tina Barneys sehr
persönliche Abbilder gesellschaftlicher Eliten der 1970er bis 2000er Jahre. Barney,
die hier ihre eigene Herkunft reflektiert, ermöglicht mit ihren Fotografien Einblicke
in die Privatsphäre der US-amerikanischen Upper Class und ihrer sozialen
Dynamiken.
Auch Paul Graham hat in seiner Fotoserie Beyond Caring, entstanden in den 1980er
Jahren, den Blick auf spezifische gesellschaftliche Gruppen gelegt, als er den Alltag
in Arbeits- und Sozialämtern während der Thatcher Ära dokumentierte – jenen
Orten, an denen gesellschaftliche, ökonomische und soziale Ungleichheit verwaltet
wird. Er fotografiert Räume mit kargen Wänden, in grelles Neonlicht getaucht. Der
völlige Mangel an Komfort zeigt, wie wenig öffentliches Interesse an diesen Räumen
besteht. Seine Werke funktionieren über die Herstellung von Nähe, die in Zeiten
polarisierter Gesellschaften oft nur innerhalb eng abgesteckter sozialer Grenzen zu
finden ist. Die Kunst argumentiert hier sowohl aus kritischer Distanz als auch auf
Ebene der Empathie. Ähnlich positioniert sich auch Mohamed Bourouissa in seiner
Serie Périphérique. Die teils fotodokumentarischen, teils inszenierten Aufnahmen
zeigen Szenen aus den Pariser Banlieues, deren Bewohner/innen häufig aus den
Maghreb-Staaten stammen. Dass die Geringschätzung ganzer gesellschaftlicher
Gruppen auch Aggressionspotenzial gegen noch Schwächere entfacht, lässt sich in
den Arbeiten beider Künstler erahnen.
Anerkennung, Dialog und Kooperation als gesellschaftliches Ziel
Zugehörigkeit innerhalb unserer globalen Gesellschaft erfordert Anerkennung auf
sozialer wie institutioneller Ebene. Mit Diskriminierung und dem Zerbrechen des
Individuums an fehlender gesellschaftlicher Anerkennung setzt sich Cana Bilir-Meier
in ihren Audio- und Videoarbeiten auseinander. Stellvertretend für die vergessenen
Geschichten von Arbeitsmigrant/innen erzählt sie in Semra Ertan die Geschichte
ihrer Tante, die sich 1982 in Hamburg selbst verbrannte, um ein Zeichen gegen
den herrschenden Rassismus zu setzen. Die Perspektive dieser Geschichte macht
deutlich, dass das Fremde auch etwas ist, zu dem Menschen gemacht werden.
Johann Grimonprez filmische Montage Every Day Words Disappear bettet kurze
Ausschnitte aus Jean-Luc Godards Spielfilm Alphaville in eine Abhandlung des
amerikanischen Philosophen Michael Hardt über eine Politik der Liebe als utopische
Zukunftsperspektive ein. Das Gemeinsame ist für Hardt das Mittel gegen eine von
Furcht geleitete Gesellschaft und Inspiration für ein soziales Modell, das Macht und
Autorität durch Dialog und Kooperation ersetzt.
Dass auch die Kunst Mittel bieten kann, um sich realpolitisch zu engagieren,
dafür steht Wolfgang Tillmans ursprünglich durch die Brexit Diskussion motivierte
Kampagne. Sie markiert eine Gegenbewegung zu den medial aufgeheizten
Polarisierungen. Positiv besetztes, zivilgesellschaftliches Engagement, das auf
Solidarität und das Verbindende setzt, gewinnt an Bedeutung.
Auf eine Gesellschaft zwischen Auflösung und Aufbruch verweist auch die eigens
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für How To Live Together von Studio Miessen entworfene Ausstellungsarchitektur.
Durch ihre Referenz an antike Versammlungsorte sowie an moderne Bauplätze
steht sie sinnbildlich für die Notwendigkeit, Räume der Demokratie neu zu denken
und macht auf die Leerstelle der gesellschaftlichen Utopie aufmerksam. Dabei
nimmt das Community College als aktiver Ort des Austauschs eine besondere
Stellung ein. Zentral im Eingangsbereich verortet, fungiert das Community
College als partizipative Plattform für Vermittlungsformate verschiedener Art und
verwandelt die Kunsthalle Wien in einen engagierten Ort des Lernens.
Künstler/innen: Bas Jan Ader, Kader Attia, Sven Augustijnen, Tina Barney, Cana
Bilir-Meier, Ayzit Bostan, Mohamed Bourouissa, Kasper De Vos, Ieva Epnere, Aslan
Gaisumov, Gelitin, Liam Gillick, Paul Graham, Johan Grimonprez, Binelde Hyrcan,
Leon Kahane, Herlinde Koelbl, Armin Linke, Goshka Macuga, Taus Makhacheva,
Pedro Moraes, Sarah Morris, Adam Pendleton, Yvonne Rainer, Jeroen de Rijke /
Willem de Rooij, Willem de Rooij, August Sander, Ritu Sarin / Tenzing Sonam,
Augustas Serapinas, Jeremy Shaw, Wolfgang Tillmans, Rosemarie Trockel
Ausstellungsarchitektur: Studio Miessen
Kurator: Nicolaus Schafhausen
Kuratorische Assistenz: Juliane Bischoff
Pressetext
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