48-51 Sommergrippe

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Sommergrippe
Mit Grippe verbinden wir meist die
Vorstellung von nasskaltem Herbstund Winterwetter, das die körpereigenen Abwehr schwächt. Das trifft
nur bedingt zu, neuerdings kommt
auch die Sommergrippe häufiger vor.
Text: Gerhard Leibold
D
er Oberbegriff Sommergrippe ist
nicht einheitlich definiert. Am
besten versteht man darunter
alle grippeartigen Erkrankungen,
die in der wärmeren Jahreszeit auftreten.
Die typische Sommergrippe
Die grippeartigen Infektionen und auch
die seltenere echte Influenza verlaufen
in der wärmeren Jahreszeit häufig ähnlich
wie in den kühleren Monaten: Unterschiedlich hohes Fieber, Schnupfen,
Heiserkeit und Husten, ferner unspezifische Allgemeinsymptome wie allgemeines Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit,
Kopf- und Gliederschmerzen.
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In der wärmeren Jahreszeit beobachtet man auch vermehrt atypische Verlaufsformen, insbesondere Magen-DarmInfektionen. Dabei besteht im Sommer
ein höheres Risiko, dass es rasch zu
lebensbedrohlichen Verlusten an Flüssigkeit und Mineralsalzen kommt, weil diese
bereits mit dem Schweiss vermehrt ausgeschieden werden.
Als erstes Warnzeichen einer solchen
Komplikation treten Muskelkrämpfe vor
allem in den Waden auf.
So weit muss es aber nicht kommen,
wenn man bei Erbrechen und Durchfall die Flüssigkeits- und Mineralstoffverluste rechtzeitig durch Mineralwässer, Obst- und Gemüsesäfte ausgleicht
und bei Bedarf durch Arzneimittel mit
Mineralsalzen ergänzt.
Die typische Sommergrippe dauert 7
bis 10 Tage. Bestehen die Symptome länger oder verschlimmern sie sich, sollte
man fachliche Hilfe anvisieren, ehe sich
Komplikationen einstellen. Dazu kommt
es bei der Sommergrippe aber relativ selten. Besonders anfällig für Komplikationen sind Menschen:
• die noch an anderen (meist chronischen) Krankheiten leiden,
• deren Immunsystem geschwächt ist
(zum Beispiel durch chronische Krankheitsherde, Umweltgifte oder altersbedingt)
• die unter hohem Dauerstress stehen.
Naturheilkunde GESUNDHEIT
Immunität hinterlässt die typische
Sommergrippe nicht. Die wirksamste Vorsorge und Therapie besteht darin, das Immunsystem zu stärken. Die aus eigener
Kraft überwundene Infektion aktiviert den
Immunschutz oft so gut, dass die Abwehrstoffe weitere Infektionen für einige Zeit
verhüten. Aber das darf nicht mit Immunität verwechselt werden.
Andere Formen
der Sommergrippe
Grippeartige Erkrankungen in der wärmeren Jahreszeit müssen nicht durch Erkältungs- und Influenzaviren entstehen. Zu
den wichtigsten anderen gehören CoxiellaBakterien, Coxsackie- und Hantaviren,
Legionellen und Leptospiren. Eine zuverlässige Unterscheidung der Erreger anhand
der Symptomatik ist kaum möglich, die Beschwerden ähneln sich oft zu stark.
Ein schlagkräftiges Immunsystem verhindert meist die akute Sommergrippe.
Wenn es doch einmal überfordert wird,
überwinden intakte Selbstheilungsregulationen die Infektion meist ohne Komplikation.
Foto: ABDA
Geeignete
Vorsorgemassnahmen
Im Einzelfall mögliche Komplikationen sind Bronchitis durch bakterielle
Zusatz-(Super-)infektionen, Nasennebenhöhlen-, Mittelohrentzündungen, seltener Lungen-, Rippenfellentzündungen,
Magen-Darm-Katarrhe und Erkrankungen der Harnorgane.
Nach einer schweren Sommergrippe
kann die Rekonvaleszenz noch mehrere
Wochen dauern. Typisch sind abnorme
Müdigkeit, Schwächezustände, Herz-Kreislauf-Beschwerden, niedriger Blutdruck,
depressive Verstimmungen, gelegentlich
Verdauungsstörungen. Diese Symptome
können auch auf eine beginnende Komplikation hinweisen, Klarheit schafft nur die
fachliche Untersuchung.
Die Grundvoraussetzungen für ein allzeit
intaktes Immunsystem sind bekannt:
Ernährung, Bewegung, Abhärtung, Entspannung und positive Lebensgrundeinstellung. Vollkommenen Schutz bieten sie
nicht, aber gelegentliche leichte Infektionskrankheiten gelten aus naturmedizinischer
Sicht sogar als nützlich, weil sie das Immunsystem trainieren.
Bei Bedarf können Immunmodulatoren
nach fachlicher Verordnung verabreicht
werden. Geeignete Heilmittel sollen mit
dem Therapeuten abgestimmt werden, vor
allem die Heilpflanze Echinacea bewährt
sich gut. Nach längeren Injektionsserien
mit dieser Heilpflanze traten in Einzelfällen
ernste Nebenwirkungen auf, nicht aber bei
der Einnahme. Dennoch soll Echinacea
nicht längere Zeit ununterbrochen verabreicht werden. Homöopathische Zubereitungen wirken ebenfalls gut, ihre Risiken
sind gleich Null.
Weniger bekannte Immunmodulatoren
sind Eleutherokokkus, Ginseng, Thymusextrakte, das Bienenkittharz Propolis und
Baumflechten. Knoblauch steigert zwar
nicht die Abwehr, wirkt aber antibiotisch.
Nicht zuletzt kann gegen einige Erreger der
Sommergrippe (wie Leptospiren), die vorwiegend im Beruf übertragen werden, eine
aktive Immunisierung erfolgen. Gefährdete
Berufsgruppen sollten sich durch Impfung
schützen.
Therapie der Sommergrippe
Fast jeder erkrankt gelegentlich an einem
grippeartigen Infekt. In der kühleren
Jahreszeit handelt es sich meist um Erkältung oder Influenza. Grippeähnliche Beschwerden im Sommer können durch
verschiedene Erreger verursacht werden.
Meist handelt es sich zwar auch um eine
Erkältung, genau kann das nur durch
fachliche Untersuchung diagnostiziert
werden. Selbsthilfe durch bewährte Naturheilverfahren kommt nur in Frage, wenn
ohne Zweifel eine Erkältung vorliegt.
Bewährte Hausmittel sind Holunderund Lindenblütentee. Beide steigern die
Abwehrfunktionen und wirken schweisstreibend, was bei Fieber nützlich ist. Ferner
enthalten sie reizlindernde, entzündungshemmende Wirkstoffe, die vor allem die
Atemwege günstig beeinflussen.
Da Holunder und Lindenblüten sich in
ihren Wirkungen verstärken, sollten sie
zusammen verabreicht werden. Einleitend
gibt man alle 1 bis 2 Stunden 1 Tasse, insgesamt bis zu 5 Tassen, anschliessend täglich 3 bis 4 Tassen bis zur Heilung. Wenn
der Tee rechtzeitig angewendet wird, kann
die beginnende Infektion nicht selten über
Nacht ausheilen.
Noch bessere Ergebnisse erzielt man,
wenn Holunder-/Lindenblütentee mit einer
Schwitzpackung kombiniert wird. Das erzeugt künstliches Fieber, das vielen Erregern schadet, und steigert die Immunfunktionen. Wenn bereits Fieber besteht, ist
die Schwitzpackung verboten, sonst drohen ernste Komplikationen. Herz-Kreislauf-Patienten müssen ganz darauf verzichten, wenn nichts anderes verordnet wird.
Die Sauna wird unter Umständen besser als die Schwitzpackung vertragen, aber
auch sie ist bei Fieber und/oder HerzGefäss-Krankheiten grundsätzlich verboten. Wer noch nie in der Sauna war, sollte
damit nicht bei einer beginnenden Infektion anfangen.
Die Ernährung besteht vorwiegend aus
vitaminreicher Rohkost, Obst-, Gemüsesäften und reichlich Mineralwasser. Auch
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Zeckenschutz ist wichtiger denn je
Die ersten schönen Frühlingstage locken
viele ins Freie. Doch Vorsicht: Jetzt lauern
auch wieder Zecken in Gräsern, Sträuchern
und im Unterholz von Waldrändern, Wiesen,
Parks und Gärten. Durch Zeckenstiche können vor allem zwei Erkrankungen übertragen
werden: die Frühsommer-Meningo-Encephalitis (FSME) und die Lyme-Borreliose (siehe
auch Natürlich 4-2004). Die FSME ist eine
Viruserkrankung, die zu einer Hirnhautentzündung führen kann. Bei der durch Bakterien übertragenen Lyme-Borreliose kann es
zu chronischen Entzündungen an Haut, Herz,
Nervensystem und Gelenken kommen.
Häufig wird eine durch Zecken verursachte
Erkrankung nicht gemeldet oder nicht erkannt. Denn: Die Symptome werden irrtümlicherweise für eine Sommergrippe gehalten.
Dies ergab eine Untersuchung von Professor
Peter Kimmig vom Landesgesundheitsamt
Baden-Württemberg zusammen mit dem
Bayerischen Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit. Sie zeigte, dass
1,5 Prozent aller vermeintlichen Sommergrippen auf eine akute FSME-Infektion und
sogar 13,5 Prozent auf eine akute Borreliose
zurückzuführen waren.
1 bis 2 Fastentage mit Mineralwasser und
Holunder-/Lindenblütentee sind angezeigt,
um die Immunfunktionen zu steigern.
Meist zeigt der Körper mit Appetitlosigkeit
an, dass er von der Nahrungsverwertung
entlastet werden soll. Bei ernsteren Infektionen kann längeres Fasten angezeigt sein,
aber nur nach fachlicher Anweisung.
Nach Rohkost- oder Fastentagen darf
man nicht sofort zur gewohnten Kost
zurückkehren. Bis zur Ausheilung bleibt
man bei leichter, möglichst vegetarischer
Ernährung mit viel vitaminreicher Rohkost.
Naturmedizinische
Basisbehandlung
Wenn Soforthilfe die akute Krankheit
nicht aufhalten konnte, wird naturmedizinische Selbsthilfe oder fachliche Therapie notwendig, das hängt vom individuellen Krankheitsbild ab. Besser zieht man
unnötig den Mediziner zu, als ein Risiko
einzugehen.
Im Mittelpunkt der naturmedizinischen Basistherapie steht die Stärkung
der körpereigenen Abwehr- und Selbstheilungsregulationen, damit sie den Infekt aus eigener Kraft heilen. Naturheilmittel zur Immunsteigerung wurden bereits bei der Vorsorge vorgestellt, vor
allem Echinacea eignet sich sehr gut, aber
auch die anderen genannten Massnah-
Naturheilkunde GESUNDHEIT
Gegen FSME gibt es noch keine spezielle
Therapie. Die Behandlung beschränkt sich
bislang auf die Symptome. Ähnliches gilt für
die Borreliose.
Wie Sie sich schützen können:
• Den besten Schutz vor einer FSME bietet
eine Schutz-Impfung. Wichtig zu wissen:
Aufgrund der globalen Erwärmung besteht
das Risiko, dass sich das Virus immer weiter nach Norden ausbreitet. Der Impfschutz
hält etwa drei Jahre lang an.
• Damit die Spinnentiere mit ihrem Saugrüssel gar nicht erst zustechen können,
sollte man in gefährdeten Gebieten geschlossene Kleidung tragen (feste Schuhe,
lange, eng anliegende Hosen und Hemden,
am besten helle Farben). Doch Vorsicht:
Zecken krabbeln zumeist eine Zeit herum,
bis sie eine geeignete Hautstelle finden.
Daher sollte man vor allem in Risikogebieten die Haut regelmässig nach Zecken absuchen. Zusätzlich können Zeckenschutzmittel aufgetragen werden. Sie bieten
allerdings laut Stiftung Warentest keinen
umfassenden Schutz.
Medical Mirror
men kommen in Frage. Bei chronischer
Abwehrschwäche bewähren sich Thymusextrakte oft am besten.
Homöopathische Behandlung der
Sommergrippe ist auch mit anderen Wirkstoffen möglich, die zum Teil bald die
Symptome lindern, aber nicht wie chemische Arzneimittel ganz unterdrücken.
Lediglich bei leichteren Infektionen
kann Selbsthilfe möglich sein. Dazu eignen sich Komplexmittel mit mehreren
Wirkstoffen, die sich ergänzen und verstärken. Komplexmittel gibt es unter verschiedenen Handelsnamen in der Apotheke, das Fachpersonal kann über geeignete Produkte beraten.
Diät und Heilfasten sind auch zur Behandlung der Sommergrippe als Basistherapie angezeigt. Wiederholte Diätkuren können sogar langjährige Immunschwäche
normalisieren. Verordnung und Verlaufskontrolle sind Aufgaben des Therapeuten.
Trotz guter praktischer Erfahrungen
ist die Vitalstofftherapie umstritten. Selbst
wenn man ihr eigene therapeutische
Wirkung abspricht, empfehlen sich einige Vitalstoffe zur unterstützenden Behandlung und Nachsorge, zum Beispiel
eine Vitamin-C-Zink-Kombination zur
Abwehrsteigerung. Eine MegadosenVitalstofftherapie kann nützlich sein, zur
Selbsthilfe kommen so hohe Vitalstoffdosen aber nicht in Frage, sie sind nicht
immer verträglich.
Resistente Bakterien
begünstigt
Bei ernsteren Infektionen kann die Naturmedizin auch helfen, aber man sollte sich
nicht allein darauf verlassen. Trotz aller
Vorbehalte gegen Antibiotika sollten sie
in solchen Fällen von Anfang an verabreicht werden. Naturmedizin wird dadurch nicht überflüssig, sondern ergänzt
die Antibiotikakur. Wer Naturmedizin bevorzugt, nimmt notwendige Antibiotika
oft zu kurz und niedrig dosiert ein. Dann
überleben Bakterien, stärkere Medikamente werden erforderlich, die Entwicklung resistenter Bakterienstämme wird begünstigt. Das betrifft nicht nur einzelne
Patienten, sondern uns alle.
Bei Virusinfektionen sind Antibiotika
wirkungslos und überflüssig. Eine Ausnahme gilt, wenn zur Viruskrankheit
eine bakterielle Superinfektion kommt.
Die vorgeschädigten Zellen können den
Bakterien weniger Widerstand entgegensetzen, das Risiko von Komplikationen
steigt. Deshalb sind Antibiotika im Einzelfall indiziert.
Seit einigen Jahren gibt es antivirale
Wirkstoffe, die eine Vermehrung der
Viren im Körper blockieren. Die Infektion verläuft leichter und kürzer, Komplikationen kommen seltener vor. Für Risikopatienten können solche Medikamente
notwendig sein, normalerweise wird das
Immunsystem ohne solche Arzneien mit
den Viren fertig.
Die naturmedizinische Basistherapie
lindert auch die Symptome einer Infektion, aber das kann einige Zeit dauern.
Dann ist zusätzliche Therapie erforderlich, etwa mit Heilpflanzen gegen Entzündungen der Atem- und Verdauungswege. Ausserdem eignen sich noch kalte
Wadenwickel zur Fiebersenkung, Kräuterinhalationen bei Erkrankungen der
Atemwege, warme Bäder bei Gelenk- und
Muskelschmerzen, Kopfwickel bei Kopfschmerzen. Symptomlindernde Medikamente zur Selbsthilfe erhält man nach
Beratung in der Apotheke, bei stärkeren
Beschwerden wird auch diese Therapie
fachlich verordnet.
Die Sommergrippe als Warnzeichen
einer Immunschwäche sollte eigentlich
Anlass zu der selbstkritischen Frage
sein, ob und welche gesundheitsgefährdenden Gewohnheiten zu ändern sind,
und zwar noch bevor sie zu ernsteren
Folgen führen.
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Natürlich | 6-2005 51
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