Wissenschaftliche Gesellschaft zur Forschung und Weiterbildung im Bereich nahrungsmittelbedingter Intoleranzen Newsletter Q1/2015 Das faszinierende Immunsystem Einer sehr jungen Wissenschaftsdisziplin, der Immunologie, verdanken wir Einblicke in eines der faszinierendsten und wichtigsten Systeme unseres Körpers: das Immunsystem. Dieses wird oft als „Polizei“ bezeichnet, da es den Körper überwacht und vor Gefahren schützt. Das Immunsystem unterscheidet dabei nicht nur zwischen gefährlich und ungefährlich, sondern auch zwischen körpereigen und körperfremd. Nahrung z. B. wird klassifiziert als ungefährlich körperfremd, während Bakterien, Viren oder Parasiten als gefährlich körperfremd erkannt werden. Leider ist das Immunsystem nicht unfehlbar und daher können falsch eingeschätzte Gefahren auch zum Problem für unseren Körper werden. Wird etwa körpereigenes Gewebe als gefährlich, in diesem Fall, Selbst, eingeschätzt führt dies zu Autoimmunerkrankungen. Ein Beispiel ist die fehlgeleitete Immunreaktion die zur Zöliakie führt, bei der es, ausgelöst durch einen Nahrungsmittelbestandteil (Gluten), zu einer Erkrankung der Dünndarmschleimhaut kommt oder die zur rheumatoiden Arthritis führt, bei welcher eine konstante chronische Entzündung der Gelenke vorliegt. Ein anderer Fall einer Überreaktion des Immunsystems, in diesem Fall gegen ungefährlich Fremd liegt bei Allergien vor. Trotz dieser gegebenen Nebenwirkungen eines überschießenden Immunsystems könnten wir ohne Immunsystem nicht überleben. Das Immunsystem beschützt uns ständig vor Gefahren, ohne dass wir etwas davon merken. Hätten wir kein Immunsystem würde eine simple Erkältung unseren Tod bedeuten und nicht innerhalb von meist 7 Tagen auskuriert sein. Infektionen bilden also den Fall, indem uns unser Immunsystem gegen gefährlich fremd schützt. D.h. es bleibt noch der Fall gefährlich Selbst. Was es damit auf sich hat, sieht man bei Personen, welche eine Immunschwäche aufweisen. Diese Personen entwickeln Tumore, welche von entarteten Zellen entstehen, die in gesunden Personen sofort vom Immunsystem eliminiert würden. Wie kann das Immunsystem aber diese komplexen Aufgaben wahrnehmen? Um dies zu erklären ist es wichtig die verschiedenen Komponenten des Immunsystems zu kennen. Man kann dieses in 2 große Bereiche teilen: das angeborene (natürliche) Immunsystem und das erworbene (spezifische) Immunsystem. Was unterscheidet diese 2 Arten der Immunität? Das angeborene Immunsystem ist die Erste Verteidigungslinie gegen Gefahren. Das heißt es reagiert schnell, ist dafür aber nicht recht wählerisch gegen wen, d.h. unspezifisch. Zusätzlich führt es relativ unabhängig von der verursachenden Gefahr, die gleichen Verteidigungsstrategien durch und es merkt sich die Angreifer nicht. Das erworbene Immunsystem wird vom angeborenen Immunsystem alarmiert und braucht eine gewisse Anlaufzeit, d.h. es reagiert später. Dafür reagiert es aber sehr speziell auf die Art der Gefahr, ist lernfähig und es besitzt ein Gedächtnis: die sogenannte „immunological memory“. Das bedeutet, dass es einen Erreger, gegen den es bereits einmal vorgegangen ist, bei der nächsten Infektion schneller und besser bekämpfen kann. Das kann man z.B. bei Kinderkrankheiten, wie Feuchtblattern beobachten, an denen man meist nur einmal merklich erkrankt. Außerdem nutzt man dieses Gedächtnis bei Impfungen. Hierfür wird eine abgeschwächte Form eines Erregers verwendet, der nicht mehr krank macht, gleichzeitig aber trotzdem unser erworbenes Immunsystem unterrichtet. Kommt es nun zur Infektion mit dem gefährlichen krank machenden Erreger, erfahren wir keine Erkrankung mehr, weil unser erworbenes Immunsystem sofort reagiert und der Erreger aus dem Körper entfernt wird. Was genau schützt uns nun alles vor Gefahren? Das angeborene Immunsystem Abbildung 1: Zellen des angeborenen Immunsystems. (Erstellt von: NIH Publication No. 03–5423, September 2003 (modifications: September 4, 2006)) Haut und Schleimhäute bilden eine natürliche Grenze um uns gegen äußere Gefahren abzuschirmen. Sie bilden aber nicht nur physische Barrieren sondern es werden auch speziell anti-pathogen wirksame Substanzen abgesondert, wie z.B. die Defensine. Aber auch der unwirtliche saure pH im Magen bzw. unsere natürliche Besiedlung mit Bakterien im Darm hilft Krankheiten zu vermeiden. Gelingt es einem Pathogen diese Barrieren zu durchbrechen kommt es zu einer Entzündung und damit zur Aktivierung von Zellen der natürlichen Abwehr. Diese unterstützen die Entzündungsreaktion durch Mediatoren Ausschüttung, sie können Erreger phagozytieren (fressen), oder von Erregern befallene Zellen töten. Mastzellen und basophile Granulozyten sind in hoher Zahl direkt unterhalb von Körperoberflächen vorhanden. Sie sind daher eine der Ersten, die Pathogene erkennen müssen und ihre Hauptaufgabe besteht darin andere Zellen des Immunsystems (Leukocyten) zu rekrutieren. Bereits bei dieser ersten Erkennung von Pathogenen kommt es zum Zusammenspiel zwischen angeborener und erworbener Immunität. Mastzellen und Basophile besitzen an ihrer Zelloberfläche Rezeptoren (sogennante Fc-rezeptoren), die bereits bevor ein Pathogen in Ihre Nähe kommt Antikörper gebunden haben. Wie wir später sehen werden sind Antikörper, auch Immunglobuline genannt, Komponenten der spezifischen Abwehr. Diese Antikörper erkennen spezielle Strukturen an der Oberfläche von Pathogenen und binden daran. Durch diese Bindung kommt es zur Quervernetzung mehrerer Fc-rezeptoren, was wiederum zur Aktivierung der Mastzellen und Basophilen führt. Dieser Mechanismus ist auch die Basis von allergischen Reaktionen, bei welchen die Quervernetzung nicht durch ein Pathogen ausgelöst wird sondern durch eine ungefährliche Substanz, wie zum Beispiel Pollenkörner. Aktivierung dieser Zellen führt zur Ausschüttung von Zellinhalten, die in sogenannten Granula gespeichert wurden, zur Degranulation. Die Granula enthalten v.a. Histamin. Histamin bewirkt, dass die lokale Durchblutung steigt und die Blutgefäße durchlässiger werden, wodurch es zur Rekrutierung weiterer Immunzellen kommt. Vor allem werden nun spezialisierte „Freßzellen“, Immunzellen, welche besonders gut phagozytieren können angelockt. Diese sind die neutrophilen Granulozyten und Monozyten. Die zu fressenden Erreger werden über ihre Oberflächenstruktur sogenannte Pathogen assoziierte molekulare Muster (engl. pattern) kurz PAMPs erkannt. Dies können z.B. bestimmte Zuckerreste sein, die im humanen Körper nicht vorkommen oder aber auch pathogen spezifische DNA-Muster. Erkannt werden diese durch Mustererkennungsrezeptoren, im englischen „pattern recognition receptors“ (PRRs). Zu den bekanntesten zählen die toll like receptors (TLRs). Entzündungen werden aber nicht immer nur durch Pathogene verursacht, sondern es können auch körpereigene Vorgänge, z.B. pathologischer Zelltod (Nekrose), zu Entzündungen führen. Dies ist wieder ein Beispiel für gefährlich selbst. Um gefährlich Selbst zu erkennen besitzen Zellen des angeborenen Immunsystems Gefahrerkennungsrezeptoren (danger recognition receptors; DRRs) mit welchen sie Gefahr assoziierte Muster (danger associated molecular patterns; DAMPs) erkennen. Dies können Moleküle sein, die man im gesunden Körper normalerweise innerhalb von Zellen findet, wie z.B. heat-shock Proteine oder DNS. Ist die Gefahr einmal erkannt, versuchen die Phagozyten, diese durch einschließen (auffressen) zu eliminieren. Angetrieben von der Evolution, herrscht ein ständiger Wettlauf zwischen Immunsystem und Pathogenen, und so gibt es einige Erreger, welche sich auffressen lassen, aber dann innerhalb der Zellen unerkannt vom angeborenen Immunsystem weiterleben. Kommt es zu diesem Fall, oder kann das angeborene Immunsystem eine Gefahr nicht schnell genug beseitigen schaltet sich das erworbene, oder adaptive Immunsystem ein. Bevor wir uns aber dem adaptiven Immunsystem widmen möchte ich noch 2 weitere wichtige Komponenten des angeborenen Immunsystems besprechen: die natürlichen Killerzellen (Nk-Zellen) als weitere zelluläre Komponente und das Komplementsystem, als lösliche, so genannte humorale, Komponente des angeborenen Immunsystems. Nk-Zellen sind darauf spezialisiert Viren zu eliminieren. Diese Aufgabe erledigen sie auf besonders elegante Weise. Anstatt sich alle möglichen Muster potentieller Erreger zu merken, haben sie sich darauf spezialisiert durch einen bestimmten Rezeptor, der auf beinah allen Körperzellen exprimiert wird (der sogenannte MHC Klasse I Rezeptor) körpereigen zu erkennen. Kommt es nun durch eine Virusinfektion zur Herabregulierung dieses Rezeptors in der Zelle wird diese durch Nk-Zellen eliminiert. Das Komplementsystem wiederum besteht aus löslichen Proteinen und es schützt unseren Körper einerseits dadurch, dass es Pathogene besser sichtbar macht, das sogenannte opsonisieren, bzw. dass Spaltprodukte dieses Systems Immunzellen anlocken und aktivieren, andererseits hat es auch die Fähigkeit Bakterien mit Hilfe des „membrane attacking complex“ (MAC), welcher in Bakterienzellwände Löcher injiziert, direkt zu beseitigen. Im nächsten Newsletter geht es um den 2ten Zweig des Immunsystems, um das erworbene Immunsystem. Weiterführende Literatur: Lerne dein Immunsystem kennen (in Englisch): http://www.interactiveimmunity.net/ Eine Interaktive Reise durch das Immunsystem: http://www.inside- immunity.org/de#explication 2 Standardwerke zur Immunbiologie: Charles A. Janeway: Immunologie. Spektrum Akademischer Verlag; 5. Auflage (2002) ISBN 3-8274-1079-7 Abul K. Abbas: Cellular and Molecular Immunology (engl.). W.B. saunders Company; 5th update (2005) ISBN 1-4160-2389-5