Spontane DNA Schäden

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„Genomveränderungen -Ursachen,
Konsequenzen, Anwendungen
DNA-Schäden (24.10.2005)
Prof. Friederike Eckardt-Schupp
GSF-Institut für Strahlenbiologie,
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg.
Tel. 089 3187 4101; Fax 089 3187 3381, email [email protected]
Literatur
E.C. Friedberg et al., DNA Repair and Mutagenesis, ASM Press 1995
J. Graw, Genetik (4. Aufl.), Springer Verlag 2006
J. Henning, Genetik (3. Auflage) Springer Verlag 2003
Rolf Knippers, Molekulare Genetik (8. Auflage), Thieme Verlag 2001
J.A. Nickoloff, M.F. Hoekstra, DNA Damage and Repair, Vol. I., II, III,
Humana Press 1998
W. Seyffert et al., Lehrbuch der Genetik, Gustav Fischer Verlag 2003
Laokoon 1977
Hans Erni
Struktur/Bausteine von DNA und RNA
Zucker
„Monomer“
Basen
„Polymere“
(Graw Abb. 2.1., S. 22)
DNA als Doppelhelix
Makromolekül („Polymer“) mit sehr großer
Zahl an Einheiten (Nukleotiden):
• max. 108 bp pro Chromosom
Doppelhelix (B-Konformation, rechtsdrehend):
• Komplementarität der Basen
• Antiparallele Einzelstränge 3‘ 5‘, 5‘ 3‘
• Stabilität durch Wasserstoffbrücken und van
der Waals Energien („base stacking“)
• Basen relativ geschützt (Kontakt mit Proteinen
über große und kleine Furche)
• Bedeutung für Replikation, Transkription
und Reparatur
Hohe physikalische und chemische
Stabilität
(Graw Abb. 2.2., S. 23)
Stabilität von Erbmaterial als
physikalisches Phänomen
ca. 1920-30 „Frühzeit der Genetik“:
• Spontane Mutationen extrem selten
• Induzierte M. nur durch Strahlung (H.J. Muller)
1935 „Erbmaterial = Substanz mit ungewöhnlicher thermodynamischer Stabilität“
Polanyi-Wigner Theorie der molekularen
Fluktuationen: hohe Schwellenwertenergien
für isomerische Transitionen
Spontane
Mutationen sehr selten; induzierte Mutationen
nur durch hohe Strahlenenergie und nicht durch
Chemikalien
(M. Delbrück, N.W. Timoféeff-Ressovsky,
K.G. Zimmer; E. Schrödinger)
(R.H. Haynes 1985/86)
P.M.R. Potential mutation rate
Stabilität von Erbmaterial als
biologisches Phänomen
1937
M. Demerec
Mutatorgene in Drosophila; Mutationen stark beeinflußt durch biologische Parameter
1944
O. Avery
DNA ist materieller Träger für Erbinformation
1947
C. Auerbach
Senfgas - erstes chemisches Mutagen
1953
J.Watson, F. Crick
R. Franklin,
M. Wilson
Strukturaufklärung der DNA-Doppelhelix
Mutation ist ein biologischer Prozess, durch eine Vielzahl von Genen gesteuert.
DNA ist ohne besondere thermodynamische Besonderheiten,
d.h. von „normaler“ thermodynamischer Stabilität. DNA zeigt viele verschiedene
Arten des strukturellen Zerfalls, wie in wässrigem Milieu von 37o zu erwarten ist.
Ohne eine große Anzahl von „Korrektur-Mechanismen“ käme es schnell zu einem
„genetic melt down“ und zum Zusammenbruch des zellulären Metabolismus.
Genetische Stabilität als Fließgleichgewicht
R.H. Haynes (1985) Molecular Mechanisms in Genetic Stability and Change. In: Genetic
consequences of nucleotide pool imbalance. F.J de Serres (ed), Plenum Press 1985
DNA als dynamische und reaktive Substanz
Variabilität der Konformation:
A-, B- und Z-DNA; Palindrome (inverse repeats); Bäumchenstrukturen (fragile sites);
Triple-Helix; Holliday-Struktur; etc.
Abweichungen von Linearität der DNA Moleküle:
Interaktion Promoter – Enhancer; geknickte („kinked“) DNA an Schadensstellen;
gebogene DNA („curved DNA“)
Spontane DNA Schäden („decay“/“Zerfall“):
(Schätzungen von E.C. Seeberg, zitiert von J.A. Tainer, 9. ICEM 2005
Schadenstyp
Einzelstrangbrüche
Depurinierung
Deaminierung
Oxidation
Alkylierung
Vernetzungen
Doppelstrangbrüche
Häufigkeit/Tag/Zelle
50.000
10.000
600
2.000
5.000
10
10
Prozesse zum Schutz der Stabilität der DNA
Koordinierte biochemische Prozesse, die die genetische Stabilität über
den gesamten Zell- und Lebenszyklus erhalten:
1.
2.
3.
4.
Kontrolle der semikonservativen Replikation mit Fehlerkontrolle
Kontrolle der DNA precursor pools
Reparatur und Bypass von DNA Schäden
Entgiftungsmechanismen der Zelle
¾
Die genetische Maschinerie der Zelle ist ein Beispiel für ein höchst
zuverlässiges System, das aus unzuverlässigen und zu schädigenden
Teilen zusammengebaut ist.
Prinzip des maximales Fehlers (S.M. Dancoff & H. Quastler, 1953)
1.
2.
3.
Wenn größte Verläßlichkeit und Präzision des Gesamtsystems nötig ist bei einer Ausstattung mit Einzelkomponenten geringerer Präzision, müssen „Check- und Güteprüfungs-Prozeduren“ entwickelt werden.
Die Evolution komplexer genetischer Informationen wurde u.a. dadurch möglich,
daß ausführliche Anleitungen für Fehlerkorrekturen mitentwickelt wurden. Das kostet
Energie, führt aber zu der notwendigen Reduzierung der Fehlerrate.
Für die Evolution unumgänglich war, daß die Fehlerrate nicht auf Null reduziert ist,
da Änderungen der genetischen Information die treibenden Kräfte der Evolution sind.
SM Dancoff & H Quastler, in Information Theory in Biology, ed. H. Quastler, Urbana: University of Illinois Press, 1953, pp 41-58
Endogene
DNA-Schäden
G
C
T
Angriffsstellen für
den „spontanen Zerfall“
von DNA
A
(T. Lindahl, Nature 362, 1993)
Endogene DNA-Schäden
Entstehung durch chemische Instabilität der Basen, im
DNA-Stoffwechsel oder durch Stoffwechselprodukte (z.B.
Sauerstoff-Radikale, ROS):
• Spontane Desaminierung von Cytosin zu Uracil, Methyl-Cytosin zu Thymin,
Adenin zu Hypoxanthin
• Oxidation/Hydroxylierung/Alkylierung von Basen (z.B. 8-oxo-Guanin,
Thyminglycol, 6O-Methyl-Guanin, etc.)
• Verlust der Basen durch spontane Hydrolyse der N-glycosidischen Bindung
(Entstehung sog. AP-Sites)
• Spont. Methylierung durch S-Adenosyl-Methionin (Methyl-Gruppen-Donor)
• DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche (SSB, DSB)
Hydrolytische
Deaminierung von DNA
Geschätzte spontane Deaminierung :
ca. 400 x von Cystein
ca. 10 x von Adenin
pro Tag/ menschliche Zelle
Deaminierende Enzyme:
RNA editierend (C
U)
AID (activation induced
cytosine deaminase)
Chemikalien
HNO2, HNO3
hoch mutagen!
(Knippers Abb. 9.8/ 9.14,
S. 258/264)
Hydrolytische Deaminierung
Uracil und Hypoxanthin werden als Basenschäden
erkannt und repariert.
Thymin als Desaminierungs-Produkt von
5-Methyl-Cytosin ist „DNA-konform“, wird nicht
repariert und führt zu Mutationen (BPS).
Hot Spot im
Bakterien-Genom
Mutationsspektrum des lacI Gens
Deaminierung von 5-Methyl-Cytosin
zu Thymin ist stark mutagen!
(Knippers Tab. 9.2, S. 263;
Hennig Abb. 29-16, S. 674))
Spontane Hydrolyse von DNA: Bildung von AP-Stellen
Geschätzt:
ca. 25.000 apurinische Stellen
ca. 1.300 apyrimidinische St.
pro Tag/ menschl. Zelle
Unreparierte AP-Stellen führen zu
Mutationen durch sog. „A-Regel“
(DNA Polymerasen inserieren bevorzugt
A gegenüber einer AP-Stelle
(Knippers Abb. 9.8/ 9.9., S. 258)
Oxidative DNA-Schäden
Reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS): OH•, H2O2, O2-•
Endogen: bei vielen metabolischen Prozessen : bei Atmung,
Entzündungen, durch Makrophagen, etc.
Exogen: durch ionisierende Strahlen, UV-A (mittels
Photosensibilisierung) durch direkte und indirekte Wirkung, sowie
durch chemische Karzinogene.
Schädigung von Lipiden, Kohlehydraten, Proteinen und DNA
Oxidative DNA-Schäden
ca. 100 verschiedene Basen- und Zuckerschäden,
ca. 150.000 Addukte pro menschliche Zelle/Tag,
Schäden wirken durch Fehlpaarung direkt mutagen oder
blockieren DNA Replikation.
Basen-Excisions-Reparatur: eingeleitet durch schadensspezifische
Glykosylasen.
Oxidative
DNA-Schäden
8-hydroxy Guanin
(Friedberg et al. 1995)
Wichtigster oxidativer DNA-Schaden: 8-oxo dGuanin (8-oxoG)
Geschätzt:
ca. 1000-2000 8-oxoG pro menschl. Zelle/Tag
8-oxo dGuanin kann mit dAdenin paaren und ist potentiell hoch mutagen
(Knippers Abb. 9.11a, b, S. 261)
Bevorzugte Alkylierungs-Stellen der DNA
(Knippers Abb. 9.17, S. 266)
(Hennig Abb. 30-5, S. 696)
Häufigste AlkylierungsProdukte der DNA
O6-MeG kann mit T paaren und
ist somit potentiell hoch mutagen
O4-MeT kann mit G paaren und
ist somit potentiell hoch mutagen
N7-MeG (70-80 %) führt zu APStellen, reparierbar durch BER;
ähnlich:
N3-MeAdenin (6-10 %)
Alkylantien:
S-Adenosyl-Methionin (Methyl-Gruppendonor)
Chemikalien: MNNG, MMS, MNU, ENU, etc.
DNA-Alkylierung
„Spontane“ Methylierung kann durch eine
nicht-enzymatische Übertragung von
Methyl-Gruppen aus S-Adenosyl-Methionin,
einem Co-Faktor vieler Methylierungsreaktionen in der Zelle erfolgen.
Alkylierende Chemikalien sind wichtige
Mutagene, die direkt oder nach
Metabolisierung zu einer Methylierung
oder Ethylierung verschiedener
Positionen von Nukleotiden führen können.
Alkylierende Substanzen werden in der
Tumortherapie (und Forschung) benutzt.
(Knippers Abb. 9.16, S. 266)
Einzelstrangbrüche (SSB, single-strand breaks)
Spontan:
DNA Replikation, Transkription, genetische Rekombination, durch
Radikale des normalen Zellstoffwechsels (ROS)
Induziert:
Ionisierende Strahlung (direkte und indirekte Wirkung durch Radikale):
1 Gy (= 37 % Überleben) induziert ca. 25 – 40 DSB und 1000 SSB in
Säugerzellen; Chemikalien.
Reparatur durch Ligasen oder BER:
E. coli: LigA+ (ca. 200-400 Moleküle/Zelle); essentiell;
lig- tsMutanten sind sensitiv gegen MMS, UV, etc.
Ligation nur von „sauberen“ 3‘OH und 5‘ Phosphat-Enden; Mg2+ und
NAD erforderlich (25 Ligationen/min), anderweitig BER
Säugerzellen: mindestens 4 Ligasen (LigaseIV-Defekt führt zu
Strahlensensibilität und Leukämie [Patient 180BR])
DNA-Doppelstrangbrüche (DSB)
Spontan:
• Zellstoffwechsel (reactive oxygen species ROS; ~30.000 / Zelle /Tag)
• DNA Replikation (ca. 10 DSB / Replikationsrunde / Säugergenom, z.B.
durch Einzelstrangbruch in Replikationsgabel, durch Topoisomerasen)
• Immungen-Variabilität: VDJ-Rekombination (Rag1 & 2; Artemis);
class switch recombination; somatische Hypermutation;
• homologe Recombination in der Meiose (Spo11 Nuclease),
• Transposition (e..g. Retroviren, LINE-Elemente: Integrase)
• DNA Reparatur: gleichzeitiges Ausschneiden von nahe benachbarten
Schäden in beiden Strängen (e.g. AP-sites; modifizierte Basen durch
Desaminierung, Alkylierung oder Oxidation; Dimere)
DNA-Doppelstrangbrüche (DSB)
Induziert:
• Ionisierende Strahlen (direkte und indirekte Wirkung durch Radikale):
1 Gy (= 37 % Überleben von Säugerzellen) induziert ca. 25 – 40 DSB
(ferner: 1000 Einzelstrangbrüche (SSB), 2500-3000 Basenschäden, bis
zu 500 Cluster von Basenschäden, 100 DNA-Protein-Vernetzungen)
• UV-A (Sonnenlicht) induziert DSB m.H. von endogenen/exogenen
Photosensitizer-Molekülen in Zellen (Energieleitung!)
• Clastogene (= Chromosomen-/DNA-brechende) Chemikalien, z.B.
Bleomycin und andere Tumortherapeutika, induzieren direkt oder
durch Radikale und Stoffwechselmetabolite DSB.
• UV-B/-C-Licht und Chemikalien wie z.B. MMS induzieren nicht direkt,
sondern durch Reparatur nahe benachbarter Schäden (sog. sekundäre
DSB).
Bedeutung von Doppelstrangbrüchen
•
•
•
•
•
Störung der Replikation
Unterbrechungen in Genen oder in Verbindungen von
regulatorischen und codierenden Sequenzen
Veränderung der Chromatinorganisation
Translokationen, Inversionen, Deletionen
Störung der Chromosomensegregation
unreparierte DSB führen zu Verlust genetischer
Information und können letal sein;
falsch reparierte DSB führen zu ChromosomenAberrationen und (potentiell) zu Krebs
• Auslösung von Rekombination
• Erhöhung der Variabilität eines Organismus
• Erwerb neuer Fähigkeiten
Entstehung neuer, besser angepasster Phänotypen
DNA-Strukturen, die anfällig
sind für Brüche und Mutationen
Sehr lange Di- und Trinukleotid-Repeats verursachen
Fragile sites in Chromosomen (Brüche, flexible Stellen)
An den mit Propidiumjodid gefärbten Chromosomen
16 (A) und 10 (B) sind die Aphidikolin-induzierten Brüche
und Einschnürungen („fragile sites“) durch Pfeile gekennzeichnet. Die FISH-Proben für AT-repeats sind grün.
Sequenz (A) und postulierte Sekundärstruktur (B)
einer klonierten fragile
site von Chromosom 7
(FRA7E)
(Zlotorynski E et al., MCB 23(20), 2003)
Genetische Effekte
unbalancierter dNTP pools
Koordinierte Synthese der DNA-Bausteine
R Ribonucleosid-Diphosphat-Reduktase
Uracil in DNA durch unbalancierte dNTP pools
Bakterien
dUMP
Hefen, Säugerzellen
(Friedberg Abb. 1-11, S. 10)
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