Zahnerhaltung, Konservierende Zahnheilkunde

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Zahnerhaltung
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Zahnerhaltung, Konservierende Zahnheilkunde
P. Städtler, K. Ebeleseder
Nomenklatur der Zähne und ihrer Flächen
Zahnbezeichnung: Die Zähne werden mit einer zweistelligen Zahl bezeichnet: Die erste Ziffer
bezeichnet den Kieferquadranten, die 2. Ziffer die Nummer des Zahnes im jeweiligen Quadranten. Die
Zählung beginnt an der Mitte des Kieferbogens.
Die Quadranten im bleibenden Gebiss werden im Uhrzeigersinn mit den Ziffern 1-4 bezeichnet,
beginnend mit rechts oben. Mit dem 5.-8. Quadranten bezeichnet man die Milchzähne (= erste Zähne).
Beispiele: 16 (“Zahn eins sechs”) = rechts oben Zahn 6 (bleibendes Gebiss)
73 (“Zahn sieben drei”) = links unten Zahn 3 (Milchgebiss)
Damit ergeben sich folgende Zahnbezeichnungen:
bleibendes Gebiss:
Oberkiefer
re 18 17 16 15 14 13
Unterkiefer
re 48 47 46 45 44 43
Michgebiss:
55 54 53
Oberkiefer
re
85 84 83
Unterkiefer
re
12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 li
42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 li
52 51 61 62 63 64 65
82 81 71 72 73 74 75
li
li
In dieser Anordnung erscheinen die Zähne auf einem Panoramaröntgen (Orthopantomogramm).
Die Schneidezähne (1er und 2er) werden auch als Incisivi, die Eckzähne (3er) als Canini, die
Backenzähne (4er und 5er im bleibenden Gebiss) als Prämolaren, die Mahlzähne (4er und 5er im
Michgebiss, 6er, 7er und 8er im bleibenden Gebiss) als Molaren bezeichnet. Die 8er werden auch
Weisheitszähne (Sapientes) genannt.
Zahnanatomie: An einem Zahn unterscheidet man die Zahnkrone (Corona dentis), die Zahnwurzel
(Radix dentis) und als Trennlinie zwischen beiden den Zahnhals (Collum oder Cervix dentis). Die
Wurzelspitze wird Apex genannt, sie zeigt eine Versorgungsöffnung, das Foramen apikale. Innerhalb
eines Zahnes gelten die Richtungsbezeichnungen coronal, apikal und zervikal. Die Wurzelgabelung,
die bei mehrwurzeligen Zähnen vorliegt, heißt (Bi- oder Tri-)Furkation.
Die Zahnwurzel liegt im knöchernen Zahnbett, der Alveole. Der im Röntgen gut sichtbare Raum
zwischen Wurzeloberfläche und Knochenbett wird Parodontalspalt genannt.
Von außen wird der Zahn vom Zahnfleisch, der Gingiva umschlossen. Jener Zahnfleischzwickel, der
den Raum zwischen zwei benachbarten Zähnen ausfüllt, ist die (orale oder vestibuläre) Papille. Die
Gingiva läuft mit dem Gingivasaum (Margo gingivalis) zum Zahn hin aus.
Zahnflächen: Die Kaufläche ist die okklusale bzw. die Schneidekante die incisale Fläche. Die zur
Mitte des Zahnbogens hin gerichtete Fläche die mesiale, die gegenüberliegende die distale. Diese
beiden aneinander stoßenden, benachbarten Flächen zweier Zähne werden als Approximalflächen und
der Raum dazwischen als Approximalraum bezeichnet. Jene Fläche, an der benachbarte Zähne sich
direkt berühren, nennen wir den Kontaktpunkt. Zur Mundhöhle (cavum oris) gerichtet ist die
palatinale (Oberkiefer) bzw. die linguale Fläche (Unterkiefer). Zum Mundvorhof (vestibulum oris)
gerichtet ist die bukkale Fläche. Alternativ werden auch die Begriffe oral und vestibulär verwendet.
Für die zahnärztliche Dokumentation (Karteiblatt, EDV, Zahnschein) haben sich die Abkürzungen m,
o, d, b, l (mesial, okklusal, distal, bukkal, lingual) bewährt.
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Zahnaufbau
Schmelz: Zahnschmelz besteht zu 96% aus Mineral (großteils Hydroxylapatit). Die einzelnen
Apatitkristalle sind zu Schmelzprismen geordnet. Ein solches Schmelzprisma dokumentiert die
Schmelzbildung eines einzelnen Ameloblasten (Schmelzbildungszelle), der dabei eine radiäre
Wanderung von der innersten Schmelzschichte bis zur äußersten durchmacht. Die
Schmelzentwicklung umfaßt 3 Stadien:
•
•
•
Schmelzbildung durch die Ameloblasten: Diese beginnt wie auch die Differenzierung der
Ameloblasten an der Höckerspitze bzw. Schneidekante und setzt sich nach zervikal fort. Die
Ameloblasten bilden zunächst ein eiweißhaltiges Sekret (Schmelzmatrix) und wandern hierbei von
innen nach außen.
Präeruptive Schmelzreifung: Die Schmelzmatrix wird von den Ameloblasten binnen einiger Jahre
subtotal mineralisiert. Mit dieser noch unvollständigen Mineralisierung bricht der Zahn durch
(Kariesgefahr!).
Posteruptive Schmelzreifung: Der Schmelz des durchgebrochene Zahnes wird vom Speichel fertig
mineralisiert (~ bis zum 20. Lebensjahr).
Der Zahnschmelz ist verschieden dick (1,2 bis 0,1 mm). Bei mehrhöckrigen Zähnen ist er dort, wo die
Höcker zusammenstoßen, zu sogenannten Fissuren oder Grübchen eingezogen. Diese oft weit
verzweigten Gräben können über 1 mm tief sein, haben an ihrem Boden aber nur eine dünne
Schmelzschichte (Kariesprädilektionsstelle)!
Dentin: Dentin wird von den Odontoblasten schichtweise von außen nach innen gebildet. Ein
Odontoblast lässt hierbei im Dentin einen Zellfortsatz zurück, der in den Außenschichten verzweigt
ist und mit den Fortsätzen anderer Odontoblasten kommuniziert. Zwischen diesen Fortsätzen liegt
stark mineralisiertes Kollagen. Entfernt man den Zellfortsatz, so verbleibt ein röhrenförmiger
Hohlraum (Dentintubulus = Dentinkanälchen). Da die Odontoblasten bei ihrer Wanderung nach
innen immer enger zusammenrücken, nimmt die Dichte an Dentinkanälchen zur Pulpa hin zu. An der
Innenseite des Dentins liegen eine Schichte Prädentin (unmineralisiertes Kollagen + Grundsubstanz)
und schließlich die Zellkörper der Odontoblasten.
Pulpa (= Endodont): Zentral im Zahn liegt ein bindegewebiger Strang mit Gefäßen, Lymphgefäßen
und Nerven. An der Grenze zum Dentin befinden sich die Odontoblasten. Sie können auf einen Reiz
hin unregelmäßiges Dentin (“Reizdentin”) bilden. Das ist ein Versuch, die Dentinkanälchen bzw.
Pulpa gegen Bakterien abzudichten (Karies, Abrasion).
Die Gefäße enthalten arteriovenöse Anastomosen, die in dem beengten Pulpakavum den Druck
ausgleichen. Versagt dieser Mechanismus (z.B. bei Pulpitis), so kommt es durch die Drucksteigerung
zu pulsierenden Schmerzen und zur hämorrhagischen Nekrose der Pulpa.
Die sensiblen Nervenfasern bilden einen Plexus, von dem freie Endigungen bis in die
Dentinkanälchen ziehen.
Zahnzement: Das Zahnzement ist eine dünne Schichte von Hartsubstanz, das der Zahnwurzel außen
aufliegt. Es wird vom Zahnsäckchen gebildet und schließt direkt am Zahnhals an den Schmelz an. Es
besteht wie das Dentin aus mineralisiertem Kollagen, die zugehörigen Zellen (Zementozyten) sind
jedoch wie beim Knochen direkt in das Gewebe eingemauert. Seine Aufgabe ist die feste Verkittung
der Fasern des Zahnhalteapparates (Sharpey’sche Fasern) mit der Wurzeloberfläche.
Desmodont: Der Faserapparat des Zahnbettes enthält neben dichten kollagenen Bündeln
(Sharpey’schen Fasern) zahlreiche Blutgefäße, Nervenfasern, Lymphgefäße und epitheliale Inseln, die
aus der Zahnentwicklung stammen.
Die Blutgefäße ernähren nicht nur den Zahnhalteapparat, sondern bilden auch einen Gefäßpolster
gegen den Kaudruck. Damit die Gefäßversorgung der Pulpa am Apex beim Aufbiss nicht abgeklemmt
werden kann, ist der Parodontalspalt zwischen apikalem und mittlerem Wurzeldrittel sanduhrförmig
eingeengt.
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Die sensiblen Nervenfasern des Desmodonts nehmen den Kaudruck (Pressorezeptoren), die
Lokalisation des Zahnes (Propriozeptoren) und allfällige Verletzungen (Nozizeptoren = freie
Nervenendigungen) wahr. Eine akute Entzündung im Desmodont kann daher den Zahn druck- und
aufbissempfindlich machen.
Die epithelialen Inseln können unter bakteriellem Einfluss proliferieren und Zysten bilden (apikale
Parodontitis).
Alveolarknochen: Die Alveole besteht aus lamellärem Knochen und ist auch gegenüber der
Zahnwurzel von einer teilweise sehr dünnen Kompakta überzogen, der Rest ist Spongiosa. An der
Bukkalseite können innere und äußere Kompakta zu einer einzigen dünnen Schiche verschmolzen
sein (sog. “bukkale Lamelle”).
Der Alveolarknochen wächst zahnabhängig, d.h. ohne Zugreize von Seiten der Sharpey’schen Fasern
wird er resorbiert. Werden die Sharpey’schen Fasern zerstört, so geht er bis auf Höhe der noch
verbliebenen Fasern zurück (Parodontitis). Wird der Zahn extrahiert, kommt es zum völligen Kollaps
der Alveole bzw. des verbliebenen Alveolarknochenkammes.
Zahnzement, Desmodont und Alveolarknochen werden zum Parodont (Zahnhalteapparat)
zusammengefasst.
Plaque
Unter Plaque versteht man den Zahnbelag. Sein Wachstum geht in folgenden Phasen vor sich:
❏ 1. Auf dem gesäuberten Zahn schlägt sich innerhalb von einigen Stunden aus Speichelbestandteilen
(Muzinen) ein sog. exogenes Schmelzoberhäutchen nieder. Es enthält vergleichsweise wenig
Bakterien.
❏ 2. In der nächsten Phase (4 h - 2 Tage) lagern sich vorwiegend grampositive aerobe
Mikroorganismen (Streptokokken und Aktinomyceten) an. Kohlehydrate aus dem Nahrungsangebot
werden von diesen zu extrazellulären, klebrigen Schleimhüllen (Glykoproteinen) synthetisiert.
Die Plaque wird so ein festhaftender Belag von makroskopisch sichtbarer Dicke. Sie wirkt wie eine
semipermeable Membran und saugt sich mit kleinmolekularen Nährstoffen voll, die von den Bakterien
leicht verstoffwechselt werden können.
Entstehung von Karies: Nach jeder Sättigung der Plaque mit Nährstoffen produzieren die darin
befindlichen Bakterien Säure. Durch die stark vernetzten Glykoproteine wird die Neutralisation dieser
Säure erschwert. Binnen weniger Minuten sinkt daher der pH-Wert steil ab und benötigt 30 - 120
Minuten, um langsam wieder anzusteigen. Durch viele solche “Säureattacken” kann lokal der Schmelz
demineralisiert werden.
Ob schlussendlich ein Defekt im Schmelz entsteht, hängt jedoch nicht allein von der Mundhygiene
(Unterbrechung des Plaquewachstums) ab, sondern auch vom individuellen Ernährungsverhalten
(Häufigkeit der Sättigung der Plaque mit Nährstoffen), der Oberflächenrauigkeit der Zähne (z.B.
Füllungsränder - leichtere Plaquehaftung), therapeutischen Eingriffen (z.B. Plaqueretention an
kieferorthopädischen Geräten/Brackets), von Speichelfaktoren (Menge und Mineralgehalt bestimmen
pH-Neutralisation und Remineralisation), speziellen Keimen (streptokokkus mutans) und schließlich
von der karieshemmenden Wirkung von Fluoriden auf und in den obersten Schmelzschichten.
Mehrere Faktoren müssen zutreffen, damit eine kariöse Läsion entsteht.
❏ 3. Ab etwa dem dritten Tag des Plaquewachstums werden in den tiefen Schichten der Plaque die
grampositiven aeroben oder fakultativ anaeroben Mikroorganismen durch gramnegative Anerobier
(Fusobakterien, Prevotella, bewegliche Stäbchen, Spirillen, Spirochaeten) überwuchert.
Entstehung von Gingivitis und Parodontits: Durch die Toxine und Enzyme dieser
Mikroorganismen sowie die bei Antigen-Antikörper-Reaktionen frei werdenden Stoffwechselprodukte
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wird das Saumepithel angegriffen, also jener Teil der Gingiva, der direkt dem Zahnhals anliegt, ihn
dicht umschließt und so das Parodont vor einem bakteriellen Angriff schützt. Toxine diffundieren in
die zahnnahe Gingiva (Gingivitis). Eine länger dauernde Gigivitis kann sich ins Parodont ausdehnen
(Parodontiotis). Bei dieser wird der Zahnhalteapparat zerstört und die Außenfläche der Zahnwurzel
von den Mikroorganismen besiedelt. Folgen sind Zahnfleischtaschen, Schwund des Alveolarknochens,
Zahnfleischrückgang und Lockerung des Zahnes bis zum Verlust.
Zahnschmelzdefekte
Unterscheide: Schmelzhypoplasien / Erosionen / kariöse Läsionen
Hypoplasien (Entwicklungsstörungen) können in allen Bereichen des Schmelzes auftreten, mikroskopisch
klein sein, bandartig oder flächig.
Ursachen:
• Erbliche Schmelzhypoplasie
• Trauma: Wird ein Milchzahn bei einem Sturz in den Kiefer geschoben (intrudiert), so kann der
Keim des bleibenden Zahnes geschädigt werden.
• Stoffwechselstörung: Störungen der Mineralaufnahme oder der Mineralresorption führen dazu,
daß der Zahn mit einem Schmelzdefekt durchbricht.
• Medikamente: Schmelzdefekte können auch durch Fluoridüberdosierung (= Fluorose: weißliche
Flecken oder Streifen, in krassen Fällen auch braungefärbte Defekte im Schmelz) oder durch
Tetrazyklineinlagerung (Folge: graugrüne Schmelztönung) während der ersten Phase der
Schmelzbildung entstehen.
Erosionen entstehen direkt durch Säureeinwirkung als flächenförmige Ätzdefekte. Normalerweise
wird beim Genuss einer sauren Speise sofort Speichel ausgeschüttet, der die Säuren weitgehend
neutralisiert und eine Remineralisierung der angeätzten Fläche einleitet. Bei mangelndem
Speichelfluss (Mundatmung, ältere Patienten, Einnahme bestimmter Psychopharmaka) kann dieser
Mechanismus gestört sein.
Zu massiven Erosionen durch Magensäure kommt es auch bei der Bulimie (Ess- und Brechsucht).
Karies (Zahnfäule) entsteht aufgrund ständiger bakterieller Säureproduktion in der Plaque (s.o.).
Initial sind Stellen bevorzugt, wo die Zahnbeläge nur schwer entfernt werden können: im Bereich der
Fissuren und Grübchen, im Bereich des approximalen Kontaktpunktes und am Zahnhals.
Diese schwer zugänglichen Orte, an denen relative Nährstoffknappheit herrscht, werden vornehmlich
von speziellen Streptokokken (mutans, sanguis und sobrinus) besiedelt, die aufgrund ihrer dicken
Glykoproteinhüllen (bessere Haftung / Nahrungsvorrat) weitgehend unabhängig vom
Nahrungsrhythmus ihres Wirtes sind. Die Infektion mit diesen Bakterien erfolgt meist familiär.
Der Schmelz wird langsam aber fortlaufend demineralisiert, von schwächeren Phasen der
Remineralisierung unterbrochen. Durch den speziellen Aufbau des Schmelzes bleibt hierbei zunächst
die Oberfläche noch intakt, während es im Inneren der Schmelzschichte zur Hohlraumbildung kommt.
Schließlich bricht die Oberfläche ein, und es entsteht ein makroskopisch sichbarer Defekt (Kavität),
der sofort von der Plaque ausgefüllt wird. Ab diesem Zeitpunkt ist der Vorgang weitgehend
irreversibel.
Je größer die entstandene Kavität ist, um so reichhaltiger wird das lokale Nahrungsanbot. Die
Streptokokken werden von anderen, weitaus mehr Milchsäure produzierenden Bakterien
(Sammelname: Laktobazillen) überwuchert, besonders dann, wenn das Nahrungsangebot
kleinmolekular ist (Zuckerzusatz, industriell vorgefertigt) und häufig erfolgt. Die Kavität wird rasch
größer, wobei sie sich primär in den schwächer mineralisierten Bezirken ausbreitet, z.B. an der
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Schmelz-Dentin-Grenze, und dann breitflächig das Dentin entlang der Kanälchen angreift. Dies
bewirkt den unterminierenden Charakter der Karies: Ein fast noch gesund aussehender Zahn “bricht
plötzlich ein”.
In Summe sind also jene Menschen stark kariesgefährdet, die im Mund spezielle Streptokokken
harborieren und eine kariesbegünstigende Ernährungsweise (häufige, kleine, zuckerhältige
Mahlzeiten) pflegen. Mehr als 70% der Zahnkavitäten in unserer Bevölkerung konzentrieren sich
dabei auf weniger als 20% der Menschen.
Die massivste Form von Karies findet sich beim Nursing Bottle Syndom (NBS): Kleinkinder, denen
ein Nuckelfläschchen zur Selbstbedienung überlassen wird, trinken schließlich mehrmals pro Minute.
Die Demineralisation speziell der oberen Milchfrontzähne durch die dauergesättigte Plaque schreitet
hier schneller voran, als die Zähne aus dem Zahnfleisch wachsen können: die Eltern haben den
Eindruck, dass die Zähne bereits vorgschädigt durchgebrochen seien, und sind entsprechend schwer
von der richtigen Diagnose zu überzeugen.
Bei den Remineralisierungsvorgängen werden auch bakteriell erzeugte Farbstoffe in den Schmelz
eingelagert. Dies hat zur Folge, dass kariös angegriffene Flächen häufig braun oder schwarz verfärbt
sind. Je rascher jedoch die Demineralisierung voranschreitet, umso weniger findet diese Verfärbung
statt. Der Laie erkennt damit die aggressivste Karies, bei der der Zahnschmelz nur opak
(lichtundurchlässig weiß) und kreidig weich wird, am wenigsten und führt die kariösen
Zusammenbrüche auf einen angeboren “schwachen” bzw. “weichen” Schmelz zurück; gelegentlich
wird auch der Zahnbehandler für die Größe / Anzahl der Restaurationen verantwortlich gemacht.
Kariesprophylaxe
Die ersten Lebensjahre haben einen entscheidenden Einfluß auf das Schicksal der ersten und zweiten
Zähne. Wird nicht in diesem Alter mit Zahngesundheitsvorsorge begonnen, entstehen meist ab dem
2.-3. Lebensjahr mehrere kariöse Läsionen / Jahr (an Fissuren oder approximalen Kontaktflächen), die
meist nicht rechtzeitig versorgt werden.
Kariöse Michzähne führen zu einer Reihe von Sekundärproblemen:
• Mangelnde posteruptive Reifung des Schmelzes der bleibenden Zähne und rasche
Infektionsübertragung auf dieselben (Karies, frühe Parodontitis), besonders bei unversorgten
Läsionen
• Verlust der Platzhalterfunktion und Engstand im bleibenden Gebiss: Milch 3er, 4er und 5er sind
die sogenannte kieferorthopädische Stützzone. Weitere kieferorthopädische Folgen können sein:
offener Biss durch chronische Mundatmung, tiefer Biss durch frühes, kariesbedingtes Absinken
der Bisshöhe. Kieferorthopädische Behandlungen können bei florider Karies oft erst verspätet
begonnen werden, Extraktionen von gesunden Zähnen können nötig werden, damit die Zahn- und
Kieferregulierung überhaupt noch machbar ist.
• hohe lebenslange Zahnbehandlungs-Folgekosten bei frühem Verlust bleibender Zähne
(gelegentlich werden 6-Jahres-Molaren als vermeintliche Milchzähne extrahiert!!)
Die Kariesprophylaxe ruht auf 4 Säulen:
• Ernährung
• Mundhygiene
• Fluoridierung
• zahnärztliche Prophylaxemaßnahmen und frühzeitige Behandlung
1. Ernährung
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Zwischen Karies und Ernährung bzw. der Verfügbarkeit an Zucker besteht weltweit eine signifikante
positive Korrelation. Zuckerreiche Diät fördert das Plaquewachstum; je dicker die Plaque ist, umso
mehr Zucker kann zu Milchsäure abgebaut werden.
Auch Stärke kann kariogen werden, indem durch Hitzebehandlung ihre Moleküle gespalten und bakteriell
abbaubar werden.
Kariogenität verschiedener Produkte
Milch, Käse etc. verursachen keine Säureproduktion, natürliche Fruchtsäfte sind relativ geringfügig
kariogen. Durch Saccharoselösung, Karamel sinkt der Plaque-pH tief und anhaltend ab, noch stärker
durch Genuß von Kindertee, Kartoffelchips, Milchschokolade, süßen Kuchen oder Cornflakes.
Die Kariogenität eines Produkts hängt ab von der
•
•
•
•
Konzentration des Zuckers: schon ab 1,5 - 2% (in Kindertees, Limonaden) kommt es zu
vermehrter Säürebildung
verfügbaren Form des Zuckers: Feiner Zucker ist kariogener als körniger Zucker (verfügbare
Oberfläche!), raffinierter vs. roher Zucker ergibt keinen Unterschied
gleichzeitigen Aufnahme anderer Substanzen: beim Mitessen nichtkariogener Nahrung “verliert”
sich der Zucker teilweise im Speisebolus, ev. kommt es zur Pufferung von Säuren
Frequenz der Aufnahme: Wenig süße aber häufig konsumierte Produkte können im gleichen Maß
Zahnschäden verursachen wie selten verfügbare mit hoher Zuckerkonzentration.
Praktikable Ansatzpunkte für zahngesunde Ernährung
Die durchschnittlichen Nahrungmittel, die ein Bürger in Österreich zu sich nimmt, müssen als
kariogen angesehen werden. Es gilt daher, a. Kinder erst gar nicht an süße Speisen zu gewöhnen und
b. möglichst oft zahnschonende Alternativen für kariogene Produkte einzuführen, die häufig und lange
Zeit konsumiert werden, aber ernährungsphysiologisch nicht notwendig sind: Süßer Kindertee, süße
Zahnungsmittel, süßer Vitaminsirup, Biskotten, süßer Brotaufstrich, Milchschnitten etc. lassen sich
weitgehend durch ungesüßte Getränke, Topfen, Butter, Käse und frisches Obst etc. ersetzen. Dies liegt
weitgehend im Einflußbereich der Eltern.
2. Mundhygiene
Um die Plaque laufend zu entfernen, müss(t)en im Milchgebiss in kurzen Abständen 88 und im
bleibenden Gebiss 128-148 Zahnflächen gesäubert werden.
Zahnpflege im ersten Lebensjahrzehnt
Wird in den ersten Lebensjahren die Mundhygiene durch die Eltern verabsäumt, können die Plaques
ungehindert wachsen. Zusätzlich werden noch (z. B. via Teelöffel) Keime aus karies- und
gingivitisträchtigen Mündern der Eltern in den Mund der Kinder übertragen.
Aufgabe der Eltern in den ersten Lebensjahren ist daher, für die Gesundheit der eigenen Mundhöhle
und die Zahnpflege des Kindes zu sorgen: Das Kind wird dabei auf den Rücken gelegt (bessere Sicht,
Fixation des Kopfes) und die Zahnpflege mit einem Wattestäbchen begonnen. Hat das Kind sich an
die Manipulationen im Mund gewöhnt, kann die Zahnbürste genommen werden. Die Zahnpasta ist
verwendbar, sobald das Kind sie verlässlich wieder ausspucken kann.
Von Kindern zwischen 5 und 8 Jahren darf man nicht erwarten, daß sie bereits in der Lage sind,
selbständig eine Mundhygiene durchzuführen, die auch hinreichend kariespräventiv wirkt. Eltern
müssen noch nachhelfen! Häufige Zahnpflege-Fehler, die Kinder in diesem Alter machen, sind:
• Ausschließliches Säubern der bukkalen Flächen
• Nichterreichen der 6-Jahres-Molaren
• unsystematische Vorgangsweise (Auslassen wechselnder Bereiche)
• systematische Fehler (z.B. Überspringen bestimmter Partien beim Umwechseln der Bürste)
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•
•
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Mangelhafte Feinbewegungen (langsame Riesenkreise statt schneller Rüttelbewegungen)
Horizontalbewegungen (“Schrubbertechnik”) an Stelle von Vertikalbewegungen
Die Grundeinstellung der Eltern zur Mundhygiene, ihr darausfolgendes Bemühen, Kenntnisse zu
erwerben, zu verbessern und an das Kind weiterzugeben, korreliert direkt mit der Anzahl der
Kariesläsionen bei 15jährigen!
Mittel zur Zahnpflege
Empfehlenswert sind folgende Utensilien:
• Zahnbürste: Kurzkopfzahnbürste mit dichtstehenden Borstenbündeln (halten die Zahnpasta länger)
aus Kunststoff (ist bakteriell nicht zersetzbar) mit abgerundeten Spitzen (zerkratzen die Gingiva
nicht). Elektrische Bürsten reinigen nur unwesentlich besser als Handzahnbürsten.
• Zahnpasta: Sie enthält Putzkörper, Schaumbildner (Detergentien), Geschmackstoffe, Mineralien
(Fluorid, Kaliumsalze) und Pharmaka in geringer Konzentration (Einordnung als Kosmetikum!!).
• Zahnseide: notwendig für die Approximalflächen (werden durch die Bürste nur ungenügend
erreicht), sobald Kontaktpunkte vorliegen (das kann schon im Milchgebiss der Fall sein - Aufgabe
der Eltern!). Für das Reinigen von Brückenzwischengliedern gibt es spezielle Zahnseiden mit
versteiften Enden zum Einfädeln und einem Schaumstoffaufsatz zur besseren Reinigung
(Superfloss ®).
• Interdentalbürste: Sie besteht in einem mit Borsten versehenen Draht, der zwischen vergrößerte
Interdentalräume eingeführt werden kann. Sie ist wichtig für Patienten mit Parodontitis und
Patienten mit festsitzenden orthodontischen Apparaturen.
• Zahnstocher (-hölzchen): Mit ihnen können nur gröbere Speisereste aus den Interdentalräumen
entfernt werden (Gefahr der Verletzung der Papillen). Häufig benötigt sie der Patient bei
mangelhafter anatomischer Gestaltung von Restaurationen (fehlender Kontaktpunkt)
• Färbetest: Der Farbstoff (Erythrosin oder Methylenblau) ist unmittelbar nach seiner Einbringung
in den Mund immer im Überschuss vorhanden. Dieser Überschuss muss ausgespült werden, dann
sieht man die angefärbte Restplaque, welche ohne Färbetest unsichtbar ist.
• Mundantiseptika: In bestimmten Fällen müssen zusätzlich zur mechanischen Reinigung der Zähne
antibakterielle Lösungen eingesetzt werden. Chlorhexidin (0,1%-Lösung) gilt als das wirksamste
Munddesinfiziens und reduziert auch die kariogenen Streptokokken. Seine Anwendedauer ist
jedoch begrenzt (graue Niederschläge auf den Zähnen, Geschmacksstörungen bei wochenlanger
Applikation).
• Professionelle Zahnreinigung (PZR) in der Zahnpraxis: damit wird das Plaquewachsturn an allen
jenen Stellen unterbrochen, die zu Hause nicht erreicht wurden. Der Zahnarzt entfernt hierbei auch
Zahnstein und glättet Füllungsränder, an denen sich Plaque anlagern könnte. Bei Kindern kann ab
dem 3. Lebensjahr eine PZR versucht werden..
3. Fluoride
Fluoride wirken vorwiegend lokal. Sie werden zu einem geringen Anteil als Fluorapatit in die
äußersten Schmelzschichten eingebaut, hauptsächlich aber an der Schmelzoberfläche als
Kalziumfluorid präzipitiert. Damit entsteht ein relativ säureresistenter Überzug, der Calzuim- und
Phosphationen einfängt und bei seiner langsamen Auswaschung Plaqueenzyme hemmt. In Poren und
Defekten des Schmelzes bleibt das Kalziumfluorid länger erhalten. In der Remineralisation bewirkt
anwesendes Fluorid die Bildung größerer Hydroxylapatit-Kristalle, welche säureresistenter sind.
Systemische Fluoridierung: Fluoridangereichertes Trinkwasser, Gabe von F-Tabletten und Fluoridierung in
der Schwangerschaft sind weitgehend verlassen worden. Ihre Befürwortung beruhte auf der falschen Annahme,
dass enteral / diaplazentar aufgenommenes Flourid verstärkt als Fluorapatit in den Zahnschmelz eingebaut
werden könnte. Dies ist a. nur zu 4% im menschlichen Zahnschmelz möglich, b. ist Fluorapatit genauso
kariogen abbaubar wie Hydroxylapatit, wie an Haischmelz (100% Fluorapatit!) nachgewiesen werden konnte,
der mittels Brücken in menschliche Münder eingebaut wurde. In Österreich wird als einzige systemische
Fluoridierungsmaßnahme die Fluoridierung von Speisesalz durchgeführt.
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Lokale Fluoridierung: Für die direkte Aufbringung von Fluorid auf den Zahnschmelz gibt es heutzutage folgende Wege:
•
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Zahnpaste: Eine Vielzahl an Zahnpasten enthält heutzutage Fluorid (zumeist NaF). Der
europaweite Kariesrückgang bei Kindern seit 1990 (-50%) wird der seit damals zunehmenden
Fluoridierung von Zahnpasten zugeschrieben.
Fluorid-Spülung: es sollte täglich mit 0,05% oder 1x pro Woche mit 0,2% F-Lösung gespült
werden
Fluorid-Gel: kann alternativ ebenfalls 1x / Woche anstelle der Zahnpaste verwendet werden
Fluorid-Lack: wird vom Zahnarzt an besonders gefährdeten Stellen aufgetragen
Grundwasser: Eine topische, kariesprotektive Wirkung ist ab 1 ppm (= 1 mg/l) Fluoridgehalt im
Grundwasser zu erwarten (Kontakt des Schmelzes mit Fluorid beim Trinken, Spülen,
Zähneputzen). Der Fluoridgehalt im Grundwasser ist nicht nur örtlich verschieden (0,1 - 3 ppm),
er schwankt beim selben Brunnen auch zeitlich. Bei einer übermäßigen Aufnahme von Fluorid
kann es zur Fluorose kommen (s.o.).
4. Zahnärztliche Prophylaxemaßnahmen
Erste Zahnarztbesuche mit Kennenlernen der Umgebung können ab dem 2 Lebensjahr stattfinden. Zu
den zahnärztlichen Prophylaxemaßnahmen zählen:
• Ernährungsberatung (s.o.)
• professionelle Zahnreinigung (s.o.)
• Fluoridierung (s.o.)
• epidemiologische Maßnahmen
• Fissurenversiegelung
• minimal invasive Restaurationen
Zu den epidemiologischen Maßnahmen zählen Routineuntersuchungen, wie sie z.B. von Schulzahnkliniken
durchgeführt werden. Dadurch sollen Kinder, deren häusliche Prophylaxe insuffizient ist, einer Behandlung und
nachfolgenden Prophylaxe zugeführt werden.
Aus gesundheitspolitischer Sicht wären weiter reichende Maßnahmen notwendig: regelmäßige repräsentative
Felduntersuchungen sollten die örtliche, zeitliche und soziale Verteilung der Karies belegen und entsprechende
breitgefächerte Gegenmaßnahmen ermöglichen. Die reparative Zahnheilkunde verschlingt aber bereits derartige
Unsummen (100 Mill Euro / J in der Steiermark), dass die Anlaufkosten für eine gezielte staatliche Zahnprophylaxe, die z.B. auch Speicheltests umfasst, aus öffentlichen Mitteln nicht finanzierbar erscheinen.
Fissurenversiegelung: Die Unzugänglichkeit der Fissuren und Grübchen für Plaqueentferunung und Fluoridierung birgt ein hohes Kariesrisiko. Bei der Fissurenversiegelung werden diese Prädilektionsstellen an den
Okklusalflächen durch fließfähigen Kunststoff (unter Anwendung der für zahnärztliche Kunstoffe üblichen
Säureätztechnik) verklebt. Diese Technik erlaubt auch eine vorangehende sparsame Präparation, wo einzelne
kariöse Stellen angetroffen werden (Fissurenfüllung = erweiterte Versiegelung). In praxi handelt es sich
meistens um eine Mischung aus Prophylaxe und Therapie, durch die die Verbreitung besonders der kariogenen
Streptokokken gehemmt wird.
Minimal invasive Restaurationen. Neben der bereits erwähnten, gegenüber Amalgam besonders
substanzsparenden Fissurenfüllung kann zahnärztlicher Kunststoff auch bei anderen Kleinstfüllungen
eingesetzt werden: Minimale Approximalraumläsionen können durch sog. präventive Klasse IIFüllungen behoben werden; in Einzelfällen kann die kautechnisch wertvolle Randleiste der
Okklusalfäche durch Tunnelpräparation erhalten werden. Unmittelbar nach dem Ausfallen eines
zweiten Milchmolaren ist die Mesialfläche des benachbarten Sechsjahresmolaren für das Legen einer
approximalen Einflächenfüllung zugänglich.
Altersbezogenes Gesamtkonzept in der Kariesprophylaxe:
Zusammengefasst, gibt es eine stufenweise, altersabhängige Vordringlichkeit der einzelnen
Maßnahmen in der Kariesprophylaxe:
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Kleinkind
Kindergarten
Schulkind
Jugendlicher
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Ernährungslenkung
Mundhygiene
Fissurenversiegelung, Fluoridierung
Approximalraumhygiene
Kariesdiagnose
Fissuren- und Grübchenkaries: Wie schon erwähnt, bergen Fissuren ein zweifaches Risiko: Plaque
wird relativ stark retiniert und der Schmelz am Boden einer Fissur ist dünn. Eine kariöse Läsion
erreicht daher rasch das Dentin und entfaltet hier ihren unterminierenden Charakter. Der Patient selbst
kann so eine bereits behandlungswürdige Läsion nur schwer erkennen. Eine solche liegt dann vor,
wenn eine zahnärztliche Sonde mit einem 0,5 mm Kugelkopf an der Spitze (sog. CPITN-Sonde) in den
Defekt eindringen und dort frei bewegt werden kann. Röntgenologisch (s.u.) kann die Läsion schon
früher zu erkennen sein.
Eine Approximalkaries am Kontaktpunkt kann folgendermaßen festgestellt werden:
• klinische Inspektion mit Spiegel und Sonde: kleine Läsionen werden kaum erkannt, solange der
Schmelz darüber noch intakt ist.
• Fiberoptik - Transillumination (FOTI) Bei dieser Durchleuchtung mittels einer dünnen GlasfaserOptik werden auch kleinere Läsionen sichtbar
• Diagnodent ®: hier wird der Zahn mittels Laser durchleuchtet und die Veränderung des
reflektierten Lichtes gemessen. Ein eingebauter Rechner gibt einen Wahrscheinlichkeitswert an,
mit der eine Karies vorliegt.
• Orthopantomogramm: Diese auch Panoramaröntgen genannte Übersichtsaufnahme über das
gesamte Gebiss ist eine Schichtaufnahme. Lag die Karies nicht in der getroffenen Schicht, ist sie
hier nicht sichtbar (gleiches gilt für okklusale Karies und periapikale Aufhellungen).
• Röntgen-Kleinbild: Auf 3x4 cm werden Zahnkrone und Wurzeln einzelner Zähne dargestellt. Für
die Kariessuche ist dies zu aufwändig, Kleinbilder werden hauptsächlich für die endodontische
Diagnose benötigt.
• Bissflügel-Röntgen: sicherste Methode. Es handelt sich um ein Röntgen-Kleinbild mit einer
Aufbisshilfe, die sicherstellt, dass das Bild den Zahnkronen anliegt. So können pro Bild 4 - 5
Approximalräume / Kontaktpunkte in Ober- und Unterkiefer dargestellt werden.
Behandlungsbedürftig ist eine Approximalkaries dann, wenn ein über die Schmelz-Dentingrenze
hinausrechender transluzenter Bereich sichtbar ist.
Füllungstherapie
1. Indikation zur Füllungstherapie
Jede Karies, die die Schmelz-Dentin-Grenze überschritten hat, stellt eine irreversible Erkrankung des Zahnes
und damit eine Indikation zur Füllungstherapie dar. Bei reiner Schmelzkaries ist in beschränktem Ausmaß eine
Remineralisation möglich, daher wird lokal fluoridiert und abgewartet.
2. Anforderungen an eine Zahnfüllung
Unbedingte Anforderungen: Ist eine dieser Forderungen nicht erfüllt, stellt die Füllung einen
therapeutischen Misserfolg dar und muss ausgetauscht werden.
•
anatomisch: eine Füllung muss den Zahn anatomisch in seiner ursprünglichen Form
wiederherstellen. Mangelnder Kontakt zum Antagonisten kann Funktionsstörungen und
unerwünschte Wachstumsvorgänge hervorrufen. Mangelnder Kontakt zum Nachbarn kann zum
Einbeißen von Speiseresten, Gingivitis und Stellungsänderung des Zahnes führen.
0306-30
Zahnerhaltung
•
•
•
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stabil gegen Kaudruck und Mundmilieu: Sie darf nicht zerbrechen, korrodieren oder sich chemisch
(z.B. durch Speisen oder bakterielle Enzyme) auflösen. Die höchsten Kaudrucke finden sich im
Seitzahnbereich.
biologisch verträglich: sie darf weder allergisieren noch lokal oder systemisch toxisch wirken oder
unerwünsche physikalische Eigenschaften besitzen (z.B. Erhitzung beim Abbinden).
bakteriendicht: es darf zu keinem erneuten Eindringen von Bakterien in den Zahn kommen
(Rezidivkaries). Randspalten bilden sich nicht nur durch Verarbeitungsfehler (primär undichte
Füllungen) oder allmähliche Auswaschung, sondern auch durch okklusale Kräfte und primäre
Materialeigenschaften (z.B. Schrumpfung oder ein thermischer Ausdehnungskoeffizient, der sich
stark von dem des Schmelzes unterscheidet)
Bedingte Anforderungen: Ihre Erfüllung ist wünschenswert, aber nicht für die Ausschaltung der
Karies erforderlich.
• ästhetisch (bes. Frontzahnbereich)
• röntgendicht
• leicht legbar / verarbeitbar
• leicht entfernbar
• billig
• karieshemmend (z.B. durch langsame Fluoridabgabe)
Es gibt kein Füllungsmaterial, das neben den unbedingten auch alle bedingten Anforderungen erfüllt.
3. Das Legen einer Zahnfüllung
Die Präparation einer Füllung unterliegt verschiedenen Gesichtspunkten.
•
•
•
•
•
Zugangskavität: Speziell bei approximalen Läsionen muss gesunde Zahnsubstanz entfernt werden,
bevor man zur Karies vordringt.
Therapeutische Kavität: Das erweichte Dentin wird mit Hand- oder rotierenden Instrumenten
entfernt. Der Behandler entscheidet zumeist durch Testung der Dentinhärte mit der Sonde, wie tief
er präpariert. Zeitaufwendiger ist die gezielte Anfärbung der Restkaries mit einem Kariesdetektor,
oder deren Auflösung mittels eines NaOCl-Gels (Carisolv).
Retentionsform: Jede Füllung bedarf bestimmter präparatorischer Elemente, damit sie nicht wieder
herausfällt. Dazu gehören: Schmelzabschrägungen, Rillen, birnen- und uhrglasfömige
Unterschnitte oder schwalbenschwanzartige Verbreiterungen. Welche Retentionsform gewählt
wird, bestimmen vornehmlich die Lage der Karies und das Füllungsmaterial.
Widerstandsform: Grundsätzlich müssen beide Werkstücke, der präparierte Zahn und die
eingebrachte Füllung, für sich den Kaubelastungen widerstehen können. Man muss daher eine
Mindestmenge an Zahn wegpräparieren, damit die Füllung nicht zu dünn wird und bricht, und eine
Mindestdicke an Zahnsubstanz belassen, sonst bricht der Zahn.
Präventionsform: Besonders bei Amalgamfüllungen ist darauf zu achten, dass die Füllungsränder
nicht im Bereich der Kariesprädilektionsstellen zu liegen kommen (Sekundärlkaries!). Diese
“extention for prevention” ist extrem substanzraubend und wird daher heute mehr und mehr
verlassen. Bei Kunststoff-Füllungen ist sie obsolet.
Füllungsklassen: Je nach Lokalisation der Karies und der Art des verwendeten Füllungsmaterials sind diese
prinzipiellen Präparationsregeln zu Standardverfahren entwickelt worden, die in vitro mauell erlernt werden
müssen. Man unterscheidet dabei
Klasse I
Klasse II
Klasse III
Klasse IV
Klasse V
0306-30
Okklusale Füllung im Seitenzahnbereich
Approximale
(Mehrflächen-)Füllung
Seitenzahnbereich
Approximalfüllung im Frontzahnbereich
Eckenersatz im Frontzahnbereich
Zahnhalsfüllung
im
Zahnerhaltung
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Vorbereitung der zu füllenden Kavität: Vor dem Einbringen der eigentlichen Füllung wird
• die Kavität gereinigt / desinfiziert
• eine Unterfüllung gelegt (Zweck: Verschluss der Dentinkanälchen, thermische Isolation des
Dentins; Material: Glasionomerzement oder modifiziertes Kalziumhydroxid)
• der Füllungsrand gereinigt/geglättet/nachbearbeitet
• ggf. eine Matrize gelegt (= ein Band, das fehlende Umrisse des wieder aufzubauenden Zahnes vorgibt und so überhaupt eine Modellation ermöglicht bzw. die spätere Durchgängigkeit des
Approximalraumes für die Zahnseide sicherstellt)
• ggf. ein kleiner Keil in den Interdentalraum eingebracht (drückt die Zähne auseinander, sodass ein
fester Kontaktpunkt entstehen kann; presst die Matritze an den Zahn, sodass kein Füllungsmaterial
in das Zahnfleisch gelangt)
Einbringmodus von Zahnfüllungen: je nachdem, wie sie in die Kavität eingebracht werden,
unterscheidet man
• plastische Füllungen: Hier wird verformbares Material in die Kavität gestopft und härtet direkt im
Zahn aus. Dann wird es konturiert (geschnitzt), in den Aufbiss eingeschliffen und poliert. Zu den
plastischen Füllungsmaterialien zählen Amalgam, Komposit (Füllungskunststoff), Stopfgold und
alle Zemente.
• technische Füllungen: Hier wird die Kavität mittels Abdruckmasse oder einer geeigneten Optik
registriert, um die Füllung außerhalb des Mundes (= in der Zahntechnik anhand eines
Gipsmodells; am Computer) herzustellen. So können zusätzliche Verfahren angewendet werden
(Metallguss, Aufbrennen bzw. Sintern von Keramik, computergesteuerte Fräsvorgänge), die eine
höhere Füllungsqualität erbringen. Die Füllung wird dann mittels eines Zementes im Zahn fixiert.
Man bezeichnet sie als Inlay, wenn sie keinen Zahnhöcker, und als Onlay, wenn sie mindestens
einen Zahnhöcker umfasst bzw. abdeckt oder ersetzt.
Haltedauer einer Zahnfüllung: hier kann man unterscheiden zwischen
• provisorisch (temporär): für proviorische Zahnfüllungen (z.B. als Verschluss von
Wurzelkanaleinlagen) stehen eigene Zemente oder Kunststoffe zur Verfügung.
• definitiv (permanent): Wie lange eine definitive Füllung halten soll, bevor es zumutbar ist, sie zu
ersetzen, ist strittig. Der Kassenvertrag der Zahnärzte sieht eine Mindesthaltedauer von 2 Jahren
vor. Komposite sollten 5 – 7 Jahre halten, Amalgame 7 - 10. Für technische Füllungen werden 10
- 15 Jahre veranschlagt.
Füllungsmaterialien
Kalziumhydroxid: Aus der Mischung von Kalziumoxyd mit Wasser entsteht nach der Gleichung
CaO + H2O = Ca(OH)2 eine wässrige Suspension bis breiige Masse mit einem extrem hohen pH-Wert
(11 - 14), der es zum potentesten Desinfektionsmittel in der Zahnheilkunde macht. Bakterien und totes
Gewebe werden hydrolysiert, in Anwesenheit von CO2 (lebendes Gewebe!) wird es jedoch zu CaCO3
neutralisiert. Entzündetes Gewebe wird entsäuert, und die Bildung von Hartsubstanz (Dentin,Zement,
Knochen) wird angeregt.
Ca(OH)2 ist neben Chlorhexidin eines der wichtigsten Pharmaka in der Zahnheilkunde. Seine rasche
Auflösbarkeit im Mund erlaubt nur eine Anwendung als Unterfüllungsmaterial oder WurzelkanalEinlage und verlangt darüber einen dichten Verschluss. In zementartig abbindenden Zubereitungen ist
es zwar beständiger, aber weitaus weniger wirksam.
Glasionomerzement (GIZ): GIZ ist wie alle zahnärztlichen Zemente ein Salz. Seine
Frakturanfälligkeit ist hoch, sein Abrasionswiderstand gering, daher ist GIZ nicht als
okklusionstragendes, definitives Füllungsmaterial geeignet. Das weißlich-opake, schwer polierbare
Material wird als Dentinersatz verwendet (Ausblockung größerer Defekte) und als semipermanente
Füllung in Fällen eingesetzt, in denen rasch eine Kavität aufgefüllt oder zumindest abgedeckt werden
muss. GIZ ist verarbeitungsfreundlich und relativ unempfindlich auf Feuchtigkeit. Schließlich kann er
auch als definitiver Befestigungszement von technisch hergestellten Restaurationen eingesetzt werden.
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Zahnerhaltung
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Auch andere zahnärztliche Zemente (Zinkphosphat-Zement, Zinkoxyd-Eugenol-Zement, Steinzement)
sind nicht als okklusionstragende, definitive Füllungsmaterialien geeignet.
Komposit (zahnärztlicher Füllungskunststoff) entsteht (wie andere Kunststoffe auch) aus einer
Kettenreaktion, in welcher sich einheitliche Grundmoleküle (Monomer) chemisch zu einem
Riesenmolekül verbinden (polymerisieren). Das Monomer, eigentlich eine Flüssigkeit, ist mit
ultrafeinem Siliziumdioxid, Glas, Zirkoniumoxyd oder schlicht mit Kunststoffvorpolymerisat
gesättigt, sodass es als zähe, stopfbare Masse vorliegt. Nach dem Abbindevorgang bezeichnet man den
Kunststoffanteil als Matrix und den Rest als Füller.
Für die Fixation des Komposits am Zahn macht man sich dessen Säurelöslichkeit zunutze: Im
Zahnschmelz entstehen nach 30 Sekunden Einwirkzeit einer 33%igen Phosphorsäre
Mikrorauhigkeiten, in die man ungesättigtes Monomer (“Bonding” = Haftvermittler) einsickern lassen
kann. Im Dentin werden Kollagenfasern denudiert und können mit speziellen, amphiphilen
Monomeren (“Dentinhaftvermittler”) getränkt werden. Bei der Polymerisation dieser Haftvermittler
ergibt sich so ein fast randspaltfreier Verbund zwischen Zahn und Füllung. Diese
Verankerungstechnik, Säureätz- oder Säureadhäsivtechnik (SAT) genannt, ist zeitaufwändig und
feuchtigkeitsempfindlich.
Die Polymerisation wird durch Blaulicht gestartet und führt neben der Härtung des Materials auch zu
unerwünschter Schrumpfung. Da sich diese wegen der festen Haftung nicht beliebig entfalten kann,
entsteht Stress in der Füllung, der durch zuätzliche Kaubelastung Frakturen hervorrufen kann. Weitere
Veränderungen im Mund sind: Wassereinlagerung (Füllung wird weiß und unansehnlich), Verfärbung
(Füllung wird gelb, grau), braune oder defekte Ränder und Abrasion (Füllung wird niedriger). Die
Pulpafreundlichkeit von Komposit ist umstritten.
Trotz dieser relativen Kompliziertheit in Zusammensetzung und Verarbeitung sind heutzutage
Komposits das Füllungsmaterial Nr. 1. Gründe hierfür sind ihre zahnähnliche Ästhetik, die
zahnschonende Präparationstechnik und nicht zuletzt eine breite Ablehnung von zahnärztlichem
Amalgam in der Bevölkerung.
Durch Modifikationen sind in den letzten Jahren weitere zahnfarbene, Kompsit- oder GPA-ähnliche
Materialien auf den Markt gekommen (Kompomere, Ceromere).
Amalgam: Amalgam entsteht, indem Partikel einer Silber-Kupfer-Zinnlegierung mit flüssigem
Quecksilber angemischt werden. Beim Einbringen in die Kavität wird das Amalgam kondensiert und
dabei wird z.T. Quecksilber wieder ausgepresst. Die Qualität einer Amalgamfüllung hängt sehr
wesentlich durch die Verarbeitung des Amalgams ab: Je dichter das Amalgam kondensiert wird, umso
fester und dauerhafter ist die Amalgamfüllung. Nach dem Kondensieren wird die Kaufläche
entsprechend den Okklusionsverhältnissen gestaltet. Zum vollständigen Aushärten braucht eine
Amalgamfüllung etwa 1- 2 Tage und dann erst kann die Füllung poliert werden.
Amalgam ist ein jahrelang bewährtes kostengünstiges, festes und
abrasionsbeständiges
Füllungsmaterial, das allerdings im Vergleich zur adhäsiven Kompositfüllung eine relativ expansive
Präparationstechnik erfordert.
Bei Legen, Entfernen oder Polieren von Amalgam entsteht
Quecksilberdampf, der z.T. eingeatmet wird oder es werden Quecksilberionen abgegeben, die über die
Zahnpulpa, die Mundschleimhaut oder über den Magendarmtrakt aufgenommen werden. Geringste
Menge Quecksilber(ionen) werden von Amalgamfüllungen auch auf Dauer abgegeben. Etwa eine
Hälfte der Gesamtbelastung des Körpers stammt aus Amalgamfüllungen und die andere aus der
Nahrung. Das aufgenommene Quecksilber wird vor allem in der Großhirnrinde und in der Niere
gespeichert. Um die Hg-Belastung des Körpers möglichst gering zu halten, sollte auf Amalgam
verzicht werden, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, wie z.B. bei Fülllungen im Milchgebiss oder
für Füllungen in der Schwangerschaft.
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Zahnerhaltung
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Gold: Gold kann plastisch (Stopfgold; sehr aufwändig!) oder als gegossenes Inlay zu einer Füllung
verarbeitet werden. Es gilt als das Füllungsmaterial mit den geringsten Nebenwirkungen und der
längsten Haltedauer.
Keramik: Keramik kann zu einer Füllung gesintert, gefräst oder auf eine Metallfüllung aufgebrannt
werden. Seiner unübertroffenen Ästhetik steht eine gewisse Bruchgefahr gegenüber. Keramik-Inlays
werden mit Komposit zementiert.
Endodontie
Unter Endodontie verstehen wir die Diagnostik und Behandlung der Erkrankungen des Endodonts = der
Zahnpulpa. Diese sind zu einem Großteil durch Karies, zu einem geringeren Teil traumatisch verursacht.
Diagnostik: Endodontische Erkrankungen werden diagnostiziert durch:
• Anamnese : Die Erfragung von Dauer, Anlass und Qualität des Schmerzes macht zusammen mit
Kenntnissen über bisherige Behandlungen ca. 70% der richtigen Diagnose aus.
• klinische Inspektion: Der in Frage kommende Zahn zeigt z.B. eine unbehandelte Karies, frische
Füllung, begonnene Wurzelkanalbehandlung, Verfärbung, Fistel oder vestibuläre Schwellung.
• Sensibilitätstest: Hierfür eignen sich CO2-Schnee, Frigen-Kältespray oder elektrische Pulpentester.
Die Befundung erkrankter Zähne erfolgt immer durch Vergleich mit sicher gesunden Zähnen. Ein
negativer Sensibilitätstest beweist nicht sicher die Avitalität der Pulpa!
• Klopfempfindlichkeit des Zahnes: eine akute Entzündung um die Wurzelspitze drängt den Zahn
etwas aus dem Zahnbett. Dieser wird durch die Vorbelastung der Pressorezeptoren aufbiss- und
erschütterungsempfindlich.
• Kleinbildröntgen: Hier verfolgt man den beidseits scharf begrenzten Parodontalspalt. Ist im
Bereich des Apex die äußere Grenze unscharf oder ausgeweitet, so liegt wahrscheinlich eine
chronische apikale Parodontitis = Hinweis auf eine schon ältere, infizierte Pulpanekrose vor.
Zahnschmerz: Dringen Bakterien ins Dentin vor, so kann man - idealisiert- folgende Phasen
unterscheiden:
• Schmerzfreie Phase: Odontoblasten versuchen zunächst, die Dentinkanälchen durch
Kalziumausfällung abzudichten. Sie bilden verstärkt weiteres Dentin und ziehen sich in das
dadurch immer enger werdende Pulpakavum zurück.
• Pulpahyperämie: Gelangen erste Toxine bis in die Pulpa, reagieren die Gefäße mit Erweiterung,
um durch den erhöhten Blutfluss die Stoffe auszuwaschen. Dies erhöht den intrapulpalen Druck,
worauf es leichter zu Schmerzsensationen kommt: typisch sind blitzartige Spontanschmerzen und
kurze Schmerzattacken auf kalt-warm oder süß-sauer. Der Sensibilitätstest zeigt eine verstärkte
Reaktion.
• Akute Pulpitis: Bakterien erreichen die Pulpa und verursachen Mikroabszesse. Die reaktive
Entzündung und die daraus folgende intrapulpale Drucksteigerung wird so hoch, dass die Systole
als pochender Schmerz im Zahn spürbar wird. Die Schmerzen beginnen immer in der Nacht, da in
Horizontallage ein höherer Blutdruck im Kopf / im Zahn herrscht als im Stehen (Hydrostatik).
Diese Phase kann tagelang dauern. Im Seitzahnbereich können die Schmerzen in den Gegenkiefer,
ins Kiefergelenk oder Gesicht ausstrahlen. Der Sensibilitätstest zeigt extreme Sensibilität.
• Akute Pulpanekrose: Weitere Drucksteigerung führt zu hämorrhagischer Infarzierung der
gesamten Pulpa bis zum Foramen apikale. Der Patient wird von einem Dauerschmerz geplagt, der
allmählich nachlässt. Da es intrapulpär zu keiner weiteren Drucksteigerung mehr komen kann,
reagiert der Zahn auch auf keinen Sensibilitätstest mehr.
• Schmerzfreies Intervall: Die Bakterien, die koronal eingedrungen sind, brauchen nun einige Zeit,
um bis zum Apex zu gelangen. Der Zahn ist in dieser Zeit beschwerdefrei (“hat sich beruhigt”),
reagiert aber weiterhin negativ auf den Sensibilitätstest. Durch bakterielle Gase kann der Zahn
wärmeempfindlich (Gasausdehnung!) reagieren.
• Akute apikale Parodontitis: Die Bakterien erreichen das apikale Parodont, wo es erneut zu einer
akuten Entzündung kommt. Die veränderten Lebensbedingungen im Wurzelkanal, eine gute
Immunlage des Patienten, ein enges Foramen apikale etc. können eine solche akute Exazerbation
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Zahnerhaltung
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hintanhalten, aber nie endgültig verhindern, sodass diese manchmal erst nach Jahren auftritt. Der
Zahn wird durch die apikale Exsudation vom Patienten als verlängert empfunden und reagiert
aufbiss- bzw. klopfempfindlich.
“Beherdeter Zahn”: Mit diesem Ausdruck, der auch heute noch im allgemeinmedizinischen
Sprachalltag und in populärwissenschaftlicher Literatur verwendet wird, ist zumeist eine chronische
apikale Parodontitis als Reaktion auf eine infizierte Pulpanekrose gemeint. Histologisch liegt ein
entzündliches Granulationsgewebe vor (“apikales Granulom”), das von einem Leukozytenwall
umgeben und u.U. zentral eingeschmolzen ist. Auch epitheliale Auskleidungen im Sinne einer Zyste
kommen vor. Der hierfür nötige Raum wird durch eine entzündliche Osteolyse geschaffen und ist das
röntgenologische Leitsymptom (periapikale Aufhellung).
Ob im Sinne der alten Herdlehre ein einzelner solcher Zahn andernorts schwere chronische
Erkrankungen auslösen kann, wird bezweifelt. Fest steht jedoch, dass sowohl Bakterien aus infizierten
Wurzelkanälen als auch Mediatoren aus der zugehörigen Entzündung in peripheren Venen
nachgewiesen werden können.
Vitalerhaltende Eingriffe an der Pulpa:
• Indirekte Überkappung: Bei schmerzfreien Zähnen, die eine so tiefe Karies aufweisen, dass bei der
Entfernung des erweichten Dentins die Pulpenkammer eröffnet würde (Caries profunda), wird die
letzte kariöse Schichte belassen und zusammen mit einer dicken Schichte Ca(OH)2 dicht
verschlossen. Man gibt der Pulpa nun einige Monate Zeit, um sich einzumauern. Dann wird die
Kavität wieder eröffnet, die Restkaries ohne Pulpaeröffnung entfernt und die definitive Füllung
gelegt.
• direkte Überkappung: Bei schmerzfreien Zähnen kann es bei oder nach der Entfernung der letzten
Karies zur punktförmigen Eröffnung der Pulpa gekommen sein. Diese wird mittels Ca(OH)2
überschichtet. Darüber werden eine Zementschichte und die definitive Füllung angebracht.
• Pulpotomie (Kronenpulpenamputation): nach größeren Pulpaeröffnungen (z.B. nach Traumen)
wird das Kronenpulpenkavum ausgeräumt und die Vitalbelassung der Wurzelpulpa versucht.
Auch hier wird Ca(OH)2 als Wundverand eingesetzt. Die Erfolgsquoten von Überkappungen bzw.
Pulpotomien werden mit 60 - 90% angegeben.
Wurzelkanalbehandlung Kann auch die Wurzelkanalpulpa nicht erhalten werden oder liegt eine
vollständige Pulpanekrose vor, so muss eine Wurzelkanalbehandlung stattfinden. Ziel derselben ist,
die intrakanaläre Infektion zu beseitigen und eine Reinfektion zu verhindern. Die
Wurzelkanalbehandlung zerfällt in mehrere Phasen:
• Trepanation: Eine Zugangskavität wird geschaffen, von der aus die Wurzelkanalabgänge direkt
sicht- und instrumentierbar sind. Dann wird, soweit vorhanden, die infizierte Pulpa entfernt; das
Aufsuchen und Austasten der Kanäle kann hierbei sehr zeitraubend sein. Die Kavität muss zudem
in einen dicht verschließbaren Zustand gebracht werden.
• chemomechanische Aufbereitung: zuerst wird die Länge des Wurzelkanales röntgenologisch oder
elektrisch bestimmt (Endometrie). Mittels geeigneter, nadelähnlicher Instrumente werden dann die
Wurzelkanäle gereinigt und erweitert. Die Erweiterung hat nicht nur den Sinn, infiziertes Dentin
abzutragen, sondern auch eine wirksame Spülung (mittels 1 - 3,5% NaOCl; Ziel: Desinfektion und
Spanentfernung) und schließlich dichte Füllung zu ermöglichen.
• Temporäre Wurzelkanalfüllung (WK-Einlage): Hierfür wird Ca(OH)2 mit verschiedenen Zusätzen
verwendet. Es löst Nekrosen, desinfiziert lumennahes Dentin und neutralisiert saure entzündliche
Valenzen. Nach 1 - 6 Wochen erfolgt die
• Permanente Wurzelkanalfüllung: Guttapercha, ein gummiähnliches Baumharz, vermischt mit
Zinkoxyd, wird in Form kleiner Stiftchen oder in fließfähiger Form in den desinfizierten und
getrockneten Kanal eingebracht. Hierzu kommt noch ein Versiegler (Sealer), der die feinen
Zwischenräume ausblockt. Damit die Füllung möglchst dicht wird, können verschiedene
Kondensationsmethoden angewendet werden. Schließlich wird die fertige Wurzelkanalfüllung
zweischichtig dicht verschlossen.
• Kontrollphase: Eine weiteres Kleinbildröntgen zeigt den neuen Ausgangszustand. Die
Wurzelkanalbehandlung ist dann als Erfolg zu werten, wenn nicht nur die klinische Symptomatik,
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Zahnerhaltung
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sondern auch die periapikale Aufhellung im Kontrollröntgen verschwindet. Dies kann 3 - 12
Monate daurn.
Misserfolge bei der Wurzelkanalbehandlung beruhen auf:
• falscher Arbeitslänge: Das Ideal, dass die Wurzelkanalbehandlung exakt 1 mm vor dem äußeren
Foramen apikale endet, wird häufig verfehlt. Dies kann schon in der Aufbereitungsphase zum
Misserfolg führen. Überfüllung führt schließlich oft zu Nachbeschwerden und chronischer Fremdkörperreaktion, Unterfüllung zur Persistenz von Bakterien und periapikaler Entzündung.
• Wurzelkanalkrümmung: Je gekrümmter Wurzel und Kanal sind, umso eher entsehen
Fehlpräparationen, die eine Reinigung und adäquate Füllung verunmöglichen.
• Wurzelkanalquerschnitt: platte, spaltförmige Wurzelkanäle werden von vornherein nicht an ihrer
gesamten Zirkumferenz gereinigt. Detritus sammelt sich in den Nischen und unterhält weiter die
Infektion.
• Wurzelkanalverzweigung: akzessorische Kanäle werden nicht instrumentiert und nur
unzureichend desinfiziert
• weitere Misserfolge treten auf durch: belassene undichte Restaurationen (Reinfektion), obstruierte
Kanäle, im Kanal verbliebene, abgebrochene Instrumententeile, falsch gebohrte Kanäle,
mangelnde Kondensationstechnik, Kontamination während der Füllung und mangelnden
Verschluss der Kavität. Ein Teil dieser Misserfolge kann durch eine Wurzelspitzenresektion mit
retrograder Wurzelfüllung (s. Abschnitt Zahnärztliche Chirurgie) saniert werden.
Die Erfolgsraten der Wurzelkanalbehandlung werden hierzulande mit 40 - 60 % beziffert. Fachärzte
für Endodontie (z.B. in den USA) verzeichnen Erfolgsraten bis über 95%.
Zahnverfärbungen: 30-60% aller wurzelgefüllten Zähne sind so deutlich verfärbt, dass es ästhetisch
auffällt. Die Farbstoffe penetrieren durch die Dentinkanälchen und werden durch den transluzenten
Schmelz sichtbar. Es handelt sich dabei um Zellzerfallsprodukte (gelblich bis gelbbraun), Blut
(weinrot /violett bis braunrot bis grau), bakteriell erzeugte Farbstoffe (graugrün bis schwarz),
endodotische Sealer (rötlich) oder Metall (Amalgam, Stifte: scheinen grau durch). Therapeutisch
können die meisten dieser Verfärbungen gebleicht werden.
• Internes Bleichen: Der Zahn wird nochmals eröffnet, die Wurzelfüllung reduziert und mit Zement
überschichtet. Als Bleichmittel benutzen wir 30% iges H2O2 (Soforteffekt), vermischt mit
Natriumperborat (Langzeiteffekt), das für 3 – 4 Wochen in der Kavität belassen wird. Der
Entfärbungeffekt ist nach 5 Jahren noch deutlich sichtbar.
• Home-Bleaching: Die natürliche Farbe vitaler Zähne kann durch äußere Bleichverfahren deutlich
aufgehellt werden. Hierzu werden Gele verwendet, die der Patient zu Hause in eine individuell
gefertigte Zahnscheine gibt, welche über die Zähne gestülpt wird. Neuerdings werden auch
aufklebbare Streifen angeboten. Endodontische Verfärbungen können damit nicht behoben
werden.
Zahntraumen
Zahntraumen finden sich am häufigsten vom 1.-3. Lebensjahr, 7. -10. LJ und in der Adoleszenz.
Knaben sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Wir unterscheiden
• Verletzungen des Zahnhalteapparates (Kontusion, Lockerung, Dislokation, Avulsion =
Exartikulation)
• Verletzungen der Zahnhartsubstanz (Kronen-, Wurzel-, Kronen-Wurzel-Frakturen)
• Verletzungen der Pulpa (als Folge der obengenannten Verletzungen)
• Verletzungen von Alveolarknochen und Gigiva
Verletzungen des Zahnhalteapparates resultieren in einer Lockerung, eventuell Fehlstellung des
Zahnes oder in dessen totaler Herauslösung aus der Alveole; die Therapie besteht in Reposition und
flexibler Schienung an die nicht betroffenen und festen Nachbarzähne für 1-4 Wochen.
Zu beachten ist, dass auch totalluxierte Zähne wieder einheilen, wenn sie bis zu Replantation
physiologisch gelagert werden (Zahnrettungsbox, phys. Kochsalzlösung, Milch) und die
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Zahnerhaltung
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Repositionszeit kurz ist (Sofortreplantation durch den Laien bringt die beste Ergebnisse!). Der
Unfallort sollte daher nach verlorengegangen Zähnen abgesucht werden und die Reposition, so
möglich, noch am Unfallort stattfinden.
Tetanusprophylaxe und antibiotischer Schutz (z.B. Ospexin 1000 3 x 1) sind im Rahmen einer
Zahnreplantation unbedingt vorzunehmen.
Verletzungen der Zahnhartsubstanz:
Abgeschlagene Ecken können mit Komposit wieder aufgebaut werden. Auch das Originalfragment kann mit Hilfe der SAT refixiert werden.
Bei Wurzelfrakturen wird das koronale Fragment reponiert und geschient. Weitere zahnerhaltende
Schritte sind abhängig von der Vitalität der Pulpa und der Lage des Bruchspaltes:
• Bei erhaltener Vitalität: Weitere Schienung (6 - 12 Monate) bis zur Hartgewebsheilung (Kallus).
• Bei Pulpanekrose: Wurzelkanalbehandlung im coronalen Fragment und ev. äußere Schienung
mittels eines palatinal geklebten Drahtretainers.
• Bei Kronen-Wurzel-Fraktur: Extraktion des koronalen Fragmentes, Wurzelfüllung und Extrusion
des Wurzelanteiles und anschließende Restauration mittels Stift und Krone. Alternativ können die
Fragmente auch mittels eines Wurzelkanalstiftes zusammengefügt werden (kostengünstige
Kompromisslösung).
Verletzungen der Pulpa:
•
•
Traumatische Pulpaeröffnungen werden durch Überkappung oder Pulpotomie (s. o.) behandelt.
Apikale Pulpaquetschungen oder -abrisse im Rahmen von Dislokationstraumen führen zu
ischämischer Nekrose der Pulpa. Eine Ausheilung (Revaskularisation) ist möglich, wenn die Pulpa
dabei steril bleibt und die Wurzel noch nicht voll ausgebildet ist (weites Foramen apikale).
• Infizierte Pulpanekrosen sind häufig und verlaufen fast immer klinisch stumm. Eine
Röntgenkontrolle und allfällige Trepanation ist daher 4-6 Wochen nach einem Zahntrauma
obligat.
Verletzungen von Alveolarknochen und Gingiva
Verletzungen von Alveolarknochen und Gingiva verlangen eine minutiöse Reposition und
Refixation, 4 - 8 Tage antibiotischen Schutz und intensive Mundhygiene (Spülungen mit
Chlorhexidin), sonst kommt es zu Papillendehiszenzen, Resorption oder gar Sequestration
von Alveolarknochenanteilen bis hin zum Zahnverlust.
Weiterversorgung traumatisch entstandener Zahnlücken im bleibenden Gebiss
•
•
•
•
Provisorisch: Drahtretainer mit aufgeklebtem Kunststoffzahn, Klammerprothese.
Semipermanente Versorgung: Klebebrücke (begrenzte Haltedauer).
Definitive Versorgung: Erst ab dem 16. - 18. Lebensjahr möglich (Wachstumsvorgänge an
Alveolarknochen und Gingiva, Beschleiftrauma): Implantat, Brücke.
Alternative: Kieferorthopädischer Lückenschluss.
Mögliche Spätfolgen im Falle der Erhaltung eines traumatisierten wachsenden Zahnes
•
•
•
•
•
•
Exzessive Dentinneubildung (- Pulpenobliteration).
Sistieren des Wurzelwachstums (- zu kurze ev. verformte Wurzel).
Sistieren des Alveolarknochenwachstums (- offener Biß).
Innere Resorption (- internes Granulom).
Äußere Resorption (entzündliche Resorption oder Ersatz der Wurzel durch Alveolarknochen).
Große Zysten bei nicht diagnostizierter stummer Pulpanekrose. Diese Spätfolgen können alle zum
Verlust des Zahnes führen.
Im traumatisierten Milchgebiss finden sich überwiegend Dislokationen und Totalluxationen bzw.
traumatische Exfoliationen. Die Heilungsprinzipien sind die gleichen wie im bleibenden Gebiss. In
folgenden Punkten jedoch unterscheidet sich die Vorgangweise:
• Eine vorhandene Kooperation eines Kleinkindes sollte wegen der Behandlung eines
Milchfrontzahnes nicht aufs Spiel gesetzt werden
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•
•
•
•
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Extraktionen können großzügiger vorgenommen werden, da die Milchfrontzähne keine Platzhalter
sind.
Chirurgische Repositionen und Replantationen sollte man möglichst unterlassen, da hierbei die
bleibenden Zahnanlagen erneut geschädigt werden können. Auch intrudierte Zähne können (unter
initialem antibiotischem Schutz) belassen werden, da sie in der Regel erneut spontan
durchbrechen.
Wurzelkanäle können im Milchgebiss nur mit Ca(OH)2 gefüllt werden (die Wurzel soll ja
ungestört vom nachrückenden bleibenden Zahn resorbiert werden können!). Endodontische
Misserfolge sind häufig (Fistelbildung) und resultieren oft in frühzeitiger Exfoliation.
in 15% aller Milchfrontzahntraumata werden bleibende Zähne mitgeschädigt; je jünger der Patient
ist, umso eher. Nachkontrollen sind also auch nach der Exfoliation der Milchzähne erforderlich.
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