BANDAGIST I NF O Postentgelt bar bezahlt Vierteljahresschrift • 3. Jahrgang • Nr. 1/2000 Volkskrankheit RHEUMA Ergotherapie bei rheumatischen Erkrankungen Das Grundproblem des fortschreitenden Gelenkrheumatismus (Polyarthritis oder auch rheumatoide Arthritis) ist die Bewegungseinschränkung, der Funktionsverlust und die Angst vor Abhängigkeit von fremder Hilfe. Die Prävention steht immer im Vordergrund der Therapie. Es ist manchmal schwierig, Betroffenen diese Notwendigkeit nahezubringe, besonders dann, wenn sie noch keine oder nur wenig Funktionseinschränkungen haben. Ergotherapie: Behandlung und Gelenkschule Die Bezeichnung Ergotherapie hat ihren Ursprung aus dem Griechischen erhalten: „tó ergon“ heißt „zum Handeln bringen“. Ergotherapeuten sind also im wahrsten Sinne des Wortes „Behandler“ und Wegbereiter für eine Alltagsbewältigung mit optimalen Kompromissen. Mit viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die persönlichen Probleme des Betroffenen SCHWERPUNKTE: Ergotherapie bei rheumatischen Erkrankungen Der Sitzball Hilfen für den rheumatischen Alltag Volkskrankheit Rheuma 1 2 3 4 Liebe Leserinnen und Leser, das Krankheitsbild bleibt gleich – die Therapie ändert sich! Ein Krankheitsbild mag seit Jahrzehnten unverändert und bekannt sein, die Therapieansätze jedoch ändern sich laufend. Die Krankheit mag dieselbe sein, die Erkenntnisse über ihre Ursachen, die Pathogenese und die Wirkung der bekannten Therapien erweitern sich jedoch ständig. Diese Entwicklung beeinflußt natürlich auch die Wahl der therapeutischen Mittel, wie am Beispiel der Behandlung von Knie- und Sprunggelenksverletzungen zu sehen ist, bei der sich eine frühfunktionelle Versorgung mit Orthesen gegenüber dem Gips klar durchgesetzt hat. Auch bei der Rheumaversorgung wurde in der operativen und konservativen Therapie vieles verbessert. Vorhersagen, wie sich das Krankheitsbild entwickeln wird, sind schwer zu treffen, weshalb es auch kein einheitliches Therapiekonzept geben kann. Die vom Arzt gewünschte enge Zusammenarbeit mit dem Orthopädietechniker, setzt bei diesem ein hohes Maß an Erfahrung und Kenntnisse der Pathogenese voraus. Ihr Komm.-Rat. Werner Heindl wird ein individueller Therapieplan erstellt. Wichtig ist, daß der Betroffene die Prioritäten in der folgenden Therapie mitentscheiden kann. Ebenso unerläßlich ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Ärzten und Orthopädie-Technikern. Gemeinsame Ziele sind: • Erhaltung und/oder Wiederherstellung der größtmöglichen Selbständigkeit • Erlernen von Kompensationsmechanismen im Sinne des Gelenkschutzes • Einsatz und richtige Auswahl von technischen Hilfen Unbedingt bedacht werden muß ferner, daß der Verlauf dieser chronischen Erkrankung bei jedem Betroffenen verschieden ist. Folgende Aspekte müssen bei der Therapie berücksichtigt werden. • Die vielseitigen Erscheinungsformen der Polyarthritis • Die Dauer der Erkrankung • Die Stadien der Erkrankung • Der Behinderungsgrad • Das Stadium der Der Sitzball Die Einsatzmöglichkeiten des Sitzballs ergibt sich aus seinem Namen. Durch das elastische Material können dynamischrhythmische Bewegungen mit Armen und Beinen ausgeführt werden wodurch ein Ausdauertrainingseffekt erzielt wird. Die Form des Balles ermöglicht eine Vielzahl an Übungsvariationen. Einige davon sind im nachfolgenden Text beschrieben. Der Sitzball wird eingesetzt als Sitzgelegenheit zu Hause, in Schulen, Büros und Wartezimmern; als Bewegungsgerät zur Gymnastik im Sportunterricht und zu Hause; als Freizeitgerät für Kinder; in Kindergärten, Heimen und Vereinen; im Behinderten- und Versehrtensport; in der Schwangerschafts- 2 Gelenkdeformität • Die Belastbarkeit der Gelenke • Die allgmeine Belastbarkeit des Betroffenen • Die psychosoziale Situation des Patienten Orthesen Am häufigsten werden Lagerungshilfen aus niedrigthermoplastischen Kunststoffen angefertigt. Eine exakte Indikationsstellung ist die Voraussetzung für die sinnvolle Orthesenbehandlung. Solche statischen oder dynamischen Orthesen dienen zur Schmerzlinderung, Korrektur von leichten Fehlstellungen oder als Ruhe- bzw. Nachtlagerung. So werden Hand- und Fingergelenke in die gewünschte Position gebracht und eine Verbesserung der Funktion erreicht. Typische Indikationen für orthetische Versorgung sind z. B.: • Rhizarthrosen • Handgelenks-TEP/Sehnenscheidenentzündungen • Schwanenhals- und Knopflochdeformitäten • Ulnardrift der Finger II-V (Sta- gymnastik; in Kreißsälen zur Geburtsvorbereitung; in Rückenschulen und zur Wirbelsäulengymnastik; zur Haltungsschulung; in der therapeutischen Behandlung; in der Krankengymnastik; zur Akrobatik; an Land und im Wasser. Der Ball dient zum Sitzen, Hüpfen, Springen, Werfen, Fangen, Rollen des eigenen Körpers über den Ball, zum Zurollen mit einem Partner, zum Prellen, Drehen, Heben, Halten, Tragen, Balancieren in unterschiedlichsten Körperpositionen, zum Spielen, Tollen, Toben, Ausruhen, Genießen und zum Entspannen. Die Ballgröße beeinflußt maßgeblich die Funktionalität und die Ausführung der Übungen und sollte daher immer der Körpergröße angepaßt sein. Die Feinregulierung bzw. die optimale Anpassung an den I NF O • • • • dium II–III nach Seyfried) (Abb. 1 und 2) Nach OP: Strecksehnenrezentrierung Nach Beugesehnennähten (nach Kleinert) Fingergelenksendoprothesen Fingergelenksarthrodesen usw. Die Gelenkschutz-Prinzipien • Beim Arbeiten darauf achten, daß sich die Gelenke möglichst in Neutralstellung befinden. Stützende Bandagen und Orthesen können hilfreich sein. • Sich beim Aufstehen vom Sitzen in Schwung bringen. Viele Sitzgelegenheiten können erhöht werden. Das entlastet die untere Extremität und schont die Handgelenke vor belastender Überstreckung beim Aufstützen. • Monotone Arbeiten wie Schreibmaschineschreiben, Buch- oder Kartenhalten sollten durch wechselnde Arbeitshaltungen aufgelockert werden. • Einsatz von Alltagshilfen und Körper erfolgt über eine Variierung des Ablasvolumens des Balles. Beim Sitzen sollte sowohl der Knie- als auch der Hüftwinkel ca. 90° betragen. Und so ermitteln Sie die richtige Ballgröße: Körpergröße Ø Ball bis 125 cm bis 140 cm bis 155 cm bis 175 cm ab 175 cm 35 cm 45 cm 55 cm 65 cm 75 cm Verhältnis zwischen Körpergröße und Durchmesser des Balles (Angaben der Vertriebe). anderen Erleichterungen wie elektrische Geräte. polstern, Handgelenksbandagen, …). • Pausen machen und die Arbeit gut organisieren. Die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit respektieren. • „Dicke Griffe, starker Halt“: Gegenstände mit verdickten Griffen sind besser anzufassen, und der Druck auf die kleinen Fingergelenke wird reduziert. So wird auch mit wenig Kraft kraftvolleres Zupacken möglich. • Verminderung der Belastung durch beidhändiges Zufassen und körpernahes Tragen. So kann die Last verteilt und größere Gelenke miteinbezogen werden. Teamarbeit auch in der Familie und in der Nachbarschaft. • Der Einsatz von Hebeln erleichtert manche schwere Tätigkeit. Hebel werden auch • Tägliche Bewegungsübungen sind wichtig für die gesamte Mobilität. • Die Entzündungsbereitschaft der Gelenke kann durch Unterlassen von Erschütterungen (Fahren mit dem Rad über Kopfsteinpflaster) vermindert werden (Abhilfe z. B. durch Lenkstange mit weichen Hand- von Handwerkern für kraftvolle Arbeiten benutzt. Hilfen für den rheumatischen Alltag Greif-Hilfen. wieder bestimmte Tätigkeiten. Dabei handelt es sich um einfach zu handhabende Geräte oder Werkzeuge, die es den Rheumakranken erlauben, obgleich behindert, viele Dinge selbst zu verrichten, die er sonst nur mit Eß- und Trink-Hilfen. Anzieh-Hilfen. fremder Hilfe bewältigen könnte. Auch werden die Gelenke dabei vor übermäßiger Beanspruchung, Fehl- oder Überbelastung geschützt. Wichtig dabei ist, daß die von häufigen Entzündungen geplagten Gelenke, Sehnen und Bänder von außen nicht noch mehr – als unbedingt nötig – belastet werden. Beabsichtigt ist also der belastungs- und kraftsparende Gebrauch der Gelenke, der durch gezielten Einsatz von vorbeugenden Alltagshilfen und gelenkentlastenden Arbeitsweisen bei vielen Tätigkeiten erreicht werden kann. Gymnastiksitzball. Zu den häufigsten körperlichen Beeinträchtigungen bei rheumatischen Erkrankungen gehören Schmerzen im Bewegungsbereich und Einschränkungen in der Beweglichkeit. Häufig verlaufen rheumatische Erkrankungen chronisch, so daß – ergänzend und unterstützend zur ärztlichmedizinischen Behandlung – zusätzlich Hilfs- und SelbsthilfeMöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen. Diese technischen Hilfen, wie zum Beispiel Alltagshilfen oder Hilfsmittel, erleichtern oder ermöglichen sogar I NF O 3 Volkskrankheit Rheuma 1,2 Millionen Menschen sind allein in Österreich von Rheuma betroffen, vierhunderttausend davon sind chronisch krank (z. B. Polyarthritis, Morbus Bechterew). Die Beschwerden reichen von einem leichten Ziehen in der Schulter bis zu schwer geschädigten Gelenken. Dabei geht die Hilfe von medikamentösen Verfahren und rheuma-chirurgischen Techniken über die Physiotherapie (Kräftigung, Mobilisation, Kälte) bis zu Gelenkschutzmaßnahmen. Die Orthopädie-Technik mit ihren Hilfsmitteln und der Bandagist mit Wärmewäsche, Heizdecken etc. haben einen entscheidenden Anteil an den Hilfeleistungen. Nicht zuletzt Selbsthilfegruppen unterstützen die Betroffenen sehr durch Erfahrungsaustausch, Informationen über Fortschritte in der Behandlung und vieles mehr. Rheuma ist ein Sammelbegriff, der eine Reihe von Gelenk- und Muskelerkrankungen meint. Dahinter verbergen sich so unterschiedliche Erscheinungsformen wie chronische Polyarthritis, Bindegewebserkrankungen, Arthrosen, Wirbelsäulenerkrankungen und Gicht, Gelenkschäden durch Verschleiß, aber auch durch Bakterien und Viren. Hände, Füße, Schultern etc. können betroffen sein. Behandlungsverfahren Die praktizierte Rheumatherapie kann über verschiedene Ebenen wirken: Desintoxikationsverfahren (Entgiftung über Darm, Haut, Nieren und Leber), richtig Ernährung, gezielte Verbesserung des Stoffwechsels, Akupunktur, Neuraltherapie. Kältetherapie Bei der Kälte- oder auch Kryotherapie handelt es sich um Kälteapplikationen des ganzen Körpers 4 (systematisch) oder der betroffenen Körperteile (lokal). Dabei wird der Stoffwechsel verändert, die Gefäße verengen sich, das Gewebe schwillt ab, der Schmerz läßt nach, die Muskeln entspannen sich und die Nervenleitgeschwindigkeit wird langsamer. Nach einigen Minuten erweitern sich dann die Blutgefäße. Es gibt zwei Wirkweisen, die direkte und die indirekte Kälteeinwirkung, die beide schmerzlindernd, entzündungshemmend und muskelentspannend wirken. Elektrotherapie Entgegen der Kälte- und Wärmetherapie arbeitet die Elektrotherapie mit elektrischem Strom (Nieder-, Mittel- und Hochfrequenztherapie). Doch diese Behandlungsform wird selten allein, sondern meist in Kombination mit der Krankengymnastik (Übungs- oder Bewegungstherapie) angewandt. Entzündungshemmend bei Gelenkerkrankungen können Eisbeutel, Kältepackungen, Kaltmoor, Kaltgas und Kaltluft wirken, und mit Eisbeuteln, Kältepackung, Kaltmoor, Kaltgas und Kaltluft eine Lockerung (Detonisierung) des schmerzhafen Muskelhartspannes erreicht werden. Wärmetherapie Die Wärmetherapie wirkt schmerzlindernd, durchblutungsfördernd, muskelentspannend und entzündungshemmend. Jedoch: je akuter der Zustand, desto weniger Wärme! Genau wie bei der Anwendung der Kältetherapie werden zwei Wirkungsformen unterschieden: zum einen die direkte Wärmewirkung durch örtliche Verbesserung der Stoffwechselaktivität zur Durchblutungssteigerung, Heilungsbeschleunigung, besseren Gleit- und Funktionsfähigkeit der Muskulatur, Sehnen und Gelenken und zum anderen die indirekte Wärmewirkung durch reflektorischen Einfluß auf das Nervensystem: Muskelentspannung, Schmerzlinderung und Sekretförderung. Angewandt werden können bei diesen Symptomen warmes Wasser, Fangopackungen, Moorpackungen, Warmluft, Dampf, Infrarotstrahler, Sauna, Wärmeflaschen und Ultraschall sowie das Tragen von Wärmewäsche. I NF O Wärmewäsche.