Steffens, T.

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7. DGA Jahrestagung 2004
E-BERA-Untersuchung zur Reifung der versorgten und der
unversorgten Hörbahn nach einseitiger CI-Versorgung:
Befunde zum Zeitpunkt der Implantation des Gegenohres
Thomas Steffens
Uni-HNO-Klinik Regensburg
Ein wichtiges Argument für eine bilaterale CIVersorgung besteht in der Gefahr einer Fehlentwicklung
oder Deprivation der unversorgten Hörbahn. Gerade in
der Kinder-CI-Versorgung wird das Warten auf eine bessere CI-Technik oder andere Therapieformen aus diesem
Grunde zunehmend in Zweifel gezogen. In diesem Zusammenhang ist eine der wesentlichen Fragen, ob eine
unversorgte Seite zu einem späteren Zeitpunkt noch ihre
volle Leistungsfähigkeit entwickeln kann? Da der anatomische Verlauf der Hörbahn sowohl die kontralateral zum
stimulierten Innenohr verlaufende aufsteigende Hauptbahn, als auch einen ipsilateral aufsteigenden Anteil besitzt, lässt sich daraus die Hypothese aufstellen, dass
möglicherweise durch die Erregung der ungekreuzten,
ipsilateralen Hörbahnanteile der stimulierten Seite auf der
unversorgten Hörbahn Reifung bewirkt werden kann.
Eine erprobte Methode zum Nachweis der Hörbahnreifung durch akustische Stimulation ist die BERA. Bei
elektrischer Stimulation, z. B. mit Hilfe eines Cochlear
Implants, wird diese Methode als E-BERA bezeichnet.
Eine Hörbahnreifung stellt sich in der BERA, wie auch in
der E-BERA in einer Verkürzung der Absolut- und InterPeak-Latenzen dar. Ein Einfluss auf die Hörbahnreifung
der unversorgten Seite lässt sich dann hervorragend untersuchen, wenn Kinder nach einer einseitigen CIVersorgung zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Gegenohr mit einem CI versorgt werden (sequentielle bilaterale
Versorgung). Mit Hilfe der E-BERA zum Zeitpunkt der
zweiten OP kann der Reifungsstatus von beiden Hörbahnen dargestellt werden.
Methode
In dieser Studie werden Ergebnisse der intraoperativen
E-BERA über das CI (Nucleus CI24M und CI24 Contour)
von 10 sequenziell beidseitig implantierten Kindern vorgestellt. Die erste OP erfolgte im frühen Alter von 1,3 bis
2,8 Jahren, die Versorgung des zweiten Ohres im Alter
von 3,1 bis 8,0 Jahren. Der Zeitraum zwischen erster und
zweiter OP betrug im Mittel 3,5 Jahre (1,8 – 6,0 Jahre).
Verglichen werden die Absolutlatenzen eIII und eV, sowie die Inter-Peak-Latenz III-V. Eine Vergleichsgruppe
mit 30 einseitig implantierten, alters- angepassten Kindern dient dem Nachweis, dass sich die Gruppe der beidseitig implantierten Kinder zum Zeitpunkt der ersten
Implantation nicht von den anderen, nur monaural implantierten Kindern unterscheidet.
zeigt sich für die erstimplantierte Seite eine hochsignifikante Verkürzung der Absolut-Latenzen eIII und eV
(p<0.01)zwischen erster und zweiter OP, eIII von 2.20 ms
auf 2.00 ms, eV von 4.24 ms auf 4.03 ms. Die Inter-PeakLatenz III-V blieb konstant. Die unversorgte Seite zeigt
zum Zeitpunkt der zweiten OP hochsignifikant verlängerte Absolut-Latenzen eIII (2.00 < 2.17 ms) und eV (4.03 <
4.26 ms) und eine signifikant (p<0.05) längere Inter-PeakLatenz III-V (2.02 < 2.09 ms). Die Absolut- und InterPeak-Latenzen der bisher unversorgten Seite entsprechen
den Werten der erstimplantierten Seite zum Zeitpunkt der
ersten OP. Eine Reifung ist auf der unversorgten Seite
nicht zu erkennen.
Diskussion
Der bei der ersten OP gemessene Reifungszustand der
Hörbahn war in der Gruppe der sequentiell beidseits implantierter Kinder identisch im Vergleich zu den nur einseitig implantierten Kindern. Auf der frühversorgten ersten Seite zeigte sich zum späteren Zeitpunkt einer zweiten
OP zur Versorgung des zweiten Ohres erwartungsgemäß
eine hochsignifikante Hörbahnreifung. Dies kann als
Nachweis dazu dienen, dass die verwendete E-BERAMethode zum Nachweis einer Hörbahnreifung geeignet
ist. Die über mehrere Jahre dauernde Stimulation der
ersten Seite hat zu einer Verkürzung der AbsolutLatenzen auf Erwachsenenmaß geführt. Hingegen zeigte
sich auf der unversorgten Seite nach den Jahren des einseitigen Hörens keine messbare Reifung. Die AbsolutLatenzen des unstimulierten zweiten Ohres lagen im Bereich der Messungen des ersten Ohres, zu dem Zeitpunkt,
als das erste CI implantiert wurde und noch keine relevante Stimulation stattgefunden hat.
Die Hypothese der „Mitreifung“ der unstimulierten
Hörbahn aufgrund erregter ipsilateraler Hörbahnanteile
der stimulierten Seite findet in diesen Daten also keine
Bestätigung. Die Entscheidung zur „Konservierung“ eines
Ohres für spätere Therapien sollte deshalb kritisch überdacht werden, auch wenn diese Untersuchung sicher keine
Aussage über mögliche Nachreifung ab dem Zeitpunkt
der zweiten Implantation treffen kann.
Resultate
Die beidseitig implantierten Kinder zeigten im Vergleich zur einseitig implantierten, altersangepassten Vergleichsgruppe zum Zeitpunkt der ersten OP identische
Absolut- und Inter-Peak-Latenzen. Im Gruppenmittelwert
E-BERA-Untersuchung zur Reifung der versorgten und der unversorgten Hörbahn nach einseitiger CI-Versorgung: Befunde zum
Zeitpunkt der Implantation des Gegenohres
1
7. DGA Jahrestagung 2004
eV
e III
IPL III-V
5
*
*
Latenz [ms]
4
*
*
3
*
*
2
*
*
*
Monaurale Vergleichsgruppe
Bin. 1. Ohr, 1. OP
Bin. 1. Ohr, 2. OP
IPL235
IPL135
IPL35
L23
L13
L3
VL3
L25
L15
L5
VL5
0
VIPL35
1
Bin. 2. Ohr, 2. OP
Abb.1: Absolut- und Inter-Peak-Latenzen zum Zeitpunkt der ersten OP (VL5, L5, VL3, L3, VIPL35, IPL35) und zum Zeitpunkt der
zweiten OP (erstimplantierte Seite: L15, L13, IPL135; zweitimplantierte Seite: L25, L23, IPL235). Signifikante Unterschiede
(p<0,05) sind mit einem Stern (*), hochsignifikante Unterschiede (p<0,01) mit zwei Sternen (**) gekennzeichnet.
E-BERA-Untersuchung zur Reifung der versorgten und der unversorgten Hörbahn nach einseitiger CI-Versorgung: Befunde zum
Zeitpunkt der Implantation des Gegenohres
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