314 Buchbesprechungen Ethik einsetzend) erweist, daß es da etwas gibt, um das sich sinnvoll, d.h. aber mit Aussicht auf konsistente und vernünftige Klärung, streiten läßt. Im übrigen macht Spaemann darauf aufmerksam, daß es immerhin einen beträchtlichen gemeinsamen Bestand interkulturell geltender Normen gebe: »In allen Kulturen gibt es Pflichten der Eltern gegen ihre Kinder, der Kinder gegen ihre Eltern, überall gilt Dankbarkeit als »gut«, überall ist der Geizige verächtlich und der Großherzige geachtet, fast überall gilt Unparteilichkeit Spaemann, Robert: Moralische Grundbegriffe. als Tugend des Richters und Tapferkeit als TuBeck, München 1982. 8°, 112 S. - Kart. gend des Kämpfers.« (S. 15 f.) Schließlich verwikDM 14,80. kele sich - so Spaemann - die Position des ethischen Relativismus zwangsläufig in innere WiderDas schöne Büchlein Spaemanns, das in ansprüche, müsse sie doch für sich selbst eine Art schaulicher und auch dem philosophischen Laien Unbedingtheit in Anspruch nehmen, wenn sie verständlicher Sprache in einige Grundprobleme denn überhaupt sinnvoll behauptet werden soll. der Ethik einführt, geht zurück auf eine Reihe von 2. Der Mensch ist in allem Handeln auf Realität Rundfunkvorträgen, die der Autor Anfang 1981 verwiesen. Wie immer auch seine inneren Antriefür den Bayerischen Rundfunk hielt. Als besonde- be, Wünsche und Vorlieben strukturiert sein möres Verdienst Spaemanns darf hervorgehoben gen, sie finden Erfüllung und Sinn doch nur, inwerden, daß er ohne großen Aufwand an philoso- dem der Mensch aus sich selbst heraustritt und phischer Esoterik dem wissenschaftlich unverbil- sich dem zuwendet, was auch ohne ihn ist, wie es deten Gemüt die Bedeutung sittlicher Fragestel- ist. Sinnerfüllte menschliche Existenz lebt in belungen zu verdeutlichen weiß. Philosophisch wußtem Bezug zum Wertgehalt erfahrender und ethische Systematik ist, indem sie etwa den Prin- erfahrbarer Wirklichkeit. Es gilt zu verstehen, zipien der Sittlichkeit, den Kriterien der Unter- »daß das Gute etwas damit zu tun hat, Wirklichscheidung von »gut« und »böse«, dem Problem keit zu erfahren und der Wirklichkeit gerecht zu der Vermittlung von Allgemeinheit und Beson- werden« (S. 34). Sich selbst wird der Mensch am derheit usw. nachfragt, im Grunde nur eine Proehesten dann gerecht, wenn er anderem gerecht longation jener Fragen, die der im Alltag Orienwird. Dazu bedarf es der Einübung, der Dispositierung und Sinn suchende Mensch immer schon tion, ja lebenslanger Anstrengung. Interessen bestellt. Robert Spaemann will weniger konkrete dürfen allererst der Entwicklung. Die Intensität inhaltliche Gesichtspunkte solcher Orientierung der Lebensfreude wächst schließlich mit der an die Hand geben, als den Fragehorizont so Selbsttätigkeit des Menschen in Hinrichtung auf schärfen, daß der Orientierungsuchende zunächst die Wertqualitäten der Wirklichkeit, an denen der einmal klarer sieht, wonach es denn eigentlich zu Mensch seine geistigen Kräfte und Fähigkeiten suchen gilt. Da an diesem Ort unmöglich auf alle schulen kann. erwähnenswerten Details der 8 Kapitel des Bu3. Auf den ersten Blick erscheint es frappieches eingegangen werden kann, sei wenigstens rend, daß am Ende einer Abhandlung über moraauf drei Einzelthemen kurz hingewiesen. lische Grundbegriffe das Thema »Gelassenheit« 1. Oft wurde (und wird) aus der scheinbar steht. Aber tatsächlich leuchtet ein, daß die Nagelprobe jeder gelebten Sittlichkeit dort bestanoffenkundigen Verschiedenheit der sittlichen Beden werden muß, wo die Gewalt der Dinge den wertungsmaßstäbe einander fremder Kulturkreise Menschen übermächtigt, wo sein Machen-können der voreilige Schluß gezogen, es gebe keine allgeein Ende findet und er sich nurmehr schicken meingültige und unbedingte Bedeutung der Workann in das, was zu ändern seine Kräfte überte »gut« und »böse«. Doch ist - wie Spaemann steigt. Mit »Gelassenheit« bezeichnet Spaemann zeigt - die Feststellung der Kulturrelativität aller (im Unterschied zu den Verirrungen des FanatisSittlichkeit nicht das Ende, sondern gerade erst mus und des Zynismus) die Haltung jenes Mender Anfang des ethischen Raisonnements: »Das schen, der erkannt hat, wie wenig es für die vernünftige Nachdenken über die Frage nach eiKonstitution des Sinngehaltes der Wirklichkeit nem allgemein gültigen Guten begann überhaupt insgesamt auf ihn und sein Tun ankommt, der erst auf Grund der Entdeckung dieser Tatsache.« aber auch begriffen hat, daß es lohnenswert ist, (S. 14) Die Möglichkeit theoretischen Streitens sich in dieser und für diese Wirklichkeit zu engaüber Prinzipien der Sittlichkeit (mit der antiken Buchbesprechungen gieren: »Der Gelassene handelt mit Entschiedenheit, aber er hat den Lauf der Dinge, der sein Handeln ermöglicht, und damit auch sein mögliches Scheitern akzeptiert; denn er weiß, daß der Sinn nicht erst durch ihn und sein Handeln in die Welt kommt« (S. 107). Resümierend sei gesagt: Spaemanns »Moralische Grundbegriffe« wissen Nachdenklichkeit zu erzeugen, ohne zu verunsichern. Im Gegenteil: der immer schon im Alltag nach dem richtigen Leben Fragende wird darin bestärkt, daß sein Fragen und Suchen einen guten Sinn hat und jedenfalls nicht ergebnislos bleiben muß. Burkhard Haneke, Essen 315