Bürgerschaftliches Engagement in der Sprachförderung von

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Youhanizou Tall / Katrin Hirseland
Bürgerschaftliches Engagement in der Sprachförderung von Migrantinnen und
Migranten – eine Expertise von INBAS- Sozialforschung im Auftrag des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
Die Autorinnen sind Referentinnen im Referat 310 - Grundsatzfragen der Integrationsförderung /
bundesweites Integrationsprogramm des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
Katrin Hirseland ist federführend zuständig für die Entwicklung des bundesweiten
Integrationsprogramms.
Youhanizou Tall ist zuständig für das Handlungsfeld sprachliche Bildung im Rahmen des
bundesweiten Integrationsprogramms.
Bürgerschaftliches
Engagement
spielt
eine
wichtige
Rolle
in
der
Integrationsförderung. Eine Vielzahl von Integrationsangeboten lebt vom Engagement von
Interessenverbänden, Vereinen und einzelnen Bürger(inne)n. Es fehlt jedoch an fundierten
Erkenntnissen darüber, welche Engagementformen in den einzelnen Feldern der
Integrationsförderung besonders vielversprechend sind. Vor diesem Hintergrund sollen im
Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms Rolle, Möglichkeiten und Grenzen
bürgerschaftlichen Engagements in den zentralen Handlungsfeldern der Integration diskutiert
werden.
Das im Zuwanderungsgesetz verankerte bundesweite Integrationsprogramm hat den
Auftrag, die Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und privaten Trägern
festzustellen und Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung vorzulegen. Gemeinsam mit den
zentralen Akteuren der Integrationsförderung soll langfristig ein umfassendes Konzept zur
Qualitätsentwicklung und Optimierung der Praxis der Integrationsförderung in Deutschland
entwickelt werden. Im Zentrum des Integrationsprogramms stehen die Handlungsfelder
sprachliche Bildung, Bildung, berufliche Integration und gesellschaftliche Integration.
Angesichts der Bedeutung der Sprache für eine erfolgreiche Integration bildet das
Handlungsfeld sprachliche Bildung dabei den ersten Schwerpunkt.
Im Zuge der Arbeiten im Handlungsfeld sprachliche Bildung soll auch der Frage
nachgegangen werden, welche Engagementformen in diesem Feld bereits zum Einsatz
kommen, welche Erfahrungen mit ihnen gemacht wurden und welche Empfehlungen sich
aufbauend darauf für die künftige systematische Einbeziehung bürgerschaftlichen
Engagements in Angebote der sprachlichen Bildung formulieren lassen. Vor diesem
Hintergrund hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Expertise in Auftrag
gegeben, die diese Aspekte anhand konkreter Beispiele guter Praxis untersucht.
Zielsetzung und methodisches Verfahren
Die Expertise, die von INBAS-Sozialforschung im März 2007 vorgelegt wurde, nimmt eine
exemplarische Bestandsaufnahme vorhandener Ansätze und Projekte in drei Sozialräumen
(Köln, Hanau, Offenbach) vor und analysiert diese in Bezug auf ihr Potenzial für die
nachhaltige Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements in die sprachliche Bildung. Ziel
ist die Entwicklung von Empfehlungen für die künftige, systematische Einbeziehung
bürgerschaftlichen Engagements in die Sprach- bzw. Integrationsförderung. In die
Untersuchung wurden die Bereiche Kindergarten, Vorklasse, Kindertagesstätte bzw. Hort,
Grundschule, weiterführende Schule, der Übergang in die Berufsausbildung, Hochschule,
berufsbezogene sprachliche Bildung, sprachliche Bildung für Frauen sowie sprachliche
Bildung für Senior(inn)en aufgenommen.
Grundlage der Netzwerkanalysen bilden neben Internetrecherchen Expert(inn)eninterviews
in Kommunalverwaltungen, Bildungseinrichtungen, mit Quartiersmanager(inne)n und
anderen Schlüsselpersonen. Hiermit soll ermöglicht werden, die non-formalen und
informellen Angebote zur Sprachförderung von Migrant(inn)en in den Sozialräumen detailliert
abzubilden. Dabei ließen sich unterschiedliche Organisationsformen und -entwicklungen
sowie ihre Konzeptionen, Rahmenbedingungen und Strukturen typologisieren, förderliche
und hinderliche Rahmenbedingungen analysieren und Möglichkeiten zu einer stärkeren
Einbeziehung und Nutzung des Potenzials von bürgerschaftlichem Engagement explorieren.
Ergänzt wurde die Analyse durch besonders herausragende good-practice Projekte in
Deutschland und dem Ausland.
Typologie der Engagementformen in der sprachlichen Bildung
Aus den in die Untersuchungen eingeflossenen Projekten habe die Autor(inn)en der
Studie sechs verschiedene Typen des Einbezugs bürgerschaftlichen Engagements in die
sprachliche Bildung von Migrant(inn)en unterscheiden können:
a. Bürgerschaftliches Engagement auf der Suche nach sinnvollen Einsatzfeldern (über
Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Bürgerstiftungen, Seniorengenossenschaften und
andere Infrastruktureinrichtungen der Freiwilligenarbeit)
b.
Sprachförderung
als
Migrantenselbstorganisationen
Reaktion
auf
einen
manifesten
Bedarf
in
c. Sprachförderung als wesentliches Element der Arbeit interkultureller Vereinigungen
d.
Sprachförderung
als
Reaktion
auf
einen
aufnahmegesellschaftlichen sozialen Einrichtungen
manifesten
Bedarf
in
e. Sprachförderung im Rahmen staatlicher Einrichtungen als flankierendes Element
hauptamtlicher Arbeit
f. Sprachförderung ohne Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements
Engagement findet – mit Ausnahme des letztes Typs, in unterschiedlichem Ausmaß
Eingang
in
die
Projektarbeit
im
Bereich
sprachliche
Bildung.
In
Migrantenselbstorganisationen werden Sprachförderangebote für Kinder und Jugendliche,
Frauen und Senior(inn)en häufig unter Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements
gemacht, ebenso in interkulturellen Vereinigungen und aufnahmegesellschaftlichen
sozialen Einrichtungen mit ursprünglich anderen Zielsetzungen als der der sprachlichen
Bildung. In staatlichen Einrichtungen finden Engagierte Einsatzfelder flankierend oder
ergänzend zu bestehenden Sprachförderangeboten in Kindertageseinrichtungen, Schulen
und Erwachsenenbildung oder als Integrationslots(inn)en und –begleiter(innen). Kaum
oder gar nicht vertreten ist bürgerschaftliches Engagement in den Bereichen Hochschule
und berufliche Bildung.
Möglichkeiten und Grenzen bürgerschaftlichen Engagements in der sprachlichen
Bildung
Die Formen bürgerschaftlichen Engagements in der sprachlichen Bildung sind vielfältig.
Sie reichen von Lese- und Hausaufgabenpaten bis Lotsenprogrammen und der
Fortbildung zu Stadtteilmüttern. Die in der Expertise aufgeführten Beispiele zeigen, dass
das Potenzial und die mögliche Vielfalt an Engagementformen bisher keinesfalls
ausgeschöpft ist.
Bürgerschaftliches Engagement kann professionelles Handeln ergänzen und zusätzliche
Sprech- und Lerngelegenheiten bieten. Ersetzen kann und soll es professionell Tätige im
Bereich der sprachlichen Bildung jedoch nicht. Bürgerschaftliches Engagement kann dazu
beitragen, die vorhandenen Ressourcen und Entwicklungspotenziale von Kindern und
Jugendlichen im Bereich der frühkindlichen und schulischen Bildung umfassend zu
fördern. Im Bereich der Erwachsenenbildung kann bürgerschaftliches Engagement
niederschwellige Zugänge zu Angeboten der sprachlichen Bildung ermöglichen,
insbesondere für Zielgruppen, die von institutionellen Angeboten nur schwer erreicht
werden.
Für ein Zusammenspiel beider – Hauptamtlicher und Engagierter – braucht es jedoch
geeignete Rahmenbedingungen - verlässliche, stützende und begleitende Strukturen.
Hierzu gehören u.a. die adäquate Ausstattung mit Finanzmitteln und Räumlichkeiten, aber
auch klare Ziele seitens des Trägers, Sicherheit und klare Rollen- bzw.
Aufgabenbeschreibungen für Fachkräfte und freiwillig Engagierte sowie die Koordination
durch einen zentralen Ansprechpartner.
Fazit
Die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements in die Sprachförderung ermöglicht für
die Zielgruppen und für die Engagierten einen interkulturellen Austausch, fördert
Kontakte, soziale Interaktionen sowie das Kennenlernen von relevanten sozialen,
Bildungs-, Wirtschafts- und kulturellen Institutionen. Es sensibilisiert Eltern für die
Erziehung und Bildung ihrer Kinder und schafft niederschwellige Zugänge zur
Gesellschaft.
Die Autor(inn)en der Expertise haben Empfehlungen formuliert, wie eine umfassende,
verstärkte Einbeziehung von bürgerschaftlichem Engagement in der sprachlichen Bildung
gestaltet und in welchen Bereichen das Potenzial von bürgerschaftlichem Engagement
verstärkt genutzt werden kann. Dabei ist eine professionelle, von hauptamtlichen
pädagogischen Fachkräften und Lehrer(inne)n erbrachte sprachlichen Bildung
unerlässlich. Bürgerschaftliches Engagement kann und soll dies nicht ersetzen. Es kann
dies aber flankieren und ergänzen. Dabei ist es nicht allein die Förderung von Deutsch als
Zweit- oder Fremdsprache, die im Rahmen solchen Engagements ermöglicht, erleichtert
oder begleitet wird. Die Wirkungen des Engagements gehen weit darüber hinaus und
wirken insbesondere in den Bereich der gesellschaftlichen Integration.
Kontakt zu den Autorinnen Youhanizou Tall und Katrin Hirseland
[email protected]
[email protected]
Die Expertise finden Sie unter:
http://www.inbas-sozialforschung.de/ Downloads
Weitere Informationen zum bundesweiten Integrationsprogramm finden Sie unter
www.integration-in-deutschland.de / Bundesweites Integrationsprogramm
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