Erstes oberösterreichisches Zukunftsgespräch zum Thema „Zukunft Lebensqualität“ Tagung des Wissenschaftlichen Beirats der Oö. Zukunftsakademie 20. und 21. Jänner 2012 Bad Ischl Seite 1 von 14 Am 20. und 21. Jänner 2012 tagte der Wissenschaftliche Beirat der Oö. Zukunftsakademie im Rahmen seiner Zukunftsgespräche in Bad Ischl unter dem thematischen Fokus: "Zukunft Lebensqualität" Aufgabe dieses interdisziplinär besetzten Gremiums mit renommierten Expertinnen und Experten aus ganz Österreich, aus Deutschland und der Schweiz (siehe Anhang) ist es, der Oö. Zukunftsakademie richtungweisende Impulse für ihre Arbeitsschwerpunkte und Themensetzungen zu geben. Das Rahmenthema „Zukunft Lebensqualität“ war auf Grund seiner Bedeutung für die gesamte oberösterreichischen Bevölkerung gewählt worden, da eine ganzheitlich verstandene Lebensqualität zunehmend als Schlüsselfaktor für die Positionierung von Regionen eingeschätzt wird und die Grundlage ist, auf der ökonomische Prosperität gedeihen kann. Denn wirtschaftliche Stärke muss unter längerfristigen Aspekten mit gesellschaftlicher und ökologischer Stärke einhergehen. Allgemeiner Tenor der fachlichen Diskussionen war, dass die Welt vor der Herausforderung einer großen Transformation steht, die auf Lebensqualität und wirtschaftliche Prosperität auf der Basis nachhaltiger Ressourcenschonung, solider Finanzen und wachstumsunabhängigerer wirtschaftlicher Stärke abzielen muss. Zukunftsarbeit müsse radikales offenes Nachdenken zulassen und ihren Adressaten ungewöhnliche Perspektiven zumuten. Denn Innovation und neue Lösungen entstünden gerade aus dem konstruktiven Umgang mit Polaritäten im Spannungsfeld widersprüchlicher Positionen – so eine Essenz der Zukunftsgespräche. Aus der Zusammenschau aller Impulse und Diskussionsbeiträge der Tagung lassen sich folgende große Denklinien erkennen: Zukunftschancen der Wertschöpfung liegen in der Verbindung von technologisch - wirtschaftlicher Innovation und geistig-kultureller Entwicklung Die intellektuellen, kulturellen und sozialen Faktoren der Wertschöpfung werden künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Zu ihnen gehören u.a. Interdisziplinarität, Bildung und Integration. Für Oberösterreich leitet sich daraus ab, dass in der kultur-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Begleitung des technischen Fortschritts große Chancen für die Positionierung der Region als "Forschungs – Kultur – Einwanderungsland" liegen. Wertschöpfung und Lebensqualität werden neu – über das BIP hinausgehend – zu definieren sein und auch dem Wandel der Arbeitswelt sowie der Vorsorge gegen neue Formen der Armut bzw. sozialen Ungleichheit Rechnung tragen müssen. Bildung ist ein zentraler ganzheitlichen Ansatz gesellschaftlicher Wert und erfordert einen Bildung ist ein gesellschaftlicher Wert und darf die Vermittlung von grundlegenden Lebenskompetenzen wie Denkfähigkeit, Weisheit, Werte, Kreativität, "soft skills", etc. angesichts der notwendigen Vorbereitung auf das Berufsleben nicht vernachlässigen. Junge Menschen müssen verstärkt motiviert werden, in Forschung und Wissenschaft zu gehen, Oberösterreich ist gefordert, sich als attraktives "vibrierendes" Land für junge Menschen aus aller Welt zu erweisen. Seite 2 von 14 Die Regionen müssen ihre Stärken erkennen und sich als offene, vernetzte Elemente der globalen Gesellschaft weiter entwickeln "Smarte" Einheiten, die erneuerbare, flächengebundene Ressourcen (z.B. nachwachsende Rohstoffe), neue Märkte sowie soziale Beziehung miteinander verknüpfen, werden Gewinner einer absehbaren Renaissance der Regionen sein. Voraussetzung ist allerdings, dass regionale Identitäten in Verbindung mit Weltoffenheit als Denkmuster in den Köpfen der Bewohnerinnen und Bewohner generiert werden und dass Regionen als Zentren des Lebens und Wirtschaftens mit zukunftsweisenden Funktionen neu erfunden werden. Zukunftsweisende Lebensqualität braucht zivilgesellschaftliche Mitgestaltung und Teilhabe Partizipation ermöglicht Lösungen neuer Qualität. Zivilgesellschaftliche Mitgestaltung bei richtungweisenden Entscheidungen verstärkt das gesellschaftliche Commitment für Zukunftsvisionen. Die Gestaltungskraft der Menschen kann dafür durch Transparenz, Ermutigung, kreative Gestaltungsräume und neue Beteiligungsformen aktiviert werden. Die Zukunft erfordert es insbesonders, bei jungen Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl der Zugehörigkeit zu wecken und zu stärken. Bürgergesellschaftliche Partizipation ist eine Herausforderung für die Weiterentwicklung der liberal-demokratischen Handlungsdemokratie von der europäischen bis zur regionalen Ebene. Die Zukunft verlangt Verteilungsfragen nachhaltige Antworten auf Ressourcen- und Lebensqualität kann unter Zukunftsaspekten nur im Sinne einer ganzheitlichen Prosperität gesichert werden, die den Umständen begrenzter stofflicher und energetischer Ressourcen, budgetärer Ausgeglichenheit und begrenzter Möglichkeiten des Einkommenswachstums Rechnung trägt. Je eher Lebensstile und Wirtschaftsweise diesen Umständen Rechnung tragen, desto besser kann es gelingen, wirtschaftlichen Erfolg und qualitätsvolle Arbeit zu gewährleisten und soziale Benachteiligung (z.B. Energiearmut) sowie gesellschaftliche Verteilungskonflikte zu vermeiden. Soziale Sicherheit soll im Sinne von "Flexicurity" (= Flexibilität + Security) auf der Basis von gesellschaftlicher Solidarität, angepasst an sich verändernde Arbeits- und Familienformen sowie an den demografischen Wandel gewährleistet werden. Innovation ist gefordert, High-Tech-Lösungen in Kombination mit ökologischer Eingepasstheit und Lebensqualität zu entwickeln. Erneuerung braucht attraktive Zukunftsbilder Veränderungen gelingen nur, wenn es Zukunftsbilder gibt, die attraktiver sind als die Abwehr, die mit jedem Veränderungsprozess einhergeht. Begeisternde Zukunftsbilder entstehen aus der Erfindung neuer Lebensstile und Lebensgefühle unter aktiver Beteiligung der Menschen. Sie bilden die emotionale Dimension einer zukunftsorientierten Gesellschaft und bestimmen maßgeblich den Deutungsrahmen, anhand dessen Veränderung als Chance oder Beängstigung gewertet wird. Seite 3 von 14 Positionen – Statements – Diskussionen Die Zukunftsgespräche wurden in vier Fokusrunden strukturiert, in denen jeweils mehrere Beiratsmitglieder ihre Thesen präsentierten ("Impulsgespräch"), die dann untereinander sowie mit dem gesamten Forum diskutiert wurden. Abschließend wurden die Ergebnisse der Themengruppen nochmals gesamthaft erörtert. Die inhaltlichen Schwerpunkte der vier Fokusrunden waren A) Bildung, Forschung und Humanressourcen B) Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Generationen C) Governance, Wirtschaft und Regionalentwicklung D) Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor Die folgenden Kapitel dokumentieren die wesentlichsten Eckpunkte des Gesprächsverlaufs in den einzelnen Fokusrunden. Die zusammengefassten Beiträge sind dabei nicht als "beschlossenes" Ergebnis sondern als Meinungsbild zu verstehen, das für die Arbeit der Oö. Zukunftsakademie sowie für die Leserinnen und Leser dieser Veröffentlichung von impulsgebendem Charakter ist. Allfällige von einander abweichende Positionen sind daher nicht als mangelnde Schlüssigkeit, sondern als Ausdruck der Multidimensionalität der Sichtweisen und Diskussionen zu interpretieren. Seite 4 von 14 Zusammengefasste Beiträge aus der Fokusrunde A „Bildung, Forschung und Humanressourcen“ Impulsgespräch: Prof.in Dr.in Johanna Forster, Prof. Dr. Reinhard Kannonier, Dr. Hans Schachl, Dr. Oskar Schachtner Zentrale Themen dieser Fokusgruppe waren: die Ausweitung des Begriffs der Wertschöpfungskette die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses die Schaffung eines durchkomponierten Lehr- und Lernsystems die Öffnung der Schulen als Bildungsplattformen die Anerkennung impliziter und autodidaktisch erworbener Kenntnisse Der primär ökonomisch belegte Begriff der „Wertschöpfungskette“ sollte über seine bisherige Konnotation hinaus auch um gesellschaftliche und kulturelle Aspekte (Bildung, Kunst, Kultur, Integration, Interdisziplinarität etc.) erweitert werden. Dies erscheint auch aus ökonomischer Sicht, beispielsweise unter den Aspekten der Qualifikation von MitarbeiterInnen oder der Standortfrage notwendig. In der Bildungsdiskussion ist von einem ganzheitlichen Bildungsbegriff auszugehen, der die Ausbildung von kreativen Fähigkeiten, selbstverantwortlichem Denken und Handeln, sozialer Kompetenz, Empathie, Toleranz etc. gleichermaßen berücksichtigt wie die kognitive und berufsbezogene Ausbildung. Bildung verstanden als Ausbildung greift zu kurz. Um heute und morgen erfolgreich zu sein, müssen Menschen nicht nur funktionsfähig sein, sondern auch Neues kreieren können - und dies nicht nur im engeren beruflichen Handeln. Dafür bilden aber die erstgenannten Kompetenzen die Grundlage. Entscheidend im Bildungsprozess ist die Frühförderung. Bildung muss bereits in der frühen Kindheit ansetzen, Exklusion davon führt zu einer Bildungskluft, die sich später kaum noch schließen lässt. Bildung ist nicht allein eine Institutionenaufgabe, sondern eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Angestrebt werden sollte ein „durchkomponiertes Lehr- und Lernsystem“ von der frühkindlichen Förderung bis zum tertiären Bildungssektor einschließlich der Erwachsenenbildung. Damit die Bildungsdiskussion nicht unter einer vielfach festzustellenden Ideologisierung leidet, ist eine Versachlichung der Debatte auf dem Boden gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse notwendig. Seite 5 von 14 Auch die Demographie lenkt den Blick auf das Thema Erwachsenenbildung im Zusammenhang des lebensbegleitenden Lernens. Dem infolge der Bevölkerungsentwicklung immer kleineren Anteil junger Menschen (fallende Zahl der unter Zwanzigjährigen), bzw. höheren Anteil älterer Menschen muss auch das Bildungssystem Rechnung tragen, indem es Angebote für die Bedürfnisse einer neuen Klientel (ältere Menschen) entwickelt. Bildungsprozesse finden auch außerschulisch, etwa in der Kinder- und Jugendarbeit, in Sportvereinen, im Theater u.ä. statt. Dieser non formale Aspekt von Bildung kann in Gestaltungsbereichen des Landes aufgegriffen werden. Bildungseinrichtungen sind gefordert, viel stärker die Lebenswelt mit einzubeziehen. Im Hinblick darauf könnten Schulen zu Bildungsplattformen geöffnet werden, an denen nicht nur institutionalisierte Lehrplanbildung stattfindet, sondern darüber hinausgehende Bildungsfunktionen realisiert werden. Die Möglichkeiten der Anerkennung von Wissen, Kenntnissen und impliziten Fähigkeiten, die außerhalb von Institutionen oder außerhalb Österreichs erworben wurden, erscheinen sowohl im Hinblick auf die Devise des „lebenslangen Lernens“ als auch im Hinblick auf die Kompetenzen der Migrantinnen und Migranten noch als mangelhaft. Es gilt, Institutionen zu schaffen, die die formale Anerkennung jener Kompetenzen, die Menschen im Leben erworben haben gewährleisten können. Die Bildungsthematik wurde aufgrund ihres übergreifenden Charakters auch in den anderen Fokusgruppen der Zukunftsgespräche (z.B. im Zusammenhang mit Bildungsvoraussetzungen für Partizipation) wiederholt angesprochen. Seite 6 von 14 Zusammengefasste Beiträge aus der Fokusrunde B Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Generationen Impulsgespräch: Prof. Dr. Bruno Buchberger, Mag.a Ingrid Kromer, Dr.in Beate Winkler, Prof. Dr. Ferdinand Reisinger, Dr.in Maria Fischnaller Zentrale Themen dieser Fokusgruppe waren: die Förderung von Veränderungsbereitschaft durch die Entwicklung von attraktiven Zukunftsbildern als emotionale Grundlage Gegensätze als Potenzial für kreative Lösungen und innovative Prozesse Die Entwicklung einer produktiven Konflikt- bzw. Streitkultur Die höhere Gewichtung von Implementierung bei Veränderungsprozessen Talente - Technologie - Toleranz ("3T"´s) als Erfolgsrezept die kultur- und geisteswissenschaftliche Begleitung des technischen Fortschritts Das klare Bekenntnis zu Einwanderung und Migration Die Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als Persönlichkeiten mit eigenem Recht und eigener Mächtigkeit. Zur Bewältigung mehrdimensionaler Krisenerscheinungen (Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Klimaproblematik, Energieverknappung, Nahrungsknappheit) erfordert Zukunftsfähigkeit vor allem Veränderungsbereitschaft. Veränderungen können aber nur dann gelingen, wenn Zukunftsbilder entworfen werden, die attraktiver sind als die Abwehrhaltungen, die mit den Veränderungen einhergehen. Diese Zukunftsbilder müssen unter einem ganzheitlichen Aspekt entworfen werden und mit positiven Lebensgefühlen verbunden sein, d.h. die Dimension der Emotionen produktiv aufgreifen. Problemlösungen, die den Fokus ausschließlich auf das Faktische legen, scheitern häufig. Ein Ansatz für die Verbindung von Zukunftsbildern mit Emotionen besteht in der Entwicklung von Lebensstilen (Lifestyles), was von der Werbewirtschaft seit langem aufgegriffen wird. Ein hochindustrialisiertes und hochtechnisiertes Land, das zugleich in Harmonie mit der Natur steht, wäre ein mögliches Leitbild für Oberösterreich. Auf kommunaler Ebene wurden bisher schon erfolgreiche Zukunftsbilder entwickelt, für die höheren gesellschaftlichen Ebenen fehlen bisher erfolgreiche Modelle. Es müssen Methoden für die Kreierung von Zukunftsbildern auf diesen Ebenen unter Einbeziehung von Beteiligungsformen entwickelt werden. Seite 7 von 14 Eine wesentliche Grundbedingung für den Zusammenhalt einer Gesellschaft ist eine produktive Konflikt- und Streitkultur. Widersprüchlichkeiten und Polaritäten sollen als Potential bzw. Spannungskraft für kreative Lösungen und innovative Prozesse aufgegriffen, anstatt auf Basis nicht hinterfragter negativer Emotionen gedeutet werden. Wie immer Lösungen aussehen, bedarf es künftig einer stärkeren Gewichtung der Implementierung. Im Regelfall werden derzeit bei Problemlösungen 70% der aufzuwendenden Energie für die Analyse eingesetzt, 20 % für die Lösung, aber nur 10% für die Implementierung. Die Implementierung erscheint als zu wenig gefördert, was z. T. auch für regionale Nachhaltigkeitsmodelle zutrifft. In Zukunft werden nach der Theorie von Richard Florida jene Gesellschaften und Wirtschaften erfolgreich sein, in denen sich die "3T´s" - Technologie, Talente und Toleranz optimal entfalten können. Für Oberösterreich als hochindustrialisierter und hochtechnisierter Wirtschaftsstandort können neue Chancen erschlossen werden, wenn die industriellen, technischen und wirtschaftlichen Prozesse kultur- und geisteswissenschaftlich begleitet werden. Die Wirtschaft braucht z. B. Know-how über die kulturellen Gepflogenheiten und geschichtlichen Gegebenheiten ihrer potenziellen Absatzmärkte. Neben dem Technologieaspekt fokussierte sich die Diskussion mit den Themen Migration und der Rolle von Kindern und Jugendlichen auch auf die beiden anderen „T´s“, die für Toleranz und Talente stehen. In wenigen Jahrzehnten ist zu erwarten, dass ein Viertel der oberösterreichischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweist. Durch die Migration wurde bisher in Österreich ein Bevölkerungsrückgang hintangehalten. Migration muss gesellschaftspolitisch als Faktum akzeptiert und im Hinblick auf erforderliche Maßnahmen in allen Bereichen "durchdekliniert" werden, indem die sich daraus ergebenden Herausforderungen und Gestaltungsschritte durchdacht und lösungsorientiert bewältigt werden. Die Offenheit dafür, die Zuwanderung als reale Chance zu begreifen ist eine Schlüsselherausforderung für die Zukunft. Hierbei geht es zum Einen um die Veränderung von Einstellungen und die Entwicklung eines positiven Deutungsrahmens für Zuwanderung, wozu es auch klarer politischer Impulse bedarf. Zwischen der Bewertung der Thematik durch die Bevölkerung bzw. Wissenschaft besteht eine Differenz. Das Migrationsthema wird dadurch einerseits vielfach allzu polarisierend und moralisierend abgehandelt, wobei andererseits zugleich vorhandene Konflikte nicht gelöst sondern umgangen werden. Lösungsansätze für Migrationsprobleme finden sich nur dort, wo es Integration gibt und Fremdenfeindlichkeit abgebaut werden kann. Zum anderen braucht es konkrete Anpassungsleistungen öffentlicher und privater Einrichtungen (z.B. Schule, Gesundheitswesen, etc.), um den Bedürfnissen der neuen Bevölkerungsgruppe(n) entsprechen zu können. Dabei ist es im Hinblick auf das ökonomische Potential der Immigranten auch wichtig, deren Qualifikationen in Wert zu setzen (z.B. anerkennen, Talente entwickeln, etc.) Die Rolle von Kindern und Jugendlichen erscheint in Österreich nach wie vor durch ein sehr paternalistisches Verständnis geprägt, sie werden vor allem als Familien- bzw. Haushaltsmitglieder gesehen und dadurch gesellschaftlich marginalisiert. Kinder und Jugendliche haben jedoch die gleichen Rechte wie Erwachsene, allerdings gebunden an spezifische Ansprüche. Aufgrund der Überalterung der Bevölkerung gilt es strukturellen Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. Seite 8 von 14 Die Zukunft erfordert es, insbesondere bei jungen Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl der Zugehörigkeit zu wecken und zu stärken. Es bedarf geeigneter Beteiligungsformen (Partizipation, Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten durch Teilhabe an öffentlichen Räumen), um die junge Generation in das gesellschaftliche Leben einzubeziehen. Notwendig wäre auch eine generelle Lobbytätigkeit für Kinder und Jugendliche, beispielsweise im legistischen Bereich in Form einer Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung oder durch die Umsetzung von sozialräumlichen und lebensweltlichen Konzepten. Österreich braucht eine Kindergrundsicherung unabhängig von Familienform, Elternerwerbsarbeit und Herkunft, da die staatlichen Transferleistungen nicht immer ihre beabsichtigte Wirkung für die Kinder und Jugendlichen zeigen. Auch müssten gesundheitsfördernde Maßnahmen für Kinder und Jugendlichen – etwa in den Bereichen Physio-, Ergo-, Logotherapie, Sozialpädiatrie, etc. - durch kostenfreie medizinische und therapeutische Angebote ausgebaut werden. Soziale Ungleichheit schadet einer Gesellschaft insgesamt, wird sie gemildert, profitiert davon die Gesamtgesellschaft. Seite 9 von 14 Zusammengefasste Beiträge aus der Fokusrunde C Governance, Wirtschaft und Regionalentwicklung Impulsgespräch: Dr. Peter Huber, Dr. Jürg Minsch, Prof. Mag. Dr. Reinhold Priewasser, Mag. Klemens Riegler-Picker, DI Günther Humer Zentrale Themen dieser Fokusgruppe waren: Partizipation als Innovationschance für die rechtsstaatliche Demokratie Ökonomische Alternativen in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums der Wandel der Arbeitswelt Chancen und Probleme der Regionalentwicklung Ausgangspunkt der Diskussion war das Erfolgsmodell der europäischen rechtsstaatlichen Demokratie mit ihrer sozialen Marktwirtschaft und ihrer lebendigen Zivilgesellschaft sowie dessen Erhaltung angesichts globaler und europäischer Krisen. Bei der zukunftsfähigen Weiterentwicklung dieses Gesellschaftsmodells kommt es auf die Designprinzipien einer lernenden Gesellschaft an: Reflexivität (z.B. Wahrnehmung von Problemlagen und Entwicklungschancen), Selbstorganisation und Kooperation, Konfliktregelungsmechanismen (für den vorausschauenden Umgang mit Interessenskonflikten), Innovation (Klima der Kreativität), Gesellschaftliche Selbstbeschränkung (Vorsorge für den Umgang mit absoluten Knappheiten). Die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an den gesellschaftlichen und politischen Prozessen stellt eine wesentliche Ergänzung der liberal basierten Demokratie dar. Direktdemokratische Mitbestimmung kann somit gleichermaßen als ein Bedürfnis der Politik als auch der sogenannten "Wutbürger" gesehen werden. Die Zivilgesellschaft braucht den Wandel von wohl informierten, jedoch politisch passiven Bürgerinnen und Bürgern hin zu Citoyens, d.h. zu aktiv und eigenverantwortlich am Gemeinwesen beteiligten Mitgliedern der Gesellschaft. Diese ist dabei auch gefordert, Widersprüche und gegensätzliche Positionen in einer Kultur des gemeinsamen Gestaltens und konstruktiven Streits zuzulassen, denn Konflikte sind der Normalfall der Politik. Es braucht in diesem Zusammenhang eine Begründungskultur und die Fähigkeit zur Akzeptanz von Meinungen und Entscheidungen, die vom eigenen Standpunkt abweichen ("überstimmt werden"), was auch eine Seite 10 von 14 Bildungsaufgabe darstellt. In diesem Sinne kann sich Europa als "immerwährendes Gespräch" (Minsch) darstellen. Die Herausforderung besteht darin, für eine Handlungsdemokratie auf höheren politischen und gesellschaftlichen Ebenen geeignete Modelle zu entwickeln (z.B. Initiativrecht der Bevölkerung). Die auf diesem Gebiet noch bestehenden Forschungslücken müssten methodisch aufgearbeitet werden. Partizipation spielt auch in der nachhaltigen Regionalentwicklung eine wesentliche Rolle. Die Beteiligungsprozesse wirken sich hier positiv auf das soziale Beziehungsgefüge aus und die Gemeinden gewinnen damit an politischer und sozialer Lebendigkeit. Im ländlichen Raum lässt sich heute eine wachsende Disparität hinsichtlich Wirtschaftskraft, Arbeitsmöglichkeiten und Infrastrukturausstattung gegenüber den städtischen Verdichtungsgebieten konstatieren. Bei einer weiteren Verschärfung drohen dem ländlichen Raum deutliche Entwicklungsdefizite und letztlich markante Verluste an Lebensqualität. Umgekehrt kann der ländliche Raum auch Wettbewerbsvorteile aufweisen, etwa die bessere Überschaubarkeit, Nähe, soziale Eingebundenheit oder Verfügbarkeit und Leistbarkeit von natürlichen Ressourcen (z.B. Wasser, Energie). Die ländliche Bevölkerung hat Visionen und Gestaltungswillen, was vielfach fehlt ist eine professionelle Begleitung dieser Initiativen. Entscheidend ist daher eine institutionalisierte Unterstützung regionaler Partizipationsprozesse. Da Regionen aus Denkmustern in Köpfen und nicht aus Linien auf Landkarten entstehen, gilt es jene Prozesse zu stärken, die Regionen auf Basis von Identifikation generieren. Ein wichtiger gesellschaftlicher Lernprozess ist der Umgang mit Knappheiten. Angesichts der globalen Entwicklungen werden wir Abhängigkeiten von Ressourcenverbrauch, Verschuldung und Wirtschaftswachstum verringern müssen, wobei wir die Wahl zwischen einem aktiven und einem reaktivem Modus haben. Die wesentlichen Erfordernisse werden im Endeffekt wohl ähnlich sein, ein aktives Handeln ermöglicht aber Lösungen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich von Vorteil sind. Dazu bedarf es attraktiver Visionen, die von der Bevölkerung verinnerlicht und getragen werden und die möglichst partizipativ erarbeitet werden sollen. Es gibt in Österreich wohl viele Potenzialstudien, aber wenig konsistent bearbeitete Zukunftsbilder. Oberösterreich soll den Mut zur großen Transformation in Richtung einer umfassenden Prosperität auf nachhaltiger Ressourcenbasis haben. Die Zukunft kann besser und schöner sein als die Welt heute, die Meisterung der Zukunftsherausforderungen bedingt aber eine lernende Gesellschaft. Im Zusammenhang mit der Definition und Messung von Wohlstand im Sinne der genannten "Prosperität" gilt es Alternativen zum BIP entwickeln, das kein zureichendes Wohlfahrtsmaß darstellt. Im Zusammenhang mit der Diskussion des BIP ist allerdings auch eine Antwort auf die zukunftsfähige Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme erforderlich, da deren Finanzierung auf Leistungen beruht, die im BIP zum Ausdruck kommen. Wir sollten uns die Frage stellen, wie sich durch Innovation Wachstum generieren lässt. Die Arbeitswelt ist seit etwa 15 Jahren einem dramatischen Wandel unterworfen, der sich mit den Schlagworten A-Typisierung, Dynamisierung und Flexibilisierung kennzeichnen lässt. Die junge Generation durchläuft untypische Erwerbskarrieren ("Generation Praktikum"). Die sozialen Sicherungssysteme entsprechen immer weniger dem fortschreitenden Wandel der Arbeitswelt, sodass wir gefordert sind, soziale Sicherheit verstärkt im Sinne von "Flexicurity" (Flexibilität + Security) zu begreifen. Angesichts der demographischen Entwicklung stellt die Erhöhung der Beschäftigungsquoten von Frauen und Älteren auf ein den gegenwärtigen europäischen Spitzenwerten vergleichbares Niveau eine Herausforderung dar, um der Arbeitskräfteknappheit entgegenzuwirken. Seite 11 von 14 Zusammengefasste Beiträge aus der Fokusrunde D Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor Impulsgespräch: Prof. Dr. Michael Narodoslawsky, Dr. Christian Plas, Prof.in Dr.in Angelika Zahrnt, Dr.in Reingard Peyrl Zentrale Themen dieser Fokusgruppe waren: die Auswirkungen der Ressourcenverknappung und des Ressourcenwandels auf Gesellschaft und Wirtschaft die Renaissance der Regionen der Wandel der Werte Der Ressourcenwandel wird das 21. Jahrhundert prägen. Das fossile, mineralische und nukleare Zeitalter geht zu Ende, und die Welt muss innerhalb der nächsten 2-3 Generationen auf erneuerbare Energie umsteigen. Dies zieht einschneidende wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale und politische Veränderungsprozesse nach sich. Die Entwicklung war bisher von Expansion gekennzeichnet, künftig wird es darauf ankommen, mit Restriktionen umgehen zu können, beispielsweise mit Energie- und Rohstoffknappheiten, einem abnehmenden Wirtschaftswachstum und ökologischen Problemen. Restriktionen lösen Ängste und Abwehrhaltungen aus, sie müssen jedoch nicht unbedingt negativ konnotiert sein und sollen vielmehr als Chance zur Entwicklung neuer Lebensstile, Business-Modelle, smart-solutions, etc. erkannt werden. Eine "große Transformation" bedeutet auch eine kulturelle und institutionelle Erneuerung. Ein Schlüsselfaktor ist die Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz. Für eine kleinteilige Energieeffizienz gibt es nach wie vor zu wenig Strategien und Anreizsysteme. Das Thema Kreislaufwirtschaft übersteigt zwar den Gestaltungsbereich eines Bundeslandes, jedoch können von hier aus Anstöße auf der staatlichen Ebene gegeben werden. Angesichts der Verteuerung der knapper werdenden Ressourcen werden verteilungspolitische und soziale Fragen an Bedeutung weiter gewinnen, da das Wirtschaftswachstum als Lösung nicht mehr ausreicht. Wie werden Einkommen und Arbeit so verteilt, dass soziale Exklusion vermieden und Lebensqualität gesichert werden kann? Seite 12 von 14 Die zu erwartenden segmentierten Arbeitsbiografien mit erwerbsfreien Phasen ("Arbeitslosigkeit") erfordern eine Befähigung der Gesellschaft, mit der dadurch zur Verfügung stehenden Zeit sinnvoll umzugehen: In Form von Bildungsphasen, in Form neuer Kombinationen von Erwerbsarbeit, Familienarbeit, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtlichen Tätigkeiten (da eine verstärkte Finanzierung von sozialen Diensten – Stichwort Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege - künftig nicht möglich sein wird) sowie in Form von Eigenleistungen und eigenem Können als ergänzende Alternative zur finanziell und ökologisch aufwändigen Konsumgesellschaft. Im Gefolge des Ressourcenwandels wird es zu einer Renaissance der Regionen kommen. Mit dem Bedeutungsgewinn der Flächenressourcen (da erneuerbare Ressourcen und Energie nur über die Fläche gewonnen werden können) gegenüber Punktressourcen (z.B. Bergbau, Bohrstation, Atomkraftwerk) wird auch eine verstärkte politische Bedeutung der Regionen auf Kosten der traditionellen Nationalstaaten einhergehen. Voraussetzung dafür ist, dass die Regionen als offene, aktive Einheiten in einem vernetzten Wirtschaftssystem agieren. Zur Nutzung begrenzter und zeitlich schwankender Ressourcen (wie es für erneuerbare Ressourcen, etwa Sonnenenergie, Wind, Biomasse udgl. typisch ist), ist nämlich eine Kooperation von Akteuren, die zugleich Produzenten und Konsumenten sind, erforderlich. Dies wiederum kann auch gesellschaftlich-politische Entwicklungen in Richtung Beteiligungsdemokratie bewirken, wobei die Frage offen ist, ob dieser Prozess einer Förderung bedarf oder zwingend eintritt. Der Ressourcenwandel und seine Auswirkungen führen auch zu einem Wertewandel. Die Werte Besitz und Sicherheit spielen bei Jugendlichen zunehmend keine Rolle mehr, weil sie vielfach nicht mehr vorhanden sind. Wir stehen am Übergang vom Eigentum zur Akzession, Potenziale (Besitz) werden durch Relationen ersetzt. Während heute Lebensqualität durch Kapital definiert wird, so könnte sie in Zukunft durch Relationen zwischen kleinen Gruppen und gesellschaftlichen Akteuren bestimmt werden. "Teilhaben", "vernetzt sein", "im Einklang stehen" ersetzen dann Werte wie Besitz, Macht und Sicherheit. Seite 13 von 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats: Prof. Dr. Bruno Buchberger (Hagenberg im Mühlkreis), Prof.in Dr.in Johanna Forster (ANDRAGO, München), Dr. Peter Huber (WIFO, Wien), Rektor Univ.-Prof. Dr. Reinhard Kannonier (Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz), Mag.a Ingrid Kromer (Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems), Dr. Jürg Minsch (minsch sustainability affairs, Zürich), Prof. DI Dr. Michael Narodoslawsky (TU Graz, ErzherzogJohann-Universität), DI Dr. Christian Plas (Denkstatt GmbH, Wien), Prof. Mag. Dr. Reinhold Priewasser (Johannes-Kepler-Universität Linz), em. Prof. Mag. Dr. Ferdinand Reisinger (Augustiner Chorherrenstift St. Florian), Mag. Klemens Riegler-Picker (Ökosoziales Forum, Wien), Rektor Dr. Hans Schachl (Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz), Dr.in Beate Winkler (BEPA – Bureau of European Policy Advisers) und Prof.in Dr.in Angelika Zahrnt (Rat für nachhaltige Entwicklung, Berlin) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Oö. Zukunftsakademie: DI Wolfgang Rescheneder, Dr.in Maria Fischnaller, DI Günther Humer, Univ.-Doz. Mag. Dr. Dietmar Kanatschnig, DIin Dr.in Reingard Peyrl, MAS, Mag. Dr. Oskar Schachtner , Dr. Hans Schratter sowie Präsidialdirektorin Mag.a Antonia Licka Moderator: Dieter Popp (FUTOUR – Umwelt-, Tourismus- und Regionalberatung GmbH & Co KG, Haundorf) Seite 14 von 14