4.12. Signalausbreitung am Membranmodell

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4.12 Signalausbreitung am Membranmodell
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4.12. Signalausbreitung am Membranmodell
Der Versuch wird seit Mai 2008 im Konstanzer Praktikum durchgeführt.1
An der Anleitung wird weiterhin gearbeitet.
Ziel
Es wird ein elektrisches Modell für eine Zellmembran aus RC-Gliedern aufgebaut und damit die räumliche Signalausbreitung und damit verbundene Verformung und Verzögerung
und Abschwächung elektrischer (Nerven-)Impulse untersucht.
Die Messung der zeitlich veränderlichen elektrischen Signale erfolgt mit Hilfe eines Oszilloskops. Der Umgang mit diesem wichtigen Messinstrument ist ein wesentlicher Teil des
Versuchs.
Die zu untersuchende Schaltung wird zu Versuchsbeginn selbst aus einzelnen Bauteilen
auf einem Steckbrett zusammengesteckt. Auch der Umgang mit diesem Hilfsmittel ist ein
Lernziel.
Hinweise zur Vorbereitung
Die Antworten auf diese Fragen sollten Sie vor der Versuchdurchführung wissen. Sie sind
die Grundlage für das Gespräch mit Ihrer Tutorin/Ihrem Tutor vor dem Versuch. Informationen zu diesen Themen erhalten Sie in der unten angegebenen Literatur.
• Was ist ein RC-Glied?
• Wie sieht der Auf- und Entladevorgang eines Kondensators aus?
• Wie ist eine Parallelschaltung aufgebaut, wie eine Reihenschaltung?
• Wie lautet das ohmsches Gesetz?
• Wie lauten die kirchhoffschen Gesetze?
Zubehör
• Digitales 4-Kanal-Speicheroszilloskop (z. B. Tektronix TDS 2004B oder TDS 2024B)
1
Die Idee zu diesem Versuch stammt von Dr. Heike Theyßen (damals Universität Düsseldorf, dann
Universität Dortmund) und wird an verschiedenen Orten in ähnlicher Weise durchgeführt. Die Versuchsanleitung wurde in weiten Teilen von Prof. Ilja Rückmann (Universität Bremen) übernommen und an die Konstanzer Realisierung des Versuchs angepasst. (Versuchsanleitung E19 Signalaus”
breitung am Membranmodell – RC-Schaltungen“ des Physikalischen Anfängerpraktikums der Universität Bremen.) Die Abbildungen 4.12.1 bis 4.12.3 stammen aus der Anleitung der Universität
Hannover.
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4. Versuche zur Elektrizitätslehre
• USB-Stick zum Speichern der Oszilloskop-Daten2
• digitaler Funktionsgenerator (GWINSTEK SFG 2110)
• Elektronik-Steckbrett mit steckbaren Drahtbrücken und BNC-Anschlüssen
• Kondensatoren und ohmsche Widerstände zum Aufbau eines RC-Netzwerks
– 8 Kondensatoren CM = 470 nF
– 8 Widerstände RM = 2200 Ω
– 8 Widerstände RL = 560 Ω
• LCR-Messgerät zum Identifizieren der Bauteile3
• 5 BNC-Kabel
Grundlagen
Membranmodell und Signalausbreitung
In diesem Versuch wird die Übermittlung von elektrischen impulsförmigen Signalen (Impulsen) durch Nervenzellen an einem Modell simuliert und deren passive Ausbreitung und
die damit verbundene Dämpfung und Verformung der Signale untersucht.
Abbildung 4.12.1.: Schematische Darstellung einer Nervenzelle.
2
Sie können auch Ihren eigenen USB-Stick zum Speichern verwenden, sofern er vom Oszilloskop erkannt
wird. Im Zweifelsfall lohnt sich ein Versuch.
Falls Sie zur Durchführung einen Stick ausleihen, übertragen Sie die Daten bitte zu Versuchsende
auf Ihren Laptop oder senden Sie sich die Daten über einen der AP-PCs zu und geben Sie den Stick
zurück, damit die nächste Gruppe auch arbeiten kann.
3
Das geht alternativ auch über die Aufschrift bei den Kondenstoren und den Farbcode bei den Widerständen.
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4.12 Signalausbreitung am Membranmodell
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Bei einer Nervenzelle nehmen die Dendriten Signale über Synapsen auf, im Axonhügel
(Bestandteil des Zellkörpers) werden diese Signale summiert und über das Axon weitergeleitet zu den Synapsen ander Nervenzellen. Auf den Dendriten und dem Zellkörper
breiten sich die Signale über kurze Strecken (mm-Bereich) passiv aus, während bei der
Ausbreitung der Signale über das Axon (bis zu 1 m) die Signale unterwegs regeneriert werden müssen. Man spricht hier dann von aktiver Ausbreitung, da eine Signalverstärkung
über die Erzeugung von sog. Aktionspotentialen erfolgt.
Abbildung 4.12.2.: Die Membran einer Nervenzelle ist ca. 7 nm dick und die Spannung
zwischen dem Innenraum und dem Außenraum beträgt ca. −70 mV.
Die Membran einer Zelle trennt das Innere der Zelle vom äußeren Bereich. Die Membran besteht aus einer Doppelschicht amphiphiler Moleküle, das sind Fettsäuremoleküle
(C–H Ketten mit einer substituierten hydrophilen Kopfgruppe). Zu beiden Seiten dieser
Lipid-Doppelschicht befindet sich Elektrolytflüssigkeit, also ein elektrischer Leiter. Die
Doppelschicht selbst ist im Vergleich dazu ein Isolator. Zusammen mit den Elektrolytflüssigkeiten wirkt sie deshalb elektrisch wie ein Kondensator mit der Membrankapazität
CM . Der Kondensator ist jedoch nicht perfekt, da einige ständig geöffnete Ionenkanäle
in die Membran eingebaut sind, damit Ionen ausgetauscht werden können. Deshalb muss
man in einem Modell zusätzlich zum Kondensator einen Parallelwiderstand, den sogenannten Membranwiderstand RM , berücksichtigen (siehe Abbildung 4.12.3).
Ein Stromfluss durch die Membran ändert die Spannung am Kondensator, also die Potentialdifferenz zwischen Innen- und Außenraum der Zelle. Diese Membranspannung wird
historisch in der Biologie als Membranpotential bezeichnet, obwohl diese Bezeichnung
physikalisch nicht korrekt ist. Die Kombination von Kondensator und Widerstand, in der
Elektrotechnik als RC-Glied bezeichnet, kann nun genutzt werden, um die passive Ausbreitung von elektrischen Impulsen über ein Membranstück zu simulieren und die damit
verbundene, auch zeitliche Veränderung der Impulse zu untersuchen. Die die zeitliche
Veränderung beschreibende Größe ist die Membranzeitkonstante τM , die sowohl von CM
als auch von RM abhängt.
Betrachtet man eine langgestreckte Zelle, so findet auch eine räumliche Ausbreitung der
Impulse längs der Membran statt. Die Bedingungen für die Ausbreitung im Innern und
außerhalb der Zelle sind jedoch verschieden, da der Elektrolyt im Innern einen wesentlich
geringeren Querschnitt als im Außenbereich hat. Deshalb hat der Elektrolyt im Innern
einen höheren elektrischen Widerstand, der bei Betrachtung der räumlichen Ausbreitung
der Impulse als Längswiderstand RL berücksichtigt werden muß. Da im Außenbereich
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4. Versuche zur Elektrizitätslehre
Abbildung 4.12.3.: Modell eines Membranabschnitts.
nahezu beliebig viel Elektrolyt zur Verfügung steht, kann der Widerstand im Außenraum
vernachlässigt werden. Der Längswiderstand hängt von Membraneigenschaften und vom
Durchmesser der Zelle (Leiterquerschnitt) ab und bestimmt die Reichweite der Ausbreitung der Impulse. Die Längskonstante beschreibt den Weg, nach dem die Impulsspannung
auf den Bruchteil 1e abgefallen ist. Im Versuch wird die Signalausbreitung entlang einer
Membran dadurch simuliert, dass mehrere Membranabschnitte durch Längswiderstände
RL verbunden werden, wie es in Abbildung 4.12.4 gezeigt ist. Der entsprechende biolo”
gische“ Abstand zwischen benachbarten Membranabschnitten beträgt etwa 0.5 mm.
Versuchsaufbau
Für den Versuchsaufbau stehen Ihnen ein Funktionsgenerator, ein Steckbrett, Laborkabel, die entsprechenden Kondensatoren und Widerstände, sowie ein digitales SpeicherOszilloskop zur Verfügung.
Der Funktionsgenerator kann Wechselströme unterschiedlicher Frequenz, Amplitude und
Kurvenform erzeugen. Wir betreiben ihn hier so, dass er kurze Strompulse erzeugt, wobei
wir vereinfachend annehmen wollen, dass während der Pulse annähernd ein konstanter
Strom fließt.4
Das Oszilloskop ist ein recht komfortables Messgerät für Spannungen, insbesondere, wenn
diese zeitlich veränderlich sind. Die im Praktikum eingesetzten Geräte ermöglichen au4
Das ist beim 50 Ω-Ausgang des verwendeten Gerätes im Zusammenhang mit unserer RC-Schaltung
und dem gewählten Frequenzbereich in der Tat näherungsweise erfüllt.
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ßerdem das Abspeichern der auf dem Bildschirm dargestellten Signalverläufe zur späteren
Auswertung.
Im Praktikumsversuch verwenden wir das in Abbildung 4.12.4 gezeigte RC-Netzwerk. Die
Werte der Bauteile sind so gewählt, dass ein Membranabschnitt des Modells etwa einer
Strecke von 0.5 mm auf einer Zellmembran entspricht.
Abbildung 4.12.4.: Schaltbild eines RC-Netzwerks als elektrisches Modell einer Zellmembran.
Versuchsdurchführung
Achtung: Alle Schaltungen bitte jeweils erst in Betrieb nehmen, wenn Sie von einer
Betreuerin/einem Betreuer überprüft worden sind!
Vorbereitung
1. Verbinden Sie mit dem BNC-Kabel (mit den zwei BNC-Enden) den Eingang des
Oszilloskops und den 50 Ω-Ausgang des Funktionsgenerators. Schalten Sie beide
Geräte ein und
2. Machen Sie sich mit der Bedienung des Funktionsgenerators und des Oszilloskops
vertraut. Verändern Sie das Signal, und versuchen Sie jeweils eine stabile übersichtliche Darstellung auf dem Bildschirm zu erzeugen.
3. Stellen Sie anschließend das Signal des Funktionsgenerators wie folgt ein:
Kurvenform
Amplitude
Frequenz
Duty-Cycle
Rechteck
5V
500 Hz
20 %
Notieren Sie die tatsächliche Amplitude (kann etwas von 5 V abweichen).
Nachdem Sie das Signal richtig justiert haben, entfernen Sie das BNC-Kabel wieder
von beiden Geräten und belassen des Weiteren alle Einstellungen am Funktionsgenerator so, wie sie sind.
4. Bestimmen bzw. kontrollieren Sie mit Hilfe der LCR-Messgerätes die Werte der
Widerstände und Kondensatoren, damit Sie die richtigen einbauen.
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4. Versuche zur Elektrizitätslehre
Teil 1: Auswirkung zusätzlicher RC-Glieder auf das Signal am ersten RC-Glied
5. Stecken Sie zunächst ein RC-Glied auf dem Steckbrett (Kontakte beachten, siehe
beiliegender Zettel) und kontaktieren Sie dessen Ein- und Ausgang mit zwei BNCKabeln, die Sie wieder an den Eingängen der beiden Geräte anschließen.
Hinweise:
• Die Anschlussdrähte der Bauteile nicht mit Gewalt in die Öffnungen stecken,
sonst werden die Kontaktfedern irreparabel beschädigt!
• Achten Sie darauf, dass zwischen den beiden Masseanschlüssen (blaues oder
schwarzes kleines Kabel am Ende des BNC-Kabels) kein Bauteil sitzt.
Nun sollten Sie auf dem Oszilloskop eine beginnende exponentielle Krümmung in
dem vorher eckigen Rechteckspannungspuls sehen.
Messen Sie die Amplitude des Pulses und die Pulsanstiegsdauer.
6. Bauen Sie nun die Schaltung komplett auf (alle acht Abschnitte) und speichern Sie
auf einem USB-Stick jeweils ein Bild für eins bis acht aktive“ Abschnitte. Achten
”
Sie dabei darauf, dass Sie das Signal so groß wie möglich darstellen, ohne für die
Auswertung wichtige Daten auszublenden.
Notieren Sie während der Messung jeweils auch die Amplitude und die Pulsanstiegsdauer für ein, zwei und acht RC-Glieder.
7. Stellen Sie nun das Oszilloskop so ein, dass Sie mindestens fünf Pulse sehen. Nehmen
Sie nun jeweils ein Bild für 20 % und 50 % Duty-Cycle mit 8 RC-Gliedern auf.
Teil 2: Messung der Pulshöhe und Pulsanstiegsdauer an verschiedenen RCGliedern
1. Stellen Sie den Duty-Cycle für die weitere Messung auf 20 % ein.
Messen Sie mit Hilfe des Oszilloskops erneut die Pulsanstiegs- und Pulsabfalldauer
am ersten RC-Glied.
2. Messen Sie mit dem Oszilloskop den Signalverlauf an den einzelnen Abschnitten des
Netzwerks.
Lassen Sie dabei das Signal am ersten RC-GLied auf Kanal 1 angeschlossen und
schließen Sie zusätzlich die Signale der RC-Glieder zwei, vier und acht auf den
anderen Kanälen an.5 Erstellen Sie ein übersichtliches Bild, das alle vier Signale
gleichzeitig zeigt. Notieren Sie für alle Signale die Pulshöhe und die Pulsanstiegsdauer.6
Dokumentieren Sie Ihre Messungen sowohl durch Speichern auf dem USB-Stick als
auch durch Handskizzen.
5
Sie können bis zu vier Signale gleichzeitig an die verschiedenen Kanäle des Oszilloskops anschließen
und gemeinsam darstellen.
6
Das Oszilloskop zeigt als Pulsanstiegsdauer das Zeitintervall für den Anstieg von 10 % auf 90 % des
Maximalwerts. Daraus können Sie die in der Physik übliche Anstiegsdauer von Null bis auf (1 − 1/e)
des Maximalwerts berechnen.
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3. Verändern Sie nun das Verhältnis von Puls und Pause so, dass Puls und Pause gleich
lang sind (Duty-Cycle 50 %). Nehmen Sie ein Bild auf, das den Puls am 1. und am
8. RC-Glied zeigt.
Beschreiben Sie die auftretenden Effekte. Warum ist diese Betriebsart für die Auswertung der Signale nicht so gut geeignet?
Abbildung 4.12.5.: Typisches Oszilloskopbild der Signale am RC-Netzwerk. Dargestellt
sind die Signale an den RC-Gliedern 1, 2, 4 und 8. Beachten Sie die
evtl. unterschiedlichen Skalierungen der einzelnen Kanäle.
Auswertung
1. Beschreiben Sie die Veränderung der Pulse entlang der Membran jeweils für Teil 1
und Teil 2 der Versuchsdurchführung:
a) Wie groß ist jeweils die Pulsanstiegsdauer von Null auf (1 − 1e ) ≈ 63 % an den
einzelnen Abschnitten des Netzwerks?
b) Wie groß ist jeweils die Signalamplitude an den einzelnen Abschnitten des
Netzwerks?
Fragen und Aufgaben
1. Beschreiben Sie die Funktionsweise eines Digitaloszilloskops und eines digitalen
Funktionsgenerators.
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4. Versuche zur Elektrizitätslehre
Literaturhinweise
Ein etwas weiterführender Artikel, in dem nicht nur ein Modell für die passive, sondern
auch für die die aktive Signalausbreitung vorgestellt wird, ist [BHW96].
Literaturverzeichnis
[BHW96] Bunton, P. H., W. P. Henry, and J. P. Wikswo: A simple integrated
circuit model of propagation along an excitable axon. Am. J. Phys., 64(5):602–
606, May 1996.
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