Ringvorlesung Einführung inpsychologische Grundlagen GeschichtederPsychologie Prof.Dr.LisavonStockhausen Literatur: Schmithüsen,F.&Krampen,G.(2015).GeschichtederPsychologie.InF.Schmithüsen (Hrsg.),Lernskript Psychologie. Springer-Lehrbuch, Heidelberg:Springer Gadenne,V.(2016).Seele.InM.A.Wirtz (Hrsg.),Dorsch – Lexikon derPsychologie.Abgerufen am01.09.2016von https://portal.hogrefe.com/dorsch/seele/ Schönpflug,W.(2004).GeschichteundSystematik derPsychologie (2.überarb.Auflage).Weinheim:Beltz Wie untersuchtmandieGeschichteeines Faches? • QuellenstudiumundhermeneutischeMethode - AnalysevonPrimär-,Sekundär- undTertiärliteratur;historischeEinordnung undInterpretationderQuelleninihremwechselseitigenBezug (hermeneutischerZirkel) • Archive,Museen - UntersuchungsapparatederfrühenExperimentalpsychologie(Universität Würzburg,DeutschesMuseum,München);Museen,diebedeutenden Persönlichkeitengewidmetsind • BefragungvonZeitzeugen 2 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen Wie untersuchtmandieGeschichteeines Faches? • Zeitreihenanalysen - ErmittlungzeitabhängigerhistorischerTrends(z.B.EntwicklungderSuizidalität anhandderAnalysevonSuizidraten;ForschungsthemenaufFachkonferenzen) • Bibliometrie - HerausarbeitenvonTrendsanhandvonPublikationsschwerpunkten - einschlägigeDatenbankenPSYNDEX(gesamtepsychologischeFachliteratur dtsch-sprachigerLänder)undPsycINFO (vorallemangloamerikanische Fachliteratur) ØFürALLEQuellengilt:Siesindselektiventstandenundhabenselektiv überdauert RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen 3 Wozu untersuchtmandieGeschichteeines Faches? • Ordnen - durchEinordnenindenhistorischenKontext • Korrigieren - welcheFehlerwurdengemachtundsolltennichtwiederholtwerden? • Perspektiveerweitern - WelcheSichtweisenwurdenschonaufThemeneingenommen(undkönntenauch aktuellweiterhelfen)? • Relativieren - Wasgabesschon?WelcheEntwicklungensindnichtneu,sondernWiederholungen? 4 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen PerspektivenderUntersuchung • Problemgeschichte - FokusaufbestimmtenKonzeptenunddemVerlaufihrerBehandlungüberdieZeit - inhaltsorientiertesVorgehen - inderPsychologierelevantbspw.Seele,Bewusstsein,Erleben/Verhalten,Leib-SeeleProblem,Anlage-Umwelt-Debatte • Ideengeschichte - wannentstandenwelcheIdeeninwelchenhistorischenKontexten - chronologischesVorgehen 5 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen ZentraleKonzeptederPsychologie • Seele - gr. ψυχή (psyche),lat.[anima],syn.Psyche,ursprünglichdaslebensspendendePrinzipimMenschen, auchdiedenLeibgestaltendeundbewegendeKraft - früheUnterscheidungzwischenmehrerenAspekten(denGeistbzw.Körperbetreffend) - inderzeitgenössischenPsychologiehatdasKonzeptkeineBedeutungmehr;Ablösungdurchden BegriffderPerson/Persönlichkeit,dermentalen/psychischenProzesse • Bewusstsein - UnmittelbaresGewahrseinunseresErlebens,FähigkeitzuIntentionalitätundReflexivität - ModelledesBewusstseinsunddesUnbewussteninverschiedenenForschungstraditionen (Psychoanalyse,Lern- undKognitionspsychologie–>SeminarAusgewählteForschungsbereicheder AllgemeinenPsychologie) 6 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen ZentraleKonzeptederPsychologie • ErlebenundVerhalten - GegenstandderPsychologie(alsWissenschaftdesErlebensundVerhaltens) - historischauchGegenstandmethodischerDiskussionen(WiekannErleben wissenschaftlichuntersuchtwerden?MüssenwirunsaufdasreinBeobachtbare beschränken(Behaviorismus)?KognitiveWendehinzumGescheheninder„black box“) • ZusammenhangzwischenGeistundKörper(Leib-Seele-Problem) - Dualismus,Parallelismus,Monismus - heutevorherrschendMaterialismus:alleseelischen(geistigen)Vorgängeletztlichauf körperlicheProzessezurückzuführen–>SeminarAusgewählteForschungsbereiche derAllgemeinenPsychologie 7 ZentraleKonzeptederPsychologie • AnlageUmweltDebatte - Nativismus:angeboreneFaktorenbestimmendieEntwicklungdes Menschen - Empirismus:alleindieErfahrungprägtdenMenschen - heutevorherrschendeSicht,dassInteraktionmaßgeblichist; SchwerpunkteaberinzahlreichentheoretischenAnsätzensichtbar,z.B. Behaviorismus,Kognitivismus,EvolutionspsychologischerAnsatz,etc. 8 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen SiebenEpochenderIdeengeschichteder Psychologie 1.ca.2000-500v.Chr. KonzeptderSeeleundpsychologischeFragenwerdeninReligionundMythologie behandelt(IdeenzurEntstehungderGötter,desWeltalls,desMenschen) 2.ca.500– 200v.Chr. ÜbergangvommagischenzumstärkerwissenschaftlichgeprägtenDenken; psychologischeFragestellungenwerdennunauchinPhilosophieundMedizin behandelt(z.B.LehredervierTemperamente/KörpersäftenachHippokrates, Elementenlehre nachEmpedokles;InduktionalsErkenntniswegbeiAristoteles, DeduktionbeiPlaton) 9 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen SiebenEpochenderIdeengeschichteder Psychologie 3.ca.200v.Chr.– 1600n.Chr. EntwicklungzurückzurMythologie;imMittelalterchristlicheDogmenlehreals zentralerLehrrahmen(GottesbestimmtheitdesMenschen;allesWissenstammtvon GottundkannnurdurchGottesnäheerreichtwerden);abdem11.Jh.mitder EntwicklungderScholastik(z.B.ThomasvonAquin)derVersuch,Erkenntnisseder AntikeundDogmenlehremiteinanderzuverbinden 4.ca.1600– 1900n.Chr. ZeitalterderAufklärungundderVernunft;AusdifferenzierungderWissenschaften, Vertrauen indieErkenntnisfähigkeit desMenschen;Rationalismus (z.B.Descartes, Spinoza,vonWolff)undEmpirismus (z.B.Hobbes,Locke,Hume)alswichtige Strömungen;PsychologienochkeineeigenständigeWissenschaft 10 SiebenEpochenderIdeengeschichteder Psychologie 5.Endedes19.Jh.:Gründungsphaseder Psychologie - ErnstHeinrichWeber(1851)sowieGustavTheodor Fechner(1860/1889),beideProfessoreninLeipzig, unternehmenzukunftsweisendeUntersuchungen zurSkalierungpsychischerEmpfindungen (Psychophysik) - 1875erhältWilhelmWundt,ebenfallsinLeipzig,den erstenLehrstuhlfürPsychologie(Begründungder SchuledesStrukturalismusundElementarismus) - SigmundFreudbeginntmitseinenArbeitenzur Psychoanalyse G.T.Fechner(1801-1887) E.H.Weber(1795-1878) W.Wundt(1832-1920) S.Freud(1856-1939) 11 SiebenEpochenderIdeengeschichteder Psychologie 6.ca.1900– 1940/60:Konsolidierung - PsychologieverankertsichalsWissenschaft;weitereUniversitätenrichten LehrstühlefürPsychologieein - EntstehungverschiedenerStrömungen/Schulen;nebenStrukturalismusund Psychoanalyse:Behaviorismus,Gestaltpsychologie,Funktionalismus, phänomenologischePsychologie - „JederhattenatürlichandereIdeen,kritisiertfleißigdieVorgängerundversuchte, bessereundpassendereErklärungsmodellefürdasFunktionierenvonMenschenzu finden“(S&K,2015,S.9) - keineIntegrationderverschiedenenAnsätze 12 SiebenEpochenderIdeengeschichteder Psychologie 7.seitca.1960:diemodernePsychologie - AuflösungdesSchulendenkens beiweiterhinbestehenden methodologischenundtheoretischenPräferenzen - Ausrichtungenteilweisenachwievorehernatur-,sozial- oder geisteswissenschaftlich(ZugehörigkeitzuverschiedenenFakultäten; VerleihungverschiedenerDoktortitel– Dr.phil.,Dr.rer.nat.,Dr.rer.soc.) 13 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • WilhelmWundtunterschieddiePsychologieinzweiTeilbereiche - experimentellePsychologie:dasIndividuum,derEinzelneals Forschungsgegenstand § MethodederIntrospektion(„eineetwashochtrabendeBezeichnungfür„Hinsetzenund Nachdenken“(S&K,2015,S.11))undexperimentelleAnordnungen,beidenenerdie TeilnehmendengenaunachihrenEmpfindungenbefragte - Völkerpsychologie:kulturelle,historische,sozialeBedingungen § heuteeherGegenstandderSoziologie,Anthropologie,aberauchderKulturvergleichenden- und Sozialpsychologie 14 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • GrundannahmendesStrukturalismusnach WilhelmWundt - Subjektivismus:AlleErfahrungensindsubjektiv - Elementarismus:DiePsycheistinEinzelteilezerlegbar - Sensualismus:EmpfindungensindderUrsprungvon DenkenundHandeln - Mechanismus:Annahmemechanischer Verarbeitungsprozesse;einzelneElementeverbindensich durchAssoziationzuKetten - dualistischerParallelismus:LeibundSeelesind voneinandergetrennteSysteme Abb.ausGoldstein,B.E.(2008).Wahrnehmungspsychologie(7.Auflage). Heidelberg:Spektrum. RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen 15 EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • SigmundFreudbegründetediePsychoanalyse - ArbeitmitPatienten,diekörperlicheBeschwerdenohne(damals)nachweisbare körperlicheUrsachehatten - StudienreisenzuJeanMartinCharcot,einemberühmtenPathologenundNeurologenin Paris,undzuHippolyteBernheim,NeurologeundPsychiaterinNancy;beidearbeiteten mitderMethodederHypnose - SchlussaufeinUnbewusstes,dasVerhaltenundErlebensteuert;wirdUrsachefür KrankheitausdemUnbewussteninsBewusstseingebracht,istderMenschgeheilt 16 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • PsychoanalysenachFreud - Unterscheidungvon3BereichenderPsyche § § § - dasBewusste:GegenstandimjeweiligenMomentimBewusstsein dasVorbewusste:GegenstandderzeitnichtimBewusstsein,aberjederzeitabrufbar dasUnbewusste:Informationennichtbewusstabrufbar;ZugangüberfreieAssoziationenoder Träume StrukturmodellderPsyche § § § Es:Lustprinzip;StrebennachdirekterTriebbefriedigung Ich:Realitätsprinzip;VermittlungzwischenEsundRealität,zwischenEsundÜber-Ich Über-Ich:Gewissen,Moralprinzip;RegelnundNormen,dieTeilderPersonwerden 17 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • BeitragzurMotivationspsychologie(TriebtheoriedesGefühlslebens)undzur Entwicklungspsychologie(PhasenlehredermenschlichenEntwicklung); schnelleinternationaleVerbreitung • Kritik - Konstrukteempirischkaumfassbar,starksubjektiveMethodik,Theoriesehrstark verallgemeinert - stößtWeiterentwicklung,bzw.EntwicklungalternativerErklärungenfürmenschliches ErlebenundVerhaltenan;setztImpulsefürdiePersönlichkeits-,Motivations-, EntwicklungspsychologieunddiePsychopathologie 18 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • Funktionalismus - entstehtinReaktionaufStrukturalismusundElementarismus - FragenachdemWarum(nichtnachdemWie?),derFunktion,der DynamikpsychischerProzesse - WilliamJamesalswichtigerVertreter,derdiePsychologieals Fachbereichanus-amerikanischen Universitätenetablierte - BehandlunglernpsychologischerThemenunddamitÜberleitungzum Behaviorismus § EdwardThorndikeformuliertdasGesetzdesEffektes:Hatineiner bestimmtenSituationeinebestimmteReaktionpositiveKonsequenzen, wirddieAssoziationzwischenSituationundReaktiongefestigt (d.h. Reaktionen,aufdieBefriedigung folgt,werden mit derSituationverknüpft undwahrscheinlicher) WilliamJames(1842-1910) 19 EdwardThorndike(1874-1949) EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • Funktionalismus - bringtdynamischeSichtweiseaufdiePsycheein - betontZielgerichtetheitvonDenkenundVerhalten;AbkehrvonUrsachen, dieinderVergangenheitliegen - zentraleBeiträgezumVerständnisdesLernens(GesetzdesEffektes) - FragenachderFunktionvonVerhaltenstelltzudemGeburtsstundeder Motivationspsychologiedar 20 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • Behaviorismus - entwickeltsichausdemFunktionalismusmitnochradikalerer SkepsisgegenüberSubjektivität;deutlicheAbgrenzunggegen StrukturalismusundPsychoanalyse - ExperimentalsmethodischerKönigsweg;nurBeobachtbaresund sinnlichWahrnehmbareskannGegenstandderForschungsein - inhaltlicherSchwerpunktsindLernprozesse,dieimRahmenvon Stimulus–Response–Theorienanalysiertunderklärtwerden - waszwischenSundRgeschieht,istTeilder„black box“undnicht GegenstandderForschung - zentraleVertreterJohnWatson,Burrhus F.Skinner,ClarkHull, EdwardTolman J.B.Watson(1878-1958) B.F.Skinner(1904-1990) C.L.Hull(1884-1952) E.C.Tolman (1886-1959) EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • Gestaltpsychologie - inReaktionaufElementarismus desStrukturalismus Ø DasGanzeistMEHRalsdieSummeseinerTeile;stattin Einzelteilezuzerlegen(denMenschenoderObjekte),mussdas Ganze,dieGestalt,indenBlickgenommenwerden - FormulierungvonGestaltgesetzen(1.DasGanzeistmehr...) - Anwendungauf § § § § Wahrnehmungsprozesse(z.B.MaxWertheimer) Einsichtslernen(WolfgangKöhler) ZusammenspielvonPersonundSituation(Feldtheorie;KurtLewin) Denkprozesse(u.a.OswaldKülpe;VorbereiterderkognitivenWende) 22 EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • Gestaltpsychologie - inReaktionaufElementarismus desStrukturalismus Ø DasGanzeistMEHRalsdieSummeseinerTeile;stattin M.Werteimer(1880-1943) Einzelteilezuzerlegen(denMenschenoderObjekte),mussdas Ganze,dieGestalt,indenBlickgenommenwerden - FormulierungvonGestaltgesetzen(1.DasGanzeistmehr...) - Anwendungauf § § § § Wahrnehmungsprozesse(z.B.MaxWertheimer) Einsichtslernen(WolfgangKöhler) ZusammenspielvonPersonundSituation(Feldtheorie;KurtLewin) Denkprozesse(u.a.OswaldKülpe;VorbereiterderkognitivenWende) W.Köhler(1887-1967) K.Lewin(1890-1947) O.Külpe (1862-1915) EingenauererBlickaufdie Schulenentwicklung • GeisteswissenschaftlichePsychologie - GegenbewegungzumElementarismus (wieauch Gestaltpsychologie) - KritikdesObjektivismus desBehaviorismus - NotwendigkeiteinesdeutendenverstehendenAnsatzes - GegenstandistdiePhänomenologiedesErlebensund Verhaltens;MethodeistdieHermeneutik - VertreterWilhelmDilthey(ErklärungpsychischerPhänomene ausihremKontextheraus),EdmundHusserl(Betonungdes K.Jaspers(1883-1969) subjektivenErlebensfürdieBeschreibungdesSeelischen), E.Spranger(1882-1963) 24 EduardSpranger,KarlJaspers E.Husserl(1859-1938) W.Dilthey(1833-1911) 10 1 Kapitel 1 t̓(FTDIJDIUFEFS1TZDIPMPHJF . Tab. 1.1 Übersicht über die verschiedenen Schulen der Psychologie. (Nach Bourne & Ekstrand, 1992; Krampen, 2006) Schule Vertreter Forschungsmethode Psychologische Fachbereiche Forschungsgegenstand Grundannahmen Strukturalismus/Elementarismus Wundt Introspektion, experimentelle Ansätze Völkerpsychologie, experimentelle Psychologie Wahrnehmung und Sinnesempfindungen Jede Erfahrung ist aus einzelnen Teilen zusammengesetzt. Psychoanalyse/ Tiefenpsychologie Freud Jung Adler Introspektion, Einzelfallanalyse Persönlichkeitspsychologie, Motivationspsychologie, Entwicklungspsychologie, klinische Psychologie Das Unbewusste, Triebe, Abwehr Verhalten und Erleben werden maßgeblich von unbewussten Inhalten gesteuert. Funktionalismus Dewey James Introspektion, Tierexperiment Lernpsychologie, Motivationspsychologie Lernprozesse, Assoziationen Denken und Verhalten erfüllen eine Funktion und sind ständiger Veränderung unterworfen. Behaviorismus Watson Skinner Hull Tolman Experiment Lernpsychologie, Methodik in der Psychologie Klassische und operante Konditionierung Menschliches Verhalten ist erlernt und lässt sich durch Reiz-Reaktions-Ketten erklären (S-R-Theorien). Gestaltpsychologie Wertheimer Köhler Lewin Külpe Experiment Wahrnehmungs- und Denkpsychologie Wahrnehmung, Gestaltgesetze Will man etwas über die Psyche herausfinden, muss man das Ganze in den Blick nehmen. Geisteswissenschaftliche Psychologie Dilthey Husserl Spranger Jaspers Hermeneutik Phänomenologie Menschliches Erleben (z. B. Gefühle) Um psychische Phänomene zu verstehen, ist ein deutender Ansatz nötig. 1.3.2 Schulen und Psychotherapieformen 25 KriseninderPhasederKonsolidierung 1.3̓t̓*EFFOHFTDIJDIUFEFS1TZDIPMPHJF 1. KriseumGegenstandundMethodender Psychologie Quantitative Methode Qualitative Methode Naturwissenschaftlich Geisteswissenschaftlich Partikulär Holistisch naturwissenschaftlicherAnsatz (Strukturalismus,Funktionalismus, Behaviorismus) Nomothetisch Idiographisch Laborstudien Feldstudien »Forschungsobjekte« »Forschungssubjekte« gestaltpsychologischerund geisteswissenschaftlicherAnsatz Reliabilität und interne Validität häufig gut Reliabilität und interne Validität oft fragwürdig Externe Validität häufig fragwürdig Externe Validität häufig gut Deduktiv Induktiv Erklären Verstehen • KarlBühler(1927)zurLagederPsychologie - - - . Tab. 1.2 Übersicht über die Gegensätze zwischen qualitativer und quantitativer Methodik. (Nach Bortz & Döring, 2006) Konfliktzwischenqualitativerundquantitativer Methodik,wenigganzheitlicheTheorienbildung 26 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen logie. 1927 setzte sich Karl Bühler mit dem damaligen Stand der Psychologie auseinander und fand zwei Pole in der Psychologie, die sich gegenüberstanden: Auf der einen Seite stand der naturwissenschaftliche Ansatz, der vom Strukturalismus, Behaviorismus und Funktionalismus vertreten wurde, und auf der KriseninderPhasederKonsolidierung 2.KrisedurchIdeologisierungdesFachswährendderNS-Zeit - NachderMachtergreifungdurchHitler,Entlassungs- undEmigrationswelle,die ForschunginvielenBereichenzumStockenbrachte - AusbauvonideologiekonformenInstitutenundFachbereichen § - Arbeits- undMilitärpsychologiesowiePädagogischePsychologiedienenideologischenZwecken (EntwicklungvonEignungsverfahrenfürdasMilitär,AusbauvonErziehungsberatungsstellen,um EinflussaufFamilienzunehmen) ErichJaensch1934im Kongressbericht derDeutschen Gesellschaft für Psychologie: § „Wir Deutschen standen anderthalb Jahrzehnte lang unter dem Druck einer Gewaltherrschaft,jaeines Terrors,dendievorwiegend jüdischen Gruppen,vondendamaligen Regierungen begünstigt,in unserem Fache ausübten.“(zit.nach Riedesser &Verderber,1985,p.66) 27 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen WaszeichnetdiemodernePsychologieaus? • Zeitabden1960/70erJahrenbringtpersonellenAufschwunginLehre, ForschungundAnwendungderPsychologieindenIndustrieländern • theoretischerPluralismus,AuflösungdesSchulendenkens ausderErkenntnis, dasskeineSchulealleinederKomplexitätvonErlebenundVerhaltengerecht wird • allerdingssindSchulenindenpsychotherapeutischenRichtungennoch deutlichsichtbar:Verhaltenstherapie,Tiefenpsychologie/Psychoanalyse, klientenzentrierte (humanistische)undsystemischeTherapie 28 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen WaszeichnetdiemodernePsychologieaus? • zunehmendeInstitutionalisierung(inVereinen,Gesellschaften, Interessensverbänden) • Ausbildungwirdanwendungsorientierter(AnwendungsfächerPäd.Psy., KLIPS,A&O),dieForschungspezialisierter(sichtbarbspw.inspezialisierten Fachzeitschriften) • inderForschungMethodenpluralismusmitDominanzder naturwissenschaftlichenimVergleichzurgeisteswissenschaftlichen Orientierung • hoheAkzeptanzinderGesellschaft 29 Fazit DiePsychologiehateinelangeVergangenheit,abernureinekurzeGeschichte. HermannEbbinghaus,1908 DiePsychologiehatnureinekurzeGeschichte,docheinelangeZukunft. WolfgangSchönpflug,2000 DiePsychologie istalsWissenschaftgutetabliertmiteinemklarenFächerkanon(–>Ringvorlesung) trägtzuzahlreichenanderenAusbildungs- undStudiengängenbei(anderUDEbspw. Lehramt,SozialeArbeit,Erziehungswissenschaft,Medizin) istinzahlreichenAnwendungsbereichenerfolgreich(–>Ringvorlesung) 30 RingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen