LERNZIELKATALOG 2014 für den QUERSCHNITTSBEREICH GESCHICHTE, THEORIE UND ETHIK DER MEDIZIN für STUDIERENDE DER MEDIZINISCHEN FAKULTÄT JENA (hier für 6. Semester: Geschichte der Medizin und Theorie der Medizin) Ziel der Lehrveranstaltungen Der Querschnittsbereich ”Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin” ermöglicht den Studenten die methodisch bewußte Durchdringung der Medizin als Wissenschaft und ärztliche Praxis mit den theoretischen und praktischen Komponenten des Gesundheitswesens auf historischer, philosophischer und ethischer, also theoretischer sowie sozialer und praktischer Grundlage. Sie begreifen die Medizin als Bestandteil der Kulturgeschichte und in engstem Zusammenhang mit der Entwicklung naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Die Veranstaltungen zur ”Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin” erscheinen bei der sehr naturwissenschaftlichen Ausrichtung der modernen Medizin damit als das einzige ”Fach”, daß sich natur-, geistes- und sozialwissenschaftlicher Methodik gleichzeitig bedient und historische, philosophische, ethische und religiöse Fragen im wechselseitigen Kontext beantwortet. Die Lehrveranstaltungen geben dem angehenden Arzt Orientierungswissen und das methodische Rüstzeug, um mit praktisch-ethischen Problemen seiner Tätigkeit, beispielsweise der Patientenführung, und mit wissenschaftlichen Theorien sowie Hypothesen, oder auch Spekulationen und unwissenschaftlichen Konzepten kritisch umgehen zu können. Leistungsnachweis Für den Nachweis der Leistungen im Querschnittsbereich sind die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen sowie die beiden schriftlichen Prüfungsklausuren (Geschichte und Theorie der Medizin, Ethik der Medizin) erforderlich. LERNZIELE: 1. Geschichte der Medizin (8 Doppelstunden) Das Ziel der medizinhistorischen Ausbildung ist nicht die Entwicklung der Medizin, ihre Vertreter und ihre Erfolge lückenlos aufzuzeigen sondern charakteristische Linien und Entwicklungen über die Jahrhunderte vorzustellen. Dabei muß die Medizin in ihrer Gesamtheit und als unabdingbarer Teil unserer Kultur- u. Alltagsgeschichte gesehen werden. Nur die Medizingeschichte, die von theoretischen u. ethischen Überlegungen nicht zu trennen ist, kann die Entwicklung der Medizin und ihrer Wirkungsgeschichte für die Gemeinschaft, das Sozialwesen und die anderen Wissenschaften methodisch darstellen u. auch die Wechselwirkung zwischen den TechnikNatur- u. Geisteswissenschaften (z.B. ionische Naturphilosophie, Aufklärung, romantische Medizin) herausarbeiten, ohne die eine medizinische Entwicklung schwer vorstellbar wäre. Die moderne Medizingeschichte thematisiert die medical humanities als Ergänzung zu den medical sciences und macht die Studenten, die sich naturwissenschaftlicher Methoden bedienen, mit den geistigen Aspekten des Arztberufes, der Medizin und des Gesundheitswesens bekannt. Durch die Vermittlung historischer Entwicklungen und Konzepte, darunter auch unterschiedlicher Krankheits- und Gesundheitstheorien, wird der Student für die geistigen Komponenten seines Faches sensibilisiert, in dem es immer um den Menschen geht. In diesem Sinne muß die inhaltliche Belegung die Medizingeschichte von den Anfängen bis ins 20. Jh. unter wissenschaftshistorischer, sozialer und ethischer Fragestellung gesehen werden. Am Ende der Vorlesungen sollten die Studenten Kenntnisse haben von: 1 Paläomedizin: Paläopathologie (Trepanationen, Wundbehandlung, frühe) Krankheitstheorien, magisch-animistische Medizin Medizin in den alten Hochkulturen: insbesondere Altägyptische Medizin, frühe medizinische Schriften und erste Ärzte in der ägyptischen Gesellschaft, Therapieformen, ImhotepHeilkult, Krankheitstheorien, (babylonisch-assyrische Medizin) 2 Antike Medizin: Medizin im antiken Griechenland und im Römischen Reich (Leistungen) - Asklepios-Heilkult und Heilhandlungen, Asklepieien - Wurzeln der wissenschaftlichen Medizin, ionische Naturphilosophie, Elementenlehre, Qualitätenlehre, Qualitätenpathologie, Krankheitstheorien, Theurgische Medizin, Humoralpathologie - Kurzcharakteristik der antiken medizinischen Schulen, Hippokrates und hippokratische Medizin, Enzyklopädisten, antike Mediziner wie Galen, Soran u.a. 3 Byzantinische Medizin, Arabisch-Islamische Medizin, altjüdische Medizin: (Leistungen) - die Phasen der byzantinischen Medizin und ihre Hauptvertreter - Rezeption und Kompilation des antiken Wissens - Zentren (Spanien, Vorderer Orient) und Vertreter der Arabisch-Islamischen Medizin wie z.B. Avicenna, Averroës, Abulkazim 4 Mittelalterliche Medizin des Abendlandes: (Leistungen der mittelalterlichen Medizin) - mittelalterliche Diätetik, Gesundheitserziehung, mittelalterliches Medizinalwesen - Monastische und Scholastische Medizin, Charakteristik der Medizinischen Ausbildung - Ärzte und Heiler wie z.B. Hildegard von Bingen, Rhabanus Maurus, Costantinus Africanus - mittelalterliches Hospitalwesen und Krankheiten, Heilhandlungen und Heilberufe - Gesundheits- und Krankheitskonzepte der Zeit 5 Medizin im 16. und 17. Jahrhundert: (Leistungen der Renaissancemedizin u. der Barockmedizin), naturwiss. u. philosoph. Grundlagen - Anatomie des Vesal, humanistische Botanik, Paracelsus, - Wundbehandlung und neue Chirurgie um Paré - Kontagienlehre, medizinisch-naturwiss. Entwicklungen im 17. Jh., Blutkreislauf W. Harvey, anatomische u. physiologische Entdeckungen u. Erkenntnisse der Zeit, experimentelle Medizin, (auch Helmont, Sydenham, Leeuwenhoek, Malpighi, Glisson, Sylvius) - Krankheitskonzepte, Systematisierungsversuche, Iatrochemie, Iatrophysik, Iatromechanik, 6 Aufklärungsmedizin, 18. Jh.: (Leistungen, Charakteristik) Gesundheitserziehung u. Medizin - Krankheits- und Gesundheitstheorien, insbes. Vitalismus und Lebenskraft, - drei große medizinische Systeme (Hoffmann, Stahl, Boerhaave) - Gesundheitserziehung, z.B. Frank, Mai, Hufeland, Pockenvakzination - die Leistungen der Älteren und Jüngeren Wiener Schule, Pariser Schule, Berliner Schule - Wiedervereinigung von Innerer Medizin und Chirurgie 7 Moderne: 19.-20. Jh.: (Leistungen) insbes. Medizinschulen/19. Jh.; Leistungen d. dt. Medizin - Modernes Krankenhaus, öffentliches Gesundheitswesen und Sozialversicherungswesen, Sozialgesetzgebung, Arzt und Patient, - experimentelle Medizin und Entwicklung der medizinischen Fächer, - Hygiene und Pettenkofer, von der Miasmentheorie zur Kontagienlehre, Bakteriologie, Physiologie, Virchow und die Zellularpathologie, Antisepsis und Asepsis, Anästhesie, - Diagnostik, Penicillin, Robert Koch und seine Entdeckungen, Färbemethoden u.a. 2. Theorie der Medizin (5 Doppelstunden) Der Abschnitt „Theorie der Medizin“ des Querschnittsbereiches vermittelt das methodische Rüstzeug um 1. den theoretischen Hintergrund der Medizin als Wissenschaft und ärztlicher Praxis zu begreifen incl. ihrer naturwissenschaftlichen, psychischen, sozialen und kulturellen Wurzeln, 2. das rationale bzw. wissenschaftliche Substrat von verschiedenen, aktuell vermittelten theoretischen Ansätzen und Hypothesen in der Medizin zu erkennen und für die Praxis zu beurteilen und 3. damit Geschichte und Ethik der Medizin wissenschaftlich zu reflektieren. Vorlesung Dialoge zwischen Fächern und Theorien [PD Dr. J. Kiefer] - Gesundheit u. Krankheit – Konzepte im Wandel, Gesundheits- und Krankheitstheorien - u.a. objektive und subjektive Einflüsse auf medizinische Theorien - Lebens- und Krankheitskonzepte des 18. Jahrhunderts, u.a. Vitalismus, Lebenskraft (Vorlesung Prof. Strauß) - Grundlagen der Wissenschaftstheorie (Positivismus, Konstruktivismus, kartesianisches vs. hermeneutisches Wissenschaftsverständnis) - Paradigmen in der Wissenschaft und Paradigmenwechsel - Grundprobleme der Medizin (das Beobachterproblem des Arztes; das Leib-SeeleProblem) - das biopsychosoziale Theoriemodell in der Medizin: das Modell des Funktionskreises und des Situationskreises - Erkenntnisprobleme in der Medizin und ihre Bedeutung für die diagnostischtherapeutische Interaktion - die Debatte um die Willensfreiheit in den Neurowissenschaften und in der Philosophie (Vorlesungen Dr. Schubert und Dr. Jaenisch werden nachgeliefert)