Thüringer Ratgeber für Ärzte Praxisleitfaden Suchtmedizin Suchtausschuß der Landesärztekammer Thüringen 2 Vorwort Der Mißbrauch der legalen Volksdrogen wie Alkohol und Nikotin hat gravierende Folgen. So zählt z. B. das Rauchen zu den Hauptursachen für die Entstehung des Kehlkopfkrebses und des Bronchialkarzinoms. An den Schulen wird Drogenhandel immer mehr zum Problem. Im Jahr 2001 sind in Thüringen 14 Menschen an Drogen gestorben, im Jahr davor waren es drei weniger. Das Landeskriminalamt geht von einer steigenden Nachfrage der Drogenkonsumenten in Thüringen aus. Aber nicht nur die illegalen Drogen gilt es, in den Blick zu nehmen. Der Praxisleitfaden Suchtmedizin wendet sich an alle Ärztinnen und Ärzte, insbesondere die Haus- und Kinderärzte, die häufig als erste Anzeichen für ein Suchtverhalten feststellen können. Sie sind eine wichtige Schnittstelle, an der durch Angehörige, Freunde, Arbeitskollege oder Lehrer behutsam eingegriffen werden kann. Der Praxisleitfaden soll Ärztinnen und Ärzten Mut machen und ihre Kompetenz stärken, Kranke auf ihre Sucht anzusprechen, und so die Ärzteschaft bei der Diagnose und Therapie von Suchtkrankheiten unterstützen. Dazu gibt der Leitfaden in einem allgemeinen Teil Hinweise zur Sucht als Krankheit, zu Fragen der Betreuung und zu Notfallsituationen, bevor dann in einem speziellen Teil auf die Abhängigkeit von Alkohol, Nikotin, Medikamenten und illegalen Drogen eingegangen wird. Es folgen Ausführungen zu Besonderheiten bei Patientengruppen wie Kindern, Schwangeren, älteren Menschen. Adressen zur Suchthilfe in Thüringen sowie zu einschlägiger Literatur ergänzen das praxisorientierte, gut aufbereitete Kompendium. Der Praxisleitfaden Suchtmedizin, erarbeitet vom Suchtausschuß, einem Gremium von Fachleuten der Landesärztekammer Thüringen, ist ein Beitrag der Thüringer Ärzteschaft, das Problem Sucht in unserem Bundesland besser in den Griff zu bekommen. Dafür möchte ich den Mitgliedern des Ausschusses, die den Leitfaden neben ihrer Haupttätigkeit als Ärztin oder Arzt für die Kolleginnen und Kollegen erstellt haben, herzlich danken. Wünschenswert ist, daß künftig alle gesellschaftlichen Kräfte noch besser ihr Potential zur Bekämpfung und auch zur Verhinderung von Suchtkrankheiten einsetzen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Professor Dr. med. Eggert Beleites Präsident der Landesärztekammer Thüringen Praxisleitfaden Suchtmedizin 3 Inhalt Einleitung Autorenverzeichnis 1. 4 5 Allgemeiner Teil 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Süchtige als Kranke verstehen Verdacht und Diagnose Motivierende Kurzintervention Einbeziehung nahestehender Personen Behandlung und Rehabilitation Betreuung von Suchtkranken und Betreuungsrechtliche Unterbringung 1.7 Rückfall und Neubeginn 1.8 Abstinenzunfähigkeit, wie weiter? 1.9 Prävention 1.10 Notfallmaßnahmen bei Suchtkranken 1. 11 Tabelle Notfallsituationen 2. Spezieller Teil – suchtbezogen 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Alkohol Nikotin Medikamente Illegale Drogen Nichtstoffgebundene Süchte 3. Spezieller Teil – patientenbezogen 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Sucht bei Kindern und Jugendlichen Sucht in der Schwangerschaft Sucht im Alter Suchtkranker Arzt Psychiatrische Komorbidität 6 6 8 10 11 13 15 16 17 17 19 20 26 29 36 40 41 44 46 50 52 Literatur 56 Serviceteil Wichtige Adressen Vertrauensärzte für suchtkranke Ärzte Hinweise und Richtlinien zur Fahrtauglichkeit bei Abhängigkeitserkrankungen Kurzfragebogen zum Medikamentengebrauch MALT (Münchner Alkoholismus-Test von Feuerlein) Hinweise bezüglich abstinenter Lebensweise (Merkblatt) 59 59 62 63 64 65 68 Stichwortverzeichnis 70 Praxisleitfaden Suchtmedizin Allgemeine Hinweise 4 Allgemeine Hinweise Der Thüringer Ratgeber für Ärzte „Praxisleitfaden Suchtmedizin“ richtet sich an Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen, die mit dem Thema „Sucht“ befaßt sind, soll aber auch die Arbeit anderer interessierter Institutionen unterstützen. Der Leitfaden soll außerdem ermöglichen, sich selbst eine persönliche Strategie aufzubauen, um bei einer entsprechenden Problemlage rasch imstande zu sein, Kontakt mit weiterhelfenden Institutionen oder Personen aufnehmen zu können. In den Textbeiträgen werden die wichtigsten Aspekte der Sucht beschrieben. Zusätzlich informiert der Leitfaden in einem Serviceteil über Entzugs- und Entwöhnungseinrichtungen und über Vertrauensärzte für suchtkranke Ärzte in Thüringen. Als Anhang liegen dem Serviceteil Hinweisblätter und Fragebögen für Patienten bei. Die Aktualisierung von Adressen und Texten können Sie von der Internetseite der Landesärztekammer Thüringen (www.laek-thueringen.de) herunterladen. Selbstverständlich erhalten Sie auf Anforderung die Aktualisierungen auch über die Geschäftsstelle der Landesärztekammer Thüringen. Sie als Nutzer des Leitfadens können ganz wesentlich zur Fortentwicklung des Ratgebers beitragen. Denn tatsächlich werden Sie nicht alles finden, was Sie suchen, und nicht alles in der Form, die Sie wünschten. Es ist eben ein typisches „Viel-Frauen-und-Männer-Werk“ mit zum Teil sehr persönlicher Diktion, Stilbrüchen durch Ergänzungen oder auch Enthaltsamkeiten, wo sich die Autoren bei umstrittenen Themen (z.B. zur medikamentösen Unterstützung in der Entzugsbehandlung) nicht zu einer dogmatischen Festlegung hinreißen lassen wollten. Auch trotz des Wissens um die aktuelle Nomenklatur der ICD-10 wollten wir praxisgängige Begriffe wie z.B. den des Medikamentenmißbrauchs (derzeit) nicht zwanghaft vermeiden. Die Autoren hoffen aber auf Ihre Meinungen, Ratschläge und kritische Auseinandersetzung mit der vorliegenden Arbeit zum Nutzen aller Kolleginnen und Kollegen. An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Projektbeteiligten für die Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken. Wir bitten die Anwender des Praxisleitfadens auch um Mitteilung geänderter Anschriften und Telefonnummern. Dankbar sind wir besonders für inhaltliche und konzeptionelle Änderungsund Ergänzungswünsche. Dr. med. Winfried Bertram Vorsitzender des Suchtausschusses Ansprechpartner in der Geschäftsstelle Dr. med. Christiane Becker Yvonne Brunnckow Telefon: 0 36 41/61 41 22 Fax: 0 36 41/61 41 19 Internet: www.laek-thueringen.de E-Mail: [email protected] Praxisleitfaden Suchtmedizin Autorenverzeichnis 5 Die Autorinnen und Autoren Dr. med. Hans Amlacher Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Sachverständigenbüro und Privatpraxis in Gera Dr. med. Ursula Bauer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Ruhestand – bis 2003 Klinikum der FSU Jena, Klinik für Psychiatrie Dr. med. Winfried Bertram Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Therapiezentrum Römhild, Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Dipl.-Med. Eva-Maria Burmeister Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Arztpraxis in Saalfeld Dr. med. Erhard Schäfer Facharzt für Allgemeinmedizin Arztpraxis in Erfurt Dr. med. Georg-Friedrich Ullrich Facharzt für Allgemeinmedizin Arztpraxis in Dresden Dr. med. Clemens Witzenhausen in Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie Ökumenisches Hainich Klinikum gGmbH, Klinik für Psychiatrie Praxisleitfaden Suchtmedizin Süchtige als Kranke verstehen 6 1. Allgemeiner Teil 1.1 Süchtige als Kranke verstehen Der suchtgefährdete oder suchtkranke Patient ist meistens ein schwieriger Patient. Er ist manchmal nicht besonders „wartezimmerfähig“ oder bringt den Stationsbetrieb durcheinander, er leugnet seinen Konsum, sieht seine Gefährdung oder Krankheit nicht ein, hält sich nicht an die Spielregeln, macht seinem Behandler Frust und Wut. Aber Sucht ist auch menschlich, Suchtkranke sind Heilbare, wenn man Abstinenz als Heil ansieht. Gelingt es uns, diesen Heilungsprozeß in Gang zu setzen und aufrecht zu erhalten, kann uns die Betreuung Suchtkranker berufliche Sternstunden bringen. Welche ärztlichen Grundhaltungen können die Behandlung (nicht nur) Suchtkranker leichter machen? - - - Wir fassen Sucht als Krankheit und den Süchtigen als Kranken auf. Die mit der Behandlung Suchtkranker verbundenen Schwierigkeiten und Rückschläge sehen wir als Teil dieser Krankheit an, d. h. für uns: nicht als Enttäuschung oder Niederlage, sondern als Herausforderung an unser ärztliches Handeln und unsere Geduld. Wir begegnen dem Suchtkranken auch in schwierigen Situationen mit Empathie, also unbedingter Wertschätzung, versuchen, seine Sichtweise nachzuvollziehen, seine Meinung, wenn nicht zu teilen, so doch zu respektieren, und gewinnen so vielleicht sein Vertrauen und im Lauf der Zeit auch seine Mitarbeit. Wir vereinbaren mit dem Suchtpatienten klare Regeln unserer Beziehung und schützen uns davor, ausgenutzt oder zur Aufrechterhaltung der Sucht mißbraucht zu werden. Nötigenfalls unterbrechen wir den Behandlungsprozeß, halten dabei aber unser Behandlungsangebot oder die Vermittlung an eine andere Behandlungsstelle auf jeden Fall aufrecht. Mit einem solchen Herangehen und dem nötigen fachlichen Wissen werden wir nicht allen, aber doch möglichst vielen Suchtkranken helfen können. 1.2 Verdacht und Diagnose Verdachtsmomente ergeben sich aus Verhalten und Befindlichkeitsstörungen des Patienten. Am Beispiel der Alkoholabhängigkeit wollen wir ein mögliches Vorgehen beschreiben. Praxisleitfaden Suchtmedizin Suchtkranke sind Heilbare Ärztliche Grundhaltungen Rückschläge als Herausforderung Empathie klare Regeln Verdacht und Diagnose 7 1.2.1 Verdacht „Trinken Sie Alkohol?“ – „Wenig:“ – „Ja, wieviel denn wirklich?“ – „Ach, ganz normal.“ - „Gut, was hatten Sie für Kinderkrankheiten? ...“ ist die Anamnese, um dem Alkoholproblem möglichst aus dem Weg zu gehen, denn wer läßt sich schon gern bloßstellen? Die Chance, halbwegs ehrliche Antworten zu erhalten, hängt sicher davon ab, die Fragen so zu verpacken, daß sie nicht sofort Abwehr und Widerstand beim Befragten auf den Plan rufen. Um eine evtl. Alkoholabhängigkeit zu erkennen, eignen sich zum Beispiel auch die Fragen des CAGE, die in die Anamnese eingebaut werden können: - Fragen des CAGE „Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, Sie müßten ihren Alkoholkonsum vermindern?“ (cut down) „Haben andere Personen Sie dadurch geärgert, daß diese Ihr Trinkverhalten kritisiert haben?“ (annoyed) „Haben Sie jemals Schuldgefühle wegen Ihres Alkoholkonsums gehabt?“ (guilty feelings) „Haben Sie jemals als erstes am Morgen ein alkoholisches Getränk getrunken, um Ihre Nerven zu beruhigen?“ (eye opener) Im Alltag neigen wir leider nicht selten dazu, uns dem Suchtproblem nicht zu stellen und den evtl. Verdacht sofort wieder fallen zu lassen, statt dessen die vom Patienten vorgebrachten Organbeschwerden (Kopf- oder Magenschmerzen, Platzwunde) sowie die von uns gefundenen Symptome (hoher Blutdruck, rote Nase, Gicht, Fettleber, Gamma-GT, MCV) mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten abzuklären und an der wahren Ursache vorbei zu behandeln. Für 30 % aller Hypertoniker soll das so oder ähnlich zutreffen. Das Suchtproblem hinter oder neben den aktuellen Beschwerden zu erkennen, dem geschöpften Verdacht nachzugehen und mit dem Patienten in der Praxis oder am Krankenbett ein vertrauensvolles Gespräch zu führen, muß nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, hilft aber weiter. Daß solch ein ärztliches Gespräch Wirkung hat, ist nachgewiesen. Dabei kommt es weniger auf die Fachrichtung an, sondern vielmehr darauf, sich als Arzt wirklich zuständig zu fühlen. 1.2.2 Diagnose geschöpftem Verdacht nachgehen vertrauensvolles Gespräch Nach ICD-10 werden bei den Störungen durch psychotrope Substanzen (F10-F19) u. a. der schädliche Gebrauch und das Abhängigkeitssyndrom unterschieden. Als Kriterien für die Abhängigkeit gelten: der starke Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen, des weiteren der Vorrang des Substanzgebrauchs vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen, eine Toleranzerhöhung und ein körperliches Entzugssyndrom. Praxisleitfaden Suchtmedizin Kriterien für die Abhängigkeit Motivierende Kurzintervention 8 Unter F63.0 wird unter den Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle auch pathologisches Spielen als nicht substanzbezogene Sucht klassifiziert. Komorbidität Bei Suchterkrankungen besteht häufig eine Komorbidität mit psychischen und somatischen Krankheiten (z. B. Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Neuropathien, Leberschäden, Hepatitis B und HIV). Unfälle, Intoxikationen und Suizidalität stellen gerade im Notfalldienst ein häufiges Problem dar. 1.3 Motivierende Kurzintervention Wir haben aus der Anamnese und den vorliegenden Befunden Anhaltspunkte gefunden, daß unser Patient ein Suchtproblem hat. Der Patient ist nicht vordergründig wegen des Suchtproblems bei uns, und wir sind auch nicht unbedingt Suchtexperten. Wir erkennen trotzdem unsere Zuständigkeit, denn wir haben den Schlüssel in der Hand, um die Tür, die zur Lösung des Suchtproblems unseres Patienten führen kann, aufzuschließen. Das erste Gespräch kann die Weichen stellen, also nehmen wir uns 10 Minuten Zeit und führen dieses Gespräch. Der Patient wird gewöhnlich mit Abwehr reagieren, wenn er auf sein Suchtproblem hin angesprochen wird. Wir versuchen, diese Abwehr zu verringern, indem wir dem Patienten mit Empathie begegnen, Vorwürfe und Abwertungen vermeiden, das Gespräch in einem ruhigen, verständnisvollen Ton führen. Für die Art und Weise, solche Gespräche zu führen, gibt es verschiedene Modelle, eines davon erscheint für die Praxis besonders geeignet: die für Alkoholabhängige entwickelte motivierende Gesprächsführung nach Miller und Rollnick. Dieser liegt ein mehrphasiges Verlaufsmodell der Motivationsbildung nach Prochaska und DiClemente und Davidson zugrunde. Damit also unsere Intervention nicht sofort an der Abwehr des Patienten scheitert, müssen wir zunächst behutsam herausfinden, in welcher Phase der Veränderung er sich befindet. Erst dann können wir das Gespräch phasenbezogen führen und tatsächliche Veränderungen in Richtung Abstinenz bewirken. Nach einem Stadium der Absichtslosigkeit können folgende Veränderungsstadien mit den dazugehörigen Interventionsschritten unterschieden werden: Das Stadium der Absichtsbildung: Der Patient nimmt Hinweise aus seiner Umgebung, daß er zu viel trinke, wahr, aber nicht besonders ernst. Er wehrt ab, bagatellisiert, rationalisiert und beginnt, lieber heimlich zu trinken. Veränderung in Richtung Abstinenz ist kein Thema. Vorwurfsfreie Kontaktaufnahme und Hilfe bei konkreten Problemen ermöglichen dem Patienten, überhaupt etwas Vertrauen in den Behandler zu setzen. Praxisleitfaden Suchtmedizin Zuständigkeit erkennen Suchtproblem, wie ansprechen? Interventionsschritte Absichtsbildung Motivierende Kurzintervention 9 Das Gespräch zielt auf die Erfassung der wirklichen Situation, die sachliche Information, möglicherweise bis hin zu einer Diagnose und den wahrscheinlichen Folgen fortgesetzten Konsums. Stößt man auf Abwehr, so ist das vielleicht ein Zeichen, daß man sich zu weit vor gewagt hat. Das Vorbereitungsstadium: Der Betroffene beginnt zu erkennen, daß er so nicht weitermachen kann. Er zieht Veränderungen in Erwägung, reagiert aber nach wie vor sehr abwehrend auf Vorhaltungen aus seiner Umgebung. Am Ende entscheidet er sich für die Veränderung. Das Gespräch wird emotionaler, Scham- und Schuldgefühle können abgebaut, Hoffnungen geweckt werden, daß Veränderungen möglich und lohnenswert sind. Verschiedene Behandlungsangebote werden aufgezeigt. Angehörige können evtl. in das Gespräch einbezogen und die Kontaktaufnahme mit Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen vermittelt werden. Vorbereitung Das Handlungsstadium: Jetzt faßt der Patient konkrete Entschlüsse, ergreift Schritte, um seinen Konsum zu reduzieren, sucht Rat und Hilfe, nimmt Behandlungsangebote wahr und wird abstinent. Der Veränderungswille des Patienten wird bestärkt, Ziele werden erarbeitet und konkrete Schritte in Richtung Behandlung vereinbart. Entgiftung und medizinische Rehabilitation fallen in diese Phase. Die Hintergründe, wie und warum es zur Abhängigkeit gekommen ist, kann man jetzt versuchen aufzudecken, um alternative Lösungswege finden zu können. Ressourcen des Patienten müssen aufgezeigt und entwickelt sowie sein verloren gegangenes Selbstvertrauen wieder aufgebaut werden. Ressourcen entwickeln Selbstvertrauen wieder aufbauen Das Stadium der Aufrechterhaltung der Abstinenz: Abstinenz Es gelingt dem Patienten, auch mit schwierigen Situationen sicher umzugehen und abstinent zu bleiben. Die Motivation zur Abstinenz ist nicht selbstverständlich, sondern muß immer wieder erneuert werden. Jeder Beratungsanlaß bietet hierzu eine Gelegenheit. Soziale und berufliche Rehabilitation sind jetzt möglich. Die Anbindung an eine Selbsthilfegruppe kann sehr hilfreich sein. Rückfallgefährdende Situationen und der mögliche Rückfall selbst müssen thematisiert werden, Handlungskonzepte erarbeitet und trainiert werden. Das Stadium des Rückfalls: Der Rückfall ist für den Patienten oft verbunden mit einer riesigen Enttäuschung sowie massiven Scham- und Schuldgefühlen. Möglich ist auch eine Flucht in die Selbsttäuschung, doch bei weitem nicht mehr soviel zu trinken, wie früher, womit eine neue Vorahnungsphase beginnen kann, sich der Kreis schließt und alles von vorn beginnt. Praxisleitfaden Suchtmedizin Rückfall Einbeziehung nahestehender Personen Der Rückfall bedeutet für viele Patienten eine schwere Krise, die aufgefangen werden muß. Bagatellisierung oder Dramatisierung sind fehl am Platz. Vorwurfsvolle „Warum?“-Fragen sind nicht hilfreich, wichtiger erscheint zunächst die Frage: „Wie weiter und zurück zur Abstinenz?“. Das Vertrauen des Patienten in die eigene Kompetenz muß gestärkt, Ressourcen müssen gefördert werden. Die Einbeziehung der ebenso betroffenen Angehörigen ist wichtig. Neue Ziele und Handlungsschritte müssen vereinbart werden. Manchmal muß der Behandler völlig von vorn beginnen und zunächst auch seine eigene Enttäuschung überwinden. Dieses Veränderungs- und Gesprächsmodell ist ursprünglich für Alkoholabhängige entwickelt worden, aber es läßt sich in der Praxis vielleicht auch auf Patienten mit anderen Suchtproblemen oder Erkrankungen übertragen, die eine Verhaltensänderung erforderlich machen. 10 neue Ziele und Handlungsschritte vereinbaren Beratung und Information nahestehender Personen 1.4 Einbeziehung nahestehender Personen Sofern der Patient noch nicht alle sozialen Bindungen verloren hat, lohnt es sich, die therapeutische Zweierbeziehung zu erweitern und nahestehende Bezugspersonen in den Behandlungsprozeß einzubeziehen. In der Praxis ist es oft auch nicht der Abhängige selbst, sondern ein vorwurfsvoller, besorgter oder unter der Belastung psychosomatisch erkrankter Angehöriger, der uns zuerst um Hilfe aufsucht. Heute leider selten sind es Arbeitskollegen oder Vorgesetzte, die sich ernsthaft um den Patienten bemühen und uns um Rat bitten. Nahestehende Personen brauchen möglichst umfassende Information und Beratung über das Krankheitsbild, Behandlungsmöglichkeiten und Prognose sowie über ihre Möglichkeiten der Mitwirkung im Prozeß der Therapie und Rehabilitation. Hierbei müssen nicht nur Schweigepflichtprobleme beachtet werden. Die ärztliche Schweigepflicht gilt ohne Befreiung auch für nahestehende Familienangehörige. Deshalb ist es wichtig, Gespräche zu dritt zu suchen, da die Skepsis des Patienten aus dem Weg zu räumen ist. Unverzichtbar für die erfolgreiche Therapie des Suchtkranken ist die Behandlung der Co-Abhängigkeit nahestehender Bezugspersonen. CoAbhängigkeit ist ein Verhalten nahestehender Personen, das zur Aufrechterhaltung der Sucht beim Patienten führt, z. B. des resignierten Ehepartners, der lieber jeden Tag die Flasche Schnaps in Kauf nimmt (oder kauft), als sich immer wieder mit dem Patienten auseinanderzusetzen, oder der sich schämt, fremde Hilfe hinzuzuziehen und die Suchterkrankung lieber kaschiert. Bezugspersonen brauchen geduldige Ermutigung, um ihre Co-Abhängigkeit aufzugeben und im Behandlungsprozeß konstruktiv mitzuwirken. Praxisleitfaden Suchtmedizin Möglichkeit der Mitwirkung aufzeigen Behandlung von CoAbhängigkeit nahestehender Bezugspersonen Behandlung und Rehabilitation Gerade in der hausärztlichen Betreuung wäre eine familienmedizinische Sichtweise zu wünschen, die einerseits die Rolle der einzelnen Familienmitglieder bei der Entstehung der Sucht sowie die Auswirkungen der Suchterkrankung eines Angehörigen auf den Rest der Familie einbezieht und andererseits die Möglichkeiten der Familie bei der Behandlung und Rehabilitation stärkt. 11 familienmedizinische Sichtweise 1.5 Behandlung und Rehabilitation Geht man vom oben genannten phasenbezogenen Veränderungsmodell aus, ergeben sich für den Behandler zahlreiche Entscheidungen bezüglich des Zeitpunkts und der Art und Weise von Interventionen, beispielsweise: - Kann ich die Behandlung allein bewerkstelligen, oder muß ich Beratungsstellen, Ärzte anderer Fachrichtungen oder weitere Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe hinzuziehen? - Kann der Patient ambulant „entgiftet“ werden, oder liegen Risiken vor, die einen stationären Entzug erforderlich machen? Welches ist die geeignetste Einrichtung für welchen Patienten? - Weil Sucht weit mehr ist als ein medizinisches Problem, ist die Vermittlung des Patienten an Beratungsstellen in der Regel sinnvoll und notwendig. Die Bearbeitung sozialer Probleme oder die Integration des Patienten in eine Selbsthilfegruppe kann gemeinsam mit einer Beratungsstelle viel besser geleistet werden. Dazu ist die Kenntnis der einschlägigen Einrichtungen vor Ort notwendig. Wünschenswert wäre ein gegenseitiger Abgleich des Behandlungskonzepts und ein fallbezogener Austausch von Informationen, sofern hierfür die Zustimmung des Patienten erreicht werden kann. Umgekehrt werden uns nicht selten Suchtpatienten, die über niedrigschwellige Angebote primär Kontakt mit der Beratungsstelle aufgenommen haben, von den Beratungsstellen zur Klärung medizinischer Probleme in die Praxen geschickt. Von Seiten der Kostenträger wird in Deutschland Behandlung von Suchtkranken üblicherweise mit Entzugsbehandlung („Entgiftung“), medizinische Rehabilitation mit Entwöhnung gleichgesetzt. Für die Entgiftung zahlt die Krankenkasse. Kostenträger für die Entwöhnung von erwerbsfähigen Patienten ist die Rentenversicherung (§ 15 SGB VI), bei Rentnern ist es die Krankenkasse (§ 40 SGB V); wenn alles nicht greift, ist das Sozialamt zuständig. Entwöhnungsbehandlungen müssen beantragt werden. Der Antrag des Patienten muß gemeinsam mit einem ärztlichen Bericht und einem Sozialbericht der Suchtberatungsstelle beim Kostenträger eingereicht werden. Die Zuständigkeit verschiedener Kostenträger und das lange Antragsverfahren führen dazu, daß zwischen Entzugsbehandlung und Entwöhnung in der Regel eine mehr oder weniger lange Zeitspanne liegt, die medizinisch nicht sinnvoll ist. Praxisleitfaden Suchtmedizin Einbeziehung anderer Einrichtungen Beratungsstellen Selbsthilfegruppen Entzugsbehandlung und Entwöhnung Behandlung und Rehabilitation Für Entzugsbehandlung stehen eine Reihe spezialisierter Kliniken zur Verfügung, die sogenannte „qualifizierte Entzüge“ anbieten, welche neben der eigentlichen Entgiftung die systematische Motivationsbildung zum Inhalt haben und den sonst üblichen Zeitrahmen von 14 Tagen übersteigen können. Trotzdem erfolgen die meisten Entgiftungsbehandlungen heute noch auf internistischen Allgemeinstationen, häufig auch auf allgemeinpsychiatrischen Stationen. Entzugsbehandlungen können, wenn keine besonderen Komplikationen zu erwarten sind, auch ambulant erfolgen. Eine ambulante Entzugsbehandlung bei Alkoholkrankheit sollte nur durchgeführt werden, wenn eine vertrauenswürdige Bezugsperson vorhanden ist und noch ein tragendes soziales Umfeld besteht. Des weiteren sollte eine gute Arzt– Patienten-Bindung bestehen und die Motivation eindeutig sein. Der Patient sollte sich täglich in der Praxis vorstellen, damit die Entwicklung einer schweren, ambulant nicht mehr behandelbar, Entzugssymptomatik rechtzeitig erkannt werden kann. Bei Drogenabhängigkeit ist eine ambulante Entzugsbehandlung wenig sinnvoll, da die Regel der Therapieabbruch ist. Gründe, die für eine Entzugsbehandlung unter stationären Bedingungen sprechen, sind zum Beispiel: hohes Risiko für schwere Entzugserscheinungen, insbesondere für epileptische Anfälle oder Delirien, schwerwiegende Begleiterkrankungen, vorangegangene erfolglose Entgiftungen oder die Notwendigkeit zur Distanzierung aus dem sozialen Umfeld. Die medizinische Rehabilitation erfolgt in den meisten Fällen in einer Fachklinik: für Alkoholabhängige über einen Zeitraum von 12 oder 16 Wochen, bei Medikamentenabhängigen von 4 bis 6 Monaten, bei Drogenabhängigen von 6 bis ca. 9 Monaten. Für geeignete Patienten gibt es inzwischen auch eine Reihe von Suchtberatungsstellen, die von den Rentenversicherungsträgern für die ambulante Rehabilitation Alkoholabhängiger (9 Monate) zugelassen worden sind. Sozial schwer geschädigte Patienten können nach der medizinischen Rehabilitation noch eine Adaptionphase in dafür geschaffenen Einrichtungen durchlaufen. Die Bestellung eines Betreuers oder die Aufnahme in eine beschützende Einrichtung (z. B. Betreutes EinzelWohnen für Abhängige) ist im Einzelfall ebenfalls möglich. Für nicht (mehr) entwöhnungsfähige Abhängige kann in der Regel über das Sozialamt ein Antrag auf eine 6monatige bis 2jährige soziale Rehabilitation in einem Sozialtherapeutischen Übergangswohnheim für Abhängige gestellt werden. Spezialbereiche für Pflegebedürftige und geschlossene Unterbringungsmöglichkeiten fehlen weitgehend im Netz der therapeutischen Zuständigkeit. Praxisleitfaden Suchtmedizin 12 qualifizierte Entzüge ambulanter Entzug Entzugsbehandlung unter stationären Bedingungen Medizinische Rehabilitation Adaption sozial schwer geschädigter Patienten Soziale Rehabilitation Betreuung von Suchtkranken und betreuungsrechtliche Unterbringung 13 1.6 Betreuung von Suchtkranken und betreuungsrechtliche Unterbringung Betreuung von Suchtkranken Voraussetzung für die Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 BGB ist, daß ein Volljähriger auf Grund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. allgemeine Voraussetzungen Eine Erkrankung oder Behinderung muß ursächlich sein für diese Unfähigkeit. Ein Antrag auf Betreuung kann nur vom Betroffenen selbst – und zwar auch dann, wenn er geschäftsunfähig ist – und von Amts wegen gestellt werden. Jeder Dritte (d. h. Angehörige, Nachbarn, Behörden, Gläubiger, Ärzte, Heimleitungen) kann eine Betreuung beim Amtsgericht anregen. Dieser Betreuungsanregung muß dann von Amts wegen, d. h. vom Gericht, nachgegangen werden. Eine weitere Voraussetzung für die Einrichtung einer Betreuung ist, daß andere Hilfen nicht ausreichend sind, z. B. soziale Dienste, Nachbarschafts- und Verwandtenhilfe, Bevollmächtigung, Behördenhilfe. Der Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Der Betreuungsumfang kann die Regelung rechtlicher und persönlicher Angelegenheiten, z. B. die Sorge für die Gesundheit, die Vermögenssorge, die Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche, die Vertretung vor Behörden und Institutionen, die Regelung von Wohnungsangelegenheiten und die Aufenthaltsbestimmung, ggf. auch die Unterbringung umfassen sowie unterbrinungsähnliche Maßnahmen, worunter beispielsweise die Verabreichung dämpfender Medikamente und Fixierung verstanden werden. Weiterhin wird vom Amtsgericht ein Sozialbericht der Betreuungsbehörde eingeholt, deren Aufgabe es ist, Kontakt zum Betroffenen und zu seinen Angehörigen aufzunehmen, einen geeigneten Betreuer für den Betroffenen zu ermitteln und mögliche geeignete Hilfen vorzuschlagen, die eine Betreuung gegebenenfalls überflüssig machen könnten. Subsidiarität der Betreuung Betreuungsumfang Aufgaben der Betreuungsbehörde Außerdem wird vom Amtsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt zur Frage der vorliegenden Gesundheitsstörungen und ihrer Auswirkungen auf die selbstbestimmte Regelung rechtlicher und persönlicher Angelegenheiten. Der Betreuer ist gehalten, die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen, wenn dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft. Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, kann das Vormundschaftsgericht einen Einwilligungsvorbehalt anordnen (§ 1903 BGB). Praxisleitfaden Suchtmedizin Einwilligungsvorbehalt Betreuung von Suchtkranken und betreuungsrechtliche Unterbringung Nach juristischem Verständnis im Sinne von § 1906 BGB war „Trunksucht“ bisher für sich allein betrachtet keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung, auf die die Bestellung eines Betreuers und die vormundschaftliche Genehmigung der Unterbringung gestützt werden konnte. Nach der Neufassung des Betreuungsgesetzes 1999 erfolgte eine Anpassung an die gegenwärtige medizinische Fachterminologie. Demnach werden Abhängigkeitserkrankungen jetzt auch juristischerseits als Ausdruck einer psychischen Krankheit begriffen. Unverändert rechtfertigen Suchterkrankungen allein jedoch nicht die Bestellung eines Betreuers. Voraussetzung ist nach neuem Recht, daß die Alkohol- und Drogenabhängigkeit entweder in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer geistigen Behinderung steht oder ein auf die Abhängigkeit zurückzuführender Zustand im psychischen Bereich eingetreten ist, der die Annahme einer zusätzlichen psychiatrischen Folgeerkrankung rechtfertigt. Es kommt insbesondere auch auf die Beeinträchtigung der Selbstbestimmung an. Diese Voraussetzungen können vorliegen bei: - Kombination von geistiger Behinderung und Suchterkrankung Kombination von Psychose mit Suchterkrankung Kombination von schwerwiegender primärer Persönlichkeitsstörung und Suchterkrankung – mit strenger Indikation Korsakow-Syndrom alkoholischer Demenz Persönlichkeitsdeprivation mit deutlich reduzierter Kritikfähigkeit als Folgeerscheinung der Suchterkrankung Betreuungsrechtliche Unterbringung Der Betreuer kann den Betroffenen freiheitsentziehend nur dann unterbringen lassen, wenn Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung zum Betreuungsumfang gehören und das Vormundschaftsgericht die Unterbringung genehmigt. Dafür ist außer, wenn Gefahr im Verzuge ist, eine erneute sachverständige Begutachtung erforderlich. Die Voraussetzungen für die Unterbringung sind im § 1906 BGB geregelt. Die Unterbringung ist nur solange zulässig, wie sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist. Voraussetzung ist, daß beim Betreuten auf Grund seiner psychischen Krankheit bzw. geistigen oder seelischen Behinderung Gefahr besteht, sich selbst zu töten oder sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zuzufügen, oder wenn eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig sind, die ohne Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden können und der Betreute auf Grund seiner Erkrankung oder Behinderung die Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht erkennen und/oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Praxisleitfaden Suchtmedizin 14 Betreuung für Suchtkranke Betreuung von Suchtkranken und betreuungsrechtliche Unterbringung Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn deren Voraussetzungen wegfallen. Die Unterbringung durch den Betreuer ist nicht erlaubt zum Schutz Dritter oder im öffentlichen Interesse, sondern lediglich bei Eigengefährdung und zur Heilbehandlung. Öffentlich-rechtliche Unterbringung Die öffentlich-rechtliche Unterbringung wird landesrechtlich in Thüringen mit dem Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker vom 2. Februar 1994 geregelt (ThürPsychKG). In diesem Gesetz sind die Voraussetzungen der Unterbringung ebenso geregelt wie vorbeugende Maßnahmen, um eine Unterbringung zu vermeiden, sowie die Rechtsstellung und Betreuung des Betroffenen während der Unterbringung. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist in jedem Falle anzuwenden bei Fremdgefährdung und bei öffentlichem Interesse. Die Voraussetzung und der Zweck der Unterbringung sind in § 6 des Thüringer PsychKG geregelt. Es kommt hier nur eine Unterbringung bei Selbst- und Fremdgefährdung in Frage, wobei diese Gefährdung erheblich sein muß und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann als durch eine Zwangsmaßnahme. Weiterhin ist eine öffentlich-rechtliche Unterbringung möglich, wenn der bisherige Verlauf der Krankheit erkennen läßt, daß ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder jederzeit damit gerechnet werden kann. Der Antrag ist durch den zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst zu stellen. Dieser kann auch nach § 8 des Gesetzes eine vorläufige Unterbringung für 24 Stunden veranlassen. Nach diesem Zeitpunkt ist eine amtsgerichtliche Entscheidung erforderlich. Die fehlende Behandlungsbereitschaft rechtfertigt für sich allein keine Unterbringung. Es gibt auch keine öffentlich-rechtliche Unterbringung zur Heilbehandlung. Bei nicht behandlungswilligen Patienten ist es empfehlenswert, den Sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten. Die Rettungsleitstellen verfügen in der Regel über die Dienstpläne der Amtsärzte und/oder Sozialpsychiatrischen Dienste (SPDi) des entsprechenden Landkreises. 1.7 Rückfall, Neubeginn In der täglichen Praxis gehören wie im o. g. phasenbezogenen Veränderungsmodell Rückfälle zum Verlauf. Nicht jeder „Ausrutscher“ muß zum Vollbild eines Rückfalls führen, schon gar nicht die unbewußte Verletzung des Abstinenzgebots durch ein paar Spritzer Worcester-Sauce, von der der Patient drei Tage später erfährt, daß sie Alkohol enthalte. Rückfälle kann man auch herbeireden, man kann sie bagatellisieren oder dramatisieren. Praxisleitfaden Suchtmedizin 15 Rückfall, Neubeginn Vielleicht können wir Rückfälle auch vermeiden, indem wir mit unseren Patienten rückfallgefährdende Situationen besprechen und gemeinsam nach möglichen Strategien suchen, z. B.: - 16 Rückfälle!? Wie antworte ich clever, wenn mir in dieser oder jener Situation jemand etwas anbietet? Wie gehe ich souverän damit um, wenn mich jemand wegen meiner Abstinenz verspotten will? Wen kann ich anrufen, damit ich den Saufdruck wieder loswerde, wenn er mich packen will? Wie ziehe ich mich aus der Affäre, wenn ich vor dem Schnapsregal oder in der Kneipe weiche Knie bekomme? Was mache ich, wenn mir doch ein Ausrutscher passieren sollte, um schnellstmöglich wieder trocken zu werden? Ein stattgefundener Rückfall soll ausführlich besprochen werden. Kurzrückfälle („Ausrutscher“) können ambulant (wie oben bereits erwähnt) behandelt werden. Schwerwiegende Rückfälle sollten in der Klinik betreut werden. 1.8 Abstinenzunfähigkeit, wie weiter? Trotz aller Bemühungen wird ein Teil der Patienten das Ziel, abstinent zu werden, in einem absehbaren Zeitraum nicht erreichen. Dann von Abstinenzunfähigkeit zu sprechen, ist eigentlich nicht gerechtfertigt, wenn man bedenkt, daß selbst hoffnungslos geglaubte Patienten nach der x-ten Intervention doch irgendwann zu der Erkenntnis gekommen sind, ihr Verhalten zu ändern, und es dann geschafft haben, abstinent zu bleiben. Dauerhafte Abstinenz gilt als das ideale Ziel suchtmedizinischer Intervention. Die Möglichkeit der Rückkehr zum kontrollierten, besser sozial angepaßten, Konsum wird kontrovers diskutiert. Da Abstinenz in der Regel erst nach einem mehr oder weniger langen Zeitraum zu erreichen sein wird, ordnen sich dem Abstinenzziel eine Reihe weiterer Interventionsziele unter. Das sind im Sinne einer Hierarchie der Interventionsziele: - Sicherung des Überlebens - Sicherung des möglichst gesunden Überlebens - Reduzierung des Suchtmittelkonsums - Umstieg auf weniger gefährliche Suchtmittel - Vermeidung von Delinquenz - Bewahrung von sozialen Bindungen, sofern sie den Ausstieg erleichtern - Bewahrung von Wohnung oder Arbeitsplatz - Sicherung des Lebensunterhalts - Aufrechterhaltung des Kontakts mit dem Patienten Praxisleitfaden Suchtmedizin Abstinenzunfähigkeit Abstinenzziel Hierarchie der Interventionsziele Abstinenzunfähigkeit, wie weiter? Wir haben folglich bei dem aktuell nicht abstinenzfähigen bzw. -bereiten Patienten die Möglichkeit, unsere Intervention dem momentanen Ziel anzupassen, ohne das Abstinenzziel aus den Augen zu verlieren. Gerade im hausärztlichen Bereich werden wir immer Patienten haben, die alle Stufen des Systems der Suchthilfe durchlaufen haben und nicht abstinent geworden sind, aber trotzdem medizinische oder soziale Hilfen im Sinne von Schadensbegrenzung benötigen. 17 Suchthilfe im Sinne von Schadensbegrenzung 1. 9 Prävention Auch wenn wir in Arztpraxen und Kliniken vorrangig kurative Medizin betreiben, haben wir doch auch Möglichkeiten, in bezug auf Suchterkrankungen präventiv wirksam zu werden. - primär z. B. durch Information und Stärkung der Kompetenz von Eltern, Jugendlichen oder Schwangeren - sekundär z. B. durch Fragen zum Suchtmittelkonsum, die Information über schädlichen und risikoarmen Konsum und die Motivation zu einer evtl. Verhaltensänderung - tertiär z. B. in der Betreuung Suchtkranker im Sinne der Rückfallprophylaxe oder der Begrenzung von Folgeschäden. Über die Grenzen unserer alltäglichen Arbeit hinaus gäbe es vielfältige Möglichkeiten gruppen- oder gemeindebezogener Prävention in der Zusammenarbeit z. B. von Ärzten, Suchtberatungsstellen, Schulen und Kommunen, deren möglicher Nutzen leider kaum erkannt und noch weniger honoriert wird und für die im Arztalltag kaum Zeit zur Verfügung steht. Trotzdem gibt es hierfür selbst in Deutschland bemerkenswerte und gut evaluierte Beispiele. 1.10 Notfallmaßnahmen bei Suchtkranken Notfallmaßnahmen sind erforderlich, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand vorliegt oder wenn erkennbar ist, daß eine gesundheitliche Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand einmünden kann. Bei Suchtkranken betrifft dies insbesondere: - Opiat- und Mischintoxikationen Alkohol-, Medikamenten- und sonstige Drogenintoxikationen oder (Verdacht darauf) mit der Gefahr von Atemlähmung, Kreislaufversagen und Bewusstseinsstörung Prädelirante und delirate Zustände z. B. Alkoholdelir unklare Verletzungen bzw. Schädelverletzungen bei Suchtkranken aufgrund Gefahr einer Hirnblutung (Gerinnungsstörung infolge Leberschädigung) epileptische Anfälle im Entzug oder bei Intoxikation von Suchtmitteln; aggressives, eigen- und fremdgefährdendes Verhalten Praxisleitfaden Suchtmedizin Beispiele für Prävention Notfallmaßnahmen bei Suchtkranken Für die Feststellung der Gewahrsamstauglichkeit und bei Anliegen der Polizeibehörde oder wenn der Betroffene einer Untersuchung bzw. Behandlung freiwillig nicht zustimmt, aber nicht akut vital bedroht ist, ist der amtsärztliche und sozialpsychiatrische Dienst zuständig. Ein entsprechender Dienstplan liegt bei den Rettungsleitstellen vor, die verpflichtet sind, in diesen Fällen den amtsärztlichen Dienst zu benachrichtigen. In allen anderen Notfällen ergibt sich die Zuständigkeit für den Rettungsdienst gemäß dem Indikationskatalog für Notärzte. Die Patienten sind insbesondere bei unklarer Anamnese unverzüglich in das nächstgelegene Krankenhaus mit der entsprechenden Möglichkeit der Notfallversorgung einzuweisen (Opiatintoxikationen bedürfen einer 24stündigen Intensivüberwachung). Praxisleitfaden Suchtmedizin 18 Notfallsituationen 19 1.11 Notfallsituationen Giftnotruf: 0361- 730730 (Bei Intoxikationen 5-Finger-Regel: Vitalfunktionen - Detoxikation - ev. Antidot-Asservierung-Transport) Intoxikationen SubstanzGruppen- Leitsymptome exitat.→ hypnot./narkot. Stadium (Gesichtsröte, Pupillenstarre, Erbrechen Atmung ↓, Puls ↑, Reflexe ↓) → asphykt. Stadium (int./chirurg. Komplikationen) Alkohol Sofortmaßnahmen Entzugs-Syndrome (relative Notfälle) Leitsymptome Maßnahmen Vitalfunktionen! – Infusion BZ! (Hypoglykämie?) (ev. Physostigmin – s.GHB) b. Erregung ev. Haloperidol (2,5 – 5 mg im.) RR ↑, Puls ↑, sonstige. vegetat. Sy.- epileptische Anfälle, Bewußtseinstrüb. mit Desorientier., Halluzinat. AES I-II: Carbamazepin 200 – 300 mg ev. Clonidin 0,075 mg Delir.trem.:Clomethiazol (2 Kps. od. 12 ml) od. Diazepam/Haloperidol je 1 Amp. im. /iv. → m. RD in Psychiatrie.! vegetat. Sy., Angst, spez. Perzept. –Störung Delir, mnest. Störungen epileptische Anfälle Clonazepam 0,5 – 1 mg p.o. od. Carbamazepin (200 – 300 mg) Übersedierung, Bewußtseins. ↓, Atmung ↓ , RR ↓, Muskelrelax. m. Stürzen, Ataxie Fehlhandl. m. anterograd. Amnesie Benzodiazepine, Zolpidem, Zopiclon Barbiturate, sonstige Hypnotika u. Sedativa Antihistaminika Doxepin SchnüffelStoffe Opiate Vitalfunktionen → ITS Carbo medicin.; (ev .Flumazenil – initial 0,2 mg iv./max. 1 mg) cave: epil. Anfälle b. Abhäng. Vitalfunktionen – Infusion – BZ Bewußtseins. ↓ → Koma – Ataxie, Unruhe, epil. Anfälle, Rhythmusstör.- – neurolog. Status ↓/keine Reakt. auf Schmerzreize. Noteinweisung auf ITS Schock u./o. Atemdepress., Aspiration (ev. Magenspül. → Carbo medic., Na-Sulfat (Rhabdomyolyse m.Nierenversag.) b. Phenobarbital forc. alkal. Diurese) zentr. anticholinerg. Syndrom aromat. Geruch – Ataxie, Dysarthr. frische Luft – (Atemspende)/ O2 KL-Stützung – ev. Haloperidol Mydriasis, Halluzinat., Erreg. → Atemdepress., Narkose-Stadien 2,5 mg im. (∅ Katecholamine) Vitalfunkt. (O2 → Intubation, Trias Bewußt.↓ , Atemdepr.,Miosis Infusion.) – Noteinweisung ITS! Puls ↓, Refl. ↓, Temp. ↓ - Zyanose Erbrechen (Kachexie/Verwahrlosung) RD: - ev. Opiat-Antagonisten → Koma, Atemlähm., Kreislaufversa- (Naloxon init. 0,1 mg verdünnt langsam iv. →fraktioniert gen (Mydriasis) – Rhabdomyolyse* bis max. 2 mg) – Furosemid* Psychostimulantien (Purine, [Norpseudo-] Ephedrin Kokain/Crack Amphetamine Ecstasy * ...) Sympath.-Tonus, Sprachauffälligk. Tremor, epileptische Anfälle/Status delir. Syndrom m. paranoidhalluzinator. Sy. (takt. Mikrohalluz..), Erregung; Hyperthermie, Myalgien, Ateminsuff. – cerebrale Insulte, Herzrhythm.Stör../ Herzinfarkt, Kreislaufversagen. Kreislauf-Stabilisation Sonstige Vitalfunktionen; Clonidin 0,15 mg iv.; Vera-pamil 5 mg iv. 2 Hübe Glycerolnitrat Haloperidol u./o. Diazepam. (ev. 1 Amp. im.) * kalte Wickel – Infusion (Bicarbonat, - ev. m. Dantrolen 2,5 mg/kg Körpergewicht) Halluzinog. (LSD/Ergotam. Anticholinerg. PCP, Pilze ) delirantes Syndrom m. Halluzination., Horror-Trips m. Panik, Aggressivität anticholin. Delir, dissoz. Anaesthesie Puls ↑, Temp. ↑; Mydriasis delirantes Syndrom m. Angst, Puls ↑, Temp. ↑; Mydriasis (gerötete, geschwollene Augen) Bewußtseinsstörung. (↓ o. delir.), paranoid.-halluzinat.-Syndrom Angst, Erregung Atemdepression, Kreislaufversag. Koma unklar Genese Vitalfunkt. beachten Haloperidol 1 Amp. im. (5 mg) Cave: Diazepam! (keine Phenothiazine) Talking down (Herunterreden), ev. Haloperidol p.o. (2,5 mg im.) Cannabinoide polyvalenter Abusus unbekannte Misch-Intoxik. (auch Methadon mit Beigebrauch) Liquid-Ecstasy (GHB) plötzl. Bewußtlosigkeit i. Partysituation bei fehlender Alkohol- o. sonst. Intox. Schlafstörungen, Unruhe - Craving, epileptische Anfälle Delir Stat. epilept. s. u. bei Barbituraten: Phenobarbital (100 mg initial) ansonst. s. Alkohol Vegetat. Sy. – Unruhe delirante Bilder Craving – Schmerzen, Erbrechen., Diarrhoe; RR↑, Puls↑, Temp.↑; Mydriasis; Gähnen, Naselaufen, Tränenfluß, Erschöpfung, Depression, Angst - Craving! Lethargie, Schlafbedürfnis, Heißhunger; ziellose Handlungen Stat. epilept. s. u. ev. Carbamazepin 200 – 300 mg Doxepin (25 mg) Clonidin (bis 0,15 mg) ev. Phenothiazine (kein Haloperidol) i. d. R. nicht notwendig ev. Antidepressiva Kreislauf-Stützung (keine Sympathomimetika) Unruhe, Leere, Antrieb↓ Depression., Angst, Schlafstörungen – Craving – ev. Migräne Vegetat. Sy.; Unruhe, Depress., Antrieb ↓, Schlafstör. – Craving Vitalfunkt./ Sy.-orientiert, Craving - vegetat. Sy.; (ev. 2,5 – 5 mg im./iv. Haloperidol) Depress.-dysphor. Sy. Cito-Tox./BZ!-m. RD i. ITS Schmerzen, Schlafstö(Koma: ev. u. nur durch RD rungen, Angst, vorsichtig Naloxon →Flumazenil epileptische Anfälle i. d. R. nicht notwendig (ev. Carbamazepin) 200 – 300 mg Physostigmin (initial 2 mg langsam iv./im.) vermutl. nicht notwendig → ev. Physostigmin) b. Puls ↓ Atropin 0,5 mg iv., b. Asystolie u. RR ↓ Epine-phrin 1:1000 fraktion. iv. vermutl. Unruhe, Angst u. ä. nicht notwendig (ev. Carbamazepin 200 – 300 mg) am ehest. Carbamazepin 200 – 300 mg b. Stat. epilept. 10 (-40) mg Diazepam od. 2 (-4) x2 mg Clonazepam iv. (→ Phenytoin 250 mg iv.) (ev. Carbamazepin) BZ: Blutzucker - AES: Alkoholentzugssyndrom - RD: Rettungsdienst - ITS : Intensivtherapie-Station - Sy.: Symptome KL: Kreislauf - GHB: Gammahydroxybuttersäure – Craving: starkes Verlangen (s. S. 22) – Tox.: Toxikologie Praxisleitfaden Suchtmedizin Alkohol - Problemstellung 20 2. Spezieller Teil – suchtbezogen 2.1 Alkohol 1. Problemstellung Alkohol ist nach Tabak die am häufigsten gebrauchte Psychodroge in Deutschland. Alkoholkonsum ist wegen seiner psychischen und sozialen Folgen aber auffälliger als Tabakrauchen, weshalb Alkohol lange Zeit die „Droge Nr. 1“genannt wurde. Alkohol ist eine Kulturdroge. Der gelegentliche und mäßige Alkoholkonsum hat Tradition. Allerdings ist der Alkoholkonsum so sehr in den Alltag integriert, daß problematischer Konsum (zu) lange Zeit nicht auffällt. Kulturdroge Ziel ist, daß Betroffene, Angehörige und Ärzte Warnhinweise für problematischen Alkoholkonsum früher wahrnehmen, als Problem zu akzeptieren und notwendige Veränderungen des Trinkens einleiten (Reduktion des Alkoholkonsums bzw. Abstinenz). Wahrnehmung von Warnhinweisen Der Arzt ist der häufigste primäre Ansprechpartner bei Alkoholproblemen. Drei von vier Alkoholkranken suchen mindestens einmal jährlich ihren Hausarzt auf. In einer niedergelassenen Praxis durchschnittlicher Größe sind über 30 Patienten alkoholabhängig, ca. 70 Patienten haben ein Alkoholproblem. Arzt als primärer Ansprechpartner Die Gesellschaft muß auch Wenigtrinken und Nichttrinken als normalen Lebensstil akzeptieren. Empfehlungen für risikoarmes Trinken: ▫ Nicht täglich trinken (mindestens 3 trinkfreie Tage in der Woche) ▫ Als risikoarm gelten derzeit folgende Trinkmengen: bei Frauen ein Alkoholkonsum von 1- 1½ Normalgläsern = 12 g reinen Alkohol/Tag bei Männern ein Alkoholkonsum von 2-3 Normalgläsern = 24 g reinen Alkohol/Tag Ein Normalglas enthält im Durchschnitt 6 – 10 g reinen Alkohol (siehe auch Berechnung unter 2. Riskanter Alkoholkonsum) Risikoarmes Trinken 2. Problematische Formen des Alkoholkonsums Riskanter Alkoholkonsum bewirkt ein erhöhtes körperliches und psychiatrisches Gesundheitsrisiko (siehe bei schädlichem Alkoholkonsum). Daneben können auch soziale Folgen (persönliche Entwicklung, zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeit, Straßenverkehr) von erheblicher Tragweite sein. Riskanter Alkoholkonsum liegt vor dem Überschreiten bestimmter durchschnittlicher täglicher Grenzwerte vor. Diese Grenzwerte liegen für eine Frau bei 15-20 g reinen Alkohols pro Tag, für einen Mann bei 30-40 g reinen Alkohols täglich. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen riskanter Alkoholkonsum Alkohol – Problematische Formen des Alkoholkonsums 21 Die durchschnittlichen täglichen Trinkmengen lassen sich recht genau errechnen, wenn wir den Konsum für einen typischen 4-WochenZeitraum (28 Tage) erfragen: An wieviel Tagen trinkt der/die Betreffende keine alkoholischen Getränke? An jeweils wieviel Tagen wenig/mittel/viel Alkohol? (ggf. sind weitere Abstufungen sinnvoll) Was (welche Getränke) und wieviel davon trinkt er/sie jeweils an solchen Tagen? (Getränke und Mengen genau auflisten und den Alkoholgehalt in Gramm Reinalkohol umrechnen. Tagessummen und Teilsummen für die Zahl der Wenig-/Mittel-/ Vieltrinktage bilden. Die Gesamtsumme des Alkohols in Gramm geteilt durch 28 Tage ergibt die durchschnittlich täglich getrunkene Alkoholmenge in Gramm.) Der Alkoholgehalt der Getränke ist wie folgt zu Trinkmengenberechnung errechnen: Vol.% Alkohol (= ml reiner Alkohol je 100 ml bzw. dl Getränk) x Menge des Getränkes in dl (0,5 l = 5 dl) = getrunkene Menge Reinalkohol (RA) in Milliliter (ml) → Reinalkohol in Milliliter (ml) x 0,8 (spezifisches Gewicht des Alkohols) = getrunkene Menge Reinalkohol (RA) in Gramm (g) Die Berechnung ist für jede Getränkeart getrennt durchzuführen und dann die Gesamtsumme für den Alkohol zu bilden. In einer Überschlagsrechnung kann davon ausgegangen werden, daß ein Normalglas (!) eines alkoholischen Getränkes 8 (6 bis 10) Gramm Reinalkohol enthält. Beachte: Ein Normalglas Bier enthält 0,2 Liter, ein Normalglas Schnaps ist ein Einfacher! Durchschnittlich enthalten handelsübliche alkoholische Getränke folgende Mengen Reinalkohol in Gramm: Getränk Bier Wein Wein Süßwein Sekt Sekt Menge 0,5 l 0,125 l 0,7 l 0,7 l 0,1 l 0,7 l Vol-% gRA ca. 5 20 ca. 11 14 ca. 11 60 ca. 20 110 ca. 12 10 ca. 12 65 Getränk Menge Korn 4 cl Wodka,Gin,Rum 4 cl Himbeergeist 4 cl Likör Schnaps 0,7 l 0,7 l Vol-% 32 40 45 ca. 30 40 gRA 10 13 14 170 220 Schädlicher Alkoholkonsum liegt vor, wenn alkoholbedingte somatische und/oder psychiatrische Gesundheitsschäden nachgewiesen werden können. schädlicher Alkoholkonsum Typische somatische Folgekrankheiten des Alkoholkonsums sind: Hepatopathien (akute Alkoholhepatitis, Fettleber, Fibrose, Zirrhose), Pankreatopathien (akute und chronische Pankreatitis, chronische Pankreasinsuffizienz), Gastropathien (akute oder chronische Gastritis), Störungen der Blutbildung, (Anämie; MCV↑), dilatative Kardiomyopathien und Herzrhythmusstörungen (holiday heart disease), Fettstoffwechselstörungen, Hyperurikämie, Unfälle (als Folge von Intoxikation oder Entzugssyndrom), epileptische Anfälle (Polyneuropathie, cerebrale Atrophie, WernickeSyndrom, Myelopathie u. a.) Typische psychiatrische Folgekrankheiten des Alkoholkonsum sind: Emotionale Labilisierung, depressive und dysphorische Verstimmungen, Unruhe, Angst, Konzentrationsstörungen, Minderung der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Anpassungsstörungen, organische Persönlichkeitsveränderung, Korsakow-Syndrom, amnestisches und demenzielles Syndrom Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen somatische Folgekrankheiten psychiatrische Folgekrankheiten Alkohol – Problematische Formen des Alkoholkonsums Bei einigen dieser Krankheiten reicht eine vorübergehende Alkoholkarenz bis zu deren Ausheilen aus. Bei anderen Krankheiten und Störungen ist eine langfristige oder dauerhafte Reduktion der Trinkmenge ausreichend. Bei schweren, langdauernden oder rezidivierenden Störungen ist Alkoholabstinenz die einzige sinnvolle ärztliche Empfehlung. Abstinenz ist lernbar (siehe Alkoholabhängigkeit). 22 Alkoholkarenz Der Begriff Alkoholmißbrauch sollte zur Diagnostik nicht mehr verwendet werden. In der (auch medizinischen) Umgangssprache kann der Begriff sowohl ein riskantes als auch ein schädliches Konsummuster bezeichnen. Alkoholabhängigkeit ist eine spezifische Komplikation länger dauernden und individuell zu hohen Alkoholkonsums. Alkoholabhängigkeit ist zu diagnostizieren, wenn drei der sechs folgenden Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms festgestellt werden können. Die Diagnosestellung nach der ICD-10 folgt nachstehenden Kriterien: ▫ Craving: Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang zu trinken (1) ▫ Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Alkoholkonsums (2) ▫ Entzugserscheinungen: Auftreten eines körperlichen Entzugssyndroms bei Alkoholabstinenz oder Reduktion der täglichen Trinkmenge bzw. Trinken, um Entzugserscheinungen zu mildern (3) ▫ Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen des Alkohols hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (4) ▫ Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol: z. B. die Tendenz, Alkohol an Werktagen wie an Wochenenden zu trinken und die Regeln eines gesellschaftlich üblichen Trinkverhaltens außer acht zu lassen oder Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Trinkens (5) ▫ Anhaltendes Trinken trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen. Die schädlichen Folgen können körperlicher Art sei(z. B. Leberschädigung durch exzessives Trinken) oder psychisch (wie bei depressiven Zuständen nach massivem Alkoholkonsum. (6) Die Diagnose Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 ist zu stellen, wenn 3 der genannten 6 Kriterien nachweisbar sind. Alkoholabhängigkeit Bei Alkoholabhängigkeit ist Abstinenz geboten. Das Konzept des sog. kontrollierten Trinkens ist aktuell wieder im Gespräch, aber weiterhin umstritten, da es keine sicheren klinischen Prädiktoren gibt, welche Patienten langfristig davon profitieren und solch einen Trinkstil durchhalten könnten. 3. Motivationsarbeit Motivationsarbeit hat das Ziel, daß der Patient seine Gefährdung (riskanter Konsum) oder bereits eingetretene schädliche Folgen (schädlicher Konsum bzw. Abhängigkeit) wahrzunehmen beginnt, Einsichten zur Änderungsnotwendigkeit entwickelt, Veränderungsabsichten zu verbindlichen Veränderungsschritten werden Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Veränderungsschritte zur neuen Lebensweise Alkohol – Ambulante Entzugsbehandlung (Entgiftung) 23 und der Patient langfristig notwendige Hilfen bei der Einhaltung der neuen Lebensweise annimmt und er zum Durchhalten oder zur Bewältigung von Rückfällen ermutigt wird. Ebenso braucht der Patient Informationen über begleitende oder weiterführende Behandlungsmöglichkeiten sowie Ermunterung zu deren Inanspruchnahme. Als Methode bietet sich die motivierende Gesprächsführung von Miller und Rollnick (siehe unter 1.3) an. Besonders wichtig ist für viele Patienten eine frühzeitige Zusammenarbeit mit einer Suchtberatungsstelle und einer Selbsthilfegruppe. Besorgen Sie sich von diesen Informationsmaterial (Anschriften, Telefonnummer, Öffnungszeiten; aber auch Informationsschriften zum Thema Alkohol für Betroffene und Angehörige) und legen Sie dieses in Ihrer Praxis aus (siehe auch Punkt 1.5 Behandlung und Rehabilitation) Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen 4. Ambulante Entzugsbehandlung (Entgiftung) Entzugsbehandlung (Entgiftung) erfolgt ggf. zur Trinkphasenunterbrechung, die jederzeit möglich ist und auch bei schon bestehender Alkoholabhängigkeit keineswegs immer mit einem merklichen Entzugssyndrom verbunden sein muß. Ein leicht- bis mittelgradiges vegetatives Entzugssyndrom kann ambulant behandelt werden. Eine allgemeinverbindliche medikamentöse Behandlungsempfehlung kann nicht gegeben werden, zumal der Entzug häufig auch ohne medikamentöse Entgiftung (als kalter Entzug) erfolgen kann. Bei unzureichender Erfahrung empfiehlt sich die Konsultation einer Entzugsklinik oder eines entsprechend qualifizierten Arztes. Symptomatik des vegetativen Alkoholentzugssyndroms Entzugsbehandlung meist ambulante Behandlung (AES): Tremor! (Hände, Zunge, Augenlider), Unruhe, Übelkeit, Brechreiz, gelegentliches Erbrechen, Unwohlsein, Schwäche, Schwitzen, Tachykardie, erhöhter Blutdruck, orthostatische Hypotonie, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Magenschmerzen, Durchfall, Angst, depressive Verstimmung, Reizbarkeit, inneres Unruhegefühl, Konzentrations- und Gedächtnisstörung; hirnorganische Anfälle. Der Patient ist bewußtseinsklar und voll orientiert. Die Symptomatik kann in ein leichtes, mittelschweres und schweres vegetatives AES eingeteilt werden. Patienten mit prädelirantem Syndrom oder Delirium tremens (Notfall!) sind stationär in eine psychiatrische Abteilung einzuweisen. Symptomatik eines prädeliraten Syndroms: Zunahme der Symptomatik des vegetativen Entzugssyndroms, ausgeprägter Tremor, verstärkte psychomotorische Unruhe, Schlaflosigkeit, Erbrechen, Durchfall, Schreckhaftigkeit, erhöhte Suggestibilität, flüchtige Halluzinationen (optisch, akustisch), kognitive Störungen, Störungen der Auffassung, der Merkfähigkeit und der Konzentration. Nachts Verstärkung der Symptomatik. Noch ausreichende Orientierung und Führbarkeit. Symptomatik eine Delirium tremens: Bewußtseinstrübung, Desorientierung, Auffassungsstörungen, Halluzinationen (optisch und akustisch), wahnhaftes Erleben und Umdeuten, Erinnerungslücken, starke psychomotorische Unruhe, Hyperreflexie, schweres vegetatives AES, generalisierte tonisch-klonische Krämpfe, körperliche Komplikationen, Suizidgefahr. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen stationäre Behandlung Alkohol – Beantragung einer Entwöhnungsbehandlung 24 5. Beantragung einer Entwöhnungsbehandlung In der Entwöhnungsbehandlung werden die notwendigen Schritte zu einer stabilen und zufriedenen Abstinenz viel intensiver angeboten als in einer üblichen ambulanten Behandlung und Führung durch Hausarzt, Beratungsstelle und Selbsthilfegruppe. Die Entwöhnungsbehandlung als medizinische Rehabilitationsmaßnahme ist auch ambulant in einer dafür von den Rentenversicherungen (BfA, LVA u. a.) zugelassenen Beratungsstelle möglich. Dies sollte vor der Antragstellung mit der Beratungsstelle im Kreis abgesprochen werden. Voraussetzung für die ambulante Behandlung ist eine ausreichende physische und psychische Stabilität sowie eventuelle soziale Unterstützung des Patienten. ambulante Entwöhnungsbehandlung Eine stationäre Entwöhnungsbehandlung erfolgt für Alkoholabhängige in den Thüringer Rehabilitationskliniken in Bad Blankenburg, Bad Klosterlausnitz, Marth und Römhild (siehe Serviceteil). stationäre Entwöhnungs behandlung Eine Entwöhnungsbehandlung (ambulant oder stationär) ist beim zuständigen Leistungsträger zu beantragen. Zuständig sind vorrangig die Rentenversicherung (BfA, LVA u. a.), nachrangig unter bestimmten Voraussetzungen die Krankenversicherung oder der örtliche Sozialhilfeträger. Als Antragsunterlagen müssen ein zweiseitiger ärztlicher Antrag und weitere Formblätter, im besonderen ein vierseitiger Sozialbericht und Erklärungen des Patienten, eingereicht werden. Diese Anträge liegen bei den Geschäftsstellen der Renten- und der Krankenversicherung, aber auch bei den Suchtberatungsstellen vor. Da i. d. R. die Beratungsstelle den Sozialbericht ausfüllt, ist eine frühzeitige Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle sinnvoll. Im ärztlichen Antrag sollen neben der Alkoholabhängigkeit die weiteren behandlungsbedürftigen Folge- und Begleiterkrankungen benannt und beschrieben sowie Vorschläge zur weiteren Behandlung gemacht werden. Antragsverfahren zur Entwöhnungsbehandlung Ein Sonderweg zur Antragstellung erfolgt, wenn der Antrag auf Entwöhnungsbehandlung direkt von der Entzugsstation (stationäre Entzugsbehandlung) gestellt wird. Das multiprofessionelle Team erledigt dann alle Formalitäten. Bei dringlicher stationärer Einweisung zur Entzugsbehandlung und der Notwendigkeit einer unmittelbaren Übernahme in eine stationäre Entwöhnungsbehandlung können Sie diesen Weg mit den Kollegen der Entzugsstation im Einzelfall absprechen. 6. Weitere Maßnahmen Bei Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (siehe ICD-10: F6) kann die Überweisung zur ambulanten Psychotherapie notwendig werden (besser und hilfreicher erst nach Entwöhnungstherapie), bei sonstigen psychiatrischen Störungen die Mitbehandlung durch den Psychiater. ambulante Psychotherapie Der Patient ist über seine Fahruntauglichkeit zu informieren (siehe Serviceteil). Fahruntauglichkeit Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Alkohol – Weitere Maßnahmen Hauptziel einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (Entwöhnung) zu Lasten des Rentenversicherers ist naturgemäß die Wiederherstellung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit. Abstinenzwilligkeit und Abstinenzfähigkeit sind so lediglich Voraussetzungen, um stabil erwerbsfähig zu sein. Wenn durch die Entwöhnungsbehandlung noch keine ausreichende Erwerbsfähigkeit oder auch Arbeitsmöglichkeit erreicht wurde, sind berufliche Fördermaßnahmen, ggf. eine berufliche Rehabilitation, notwendig. Während der Entwöhnungsbehandlung ist es ratsam, sich diesbezüglich an die Reha-Kliniken, ansonsten an einen Reha-Berater der Rentenversicherung oder an die Beratungsstelle zu wenden. Auch bezüglich des Wohnens und der sozialen Selbständigkeit können Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu Lasten des Sozialhilfeträgers notwendig werden. Planen Sie die Unterbringung in einem Sozialtherapeutischen Wohnheim für Suchtkranke oder im ambulanten Betreuten Wohnen (Gruppen- und Einzelwohnungen) gemeinsam mit Ihrer Beratungsstelle. Die Beratungsstelle hilft auch gern bei der Zusammenarbeit mit der Erziehungsberatung, Schuldnerberatung u. a. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen 25 Erwerbsfähigkeit Eingliederungshilfe Nikotin – Problemstellung 26 2.2 Nikotin 1. Problemstellung Nikotin ist die am häufigsten gebrauchte Droge in Deutschland. Die gesundheitlichen Folgen des Tabakrauchens sind verheerender als die des Konsums von Alkohol, Medikamenten und illegalen Rauschdrogen zusammen. Sie werden allerdings eher individuell und nicht gesellschaftlich als dramatisch wahrgenommen. Nikotin - die häufigste gebrauchte Droge Tabak ist seit dem Import durch Kolumbus in Europa eine Kulturdroge. Tabakraucher finden sich zusammen und erleben Geselligkeit. Vielraucher werden durchaus nicht konsequent von Wenigrauchern gemieden. Im besonderen ist der Vielraucher auch nicht in dem Ausmaß sozial störend wie der Vieltrinker. Ziel ist, daß Ärzte und die Gesellschaft Nichtrauchen als ein lebbares Ideal vermitteln und Betroffene, Angehörige und Ärzte Vielrauchen als gesundheitsschädigendes Verhalten wahrnehmen. 2. Problematische Formen des Tabakkonsums Riskanter Tabakkonsum bewirkt ein erhöhtes körperliches Gesundheitsrisiko. Als Grenzwert können 5 Zigaretten täglich angegeben werden. Schädlicher Tabakkonsum liegt vor, wenn tabakbedingte somatische Gesundheitsschäden nachgewiesen werden können. Die Schadwirkungen sind weniger auf das Nikotin, sondern wesentlich auf die sonstigen zahlreichen Schadstoffe im Tabakrauch zurückzuführen. Tabakraucher leiden mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit an folgenden Erkrankungen: Krebserkrankungen (Lunge, Mundhöhle, Kehlkopf, Speiseröhre, Nieren, Blase, Magen, Darm, Haut), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arterienverkalkung, Durchblutungsstörungen (Raucherbein, Herzinfarkt, Schlaganfall), Impotenz, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Lungenentzündung, Bronchitis, Lungenemphysem, Genschäden, Erblindung Bestehende gesundheitliche Störungen (wie Asthma oder Diabetes) können durch Rauchen verstärkt werden. riskanter Tabakkonsum schädlicher Tabakkonsum Folgeerkrankungen Die einzige sinnvolle ärztliche Empfehlung heißt: Nicht rauchen! Tabakabhängigkeit ist eine spezifische Komplikation länger dauernden und individuell zu hohen Tabakkonsums. Tabakabhängigkeit ist zu diagnostizieren, wenn die Entwicklung einer Toleranz, verminderte Kontrollfähigkeit, Entzugserscheinungen und/oder Suchtdruck („Rauchdruck“, Craving) nachgewiesen werden können. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Tabakabhängigkeit Nikotin – Problematische Formen des Tabakkonsums 27 In der klinischen Praxis haben sich drei Aspekte des Raucherverhaltens als Indikatoren des Abhängigkeitsgrades bewährt: ▫ frühmorgendliches Rauchen, ▫ mehr als 10 Zigaretten täglich, ▫ mehrfache, vergebliche Abstinenzversuche in der Vergangenheit Ein wesentliches Hilfsmittel zur Einschätzung des Abhängigkeitsgrades ist der Fagerströmtest: Fragen 1. Wie schnell nach dem Aufstehen rauchen Sie Ihre erste Zigarette? 2. Finden Sie es schwierig, auf das Rauchen zu verzichten, wenn es verboten ist? (z. B. im Kino, bei Versammlungen usw.) 3. Auf welche Zigarette fällt es Ihnen besonders schwer zu verzichten? 4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie am Tag? 5. Rauchen Sie stärker in den ersten Stunden nach dem Aufstehen oder während des übrigens Tages 6. Rauchen Sei auch, wenn Sie so krank sind, daß Sie im Bett liegen müssen? Antworten ▫ in 5 Minuten ▫ 6-30 Minuten ▫ 31-60 Minuten ▫ nach 60 Minuten Punkte 3 2 1 0 ▫ Ja ▫ Nein 1 0 ▫ Die erste Zigarette morgens ▫ Jede Andere 1 0 ▫ 0-10 ▫ 11-20 ▫ 21-30 ▫ 31 und mehr ▫ Ja ▫ Nein 0 1 2 3 1 0 ▫ Ja ▫ Nein Gesamtpunktzahl: 1 0 Auswertung: Übertragen Sie Ihre Gesamtpunktzahl auf die Skala (Zutreffendes ankreuzen). Nun sehen Sie, wie stark die Nikotinabhängigkeit ist. → → → → → → → → → → → 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 geringe Abhängigkeit starke Abhängigkeit Die Diagnosestellung nach ICD-10 folgt den üblichen Kriterien des Abhängigkeitssyndroms: Craving, verminderte Kontrollfähigkeit, Entzugserscheinungen, Toleranz, suchtmittelbezogene Verhaltenseinengung, Ignorieren der Folgen (vgl. Alkohol). Abstinenz ist geboten. Der abhängige Raucher kann nicht längere Zeit „kontrolliert“ rauchen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Indikatoren des Abhängigkeitsgrades Nikotin – Tabakentwöhnung 28 3. Motivationsarbeit Motivationsarbeit hat das Ziel, daß der Patient sein Rauchproblem oder (bei riskantem Konsum) die Gefahr solcher Probleme (Folgeprobleme des Rauchens) wahrzunehmen beginnt, Einsichten zur Änderungsnotwendigkeit entwickelt, Veränderungsabsichten zu verbindlichen Veränderungsschritten werden und der Patient langfristig bei der Einhaltung der neuen Lebensweise begleitet (zum Durchhalten oder zur Bewältigung von Rückfällen ermutigt) wird. Ebenso braucht der Patient Informationen über begleitende oder weiterführende Behandlungsmöglichkeiten sowie Ermunterung zu deren Inanspruchnahme. Veränderungsverhalten Als Methode bietet sich die motivierende Gesprächsführung von Miller und Rollnick an. Empfehlenswert ist es, Informationsmaterial über Institutionen der Raucherentwöhnung (Anschriften, Telefonnummer, Öffnungszeiten) und weitere Informationsschriften zum Thema Tabak zu besorgen und dies in der Praxis auszulegen. 4. Tabakentwöhnung Beim Nikotinentzugssyndrom treten folgende Symptome auf: Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Angstzustände, Herzklopfen, niedriger Blutdruck, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme, Verdauungsstörungen, starkes Verlangen nach einer Zigarette, Frustration, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhter Appetit, Hungergefühl. Zur Substitution des Nikotinmangels beim Nikotinentzugssyndrom sind Nikotinersatzpräperate sinnvoll einsetzbar, da ansonsten der Therapieabbruch droht. Die Patienten sind ausreichend über den richtigen Gebrauch der Nikotinersatzpräperate zu informieren, da bei Überdosierung auch Nikotinintoxikationen auftreten können. Die Tabakentwöhnung ist eine Intensivbehandlung unter sachkundiger Leitung. Sie umfaßt ärztliche Behandlung, Information und psychologische Führung. Empfohlen werden validierte Programme. Der Einsatz von Nikotinersatzprodukten verdoppelt die langfristigen Abstinenzraten. Im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung wegen Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit wird i. d. R. die Tabakentwöhnung begleitend mit angeboten. Motivieren Sie Ihren Patienten ggf. zur Teilnahme an einem solchen Angebot. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Nikotinentzugssyndrom Substitution Tabakentwöhnung Medikamente – Epidemiologisches und Übersichtstabelle 29 2.3 Medikamente 1. Epidemiologisches • Psychotrope Arzneimittel sind in Deutschland - nach Tabak und Alkohol - die am dritt-häufigsten mißbrauchte Suchtmittelgruppe. • erhebliche Dunkelziffer: > 15% der Erwachsenen nehmen psychoaktive Arzneimittel mißbräuchlich ein. Mindestens 2% sind medikamentenabhängig (zur Niedrigdosisabhängigkeit keine Angaben möglich!). Ca. 7% der Patienten niedergelassener Ärzte müssen aufgrund der Medikamentenverschreibung als abhängig angesehen werden. Mindestens 7,6 % psychiatrischer Aufnahmepatienten sind allein von Benzodiazepinen abhängig. • frauentypisch: Verhältnis Frauen zu Männern wie ca. 3:1 • altersabhängig: kontinuierliche Zunahme der Verordnung mit dem Alter → mehr als 80 % langzeitverordneter Medikamente mit Suchtpotential erhalten die über 55-Jährige. • Ca. 68% der langzeitverordneten Arzneimittel mit Suchtpotential sind Benzodiazepine (36% der Medikamenten-Mißbrauchsmeldungen von Suchtberatungsstellen). • Die meist verkauften Arzneimittel sind Analgetika: von 9,5% der Bundesbürger regelmäßig konsumiert → 60-80% Selbstmedikation aber auch Opioide (ca. 27% der Medikamenten-Mißbrauchsmeldungen von Suchtberatungsstellen) 2. Medikamente mit Mißbrauchs- u. Abhängigkeitspotential hohe Dunkelziffer Konsum geschlechtsund altersabhängig Problemgruppen: Benzodiazepine und Analgetika Übersichtstabelle Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Medikamente – Problempatienten und Medikamentenabusus 30 3. Problempatienten / Störungen mit Disposition zu ArzneimittelAbusus u. -abhängigkeit • Persönlichkeitsstörungen, insbesondere ängstlich-selbstunsichere Persönlichkeiten und Personen mit „chemophilen Zügen“ • Angststörungen: Ca. 40% dieser Patienten sind komorbid abhängig, insbesondere in Form einer Benzodiazepin-Niedrigdosisabhängigkeit (dd an Angst als Entzugssymptom bei primärer Abhängigkeit denken!). • depressive Störungen, insbesondere Anpassungsstörungen und unipolare Depressionen bei Frauen • Somatisierungsstörung u. somatoforme autonome Funktionsstörung (vegetative Funktionsstörungen, Schlafstörungen, psychogenes Schmerzsyndrom einschl. Migräne) → 25% - 80% d. Pat. allgemeinärztl. Praxen Problem: jahrzehntelange Chronifizierung durch iatrogene Unterhaltung (nicht endende somatische Diagnostik u. medikamentöse Therapie einschl. nichtindizierter Mehrfach-OP`s / Odyssee von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik) • Chronisches Schmerzsyndrom organischer Genese („Rückenschmerzen“, ...) • Asthmatiker (Ephedrin, Purine, Kortikoide, Lösungsmittel) Persönlichkeits-, Angst-, depressive und Somatisierungsstörungen organisches Schmerzsyndrom 4. Medikamentenabusus • Definition: Jede Einnahme von Arzneimitteln bei fehlender oder falscher medizinischer Indikation → riskanter und schädlicher Konsum • Selbstmedikation/Selbstmanipulation: - freiverkäufliche Arzneimittel (8% der mißbrauchten Präparate) - Einnahme anders als in ärztlich verordneter Dosis und Häufigkeit bzw. zu anderem Zweck / Ärzte-Shopping - Selbstbedienung von Stations- und Praxisvorräten - Apothekeneinbrüche / Rezeptentwendung in Praxen - Verstoß gegen das Arzneimittel-Gesetz durch Erpressung der Apotheker - Internetbeschaffung! • iatrogen durch unkritische ärztliche Verordnung - 66% der mißbrauchten Arzneimittel mit Suchtpotential werden ärztl. verordnet – Indikation! (> 40 % nur zur Suchtunterhaltung) - unkritische Indikationsstellung und zu lange Verordnungsdauer Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Selbstmedikation Schädlicher Konsum durch unkritische ärztliche Verordnung Medikamente –Medikamentenabusus/(Poly-)Toxikomanie 31 - Nichtbeachten von Persönlichkeitsstruktur, psychischen Störungen und Disposition zur Abhängigkeit, von sonstigem Suchtmittelkonsum bzw. der Restitutionsphase einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit - Nichtnutzen von alternativen (zeitaufwendigeren) Möglichkeiten - Verordnung infolge von Druck u. Erpressung durch Patienten/Privatrezepte (keine Kontrollmöglichkeit von Ärzten und Apothekern)! • Zweck/Ziel: Entspannung, Beruhigung, Stimmungsverbesserung, Vergessen, Schlafen, Konfliktverdrängung, Leistungssteigerung, Schmerzfreiheit ... (schnell und möglichst ohne eigenes therapeutisches Bemühen) • Circulus vitiosus mit Chronifizierung d. Beschwerden u. psychosomatischen Störungen → bei Disposition Abhängigkeitsentwicklung (je nach Suchtpotential der Arzneimittel Manifestierung nach wenigen Wochen bis nach mehreren Jahren) • am häufigsten mißbrauchte Präparate (Angaben von Abhängigen in Suchtberatungsstellen): Diazepam – Faustan – Valium - Flunitrazepam - Rohypnol Lexotanil - Aponal - Remedacen - Tavor - Valoron N • Kontraindikationen für Benzodiazepine: absolut: Suchtrisiko - Gravidität/Stillzeit - Myasthenia gravis Fahrtauglichkeitsnotwendigkeit - zur Abschirmung von Alltagsstreß ... relativ: Kinder/Jugendliche - geriatrische Patienten psychosomat./“neurotische“ Störungen akutes Engwinkelglaukom - eingeschränkte Leber- u. Nierenfunktion Funktion und Folgen die 10 am häufigsten mißbrauchten Präparate Benzodiazepine Kontraindikationen 5. Medikamentenabhängigkeit/ (Poly-) Toxikomanie • psychische Abhängigkeit (bei allen Suchtmitteln): Craving (Verlangen bis unwiderstehlicher Zwang) Kontrollverlust bei Hochdosisabhängigkeit (unkontrollierte Einnahme etlicher/unzähliger Tabletten) • körperliche Abhängigkeit (nur bei Sedativa/Hypnotika/Analgetika einschl. der Opiate - nicht bei Psychostimulantien und Psychotomimetika): Abstinenzverlust (Nichtverzichtenkönnen) und Entzugssymptome: → vegetative Symptomatik mit Angst (besonders bei Benzodiazepinen), Unruhe, Schlafstörungen (besonders bei Hypnotika), Schmerzen (z. B. Analgetika-Kopfschmerz), aber auch epileptischen Anfällen, spezifische Perzeptionsstörungen (bei Benzodiazepinen), Delirien u. a. psychotischen Störungen Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen psychische Abhängigkeit körperliche Abhängigkeit Medikamente – Folgestörungen bei Medikamentenabusus und -abhängigkeit • Niedrigdosisabhängigkeit (insbesondere bei Benzodiazepinen vorkommend, aber auch bei Kombinatonsanalgetika): Langzeiteinnahme in an sich üblicher Dosierung - bei Verzicht über > 24 Stunden jedoch Auftreten v. Verlangen und leichtgradiger Entzugssymptomatik, die wie die primären Beschwerden erlebt wird und zum weiteren Konsum führt. 32 Niedrigdosisabhängigkeit Kreuztoleranz/-abhängigkeit: besteht zwischen allen Substanzen desselben Abhängigkeitstyps (außerdem ist ein rasches Umsteigen auch auf andere Typen möglich, z. B. bei Abhängigkeit von Hypnotika durch morgendliche Einnahme von Psychostimulantien) Kreuztoleranz • Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit): gleichzeitiger süchtiger Gebrauch von Substanzen verschiedener pharmakologischer Gruppen Polytoxikomanie • chron. Intoxikation: Vigilanzminderung - depressive, pseudodemente, apathisch-adyname Syndrome; Gleichgewichtsstörungen, Muskelschwäche, Leistungsminderung, Fehlverhalten, Unfälle Eliminations-Halbwertszeit von Diazepam beträgt ca. 80 Stunden und ist im Alter auf das etwa Dreifache erhöht, das bedeutet 10 Tage! chronische Intoxikation • 6. Folgestörungen bei Medikamentenabusus und -abhängigkeit • • somatische Folgestörungen: erhebl. reduzierter Allgemeinzustand - hämatologische Erkrankungen (Thrombo-, Granulozytopenie; chron. Anämie) - chronische Nephropathien („Phenazetin-Niere“ → Analgetika-Niere; mind. 15% der Dialyse-Pat. ! - Malignome) - Osteoporose - kardiovaskuläre Erkrankungen - Hepatopathien Pankreatitis - Magen-Darm-Störungen - Störungen des vegetativen, peripheren u. zentralen Nervensystems (PNP/Rückenmarkshinterstrang-Schädigung → Schwindel, Ataxie, Dysarthrie → Stürze → Gehunfähigkeit) - Embryopathien (z. B. durch Contergan, aber auch durch Benzodiazepine u.a.) – Infertilität psychische Folgestörungen: - ausgeprägte Abwehr mit Bagatellisieren und Dissimulieren - zunehmender erheblicher Persönlichkeitsabbau mit Kritiklosigkeit und Wesensänderung (Fassadenhaftigkeit) - Hirnleistungsminderung mit ausgeprägten mnestischen und Konzentrationsstörungen bis zu dementiellen Bildern - hohe Suizidalität - toxische, posttoxisch induzierte und mobilisierte sowie entzugsbedingte Psychosen Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen somatische Folgen psychische Folgen Medikamente – Diagnostik – Früherkennung und Frühintervention soziale Folgen: - „stille“, langzeitig kaum auffällige Sucht! - Partnerbeziehungsstörung - erhebliche Auswirkungen auf die Kinder - Probleme infolge zunehmender Leistungsminderung - Rückzug und Isolierung - Fahruntauglichkeit! / erhöhte Verkehrsunfallhäufigkeit - allmählicher sozialer Abstieg – Früherwerbsunfähigkeit - Beschaffungskriminalität 33 soziale Folgen 7. Diagnostik - Früherkennung und Frühintervention • Hinweise auf eine Abhängigkeitsentwicklung: - Drängen auf Weiterverschreibung/Wunschverschreibung - häufiger Arztwechsel u. Parallelkonsultationen - Fremdbeschaffung - Dosiserhöhung (Toleranz) - paradoxe Wirkung - Leistungsminderung – Unfälle - Symptome der chronischen Intoxikation - Entzugssymptomatik allgemeine Auffälligkeiten • ärztl. Möglichkeiten: - Achten auf relevante Symptome - Einbeziehen von möglicher Suchtmittel-(Mit-)Bedingtheit in alle DD-Erwägungen. - detaillierte suchtspezifische Anamnese - Fremdanamnese! - Labordiagnostik – insbesondere GGT u. Toxikologie (Arzneimittelscreening im Urin>Blut) - Kurz-Fragebogen von Watzl et al. (kritischer Wert 3-5 Punkte/ Sensitivität 80% - siehe Serviceteil) suchtspezifische Anamnese toxikologische Kontrollen ICD-10-Kriterien: Die Diagnose Abhängigkeit wird gestellt, wenn 3 oder mehr der folgenden Kriterien im letzten Jahr gleichzeitig vorhanden waren: Craving - verminderte Kontrollfähigkeit - körperliches Entzugssyndrom – Toleranz - fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises schädlicher Folgen. ICD-10Kriterien Beratung bezüglich gesundheitsorientierter Lebensweise mit wertneutraler Frühintervention(direktes Ansprechen bei empathischer Grundhaltung) Frühintervention → Einbeziehung des Suchthilfesystems - konsequentes anhaltendes Motivieren zu einer stationären qualifizierten Entzugsbehandlung 8. Therapiebesonderheiten und -möglichkeiten bei Medikamentenabhängigkeit Die Verzichtsbereitschaft ist sehr gering („Recht auf Beschwerdefreiheit“). Motivierung schwierig sowie langwierig und nur bei konsequentem ärztlichen Verhalten erfolgversprechend (Problem: iatrogenes ko-abhängiges Verhalten!) Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen geringe Verzichtsbereitschaft Medikamente – Therapiebesonderheiten und –möglichkeiten • Eine ambulante Entzugsbehandlung dürfte kaum/eher nicht leistbar sein! (unzureichendes Durchhaltevermögen) Bei Benzodiazepinen Versuch mit langfristiger kontrollierter Reduzierung der Dosis empfohlen, aber wenig/nicht erfolgsversprechend. • Dringend zu empfehlen ist die Einweisung zu einer qualifizierten Entzugsbehandlung auf eine Station, die ausreichend Erfahrungen mit Medikamentenabhängigen hat. Dauer b. psychiatrischer Komorbidität ca. (6 - ) 8 Wochen. In einem komplexen therapeutischen Setting (einschl. Akupunktur) kann der Benzodiazepin-Entzug mit Clonazepam über 2 Wochen ausschleichend durchgeführt werden; der Opioid-Entzug kann kurzzeitig mit Hilfe von Doxepin und/oder Clonidin, der Sedativa-,Hypnotika- u.Kombinationsanalgetika-Entzug ggf. mit Carbamazepin/Oxcarbazepin, aber auch „kalt“/medikamentenfrei erfolgen. • Bei anhaltender fehlender Bereitschaft sollten Krisensituationen/ Notfälle genutzt werden für eine stationäre Entgiftung → ggf. lebenslanger Kampf um Schadensminderung. • Eine stationäre mindestens 4monatige Entwöhnungsbehandlung (Langzeit-Reha) sollte möglichst als Anschlußmaßnahme an die qualifizierte Entzugstherapie in einer Fachklinik für Alkohol- und Medikamentenabhängige erfolgen; primäre psych. Störungen müssen psychotherapeutisch berücksichtigt werden. • Dringend notwendig ist eine mehrjährige u. mehrgleisige ambulante Nachsorge durch einen suchtmedizinisch kompetenten, medikamentenkritischen Arzt (toxikologische Kontrollen sind unabdingbar!), durch Suchtberatungsstelle sowie Selbsthilfegruppe und ggf. durch einen Psychotherapeuten bei entsprechender Komorbidität. • Rezidivprophylaxe (Tertiärprävention): Anwendung alternativer Methoden (s. Prävention) Konsequenter Verzicht auf die Verordnung psychotroper Medikamente. Bei abstinenten Abhängigen sind nicht nur alkoholhaltige Arzneimittel, sondern auch Alpha- u. Beta-RezeptorenBlocker sowie Monoanalgetika kontraindiziert, ebenso (zumindest bei nicht dringender Behandlungsbedürftigkeit der entsprechenden Komorbidität) die Verordnung von Antirheumatika, (Antiasthmatika), Antidepressiva und Neurolepetika. Wenn unumgänglich, dann Präparate mit dem geringsten Abususpotential verwenden (z. B. Diclofenac, Melperon ... Lokalanaesthesie vor Inhalationsnarkose vor Narkose mit Benzodiazepinen). Bei Rückfall baldmöglichst stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung mit ggf. nachfolgender Festigungstherapie. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen 34 stationäre qualifizierte Entzugstherapie Entwöhnung Nachsorge und Verordnungsbesonderheiten in der Restitutionsphase Medikamente – Prävention • Idealziel: Abstinenz, d.h. Arzneimittelfreiheit sowie Verzicht auf jegliche Ersatzsuchtmittel, und Akzeptanz der gebesserten, aber häufig noch vorhandenen psychischen oder somatischen Störungen. 35 Idealziel 9. Prävention - kritische Arzneimittelverordnung • • Nichtmedikamentöse Möglichkeiten wie Akupunktur, Physiotherapie, Autogenes Training, Verhaltenstherapie, kutane elektr. Nervenstimulation oder Hausmittel primär nutzen. Kritische Arzneimittelverordnung nach sorgfältiger Indikationsstellung (Beachten abhängigkeitsgefährdeter Patientengruppen - besondere Vorsicht bei älteren Patienten) • Verordnung psychotroper Arzneimittel mit dem geringsten Abususpotential (Baldrian- u. Johanniskrautpräparate, Melperon keine Kombinationsanalgetika - Benzodiazepine äußerst kritisch verwenden - Barbiturate u. Clomethiazol sind ambulant kontraindiziert) • keine Wunschrezepte („mir hilft nur ...“ → Signalfunktion!) • kein Ausweichen auf Privatrezepte! • Verordnung psychotroper Medikamente in kleinster Packung niedrig, aber wirksam dosiert und so kurzzeitig wie möglich • Vereinbarung der Therapiedauer vor Behandlungsbeginn (Hypnotika ca. 1 Woche, Benzodiazepine 1-2 Wochen - ansonsten zumindest häufige Überprüfung der Indikation und Intervalltherapie mit Absetzversuchen → schrittweises Ausschleichen) • möglichst psychotherapeutische Begleitbehandlung • Strikte Einhaltung von Arzneimittel- und Betäubungsmittel-Gesetz → die Verschreibung eines Medikamentes darf einer mißbräuchlichen Benutzung nicht Vorschub leisten. Der Arzt ist verantwortlich für die direkt und indirekt entstandenen Folgen seiner Verschreibungspraxis. Indikationsloses Verschreiben kann den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Alternativen sorgfältige Indikationsentscheidung keine Wunsch- und Privatrezepte Therapiedauer vorher vereinbaren Verantwortlichkeit des Arztes Illegale Drogen – Allgemeine Aspekte 36 2.4 Illegale Drogen 1. Welche Drogen werden genommen? Cannabis, Ecstasy, Amphetamine werden am häufigsten konsumiert, vorwiegend von Jugendlichen, u. U. auch schon von Kindern. Was Opiate angeht, wird der Arzt mitunter auch mit Erwachsenen , z. T. dem Typ des „alt gewordenen Junkie“, in Kontakt kommen. Kokain und insbesondere LSD werden seltener genommen. Rauscherzeugende halluzinogene Pflanzenbestandteile sind zwar nicht illegal, werden jedoch von den Benutzern illegaler Drogen gerne auch konsumiert, deshalb sollte man daran denken. Drogenarten 2. Wer sucht den Arzt auf und warum? Nicht selten sind es die Eltern oder andere Bezugspersonen, die den Zustand des Betroffenen nicht länger hinnehmen und etwas unternehmen wollen. Die Konsumenten selbst sehen wir des öfteren als Notfall, wenn sie intoxikiert sind, u. U. auch mit einer Drogenpsychose oder ähnlichen Zuständen bzw. im Entzug. Insbesondere Opiatabhängige erscheinen dann in der Praxis und „machen Druck“. Gelegentlich führen eskalierende Konflikte mit aggressiven Verhaltensweisen der Drogenkonsumenten dazu, den Arzt zu rufen. Bei weniger dramatischen Situationen sind es vielleicht Bestrebungen, zu einer Krankschreibung zu kommen, ohne das Problem beim Namen zu nennen (z. B. beim Kater nach der Party oder unspezifischen Folgesymptomen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitmangel o. a.). Situationen und Gründe für Arztkonsultationen 3. Welche Besonderheiten in der Arzt-Patienten-Beziehung sind zu beachten: • Drogenkonsumenten bewegen sich im illegalen Milieu und gehen an ihre Behandler keineswegs immer mit dem Vertrauensgrundsatz heran. Sie identifizieren sich oft mit der oppositionellen Rolle und einem anderen Wertesystem, somit steht der Arzt von vornherein eher auf der „Gegenseite“. • Drogenkonsumenten sehen sich selbst als die Experten hinsichtlich Drogen und geeigneter Medikamente und versuchen oft, Ärzte zu instrumentalisieren, ggf. zu betrügen. Sie haben gelernt zu erpressen, aber auch zu stehlen. Häufig wird auch versucht, Mitleid zu erzeugen und dadurch die Ärzte zu manipulieren. Deshalb müssen Ärzte darauf achten, sich nicht abhängig und erpressbar vom Patienten zu machen, rechtzeitig Grenzen anzusprechen und zu setzen. Wie bei anderen Suchtpatienten sollte man vermeiden, sich in die Rolle des „einzigen Retters“ manövrieren zu lassen, und auf Zusammenarbeit mit geeigneten Partnern wie Jugendämtern, Beratungsstellen, Angehörigen, Klinik bestehen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Vertrauensgrundsatz fehlt Drogenkonsumenten als Experten? Illegale Drogen – Allgemeine Aspekte • In die Drogensucht geraten häufiger von vornherein gestörte Persönlichkeiten. Schon von daher ist mit impulsiveren, z. T. provozierenden oder eigen- bzw. fremdgefährdenten Reaktionen zu rechnen. Der Arzt sollte das Repertoire seines Handelns bis hin zu den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmaßnahmen im Kopf parat haben. • Eine strukturierte „Punkt für Punkt abarbeitende“ Befragung zum Drogenkonsum ist nötig. Die Patienten verführen gar zu gern durch „Teilgeständnisse“, geben Vieles nicht an, wenn sie nicht explizit gefragt werden und verschweigen insbesondere polytoxikomane Verhaltensweisen, Mischkonsum, Medikamentenbeikonsum sowie Alkohol als Zusatz- oder Ersatzdroge. Rechnen Sie damit, daß Sie nicht der einzige sind, der in Anspruch genommen bzw. benutzt wird. • • Denken Sie an das Phänomen der Polytoxikomanie: Es gibt eine zunehmende Tendenz zum Gebrauch verschiedenster Substanzen, begünstigt durch den Preisverfall und zunehmend leichtere Verfügbarkeit auf dem Drogenmarkt. Zum Teil sind diese unrein bzw. gestreckt und enthalten mehrere psychoaktive Substanzen. Mit Hilfe der Kombination verschiedener Drogen versuchen sich bestimmte, häufig die psychisch am schwerstgestörten Konsumenten, den abnehmenden „Kick“ wieder zu verschaffen. Fragen Sie nicht nur, welche Drogen konsumiert werden, sondern auch auf welche Art. Intoxikationszustände führen zu drogenunspezifischen körperlichen, insbesondere vegetativen, und psychopathologischen Symptomen. Aus der Art der Symptomatik können Sie kaum auf die Art der Intoxikation schließen. Denken Sie auch an Pflanzenteile (z. B. Stechapfel, Fliegenpilze, Engelstrompete) bzw. Gase oder Schnüffelstoffe. 4. Wer hilft dem Hausarzt? • • • • • bei Notfalleinweisung aus psychiatrischer Indikation (Suizidalität, Erregungszustände, Psychosen) die regional zuständige psychiatrische Abteilung oder Fachklinik bzw. sozialpsychiatrische Dienst/Notarzt bei indizierter qualifizierter Entzugsbehandlung Spezialstationen (siehe Serviceteil) in Einzelfällen auch die weiteren psychiatrischen Abteilungen und Fachkliniken (siehe Wegweiser Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe) bei internistischen Notfällen die zuständige ITS bei Beratungsbedarf die regional zuständige bzw. eine spezialisierte Suchtberatungsstelle ► Empfehlenswert ist es, den Wegweiser Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe für Thüringen in der Praxis zur Verfügung zu haben (siehe Serviceteil) Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen 37 Persönlichkeitsstörung Befragung zum Drogenkonsum Polytoxikomanie Intoxikationen Notfalleinweisung qualifizierte Entzugsbehandlung internistische Notfälle Beratungsbedarf Illegale Drogen – Epidemiologisches 38 5. Epidemiologisches Die „Drogenaffinitätsstudie der BzgA zum Konsum psychoaktiver Substanzen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 – 24 Jahren“, die „Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen in Deutschland (Befragung 18 – 59 Jähriger - siehe Tabellen im Serviceteil) und die jährlich veröffentlichten „Sucht- und Drogenberichte der Bundesregierung“ zeigen folgende Konsummuster und Entwicklungstrends bei Erwachsenen auf: Ergebnisse zur Drogenerfahrung Jugendlicher (12 – 25 Jahre) lassen sich in Deutschland vor allem aus der Drogenaffinitätsstudie herleiten. Die aktuellsten Daten wurden 2001 erhoben. In den alten Bundesländern haben 28 % der Jugendlichen bereits eigene Erfahrungen mit illegalen Drogen; in den neuen Bundesländern liegt der entsprechende Wert 2001 auch bei 24 %. Die Lebenszeit-Prävalenzen dieser Altersgruppen lagen bei einer Erhebung im Jahre 1993 noch bei 18 % in Westdeutschland und bei 6 % im Osten. Der Vergleich dieser Prävalenz-Daten zeigt, daß in den neuen Bundesländern die Anzahl der Jugendlichen, die schon einmal Rauschmittel genommen haben, stark zugenommen hat. Die Drogenerfahrung der Jugendlichen in den alten und den neuen Bundesländern unterscheidet sich mittlerweile kaum noch. Drogenaffinitätsstudie Repräsentativerhebung Drogenerfahrung Jugendlicher In der Altersgruppe der Jugendlichen sind 38 % Tabak-Raucherinnen und –Raucher - mit etwa gleichen Quoten bei Mädchen und Jungen, wobei ca. ein Drittel der 24- bis 25jährigen als starke Raucher zu bezeichnen sind. Fast alle Jugendlichen haben Erfahrungen mit Alkohol, rund ein Drittel trinkt regelmäßig, nur ein kleiner Teil (ca. 200.000) trinkt täglich. Jugendliche konsumieren Alkohol in zunehmendem Maße riskanter, d. h., daß Alkoholexzesse bei Jugendlichen durchaus verbreitet sind. 3,6 % der 11jähringen trinken bereits regelmäßig „Alcopops“, 5-6 % trendige Spirituosen-Limonaden-Mixgetränke. Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Über ein Viertel der Jugendlichen hat Erfahrungen mit Cannabis, der Anteil der aktuellen Konsumenten in dieser Gruppe liegt bei mehr als 25 %, wobei auch hier zunehmend riskantere Konsummuster und Mischkonsum zu verzeichnen sind und es nur noch geringe Unterschiede zwischen Westund Ostdeutschland gibt. In beiden Teilen Deutschlands haben sich die Prävalenzraten für Cannabis seit 1990 erhöht. In den alten Bundesländern hatten 1990 lediglich 16,7 % der befragten Personen (18 – 59 Jahre) Erfahrung mit Cannabis (Lifetime-Prävalenz), im Jahr 2000 25,4 % der Männer und 18,1 % der Frauen; in den neuen Bundesländern haben sich die zunächst sehr kleinen Zahlen von 1990 (ca. 1 % mit Cannabiserfahrung) bis 2000 ca. verzehnfacht (14,6 % der Männer und 7,1 % der Frauen). Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen Cannabis Illegale Drogen – Epidemiologisches Eine kleinere Gruppe der 18 – 59-Jährigen (ca. 3 – 4 %) konsumiert Ecstasy und Amphetamine.. Die Partydroge Ecstasy ist auf dem bundesdeutschen Drogenmarkt seit Anfang der 90er Jahre für Jugendliche jedoch von großer Bedeutung Die polizeilichen Sicherstellungen stiegen enorm – von 694000 KE (Konsumeinheiten) 1997 über 1.47 Mill.KE 1999 auf 4.57 Mill.KE 2001. Es fällt auf, daß Ecstasy – obwohl im Vergleich zu anderen Drogen noch relativ neu auf dem Markt – doch in erheblichem Umfang konsumiert wird. Augenfällig ist, daß die „Erfahrungsdifferenz“ zwischen den alten und neuen Bundesländern, die für die „alten“ Drogen Kokain, Heroin und Cannabis deutlich ist, bei Ecstasy offensichtlich keine Rolle spielt. Konsumerfahrungen mit Ecstasy finden sich inzwischen sogar häufiger in den neuen Bundesländern (2 % vs. 1,5% auch bei den 18- bis 59-Jährigen im Jahr 2000). Als synthetische halluzinogene Droge wird in Deutschland fast ausschließlich LSD konsumiert. Andere Drogen, wie z. B. Meskalin, kommen nur selten vor und fallen zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Häufig konsumiert werden jedoch halluzinogene Öko-Drogen. Die Erfahrung mit LSD im Lebenszeitraum ist 2001 im Westen mit 2,0 % auf dem Niveau von 1990 geblieben (Altersgruppe: 18 – 59 Jahre). In den neuen Ländern liegt sie bei 1,1 %. Die Gruppe der Kokainkonsumenten weist in Deutschland bereits seit mehr als 10 Jahren leichte Zunahmen auf. In der Altersgruppe 18 – 59 liegt die Konsumentenrate im Lebenszeitraum bei der Repräsentativerhebung 2000 im Westen bei 2,4 %, im Osten bei 1,6 %. Auffällig ist jedoch der, wenn auch auf niedrigem Niveau, doppelt zu häufige Konsum der äußerst gefährlichen „Designer“-Droge Crack in den neuen Bundesländern ( 0,2% vs. 0,1%) Der Konsum von Opiaten, vor allem von Heroin, liegt auf einem niedrigen Niveau. Etwa 0,8 % der Bevölkerung von 18 bis 59 Jahren in den alten und 0,6 % in den neuen Bundesländern haben im Laufe ihres Lebens Erfahrungen mit Heroin gemacht. Die Werte bezüglich des Konsums während der letzten 12 Monate sind deutlich kleiner. Die statistischen Angaben dürften jedoch nur Minimal-Daten darstellen. Dies hängt u. a. mit der schwierigen Erreichbarkeit dieser Gruppe im Rahmen üblicher Befragungen zusammen. Ein vergleichsweise großer Anteil entzieht sich aufgrund von Wohnungslosigkeit, Inhaftierung oder stationärer Entwöhnungsbehandlung der üblichen Datenerhebungspraxis oder nimmt an einer solchen Umfrage bewußt nicht teil. In den alten Ländern findet sich eine relativ große Zahl von Ex-Konsumenten von Heroin in der Altersgruppe jenseits der 30. Die meisten Erfahrungen werden jedoch im Westen in der Altersgruppe von 25 – 29 Jahren berichtet, im Osten bei den 18 – 24Jährigen. Neben Heroin werden auch andere Opiate im nicht unerheblichen Ausmaß konsumiert. Hierzu gehört vor allem Codein. Der Drogenkonsum-Trend geht jedoch eher weg von den sedierenden Opiaten, hin zu den aktivierenden Psychostimulantien und Halluzinogenen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen 39 Ecstasy halluzinogene Drogen Kokain Opiate Trend Nichtstoffgebundene Süchte - Spielsucht 40 2.5 Nichtstoffgebundene Süchte Spielsucht 1. Problemstellung Pathologisches Glücksspiel und Glücksspielsucht gibt es nicht erst in der Gegenwart. Neu ist allerdings die Häufigkeit. Waren es früher Einzelfälle, so ist jetzt von 100.000 bis 120.000 beratungs- und behandlungsbedürftigen Glückspielern auszugehen. Die Häufigkeit ergibt sich aus der hohen Verfügbarkeit von Geld und Glücksspielen und der geringen sozialen Ächtung. Glücksspielsucht 2. Diagnose „Pathologisches Spielen“ (ICD-10) Die Störung besteht in häufig wiederholtem episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung der betroffenen Person beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt. Die Betroffenen setzen ihren Beruf und ihre Anstellung auf Spiel, machen hohe Schulden und lügen oder handeln ungesetzlich, um an Geld zu kommen oder die Bezahlung von Schulden zu umgehen. Es wird ein intensiver, kaum kontrollierbarer Spieldrang beschrieben. Daneben steht die gedankliche und bildliche Vorstellung des Spielvorganges und seiner Begleitumstände im Vordergrund. Die gedankliche Beschäftigung und die Drangzustände verstärken sich häufig in belastenden Lebenssituationen. Die Hauptmerkmale sind: ▫ dauerndes, wiederholtes Spielen ▫ anhaltendes und oft noch gesteigertes Spielen trotz negativer sozialer Konsequenzen wie Verarmung, gestörte Familienbeziehungen und Zerrüttung der persönlichen Verhältnisse Diffenentialdiagnose „Gewohnheitsmäßiges Spielen“: Diese Personen spielen wegen der aufregenden Spannung oder versuchen, damit Geld zu verdienen. Bei schweren Verlusten oder anderen negativen Auswirkungen schränken sie ihre Gewohnheit zumeist ein. Spieldrang Hauptmerkmale der Spielsucht gewohnheitsmäßiges Spielen 3. Therapie Ambulante Therapieprogramme werden von einigen Suchtberatungsstellen sowie von niedergelassenen Psychotherapeuten angeboten. Fragen Sie bitte in Ihrer Region nach. Bei Fehlschlagen der ambulanten Behandlung oder der Notwendigkeit, den Betroffenen aus seinem Milieu zu entfernen, bieten einige Fachkliniken für Abhängigkeitskranke (Rehabilitationskliniken) qualifizierte Therapieprogramme an. Die in Frage kommenden Fachkliniken sind dem Serviceteil zu entnehmen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – suchtbezogen ambulantes Therapieprogramm Sucht bei Kindern- und Jugendlichen - Erstkontakt 41 3. Spezieller Teil – patientenbezogen 3. 1 Sucht bei Kindern und Jugendlichen 1. Erstkontakt Die Tendenz zu immer früherem Erstkontakt mit Drogen hält leider an. Erstkontakt im Alter von 10, 11 oder 12 Jahren ist die Regel. Die Einstiegsdrogen sind Nikotin und Alkohol. Drogen als Jugendproblem zu beschreiben ist nur vordergründig richtig. Menschen ganz allgemein konsumieren Drogen, um ihr psychisches Befinden zu verändern, sich wohler zu fühlen, Belastungen besser stand zu halten. Konsum und Abhängigkeit sind keineswegs nur jugendtypische Erscheinungen. 2. Weshalb konsumieren Jugendliche Drogen? Jugendliche konsumieren Drogen aus Neugier und weil die Drogenszene eine gewisse Anziehungskraft gerade in dem Alter hat, in dem man sich in natürliche Opposition zur Erwachsenenwelt begibt. Die Suche nach neuen Erfahrungen, Erlebnishunger und Lust am Risiko tragen zu einer erhöhten Aufgeschlossenheit gegenüber Drogen bei. Aber auch unsere „süchtige Gesellschaft“, die immer mehr erlaubt, was gefällt, so lange es Spaß macht und Profit bringt, um dann über die abhängig gewordenen Opfer um so verächtlicher herzufallen, begünstigt den jugendlichen Drogenkonsum. Erwachsene sind Vorbilder und prägen damit auch das Konsumverhalten von Jugendlichen. 95 % aller Jugendlichen machen ihre ersten Erfahrungen mit legalen Suchtmitteln im unmittelbaren Familienkreis. psychisches Befinden verändern Neugier und Anziehungskraft Opposition Der Gruppendruck spielt eine wichtige Rolle, man will dazu gehören und cool sein. Die sogenannte „Peer-group“, also die Bezugsgruppe der Gleichaltrigen, „die Clique“, hat erheblichen Einfluß auf die Einstellung zum Drogenkonsum, häufig wesentlich größeren als Eltern oder Lehrer. Gruppendruck Unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten ist das Jugendalter der Übergang von Kindheit zum Erwachsensein. Sowohl der gesellschaftliche Erwartungsdruck als auch die Probleme mit dem Finden einer eigenen Identität strengen an und bilden einen gefährdenden Untergrund für das Ausweichen in die Welt der Drogen. Entwicklungspsychologische Gesichtspunkte im Jugendalter Der Drogenkonsum ist bei den meisten Jugendlichen eine zeitlich begrenzte Erscheinung, die mit dem entwicklungsbedingten Wandel der Lebensauffassungen und mit der Übernahme konventioneller Rollen häufig an Bedeutung verliert. Dennoch sind bei einem Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen problematische Konsummuster bis hin zum gesundheitsschädlichen Gebrauch bzw. Abhängigkeit gegeben. Drogenkonsum meistens zeitlich begrenzte Erscheinung Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Sucht bei Kindern und Jugendlichen – Häufigste Drogen 42 3. Was sind die häufigsten Drogen? Die häufigsten Drogen der Kinder und Jugendlichen sind getreu dem Erwachsenenvorbild Nikotin und Alkohol. Unter den illegalen Drogen wird Cannabis am weitaus häufigsten konsumiert. Über ein Viertel der Jugendlichen hat mit dieser Droge Erfahrungen. Ein kleinere Gruppe nimmt Ecstasy oder Amphetamine. Als halluzinogene Droge wird in Deutschland fast ausschließlich LSD konsumiert. Nicht selten ist aber auch an nicht verbotene Pflanzenteile (z. B. diverse Pilze, Engelstrompete, Muskatnuß, Stechapfel) zu denken. Der Konsum von Kokain/Crack nimmt auch in neuen Bundesländern zu. Opiate werden vor allem als Heroin konsumiert, jugendliche Einsteiger probieren es eine Zeitlang mit Schnupfen und Rauchen dieser Substanzen. Bei diesen Drogen ist der Druck der Konsumenten/Patienten auf Ersatzstoffe bzw. möglichst warmen und bequemen Entzug besonders hoch. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich jedoch um Mischkonsum. Ein Teil der Jugendlichen bevorzugt die „Chemie“/Pillen, die anderen stehen auf Öko-Drogen. häufigste Drogen 4. Hinweis für Drogenproblematik bzw. –abhängigkeit Psychische und psychosoziale Merkmale: - Plötzlicher Wechsel des Freundeskreises - Kontaktverlust zu Eltern bzw. Familie - Frühere Interessen (Hobbies) werden aufgegeben - Unbegründete Änderung früherer Gewohnheiten - Allgemeine Interessenlosigkeit, Unmotiviertheit - Starker Leistungsabfall in kognitiver und körperlicher Hinsicht - Ständige Geldknappheit - Starke Unruhe (nervös, fahrig) - Vernachlässigung der Körperpflege - Starke Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Wutausbrüche, depressive Verstimmung u. U. mit Weinkrämpfen und Selbstmordgedanken - Angstzustände, grundlose Panikreaktion - Desorientierung - Optische und aktustische Halluzinationen - Paranoide Symptomatik (unsichere) körperliche Merkmale: - Starke Benommenheit, Unsicherheit, torkelnder Gang, lallende Sprache - Blasses, ungesundes Aussehen - Schläfrigkeit, Apathie - Appetitlosigkeit - Starke Gewichtsabnahme - Erhöhte Berührungs-, Schmerz- und Lichtempfindlichkeit - Schwindel, Kopfdruck - Laufende Nase Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen psychische und psychosoziale Merkmale körperliche Merkmale Sucht bei Kindern und Jugendlichen – Hinweise auf Drogenproblematik bzw. -abhängigkeit - 43 Reizhusten Magen-, Darmstörungen Heißhunger (insbesondere auf Süßigkeiten) Zahnschäden (bis zur Zerstörung des Gebisses) Extrem erweiterte (z. B. durch Ecstasy) oder verengte ( z. B. durch Heroin) Pupillen Gerötete Augen, Flimmern vor Augen, glasig starrer Blick Juckreiz Außergewöhnliches Schwitzen Gänsehaut Händezittern Schmerzen Eitrige Geschwüre an den Extremitäten, Spritzabszesse und Furunkel Leberentzündung Einstichstellen (am ganzen Körper möglich, häufig an Armen und Beinen) Wie bereits erwähnt, können die oben genannten Warnzeichen auch andere Ursachen haben. Eltern sollten darauf achten, aber nicht die Diagnose stellen. Eine wichtige Möglichkeit für Eltern, das Interesse an ihren Kindern zu zeigen, ist es, offen mit ihnen über Gebrauch und Mißbrauch von Alkohol und anderen Drogen zu sprechen. Ein wichtiger erster Schritt ist der Besuch des Kindes oder Jugendlichen beim Hausarzt, um körperliche oder andere Ursachen für die Warnzeichen auszuschließen. Laboruntersuchungen des Urins helfen weiter. Man muß damit rechnen, daß sich Patienten verweigern oder geschickt wie Dopingsünder verhalten. Möglichst bald sollte die Vorstellung und gründliche Untersuchung bei einem (Kinder- und Jugend-)Psychiater und/oder in einer Sucht- bzw. Drogenberatungsstelle folgen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen andere Warnzeichen Sucht in der Schwangerschaft 44 3. 2 Sucht in der Schwangerschaft Bei der Landesärztekammer Thüringen kann eine Liste von Ärzten angefordert werden, die im Besitz der Fachkunde „Suchtmedizinische Grundversorgung“ sind. 1. Schwangerschaft und Alkohol Eine keimschädigende Wirkung des väterlichen Alkoholkonsums ist bisher nicht nachgewiesen; Folge ist jedoch eine deutliche Verminderung der Fertilität; Mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann keimschädigend wirken und zu einer Alkoholembryopathie führen. Die Schädigung erfolgt vorwiegend im ersten Trimenon. Jährlich werden in Deutschland etwa 1.800 Kinder mit dieser Schädigung geboren. Etwa die Hälfte der Kinder von alkoholkranken Frauen ist nicht sichtbar geschädigt. Alkoholembryopathie Leitsymptome der Alkoholembryopathie: Minderwuchs, Mikrozephalus, statomotorische und geistige Retardierung, Hyperaktivität, Muskelhypotonie, typische Fazies (gerundete Stirn, Stupsnase, Epikanthus, verstärkte Nasolabialfalten, schmale Lippen, Retrogenie), Mißbildungen verschiedener Organsysteme, besonders des Herzens (meist Vorhofseptumdefekt), des Uro-Genitalsystems und der Extremitäten Entzugserscheinungen des Neugeborenen infolge fetal entwickelter Abhängigkeit sind möglich (postnatal erhöhte Sterblichkeit). 2. Schwangerschaft und Nikotin Nikotin und Kohlenmonoxid schädigen den Embryo während der Schwangerschaft Aktives und Passivrauchen können während der Schwangerschaft folgende Risiken bewirken: Fehlgeburt, Totgeburt, Frühgeburt, Leukämie, Untergewicht des Neugeborenen (was wiederum einen Risikofaktor für die normale psychische und physische Entwicklung des Kindes darstellt), Unterentwicklung der Lungentätigkeit des Neugeborenen Risiken des aktiven und passiven Rauchens Entzugserscheinungen des Neugeborenen sind möglich. 3. Schwangerschaft und Medikamente Medikamente können auf unterschiedlichste Art und Weise die Entwicklung des Embryos schädigen. Deshalb wird bei vielen Medikamenten vor der Anwendung in der Schwangerschaft gewarnt. Lesen Sie den Beipackzettel! Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Beipackzettel beachten Sucht in der Schwangerschaft 45 4. Schwangerschaft und illegale Drogen Illegale Drogen können die Entwicklung des Embryos schädigen. Selbst wenig teratogen wirkende Drogen führen über multiplen Substanzgebrauch und assoziierte Erkrankungen zu Störungen der Schwangerschaft und Schädigung des Neugeborenen. Dazu zählen: Todund Frühgeburt, vorzeitige Wehen und Mißbildungen, frühkindliche Hirnschädigung, später Wachstumsverzögerung, Störung der geistigen und motorischen Entwicklung, Aufmerksamkeitsdefizitund Hyperaktivitätsstörung, Virusinfektionen. Als besondere Komplikation sind Entzugserscheinungen des Neugeborenen (bei Opiaten), andere Absetzphänomene (z. B. durch Amphetamine) und die Cocainembryopathie (jittery baby syndrome, Crack-Babies), aber auch die Cannabis-Embryopathie zu erwähnen. Mischkonsum mehrerer Drogen einschließlich Alkohol, Nikotin und Medikamenten erhöht die Gefahren. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen drogenbedingte Schädigungen des Embryos Sucht im Alter 46 3. 3 Sucht im Alter 1. Probleme des Älterwerdens • • • In unserer Zeit wird Jugendlichkeit zum Fetisch erhoben. Jugend wird mit Attraktivität, Gesundheit und Leistungsfähigkeit gleichgesetzt, Altern hingegen mit dem Abbau dieser Eigenschaften. Viele ältere Menschen beweisen das Gegenteil. Sie sind aktiv, nutzen ihre Reife und Lebenserfahrung, sind häufig in den Familien, im Ehrenamt und an vielen anderen Orten unverzichtbar. Wer versucht, das Altern zu vermeiden, läuft Gefahr, das Leben ausschließlich unter dem Aspekt des Verlusts wahrzunehmen, darunter zu leiden und schließlich zu erkranken. Altern ist jedoch wie das Leben überhaupt ein Anpassungsprozeß. Die Aufgabe heißt: die eigenen Möglichkeiten (Erfahrungen, Einsichten) zu erkunden und zu nutzen. Typische Probleme des Älterwerdens sind Krankheit, Leid und Tod (die „tragische Trias“ Viktor E. Frankls). Der Körper ist mitunter leidvoll zu spüren, Alterskrankheiten engen den Freiraum ein, Verwandte und Freunde verlassen uns, Enttäuschung und Einsamkeit können sich breit machen, Sinnkrisen uns ergreifen, wenn wir nicht bewußt neue Kontakte knüpfen, neue Möglichkeiten erschließen. • Hilfen von außen sollten vor allem soziale Unterstützung anbieten, Kontakte ermöglichen, altersgerechte Aufgaben aufzeigen und Sinnerfüllung fördern. 2. Ursachen und Anlässe für den Mißbrauch psychotroper Substanzen im Alter (durch Selbstmedikation und iatrogen) • mißlungene Anpassungsprozesse an das Altern Einsamkeit – innere Leere Nutzlosigkeit – Wertlosigkeit Resignation – Hilflosigkeit Angst vor Autonomieverlust altersbedingte Verlustsituationen (Angehörige und Bekannte, Ausscheiden aus dem Erwerbsleben) • narzisstische Krisen (Angst vor Abwertung infolge verminderter Leistungsfähigkeit = Krise des Selbstbewusstseins) • Identitätskrisen (Altersneustrukturierung/Zeit im Leben füllen; Ambivalenzen in der Partnerschaft) • somatoforme Störungen mit: funktionellen autonomen Symptomen, Schlafstörungen, Schmerzen ... • altersbedingte Schmerzen und Behinderungen Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Probleme des Älterwerdens Mißbrauchsbedingungen im Alter Sucht im Alter – Alter und psychotrope Substanzen 47 3. Alter und psychotrope Substanzen • • • • Alkohol: Der Anteil der Abstinenten nimmt zwar im Alter zu. Viele trinken hingegen regelmäßig, jedoch wegen zunehmender Toleranzminderung bei den einzelnen Trinkanlässen weniger (riskanten regelmäßigen Alkoholkonsum betreiben ca. 70 % der > 70Jährigen). Ca. 20 % der Bewohner von Altersheimen haben Alkoholprobleme. Ältere Alkoholiker unterscheiden sich nach dem Beginn des pathologischen Trinkens. Etwa 2/3 der älteren Trinker gehören zu den sogenannten Frühbeginnern (etwa vor dem 40./50. Lebensjahr); sie haben häufiger einen schwereren Krankheitsverlauf. Der Alkoholkonsum ist höher, Intoxikationszustände und Vorbehandlungen wie auch soziale und familiäre Probleme sind häufiger. Sie stammen häufiger selbst aus Alkoholikerfamilien und weisen öfter instabile Persönlichkeitszüge auf. – Ca. 1/3 sind „Spätbeginner“ (Altersalkoholismus i. e. S.) Ältere Alkoholiker benötigen mehr soziale Unterstützung und sind oft weniger einer einsichtsorientierten Therapie zugänglich. Eine Entwöhnungstherapie kann dennoch das Ziel sein. Begleitender Medikamentenabusus und -abhängigkeit nehmen mit dem Alter zu. • Analgetika: Schmerzen sind im zunehmenden Alter häufig. Schmerzmittel werden ebenso ärztlich verordnet wie selbst gekauft. Eine effiziente ärztliche Schmerztherapie sollte nicht nur auf die interne Pharmakawirkung setzen, sondern auch auf Externa (Einreibungen, Bäder), auf Aktivität, Mobilität, Entspannungsfähigkeit, auch auf Heiterkeit und ein Ertragen-Können. • Benzodiazepine (BZD): Der Konsum von BZD nimmt im Alter deutlich zu und beträgt jenseits des 65. Lebensjahres etwa das 2,5fache des Gesamt-durchschnitts. Die Verordnungshäufigkeit steigt zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr um das Zehnfache. Frauen überwiegen (um das 1,5- bis 3fache). Bewohner von Altenheimen erhalten häufiger und regelmäßiger BZD. Jedoch kommt Hochdosisabhängigkeit im Alter sehr selten vor. Bereits bei niedrigem Plasmaspiegel treten jedoch Nebenwirkungen wie unerwünschte Sedierung und Muskelschwäche auf (Folge: Sturzverletzungen). „Übliche“ Dosierungen führen wegen einer im Alter verlängerten Halbwertszeit zu erheblicher Wirkstoffkumulation mit hohem Plasmaspiegel (bei Diazepam max. 10 Tage → chronische Intoxikation mit pseudodementer und apathischer, adynamer Symptomatik →Fehldiagnose). Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Alte und Alkohol Analgetika im Alter BenzoDiazepine im Alter Sucht im Alter – Therapiebesonderheiten bei Abhängigkeit im Alter • Hypnotika: Wenn die Nacht zum Tage wird, können Nächte und Tage zum quälenden Problem werden. Länger dauernde Schlaflosigkeit sollte ärztlich ernst- und wahrgenommen werden. Eine Gewöhnung an Schlafmittel tritt schnell ein, die Entwöhnung ist schwierig. Deshalb sollten zuerst alle medikamentenfreien Möglichkeiten zur Einschlafförderung genutzt werden. An eine (blande) depressive oder hirnorganische Symptomatik ist zu denken. Auch ein Therapieversuch mit Antidepressiva ist zu erwägen. • Laxantien: Obstipation führt im Alter häufiger zu Laxantienmißbrauch, dieser wiederum zu chronischer Obstipation (circulus vitiosus). Sinnvoll sind altersgerechte Ernährung, Bewegung und „natürliche“ stuhlganganregende Mittel. 48 Hypnotika im Alter Laxantien im Alter 4. Therapiebesonderheiten bei Abhängigkeit im Alter Überwinden des therapeutischen Nihilismus, denn auch für den multimorbiden älteren Abhängigen machen Entzugs- und Entwöhnungsbehandlungen in der Mehrzahl Sinn. Jeder sollte die Möglichkeit erhalten, abstinent zu werden und dann entscheiden zu können, ob die nächsten Jahre mit oder ohne Suchtmittel für ihn lebenswerter sein können. Modifizierte Therapieziele: • aktuelle Lebenszufriedenheit ohne Suchtmittel, d. h. bessere Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, weniger gesundheitliche Störungen und Reintegration in das gesellschaftliche Leben durch Suchtmittel-Abstinenz (auch organbedingte Schmerzen können in der Regel durch Wegfallen der Entzugsschmerzen mit alternativen Methoden wie Physiotherapie und Akupunktur medikamentenfrei erträglicher werden) • Bei Scheitern einer abstinenzorientierten Therapie Versuch der Schadensminderung (Besserung der gesundheitlichen und psychosozialen Folgen durch Medikamentenumstellung und Nutzen alternativer Behandlungsmöglichkeiten). Entwöhnungsbehandlung: - indiziert, wenn durch eine qualifizierte Entzugsbehandlung Motivierung und Einstellungsänderung gelingen - nur 24 % der älteren Abhängigen erhalten eine Therapieempfehlung, eingeleitet wird dieselbe nur bei 16 % - gemeindenah – individuell – alterspezifische Themen/Konzepte – angepaßte Therapiedauer (Kurzzeit-Behandlung) Einstellungsänderung der Fachkliniken = Therapiekonzepte „für die 2. Lebenshälfte“: - spezielle indikative Gruppen = häufig Kränkung der Älteren durch die Jüngeren → therapeutische Gruppen für Ältere (nur anfängliche Wehleidigkeit) – keine Isolierung von Jüngeren im Kliniksbereich Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Therapiebesonderheiten im Alter Therapieziele Entwöhnungsbehandlung Sucht im Alter – Therapiebesonderheiten bei Abhängigkeit im Alter - 49 günstig: stabile Lebenserfahrung bei in der Regel nicht schwergestörter, reifer Persönlichkeitsstruktur (aktiv, kreativ, kommunikativ) Berücksichtigung von hohem Schamgefühl und ausgeprägter Kränkbarkeit Entwicklung der Bereitschaft, sich der eigenen Lebenssituation zu stellen und neue Lebensinhalte zu entdecken = selbstbewusste Zufriedenheit und Tagesstrukturierung Therapie-Erfolg/Prognose - - instabiler als bei jüngeren Abhängigen (geringeres Durchhaltevermögen sowie Wunsch nach Beschwerdefreiheit und gegenwärtigem Genuß/Wohlbefinden) Nachuntersuchungen belegen dennoch kaum schlechtere Erfolgsraten (zumindest bei Alkoholabhängigkeit): V kurzfristige Abstinenzraten bei 50-60 % V stabile mittel- bis längerfristige Besserung bei 40-50 % günstigste Prognose bei Alkoholabhängigkeit mit spätem Beginn (kürzere Krankheitsdauer, geringere Schwere, bessere soziale und finanzielle Ressourcen) Aus langzeitig psychisch und somatisch schwerst beeinträchtigten Patienten werden wieder psychisch ausgeglichene Menschen mit altersgemäßen erträglichen körperlichen Beschwerden und besserer Lebensqualität. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Prognose und Therapieerfolg Suchtkranker Arzt – Das Thüringer Angebot 50 3. 4 Suchtkranker Arzt Ärztinnen und Ärzte (im weiteren als Berufsbezeichnung: Ärzte) haben ein höheres Abhängigkeitsrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung (Beruf, Selbstmedikation ...). Etwa 7 bis 8 % der deutschen Ärzte werden mindestens einmal im Leben mit Symptomen einer Suchterkrankung auffällig; das sind schätzungsweise 5000 berufstätige Kolleginnen und Kollegen. An Leberzirrhose versterben 3x mehr Ärzte als Probanden einer vergleichbaren Kontrollgruppe. Mehr als 50 % der suchtspezifisch behandelten Ärzte sind niedergelassen; ca. 44% sind abhängig von Alkohol, 36,7% von Alkohol und Medikamenten, 14,5% von Medikamenten (incl. BtM). Durch suchtspezifische Behandlung können Abstinenzquoten von 60 bis 70 % nach einem Jahr, von 50 % nach längerer Zeit erreicht werden. Epidemiologisches Probleme: - Tabuthema: der psychisch bzw. suchtkranke Arzt Ignoranz: falsche Interpretation wissenschaftlicher Fakten, falsch verstandene Kollegialität Schamgefühl und Selbstüberschätzung Freiberuflichkeit (sog. Opportunitätsbudget), Leistungssituation Vermeidung von rechtzeitiger Therapie führt letztlich zu disziplinarischen Sanktionen und existentieller Bedrohung (Kassenzulassung nur bei Suchtmittelfreiheit) Probleme Schritte und Möglichkeiten: - Erkennen und Ansprechen (ideal, aber schwer unter Kollegen, kaum realisierbar gegenüber den Vorgesetzten) Einbeziehung eines Fachmannes (Kompetenz, Vertraulichkeit in der Beziehung, Konsequenz in der Sache) Ambulante Beratung/ggf. ambulanter Therapieversuch (vollständige Problemwahrnehmung, Sicherung der Diagnose, Einhaltung von Vereinbarungen, Akzeptanz der Kontrolle) Stationäre Entzugstherapie/Entwöhnungstherapie (Vermittlung in eine kompetente Einrichtung) Nachsorge (geeignete Form der Selbsthilfe, professionelle Begleitung) Schritte und Möglichkeiten Thüringer Angebot für suchtkranke Ärzte 1. Betroffene Ärzte konsultieren einen Vertrauensarzt* Beratungsgespräche (ein bis zwei) ◊ Verdachtsdiagnose (Labordiagnostik wünschenswert) mit Therapieempfehlung sowie ggf. Information über derzeitige Fahruntauglichkeit und Gefährdung der Berufsfähigkeit (Schweigepflichtentbindung für den Fall, daß die Landesärztekammer Thüringen aus gegebenem Anlaß zu einem späteren Zeitpunkt um Auskunft bittet – eine Verweigerung der Schweigepflichtentbindung ebenfalls durch Unterschrift belegen!). Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Thüringer Hilfsangebot Suchtkranker Arzt – Das Thüringer Angebot ambulanter Therapieversuch ◊ Ausnahme in begründetem Einzelfall und nur nach o. g. Schweigepflichtentbindung! ◊ häufige, unregelmäßige Kontrollen relevanter Laborwerte einschl. toxikologischer Diagnostik (ggf. kostenpflichtig) ◊ bei Nichterreichen einer anhaltenden Suchtmittelabstinenz und/oder Nichteinhalten der Vereinbarungen muß der Behandlungsversuch baldmöglichst abgebrochen werden → schriftliche Belehrung über die Notwendigkeit einer umgehenden stationären Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung sowie über Fahruntauglichkeit und mögliche berufsrechtliche Konsequenzen (Unterschrift!) 2. Vertrauensarztvorstellung über die Landesärztekammer Thüringen (nach bekannt gewordenem Fehlverhalten): Diagnostik und Therapieempfehlung ◊ diagnostisches Gespräch und Labordiagnostik einschl. Toxikologie (kostenpflichtig) ◊ Beratung hinsichtlich von Behandlungsnotwendigkeit und –möglichkeiten ( der Regel stationäre Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung sowie langjährige mehrgleisige Nachsorge) ambulanter Therapieversuch (eventuell) ◊ Behandlungsvertrag bezüglich Laborkontrollen, derzeitiger Fahruntauglichkeit und Schweigepflichtentbindung gegenüber Landesärztekammer Thüringen (Informationen über Verdachtsdiagnose und Behandlung in mindestens vierteljährlichen Abständen → bei erfolgreichem Verlauf entfällt eine Meldung der Landesärztekammer Thüringen an die Approbationsbehörde). ◊ Wird innerhalb von max. 3 Monaten eine anhaltende Abstinenz nicht erreicht, muß der ambulante Behandlungsversuch beendet werden! Bei fehlender Bereitschaft, sich umgehend einer stationären Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen, informiert die Landesärztekammer Thüringen unverzüglich die Approbationsbehörde, welche vor der Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen in der Regel eine Begutachtung veranlaßt. 3. Nachsorgevereinbarung mit der Landesärztekammer Thüringen (nach stationärer oder ggf. auch ambulanter Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung) ◊ Dauer 2 bis 10 Jahre auf der Basis einer freiwilligen Vereinbarung. ◊ Nachweis einer regelmäßigen mehrgleisigen suchtspezifischen Betreuung (über suchtmedizinisch erfahrenen Arzt, Selbsthilfegruppe, …). ◊ Abstinenznachweis: schriftliche Belege - im ersten Jahr vierteljährlich, dann halbjährlich - durch betroffenen Arzt über den Suchtausschuß/ Vertrauensärzte der Landesärztekammer Thüringen. ◊ Zusätzliche Abstinenzkontrolle durch die Anordnung relevanter LaborDiagnostik (Blutalkoholkontrolle, Leberwerte, Urinmethanolkonzentration, Hämatokrit, CDT; Medikamenten- und Drogenscreening – kostenpflichtig) in unregelmäßigen Abständen auf Veranlassung der Landesärztekammer Thüringen * Vertrauensärzte werden auf Vorschlag des Suchtausschusses der LÄKT vom Vorstand bestätigt. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen 51 Psychiatrische Komorbidität – Primäre psychiatrische Störungen 52 3. 5 Psychiatrische Komorbidität 1. Klassifikations- u. diagnostische Aspekte • Psychiatrische Komorbidität: gemeinsames Auftreten von allgemeinpsychiatrischer Störung und Störung durch den Gebrauch psychotroper Substanzen (destriktiv psychopatholog., d.h. DoppelDiagnose bedeutet nicht Doppel-Erkrankung im nosolog. Sinn) • Die Trennung von Suchtkrankenhilfe und Psychiatrie führt sowohl zur Vernachlässigung von einer der Diagnosen und damit zu deren unzureichender therapeutischer Berücksichtigung als auch zur Vernachlässigung dieser Patienten als sogenannte „Systemversager“ durch beide Versorgungssysteme • Die Differentialdiagnose zwischen primären (suchtbegleitenden) psychiatrischen Störungen und suchtmittelinduzierten Folgestörungen ist bei aktuell im Querschnitt ähnlicher Psychopathologie nur möglich durch eine detaillierte Erfassung des Längsschnittsverlaufs und bedarf der Langzeit-Erfahrung in beiden Versorgungssystemen. Definition differentialdiagnostische Probleme 2. Primäre psychiatrische Störungen (Komorbidität im engeren Sinn) • Einerseits mögliche Risikofaktoren für Suchtmittelabusus, andererseits hierdurch Modifizierung und Aggravierung von Suchtmittelabusus und -abhängigkeit • Hyperkinetische und Verhaltensstörungen in der KindheitPersönlichkeitsstörungen (Suchtkomorbidität von 69 - 100%). - Von Bedeutung sind insbesondere dissoziale, narzißtische und emotional instabile / Borderline-Persönlichkeitsstörungen. • Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen wie Angst-, Somatisierungs- und Anpassungsstörungen • affektive Störungen: besonders bipolare affektive und rezidivierende Störungen (z. B. haben erstere ein 5-8fach erhöhtes Alkoholismusrisiko) • Schizophrenie und schizoaffektive Störungen (10 x höheres Alkoholismus- und 8 x höheres Drogenabusus-Risiko; die Lebenszeit-Komorbidität von Schizophrenie und Alkoholismus beträgt 50%). Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen Risikofaktoren Persönlichkeitsstörungen Somatoforme Störungen affektive und schizophrene Störungen Psychiatrische Komorbidität – Psychiatrische Folgestörungen 53 3. Psychiatr. Folgestörungen v. Suchtmittelabusus u. –abhängigkeit • akut-toxisch: Delir - psychotischer Rausch - exogene psychotische Episoden im Sinne von toxisch bedingten affektiven sowie paranoidhalluzinatorisch/schizophreniformen Störungen. • chronisch toxisch: Dysphorie u. Depressivität (pharmakogen-metabolisch, aber auch reaktiv aufgrund sozialer Folgen), Persönlichkeits-, Verhaltens- und anhaltende kognitive Störungen amnest. Syndrom (einschl. Korsakow-Syndrom) – Demenz • posttoxisch: akutes und prolongiertes Entzugssyndrom sowie Abstinenzkrisen mit Depressivität, Angst und Panikstörungen, Schmerzsyndrom ..., Flashbacks (Nachräusche in Karenzphase) Suchtmittel-induzierte psychotische Störungen, zumeist halluzinatorisch, wahnhaft oder schizophreniform, selten affektiv (dann häufiger depressiver als manischer Färbung) - von der Alkoholhalluzinose bis zur drogengetriggerten schizophreniformen Psychose Toxisch bedingte Psychosen Persönlichkeits- und Hirnleistungsabbau posttoxische Störungen 4. Sucht-Psychose-Komorbidität • • Epidemiologische Aspekte: Cannabis-Konsumenten erkranken 6x häufiger an schizophrener Psychose; Bereits vor der Ecstasy-Ära hatten ca. 15 % der jugendlichen Drogenkonsumenten psychotische Episoden; 20 – 49 % der Ecstasy-Konsumenten (in der Regel polyvalenter Abusus) entwickeln dosisabhängig Psychosen. 48 % der schizophrenen Patienten betreiben Alkohol- und/oder Drogenabusus; häufig Entwicklung einer sekundären Abhängigkeit. epidemiologische Aspekte Differentialdiagnostische Probleme: - Delirante Intoxikationspsychosen durch Psychotomimetika und Psychostimulantien sind klinisch nicht sicher zu unterscheiden von deliranten Entzugssyndromen bei Abhängigkeit vom AlkoholBarbiturat-Typ (Cito-Toxikologie). - Eine stoffgruppenbezogene Differentialdiagnose posttoxischer schizophrener Psychosen ist in der Regel nicht möglich, d.h., es gibt z. B. keine typische Cannabis-Psychose, man kann höchstens von einer cannabisgefärbten Psychose sprechen. - Bedingte Ausnahmen: paranoide Stimulantien - induzierte Psychose, halluzinator. LSDinduzierte Psychose, PCP-induzierte Psychose mit Denkstörungen und Negativsymptomatik. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen delirante Psychosen (Intox. vs. Entzug) keine suchtmitteltypische Psychose Psychiatrische Komorbidität – Therapiehinweise - Die Differentialdiagnose schizophreniformer Psychosen in: ◦ drogenbedingte (symptomat.) schizophreniforme Psychosen, ◦ drogeninduzierte/-getriggerte („endoforme“) schizophreniforme Psychosen und ◦ drogenmodifizierte (endogene) schizophrene Psychosen ist bei unscharfer Grenze schwierig und nur im Längsschnittverlauf und bei entsprechender Erfahrung möglich. 54 DD schizophrener Psychosen 5. Therapie-Hinweise zu Abhängigkeitserkrankungen mit psychiatrischer Komorbidität • depressive komorbide Störungen: Abgesehen von Antidepressiva erfordernden primären bipolaren oder rezidivierenden affektiven Störungen bedürfen depressive Störungen bei Abhängigkeit in der Regel keiner medikamentösen Therapie. Sie bilden sich bei Verzichtswillen und Durchhaltevermögen im Verlauf einer etwa 6wöchigen qualifizierten Entzugsbehandlung zurück bzw. klingen spontan nach einer Abstinenzkrise wieder ab. • Die Diagnose einer primären Angststörung kann frühestens nach mindestens 6wöchiger qualifizierter Entzugsbehandlung gestellt werden. Besonders ausgeprägt und anhaltend kommt Angst als Symptom beim Benzodiazepinentzug vor. Eine zusätzliche spezifische medikamentöse Behandlung ist i. d. R. nicht erforderlich. • Sucht und Psychose beeinflussen sich gegenseitig negativ in Richtung weiterer Progredienz und Chronifizierung. Die schlechteste Prognose besteht bei primärer Schizophrenie mit sekundärer Suchtmittelabhängigkeit (Rehospitalisierungstendenz, Behandlungsunwilligkeit, sozialer Abstieg). - Therapievoraussetzung: suchtspezifische und allgemeinpsychiatrische Erfahrungen sowie individuelles Fingerspitzengefühl. - Ziele: Möglichst lange drogenfreie Zeiten und (trotz neurolept. Akuttherapie und ggf. längerzeitiger Neuroleptika-Rezidivprophylaxe) möglichst auch lange psychopharmakafreie Zeiten sowie Besserung der emotionalen, kognitiven und lebenspraktischen Defizite. - Problem: Ablehnung durch Suchttherapeuten als nicht therapiefähig vs. langjähriger „Kampf“ der traditionellen Psychiater in bester Absicht, aber „gegen Windmühlen“, wodurch leider ein suchtmedizinischer Behandlungsversuch - wenn überhaupt - in der Regel erst in einem sehr späten und damit prognostisch ungünstigen bis bereits infausten Stadium in Betracht gezogen wird. • Empfehlungen zur neurolept. Therapie: - Alkoholinduzierte Psychosen klingen bei Abstinenz in der Regel unter, zum Teil auch ohne Neuroleptika relativ rasch ab und bedürfen keiner medikamentösen Rezidivprophylaxe. Bei Chronifizierung kann eine bis 6monatige Behandlung mit einem nebenwirkungsarmen modernen Neuroleptikum in niedriger Dosierung angezeigt sein. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen depressive Störungen Angststörung Sucht und Psychose (Doppeldiagnose) Bevorzugung atypischer Neuroleptika Psychiatrische Komorbidität – Therapiehinweise - - Drogeninduzierte schizophreniforme Psychosen Jugendlicher bedürfen vermutlich einer ca. 6-monatigen Rezidivprophylaxe mit einem atypischen Neuroleptikum. Auch bei primärer Schizophrenie sollte die Langzeit-NeuroleptikaTherapie wegen der Neigung zu extrapyramidal-motorischen Störungen bei Abhängigen und der Kontraindikation von Antiparkinson-Mitteln möglichst mit einem modernen atypischen Neuroleptikum erfolgen. Praxisleitfaden Suchtmedizin – Spezieller Teil – patientenbezogen 55 Literaturverzeichnis 56 Literatur Arbter, P. A. et al.: Leitlinie zur Diagnose und Therapie von schädlichem Alkoholgebrauch und Alkoholabhängigkeit im niedergelassenen Bereich, in: IFE Interdisciplinary Science & Practice, Bd. 9, Braun, V. W./ Schaltenbrand, R. (Hrsg) Witten 1999. Backmund, M.: Drogen- und Alkoholnotfälle im Rettungsdienst, Edewecht, Wien 1999. Bauer, U.: Benzodiazepine und Benzodiazepin-Rezeptoragonisten in der Behandlung von Schlafstörungen - Bedeutung und Folgen, in: Ärztliche Fortbildung Qualitätssicherung 95/1, Jena 2001, S. 17 ff. Bauer, U.: Mißbrauch und Abhängigkeit von Medikamenten, in: Ärzteblatt Thüringen 11, Jena 1994, S. 677 ff. Bauer, U.: Therapiebesonderheiten bei Medikamentenabhängigkeit, in: Ärzteblatt Thüringen 11 , Jena 1994, S. 682 ff. Benkert, O./Hippius H.: Psychiatrische Pharmakotherapie, Berlin und Heidelberg 2003. Berger, M.: Psychiatrie und Psychotherapie, München 1998. 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Suchtbehandlung Großbreitenbach Schulstr. 12 98701 Großbreitenbach Tel.: 03 67 81/27 20 Fax: 03 67 81/2 72 45 Indikationsgebiete: Alkohol, Medikamente, Polytoxikomanie HILDBURGHAUSEN Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Eisfelder Str. 41 98646 Hildburghausen Tel.: 0 36 85/77 62 06 Fax: 0 36 85/77 62 05 Indikationsgebiete: Alkohol, Opiate, Medikamente, Polytoxikomanie JENA Klinik für Psychiatrie der Hans-Berger-Kliniken des Klinikums der Friedrich-SchillerUniversität Jena – Station für Alkohol- und Medikamentenabhängige Philosophenweg 3 07743 Jena Tel.: 0 36 41/93 52 69, 93 63 44 Fax: 0 36 41/93 52 80, 93 59 35 Indikationsgebiete: Alkohol, Medikamente, Polytoxikomanie, Komorbidität MARTH Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Rusteberg - Entzugsklinik Rusteberg 35 37318 Marth Tel.: 03 60 81/69 10 Fax: 03 60 81/6 91 41 Indikationsgebiete: Alkohol, Opiate, Medikamente, Polytoxikomanie Praxisleitfaden Suchtmedizin Serviceteil – Wichtige Adressen – Entwöhnungseinrichtung MÜHLHAUSEN Ökumenisches Hainich-Klinikum gGmbH, Klinik für Psychiatrie und Neurologie Pfafferode102 99974 Mühlhausen Tel: 0 36 01/80 30 Fax: 0 36 01/44 05 59 Indikationsgebiete: Alkohol, Medikamente, Polytoxikomanie STADTRODA ASKLEPIOS Fachklinik Stadtroda, Psychiatrie Bahnhofstr. 1a 07646 Stadtroda Tel.: 03 64 28/5 63 63, 5 64 35 Fax: 03 64 28/5 62 41 Indikationsgebiete: Alkohol, Opiate, Medikamente, Polytoxikomanie u. a. 4. 2 Entwöhnungseinrichtungen BAD BLANKENBURG Psychosomatische Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Georgstr. 40 07422 Bad Blankenburg Tel.: 03 67 41/4 90 Fax: 03 67 41/4 91 35 Indikationsgebiete: Alkohol, Medikamente, Polytoxikomanie BAD KLOSTERLAUSNITZ Fachklinik Klosterwald Bahnhofstr. 39 07639 Bad Klosterlausnitz Tel.: 03 66 01/85 90 Fax: 03 66 01/8 59 10 Indikationsgebiete: Alkohol Medikamente, Polytoxikomanie, Essstörungen und Spielsucht MARTH Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Rusteberg - Integrative Suchttherapie Rusteberg 65 37318 Marth Tel.: 03 60 81/69 10 Fax: 03 60 81/6 91 41 Indikationsgebiete: Alkohol, Opiate, Medikamente Praxisleitfaden Suchtmedizin 60 Serviceteil – Wichtige Adressen – Entwöhnungseinrichtung 61 RÖMHILD Therapiezentrum Römhild Am Großen Gleichberg 2 98631 Römhild Tel.: 03 69 48/87-0 Fax: 03 69 48/87 20 67 Indikationsgebiete: Alkohol, Medikamente, Polytoxikomanie, Komorbidität Der Wegweiser Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe wird vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit herausgegeben und ist nur noch über das Internet verfügbar (www.tls-suchthilfe-thueringen.de) Praxisleitfaden Suchtmedizin Serviceteil – Vertrauensärzte für suchtkranke Ärzte Vertrauensärzte für suchtkranke Ärzte Herr Dr. med. Winfried Bertram Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Therapiezentrum Römhild Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Am Großen Gleichberg 2 98631 Römhild Tel.: 036948/872038 Frau Dr. med. Ursula Bauer (Ruhestand) Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Tel: 0 36 41/33 52 85 Frau Dipl.-Med. Eva-Maria Burmeister Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Arztpraxis Saalfeld Pfortenstr. 27 07318 Saalfeld Tel.: 03671/55280 Herr Dr. med. Erhard Schäfer Facharzt für Allgemeinmedizin Arztpraxis Erfurt Nordhäuser Str. 3 99089 Erfurt Tel.: 0361/2666888 Herr Dr. med. Hans Amlacher Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Sachverständigenbüro/Privatpraxis Clara-Zetkin-Str. 14 07545 Gera Tel: 03 65/5 52 43 94 Frau Dipl.-Med. Konstanze Dölz Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Ökumenisches Hainich Klinikum gGmbH Pfafferode 102 99974 Mühlhausen Tel: 0 36 01/80 33 40 Praxisleitfaden Suchtmedizin 62 Serviceteil – Hinweise und Richtlinien zur Fahrtauglichkeit bei Abhängigkeitserkrankungen 63 Beispiel aus der Klinik für Psychiatrie des Klinikums der FSU Jena – Station für Alkohol- und Medikamentenabhängige Hinweise und Richtlinien zur Fahrtauglichkeit bei Abhängigkeitserkrankungen 1. Bei Abhängigkeit von Alkohol, psychotropen Medikamenten, illegalen Drogen und Schnüffelstoffen besteht gemäß geltender Vorschriften (Begutachtungsleitlinien zu Kraftfahrereignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin von 02/00, Fahrerlaubnisverordnung von 08/98) Fahruntauglichkeit und somit Fahrverbot. 2. Nach Entgiftung, kurzzeitiger Krisenintervention oder ledigl. allgemein-psychiatr. Behandlung einer seelischen Folgekrankheit (z. B. Psychose) sind Sie weiterhin fahruntauglich. 3. Nach einer mehrwöchigen qualifizierten Entzugsbehandlung sind Sie wegen der hohen Rückfallsgefahr solange fahruntauglich, bis Ihr Haus- oder Nervenarzt und die zuständige Suchtberatungsstelle Sie bedingt für fahrtauglich halten und Ihnen dies ausdrücklich bestätigen (nicht vor 12monatiger und auf wiederholte relevante labordiagnostische Kontrollen gestützter Suchtmittel-Abstinenz). – Für die Einhaltung dieser längerzeitigen Fahruntauglichkeit nach Entlassung aus unserer Klinik tragen Sie persönlich die volle Verantwortung! 4. Nach erfolgreicher mind. 3monatiger stationärer Entwöhnungsbehandlung (Langzeit-Reha infolge Alkoholabhängigkeit) kann Ihnen ggf. bei guten Voraussetzungen (Besitz eines Führerscheins, keine anderweitigen medizinischen Einschränkungen für die Fahrtauglichkeit) und nach ambulantem Abstinenznachweis nach einer nichtdefinierten Bewährungszeit für das 1. Jahr bedingte Fahrtauglichkeit gewährt werden, d. h. unter der Bedingung der Abstinenz und mit der Auflage, diese durch eine regelmäßige ambulante Nachbetreuung (Hausarzt, Suchtberatungsstelle, Selbsthilfegruppe, ...) zu belegen. – Für Ihre Abstinenz tragen Sie persönlich die volle und eine sehr hohe Verantwortung! 5. Nach vorausgegangenen epileptischen Anfällen, einer durchgemachten psychischen Erkrankung (z. B. eines Delirium tremens) bzw. bei noch relevanten Persönlichkeits- oder Hirnleistungsstörungen sowie bei Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit sind Sie in der Regel auch nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung noch 12 Monate fahruntauglich. 6. Rückfälle bewirken eine sofortige Fahruntauglichkeit, deren Dauer nach einer erneuten suchtspezifischen Therapie abhängig ist von vorausgegangener Abstinenzzeit, bewiesener Therapie- und Verantwortungsbereitschaft, Rückfalldauer u. ä. Kriterien. 7. Wurde Ihnen der Führerschein durch eine Verwaltungsbehörde im Zusammenhang mit der Suchterkrankung entzogen, ist auch nach einer erfolgreichen Alkohol-Entwöhnungsbehandlung in der Regel noch der Nachweis einer 1jährigen Abstinenz bis zur Wiedererlangung erforderlich.Gegenüber Behörden besteht zwar keine Pflicht zur Selbstanzeige, aber bei Beantragung eines neuen Führerscheins müssen Sie die Fragen nach einer Suchtbehandlung wahrheitsgemäß beantworten. Ihren Antrag auf Wiedererlangung des Führerscheins stellen Sie schriftlich bei der Med.-Psycholog. Abteilung einer TÜV-Stelle . Ich nehme diese Richtlinien zur Kenntnis und bestätige mit meiner Unterschrift, daß ich sie anerkenne und mich dementsprechend verhalten werde. Jena, den .............................. (Aufnahme) Jena, den .............................. (Entlassung) Jena, den .............................. ....................................................................... Unterschrift des Patienten (Vor- und ....................................................................... Unterschrift des Patienten (Vor- und Zuname) ....................................................................... Unterschrift des aufklärenden Arztes/Psychologen Praxisleitfaden Suchtmedizin Zuname) Serviceteil – Kurzfragebogen zum Medikamentengebrauch 64 Kurzfragebogen zum Medikamentengebrauch Auf dieser Seite werden Sie nach Gewohnheiten und Schwierigkeiten gefragt, die bei der Einnahme von Medikamenten auftreten können. Es sind nur solche Medikamente gemeint, die Sie aus einem der folgenden Gründe einnehmen: - um besser schlafen zu können - um leistungsfähiger zu werden - um weniger Schmerzen zu haben - um ruhiger zu werden - um sich wohler zu fühlen - um körperliche Vorgänge zu regulieren Prüfen Sie bei jeder Feststellung, ob diese auf Sie zutrifft oder nicht. Kreuzen Sie dann das entsprechende Kästchen an. Bitte antworten Sie bei jeder der Feststellungen, lassen Sie keine davon aus. trifft zu 1. Ohne Medikamente kann ich schlechter schlafen. 2. Ich habe mir sicherheitshalber schon einmal einen kleinen Tablettenvorrat angelegt. 3. Zeitweilig möchte ich mich von allem zurückziehen. 4. Es gibt Situationen, die schaffe ich ohne Medikamente nicht. 5. Andere glauben, daß ich Probleme mit Medikamenten habe. 6. Die Wirkung meiner Medikamente ist nicht mehr so wie am Anfang. 7. Weil ich Schmerzen habe, nehme ich oft Medikamente. 8. In den Zeiten erhöhter Medikamenteneinnahme habe ich weniger gegessen. 9. Ich fühle mich ohne Medikamente nicht wohl. 10. Manchmal war ich erstaunt, wieviel Tabletten ich an einem Tag eingenommen habe. 11. Mit Medikamenten fühle ich mich oft leistungsfähiger (bei zutreffend je 1 Punkt) Bewertung: 3-4 Punkte - Verdacht auf chronischen Medikamentenkonsum ab 5 Punkte - chronischer Medikamentenkonsum Autoren: Dr. H. Watzl et al. Praxisleitfaden Suchtmedizin trifft nicht zu Serviceteil – MALT 65 MALT (Münchner Alkoholismus-Test von Feuerlein) Selbstteil: Name: ..................................... Vorname: ............................ Geb.-Datum: ...................... Nachfolgend finden Sie eine Reihe von Aussagen über Beschwerden und Probleme, die im Zusammenhang mit Alkoholtrinken auftreten können. Bitte machen Sie für jede dieser einzelnen Feststellungen entweder in der Spalte „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“ ein Kreuz. Vielleicht werden Sie manchmal den Eindruck haben, daß eine Feststellung nicht richtig paßt. Kreuzen Sie aber bitte immer eine der beiden Anworten an, und zwar die, welche am ehesten auf Sie zutrifft. trifft zu 1. In der letzten Zeit leide ich häufiger an Zittern der Hände. 2. Ich hatte zeitweilig, bes. morgens, ein Würgegefühl oder Brechreiz. 3. Ich habe schon einmal versucht, Zittern oder morgendlichen Brechreiz mit Alkohol zu kurieren. 4. Zur Zeit fühle ich mich verbittert wegen meiner Probleme und Schwierigkeiten. 5. Es kommt nicht selten vor, daß ich vor dem Mittagessen bzw. 2. Frühstück Alkohol trinke. 6. Nach den ersten Gläsern Alkohol habe ich ein unwiderstehliches Verlangen, weiterzutrinken. 7. Ich denke häufig an Alkohol. 8. Ich habe manchmal auch dann Alkohol getrunken, wenn es mir vom Arzt verboten wurde. 9. In Zeiten erhöhten Alkoholkonsums habe ich weniger gegessen. 10. An der Arbeitsstelle hat man mir schon einmal Vorhaltungen wegen meines Alkoholtrinkens gemacht. 11. Ich trinke Alkohol lieber, wenn ich allein bin. 12. Seitdem ich mehr Alkohol trinke, bin ich weniger tüchtig. 13. Ich habe nach dem Trinken von Alkohol schon öfters Gewissensbisse (Schuldgefühle) gehabt. 14. Ich habe ein Trinksystem versucht (z. B. nicht vor bestimmten Zeiten zur trinken). 15. Ich glaube, ich sollte mein Trinken einschränken. 16. Ohne Alkohol hätte ich nicht so viele Probleme. 17. Wenn ich aufgeregt bin, trinke ich Alkohol, um mich zu beruhigen. Praxisleitfaden Suchtmedizin trifft nicht zu Serviceteil – MALT 18. Ich glaube, der Alkohol zerstört mein Leben. 19. Einmal möchte ich aufhören, Alkohol zu trinken, dann wieder nicht. 20. Andere Leute können nicht verstehen, warum ich trinke. 21. Wenn ich nicht trinken würde, käme ich mit meinem Partner besser zurecht. 22. Ich habe schon versucht, zeitweilig ohne Alkohol zu leben. 23. Wenn ich nicht trinken würde, wäre ich mit mir zufrieden. 24. Man hat mich schon wiederholt auf meine „Alkoholfahne“ angesprochen. (bei zutreffend je 1 Punkt) Praxisleitfaden Suchtmedizin 66 Serviceteil – MALT 67 Fremdteil: Name: ..................................... Vorname: ............................ Geb.-Datum: ...................... trifft zu trifft nicht zu 1. Lebererkrankung /mind. ein klin. Symptom: z. B. vermehrte Konsistenz, Vergrößerung, Druckdolenz u. a. und mind. ein patholog. Laborwert : z. B. GOT, GPT oder Gamma-GT sind notwendig 2. Polyneuropathie (trifft nur zu, wenn keine anderen Ursachen bekannt sind, z. B. Diabetes mell. oder eindeutige chronische Vergiftung) 3. Delirium tremens (jetzt oder in der Vorgeschichte) 4. Alkoholkonsum von mehr als 150 ml (bei Frauen mehr als 120 ml) reinem Alkohol täglich über einige Monate 5. Alkoholkonsum von mehr als 300 ml (bei Frauen 240 ml) reinem Alkohol ein- oder mehrmals im Monat 6. Foetor alcoholicus (z. Zt. der ärztlichen Untersuchung) 7. Familienangehörige oder engere Bezugspersonen haben schon einmal Rat gesucht wegen Alkoholproblemen des Patienten (z. B. beim Arzt, dem Sozialdienst oder anderen entsprechenden Einrichtungen) (bei zutreffend je 4 Punkte) Anhaltspunkte zur Bestimmung der reinen Alkoholmenge: Alkoholgehalt verschiedener Getränke 1,0 l Bier 0,7 l Wein 0,7 l Sekt 0,7 l Süßwein 0,7 l Likör 0,7 l Schnaps 1 kl. Schnaps 1 gr. Schnaps (ca. 4 % Alkohol) = 40 ml (ca. 10 % Alkohol) = 70 ml (ca. 12 % Alkohol) = 84 ml (ca. 20 % Alkohol) = 140 ml (ca. 30 % Alkohol) = 210 ml (ca. 40 % Alkohol) = 280 ml (ca. 0,02 l) = 8 ml (ca. 0,04 l) = 16 ml Gesamtalkoholmenge (tägl. bzw. 1 x mal im Monat) Bewertung: 6-10 Punkte - Verdacht auf chronischen Alkoholismus ab 11 Punkte - chronischer Alkoholismus Praxisleitfaden Suchtmedizin getrunkene Menge in ml reinem Alkohol zu 4. täglich und zu 5. (1x im Monat) Serviceteil – Hinweise bezüglich abstinenter Lebensweise 68 Hinweise abstinenter Lebensweise (Merkblatt für Patienten und für behandelnde Ärzte) 1. Allgemeine Hinweise zum Medikamentengebrauch: Verboten sind alle Schmerz-, Entspannungs-, Beruhigungs-, Schlaf- und anregenden Mittel in jeder Form (also gleich, ob als Bestandteil von Tabletten, Tropfen, Zäpfchen, Injektionen bzw. von Salben und Badezusätzen). Hierzu gehören auch die fiebersenkenden „Grippetabletten“, krampflösende und antirheumatischen Medikamente, Appetitszügler, salizylsäure-, kodein-, alkohol- und ephedrinhaltige Arzneimittel, auch Atropin, Scopolamin, Adrenalin, Antiparkionsonmittel u. ä.. Generell sollten möglichst keine Tropfen oder Säfte verordnet werden, da diese zumeist alkoholhaltig sind. Auch Hormon-Pflaster und Gele enthalten Alkohol. Nicht erlaubt sind außerdem Baldrianprodukte, Nerven- und Beruhigungstees, Pflanzenextrakte, z. B. Klosterfrau Melissengeist (79%iger Alkohol!), Frauengold, Aktivanad, Buerlecithin sowie salizylsäurehaltige Brausepulver u. ä.. Auf Neuroleptika, Antidepressiva und Antiepileptika trifft bei manifester Abhängigkeit im Prinzip dasselbe zu, ausgenommen die unumgängliche Behandlung einer Psychose oder Epilepsie. Muß der behandelnde Arzt bei schweren akuten, nicht anders beeinflußbaren Krankheitszuständen die genannten Medikamente (einschließlich Opiate, Narkotika, Lokalanästhetika und Spasmolytika) dennoch verabreichen, so ist dies als ärztlich bedingte notwendige Verletzung der Suchtmittelabstinenz zu werten, die einer diesbezüglich intensiven, medizinisch-suchttherapeutischen Betreuung bzw. besser einer stationären Behandlung bedarf. Bei Medikamentenabhängigkeit ist zumindest in den ersten Jahren jegliche MedikamentenEinnahme zu vermeiden (abgesehen von unumgänglicher Indikation). 2. Spezielle Hinweise: Bei Infekten u. ä. sollte auf Hausmittel zurückgegriffen werden (Wadenwickel, Dampfbäder usw.). Erlaubt sind Vitamine, Antibiotika und Chemotherapeutika, Rhinex-S, ACC (Brause-) Tabletten, Thymian-Bäder, Panthenol-Tabletten, Pulmotin-N-Salbe. Bei Migräne ggf. Bettruhe, Autogenes Training, Kaffee mit Zitrone, Akupunktur u. ä.. Rheumatische und degenerative Gelenkerkrankungen sollten möglichst physiotherapeutisch behandelt werden (Antirheumatika höchstens lokal oder kurzfristig, wenn unumgänglich- die Verordnung muß als ärztlich notwendige Verletzung der Abstinenz behandelt werden – ggf. prophylaktische stationäre Aufnahme auf einer Station mit suchtspezifischer Therapie). Sulfopino-Schwefel-Colloid-Bad und Nicodan-N-Creme sind erlaubt, ebenso Moorpackungen und Sachsen-Fango-Packungen. (Capsicum-Pflaster, Rheubalmin, Rheunervol und Elacur sind verboten!) Praxisleitfaden Suchtmedizin Serviceteil – Hinweise bezüglich abstinenter Lebensweise 69 3. Sonstige Hinweise: Sparsamer Umgang mit Kosmetika und Körperpflegemitteln! Es ist empfehlenswert, hochkonzentrierte alkoholhaltige Mittel zu vermeiden (z. B. Rasierwasser) bzw. möglichst kleinflächig anzuwenden. Gesichtswasser sowie Trocken-DeoSpray sollten bevorzugt werden. Mundwasser meiden. Vorsicht bei Kontakt mit organischen Lösungsmitteln! Das Einatmen der Dämpfe von Reinigungsmitteln, Verdünnern , Klebern u. ä. ist unbedingt zu vermeiden. Ggf. Arbeitsplatz wechseln. 4. Weitere alltägliche Rückfallgefahren: - mit Alkohol „verfeinerte“ Soßen, flambiertes Fleisch mit Alkohol angereicherte Wurst- und Käsesorten, Marmeladensorten etc. Weinsauerkraut, Weinessig und damit hergestellte Konserven mit Alkohol „verfeinerte“ Schokolade, Pralinen und Eis alkoholische Zusätze in Kuchen, Stollen, Lebkuchen, diversem Kleingebäck; auch Backaromastoffe für Rum und Arrak (Geschmack!). ALLE sogenannten „alkoholfreien“ Biere, Weine u. ä. sind alkoholhaltig und darum verboten! Alkoholfreie Getränke sind nicht sicher alkoholfrei. Alkoholfrei ist ein lebensmittelrechtlicher Begriff, der aussagt daß nicht mehr als 0,5 % Vol. Alkohol enthalten ist. GUARANA-enthaltende Produkte (z. B. Limonaden, Schokoriegel, Pulver, Kapseln) sind ebenso zu meiden wie sogenannte Energy-Drinks (Red Bull, Flying Horse). Praxisleitfaden Suchtmedizin Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Abhängigkeit, Kriterien 07 Abstinenz, Motivation 09 Abstinenzunfähigkeit 16 Abstinenzziel 16 Adaption sozial schwer geschädigter Patienten 12 Alkohol, auffälliger als Droge 20 Alkoholabhängigkeit 20 Alkoholkarenz 22 Alkoholkonsum, riskanter 20 Alkoholkonsum, schädlicher 21 Alkoholmissbrauch 22 Anamnese, Sucht 07 Arzt als primärer Fachmann 20 Ärztliche Grundlagen 06 Behandlung, ambulante 23 Behandlung, stationäre 23 Behandlung von Co-Abhängigkeit nahestehender Bezugspersonen 10 Beratung und Information nahestehender Personen 10 Beratungsstellen 11 Betreuung von Suchtkranken ◊ allgemeine Voraussetzungen 12 ◊ Aufgaben der Betreuungsbehörde 13 ◊ Betreuungsumfang 13 ◊ Einwilligungsvorbehalt 13 ◊ Sachverständigengutachten 13 ◊ Subsidiarität der Betreuung 13 CAGE 07 Cannabis 19,38 Co-Abhängigkeit 10 Craving 19,22,31 Delirium tremens 23 Droge, häufigste gebrauchte 26 Drogen 36 Einbeziehung anderer Einrichtungen 11 Einsichts- und Überlegungsphase 08 Empathie 06 Entgiftung 11,12,13 Entwöhnung 11 Entwöhnungsbehandlung ◊ ambulante 24 ◊ stationäre 24 ◊ Antragsverfahren 24 Entzugsbehandlung 11, 23 Entzugsbehandlung u. stationären Bedingungen 12 Entzugssyndrom, vegetatives 23 Erwerbsfähigkeit 25 Praxisleitfaden Suchtmedizin 70 Familienmedizinische Sichtweise 10 Folgekrankheiten, psychiatrische 21 Folgekrankheiten, somatische 21 Fragen des CAGE 07 Giftnotruf 19 Illegale Drogen ◊ Befragung zum Drogenkonsum 37 ◊ Beratungsbedarf 37 ◊ Drogenarten 36 ◊ Drogenkonsument als Experte 36 ◊ Indizierte qualifizierte Entzugsbehandlung 37 ◊ internistische Notfälle 37 ◊ Intoxikationszustände 37 ◊ Notfalleinweisung 37 ◊ Persönlichkeitsstörung 36 ◊ Phänomen der Polytoxikomanie 37 ◊ Situationen und Gründe für Arztkonsultationen 36 ◊ Vertrauensgrundsatz fehlt 36 ◊ Wegweiser 36 Intoxikationen 19 Interventionsschritte 08 Kinder- und Jugendliche ◊ Drogenkonsum meistens zeitlich begrenzte Erscheinung 42 ◊ entwicklungspsychologische Gesichtspunkte 42 ◊ Gruppendruck 42 ◊ häufigste Drogen 43 ◊ körperliche Merkmale 43 ◊ Neugier und Anziehungskraft 42 ◊ Opposition 42 ◊ psychische und psychosoziale Merkmale 43 ◊ psychisches Befinden 42 ◊ Warnzeichen 44 Komorbidität ◊ affektive und schizophrene Störungen 52 ◊ Angststörung 54 ◊ atypischer Neuroleptika 54 ◊ DD schizophrene Psychosen 54 ◊ Definition 52 ◊ delirante Psychosen 53 ◊ depressive Störungen 54 ◊ differentialdiagnostische Probleme 52 ◊ epidemiologische Aspekte 53 ◊ keine suchtmitteltypische Psychose 53 ◊ Persönlichkeits-, Angst- und Somatisierungsstörungen 52 ◊ Persönlichkeits- u. Hirnleistungsabbau 53 ◊ posttoxische Störungen 53 ◊ Risikofaktoren 52 Stichwortverzeichnis ◊ Sucht-Psychose-Doppel-Diagnose 54 ◊ toxisch bedingte Störungen 53 kontrolliertes Trinken 22 Kriterien für Abhängigkeit 07 Kulturdroge 20 Kurzintervention, motivierende 08 Medikamentenabhängigkeit ◊ allgemeine Auffälligkeiten 33 ◊ die 10 am häufigsten mißbrauchten Präparate 31 ◊ Entwöhnung 34 ◊ Entzugssyndrome 31 ◊ Frühintervention 33 ◊ Gefahr und Symptome einer chronische Intoxikation 32 ◊ geringe Verzichtsbereitschaft 33 ◊ iatrogen vermittelter Abusus 30 ◊ ICD-10-Kriterien 33 ◊ Nachsorge und Verordnungs besonderheiten in der Restitutionsphase 34 ◊ Niedrigdosisabhängigkeit 31 ◊ organisches Schmerzsyndrom 30 ◊ Persönlichkeits-, Angst-, depressive und Somatisierungsstörungen 30 ◊ Polytoxikomanie 32 ◊ Problemgruppen: Benzodiazepine und Analgetika 29 ◊ psychische Folgen 32 ◊ psychische und körperliche Abhängigkeit 31 ◊ Selbstmedikation 30 ◊ somatische Folgen 32 ◊ sorgfältige Indikationsentscheidung 35 ◊ stationäre qualifizierte Entzugstherapie 33 ◊ suchtspezifische Anamnese 33 ◊ Verantwortlichkeit des Arztes 35 Medizinische Rehabilitation 12 Möglichkeiten der Mitwirkung aufzeigen 10 Motivationsbildung 08 Nichtrauchen, als lebbares Ideal 26 Nikotin 26 Nikotinentzugssyndrom 28 Notfallmaßnahmen 17,19 Polytoxikomanie 31 Prävention, Beispiele 17 Psychotherapie, ambulante 24 Qualifizierte Entzüge 11 Rehabilitation 11 Ressourcen entwickeln 09 Rückfälle!? 15 Rückschläge als Herausforderung 06 Praxisleitfaden Suchtmedizin 71 Schadensbegrenzung 16 Schwangerschaft und Alkohol 45 Schwangerschaft und Nikotin 45 Schwangerschaft und Medikamente 45 Schwangerschaft und illegale Drogen 46 Selbständigkeit, soziale 25 Selbsthilfegruppen 11 Selbstvertrauen wieder aufbauen 09 Sozialpsychiatrischer Dienste 15 Spielsucht ◊ Glücksspielsucht 41 ◊ Spieldrang 41 ◊ Hauptmerkmale 41 ◊ gewohnheitsmäßiges Spielen 41 ◊ ambulantes Therapieprogramm 41 Sucht, Komorbidität 08 Suchtanamnese 07 Suchtkranke sind heilbar 06 Suchtpatienten, klare Regeln 06 Suchtproblem, wie ansprechen? 08 Tabak 26 Tabakabhängigkeit 27 Tabakabhängigkeit, Substitution 28 Tabakabhängigkeit, Veränderungsverhalten 28 Tabakabhängigkeitsgrad, Indikatoren 27 Tabakentwöhnung = Intensivbehandlung 28 Tabakentzugssyndrom 28 Tabakintoxikationen 28 Tabakkonsum ◊ riskanter 26 ◊ schädlicher 26 ◊ Folgeerkrankungen 26 Thüringer PsychKG 15 Trinken, kontrolliertes 22 Trinken, risikoarmes 20 Trinkmengenberechnung 21 Unterbringung 13,14,15 Veränderungsschritte zur neuen Lebensweise 23 Verdacht nachgehen 07 Vertrauensvolles Gespräch 07 Vorahnungsphase 08 Warnhinweise, wie wahrnehmen? 20 Wie ansprechen, bei Suchtproblemen 08 Ziele, Hierarchie 16 Ziele und Handlungsschritte vereinbaren 09 Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen 23 Zuständigkeit erkennen 08