68 I SERIE EVA – FORSCHUNGSPROJEKT EVALUIERUNG VON ENERGIEKONZEPTEN: AUF DEM PRÜFSTAND VII Das Forschungsprojekt EVA des IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik im Fachbereich Architektur der TU Braunschweig, Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, nimmt Energiekonzepte und den Nutzerkomfort realisierter Bürogebäude unter die Lupe. Infolge berichten wir über die Ergebnisse aus der Praxis. In dieser Ausgabe: Bericht Nr. 6 Von Stefan Plesser Katja Schneider Boris Mahler M. Norbert Fisch Projekt Bürogebäude Siedlungswerk, Stuttgart Architektur Zinsmeister / Scheffler, Stuttgart Evaluierung Technische Universität Braunschweig Fachbereich Architektur IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig T 0531.391-3555 [email protected] www.igs.bau.tu-bs.de Dipl.-Ing. Architekt Stefan Plesser Dipl.-Ing. Katja Schneider Dr.-Ing. Boris Mahler Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - BMWI, Berlin ntrum Jülich EVA wird unterstützt durch E.ON-Fond/Berliner Energie-Fond Projektlaufzeit 2004 bis 2007 Seit Oktober 2003 berichteten wir von dem Forschungsprojekt EVA Evaluierung von Energiekonzepten. In diesem Bericht: Das Bürogebäude des Siedlungswerks in Stuttgart. STAND DES FORSCHUNGSVORHABENS Im Rahmen des Forschungsprojektes EVA - Evaluierung von Energiekonzepten untersucht das Institut für Gebäude und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig, Univ.-Prof. Dr. Ing. M.N. Fisch, die Energieeffizienz und den Komfort zukunftsweisender Bürogebäude in der Praxis. Das Ziel von EVA ist es, gesicherte Kenntnisse über die tatsächliche Performance der Gebäude hinsichtlich Energieverbrauch, Nutzerkomfort und Betrieb zu entwickeln und zu dokumentieren. Optimierungspotenziale sollen aufgezeigt und erschlossen werden. Geprüft werden insbesondere innovative Energiekonzepte und deren Komponenten wie Betonkernaktivierung, Atrien, dezentrale Lüftungstechnik etc. Nutzer- und Betreibererfahrungen werden analysiert und Möglichkeiten zur Optimierung vorgeschlagen. Mit dem Feedback aus dem Gebäudebetrieb wird ein Innovationskreislauf in Gang gesetzt, der mehr Planungssicherheit für neue Gebäude- und Energiekonzepte bietet. Das IGS untersucht in EVA in der dreijährigen Projektphase rund 20 Objekte. In IntelligentenArchitektur werden die Ergebnisse kontinuierlich vorgestellt. Neben der Forschung in EVA werden spezielle technische Aspekte von Gebäuden wie Aktivierung des Baugrundes zur Wärme- und Kältespeicherung oder Doppelfassaden separat in den Forschungsprojekten WKSP und TwinSkin (gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt) untersucht. Eine Übersicht über die aktuellen Forschungsprojekte des Institutes ist auf der Homepage zu finden: www.igs.bau.tubs.de. DAS GEBÄUDE SIEDLUNGSWERK Das Bürogebäude wurde Anfang der 90er Jahre als Um- und Ergänzungsbau in der Innenstadt von Stuttgart errichtet. Ende 2004 wurde durch die EGS-plan Ingenieurgesellschaft Stuttgart in Abstimmung mit dem IGS und dem Steinbeis Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik eine Gebäudeanalyse und Betriebsoptimierung durchgeführt. Dieser Bericht zeigt Zustand und Performance des Gebäudes vor der Umsetzung der Maßnahmen und erläutert Methodik, Durchführung und den technisch-wirtschaftlichen Erfolg der Optimierung. ENTWURF Das Gebäude befindet sich in der Innenstadt von Stuttgart, Heusteigstraße 27/29, und besetzt ein Eckgrundstück innerhalb der innerstädtischen Blockstruktur. Die Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungs- und Städtebau mbH ist Eigentümer, Verwalter, Betreiber und Nutzer des Gebäudes. Das Gebäude ist nicht einheitlich strukturiert und verspringt in den Fassaden mehrfach. Im westlichen Teil wurde ein bestehender Baukörper umgebaut, der östliche Bauteil ist ein Neubau. Der Baukörper besteht in den Untergeschossen aus zwei nur teilweise beheizten Ebenen, in denen sich auch eine mit Fortluft belüftete Tiefgarage (ca. 650 m²) befindet. Darüber liegen 4 Vollgeschosse, von denen das Erdgeschoss an der Nordfassade um ca. 1 m und an der Hofseite um ca. 0,5 m hin- Bürogebäude Siedlungswerk, Nord-Ost-Ecke. Fotos IGS ter die Fassadenebene zurückspringt, sowie einem Staffelgeschoss mit Dachterrassen. Das Gebäude wurde in den Untergeschossen als Stahlbeton-Konstruktion, ab dem Erdgeschoss bis einschließlich dem Staffelgeschoss als Stahlkonstruktion mit aussteifenden Kernen errichtet. Das Gebäude ist als 2- bzw. 3-Spänner konzipiert. Das Achsmaß ist überwiegend 1,35 m, die Geschosshöhe beträgt 3,65 m. Die Raumtiefen liegen zwischen 5,6 und 6,0 m. Grundriss eines Normalgeschosses Das Gebäude wird fast ausschließlich für Büroarbeit genutzt. Daneben gibt es ein kleines Casino mit angeschlossener Küche, die jedoch zur Zeit nur eingeschränkt genutzt wird. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich ein Raum, der als Rechenzentrum genutzt wird. GEBÄUDEKONZEPT Das Gebäude bietet auf einer Bruttogrundfläche (BGF) von ca. 7.175 m² Raum für ca. 135 Arbeitplätze. Als Bezugsfläche für die Bewertung der Energieeffizienz wurden verschiedene Flächenarten ermittelt. Die NGF liegt nach Berechnung aus der BGF mit Faktor 0,87 nach VDI 3807 bei 6.242 m². In EVA werden von der NGF die Tiefgaragen abgezogen. Dies ergibt eine NGFr von 5.589 m² als Bezugsgröße für Kennwerte. 69 Tabelle 1: Bauphysikalische Eigenschaften der Gebäudehülle (lt. Wärmeschutznachweis) Bürogebäude Siedlungswerk, Stuttgart Eigentümer Bauherr Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungsund Städtebau mbH, Stuttgart Architekt Zinsmeister / Scheffler, Stuttgart Energiekonzept Sommer Die bauphysikalische Ausführung der Gebäudehülle entspricht dem Standard der Wärmschutzverordnung von 1982. Es wurden drei Fassadentypen mit unterschiedlichen Fensteranteilen realisiert. ENERGIEKONZEPT Das Energiekonzept des Gebäudes beruht im Wesentlichen auf einem kompakten Induktionsgerät, das, im Brüstungsbereich installiert, für die Büros die Funktionen Heizen, Kühlen und Lüften in Verbindung mit einem Zwei-Leiter-System erfüllt. Der Umluftanteil wird dabei durch eine 3-fach-Verglasung in dem über dem Gerät liegenden Fensterflügel geführt. Zusätzlich werden die Flurbereiche über eine zentrale Zu-/ Abluft-Anlage versorgt. Energiekonzept Winter ENERGIEVERSORGUNG Das Gebäude wird mit Strom und Gas versorgt. Zwei Gaskessel mit Nennleistungen von 530 und 465 kW erzeugen Wärme für die Raumheizung und die Warmwasserbereitung. Elektrische Kältemaschinen mit Trockenrückkühlwerken versorgen das Gebäude mit Kälte. Die Rückkühlung erfolgt für jede Kältemaschine (KM) separat. Zwei große KM mit einer Leistung von je 120 KWth stehen mit integrierten luftgekühlten Rückkühlern auf dem Dach. Eine kleine KM mit 30 KWth steht in der Technikzentrale im UG und hat ihren luftgekühlten Rückkühler auf dem Dach. HEIZUNG / KÜHLUNG / LÜFTUNG / GEBÄUDEAUTOMATION Die Verteilung von Heiz- und Kühlenergie für das gesamte Gebäude Schematische Darstellung der Energieversorgung 70 I SERIE Darstellung des Energiekonzepts für den Sommerfall erfolgt über ein 2-Leitersystem, das nach Bedarf bei manueller Umschaltung wechselweise betrieben wird (“change-over”). Der Gebäude-Kreislauf läuft dabei in der Technikzentrale im UG immer über zwei Wärmeübertrager, von denen der eine mit dem Kühlkreislauf und den Kältemaschinen, der andere mit dem Heizkreislauf und den Heizkesseln verbunden ist. Die Warmwasserbereitung erfolgt zentral. Die Wärme-/Kälteübertragung im Büroraum erfolgt durch in die Fassade integrierte Lüftungsgeräte. Die Heiz- bzw. Kühlfunktion steht nur bei entsprechender zentraler Schaltung des Zwei-Leiter-Systems zur Verfügung. Ausgehend von einer zentral für jeden Raum einstellbaren Referenztemperatur kann der Nutzer die Soll-Temperatur im Raum in einem Bereich von +- 3 K regulieren. Die Lüftungsgeräte befinden sich in den Brüstungen der Fassade. Die Zuluft wird über die Fassade angesaugt, gekühlt bzw. erwärmt und über einen Auslass im Fußbereich ins Büro geführt. Die Abluft wird durch den 3-fach-verglasten Fensterflügel abgesaugt und über einen Wärmetauscher im Lüftungsgerät wieder nach draußen geführt. Der Außenluftanteil, der über das Induktionsgerät in der Brüstung einströmt, kann vom Nutzer manuell eingestellt werden. Unter dem Titel “Temperatur-Schnellbeeinflussung” kann der Umluft-Ventilator “schnell” in Stufe 3 und “langsam” in Stufe 1 betrieben werden. Darstellung des Energiekonzepts für den Winterfall Einige zentrale Anlagen sind mit einer DDC-Steuerung ausgestattet, die über einen PC bedient werden können (nicht die Umschaltung des Heizungs-/Kühlungssystems!). Mit Ausnahme der witterungsabhängigen Steuerung des Sonnenschutzes werden alle Raum-Funktionen über eine Einzelraumregelung geführt. Diese kann nicht zentral übersteuert werden. Energieverteilung Heizung und Kühlung BÜROKONZEPT Das Gebäude ist mit Anpassungen an die Ecksituation in der Blockbebauung als Zweibund im östlichen Teil, als Dreibund mit zentralen Dunkelräumen im westlichen Teil ausgeführt. Die Büros sind fast ausschließlich Zellenbüros mit einer Belegung von bis zu 4 Personen. Die Arbeitsplätze wurden mit Blick parallel zum Fenster angeordnet. Leichtbauwände bilden Trennungen zu anderen Büros. Die Trennwände zum Flur bestehen aus Einbauschrankwänden und einem Oberlichtband. Die Versorgung der Büros mit Kunstlicht erfolgt über Pendelleuchten im 71 Primärenergieverbrauch des Gebäudes Siedlungswerk vor dem Umbau und Referenzwerte aus EVA (Jahr 2000) Monatlicher Gesamtstromverbrauch und messtechnisch ermittelte Teilverbraucher ENERGIEEFFIZIENZ Vor der im Folgenden beschrieben Gebäudeanalyse und Betriebsoptimierung lag der spezifische Primärenergieverbrauch mit 614 kWh/ (m²NGFr·a) im oberen Bereich der vergleichbaren Referenzwerte. Dies galt ebenso für den spezifischen Verbrauch Endenergie Strom mit 120 kWh/(m²BGF·a) wie auch für den Verbrauch Endenergie Wärme mit 230 kWh/(m²BGFa). Die Auswertung monatlicher Verbrauchswerte zeigte unter anderem hohe Gas- bzw. Wärmeverbrauchswerte im Sommer. Dies wies auf eine fehlerhafte Heizungsregelung bzw. den gleichzeitigen Betrieb von Heizung und Kühlung hin. NUTZERBESCHWERDEN Die Nutzer klagten zu diesem Zeitpunkt über unzureichende klimatische Bedingungen in ihren Büroräumen. Im Winter traten im Frischluftbetrieb Zugerscheinungen im Fußbereich aufgrund des Quellluftauslasses auf. Im Sommer konnten die Fassadengeräte nicht die gewünschte Kühlung der Raumtemperatur bewirken. Zusätzlich litten auch hier die Nutzer unter den Zugerscheinungen im Fußbereich. Ein weiteres Problem der Büroräume stellte die schlechte Regelbarkeit über die Bedienungselemente dar. Die richtige Nutzung dieser blieb vermutlich zum Teil auch aus Unkenntnis über die vielen und unübersichtlichen Funktionen oft aus. Standardbüro und Flurbereich fensternahen Bereich bzw. im Bereich der Arbeitsplätze und über Downlights im flurseitigen Teil der Büros. Die Beleuchtung kann manuell und Arbeitsplatzweise über eine An-/Aus-Taster an der Bürotür bedient werden. Es gibt keine zentrale Abschaltung oder sonstige automatische Steuerung der Beleuchtung. Der außenliegende Sonnenschutz an den Ost-, Süd-, und Westfassaden wird sonnenstandsabhängig geführt. In einigen Büros sind innenliegende Vertikallamellen als Blendschutz angebracht. Der Flurbereich wird über Oberlichter in den Trennwänden zwischen Büros und Flur mit Tageslicht versorgt. Zusätzlich sind Downlights mit einer flächenspezifischen elektrischen Leistung von rund 10 W/m² installiert. GABO - GEBÄUDEANALYSE UND BETRIEBSOPTIMIERUNG Der Betriebsoptimierung ist eine detaillierte Gebäudeanalyse vorangegangen. GABO wurde durch den Innovationsverbund Univ.-Prof. Dr.Ing. M. Norbert Fisch entwickelt und bietet eine ganzheitliche und produktunabhängige Methodik zur technischen Betriebsführung von Gebäuden. Sie umfasst u.a. Werkzeuge zur energetischen Bilanzierung von Gebäuden, Methoden zur Bewertung des Nutzerkomforts sowie systematische Fehleranalysen. GABO wird in den Forschungsprojekten und der praktischen Arbeit kontinuierlich weiterentwickelt und bietet ein schlagkräftiges und effektives Instrumentarium für die optimierte Betriebsführung von Gebäuden. Der Einsatz am Siedlungswerk durch die EGS-plan Ingenieurgesellschaft mbH Stuttgart umfasste u.a. den Aufbau eines Langzeit-Monitorings im Bereich der Stromverbräuche der haustechnischen Anlagen und ein Kurzzeit-Monitoring des Nutzerkomforts im Bereich der Büroräume. Die Datenerfassung erfolgt über die Soft- und Hardware der Dezem GmbH, Berlin, die Datenauswertung mit Hilfe der Softare von ennovatis, Stuttgart. Zusätzlich dazu erfolgten stichprobenartige Messungen der Volumenströme der Lüftungsanlagen, Temperaturmessungen an der ChangeOver-Anlage und den Lüftungsgeräten, sowie Überprüfungen der Betriebszeiten. Die erfassten Messwerte wurden kontinuierlich gespeichert. Die Analysen zeigten schnell erhebliche Probleme in der Betriebsführung. – Besonders auffällig war der dauerhafte Betrieb der Kältemaschinen in den Übergangszeiten. Die Aufrechterhaltung des gesamten Kältenetzes war ausschließlich zur Kühlung des Serverraums im Erdgeschoss notwendig. – Bei der Change-Over-Anlage stellte sich durch das Monitoring heraus, Erläuterung zum Innovationsverbund Der Innovationsverbund Univ.Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch besteht aus 4 Partner mit rund 50 Mitarbeitern in Braunschweig und Stuttgart. Ziel ist der schnelle Transfer von Innovationen aus der Forschung in die Praxis auf den Gebieten Architektur, Bauphysik, Gebäudetechnik und der Betriebsführung von Gebäuden. Die Schwerpunkte des Verbunds liegen deshalb neben der praktischen Beratungs- und Planungstätigkeit in der international vernetzen Forschung, dem Wissensmanagement rund um innovatives Bauen und Betreiben sowie in der Weiterbildung und Schulung. Innovationsverbund Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch IGS/TU Braunschweig: Lehre, Forschung, Entwicklung Ed: Beratung, Konzepte, Technisch-wirtschaftliches Controlling STZ-EGS: Konzepte, Pilotprojekte und Schulung EGS-plan: Auditierung, Planung und Betriebsoptimierung 72 I SERIE Temperaturverlauf im Tagesgang vor dem Umbau: 5 K Temperaturunterschied zwischen Kopf und Füßen DIN 277: Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau, Juni 1987 VDI 3807: Energieverbrauchskennwerte für Gebäude, Blatt 1, 1994, Blatt 2, Beuth-Verlag, Berlin, 1997 DIN 32736: Gebäudemanagement, August 2000 SIA 380: Energie im Hochbau, Schweizer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 1995 TGM Technisches Gebäudemanagement IGM Infrastrukturelles Gebäudemanagement KGM Kaufmännisches Gebäudemanagement CAFM Computer Aided Facility Management Projektpartner • Universität Karlsruhe, Fachbereich Bauphysik • Prof. K. Müller + Partner Consulting GmbH • Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäudeund Solartechnik, Stuttgart • bhbr Architekten, Hamburg • DEZEM – Dezentrale Messtechnik, Berlin dass die Versorgung des Gebäudes mit Wärme und Kälte nicht gegeneinander verriegelt war. Es konnte vorkommen, dass beide Wärmetauscher in Betrieb waren: der erste Wärmetauscher heizte das Netz auf, der zweite kühlte es anschließend wieder herunter. – Außerdem wurde das Gebäude in kühlen Sommernächten beheizt, mittags mussten die Kältemaschinen das Gebäude dann kühlen. Anhand der aufgezeichneten Lastgänge konnte festgestellt werden, dass es im Bereich der Betriebssteuerung keine Wochenend- und Nachtabsenkung gab. Die Anlagen liefen permanent durch. Das Kurzzeit-Monitoring der Büroräume erfolgte in vier Büroräumen über mehrerer Tage in der Übergangszeit. Aufgezeichnet wurden die Temperaturen im Kopf- und im Fußbereich, die Luftfeuchtigkeit und die Strömungsgeschwindigkeit im Bereich des Quellluftauslasses. Es stellte sich heraus, dass während der unangenehmen Zugerscheinungen ein Temperaturgradient von 5 K zwischen Kopf- und Fußbereich auftrat. Die Nutzerbeschwerden wurden durch die Messungen bestätigt. Im Kühlbetrieb wurde überhitzte Luft aus der Fassadengrenzschicht zur Lüftung angesaugt. Dadurch war die installierte Kühlleistung nicht ausreichend, um die überhitze Luft merklich abzukühlen. Messungen zeigten, dass sich die Außenluft im Fassadenbereich von rund 28°C auf über 40°C erhitzte, bevor sie in den Lüftungsgeräten wieder heruntergekühlt wurde. Im Heizfall war der Kaltlufteinfall bei Außenluftzufuhr zu spüren. Auf Grundlage der Gebäudeanalyse wurden sowohl für die haustechnischen Anlagen als auch für die Einzelräume Konzepte zur Betriebsoptimierung entwickelt. Sie umfassten sowohl optimierte Regelungsstrategien als auch Umbauten und Sanierungsmaßnahmen. Im Bereich der Gebäudeleittechnik wurde allein durch eine Anpassung der Betriebszeiten und durch Erneuerung von Fühlern eine signifikante Energieeinsparung erreicht. Zusätzlich werden in den Übergangszeiten und im Sommer durch das zeitweise Abschalten der Kältemaschinen und Ersatz durch eine Kleinkälteanlage für das Rechenzentrum die Energieverbräuche reduziert. Während der Betriebsoptimierung stellte sich heraus, dass die vorhandene, mittlerweile veraltete Gebäudeleittechnik, einige Defekte aufwies und auch die Anforderungen zur Betriebszeitenregelung nicht erfüllen Umbaumaßnahmen an den Fassadengeräten und praktische Ausführung konnte. Deshalb wurde der Einbau einer neuen Gebäudeleittechnik empfohlen. Durch Anpassung der Regelung auf benutzerdefinierte Anforderungen konnte insbesondere der Betrieb der Lüftungsanlagen optimiert und reduziert werden. Zeitgleich mit der Erneuerung der Gebäudeleittechnik wurden auch die Fassadenlüftungsgeräte in den Büroräumen umgebaut. Die automatische Lüftung wurde auf manuelle Fensterlüftung umgestellt. Dazu wurden die Fassadenlüftungsgeräte von Zu-/Abluftgeräten auf reine Umluftgeräte umgebaut. Durch die damit verbundenen höheren Luftmengen der Fassadenlüftungsgeräte konnte eine Steigerung der Heizbzw. Kühlleistung der Geräte erreicht werden. Um die Zugerscheinungen zu beheben, wurden Luftleitbleche mit einem 3 cm breiten Spalt an der Oberkante vor die Geräte gesetzt, die den Luftauslass vom Boden auf eine Höhe von ca. 60 cm verlegten und so die Zugerscheinungen im Fußbereich reduzierten: eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Maßnahme. Erfolgskontrolle Im Zuge der Erneuerung der Gebäudeleittechnik können Zustandswerte der unterschiedlichen haustechnischen Anlagen und der Büroräume aufgezeichnet und ausgewertet werden. GABO verbindet an dieser Stelle berechnete bzw. simulierte Daten, die zusammen mit den erfassten Stromverbräuchen ein präzises und aussagekräftiges Controlling des Gebäudes ermöglichen. Ein großer Teil des Stromverbrauchs konnte einzelnen Unterverbrauchern als Prognose zugeordnet werden. Die Prognose wurde anhand von erfassten Messwerten und aufgezeichneten Betriebszeiten erstellt. Erfolgreich ist auch die neue Regelung der Heizung: beim Gasverbrauch sind die unterschiedlichen Betriebszustände gut zu erkennen. Bei moderaten, nächtlichen Außentemperaturen im Winter reduziert sich der Gasverbrauch erheblich. Am Wochenende wird das Gebäude im Absenkbetrieb betrieben. Während der sehr kalten Tage ist der Gasverbrauch erhöht, um das vollständige Auskühlen des Gebäudes zu verhindern. Aber auch während dieser Zeit ist der Absenkbetrieb deutlich erkennbar. Die optimierten Betriebszeiten und die Umbauten bzw. Sanierungen führen zu einer drastischen Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudes: Der Stromverbrauch wurde im Vergleich zum Jahr 2000 um 36 %, der Gasverbrauch um 49 % reduziert. In der Summe wurde der Primärenergieverbrauch für Wärme und Strom durch GABO um 41 % gesenkt. Das Gebäude liegt jetzt mit einem spezifischen Kennwert für den Primärenergieverbrauch von 358 kWh/(m²NGFra) im Mittelfeld der EVA-Gebäude (vorher 614 kWh/m²NGFra), obwohl es das älteste der Gebäude ist und noch entsprechend der Wärmeschutzverordnung `82/`84 errichtet wurde. Auch der Nutzerkomfort verbesserte sich im Zuge der Sanierungsmaßen deutlich. Der Kaltlufteinfall im Fußbereich ist nicht mehr vorhanden. Der ehemals vertikale Temperaturgradient von 5 K zwischen Kopfund Fußbereich reduzierte sich auf maximal 2 K. Der Kaltlufteinfall im Fußbereich wurde somit durch die Leitbleche erfolgreich behoben. Auch die Nutzer bestätigten die positive Entwicklung. Die Leistungssteigerung der Fassadengeräte durch den Umluftbetrieb und die Verschließung der Luftzufuhr über die Fassade bewirkt, dass die Büroräume im Sommer eine angenehme Temperatur aufweisen. 73 Prognostizierte Lastprofile (farbige Balken) und gemessener Stromverbrauch der Lüftungsanlagen (blaue Linie): GABO ermöglicht präzise Analysen und Prognosen Darstellung der spezifischen Heizleistung in verschiedenen Betriebszuständen Die Überhitzungsstunden liegen deutlich unterhalb des Grenzwertes von 10 % der Arbeitszeit. Auch das thermische Verhalten der einzelnen Räume liegt bis auf wenige Ausnahmen in dem in der DIN 1946 angegebenen Behaglichkeitsbereich. Technologie sowie des Fachverbands Lüftungs- und Trocknungstechnik und der Trox-Stiftung das Forschungsprojekt DeAL gestartet. Das Projekt untersucht in den nächsten 3 Jahren das Konzept dezentraler außenwandintegrierter Lüftungsgeräte in realisierten Gebäuden. Interessierte Unternehmen finden Informationen zum Projekt unter www.stz-egs.de. Für geeignete Gebäude besteht die Möglichkeit einer Teilnahme am Projekt. KOSTEN UND WIRTSCHAFTLICHKEIT Die Umbau- und Sanierungskosten betrugen insgesamt ca. 275.000 . Diese sind in drei Bereiche zu unterteilen: – Zur Komfortsteigerung in den Büroräumen wurden die Fassadengeräte für ca. 100.000 auf Umluftbetrieb umgerüstet und die Luftleitbleche installiert. – Ebenfalls 100.000 betrugen die Instandhaltungskosten, die für den weiteren Betrieb der haustechnischen Anlagen sowieso investiert werden mussten. Diese umfasste die Erneuerung der Gebäudeleittechnik, die aufgrund ihres Alters und nicht mehr zu erhaltender Ersatzteile durchgeführt werden musste. – Die restlichen 75.000 sind Mehrinvestitionen, die eine energieeffiziente Raumregelung, eine neue Steuerung der Gebäudeleittechnik und die Umbauten der zentralen Lüftungs- und Kältemaschinen beinhalten. Die Amortisationszeit der Maßnahmen kann auf Grund der vielen nicht zu bewertenden Vorteile nur bedingt ermittelt werden. Für die allein der Verbesserung der Energieeffizienz dienenden Maßnahmen wurde eine Amortisationszeit durch Einsparungen von weniger als 3 Jahren berechnet. Die Optimierungen im Komfort spürten die Nutzer ab dem ersten Tag. 2007 haben sich die Investitionen in Energieeffizienz amortisiert und die Betriebskosten das Siedlungswerks werden durch die Reduzierung des Energieverbrauchs um mehr als 50.000 /a geringer ausfallen. FAZIT UND AUSBLICK Der Einsatz von GABO im Gebäude des Siedlungswerks zeigt die Potenziale für die Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand. Auf Basis einer integralen Gebäudeanalyse können Betriebsfehler präzise ermittelt und durch gezielte Eingriffe korrigiert werden. Gebäude aus der Frühzeit der elektronischen Automationstechnik in den späten 80er und frühen 90er Jahren sind hierfür möglicherweise besonders Erfolg versprechende Kandidaten. Die Bearbeitung des Gebäudes im Projekt EVA zeigt auch, wie wichtig es ist, die tatsächliche Funktion von Bestandsgebäuden zu dokumentieren. Dies hilft sowohl Bauherrn, da sie eine optimale Betriebsweise ihres Gebäudes schnell und dauerhaft erreichen. Genauso aber hilft es allen Akteuren in Architektur und Bauwesen, indem Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte und Optimierungspotenziale dokumentiert werden. Dass Ökologie, Ökonomie und - am wichtigsten - die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter hierbei keinen Gegensatz bilden, sondern oft mit den gleichen Konzepten verbessert werden können, stellt eine zusätzliche Motivation dar, die Qualität und Performance unseres Gebäudebestandes dauerhaft im Auge zu behalten. Das im Gebäude Siedlungswerk erfolgreich optimierte Konzept dezentraler Lüftungsgeräte ist heute wieder besonders aktuell und wurde in den letzten Jahren in vielen innovativen Bürogebäuden umgesetzt. Das Steinbeis Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik hat deshalb mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Reduzierung des Strom- und Gasverbrauchs Temperaturverlauf nach dem Umbau: homogene Temperaturverteilung im Raum Überhitzungsstunden des Jahres 2005 während der Arbeitszeit. Beteiligte Unternehmen sind Siedlungswerk, Stuttgart FinanzIT,Hannover Max-Planck-Institut, Dortmund LBS-Nord, Hannover Wolfsburg AG, Wolfsburg Rickmers Reederei, Hamburg LBS-Ost, Potsdam Gilette-Braun, Kronberg Nord LB, Hannover PriceWaterhouseCoopers, Berlin Allianz, Berlin DZ BANK, Berlin R+V Versicherung, Wiesbaden TU Braunschweig u.a. Internetlinks www.igs.bau.tu-bs.de www.mp-gruppe.de www.energieforumberlin.de www.solarbau.de www.enerkenn.de www.ensan.de www.energydesignbs.de