CLUB APOLLO 13, 13. Wettbewerb Lösungsvorschläge zur Aufgabe 3 Zahlenmuster Aufgabe 1. Die Grundgleichung assoziiert zu einer Raute lautet ad = bc + 1 bzw. ad − bc = 1. Es müssen jeweils drei dieser Zahlen bekannt sein, um die vierte Zahl aus der Grundgleichung bestimmen zu können. Um den Streifen zu füllen, könnte man zum Beispiel unten links anfangen (mögliche Startfelder sind mit einem Kreis markiert worden), und gleichmäßig nach rechts voranschreiten, etwa entlang verschobener Zickzacklinien“ (wie der linke Rand). Das Ergebnis lautet: ” 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ... ... 4 1 2 2 3 2 1 3 1 3 1 2 11 3 1 3 5 5 1 2 11 . . . ... 1 7 8 2 1 7 8 2 1 7 1 3 5 5 1 2 11 3 1 3 5 ... ... 1 2 2 3 2 1 3 4 1 2 2 . 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 .. 1 Wie man sieht (rote Markierung), wiederholt sich nach sieben Mal die Zickzacklinie von Einsen vom linken Rand, so dass das Muster einfach periodisch fortgesetzt wird. Die Symmetrie des Zahlenmusters ist etwas subtiler: die Zickzacklinie vom Rand wiederholt sich schon vorher (blaue Markierung). Die blauen Zahlen gehen aus den roten durch eine Gleitspiegelung hervor: man verschiebt die roten Zahlen (geeignet) parallel zur Streifenrichtung nach rechts und spiegelt anschliessend an der Mittellinie des Streifens (die mitgezeichnet wurde). Diese Art von Symmetrie ist von gewissen Bandornamenten bzw. Friesen bekannt, deswegen werden die in dieser Apollo 13-Aufgabe betrachteten Zahlenmuster gerne Friesmuster genannt. Aufgabe 2. (i) Die Raute 1 a liefert die Gleichung a·a = 1·1+1 bzw. a2 = 2. Da a positiv sein muss, a 1 √ ist a = 2. Nach dem Satz des Pythagoras ist a tatsächlich die Länge der Diagonale(n) eines Quadrats mit Seitenlänge 1. 1 (ii) Die Raute b liefert die Gleichung b2 = c+1. Die zweite Raute b c b c c im Muster 1 2 2 liefert die Gleichung c = b + 1. Setzt man hier c = b − 1 ein, so erhält man b4 − 2b2 + 1 = (b2 − 1)2 = b + 1 bzw. b4 − 2b2 − b = b(b3 − 2b − 1) = 0. Da b positiv ist, muss b Lösung der Gleichung x3 − 2x − 1 = 0 sein. Die Zahl x = −1 ist eine mögliche – allerdings negative – Lösung, so dass wir die Gleichung in faktorisierter Form (Polynomdivision) schreiben können: x3 − 2x − 1 = (x + 1)(x2 − x − 1) = 0. √ Die Lösungen der quadratischen Gleichung x2 − x − 1 = 0 sind 1±2 5 , nur eine hiervon ist √ positiv, so dass schließlich gilt: b = 1+2 5 . Damit erhalten wir auch den Wert von c: c = b2 − 1 = √ (1+ 5)2 4 −1= √ √ 6+2 5−4 4 = √ 1+ 5 2 . Also gilt b = c = 1+2 5 , der goldene Schnitt. Diese prominente Zahl taucht zum Beispiel als Länge der Diagonale(n) eines regelmäßigen Fünfecks der Seitenlänge 1 auf. 1 Aufgabe 3. Jedes Viereck, welches durch die Auswahl von vier der Ecken eines regulären N -Ecks bestimmt wird, ist automatisch ein Sehnenviereck, da alle Ecken auf dem Umkreis des regulären N -Ecks liegen. Damit ist der Satz von Ptolomäus in einem solchen Fall anwendbar. Wer an einem Beweis des Satzes von Ptolomäus interessiert ist, kann hier eins finden. (i) Es lassen sich mehrere nicht kongruente Sehnenviercke in einem regulären Sechseck finden. Wir listen diese tabellarisch mitsamt der zugehörigen (Ptolomäischen) Gleichung auf: Möglichkeit (I) 1 (II) 1 a a b 1 Sehnenviereck (III) 1 1 a a b a b a a 1 1 b2 = a2 + 1 a2 = b + 1 Gleichung ab = a + a Wir fangen mit Gleichung (III) an: eine leichte Umformung führt zu a(b − 2) = 0. Da a positiv ist, hat dies b = 2 zur Folge. Jede der beiden anderen Gleichungen liefert nun den √ Wert von a: wegen a2 = b + 1 = 3 und a > 0 muss a = 3 gelten. (ii) Im Zahlenmuster findet man drei verschiedene Rauten, wobei die erste und dritte durch Spiegelung auseinander hervorgehen. Auch hier listen wir sämtliche Möglichkeiten auf: a 1 Raute a Gleichung a b b a b a b a 1 a2 = b + 1 b2 = a2 + 1 a2 = b + 1 Es fällt auf, dass nur die Möglichkeiten (I) und (II) auftauchen. Aufgabe 4. Wir illustrieren am Beispiel des Achtecks eine Möglichkeit, wie man aus den Diagonallängen regulärer N -Ecke der Seitenlänge 1 systematisch Zahlenmuster der Ordnung N (mit einer festen Zahl, nämlich einer der Diagonallängen, pro Zeile) konstruieren kann. Hierzu fixieren wir eine Seite des Achtecks, in unserer Zeichnung etwa die oberste; ihre beiden Endpunkte gehören jeweils zum Sehnenviereck. Die beiden andern Ecken der betrachteten Sehnenvierecke erhält man als Endpunkte aller anderen, nicht zur obersten Seite benachbarten Seiten. Durchläuft man diese Seiten systematisch, etwa im Uhrzeigersinn, so korrespondieren die zugehörigen Ptolomäischen Gleichungen zu den Rauten unseres Zahlenmusters, wenn man diese von oben nach unten (oder umgekehrt) durchläuft: fix Sehnenviereck 1 5 2 Gleichung a2 = b + 1 b2 = ac + 1 a 1 Raute a a b 3 c 2 = b2 + 1 b 4 b2 = ac + 1 c b c b c c b a2 = b + 1 b b b a a a 1 Aufgabe 5. (i) Da die obersten zwei Zeilen bekannt sind, kann man mit Hilfe der multiplikativen Regel das gesamte Muster Zeile für Zeile von oben nach unten vervollständigen. Erstaunlicherweise fügt sich alles zu einem gültigen Zahlenmuster zusammen, d. h., die letzten drei Zeilen erfüllen automatisch die multiplikative Regel. Das Ergebnis lautet diesmal: Club Apollo 13 2 Aufgabe 3 / 18.11.2013 1 4 1 1 3 ... 2 2 5 3 1 1 3 2 1 2 1 1 1 2 3 1 1 1 3 5 3 4 1 1 2 1 2 1 1 1 1 3 2 1 2 3 1 1 3 5 1 3 1 1 3 2 1 1 4 2 1 2 1 1 1 2 3 1 1 1 3 5 ... 3 4 1 1 1 (ii) Wir lesen pro Ecke die Anzahl aneinander liegender Dreiecke ab, 2 3 2 1 1 2 4 und erstellen anschließend das zugehörige Zahlenmuster wie unter (i) beschrieben: 1 4 1 2 7 ... 5 1 3 2 1 1 1 2 1 2 1 1 3 5 3 1 1 1 2 3 7 4 1 1 2 1 1 2 1 1 1 1 7 5 1 2 1 1 1 3 3 1 1 2 3 2 1 1 4 2 1 2 1 1 3 5 3 1 1 1 2 3 ... 7 4 1 2 1 Entsprechend für die zweite vorgegebene Triangulierung des Heptagons: 2 3 1 2 3 1 3 mit zugehörigem Zahlenmuster 1 3 1 1 2 ... 5 1 1 2 1 1 2 5 2 1 1 1 3 5 8 3 1 1 2 1 2 3 1 1 1 2 1 1 1 1 8 5 2 1 1 3 3 2 5 3 1 1 1 1 1 2 1 1 2 5 2 1 1 1 3 5 8 3 1 1 2 1 ... 2 3 1 1 1 (iii) Die gemeinsame Symmetrie aller drei Zahlenmuster ist schon farblich angedeutet worden: alle drei Muster entstehen aus einem Grunddreieck“ von Zahlen durch iterierte Anwendung ” (unbegrenzt nach links und rechts) einer Gleitspiegelung in Streifenrichtung mit der Mittellinie des Streifens als Spiegelachse (siehe die Besprechung von Aufgabe 1); in schematischer Darstellung: ... ∇−3 ∆−2 ∇−1 ∆0 ∇1 ∆2 ∇3 ... Aufgabe 6. (i) Die Raute d b a d führt zur Gleichung ad = bc + 1 (1), die zweite Raute c c f e liefert die Gleichung cf = de + 1 (1) (2). Kombiniert man beide Gleichungen, so erhält man: (2) (a + e) · d = ad + de = bc + 1 + de = bc + 1 + cf − 1 = bc + cf = c · (b + f ). Club Apollo 13 3 Aufgabe 3 / 18.11.2013 Da sowohl c als auch d positiv sind, erreicht man bei Division durch das Produkt cd das b+f gewünschte Ergebnis: a+e c = d . (ii) Fügt man einem beliebigen Zahlenmuster zusätzlich zwei Zeilen mit Nullen hinzu, und zwar jeweils eine Zeile über der oberen sowie unterhalb der unteren Einserreihe, so bleibt die multiplikative Regel auf diesem erweiterten Streifen erhalten, denn wegen 1 = 1 · 1 = 0 · x + 1 = 0 + 1 erfüllen sowohl die Raute x 0 1 als auch ihr Spiegelbild 1 x 1 1 die Regel. 0 Jede einzelne der Zeilen unmittelbar über der unteren bzw. unter der oberen Einserzeile legt das gesamte Muster fest (dies wurde schon bei der Lösung zu Aufgabe 5 angemerkt), so dass es genügt sich zu überlegen, dass jede dieser Zeilen aus der anderen durch Anwendung einer geeigneten Gleitspiegelung hervorgeht. Sei x eine beliebige Zahl der relevanten unteren Zeile, wie im gezeichneten Abschnitt eingetragen. Das Ergebnis aus Teil (i) besagt, dass das Verhältnis Summe der beiden äußeren Zahlen mittlere Zahl konstant bleibt, sofern man drei aufeinander folgende Zahlen einer Diagonale des Zahlenmusters betrachtet und sich in Nordost Richtung bewegt. Unter Verwendung der Notationen aus der Skizze in der Aufgabenstellung bekommt man: x+0 1 = •+1 • = ... = a+e c = b+f d = ... = 1+• • = 0+y 1 . Demzufolge ist x = y und der gewünschte Gleitspiegelungseffekt ist damit nachgewiesen. Iteration dieses Arguments in beide Richtungen und mit abwechselnder Vertauschung von oben und unten erklären die Entstehung des Symmetriemusters. Anmerkung. Friesmuster wurden von H. S. M. Coxeter eingeführt [1]. Ihre spielerische Einführung in Aufgabe 1 sowie der Symmetrienachweis aus Aufgabe 6 sind dem Buch [2] entnommen (S.74ff). Der erste Buchautor John H. Conway und H. S. M. Coxeter selbst haben kurz nach deren Einführung Friesmuster eingehend untersucht [3a], [3b]; und insbesondere den Zusammenhang zu Triangulierungen von Polygonen geklärt (Aufgabe 5). Interessierte können die Untersuchung von Friesmustern mit diesen beiden Artikeln fortsetzen: [3a] ist als eine Reihe von Aufgaben formuliert, die in [3b] beantwortet werden. Es sei allerdings davor gewarnt, dass hierbei komplexere mathematische Werkzeuge benutzt werden. Frage 16 aus [3a] haben wir in den hiesigen Aufgaben 2 bis 4 eingeflochten. In jüngster Zeit ist durch neu entdeckte Zusammenhänge das Interesse an Friesmustern innerhalb der mathematischen Forschung neu entfacht worden, siehe z. B. [4]. Zitierte elektronische Quellen Sämtliche Quellen sind am 16.01.2014 abgerufen worden. Gleitspiegelung: http://de.wikipedia.org/wiki/Gleitspiegelung Friesgruppe: http://de.wikipedia.org/wiki/Bandornamentgruppe Goldener Schnitt: http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Beweis des Satzes von Ptolomäus (Englisch): http://www.youtube.com/watch?v=ejnc49yNXfQ Biographie von H. S. M. Coxeter (Englisch): http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/Biographies/Coxeter.html Biographie von John H. Conway (Englisch): http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Conway.html Literatur [1] Coxeter, H. S. M. Frieze patterns. Acta Arith. 18 (1971) 297–310. [2] Conway, John H. und Guy, Richard K. The book of numbers. Copernicus, New York (1996). [3a] Conway, J. H. und Coxeter, H. S. M. Triangulated polygons and frieze patterns. Math. Gaz. 57 (1973) no. 400, 87–94. [3b] Conway, J. H. und Coxeter, H. S. M. Triangulated polygons and frieze patterns. Math. Gaz. 57 (1973) no. 401, 175–183. [4] Propp, J. The combinatorics of frieze patterns and Markoff numbers. arXiv:math/0511633 [math.CO] Club Apollo 13 4 Aufgabe 3 / 18.11.2013