Das Dilemma mit der Drüse - Cimeli

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Perspektive
DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR MENSCHEN
MIT KREBSDIAGNOSE UND IHRE ANGEHÖRIGEN
LEBEN
AUSGABE 2
JULI 2014
Dr. Google und Dr. Wikipedia
Medizinische Beratung aus dem Internet?
Immuntherapie setzt auf
körpereigene Abwehr
Länger leben dank neuer Medikamente
Auch die Seele braucht Hilfe
Wie Psychoonkologie unterstützen kann
Gesund essen mit Krebs
hutz
Sonnensc
Prostatakrebs
Das Dilemma mit der Drüse
Fotos: thinkstock (2)
Tipps vom Ernährungsberater
Die Sprache
des Lebens in
lebenswichtige
Medikamente
umsetzen.
Wir bei Amgen glauben,
dass die Antworten auf die
dringendsten Fragen der
Medizin in der Sprache
unserer DNA formuliert sind.
Als Pioniere der Biotechnologie setzen wir
unser tiefes Verständnis
dieser Sprache für die
Entwicklung lebenswichtiger
Medikamente ein, besonders
für diejenigen Patienten,
für deren spezifische
Erkrankungen bis heute
nur wenige oder keine
effektiven Therapien zur
Verfügung stehen – um
deren Gesundheit und
Lebensqualität entscheidend
zu verbessern.
Weitere Informationen über
Amgen finden Sie unter:
www.amgen.ch
AMGEN SWITZERLAND AG
Dammstrasse 21
Postfach 1459
6301 Zug
www.amgen.ch
©03-2014 AMGEN SWITZERLAND AG
VORWORT · PERSPEKTIVE LEBEN
Lassen Sie sich Zeit für eine
Entscheidung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Prostatakrebs ist wohl so alt wie die
Menschheitsgeschichte. Forscher haben
2012 in einer ägyptischen Mumie in den
Überresten eines Mannes Absiedelungen
eines Prostatakrebses in den Knochen
nachweisen können. Bei jedem sechsten
Mann über 50 wird heute Prostatakrebs
festgestellt. Mit zunehmendem Alter steigt
die Wahrscheinlichkeit, an Prostatakrebs
zu erkranken.
Informationen, die eingeholt werden, dürfen und sollen ganz in Ruhe bedacht werden. Und mit der Partnerin, dem Bruder,
den Kindern oder sonst einer Person des
Vertrauens diskutiert werden. Es lohnt, die
Entscheidung in sich reifen zu lassen, für
sich festzulegen, was Vorrang hat, und das
mit den Ärzten zu besprechen.
Die Krebsmedizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Einige
Dr. med.
Formen der Erkrankung können geheilt,
Der zuletzt in Lugano lebende SchriftTheo Constanda,
andere zumindest in chronische Leiden
steller Jürgen Thorwald brachte 1994
Verlagsleiter Medizin
umgewandelt werden. Eine wesentliche
sein Buch «Der geplagte Mann. Die Prosswissprofessionalmedia AG
Rolle dabei spielt die Radiotherapie. Unser
tata, Geschichte und Geschichten» auf
Beitrag «Meilensteine der Radiotherapie»
den Markt. 20 Jahre später hat dieser Tigibt einen Überblick über die vielfältigen Einsatzmögtel nichts an Aktualität verloren, wie der Berliner Arzt
lichkeiten einer Bestrahlung und erklärt wichtige Begriffe.
Michael de Ridder in seinem autobiografischen Textbeitrag ab Seite 12 aufzeigt. Seine persönliche Entscheidung
«Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker» wird bei jeder
nach jahrelangem PSA-Diktat: «Das Ding muss raus.» Dass
Werbung für frei verkäufliche Medikamente betont. Ein
das längst nicht für jeden Fall gilt, können Sie in unserem
ähnlicher Warnhinweis müsste eigentlich auch bei vielen
Themenschwerpunkt zum Prostatakarzinom erfahren.
Internetseiten zu Gesundheitsthemen stehen. Dr. Google und Dr. Wikipedia stehen zwar rund um die Uhr zur
Verfügung, unterliegen aber keiner Zensur (s. Beitrag
Das
grosse
Problem
der
Jede Information
ab Seite 18). Auf den Absender zu achten und Arzt und
Mediziner mit dem Prosin Ruhe
Apotheker zu fragen, schützt vor falschen Heilsverspretatakrebs ist, dass es bis
bedenken
chungen und das Portemonnaie.
dato keinen Marker gibt,
der darauf schliessen lässt,
ob ein bestimmtes Karzinom
harmlos oder lebensbedrohlich ist. Das Prostatakarzinom zählt zu den bösartigen Tumoren, wächst aber in
der Regel langsam. Der PSA-Wert ist ein Baustein in der
Entscheidungsfindung, welche Vorgehensweise und Behandlung im Einzelfall richtig ist. Besonders bei Männern
im fortgeschrittenen Alter kann ein Verzicht auf eine die
Lebensqualität einschränkende Behandlung ein guter
Dr. med. Theo Constanda
Weg sein. Für alle Entscheidungen ist Zeit vorhanden,
Verlagsleiter Medizin swissprofessional
swissprofessionalmedia AG
beim Autokauf lässt Mann sich auch nicht drängen. Die
AUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
·3
PERSPEKTIVE LEBEN · INHALT
5
Mit dem Alter
kommen die
ProstataProbleme
42
18
28
Fragen Sie auch Dr. Google
und Dr. Wikipedia?
Sexuelle Probleme bei
Patienten mit Lungenkrebs
THEMENSCHWERPUNKT PROSTATAKREBS
5 Mann bleibt Mann
Erstaunliche Fortschritte
beim häufigsten Männerkrebs
8 Neue Diagnoseund Behandlungsansätze
Akuelles aus Forschung und Medizin
12 Was der Arzt
Michael de Ridder erlebte
Ein Prostatakarzinompatient erzählt
Fotos: thinkstock (9), fotolia/Gloria Groziak
Nicht nur der
Körper ist
gefordert –
auch die Seele
braucht jetzt
Hilfe
30 Woher kommt dieser Krebs?
Auf der Suche nach einem unbekannten Tumor
32 Die Darmspiegelung ist der beste Schutz
Krebsvorstufen im Dick- und Enddarm rechtzeitig erkennen
45 «CyberKnife» im Inselspital Bern
Neues Bestrahlungsgerät kann die Behandlung verkürzen
RAT UND HILFE
36 Leser fragen – Ärzte antworten
Häufige Fragen an den Krebsinformationsdienst
38 Krebsliga zur Hautkrebsprävention
MENSCHEN UND ERFAHRUNGEN
16 Meine Arbeit macht mich glücklich
Interview mit Corinne Ullmann,
Leiterin Krebsliga Schaffhausen
18 Gesundheitsthemen im Internet
Von guten und schlechten Informationsquellen
20 Plötzlich waren die Werte im Keller
Warum regelmässige Blutkontrolle wichtig ist
MEDIZIN UND FORSCHUNG
22 Immunbehandlung nimmt Fahrt auf
Neue Medikamente gegen Hautkrebs
24 Meilensteine der Strahlentherapie
Schonender und genauer denn je
28 Weltkongress Lungenkrebs in Genf
Lebensqualität trotz Tumorleiden
4·
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·
AUSGABE SCHWEIZ
Neue Botschaften dank aktueller Erkenntnisse
LEBEN UND GESUNDHEIT
40 Selbsthilfegruppen
Eine Anleitung zum Selber-Suchen – und Finden
42 Auch die Seele braucht Hilfe!
Wie Psychoonkologie unterstützen kann
46 Sport und Bewegung während der Therapie
Erlaubt ist, was Spass macht!
48 Was mich die Patienten gelehrt haben
Ernährungsberatung bei Krebserkrankungen
Interview mit Tomaso Cimelli
SERVICE-RUBRIKEN
3 Vorwort
51 Wissenschaftlicher Beirat
51 Impressum
Möchten Sie
uns Ihre persönliche
Frage stellen?
[email protected]
PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
Prostataleiden treten erst
im Alter auf: die gutartige
Vergrösserung und der
Prostatakrebs.
Foto: thinkstock
Häufigste Krebserkrankung des Mannes
Vom grossen Dilemma
mit einer kleinen Drüse
Die Vorsteherdrüse ist ein kleines, 20 bis allenfalls 40 Gramm leichtes Organ von der
Grösse einer Kastanie. Sie liegt versteckt unterhalb der Harnröhre und macht jungen
Männern ganz selten Probleme. Das kann sich aber mit dem Alter ändern. Neben den
unangenehmen Symptomen einer gutartigen Vergrösserung ist der Prostatakrebs mit
30 % die häufigste Krebsdiagnose beim Mann.
GUTE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN.
und nimmt mit steigendem Lebensalter zu.
Gute Chancen
Mit rund 6000 Neuerkrankungen pro Jahr
Dilemma deshalb, weil z. B. bei der Frage
beim Prostata- nach der Früherkennung mit der PSA-Unist Prostatakrebs die häufigste Tumorkrebs
erkrankung des Schweizer Mannes. Da es
tersuchung (s. Kasten Seite 6) oder der Frage
sich häufig um ein «Niedrig-Risiko-Prostatanach dem Beginn einer Behandlung selbst in
karzinom» handelt und es auch für fortgeder Fachwelt Uneinigkeit herrscht.
schrittene Erkrankungen gute BehandlungsmöglichkeiBeschwerden verursacht ein Krebs in der unsichtbaren
ten gibt, steht der Prostatakrebs nach Darm und Lunge
und unscheinbaren Drüse im Anfangsstadium keine.
aber erst an dritter Stelle, was die Krebstodesfälle beim
Ganz anders als die gutartige Vergrösserung der Prosmännlichen Geschlecht betrifft. Das Dilemma mit der
tata (benigne Prostatahyperplasie, BPH), an der viele
Drüse kann schon in den besten Mannesjahren beginnen
Männer ab dem mittleren Lebensalter zu leiden be- »
AUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
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PERSPEKTIVE LEBEN · PROSTATA-KREBS
ginnen. Bei Problemen oder Schmerzen mit
dem Wasserlassen oder Blut im Urin oder
sonstigen ungewöhnlichen Entwicklungen
gilt auch für «tapfere Männer», sich lieber
unverzüglich einem Arzt anzuvertrauen.
Bloss nicht zu
sehr überbehandeln
sames Beobachten in bestimmten Fällen die
klügere Strategie. Zu den Raubtieren zählen
der Hoch-Risiko-Krebs und das Prostatakarzinom mit Metastasen. Wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, weil der Tumor
schon gestreut hat, verfolgt die Behandlung
zwei Ziele: das Leben zu verlängern und die Lebensqualität möglichst zu erhalten.
Wenn es aber nötig ist, mit Operation, Bestrahlung oder
Medikamenten vorzugehen, dann sind die Erfolgschancen am grössten, solange der Tumor noch nicht in umliegendes Gewebe hineingewachsen ist oder Metastasen
gebildet hat. Das spricht für eine sorgfältige und umsichtige Früherkennung. Diese ist umso wichtiger, wenn nahe
Verwandte bereits erkrankt sind. Zu den Risikofaktoren
zählen denn auch:
„ genetische Veranlagung
„ mangelnde Bewegung
„ Rauchen.
Es gibt Hinweise auf eine vorbeugende Wirkung von bestimmten Nahrungsmitteln. Prostatagesund sollen sein:
Broccoli, Curcuma, Grüntee, Granatapfelsaft, Knoblauch,
Tomaten, Grünkohl, Weintrauben. Am besten: möglichst
bunt und viel Obst und Gemüse essen. Für Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine, Selen, Lycopen, Betacarotin)
fehlen dagegen Wirksamkeitsnachweise.
Haustier- oder Raubtierkrebs
Längst nicht jeder Tumor der Vorsteherdrüse ist so bedrohlich, dass er sofort operiert oder bestrahlt werden müsste.
Julius Hackethal, ein 1997 gestorbener streitbarer Arzt,
hat bereits vor mehr als 40 Jahren sehr drastisch vor einer
Überbehandlung beim Prostatakrebs gewarnt und die Begriffe «Haustierkrebs oder Raubtierkrebs» geprägt. Seine
Überlegungen, dass bei einer Krebserkrankung bei einem
gutartigen Verlauf nicht gleich alle Behandlungsoptionen
ausgeschöpft werden müssen, gelten auch heute noch.
Das Haustier wäre demnach ein Niedrig-Risiko-Krebs.
Dank einer langsamen Wachstumsdynamik ist aufmerk-
Foto: thinkstock
Finger und PSA
TIPP!
So bereiten Sie sich auf das Gespräch mit dem Doktor vor:
„Schreiben Sie sich vor dem Arztbesuch Ihre Fragen auf.
So vergessen Sie in der Aufregung keine Dinge, die
Ihnen wichtig sind.
„Bitten Sie Ihren Arzt in jedem Fall um eine Kopie Ihrer
Behandlungsunterlagen. So können Sie im Zweifelsfall
eine Zweitmeinung beanspruchen.
„Nehmen Sie eine vertraute Person mit zum Gespräch. So haben Sie einen Partner, mit dem Sie die
Gesprächsergebnisse noch einmal abwägen können.
„Nehmen Sie sich etwas zu schreiben mit und notieren
Sie die wichtigsten Informationen. So können Sie später in Ruhe noch einmal alles nachlesen.
„Fragen Sie den Arzt, ob Sie das Gespräch aufzeichnen
dürfen.
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Für die Untersuchung der Prostata auf Veränderungen
kann die Drüse vom Enddarm aus ertastet werden. Die
Grenzen der Finger-Tastmethode, mit der vor allem
oberflächlich gelegene, grössere Tumore entdeckt werden, kann durch eine Ultraschall-Untersuchung erweitert werden. Die im Zusammenhang mit der Prostata am
häufigsten gemachte Laboruntersuchung ist die Bestimmung des PSA-Wertes. PSA steht für prostataspezifisches
Antigen. PSA wird in geringen Mengen von Zellen der
AUSGABE SCHWEIZ
WAS SIE DEN ARZT FRAGEN SOLLTEN:
„In welchem Stadium befindet sich meine Erkrankung?
„Wie viel Zeit habe ich, um eine Behandlungs-
entscheidung zu treffen?
„Wie überwachen wir in dieser Bedenkzeit den Tumor,
damit die Erkrankung nicht ausser Kontrolle gerät?
„Welchen Verlauf wird die Krankheit wahrscheinlich
nehmen, wenn ich nichts tue?
„Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Welche kommen für mich infrage?
„Empfehlen Sie mir, weitere Ärzte zu konsultieren?
Quelle: Evidenzbasierter Patientenratgeber zur S3-Leitlinie
Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien
des Prostatakarzinoms (2. Auflage, April 2013).
PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
Prostata gebildet und steigt bei einer Tumorerkrankung
an und tritt auch ins Blut über. Der Bluttest ist einfach
durchführbar. Die Interpretation erhöhter Werte dagegen
ist es nicht.
Biopsie muss sein
Mit diesem Bluttest können Ärzte das Risiko für Prostatakrebs abschätzen und Frühstadien erkennen. Vom
PSA-Test als generelles Früherkennungsprogramm raten
neben der Krebsliga Schweiz auch Fachgesellschaften
wie die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) ab
(s. Kasten). Der Weg vom Verdacht zur Diagnose führt
heute in keinem Fall an der Entnahme von zehn bis zwölf
kleinen Gewebeproben aus den verdächtigen Arealen mit
einer Biopsie vorbei. Erst unter dem Mikroskop des Pathologen und im Labor des Molekularbiologen werden
bösartige Zellen zweifelsfrei identifiziert. Aber 97 % der
Prostatakarzinome sind Adenokarzinome mit relativ guter Prognose.
Behandlungsmöglichkeiten
Für das Prostatakarzinom im Frühstadium existieren verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die den Tumor gut
unter Kontrolle bekommen. Dabei gibt es diverse Massnahmen, die infrage kommen können:
„Watchful Waiting (WW): Nur bei einem Fortschrei-
ten der Krankheit wird eine Behandlung in palliativer
Absicht eingeleitet.
„Sorgfältige Überwachung (active surveillance AS):
Der PSA-Test
Das Eiweiss PSA (prostataspezifisches Antigen) wird in den
Drüsenzellen der Prostata gebildet und ist im Prostatasekret enthalten. Es dient der Verflüssigung des Samens. Geringe Mengen
gelangen auch ins Blut und können mit dem Labortest gemessen
werden.
Ein erhöhter PSA-Wert kann ein Hinweis darauf sein, dass der
Patient unter Prostatakrebs leidet. Die Höhe des PSA-Wertes
bei einmaliger Messung ist wenig aussagekräftig. Auch andere
Gründe (z. B. Velofahren, sexuelle Aktivität, Infektionen, lokale
Verletzungen beispielsweise durch Stossen) können kurzfristig zu
einer Erhöhung führen. Auch werden mit dieser Früherkennungsmethode einige Tumoren übersehen. Und es kommt vor, dass
Patienten mit hohem PSA-Wert unnötig in Sorge versetzt werden,
weil Nachuntersuchungen den Krebsverdacht nicht bestätigen.
Die Gefährlichkeit eines Karzinoms lässt der Test nicht erkennen.
Für Verlaufskontrollen ist er hilfreich.
Eine systematische Früherkennung von Prostatakrebs (Screening)
wird von der Krebsliga Schweiz nicht empfohlen. Die aktuelle Datenlage sei nicht ausreichend, um eine systematische Früherkennung von Prostatakrebs mittels Bestimmung des prostataspezifischen Antigens oder mittels digitaler rektaler Untersuchung bei
Männern ohne familiär erhöhtes Risiko zu rechtfertigen. Wenn
ein Mann eine Früherkennungsuntersuchung durchführen lassen
möchte, muss er vor der Untersuchung umfassend über die Vorund Nachteile informiert werden. Derzeit sollte jeder Mann selbst
entscheiden, ob er einen PSA-Test machen möchte.
bei langsamer Wachstumstendenz. Umfasst PSA-Kontrolle und Verlaufskontrolle mit Biopsie.
„Radikale Prostatovesikulektomie (rPVE): Operation,
bei der die gesamte Prostata inklusive Kapsel und Samenblase chirurgisch entfernt wird. Das kann offen
oder roboterassistiert laparoskopisch passieren, mit
oder ohne Beckenlymphknotenentfernung.
webes. Dieses Ziel ist nur zu verwirklichen, solange der
Tumor noch nicht gestreut hat. Ist ein Lymphknotenbefall oder sind Metastasen festgestellt worden, hat
sich die Krankheit bereits im Körper aus„Externe perkutane Radiotherapie der
gebreitet. Der Arzt sagt, sie ist systemisch
Prostata (EPRP): eine weitere kurative,
geworden. Dann werden Behandlungen
Überwachen,
auf Heilung zielende Behandlungsform.
die den Tumor in seinem Fortabwarten oder eingesetzt,
Bei der IMRT- (intensitätsmodulierte
schreiten hemmen oder gezielt Beschwerbehandeln?
Radiotherapie) Technik wird die Prosden bekämpfen.
tata in verschiedene Segmente unterteilt
Das Ziel solcher Massnahmen ist es, den
und mit unterschiedlicher Strahlenintensität
Krankheitsverlauf zu verzögern und die Bebehandelt. Mit komplizierten Berechnungen kann so
schwerden zu lindern. Sie werden auch als «palliativ»
das umliegende Gewebe geschont und Bewegungen
bezeichnet. Dazu gehören:
ausgeglichen werden.
„die Hormontherapie
„Brachytherapie: eine Form der inneren Radiothe„die Chemotherapie
rapie. Es werden hierbei kleinste Strahlenquellen
„die unterstützende Strahlentherapie
(sogenannte Seeds) aus Titan und Jod-125 in die
„ die Schmerztherapie.
Prostata eingesetzt). Für ausgewählte Fälle (niedrig bis
Quellen und weitere Informationen:
mittelaggressiv).
www.krebsliga.ch
„Hochfrequenzablation.
Die sogenannten kurativen («heilenden») Behandlungsmöglichkeiten verfolgen das Ziel der Heilung, also die
vollständige Entfernung oder Zerstörung des Tumorge-
www.prostatakrebs.ch
www.leitlinien.de
www.dkfz.de
www.prostatazentrum.ch
www.swisscancer.ch (Prävention/Krebsarten/Prostatakrebs)
www.sprechzimmer.ch (Prostatakrebs)
www.urologen.net
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · PROSTATA-KREBS
Von Beckenbodengymnastik bis Rückfallgefahr
Neues zum Thema
Prostatakrebs
Forschung und Medizin liefern täglich Neues und Berichtenswertes. Die Forschung
im Bereich der Krebsbehandlung geht mit grossen Schritten voran. Und geschrieben
wird eine Menge darüber: Hier ist eine Auswahl von Themen zum Prostatakrebs, die
in der letzten Zeit in der Publikums-Presse und im Internet zu lesen waren.
SICH SCHLAU LESEN. Der Online-Buchhändler Amazon liefert 1444 Ergeb-
nisse zum Suchbegriff «Prostatakrebs». Man findet Titel wie «Die Wahrheit
über den Prostatakrebs», «Der richtige Umgang mit Prostatakrebs», «Eine
ganzheitliche Betrachtungsweise des Prostatakrebs», «Die medizinische S3Leitlinie des Prostatakrebs», «Ernährungstipps für Prostatakrebs», «Wege zu
neuer Lust nach Prostatakrebs», usw. Internet, Tages- und Wochenzeitungen,
Magazine und Zeitschriften sind schneller und bringen aktuellstes Wissen
auf den Punkt.
Beckenbodengymnastik:
Die häufigste Ursache eines Harnverlustes (Inkontinenz) beim Mann
nach einer Prostataoperation ist das
Versagen des Verschlussmechanismus am Blasenausgang. Die Inkontinenz äussert sich normalerweise
dadurch, dass geringe Harnmengen
unkontrolliert austreten, vor allem
unter körperlicher Belastung, beim
Husten, Niesen oder Pressen, also
wenn der Druck im Bauchraum
erhöht ist (Stress- oder Belastungsinkontinenz). In der Regel ist es
möglich, diese Störung durch eine
konsequente Beckenbodengymnastik nach der Operation zu beheben.
Unter Anleitung eines Krankengymnasten können Übungen erlernt
und später selbständig ausgeführt
werden. Eine Wiedererlangung der
Kontinenz wird so unterstützt.
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AUSGABE SCHWEIZ
Beschneidung:
Einer kanadischen Studie zufolge
kann die Beschneidung, also die
operative Entfernung der Vorhaut
am Penis bei einigen Männern das
Risiko für einen Prostatakrebs herabsetzen. Zu dieser Aussage kamen
Wissenschaftler der Universität von
Quebec in PROtEuS (Prostate Cancer and Environment Study). Die
Forscher untersuchten 1590 Männer
mit Prostatakrebs und verglichen die
Angaben mit denen von 1618 Gesunden. Beschnittene Männer über
35 Jahre hatten eine Risikoabsenkung von 45 % für Prostatakrebs, bei
schwarzen beschnittenen Männern
waren es 60 %. Eine Beschneidung
senkt das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen, die wiederum
einen Risikofaktor für Prostatakrebs
darstellen, deutlich.
Foto: thinkstock
Eine alphabetische Auswahl von Nachrichten rund um Prostatakrebs.
Blutgruppe:
Dr. Yoshio Ohno von der Tokyo Medical University zeigte, dass Patienten mit der Blutgruppe Null (0) ein
deutlich geringeres Risiko für ein
Wiederauftreten des Tumors nach
einer radikalen Prostataentfernung
hatten. Die zweithäufigste Blutgruppe 0 (41% der Schweizer) kann offenbar vor einem Rückfall schützen.
Diagnostik:
Die Entnahme von Gewebe aus
Bereichen der Prostata mit einem
Krebsverdacht zur weiteren Abklärung ist sehr wichtig (Biopsie). Eine
PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
Methode, die heute den Urologen
beim zielgenauen Ansetzen seiner
Hohlnadel zur Gewebeentnahme
unterstützt, hat sogar das Potenzial, die Entnahme von Gewebeproben eines Tages überflüssig zu machen: der Ultraschall. Denn neue
Techniken machen die Sonografie
vom Mastdarm aus von der Navigations- zur Diagnosehilfe. «In der
Elastografie machen wir uns die
Tatsache zunutze, dass Krebsgewebe
in der Regel härter ist als normales
Gewebe», erklärt Georg Salomon
von der Martini-Klinik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Dort
wurde die Methode, bei der auf
dem Bildschirm Unterschiede in
der Elastizität als Farbunterschiede
erscheinen, in der weltweit grössten Studie an über 1000 Patienten
erprobt. Wenn in der Elastografie
nichts Hartes entdeckt wird, könnte in Zukunft auf Gewebeproben
verzichtet werden. Eine weitere
Entwicklung ist die kontrastmittelunterstützte Sonografie. Dafür wird
vor der Untersuchung ein spezielles
Kontrastmittel in die Vene gespritzt,
das kleine Gasbläschen enthält und
damit den Blutfluss in der Prostata
sichtbar macht. Im Tumorgewebe
bilden sich in chaotischer Art neue
Blutgefässe, die so dargestellt werden können. Bei der Kernspintomographie (MRT) gibt es derzeit
vier Ansätze, die MRT ebenfalls für
die Steuerung einer Biopsie einzusetzen. Das Verfahren ist allerdings
sehr komplex, zeitaufwändig und
somit teuer. MRT-Ergebnisse können aber als Zusatzinformationen
für die ultraschallgesteuerte Biopsie dienen.
Ernährung:
Die EPIC-Studie mit insgesamt
500 000 Teilnehmern in mehreren
europäischen Ländern untersucht
die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit. Wer sich
den Grossteil seines Lebens pflanzlich ernährt und dabei auf viel Fett
und Zucker verzichtet, muss sich
weniger vor Prostatakrebs fürchten,
so ein Ergebnis. Grundlage waren
hierbei die Ergebnisse von in Asien lebenden Männern, die sich oft
pflanzlich ernährten, im Vergleich
zu Männern mit der typisch westlichen Ernährungsweise. Das Risiko
an Prostatakrebs zu erkranken ist
bei einer überwiegend pflanzlichen
Kost um bis zu 27-mal geringer, so
die Forscher.
Fettleibigkeit:
Es gibt Hinweise, dass Übergewicht
die Aggressivität von Prostatakrebs
befördert. Aber auch die Häufigkeit
und die Rückfallgefahr steigen bei
dicken Männern. Eine Studie der
Gruppe um Stephen Freedland
brachte den Forschern zufolge
deutliche Resultate: In einem Zeitraum von vier Jahren entwickelten
sich bei 29 von 205 übergewichtigen Männern neue Tumoren, zwölf
Patienten starben. Im Vergleich zu
den normalgewichtigen Patienten
kehrte der Krebs bei Fettleibigen
mit einer fünffach erhöhten Wahrscheinlichkeit zurück.
Gezielte Therapie:
Eine gezielte Ausschaltung des
Krebsherdes unter Organ- und
Funktionserhalt ist ein wichtiges
Ziel. Vor allem bei Patienten, bei
denen die Active Surveillance (aktive Überwachung) in Frage kommt,
sind neue Methoden auf dem Weg.
Mit Hilfe von Seed-Implantation,
Medikamenten-induzierter Lasertherapie (Tookad), Kryotherapie,
LDR-Brachytherapie oder der hochintensive fokussierte Ultraschall
(HIFU, s. unten) will man nur den
vom Krebs betroffenen Teil der Prostata entfernen. Bei der Hemiablation wird beispielsweise eine Hälfte
der Prostata entnommen. Der am
stärksten begrenzte Eingriff ist die
Indextumor-Ablation, bei der nur
der Ersttumor entfernt wird.
HIFU:
HIFU ist die Abkürzung für hochintensiver fokussierter Ultraschall.
Dabei werden sehr stark konzentrierte Ultraschallwellen auf das Tumorgewebe gelenkt mit dem Ziel,
durch die entstehende Wärme die
Krebszellen zu zerstören. Für die
Wirksamkeit von HIFU beim lokal
fortgeschrittenen Prostatakrebs gibt
es bislang keine ausreichend gesicherten wissenschaftlichen Nachweise. HIFU soll nicht zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen
Prostatakrebs eingesetzt werden.
Hormonablation:
Der Hormonentzug (Androgen
Deprivations Therapie ADT) stellt
die wirksamste Behandlung beim
fortgeschrittenen Prostatakrebs
mit Metastasen dar. Hormone sind
Botenstoffe, die in vielfältiger Weise
in alle Körperfunktionen eingreifen. Die Geschlechtsentwick- »
Eine Ernährung reich an
Gemüse und Früchten scheint
vor Prostatakrebs zu
schützen.
Foto: thinkstock
AUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
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PERSPEKTIVE LEBEN · PROSTATA-KREBS
Hyper- und Kryotherapie:
Bei der Hyperthermie (Hitzebehandlung) werden die Krebszellen
auf über 42°C erwärmt. Dadurch
sollen sie geschwächt oder abgetötet
werden. Die Kryotherapie arbeitet
mit dem gezielten Einsatz von Kälte.
Ausreichend gesicherte wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit
beider Methoden beim Prostatakrebs
fehlen, ein Einsatz beim lokal fortgeschrittenen Prostatakrebs ist nicht zu
empfehlen.
Immuntherapie:
Unter einer aktiven zellulären Immunotherapie versteht man eine
Behandlung, bei der Immunzellen
des Patienten lernen, den Krebs als
fremd zu erkennen und anzugreifen («Krebsvakzine», Sipuleucel-T).
Dem Patienten werden bestimmte
Blutzellen entnommen und diese
werden dann ausserhalb des Körpers mit Krebszellmerkmalen (Prostataantigenen) «bekannt gemacht».
Danach erhält der Patient sie zurück.
Ein neuer Antikörper, Ipilimumab,
setzt ebenfalls am Immunsystem an.
Er verstärkt die T-Zell-vermittelte
Immunantwort.
Medikamente:
Mit neuen Medikamenten für den
fortgeschrittenen Prostatakrebs will
man Leben verlängern und Lebensqualität verbessern. Das Chemotherapeutikum Cabazitaxel, der CYP17
Inhibitor Abirateron, das 2. Generations Antiandrogen Enzalutamid,
das Radionuklid Radium-223 und
die Immuntherapie mit SipuleucelT sind bereits in klinischen Studien
Wegweiser
durch die Behandlung
Diagnose: Prostata-Krebs
(Tumorkategorie, Gleason-Score, Tumorausdehnung
Weitere Untersuchungen
Fotos: thinkstock (6)
lung und die Funktion der Prostata
werden vor allem vom männlichen
Geschlechtshormon, dem Testosteron, beeinflusst. Da auch das Krebswachstum beeinflusst wird, senkt
man den Testosteronspiegel ab. Dies
kann chirurgisch durch die operative Entfernung oder Ausschälung
des hormonproduzierenden Hodengewebes oder medikamentös erfolgen. Daher spricht man auch von
medikamentöser Kastration. Kommt
es unter dem Hormonentzug zu einem Rückfall, so sprechen die Ärzte
von einem kastrationsresistenzten
Prostatakarzinom (CRPC). Für diese
Situation gibt es neue Medikamente,
die eine fast komplette Hemmung
der Testosteronwirkung erreichen
lassen.
Ja
Nein
Therapieentscheidung
Zusätzliche Untersuchung
Urologie/Strahlentherapeut
Radiologie/Nuklearmediziner
Intervention/Eingriff?
Nein
Abwartendes
Beobachten
Aktive
Überwachung
Operation
Urologe
Urologe
Urologe
Bei Fortschreiten der Erkrankung
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AUSGABE SCHWEIZ
Nein
Ja
Bestrahlung
Brachytherapie
Strahlentherapeut Strahlentherapeut/
Urologe
Metastasiert?
Ja
Hormontherapie
Chemotherapie
Supportive
Therapie
Urologe
Urologe/
Onkologe
Urologe/Onkologe/
Hausarzt
PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
untersucht worden. Die Daten sind
meist an kleinen Fallzahlen erhoben
worden. Eine Teilnahme an Studien
wird empfohlen.
Nachsorge:
Regelmässige Untersuchungen sollen
sicherstellen, dass Rückfälle rechtzeitig erkannt werden. Denn bei etwa
drei von zehn Männern kommt es
nach einer Prostatakrebs-Behandlung im Laufe der nächsten Jahre
zu einer erneuten Tumorbildung,
entweder am Ort der Operation
(«lokales Rezidiv») oder in anderen Körperregionen (Metastasen).
Meist genügt es dabei, per Bluttest
den PSA-Wert zu kontrollieren.
Bleibt er stabil, sind keine zusätzlichen Untersuchungen wie z. B. Tastuntersuchung notwendig. Bei der
Beurteilung der PSA-Werte in der
Nachsorge muss unterschieden werden, welche Behandlung zum Einsatz
gekommen ist.
Nervenschonende Operation:
Direkt neben der Prostata verlaufen
Blutgefässe und Nervenstränge, die
für die Harnblasenentleerung, Kontinenz und die Erektion unerlässlich
sind. Nicht immer können sie bei der
Operation geschont werden. Ausserdem wird einer der Schliessmuskeln
des Harnleiters in der Regel Opfer
der Operation. Viele Männer leiden
daher nach einer Prostata-OP unter
Inkontinenz oder Impotenz. Zu den
Nachsorgebehandlungen gehört daher ein Training des Beckenbodens
ebenso wie eine Aufklärung über
Hilfsmittel oder Medikamente, die
eine Erektion weiter ermöglichen.
Auch bei der Strahlentherapie ist
Impotenz eine der häufigsten Nebenwirkungen. Im Laufe der Zeit
kann sich die Erektionsfähigkeit
wieder bessern, es kann aber auch
passieren, dass ein Mann dauerhaft
impotent bleibt. Im vertrauensvollen
Nachsorgegespräch wird der Arzt
dem Patienten verschiedene Wege
vorschlagen, die den Geschlechts-
verkehr wieder ermöglichen sollen.
Dazu zählen sowohl medikamentöse Therapien, als auch mechanische
Verfahren oder die Implantation einer Penisprothese.
Radium 223:
Für Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom gibt
es mit Radium-223 eine neue Behandlungsmöglichkeit. Radium-223
wird wie das Kalzium in Knochen
eingebaut. Dieser Einbau erfolgt in
erhöhtem Mass innerhalb von Tumorabsiedelungen (Metastasen).
Radium-223 bestrahlt dabei gezielt
benachbarte Tumorzellen durch
seine Alpha-Strahlung und hat so
einen lokalisierten wirksamen zelltoxischen Effekt.
Rückfallgefahr:
Erstmals könnte es gelingen, bei
Prostatakrebs-Patienten mit einer
Genauigkeit von 80 % das Rückfallrisiko nach einer Operation oder
Strahlentherapie zu berechnen. Das
erklärten kanadische Wissenschaftler am Europäischen Strahlentherapiekongress in Wien. Robert Bristow vom Princess Margaret Cancer
Center in Toronto (Kanada) stellte
ein Prognosemodell vor, das auf
der Analyse von DNA-Daten aus
Tumorzellen und Sauerstoffmangel
in Tumor-Gewebeproben beruht.
Krebszellen und die aus ihnen entstandenen Tumoren leiden durch das
ständige Wachstum an einem Sauerstoffmangel.
Von den Männer mit Prostatakarzinomen, die nur geringe genetische
Veränderungen und einen niedrigen
Sauerstoffmangel im Tumor hatten,
überlebten 93 % fünf Jahre, Männer mit einem schlechten Befund
(viele genetische Veränderungen
und starker Sauerstoffmangel) hatten hingegen nur eine Fünf-JahresÜberlebensrate von 49 %.
Quellen: Internet: www.aerzteblatt.de, www.idw.de
Swinging Prostata
Songtext
GEORG DANZER
wenn ich auf da strassen geh
und an schönen hasen seh
denk ich an mein blasentee
weu mia tuat die nasen weh
ja, ich hab's seit einem jahr
leider an der prostata
früher war ich dauernd geil
keine braut war mir zu steil
ich war wie ein pfitschipfeil
doch das geht jetzt nimmer, weil
statt zu wachsen bleibt a kla
wegen dera prostata
oh, lieben's mich, weil ich bin harmlos
gehn's bitte, lieben's mich, erlösen's mich
dann werd ich meinen ganzen charme los
ich küsse sogar hand
schuld allein ist das milieu
ich hab g'wohnt am attersee
s'wasser is im winter kalt
wamma schwimmt, dann spinnt er halt
und schrumpft z'samm auf unsichtbar
das geht auf die prostata
und dann is ma als beamter
ein zum sitzberuf verdammter
weu ma knotzt im magistrat
es is fad und ma wird blad
und am klo, sie wissen's ja
ärgert an die prostata
oh, lieben's mich, weil ich bin harmlos
gehn's bitte, lieben's mich, erlösen's mich
denn ich gestehe ihnen schamlos
ich küsse nur noch hand
wenn ich auf da strassen geh
und an schönen hasen seh
denk ich an mein blasentee
weu mia tuat die nasen weh
ja, ich hab's seit einem jahr
leider an der prostata
Swinging Prostata Lyrics auf
http://www.songtextemania.com
AUSGABE SCHWEIZ
·
2/2014
· 11
PERSPEKTIVE LEBEN · PATIENTEN ERZÄHLEN
Prostatakrebs:
«Vergessen Sie Ihr PSA!»
von Michael de Ridder – Was der Arzt Michael de Ridder erlebte, als ihn seine Angst
ins Labyrinth der Prostatakrebs-Vorsorge trieb.
A
lles beginnt mit meinem Vater. 1977 wird
bei ihm im Alter von
71 Jahren der hochgradige Verdacht auf
ein Prostatakarzinom geäussert –
nachdem er eineinhalb Jahre wegen
Rückenbeschwerden orthopädisch
behandelt worden war. Es stellt sich
heraus, dass den Beschwerden keine
verschlissene Wirbelsäule zugrunde
liegt, sondern vielmehr dieser Tumor, der bereits ausgedehnte Metastasen gebildet hat, auch in die Wirbelsäule hinein.
«Je weiter das
Expertenwissen
voranschreitet,
desto bedrohlicher
erscheint es mir»
MICHAEL DE RIDDER
Es ist zu spät für eine Heilung. Zwei Jahre später stirbt
mein Vater nach Operation,
Bestrahlung, Chemotherapie
und einem lange dauernden
Krankenlager, von seiner Familie begleitet.
Als sein Sohn bin ich ein Risikopatient, denn neben dem
Alter bildet die familiäre Belastung den Hauptrisikofaktor für Prostatakrebs. Eine
Erkenntnis, der ich mich
stellen musste, auch wenn
man – gerade als Arzt – der
Patientenrolle allzu gerne
ausweicht. Aber als Arzt
weiss ich auch, dass Krankheit und Gesundheit – in
weiten Grenzen jedenfalls – von der persönlichen Lebensgestaltung abhängen.
Achtsamkeit sich selbst gegenüber
und ein besonnener Umgang mit
Gefahren und Risiken haben einen
grossen Einfluss auf Lebensqualität
und Lebenszeit.
12 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
Zunächst einmal machte ich mir
die Fakten klar. Erstens: Man weiss,
dass jeder dritte Mann über 60 Jahre
ein Prostatakarzinom hat. Zweitens:
Die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA), die viele
Urologen als Früherkennungsmethode anbieten, ist nicht sicher. Bei
drei von vier Männern mit einem
erhöhten PSA-Wert wird in einer
anschliessenden Probenentnahme
aus der Prostata kein Krebs gefunden. Drittens: Mehr als die Hälfte
der Männer, bei denen ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird,
stirbt nicht an ihm, sondern mit
ihm. Ihr Krebs verläuft langsam
und gutartig («Haustierkrebs»)
und nicht schnell und aggressiv
(«Raubtierkrebs»), sie versterben
also an einer anderen Todesursache.
Was folgt daraus, wenn «Mann»
sich einer Früherkennung unterzieht? Zu den Vorteilen gehört, dass ein Krebs sehr früh
erkannt werden kann und somit
die Chance auf eine Heilung gross
ist. Zudem kann der früh erkannte Tumor so klein sein, dass eine
schonende Operation möglich ist.
Doch nicht immer muss dieser Tumor überhaupt behandelt werden.
Manchmal reicht es, ihn nur zu
überwachen.
Mit grossem Einsatz leitet
Dr. Michael de Ridder heute das
Vivantes Palliativzentrum am
Wenckebach-Krankenhaus in Berlin.
Foto: zVg
Sorge um einen Tumor,
gegen den man vielleicht
nichts machen kann
Zu den Nachteilen zählt, dass Tumoren entdeckt werden, die, weil sie
keiner Behandlung bedürfen, ihren
Träger belasten: mit einer Krebsdi-
PATIENTEN ERZÄHLEN · PERSPEKTIVE LEBEN
agnose und den möglichen Folgen
einer Operation oder Bestrahlung
(Blaseninkontinenz, Impotenz) –
Konsequenzen, von denen er ohne
Früherkennung nie erfahren hätte.
Zudem kann das Testergebnis auf
einen Tumor hindeuten, obwohl
tatsächlich keiner existiert (es ist
dann «falsch-positiv»). Umgekehrt
kann beim Test ein Tumor übersehen werden, denn auch ein niedriges
oder normales PSA schliesst einen
Tumor nicht ganz aus (dann ist das
Ergebnis «falsch-negativ»). Zuletzt
könnte auch ein früh erkannter Tumor in einem schlimmen Fall nicht
mehr heilbar sein – und sein Träger
würde dann früher mit dem Wissen
um eine unabwendbare Erkrankung
belastet.
Was sagen die Experten?
Es ist also nicht ganz einfach. Ich
schaue mir Expertenempfehlungen an. Etwa die aktuelle Leitlinie
der Deutschen Krebsgesellschaft
zur Früherkennung, Diagnose und
Therapie des Prostatakarzinoms.
Sie empfiehlt Männern, sich über
die Möglichkeiten der Früherkennung aufklären zu lassen. Wünscht
der Patient eine Untersuchung, soll
ihm auch die Bestimmung des PSA
angeboten werden.
Die Gesellschaft für Urologie sieht
im PSA-Test nach wie vor das
wichtigste Instrument zur Früherkennung des Prostatakrebses; sie
empfiehlt jedoch weder eine massenhafte Untersuchung gesunder
Männer («Screening»), noch lehnt
sie die PSA-Bestimmung als Früherkennungsmassnahme ab. Anders
die amerikanische Gesellschaft für
Urologie, sie spricht sich gegen ein
Screening aus. Männern zwischen
55 und 69 Jahren wird eine gründliche ärztliche Aufklärung vor einem
eventuellen PSA-Test empfohlen.
Jenseits des 70. Lebensjahres halten
US-Experten den PSA-Test generell
nicht mehr für empfehlenswert.
Und die Krankenkassen sehen in
ihrem Leistungskatalog zwar für jeden versicherten Mann ab dem 45.
Lebensjahr eine jährliche Untersu-
«Aufklären,
anbieten,
empfehlen ...?
Ich fühle mich
rat- und hilflos»
MICHAEL DE RIDDER
Der Test für den
MANN
Der PSA-Test misst die
Konzentration des prostataspezifischen Antigens
(PSA), das die Samenflüssigkeit verdünnt und so
die Spermien beweglicher
macht. Ist der Wert erhöht, kann das auf Krebs
hindeuten. Allerdings sind
auch harmlosere Ursachen
möglich: etwa eine gutartige Prostatavergrösserung
oder schlichter Druck auf
das Organ (etwa nach einer
Tastuntersuchung oder
durch Velofahren).
Der Test für die
FRAU
Ähnlich umstritten wie
der PSA-Test ist das
Mammografie-Screening,
das bei Frauen Brustkrebs
im Frühstadium aufspüren
soll. Kürzlich stellte erneut
eine – nicht unumstrittene – Studie zum Screening
dessen Nutzen infrage. Es
gilt: Dass die Mammografie
mehr nützt als schadet,
konnte bislang nicht
eindeutig nachgewiesen
werden. Sie führt aber zu
falschen Alarmen, die Frauen ängstigen.
chung zur Früherkennung von Prostatakrebs vor, allerdings nicht durch
die Bestimmung des PSA, die ist davon explizit ausgenommen.
Aufklären, anbieten, empfehlen ...?
Ich fühle mich rat- und hilflos. Je
weiter das urologische Expertenwissen voranschreitet, desto unübersichtlicher und bedrohlicher
erscheint es mir.
Angst und Unruhe haben schleichend Einzug in mein Leben gehalten (ich bin mir meines «Risikovaters» immer bewusst), als ich mich
dann vor 16 Jahren im Alter von 50
erstmals unter den Schirm der urologischen «Vorsorge» begebe: unauffälliger Tastbefund der Prostata, PSA
0,8. «Alles in Ordnung, kein Grund
zur Sorge», so der Urologe, «kommen Sie in einem Jahr wieder.» Jährlich lasse ich nun meine Prostata untersuchen und mein PSA bestimmen,
2004 liegt der Wert bei 2,5 – mancher Urologe würde die Indikation
zur Probenentnahme («Biopsie»)
schon jetzt stellen. Erstmals spüre ich
tiefe Angst. Ein mir bekannter Urologe rät noch von einer Biopsie ab.
Ein gutes Jahr vergeht; 2006 ist der
Wert auf 3,6 gestiegen. Die Anzeichen, dass meine Prostata von einem
Tumor befallen sein könnte, mehren
sich: Die sogenannte PSA-Verdopplungszeit, ein weiterer Indikator für
das Vorliegen eines Karzinoms, liegt
nicht mehr im Normbereich. Bei
der rektalen Tastung meiner Prostata sagt der Urologe zu mir: «Links,
da ist was Derbes, etwas Verdächtiges, das gefällt mir nicht.» Mit dem
kollegialen Rat, möglichst bald eine
Gewebsprobe entnehmen zu lassen,
verlasse ich die Praxis – erschrocken
und in grosser Sorge.
Der Wert steigt, doch einen
Tumor gibt es nicht
Ende 2006 gehe ich ins Spital. Zwölf
Gewebsstanzen entnimmt Doktor
P., ein erfahrener Urologe, gesteuert und überwacht per Ultraschall.
Befund: negativ. Ein seelischer Freudensprung – eine Last fällt von »
AUSGABE SCHWEIZ
·
2/2014
· 13
PERSPEKTIVE LEBEN · PATIENTEN ERZÄHLEN
mir! Kann es damit sein Bewenden
haben und ich mich als frei von
einem Prostatatumor betrachten?
«PSA-Kontrolle in einem Jahr», so
die Empfehlung des Kollegen – ein
Dämpfer, der seine Wirkung nicht
verfehlt: Die Angst in mir köchelt
weiter.
Während der kommenden Jahre
folgen weitere PSA-Kontrollen und
Biopsien bei Doktor P. Ein weiter
ansteigender PSA-Wert (2010 liegt
er bei 7,5) findet auch in der zweiten feingeweblichen Untersuchung
keine Erklärung, denn weder eine
(chronische) Prostataentzündung
noch eine gutartige Vermehrung von
normalem Prostatagewebe («Hyperplasie»), die beide ebenso zu einer
Erhöhung des PSA führen können,
sind bei mir erkennbar. Meine zweite Gewebeprobe wird von mehreren
Pathologen begutachtet. Auch hier
lautet der Befund übereinstimmend:
kein Krebs.
doch dem würde – zu Recht –
kein Urologe folgen wollen.
Ich gebe nicht auf, ein Mehr
an Klarheit zu gewinnen. Ich
unterziehe mich dem erst seit
kurzer Zeit auf dem Markt
befindlichen PCA-3-Test, bei
dem aus Urin gewonnene Prostatazellen molekulargenetisch
analysiert werden. Gestützt auf
diverse Studien, behauptet der
amerikanische Hersteller, dass
der Test spezifischer sei als die
Bestimmung des PSA und für
die Entscheidung zur Biopsie
hilfreich.
Das Testergebnis bescheinigt
mir mit mittlerer Wahrscheinlichkeit ein Prostatakarzinom.
Urteil eines der renommiertesten deutschen Urologen, Professor W.: PCA-3-Test falschpositiv!
Eine gewisse Beklommenheit und
Ratlosigkeit greift allmählich auch
unter meinen Ärzten um sich, weil
mein steigendes PSA keine Erklärung findet. Die dritte Biopsie findet 2011 bei einem PSA von 9,8 statt.
Sie zeigt in einer von zwölf Gewebsstanzen eine «high grade PIN» –
eine Gewebsveränderung, aus der in
50 % der Fälle später ein Karzinom
hervorgeht. Urteil des Pathologen:
«derzeit kein Anhalt für Malignität»,
nichts Bösartiges also. Seine Empfehlung: Kontrolle in einem Jahr.
Vergessen Sie Ihr PSA!
Testmarathon
für ein wenig Klarheit
Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle ... Ich
resümiere: Seit 13 Jahren steigt mein
PSA; es gibt keinen Befund, der diesen Wert erklärt; ich habe keinerlei
Beschwerden oder Symptome. Und
doch bin ich der Verzweiflung nahe.
Längst sehne ich die Diagnose eines
Tumors geradezu herbei, denn dauerhafte Ungewissheit ist unerträglicher als eine klare und definitive
Diagnose. Fast bin ich willens, mir
dieses Schicksalsorgan auch ohne
Tumornachweis entfernen zu lassen,
14 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
Nach einer vierten und erneut ohne
positives Ergebnis verlaufenden
feingeweblichen Untersuchung im
Herbst 2012 – das PSA ist nun auf
14,7 angestiegen – murmelt Doktor
P. während der Probenentnahme
beiläufig: «Bei diesem Wert gehen
manche Ärzte ja schon auf Metastasensuche!» Er ahnt wahrscheinlich
nicht, was er bei mir damit auslöst:
Ich fühle mich wie vom Schlag getroffen, bin zutiefst bestürzt. Metastasen?! Ohne einen Tumornachweis?
Bin ich eine urologische Kuriosität?
Bin ich der weisse Rabe der Diagnostik des Prostatakarzinoms – schon
aussichtslos erkrankt und nur noch
palliativ behandelbar? Wo ich doch
hoffte und alles dafür tun zu können glaubte, meinen Krebs – wenn er
denn nachgewiesen wäre – in einem
Stadium dingfest zu machen, in dem
man noch etwas gegen ihn ausrichten könnte!
«Vergessen Sie
Ihr PSA!
Nie mehr
eine Biopsie!»
MICHAEL DE RIDDER
Tags darauf teile ich Professor W.
den Befund mit. Abends lese ich
seine Antwort. Mit dem Wissen und
dem Mut dessen, der wie kein zweiter Urologe die diagnostischen und
therapeutischen Vorgehensweisen
seiner Fachkollegen beim (vermuteten) Prostatakarzinom infrage stellt,
schreibt er mir zurück: «Ich hoffe,
Sie leben im glücklichen Bewusstsein Ihrer Prostatagesundheit! Vergessen Sie Ihr PSA! Nie mehr eine
Biopsie!»
Ich traue meinen Augen nicht. Ich
bin fassungslos und zugleich dankbar für diesen Lichtblick, fühle mich
aber aufgerieben zwischen allen
Fronten.
Ein Team aus Urologen,
Fachärzten für Strahlentherapie und Strahlenphysikern
behandelt einen Patienten
mit Prostatakrebs.
Foto: © Wolfgang Thieme/dpa
PATIENTEN ERZÄHLEN · PERSPEKTIVE LEBEN
Ist es denn denkbar, dass Doktor P.,
ein erfahrener und technisch äusserst
geschickter Urologe, bei meinen
nunmehr vier Biopsien, die insgesamt 50 Prostata-Gewebsproben
umfassen, einen bestehenden Tumor
mit seiner Biopsienadel verfehlt hat?
Ja, das ist vorstellbar, denn manche
Prostatakarzinome, die in einer
bestimmten Region wachsen, sind
schwer zugänglich.
Was kann ich noch tun,
um Gewissheit zu erlangen?
Die Magnetresonanztomografie
(MRT) ist zwar kein sicheres bildgebendes Verfahren zum Nachweis
eines Prostatakarzinoms. Gleichwohl bietet eine Biopsie, die per
MRT kontrolliert wird, das derzeitige
Maximum an diagnostischer Sicherheit. Sie ist nur an wenigen Zentren
möglich. Professor W., obwohl selbst
nicht überzeugt, erkennt meine Nöte
und rät mir zu.
Aktive Überwachung –
das verlangt Mut
Der neuerliche Eingriff erfolgt während einer eineinhalbstündigen Vollnarkose in der Universitätsklinik H.
Er bringt mir – endlich – die lange
erwartete diagnostische Klarheit: In
zwei von 30 Gewebsproben findet
sich Tumorgewebe mittlerer Bösartigkeit. Empfehlung der Klinik:
Bestrahlung oder Operation, also
Entfernung der Prostata. Ich bin erleichtert.
Professor W. hingegen ist überzeugt,
dass ich die Kriterien für einen Patienten erfülle, der sich nicht operieren lassen, sondern einer «aktiven
Überwachung» unterziehen
sollte – vor allem wenn man
den Gesamtverlauf und alle
Befunde einbeziehen würde. Er
rät mir zu einer DNA-Zytometrie meiner in H. gewonnenen
Gewebsproben; eine Untersuchung, die zusätzliche Informationen über den Bösartigkeitsgrad des Tumors erbringt und
es so erlaubt, die Dringlichkeit
einer Behandlung besser einzuschätzen.
Aber auch dieses Ergebnis, obwohl eher günstig – Malignitätsgrad 2 auf einer Skala von
1 bis 4 –, gestattet aus Sicht des
Pathologen keine eindeutige
Zuordnung meines Tumors als
«insignifikant» oder «signifikant». Professor W. hingegen
legt sich fest: «Dieser Krebs bedroht nicht Ihr Leben. Dabei
bleibe ich.»
Bangen. Zweifel. Albträume. Es
muss jetzt etwas geschehen. Zu
einer «aktiven Überwachung»
kann ich mich nicht entschliessen – durchlebe ich sie nicht
bereits seit 15 Jahren?
Welche Optionen bleiben mir
aber? Da wäre zum einen die
sogenannte intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT),
die aber langwierig ist und mit
diversen möglichen Nebenwirkungen behaftet. Oder die
Protonentherapie: Ihr Nutzen
wurde noch nicht nachgewiesen, sie wird heiss und unlauter
beworben. Oder doch die sogenannte Brachytherapie? Dabei
werden radioaktive Partikel in
die Prostata eingepflanzt, und
man wird zur wandelnden
Strahlenquelle.
Operieren für die
Gewissheit
Nein. Nichts davon. Ich lasse mein Gefühl entscheiden:
Operation! Das «Ding» muss
raus! Wieder durchlebe ich eine
zweiwöchige Phase heftiger Angst
wegen eines präoperativ erforderlichen Knochenszintigramms, in
dem geschaut wird, ob ein möglicher
Krebs bereits gestreut hat. Denn hätte ich schon Metastasen, käme eine
Operation erst gar nicht infrage.
In meinem Unglück wiederum ein
kleiner Jubelschrei: Das Szintigramm
zeigt keine Metastasen. Im September 2013 lasse ich mir komplikationslos die Prostata entfernen. Der
Krebs hatte die Organkapsel noch
nicht durchbrochen; damit ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass der
Eingriff als «kurativ» zu klassifizieren ist, dass ich geheilt bin.
Mehr denn je ist es heute ein zentrales
Anliegen der Medizin, Krankheiten,
zumal bösartige Tumoren, frühzeitig
zu erkennen, um langfristiger Heilung
eine optimale Chance zu geben. Die
Früherkennung scheint auf den ersten
Blick eine nahe liegende und plausible medizinische Vorgehensweise, ja
geradezu der Königsweg der Medizin.
Bei näherem Hinsehen indes erweist
sie sich als Januskopf: Ihrem Nutzen
für den Patienten steht ein schwer zu
ermessendes Schadenspotenzial zur
Seite. Jeder Mann muss letztendlich
eine eigene Entscheidung treffen, die
auch davon abhängt, mit welchen
Unwägbarkeiten er bereit ist zu leben.
Ich wollte wissen. Ich wollte eine Diagnose erzwingen, um jeden Preis.
Ich wollte den möglichen, nicht
mehr beherrschbaren Auswirkungen der Krankheit unbedingt zuvorkommen. Ob mir dies gelungen ist,
bleibt zweifelhaft, denn die Krankheit Krebs kennt – bis heute – kein
Plusquamperfekt. Dass sie nicht zurückkehren wird, kann niemand mit
Sicherheit sagen.
Würde ich – rückblickend und im
Wissen um anderthalb Jahrzehnte
durchlebte Ruhelosigkeit und Angst –
noch einmal denselben Weg gehen?
Trotz dieser extremen persönlichen
Kosten und bei aller Ambivalenz lautet meine Antwort darauf: ja. Denn
eine drückende Last ist von mir genommen.
AUSGABE SCHWEIZ
·
2/2014
· 15
PERSPEKTIVE LEBEN · MENSCHEN
Regionale Krebsligen im Blick
«Es ist so eine schöne Arbeit»
Die nördlichste Krebsliga-Geschäftsstelle der Schweiz in Schaffhausen wird von
Corinne Ullmann geleitet. Die Räumlichkeiten liegen in der Altstadt nahe dem Rheinufer im ersten Stock eines Geschäftshauses. Vier Räume stehen den sieben angestellten Frauen für die vielfältigen Aufgaben zur Verfügung. Eine Besonderheit der
Schaffhauser ist die spitalexterne Onkologiepflege, wie Corinne Ullmann im Interview
mit Perspektive LEBEN erzählt.
MEIN PERSÖNLICHER RAT
Corinne Ullmann,
Krebsliga Schweiz,
Leiterin der Geschäftsstelle Schaffhausen
«Gesunde Ernährung und die
Work-Life-Balance im Griff zu haben, sind
wichtige Bausteine für die Vorsorge»
Frau Ullmann, seit wann arbeiten Sie für die Krebsliga
Schaffhausen? Was haben Sie vorher gemacht?
ULLMANN: Ich bin seit dem 1. Juli
?
2011 hier tätig. Dank meiner Funktion als Präsidentin des Vereins Frauenhaus Schaffhausen lernte ich Dr.
Giannicola D’Addario, Präsident der
Krebsliga Schaffhausen kennen. Als
die Krebsliga für die Geschäftsstelle
dringend eine Leiterin suchte, fragte
er mich. Zwei Mitarbeiterinnen hatten gerade gekündigt und ich musste
quasi neu anfangen. Von der Ausbildung her bin ich Kauf- und Personalfachfrau, war sieben Jahre bei der
Swissair als Flight Attendant tätig
und nach der Familienphase mit zwei
Kindern elf Jahre bei einer Krankenkasse. An der Migros-Clubschule
habe ich auch angehende Arzt- und
Spitalsekretärinnen im Fach Sozialversicherungen unterrichtet.
Arbeiten Sie Vollzeit?
ULLMANN: Nein, ich arbeite
?
16 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
mit einem Stellenpensum von 60 %.
Wir sind hier sieben Angestellte und
alle in Teilzeit. Bei den Krebsligen arbeiten sehr viele Frauen in Teilzeit,
das lässt auch den Apparat grösser
erscheinen, als er ist. Die Arbeit ist
oft emotional anstrengend und in
der Pflege auch körperlich sehr belastend.
Was haben Sie zu Beginn der
Arbeit für die Krebsliga als
am anstrengendsten erlebt?
ULLMANN: Dadurch, dass es in der
?
Geschäftsstelle so einen grossen
Wechsel gab, war die Problematik
erst einmal, die Abläufe kennenzulernen, und die Neuorganisation der
Geschäftsstelle. In den Beratungsteil
bin ich langsam hineingewachsen. Vor den ersten
Begegnungen mit Krebspatienten hatte ich grossen
Respekt: Bin ich sensibel
genug, reagiere ich adäquat,
erkenne ich, was vorrangig
gebraucht wird? Auch sollte
man in groben Zügen wissen, wie
die Erkrankung verlaufen und was
auf diese Menschen noch zukommen
kann.
Was ist heute die grösste Herausforderung?
ULLMANN: Die Zusammenarbeit
?
mit den einzelnen Gruppen, die Koordination von unterschiedlichen
Vorstellungen und Zielsetzungen ist
immer wieder spannend. Freiwillige,
die ehrenamtlich in der Freizeit mitwirken, haben oft andere Vorstellungen als das professionelle Team. Die
Leute im Vorstand sind nicht immer
so nah dran an den Problemen wie
wir in der Geschäftsstelle, die wir Sozialberatung machen, oder die Kolleginnen der spitalexternen Onkologiepflege. Da braucht es Verständnis
von allen Seiten.
Wie ist die Zusammenarbeit
mit Bern, bekamen Sie von
dort Hilfe?
ULLMANN: Bern ist für mich ein
?
wichtiger Partner in der Zusammenarbeit. Ich kann dort vieles nachfra-
MENSCHEN · PERSPEKTIVE LEBEN
gen und Informationen einholen.
Wir beziehen viele Dienstleistungen
von dort, z. B. EDV-Support oder
auch alle Broschüren. Es gilt ja, die
Spendengelder möglichst nutzbringend und sorgfältig einzusetzen. So
kaufen wir dort ein, wo es qualitativ
am besten und günstigsten ist, und
die Angebote aus Bern sind da eine
sehr grosse Hilfe.
Sie sind auch im Vorstand
der Krebsliga Schweiz, wie
viel Zeit ist dafür aufzuwenden?
ULLMANN: Die Vorstandsarbeit ist
?
sehr spannend und ist zeitlich gut
zu bewältigen. Für die kleineren Ligen wie die Krebsliga Schaffhausen
ist diese Mitarbeit wichtig, da z. B.
auch an der Umsetzung der nationalen Strategien gegen Krebs gearbeitet, Lobbying betrieben wird und
vieles mehr.
Zurück zur täglichen Arbeit.
Wann kommen die Patienten
zu Ihnen, werden Sie schon bei der
Diagnose kontaktiert?
ULLMANN: Die Information über
?
unser Angebot erfolgt meist noch im
Spital oder beim Besuch des Onkologen. Die Patienten bekommen unsere Broschüre von den Pflegefachpersonen oder dem Sozialdienst. Wann
die Patienten auf uns zukommen,
das ist sehr unterschiedlich. Der eine
kommt direkt nach der Diagnosestellung, ein anderer erst im Verlauf
eines Rückfalles nach einigen Jahren.
Meist kommen sie, wenn ein Problem auftaucht, dass unlösbar scheint.
Das kann versicherungstechnisch
sein, finanziell. Patienten melden
sich auch, wenn sie Pflege brauchen.
Kommen auch Angehörige,
wenn sie nicht mehr klar
kommen?
ULLMANN: Ja, das kommt auch vor.
?
Wir sehen dann zu, dass alle an einem Tisch zusammenkommen. Das
Fotos: sms (3)
»
soziale Gefüge ist nicht unendlich
belastungsfähig, wir versuchen das
System zu stützen.
Was war da mal die grösste
Gruppe?
ULLMANN: Eine krebskranke Mut-
?
ter und ihre Kinder, viele Kinder und
die Mutter der Betroffenen, das war
ein voller runder Tisch.
Gibt es Unterstützung speziell für die Kinder von Krebspatienten?
ULLMANN: Wir können alle An-
?
gebote von allen Ligen nutzen. Da
gibt es Zirkus- oder Kletterlager
für krebsbetroffene Kinder oder für
Kinder, wo ein Elternteil betroffen
ist. Wir leisten auch finanzielle Unterstützung für Kinder von sozial
schwachen Familien. Das kann ein
Zuschuss für einen Ausflug oder für
eine Klassenfahrt oder den Ferienpass oder eine Karte für das Hallenbad sein. Das ist sehr individuell,
was da gebraucht wird. Wir springen
subsidiär ein, wenn sonst kein Kostenträger verantwortlich ist.
Ist Krebsprävention für Sie
ein Thema und was machen
Sie konkret?
ULLMANN: Ich bin sehr viel in der
?
Natur und versuche, mich gesünder
zu ernähren als früher. Die WorkLife-Balance im Griff zu haben, ist
ein weiterer wichtiger Baustein zur
Vorbeugung.
Mammografie – gehen Sie
dahin?
ULLMANN: Ja, das erste Mal mit
?
45 Jahren, als ich bei der Krebsliga anfing zu arbeiten, zu meiner
Beruhigung. Es ist für mich auch
eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich
verstehe und resprektiere aber jede
Frau, die sich anders entscheidet.
?
Ist an Krebs zu erkranken immer noch ein Tabu, ein Ma-
kel?
ULLMANN: Es ist kein Makel, son-
dern eine Krankheit. Leider ist es
jedoch noch oft ein Tabuthema. Es
ist die Angst vor der Begegnung mit
dem Krebspatienten. Worüber soll
ich mit ihm reden, was kommt da
auf mich zu, kann ich dem Erkrankten gerecht werden? Small Talk über
das Wetter, den letzten Urlaub oder
das neue Auto – das wird angesichts
einer möglicherweise lebensbedrohlichen Erkrankung alles banal. Ein
einfaches «Auf Wiedersehen» kann
plötzlich irgendwie falsch sein.
Was sind die nächsten Ziele
hier für die Krebsliga Schaffhausen?
ULLMANN: Ich bin ja keine gelernte
?
Sozialberaterin, ich kenne mich mit
Versicherungen aus, habe Lebenserfahrung, aber bin kein Profi, was
die Sozialberatungen betrifft. Es ist
mein Ziel, dass wir die Sozialberatung bis Ende 2014 professionalisieren. Wir strukturieren intern um, der
sozialberaterische Teil muss noch
besser werden. Der bisherige Weg
war aber gut und richtig. Ich weiss
nun, welche Sorgen und Nöte die
Betroffenen und deren Angehörige
belasten. Es ist eine bereichernde
und schöne Arbeit.
AUSGABE SCHWEIZ
·
2/2014
· 17
PERSPEKTIVE LEBEN · RAT UND HILFE
Internetnutzung bei Gesundheitsfragen
Fragen auch Sie Dr. Google un
Die Internetnutzung in der Schweiz ist in den letzten zehn Jahren von etwa 50 %
der Bevölkerung auf rund 80 % gestiegen. Zählt man Personen dazu, die sich von
anderen bei der Informationsbeschaffung aus dem Internet helfen lassen, kommt
man auf noch mehr Nutzer. Auch die meisten Ärzte recherchieren im Internet über
Gesundheitsthemen oder neue Studien.
SUCHE IM NETZ. Ein Leben ohne Internet ist kaum mehr
vorstellbar. Immer häufiger kommen Patienten mit Informationen aus dem Netz zum Arzt und hoffen darauf,
offene Fragen besprechen zu können. Auch 87 % der Ärzte recherchieren im Internet über Gesundheitsthemen,
wie eine aktuelle Erhebung der Marktforschungsgruppe
Kantar Media festgestellt hat. Ob Mediziner vorwiegend
«googeln» oder gezielt nach Informationen suchen, wurde nicht mitgeteilt. Aufgrund des Zeitmangels werden in
der Regel gezielte Recherchen in Nachschlagewerken und Datenbanken geführt.
Bei Gesundheits- und Krankheitsthemen wird
viel Sinnvolles getan, aber auch viel Schaden
angerichtet. Das Internet hört jede Stimme:
Fotos: thinkstock (3)
«Auch die
meisten Ärzte
nutzen das
Internet, um
sich zu
informieren»
18 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
RAT UND HILFE · PERSPEKTIVE LEBEN
nd Dr. Wikipedia?
Patienten machen sich immer unabhängiger von der
Arzt- und Pharmabranche und diskutieren in Foren oder
Blogs über Medikamente und ihre (Neben-)Wirkungen.
Die meisten Einträge in Foren und Blogs sind gut gemeint und geben ein Stimmungsbild. Die Frage ist nur,
ob man Nachbar X oder der Mieterin im dritten Stock
unbedingt trauen würde, wenn es um die Gesundheit
oder ernsthafte Erkrankungen geht. Es tut gut zu wissen,
dass man nicht alleine ist mit einem Problem, aber wenn
es um Behandlungsentscheidungen geht, sollte der Arzt
der erste Ansprechpartner sein. Beim Googeln regiert der
Zufall und auf den will man sich im Falle einer schweren
Erkrankung sicher nicht verlassen.
Nicht allen Web-Seiten vertrauen
Als vertrauenswürdiger als Zufallstreffer beim Googeln
werden Eintragungen in Wikipedia angesehen. Sehr gut
sind die Informationen grosser anerkannter Institutionen
wie der Krebsliga oder des Deutschen Krebsinformationsdienstes oder der Amerikanischen National Institutes of
Health (NIH). Wichtig: Immer die Quelle einer
Homepage ansehen: das Impressum. Steht
eine bekannte Organisation dahinter, eine
Im Netz wird
Fachgesellschaft, eine nationale oder interes schnell
nationale Behörde, so ist die Wahrscheinlichunübersichtlich
keit, dass es sich um gut geprüfte Nachrichten handelt, grösser als bei Briefkastenfirmen
mit unklarem Absender. Pharmafirmen bieten
zu Themen, die ihre Medikamente betreffen, häufig sehr
gut gemachte, informative Seiten an. Ansehen lohnt oft,
wenn man im Hinterkopf behält, dass es darum geht,
auch über das eigene Produkt zu informieren. Auch
Arztpraxen bieten medizinische Fachinformationen an,
auch hier gilt, dass der Arzt die eigenen Angebote in den
Vordergrund rücken will. Bei der Suche nach einem geeigneten Arzt, der nächsten Facharztpraxis oder Informationen zu einem bestimmten Medikament wird man
rasch fündig.
Toll aufgemachte Web-Seiten, deren offensichtliches Ziel
es ist, etwas ganz Neues und Einmaliges zu verkaufen,
sollten von vornherein kritisch betrachtet werden. Internethandel zu betreiben, ist erlaubt, aber Menschen in
einer Notlage das Geld mit überteuerten Angeboten aus
sultieren. Sie sind die richtigen Ansprechpartner, wenn
der Tasche zu ziehen, unlauter.
es um die Gesundheit geht, und in einem Gespräch kann
man auch nachfragen. Immer die Quelle einer InformatiBesser Arzt und Apotheker um Rat fragen
on zu hinterfragen, ist wohl der wichtigste Rat, den man
Fazit: Das Internet liefert Anregungen, Entscheidungen
für die Konsultation von «Dr. Google» geben kann –
muss man selber treffen. In Fragen zu Krankheiten ist es
und im Kopf haben, dass Wikipedia-Texte auch mal von
immer noch besser, Arzt und Apotheker vor Ort zu konLohnschreibern geschönt sein können.
AUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
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PERSPEKTIVE LEBEN · NEBENWIRKUNGEN DER THERAPIE
Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie
Warum die regelmässige Blut
Wenn sich bei einem Patienten während oder nach einer Krebsbehandlung das Allgemeinbefinden verschlechtert und Fieber auftritt, ist dies immer eine Notfallsituation.
Es könnte ein kritischer Abfall der weissen Blutkörperchen erfolgt sein – daheim erst
mal abwarten ist dann kein guter Rat. Besteht der Verdacht auf eine gefährliche Infektionen mit Bakterien oder Pilzen ist eine Spitaleinweisung nötig.
KNOCHENMARK GESCHÄDIGT. Eine häufi-
Chemotherapie Bei den Blutzellen unterscheidet man rote
ge und nicht ungefährliche Nebenwirkung
Blutkörperchen (Erythrozyten), Blutplättschädigt die
im Rahmen von Krebsbehandlungen ist
chen (Thrombozyten) und weisse BlutkörBlutzellen
die Schädigung des Knochenmarks. Strahperchen (Leukozyten). Diese Blutzellen
lentherapie oder Chemotherapie, aber auch
werden im Knochenmark gebildet. Werden
zahlreiche andere Medikamente schädigen
die blutbildenden Knochenmarkszellen durch
nicht nur die Krebszellen, sondern auch andere Zellen,
die Krebsbehandlung geschädigt, drohen Anämie (zu
die z. B. für die Bildung von Haaren, Schleimhaut oder
wenig Erythrozyten), Thrombopenie (zu wenig ThromBlut zuständig sind. Ein Haarverlust ist sichtbar, Durchbozyten) und Leukopenie (zu wenig Leukozyten).
fall macht sich bemerkbar, ein Absinken der Zellen im
Einen Teil der Leukozyten bilden die sogenannten
Blut kann sehr langsam erfolgen und sich erst mit Leisneutrophilen Granulozyten. Diese Blutzellen schützen
tungseinbusse, blauen Flecken oder Anfälligkeit für Entvor bakteriellen Infektionen. Sinken sie ab, kommt es
zündungen bemerkbar machen.
zu einer Neutropenie. Diese Neutropenie, die bei den
Fotos: thinkstock (2)
«Blutkontrollen
gehören zu
jeder Krebsbehandlung»
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2/2014
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AUSGABE SCHWEIZ
NEBENWIRKUNGEN DER THERAPIE · PERSPEKTIVE LEBEN
utkontrolle so wichtig ist
meisten Chemotherapien ihren Höhepunkt sieben bis
zehn Tage nach Therapiebeginn erreicht, führt zu einer
erhöhten Infektanfälligkeit. Bakterien und Pilze können
bei Patienten mit schwerer Neutropenie innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich werden.
«Schlechtes» weisses Blutbild
Rote und weisse Blutkörperchen und Blutplättchen
werden bei sehr vielen Behandlungen regelmässig kontrolliert, da ihr Absinken unter bestimmte Grenzwerte
wegen der schwerwiegenden Folgen gefürchtet
wird. Es kann sogar nötig werden, eine
Behandlung zu pausieren oder abzubrechen. Daher sind häufige
dieser Blutbildkontrollen eine
entscheidende Massnahme,
um frühzeitig einzugreifen.
Vorbeugen
ist möglich
Kann man vorbeugen?
Was den Patienten
selbst angeht, so sind
als sinnvolle Massnahmen Mundspülungen,
Zahnpflege mit weicher
Bürste, milde Körper- und
Hautpflege (eventuell mit
medizinischen Seifen), Händedesinfektion und Achtsamkeit
auf erste Zeichen wichtig. Schluckbeschwerden, Entzündungen im Mund,
Schmerzen im Rachenraum, Brennen beim Wasserlassen
oder Schmerzen beim Stuhlgang, unerklärlicher Husten,
entzündete Wunden und vor allem erhöhte Körpertemperatur auf über 38 °C sind Alarmsignale.
Bei Temperatur über 38,5 °C zum Arzt
Häufige Infektionen sind Mittelohrentzündungen, Mandelentzündung, Entzündungen der Mundschleimhaut
oder der Darmschleimhaut und Hautabszesse. Jedes Fieber (Körpertemperatur über 38,5 °C) muss sehr ernst
genommen und umgehend ein Arzt konsultiert werden.
Fieber bei Patienten mit schwerer Neutropenie ist immer
eine Notfallsituation, die einer sofortigen Aufnahme in
ein Spital zur intravenösen Verabreichung von Antibiotika oder Antimykotika (Medikamente gegen Pilze) bedarf. Auch die Angehörigen im Familienverband können
mit einfachen Hygienemassnahmen und Wachsamkeit
unterstützend sein. Ist ein Spitalaufenthalt nötig, so helfen Besucher dem Patienten am besten, wenn sie sich an
die Anweisungen des Personals halten.
Medikamente, die helfen können
Es gibt Medikamente, die das Ausreifen und die Freisetzung von Granulozyten aus dem Knochenmark fördern:
der Granulozytenkolonie-stimulierende Faktor (G-CSF).
Dieses hoch wirksame Medikament wird zur Behandlung einer Neutropenie verwendet und kann zur
Vorbeugung eingesetzt werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: z. B.
wenn die Dosis der Chemotherapie erhöht werden soll oder
eine Chemotherapie die Anzahl der neutrophilen Granulozyten senkt oder aber
wenn besondere Risiken
vorliegen.
Die vorbeugende Gabe
d e s Me d i k a m e n t s
bringt bei den meisten heute eingesetzten
Chemotherapien zwar
Vorteile, ist aber nicht
bei jedem Patienten nötig. Denn meist sinken die
weissen Blutkörperchen nur
über einen kurzen Zeitraum von
wenigen Tagen ab.
Als häufigste Nebenwirkungen der GCSF werden leichte bis mässige Knochenschmerzen und andere Schmerzen genannt.
Die Behandlung mit G-CSF alleine hat allerdings keinen Einfluss auf die roten Blutkörperchen oder die Blutplättchen. Es kann also trotzdem zu einer Anämie oder
Thrombopenie kommen.
In den letzten Jahren konnte die Sterblichkeit von Patienten mit fieberhafter Neutropenie zwar von über 50 %
auf unter 10 % gesenkt werden, Wachsamkeit von allen
Seiten und regelmässige Blutbildkontrollen sind jedoch
immer noch gefragt.
>> Hilfreiche Informationen unter:
Broschüre Chemotherapie der Krebsliga:
www.krebsliga.ch/de/leben_mit_krebs/therapien_/
chemotherapie/
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · HAUTKREBS
Neue Behandlungen bei Hautkrebs
Die körpereigene Abwehr nu
Wenn jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit im Kampf gegen den Krebs endlich
Früchte trägt, ist die Freude gross. So ergeht es nun den Forschern, die sich mit der
Immunbehandlung gegen Krebserkrankungen befassen. Patienten mit schwarzem
und weissem Hautkrebs gehören mit zu den Ersten, die von den neuen Medikamenten profitieren können.
ERMUTIGENDE ERGEBNISSE. Krebsge-
Behandlung entwickeln zu können. Eine
Bremse des
schwülste vom körpereigenen ImmunsysImmunbehandlung wird voraussichtlich
Immunsystems für Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs,
tem wegschmelzen zu lassen, ist eine seit
lösen
Langem von der medizinischen Forschung
Lymphome, Hirntumore, Eierstockkrebs
verfolgte Idee. Der Weg von den ersten
und Hautkrebs möglich sein.
Überlegungen zur Tat und zu ersten ErgebSchwarzer Hautkrebs
nissen war lang. Nach rund 20 Jahren stehen nun die
ersten wirksamen Medikamente zur Verfügung, die beim
Das Wissenschaftsmagazin Science hat die ImmunbehandMenschen Immunzellen befähigen können, Krebszellen
lung bei Krebserkrankungen als den wissenschaftlichen
zu erkennen. Professor Dr. Reinhard Dummer und seine
Durchbruch des Jahres 2013 bezeichnet. Die ersten zellbaArbeitsgruppe am UniversitätsSpital Zürich behandeln
sierten Behandlungen wurden vor drei Jahren erstmals an
Patienten mit fortgeschrittenen Hautkrebstumoren mit
Patienten eingesetzt. Für die Bekämpfung des gefährlichen
den neuen Immunbehandlungen. «Die Ergebnisse sind
schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) sind bereits
wirklich erstaunlich und ermutigend», so die Erfahrunzwei neue Medikamente in der Schweiz zugelassen:
gen des Professors.
Was bedeutet «Immunbehandlung»?
Die Idee, das körpereigene Abwehrsystem, das Immunsystem, zur Krebsbekämpfung zu nutzen, kam bereits mit
seiner Entdeckung auf. Mithilfe des Immunsystems wehren
wir normalerweise die Erreger von Krankheiten ab und
können eigenes von fremdem Gewebe unterscheiden. Auch
Tumorzellen kann unser Immunsystem erkennen und beseitigen – normalerweise. Bei einer Krebserkrankung ist die
Abwehr durch den Tumor ausgebremst worden.
Die nun bei der Immunbehandlung von Tumoren neu
eingesetzten Wirkstoffe sind Antikörper, die Immunzellen
befähigen, Krebszellen anhand bestimmter Merkmale zu
erkennen und zu zerstören.
Der grosse Unterschied zu den anderen Behandlungsmöglichkeiten – Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie – ist, dass ein körpereigenes System genutzt wird.
Da das Immunsystem ein Gedächtnis besitzt, können
sogar Langzeitheilungen erreicht werden. Ein weiterer
grosser Vorteil: Das Immunsystem findet seine Ziele
überall im Körper, dadurch werden auch (versteckte) Absiedelungen mit erfasst und zum Schrumpfen gebracht.
Ist das Grundprinzip nun erst einmal verstanden, so
hofft man in Zukunft praktisch für jede Krebsart eine
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AUSGABE SCHWEIZ
«Dank der neuen
Medikamente können
Patienten mit Hautkrebs
länger leben»
HAUTKREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
nutzen
Ein enormer
Fortschritt
beim Melanom
gezeigt, dass man von einem «Wunder» sprach. In ersten klinischen Studien mit diesen neuen Medikamenten konnte die Zahl der Patienten, die mehr als ein Jahr
überleben, deutlich gesteigert werden. Das ist bei fortgeschrittenem Malignen Melanom ein enormer Fortschritt.
Vorsichtig wird sogar von Heilung gesprochen: Von den
Patienten, die sehr gut auf die Therapie angesprochen
haben, das waren etwa ein Fünftel aller Behandelten, lebt
der Grossteil (93 %) nach fünf Jahren noch. Ergebnisse,
von denen man beim Malignen Melanom bisher nur
träumen konnte.
Bei aller Euphorie darf man aber nicht vergessen, dass
eine wirksame Veränderung im Immunsystem auch dazu
führen kann, dass sich die Abwehr nicht nur gegen Tumorzellen, sondern auch gegen gesunde Zellen richten
kann. So kann eine Nebenwirkung einer Behandlung
in Autoimmunreaktionen bestehen. Das heisst, dass eigenes Gewebe plötzlich als fremd angesehen wird und
das Immunsystem beginnt, sich selbst anzugreifen. Für
die behandelnden Ärzte heisst das, besonders genau auf
Anzeichen zu achten und Gegenmassnahmen zu ergreifen. Hochwirksam bedeutet eben immer auch reich an
Nebenwirkungen.
Die Behandlungen sollten in oder in Zusammenarbeit
mit spezialisierten Zentren wie dem UniversitätsSpital
Zürich durchgeführt werden. Prof. Dummer konnte berichten, dass durch die guten Behandlungserfolge drei
neue ambulante Infusionsplätze nötig wurden, um die
Nachfrage befriedigen zu können.
„Das Mittel Ipilimumab stimuliert das körpereigene
Immunsystem und erzeugt so einen Antikörper, der
den Krebs angreift. Das führt zwar nur zu einer Lebenszeitverlängerung von bis zu drei Monaten, aber
langfristig rechnen die Forscher damit, dass sich die
Zahl derer, die bis zu zehn Jahre überleben, verdoppeln
wird.
„Das Medikament Vemurafenib greift Krebszellen an,
die mutiert sind, also eine veränderte Genstruktur
haben. Dies ist etwa bei der Hälfte aller Patienten mit
schwarzem Hautkrebs der Fall. Das Medikament lässt
den Tumor innerhalb weniger Wochen wegschrumpfen. Die durchschnittliche Überlebenszeit kann damit
deutlich verlängert werden.
Weitere Medikamente zur Immunbehandlung wie Nivolumab, Pidilizumab oder Lambrolizumab werden im
Rahmen von Studien an grossen Zentren in der Schweiz
bereits ebenfalls eingesetzt. Auch die Kombination der
neuen Medikamente wurde bereits untersucht und kann
die Behandlungsergebnisse weiter verbessern.
Auf Kongressen wurden so eindrückliche «Vorhernachher»-Bilder von Patienten mit ausgeprägten Hautbefunden und Absiedelungen eines schwarzen Hautkrebs
Weisser Hautkrebs
Ein Grossteil, etwa 80 %, der bösartigen weissen Hautkrebsformen sind Basalzellkarzinome. Diese Tumore treten in der Mehrzahl auf von Sonnenlicht geschädigter
Haut, häufig im Gesicht, auf. Sie können in der Regel gut
entfernt werden, wenn sie rechtzeitig behandelt werden.
Leider kann es in fortgeschrittenem Stadium zu Zerstörung wichtiger Strukturen wie Auge oder Ohrmuschel
und sehr selten zu Absiedelungen kommen. Da fast alle
Basalzellkarzinome eine genetische Veränderung haben,
konnte eine Behandlung entwickelt werden, die dort ansetzt.
Das Medikament Vismodegib ist bei bisher unheilbar
kranken Patienten mit örtlich fortgeschrittenem oder
metastasiertem Basalzellkarzinom auch in der Schweiz
zugelassen. Es stoppt das Tumorwachstum und kann
später eventuell eine operative Entfernung des Tumors
ermöglichen. Auch dieses Medikament hat Nebenwirkungen, die zwar mild sind, die Lebensqualität aber doch
einschränken können.
Foto: thinkstock
Übrigens: Falls Sie selber eine verdächtige Hautläsion
haben, können Sie sich unter www.myskincheck.ch informieren.
Quelle: Hautkrebstherapie: Neue Medikamente für den Kliniker.
Dermatologische Klinik am UniversitätsSpital Zürich am 15. Mai 2014.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · MEILENSTEINE
Foto: Deutsches Röntgen-Museum
Meilensteine
der Radiotherapie
Strahlentherapie – seit mehr als
100 Jahren im Einsatz
WICHTIGER FORTSCHRITT. Die
Radiotherapie (Strahlentherapie,
Radioonkologie) ist seit mehr als
hundert Jahren in der Krebsheilkunde (Onkologie) im Einsatz. Die
technischen Verbesserungen und
die Kombination mit Chemothera-
pie und neuen zielgerichteten Medikamenten wie Antikörpern haben
in den letzten 20 Jahren zu wichtigen Fortschritten geführt. Durch
klinische Studien konnte bei vielen Krebserkrankungen festgestellt
werden, welche Tumore auf welche
Behandlung und/oder Kombination besonders gut ansprechen. Bei
manchen Tumoren reicht eine alleinige Strahlentherapie, bei anderen
wiederum weiss man, dass sie nicht
empfindlich auf eine Radiotherapie
reagieren.
Als Single und Partner
FÜNF SÄULEN. In der Krebsmedizin
bilden onkologische Chirurgie, zytotoxische Chemotherapie, neue zielgerichtete Medikamente, Immunbehandlung sowie die Radiotherapie
die fünf wichtigsten Säulen. Eine
enge Zusammenarbeit der medizinischen Fächer ist in allen Phasen
einer Krebserkrankung sinnvoll. Ob
und welche Radiotherapie einge-
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AUSGABE SCHWEIZ
setzt werden kann, wird nach einer
gemeinsamen Beratung von Fachärzten des jeweiligen Fachgebietes wie
Urologen, Frauenärzten, Chirurgen,
Onkopathologen, Radiologen, Palliativmedizinern, Psychoonkologen etc.
im Tumorboard diskutiert und mit
dem Patienten besprochen. Radiotherapien werden von Radioonkologen in Tumorzentren oder Praxen
fast immer ambulant ausgeführt. In
der Schweiz gibt es 16 radioonkologische Therapiezentren, die fast alle
mit modernsten konventionellen
Strahlentherapiegeräten ausgerüstet
sind. Pro Jahr werden in diesen Zentren heute rund 18 000 Krebspatientinnen und -patienten mit der sogenannten Photonen-Strahlentherapie
behandelt.
MEILENSTEINE · PERSPEKTIVE LEBEN
Wie wirken Strahlen?
ANGRIFF AUF DIE ERBSUBSTANZ.
Prinzipiell ist eine Radiotherapie auf
den Ort der Anwendung begrenzt. Es
kommt zu Wechselwirkungen der
ionisierenden Strahlung mit den
Strukturen im Gewebe. Eine alleinige Radiotherapie kann bei Tumoren,
die auf Strahlen sehr empfindlich
reagieren, beispielsweise manchen
Hirntumoren, ausreichend sein.
Der Hauptangriffspunkt von ionisierenden Strahlen ist die Erbsubstanz im Zellkern (DNA). Durch
die Bestrahlung mit elektromagne-
Strahlen sind
überall
tischen und Teilchenstrahlen entstehen Brüche und Schäden an der
DNA, sodass die Zellen schliesslich
absterben. Da auch gesunde, sich
rasch teilende Körperzellen von der
Radiotherapie geschädigt werden
können, wird auf eine besondere
Schonung des umliegenden Gewebes geachtet. Gesunde Zellen brauchen für die Reparatur von DNASchäden eine bestimmte Zeit, daher
wird die gesamte Strahlendosis in
mehrere Einzelsitzungen (Fraktionen) aufgeteilt.
IONISATION. Wir sind umgeben von
Strahlen, sie spenden Licht, Wärme
und Energie. Die grösste Strahlenquelle ist die Sonne. Im physikalischen Sinn sind Strahlen elektromagnetische Wellen. Es gibt langwellige
Strahlen wie den Wechselstrom oder
Infrarotstrahlen, und es gibt kurzwellige Strahlen wie etwa die ultraviolette Strahlung der Sonne. Kurzwellige Strahlen sind energiereicher
als langwellige und deshalb gefährlicher. Sehr kurzwellige Strahlen –
auch Gamma- oder Röntgenstrahlen
genannt – sind derart stark, dass sie
chemische Bindungen lösen können.
Das nennt man Ionisation, und man
spricht von ionisierenden Strahlen.
Diese Strahlen werden in der Krebstherapie eingesetzt.
Zeitpunkt der Radiotherapie
den Tumor zu verkleinern, kann bereits vor einer Operation eine Radiotherapie durchgeführt werden.
Nach einer Operation wird die Radiotherapie eingesetzt, um eventuell
noch vorhandenes Restgewebe des
Tumors zu treffen und Rückfällen
vorzubeugen.
Ist der Tumor bereits durch eine
Chemotherapie komplett zurückgegangen, kann zusätzlich eine Radiotherapie zur Absicherung verabreicht werden.
Im Falle von fortgeschrittenen Tumoren ist keine Heilung zu erwarten. Hier ist die Radiotherapie je-
doch ein sehr wichtiges Instrument,
um die Lebensqualität zu verbessern
und einen möglichst beschwerdefreien Zustand des Patienten aufrechtzuerhalten. So kann die Radiotherapie Tumoren verkleinern sowie
Schmerzen und andere Symptome
lindern.
Die Entscheidung, wann, mit welcher Stärke, wie oft bestrahlt werden sollte, ist für viele Krebserkrankungen in Leitlinien festgelegt. Was
im Einzelfall Erfolg verspricht, wird
vom behandelnden Expertenteam
im Tumorboard und mit dem Patienten diskutiert.
Foto: Paul-Scherrer-Institut
VOR ODER NACH OPERATION. Um
Blick in die Zukunft
NOCH WIRKSAMER. Mithilfe gene-
tischer Untersuchungen will man
Merkmale finden, die es ermöglichen, Voraussagen darüber zu treffen, mit welcher Wahrscheinlichkeit
ein Patient auf eine Radiotherapie
ansprechen wird und wie hoch sein
Risiko für Nebenwirkungen ist.
Schon im Vorfeld Informationen
über die zu erwartende Wirksamkeit und Verträglichkeit zu haben,
wird für die Behandlungsentschei-
dung einen wichtigen Meilenstein
darstellen. Beispielsweise ist eine
schlechte Sauerstoffversorgung im
Tumorgewebe mit einer geringeren
Strahlenempfindlichkeit assoziiert.
Durch eine höhere Dosis lässt sich
bei diesen Patienten eine bessere
Wirkung erzielen.
Insbesondere für ältere Menschen
bietet die Radiotherapie gegenüber
der Chirurgie erhebliche Vorteile,
da kein operativer Eingriff erfolgt,
und so Organe geschont werden
können. So werden z. B. Patienten
mit Prostatakarzinom – speziell in
fortgeschrittenem Alter – immer
seltener operiert und stattdessen
bestrahlt.
Bei Patientinnen mit Mammakarzinom kann heute in nahezu 90 % die
Brust erhalten werden. Zunehmend
passen Ärzte das Ausmass der Strahlentherapie auch an das individuelle
Risiko jeder Frau an.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · MEILENSTEINE
Strahlentherapeutische Methoden
WO SITZT DER TUMOR? In Ab-
hängigkeit von der Lokalisation der
Strahlenquelle wird zwischen folgenden Therapieprinzipien unterschieden:
terhöhle, Scheide, Harnblase, Enddarm, Speiseröhre).
„Interstitielle Therapie: Die Strahlenquelle wird unmittelbar in das Tumorgewebe implantiert (Prostata).
Teletherapie (perkutane Radiotherapie): Die Strahlenquelle befindet
Systemische Radiotherapie: Hierbei
sich ausserhalb des Körpers, der
Abstand vom Zielorgan zur Haut
beträgt mehr als 10 cm. Die Geräte
sind meist Linearbeschleuniger oder
seltener Kobaltgeräte.
Brachytherapie (Kurzdistanztherapie): Die Bestrahlung erfolgt aus
unmittelbarer Nähe, der Abstand
zwischen Zielvolumen und Strahlenquelle beträgt weniger als 10 cm.
Zur Brachytherapie gehören:
„Kontakttherapie: Die Strahlenquelle hat direkten Kontakt zum Patienten (z. B. Haut, Augapfel, Radiotherapie während einer Operation).
„Intrakavitäre Therapie: Die
Strahlenquelle wird in eine Körperhöhle eingebracht (z. B. Gebärmut-
wird der ganze Körper bestrahlt, indem eine radioaktive Substanz über
den Blutkreislauf oder den MagenDarmtrakt aufgenommen wird.
Dazu gehört auch die Behandlung
des Schilddrüsenkrebs, bei dem sich
radioaktives Jod in der Schilddrüse
anreichert.
Neue Technologien: Hier werden
statt Röntgenstrahlen (Photonenstrahlen), Strahlen mit günstigeren
Eigenschaften bezüglich der Verteilung im Gewebe verwendet, wie z. B.
Protonen und Kohlenstoff-Ionen. Sie
sind zielgenauer und teilweise auch
biologisch effizienter.
Des Weiteren existieren zahlreiche
Parameter, die vor der Durchfüh-
rung einer Radiotherapie individuell in Abhängigkeit von Tumorlokalisation und Tumorhistologie
ausgewählt werden müssen. Hierzu
gehören etwa:
„Strahlenart
„Feldgrösse
„Feldbegrenzung
„Fokus-Hautabstand
„Filterung
„Körperinhomogenitäten.
Insgesamt sind die strahlentherapeutischen Methoden sehr vielfältig und stets an die individuellen
Bedingungen des Patienten anzupassen. Unverzichtbar ist eine kompetente Zusammenarbeit zwischen
Physikern, Medizinern und MTRA
(medizinisch-technische Radiologieassistenten). Das Hauptziel ist die
maximale Tumor-Zellschädigung bei
gleichzeitig maximaler Gewebeschonung. Für jedes Organ bzw. jede Tumorart haben sich bereits individuelle Bestrahlungskonzepte etabliert.
Nebenwirkungen
ORGANE. Die
unerwünschten Folgen einer Bestrahlung sind abhängig von der
Strahlen-Gesamtdosis und dem
bestrahlten Körperbereich. Mit den
aufwendigen Berechnungen und
Planungen im Vorfeld einer Radiotherapie wollen Ärzte erreichen, dass
der Tumor viel Strahlung erhält, das
umliegende Gewebe jedoch geschont
wird. Einige Organe reagieren auf
die Bestrahlung empfindlicher als
andere. Nebenwirkungen können,
müssen aber nicht auftreten. Wird
beispielsweise ein Tumor im Hals
oder Mund bestrahlt, kann sich
infolge der Strahlenwirkung die
Mundschleimhaut entzünden. Die
Speicheldrüsen liefern weniger Speichel, es kann ein Geschmacksverlust
eintreten und das Schlucken wird
beschwerlich. Besonders geschützt
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2/2014
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AUSGABE SCHWEIZ
werden sollte die Haut. Jede zusätzliche Reizung durch Sonne oder
Hautpflegeprodukte aller Art sollte
vermieden werden. Auch Magen und
Darm sind empfindlich und Übelkeit, Erbrechen und Durchfall drohen. Im Brustraum sind Herz und
Lunge strahlensensibel, noch nach
vielen Jahren können sich Spätfolgen zeigen. Die meisten dieser
Nebenwirkungen klingen
ab, sobald die Radio-
therapie beendet ist. Darm, Lunge,
Haut und Kopfhaar können auch
etwas länger beleidigt sein. Spätreaktionen sind von Haut, Herz und
Keimdrüsen bekannt.
Mit neuen Methoden, z. B. mittels
Stammzelltransplantation, versuchen Forscher, geschädigtes Gewebes
wiederherzustellen. Im Tierversuch
konnten bereits positive Ergebnisse bei der Ohrspeicheldrüse erzielt
werden.
Die meisten Nebenwirkungen der Strahlentherapie klingen nach
Beendigung schnell ab.
Fotos: thinkstock (2)
EMPFINDLICHE
MEILENSTEINE · PERSPEKTIVE LEBEN
Keine Scheu vor Fragen
ÄNGSTE BEWÄLTIGEN. Von einer
Krebserkrankung akut betroffen zu
sein, macht bang, und Krebspatienten fühlen sich ihrer Krankheit oft
ausgeliefert. Mehr als ein Drittel der
Patienten, die eine Radiotherapie antreten, leidet zusätzlich unter Angst
und depressiven Verstimmungen.
Beide Symptome sind zu Beginn
der Behandlung stark ausgeprägt,
bessern sich jedoch im Verlauf der
Radiotherapie deutlich. Entscheidend für die positive Angstbewältigung und den Umgang mit Trauer,
Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit ist eine ausführliche Aufklärung und Betreuung durch das Team
der Radiotherapie. Es gibt keine Frage, die nicht schon gestellt und beantwortet wurde. Als Tumorpatient
sollten Sie so lange fragen, bis ihre
Angst abnimmt. Ängstliche oder depressive Personen können so früher
erkannt und z. B. durch einen Psychoonkologen entsprechend unterstützt werden. Auch Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen
können helfen.
Radiochemotherapie
ANSPRECHEN ERHÖHEN. Die Kom-
bination einer Bestrahlung mit einer
zelltoxischen Chemo- oder Hormontherapie wird seit rund 50 Jahren mit
immer besseren Resultaten eingesetzt. Dazu kommen in den letzten
Jahren die zielgerichteten Medikamente, die zu längeren Überlebenszeiten bei guter Lebensqualität führen sollen. Chemotherapeutika und
zielgerichtete Medikamente können
das Ansprechen auf eine Radiotherapie erhöhen und wirken auch auf
Absiedelungen (Metastasen). Nicht
nur bei den häufigsten Krebserkrankungen Brustkrebs und Prostatakrebs sind durch Studien die erfolgreichsten Abläufe gefunden worden.
Auch bei Kopf-Halstumoren oder
Darmkrebs wird daran gearbeitet,
Behandlungen durch neue Kombinationen zu verbessern. Ob erst
eine Bestrahlung oder Chemotherapie oder Operation erfolgt, hängt
von Art, Lage und Grösse des Tumors, Allgemeinzustand und nicht
zuletzt den Vorlieben des Patienten
ab. Dass bei der Kombination hoch
wirksamer Medikamente auch mehr
Nebenwirkungen auftreten können,
begrenzt den Einsatz.
Die Strahlentherapie
wird häufig auch
mit einer Chemotherapie
kombiniert.
>> Hilfreiche Informationen unter:
www.krebsliga.ch – Patientenbroschüre Strahlentherapie
www.radio-onkologie.ch – Übersicht über die Radioonkologie in der Schweiz
www.degro.org – Website der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie
www.estro.org – Website der Europäischen Gesellschaft für Radioonkologie
www.rtanswers.org/index.aspx – American Society for Radiation Oncology
Websites der Radioonkologien Basel, Zürich, Bern, St. Gallen, Berlin Charité
Meilensteine einer relativ
jungen Fachrichtung
„1895 – Wilhelm Conrad Röntgen
berichtet über die Entdeckung der
Röntgenstrahlen
„1896 – Der Wiener Arzt Leopold
Freund führt die erste Bestrahlung
eines grossen behaarten Muttermales
bei einem Kind durch
„1897 – Erste Berichte über
Schmerzbeseitigung bei Rheuma
und Nervenleiden
„1898 – Marie und Pierre Curie
entdecken die Elemente Polonium
und Radium und prägen den Begriff
«Radioaktivität»
„1904 – Erstes Buch über Strahlenfolgen und Idee zu Kreuzfeuerbestrahlung mit schwenkbarer Röntgenröhre
„1905 – Erste Strahlenbehandlung
wegen eines Magenkarzinoms während der Operation
„1907 – Bericht über die Radiotherapie des Gebärmutterkrebses
„1910 – Erste Anwendung von Radiumstrahler als Brachytherapie
„1915 – Erste lokale Therapie beim
Prostata- und Muttermundkrebs
„1920 – Mehrfeldertechnik, Vorläufer der heutigen Bestrahlungstechniken mit Linearbeschleunigern,
etabliert sich
„1930 – Bau des ersten Hochfrequenz-Linearbeschleunigers
„1941 – Bau des ersten Betatrons
„1950 – Entwicklung eines Pendelgeräts zur Bewegungs-, Kreuzfeuer- und Stehfeldbestrahlung,
Einführung der stereotaktischen
Strahlenbehandlung
„1954 – In Berkeley in Kalifornien
werden erstmals Patienten mit Protonen bestrahlt
„1960 – Röntgenröhren werden
durch Strahlenkanonen mit Quellen
aus radioaktivem Cobalt-60 oder Cäsium-137 ersetzt
„1968 – Entwicklung und erste
radiochirurgische Behandlung mit
dem «Gamma-Knife» in Schweden
„1991 – Einführung des Facharztes
für Radioonkologie in der Schweiz
Quelle: Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · SEXUALITÄT
Ein lange ignoriertes Problem
Sexuelle Probleme bei Patien
Obwohl vielen Patienten mit Lungenkrebs unter Schwierigkeiten in ihrem Sexualleben leiden, wurde dieses Problem von den Ärzten und Forschern während langer
Zeit ignoriert. Im Rahmen der 4. Europäischen Konferenz für Lungentumore (European
Lung Cancer Conference), die vor Kurzem in Genf stattgefunden hat, wurde dieses
Thema nun endlich auf den Tisch gebracht. – von Therese Schwender
PROBLEMBEWUSSTSEIN SCHAFFEN. Forscher schätzen,
dass zwischen 40 und 100 % der behandelten Lungenkrebspatienten unter Störungen in ihrem Sexualleben
leiden. Studien haben zudem gezeigt, dass diese Probleme im Laufe der Zeit nicht etwa besser werden, sondern
weiterhin bestehen bleiben.
Kaum Informationen bei Lungenkrebs
Ein Grossteil an Wissen, das bisher zu diesem Thema
vorliegt, basiert auf Erfahrungen mit Brustkrebspatientinnen und Patientinnen mit anderen gynäkologischen
Tumoren sowie auf Patienten mit Prostatakrebs. «Es
wird Zeit, dass Ärzte und Wissenschaftler diesem wichtigen Bereich auch bei Lungenkrebspatienten mehr Aufmerksamkeit schenken», sagte Professor Dr. Stéphane
Droupy vom Universitätsspital in Nimes (Frankreich)
im Rahmen der Veranstaltung.
Grundlage dafür ist natürlich, über sexuelle Probleme
zu sprechen und Möglichkeiten zu haben, diese zu erfassen. Die Ursachen können neben
den Nebenwirkungen der Lungentumortherapie, die einen negativen
Probleme mit
Einfluss auf die Sexualität haben,
der Sexualität
auch in anderen körperlichen und
ansprechen
seelischen Belastungen durch die
Krebserkrankung liegen. «Es muss
noch viel getan werden, um das Bewusstsein gegenüber sexuellen Problemen bei Tumorerkrankungen – und im Besonderen bei Lungenkrebs – zu
verbessern. Ich hoffe, die Veranstaltung, die wir im Rahmen der Lungenkrebs-Konferenz speziell diesem Thema
gewidmet haben, hat dazu beigetragen, die Diskussion
endlich ins Rollen zu bringen», sagte Prof. Droupy.
Sexualität im Abseits
Sowohl emotionale und körperliche Folgen von Lungentumoren als auch die Behandlung selbst können die
Sexualität der Betroffenen beeinflussen. So geht häufig
die sexuelle Lust verloren, wenn jemand mit der Diagnose
Krebs konfrontiert wird. Gefühle wie Trauer und Nieder28 ·
2/2014
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AUSGABE SCHWEIZ
geschlagenheit können das
Mit dem Krebs
Verlangen nach Zweisamkeit
verschwindet
reduzieren. «Aber auch die
die Lust
körperlichen Veränderungen, die durch den Tumor
oder durch Behandlungen wie
Chirurgie, Chemo- oder Strahlentherapie ausgelöst werden, können die Sexualität negativ beeinflussen», erklärte
Prof. Droupy.
Im Falle einer Lungenkrebserkrankung können einige
dieser Probleme eine besondere Herausforderung darstellen. «Im Gegensatz zu anderen Tumorarten, bei denen die Überlebenszeit zunimmt, konzentriert sich das
Management bei Lungentumoren oft auf die kurzfristige Verbesserung der Lebensqualität und die palliative
Pflege. In Situationen, in denen sich alle Anstrengungen
auf das Überleben konzentrieren, ist es noch schwieriger, die Sexualität zu schützen oder kurzfristig wieder
herzustellen.»
Offen miteinander sprechen
Unter diesen Voraussetzungen ist es umso wichtiger, dass
Patienten und Tumorspezialisten offen und ehrlich darüber sprechen, was der Betroffene gerade durchmacht
oder womit ein Tumorpatient als Folge der Behandlung
zu rechnen hat. Hier sind gerade auch die Ärzte gefordert, schon zu Beginn einer Tumorbehandlung dieses
Thema anzusprechen, die Patienten dazu zu motivieren,
ihre Sexualität weiterhin aktiv zu leben und ihnen bei
Problemen entsprechende Hilfe, auch durch spezifische
Therapien, anzubieten.
Es sei wichtig, so betonte Prof. Droupy, dass auch die
Partner in den gesamten Prozess miteinbezogen würden,
da sich so die Chancen auf eine Verbesserung oder Wiederherstellung optimieren lassen. «Wie auch immer die
klinische Situation aussieht, die Wiederherstellung eines
gesunden Sexuallebens kann den emotionalen Zustand
eines Tumorpatienten entscheidend verbessern und stellt
oft einen entscheidenden Schritt dazu dar, die persönliche
Identität als Frau oder Mann zu erneuern.»
SEXUALITÄT · PERSPEKTIVE LEBEN
nten mit Lungenkrebs
29
Foto: thinkstock
«Bei Problemen
mit der
Sexualität sollte
der Partner
mit einbezogen
werden»
PERSPEKTIVE LEBEN · FORSCHUNG
Suche nach einem unbekanntem Ersttumor
Woher kann dieser
Krebs stammen?
Der Beginn einer Krebserkrankung ist besonders dramatisch, wenn ohne Vorgeschichte eine Absiedelung in Leber, Lunge oder Gehirn gefunden wird und sich die Frage
stellt, wo der ursprüngliche Tumor sitzt. Bleibt eine erste Suche erfolglos, liegt ein
Krebs unbekannten Ursprungs (CUP, Cancer of unknown origin) vor. Diese Erkrankung
ist eine besondere Herausforderung.
SYSTEMATISCH SUCHEN. Ein sehr kleiner Teil Krebser-
Krebserkrankungen entstehen meist an einer Stelle in
krankungen macht sich als erstes mit einer oder mehreeinem Organ. Nachdem ein Ersttumor dort gewachsen
ren Metastasen bemerkbar. Solch eine Ausgangssituatiist, kann er nach einer gewissen Zeit in das Blut- oder
on ist zwar selten, aber umso dramatischer, weil
Lymphsystem einbrechen und Absiedelunman weniger gezielt behandeln kann, wenn
gen (Metastasen) bilden. Bei über der Hälfte
der Ersttumor nicht bekannt ist.
der Krebspatienten lassen sich bei der DiaWelcher Weg
Fotos: thinkstock (2)
führt zur
Diagnose?
30 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
FORSCHUNG · PERSPEKTIVE LEBEN
gnose Metastasen in mehr als einem Organ nachweisen.
Betroffen sind in absteigender Reihenfolge Lymphknoten,
Leber, Knochen, Lunge, Brustfell, Bauchfell, Gehirn sowie
weitere Regionen.
Metastasen bei einem unbekannten Ersttumor werden
oft zufällig gefunden oder fallen auf, weil sie Symptome
verursachen. Liegt ein ausgedehnter Befall vor, kann es
zu Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Antriebsarmut,
Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme kommen. Sind
nur einzelne Metastasen vorhanden, können Beschwerden im befallenen Organ auftreten. Das kann z. B. ein
epileptischer Anfall bei einer Metastase im Gehirn sein,
Schmerzen bei Knochenbefall oder eine Gelbsucht bei Befall der Leber.
chungen. Bei Männern und Frauen ist eine Computertomografie von Brust- und Bauchraum und Beckenorganen
angezeigt. Abhängig von der vermuteten Tumorlokalisation werden weitere bildgebende Verfahren wie Ultraschall
oder Magnetresonanztomografie durchgeführt.
Direkte Hinweise auf den Ersttumor können auch die
sogenannten Tumormarker geben wie beispielsweise
das prostataspezifische Antigen (PSA) auf einen Prostatakrebs oder Alpha-1-Fetoprotein (AFP) auf ein Leberzellkarzinom.
Auch wird eine Gewebeprobe aus der Metastase (Biopsie) entnommen und untersucht. Genetische Untersuchungen dieses Materials («molekulares
Tumorprofil») können Hinweise auf die
Herkunft geben und wegweisend für die
Oft bleibt
Weshalb findet man aber den ursprünglispätere Behandlung sein. Meist sind mehdie Suche
chen Tumor nicht? Dafür gibt es mehrere
rere Gene verändert, wie Forschungsergebohne Erfolg
Gründe: Zum einen kann er so klein sein,
nisse gezeigt haben. Je mehr Gewebe unterdass er mit den normalerweise eingesetzten
sucht wird, umso erfolgreicher kann dieses
Diagnoseverfahren nicht erkannt wird. Zum
«Tumor-Profiling» sein. Ein Primärtumor mag
anderen ist es möglich, dass der Tumor zum Zeitpunkt
sich noch so gut verstecken, anhand seiner Absiedelungen
der Metastasediagnose gar nicht mehr vorhanden ist,
und der Eigenschaften der Krebszellen ist auch er charakweil er spontan durch den Organismus abgebaut wurterisierbar und wird damit angreifbar.
de – vorher aber bereits in andere Organe Metastasen
Behandlung geht vor Suche
gestreut hat.
Häufig bleibt die Suche nach dem Primärherd trotz alOft steckt ein Lungenkrebs dahinter
ler Anstrengung erfolglos. Die Ärzte gehen in solchen
Wo soll man suchen? Bei rund einem Drittel der unverzwickten Fällen ab einem bestimmten Zeitpunkt von
bekannten Tumoren handelt es sich um Lungenkrebs,
der wahrscheinlichsten Diagnose aus. Es ist wichtiger,
vergleichsweise häufig steckt auch ein Krebs der Baucheine Behandlung zu beginnen, als den Primärtumor mit
speicheldrüse dahinter. Aber die Ersttumoren können in
grossem Aufwand und langwierig weiter zu suchen. Auch
nahezu allen Organen vorkommen: Bei Frauen sind in
ohne den Ersttumor zu kennen, kann mit einer Chemoerster Linie die Brust, Gebärmutter und Eierstöcke und
therapie, die gegen die häufigsten Tumoren gerichtet ist,
bei Männern Vorsteherdrüse und Hoden verdächtig.
begonnen werden.
Der Ort der Metastase kann bereits einen Hinweis auf
den wahrscheinlichen Sitz des Primärtumors liefern: Bei
Die Lebenserwartung ist wegen der vielen verschiedenen
Lymphknotenmetastasen am Hals stecken beispielsweise
Möglichkeiten individuell sehr unterschiedlich. Einige
am ehesten Kopf-Hals-Tumoren dahinter, bei LebermetaPatienten mit unbekanntem Ersttumor können gezielt
stasen Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, Brustbehandelt, manche sogar geheilt werden. Ob ein unoder Lungenkrebs.
günstiger Verlauf droht, hängt neben den Eigenschaften des Tumors auch vom Allgemeinzustand und dem
Ein Krebs unbekannten Ursprungs erfordert eine sysAlter ab.
tematische Suche und den Einsatz modernster DiagnoQuellen und weitere Informationen:
setechniken. Dazu gehören eine gründliche körperliche
www.carislifesciences.com
www.krebsgesellschaft.de/cup_syndrom,25088.html
Untersuchung, Blut, Speichel-, Urin- und StuhluntersuAUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
· 31
PERSPEKTIVE LEBEN · DARMKREBS
Dickdarm- und Enddarmkrebs
Die Darmspiegelung
ist der beste Schutz
Patienten mit Darmkrebs haben heute gute Überlebenschancen, vor allem wenn
der Krebs in einem frühen Stadium entdeckt wird. Mit regelmässig durchgeführten
Darmspiegelungen können Krebsvorstufen frühzeitig erkannt werden und so eine
Erkrankung wirksam verhindert werden.
fikation gibt an, wie weit sich ein Tumor
Kolonoskopie
kranken pro Jahr rund 4100 Menschen neu
entwickelt hat. Dabei steht der Buchstabe
bewahrt
vor
an einem Dickdarmkrebs. Mehr als 1600
T für die Ausdehnung und das Verhalten
Darmkrebs.
Menschen fallen jährlich dem Krebs zum
des Tumors, N (nodes) dafür, ob und wie
Opfer. Mit dem Alter steigt das Risiko zu erviele Lymphknoten befallen sind, und M für
kranken stark an: 37 % der Patienten sind zum
Metastasen. Der Darmkrebs ist fortgeschritten,
Zeitpunkt der Diagnose 50–69 Jahre alt, 57 % sind 70
wenn Metastasen gefunden wurden. Aber auch in dieJahre oder älter. Aber es trifft – zwar sehr viel seltener –
sem Stadium kann der Darmkrebs heute noch heilbar
auch immer wieder Jüngere, darum ist Aufmerksamkeit
sein. Bei 25 % der Fälle liegen bei der Diagnose schon
für den Darm ein Thema für alle.
Metastasen vor.
Die französische Stiftung «Aide et Recherche en CancéKolonoskopie
rologie Digestive» (ARCAD) verfügt über eine der weltdauert 30 Minuten
weit grössten Datenbanken über klinische Studien zur
Der Zeitbedarf für eine Darmspiegelung liegt bei ca. zwei
Behandlung des fortgeschrittenen Darmkrebs mit über
Stunden, die Untersuchung selbst dauert nur 30 Minuten,
20 000 Fällen. Dort zeigt sich, dass 3 % der Patienten unin der Regel kann der Patient dabei schlafen und spürt
ter 40 Jahre alt waren. Die Behandlungsergebnisse bei
nichts von der Untersuchung. Angst vor dem Eingriff
Darmkrebs in jüngerem Alter sind häufig ungünstiger
oder Schmerzen sind unbegründet. Bei der Kolonoskopie
als bei älteren Patienten.
kann der Gastroenterologe von auffälligen SchleimhautPersonalisierte
stellen Gewebeproben entnehmen. Polypen kann er meist
Medizin
sofort entfernen. Polypen sind noch gutartige Wucherungen, die aber zum Krebs entarten können. Werden
Bei der Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs
bei einer Darmspiegelung gutartige Polypen gefunden
sind in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt worund entfernt, finden Diagnostik und Therapie praktisch
den. Bei den Operationsmethoden und in der Strahlengleichzeitig statt.
therapie sind Verbesserungen erreicht worden und durch
die Kombination mit Chemotherapie und modernen,
Welches Stadium
sogenannten zielgerichteten Medikamenten sind die
hat der Krebs?
Überlebenszeiten deutlich günstiger als früher. Ziel der
Das Biopsie-Material wird feingeweblich von den HistoOnkologen ist es, die Lebenszeit zu verlängern, bei guter
logen auf das Zellverteilungs- und Wachstumsmuster hin
Lebensqualität.
untersucht. Falls die Diagnose Krebs gestellt wird, folgen
Heute gibt es Krebsmedikamente, die sich ganz gezielt
weitere diagnostische Abklärungen, um das Stadium der
an einer bestimmten Stelle auf der Krebszelle festsetzen
Erkrankung genau bestimmen zu können; die Ärzte spreund damit beispielsweise das Weiterwachsen verhindern.
chen von Tumorstaging.
Der Onkologe kann sogar feststellen, ob der Patient von
Um zu wissen, ob und welche Operation und weitere
seiner genetischen Veranlagung für diese Therapie infrage
Behandlung erfolgen kann, wird die Ausbreitung z. B.
kommt oder nicht. Dadurch werden unnötige Behandmit Computertomografie festgestellt. Die TNM-Klassilungen erspart.
FOKUS AUF DEN DARM. In der Schweiz er-
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AUSGABE SCHWEIZ
DARMKREBS · PERSPEKTIVE LEBEN
Warnzeichen für Darmkrebs
„Blut auf/im Stuhl
„ungewohnte Ermüdbar-
„ungewollter Gewichts-
keit, Leistungseinbusse
„Änderung der Stuhlgewohnheiten, Durchfall,
Verstopfung, Blähungen
„Gefühl der unvollstän-
verlust, Appetitlosigkeit
digen Stuhl-Entleerung,
Bleistiftstuhl
„Bauchschmerzen
Familiäres Risiko,
ein Kolonkarzinom zu entwickeln
„Zwei zweitgradig
Verwandte mit einem
Kolonkarzinom
Dreifaches Risiko
„Ein erstgradig Verwandter mit einem
Kolonkarzinom unter
50 Jahren
„Zwei erstgradig
Verwandte mit
einem Kolonkarzinom
„Ein Kind mit einem
Kolonkarzinom
„Ein erstgradig Ver-
wandter, ein zweitgradig Verwandter
und ein drittgradig
Verwandter mit einem
Kolonkarzinom
Fotos: thinkstock (3)
Doppeltes Risiko
„Ein erstgradig Verwandter mit einem
Kolonkarzinom im
Alter über 50 Jahre
Adaptiert nach: Taylor DP.
Gastroenterology 2010; 138: 877–878.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · DARMKREBS
„Patienten mit chronisch-entzünd-
licher Darmerkrankung wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn
„familiäre Darmkrebssyndrome.
Darmschleimhaut: von normal bis zum Krebs
Dickdarmkrebs kann sich in allen Abschnitten des Dickdarms entwickeln.
Häufiger als in den anderen Abschnitten entsteht er in den letzten 40 cm.
POLYPENKNOSPE
POLYP MIT ZELLVERÄNDERUNG
KREBS (KARZINOM)
Die Krebsliga Schweiz empfiehlt,
dass heute mit jeder Person ab dem
50. Lebensjahr Sinn und Nutzen des
Darmkrebs-Screenings besprochen
werden sollte. Mit dem HaemoccultTest wird nach nicht sichtbarem Blut
im Stuhl gesucht. Dieser Test ist einfach, kann aber falsche Ergebnisse
anzeigen. Die Darmspiegelung ist
sicherer.
Abb.: Rebacz (4)
NORMALE SCHLEIMAUT
Darmkrebs-Screening ab 50
Diese Risikofaktoren können
Sie beeinflussen
Was kann Mann und Frau als Vorbeugung tun? Vorbeugen heisst, Risikofaktoren meiden und Warnzeichen
beachten in der Hoffnung, dass der
Krebs früh entdeckt wird.
ren, Übergewicht und Bewegungsmangel. Diese Risiken sollten Sie
meiden.
FÜR WEN IST DIE VORSORGE BESONDERS WICHTIG?
„Patienten mit Dickdarmpolypen
Seit 1. Juli 2013 übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Schweiz bei Frauen und
Männern zwischen 50 und 69 Jahren die Kosten der zwei anerkannt
wirksamen Arten der Vorsorgeuntersuchungen – auch dann, wenn
im engen familiären Umfeld der zu
untersuchenden Person keine entsprechende Erkrankung bekannt
ist. Dies gilt für eine Darmspiegelung alle zehn Jahre oder für einen
Test auf okkultes Blut im Stuhl alle
zwei Jahre.
in der Vorgeschichte
«Je früher
Darmkrebs entdeckt
wird, umso
besser sind die
Heilungschancen»
34 ·
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·
AUSGABE SCHWEIZ
„Darmkrebs oder Darmpolypen
bei Eltern oder Geschwistern, vor
allem wenn diese vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten sind
„über 50-Jährige
>> Quellen und hilfreiche
Informationen unter:
www.krebsliga.ch
www.krebsgesellschaft.de
Foto: fotolia/Mike Uhlemann
Nachgewiesene Risikofaktoren für
Darmkrebs sind das Rauchen, der
Alkohol, eine ballaststoffarme Ernährung mit einem hohen Anteil an
rotem Fleisch, verarbeitete Wurstwa-
Engagement
für medizinische
Innovationen
Unsere Motivation in der
Forschung, Entwicklung
und Herstellung bei Merck
Serono ist es, richtungsweisende Therapien zur
Verfügung zu stellen.
Wir investieren jedes Jahr
mehr als 1 Mrd. EUR in die
Erforschung vielversprechender
neuer Moleküle und ihrer
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Arzneimitteln.
Im Fokus dieses Einsatzes
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Lebensqualität zu leisten.
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Merck Serono is a
division of Merck
PERSPEKTIVE LEBEN · WISSEN
Krebsinformationsdienst DKFZ Heidelberg
Häufig gestellte Fragen
und die Antworten
Trotz Brustimplantaten zum Mammografie-Screening, geht das?
Hilft Ginseng bei Tumorerschöpfung? Was kann das Diabetes-Medikament Metformin
beim Prostatakrebs? Lesen Sie hier einige der häufigen Fragen und Antworten
der letzten Zeit an den Krebsinformationsdienst in Heidelberg.
Was die Krebsliga in der Schweiz
(www.krebsliga.ch), ist im Nachbarland der Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in
Heidelberg. Dort wird täglich in
Fachpublikationen, Presse- und Informationsdiensten nach Berichten
zu Ergebnissen und Entwicklungen
in onkologischer Forschung, Klinik
und Versorgung gesucht. Die aktuellen Themen werden auf ihren
wissenschaftlichen Hintergrund geprüft und ihr Stellenwert beleuchtet. Dabei tauchen immer wieder
ähnliche Fragen auf. Die häufigsten,
auf die der KID geantwortet hat,
betrafen Brustkrebs, Prostatakrebs
und tumorbedingte Fatigue.
Mammografie
trotz Implantat?
In Deutschland werden bis zu
20 000 kosmetische Brustvergrösserungen pro Jahr ausgeführt.
Implantat-Trägerinnen sind oft
unsicher, ob für sie die Brustkrebsfrüherkennung mit einer Mammografie möglich ist. Antwort:
Generell sind Brutimplantate kein
Hinderungsgrund für eine entsprechende Untersuchung. Wichtig ist,
dass vor der Untersuchung über
die Implantate und ob sie vor oder
hinter dem Brustmuskel liegen,
informiert wird. Stellt sich bei der
Beurteilung der Aufnahmen heraus,
dass das Brustgewebe nicht gut genug abgebildet wurde, kommen
36 ·
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AUSGABE SCHWEIZ
Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) in Betracht.
Fatigue und Ginseng
Sowohl Asiatischer als auch Amerikanischer Ginseng werden heute vielfach meist zur Stärkung
und Konzentrationssteigerung
als Nahrungsergänzungsmittel
eingesetzt. Es gibt zwar Untersuchungen dazu, dass Ginseng die
Fatigue bei Krebspatienten (Tumorerschöpfung, Müdigkeit und
Leistungseinbusse) bessern kann.
In Leitlinien und Behandlungsempfehlungen wird aber bislang
keine Empfehlung ausgesprochen.
Besonders Patienten unter aktiver
Krebstherapie berichten von einer
Besserung. Weniger ausgeprägt
waren die Effekte dagegen bei Patienten nach abgeschlossener Tumorbehandlung. Nebenwirkungen
wurden nicht bemerkt. Allerdings
können die Inhaltsstoffe den Abbau
anderer Medikamente in der Leber
beeinflussen. Ohne Rücksprache
mit dem Arzt sollte Ginseng daher
bei Krebserkrankungen nicht eingenommen werden.
Diabetes-Medikament
Metformin und Prostatakrebs
Männer, die an Diabetes (Zuckerkrankheit) leiden und das
Diabetes-Medikament Metformin
einnehmen, haben dadurch bei
einer Erkrankung an einem lokal
begrenzten Prostatakrebs eine ge-
ringere Sterblichkeit. Wurde der
Diabetes bei Männern mit anderen
Diabetes-Medikamenten behandelt,
war dies nicht der Fall. Nachdem
das aufmerksamen Ärzten aufgefallen war, gingen Forscher der Sache
nach und sahen sich die Daten von
über 3800 über 66-jährigen Patienten genauer an. Tatsächlich war in
der Gruppe mit Metformin-Behandelten die krebsspezifische Sterblichkeit niedriger (24 % je sechs
Monate Behandlungszeit). Der
Effekt schwächte sich allerdings
mit der Zeit ab. Die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie erlauben
es allerdings nicht, daraus bereits
Empfehlungen für eine Metforminbehandlung bei Prostatakrebs
abzuleiten. Ob Männer ohne Diabetes das Medikament einnehmen
sollten, um ein Fortschreiten der
Erkrankung zu bremsen, ist bislang
nicht untersucht.
Immuntherapie
bei Prostatakrebs
Das Ziel einer Immuntherapie bei
Krebserkrankungen ist es, die körpereigene Abwehr anzukurbeln.
Immunzellen (T-Zellen) wird
beigebracht, auf bestimmte Eigenschaften, die nur Tumorzellen
besitzen, zu reagieren und die Tumorzellen zu zerstören. Beim Prostatakrebs sind dies z. B. die prostataspezifische saure Phosphatase (PAP)
und das prostataspezifische Antigen
(PSA). Sipuleucel-T ist ein Impf-
WISSEN · PERSPEKTIVE LEBEN
stoff, der für jeden Patienten einzeln
hergestellt wird und der gegen die
prostataspezifische saure Phosphatase gerichtet ist. In den USA und
Europa ist Sipuleucel-T für die Behandlung des Prostatakrebs mit Absiedelungen zugelassen, wenn dieser nicht auf eine Hormontherapie
anspricht und eine Chemotherapie
noch nicht indiziert ist. Bei diesen
Patienten konnte in Studien eine
deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden. Besonders
Patienten mit wenig Metastasen
und günstigen Prognosefaktoren
scheinen von der Behandlung zu
profitieren. Diese zeigen aber so-
wieso häufig einen milden Verlauf,
sodass eine weitere Verbesserung
durch eine Immuntherapie fraglich
erscheint.
Kapselendoskopie
zur Darmkrebsvorsorge
Ab dem 50. Lebensjahr wird eine
regelmässige Darmkrebsvorsorgeuntersuchung empfohlen. Die
Darmspiegelung (Koloskopie) ist
aber nicht gerade beliebt. Ob eine
Untersuchung mit der Kapselendoskopie ebenfalls infrage komme
und gleich gute Ergebnisse liefert,
wird der KID auch immer wieder
gefragt. Bei dieser Untersuchung
wird eine Minikamera in einer
Kapsel geschluckt und es werden
die Bilder ausgewertet. Die Empfindlichkeit ist nicht mit der einer
Darmspiegelung vergleichbar. Laut
einer im Juni 2013 veröffentlichten
aktualisierten deutschen Leitlinie
zum Dickdarmkrebs liegen für die
Kapselendoskopie des Dickdarms
keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten vor, um sie zur Darmkrebsfrüherkennung zu empfehlen.
Ähnlich urteilt auch die Leitlinie
der European Society of Gastroentestinal Endoscopy (ESGE).
Quelle: Onkologe 2013, 19: 1080–1082.
Der Krebsinformationsdienst bietet Informationen zu allen krebsbezogenen Fragestellungen –
aktuell, individuell, evidenzbasiert und unabhängig, für die allgemeine Öffentlichkeit und für Fachkreise.
1406-Act-I-01
Telefondienst: +49 (0) 6221 999 8000, täglich 8–20 Uhr s E-Mail-Service: [email protected]
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Wenn aus Schutz Prävention wird.
Quellenangabe: Ulrich C et al. Br J Dermatol 2009;161:78-84.
PERSPEKTIVE LEBEN · VORSORGE
Vorsorgen ist besser als heilen
Sonnenschutz am besten
schon zum Zmorge
Zahlreiche Hautkrebserkrankungen könnten durch einen guten Sonnenschutz vermieden werden. Diese Botschaft kann nicht oft genug wiederholt werden. Aktuell
erkranken in der Schweiz etwa 2000 Personen am schwarzen und 13 000 am weissen
Hautkrebs – Tendenz steigend. Nicht nur für diese Patienten ist es wichtig, ihre Haut
vor weiterem Schaden zu bewahren. Ein «offenes Geheimnis» des Erfolgs beim Sonnenschutz ist die tägliche Anwendung von guten Sonnenschutzmitteln, am besten
schon als «Zmorge».
IMMER MEHR HAUTKREBS. Die Zahl der jährlichen
Neuerkrankungen an Hautkrebs (schwarzer und weisser) steigt laut Bundesamt für Statistik bei den Männern
um 80 %, bei den Frauen um 50 %. Wird ein Hautkrebs
in einem frühen Stadium erkannt, können die meisten
Patienten erfolgreich behandelt werden. Mit 2000 Neuerkrankungen und 300 Todesfällen pro Jahr ist der
schwarze Hautkrebs (Melanom) besonders gefürchtet.
Um die Vorsorge, die im Wesentlichen im Schutz vor ultravioletten Strahlen besteht, verständlicher und eindringlicher darzustellen, hat die Krebsliga Schweiz das Thema
Hautkrebs und Sonnenschutz und die Broschüre zu dem
Thema überarbeitet (www.krebsliga.ch).
Sonnenschutz zu jeder Jahreszeit
Was ist anders? Für den individuellen Sonnenschutz ist
nicht mehr der Hauttyp (I–IV) massgebend, denn einer
Untersuchung zufolge wird dieser Hauttyp meist falsch
eingeschätzt. Stattdessen sollte sich der Sonnenschutz an
Erhöhtes Risiko für weissen Hautkrebs
„heller Hauttyp und keine oder nur langsame Bräunung
„häufige, langjährige Sonnenbestrahlung
der Haut in Beruf oder Freizeit
Im Sommer sollten Sie die
Sonne nur mit einem guten
Sonnenschutz geniessen.
„Abwehrschwäche/Immunsuppression durch Krankheit
(Krebs, Leukämie, Organtransplantation)
oder Medikamente
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AUSGABE SCHWEIZ
Foto: thinkstock
„höheres Lebensalter
VORSORGE · PERSPEKTIVE LEBEN
der Intensität der UV-Stahlen (UV-Index), der Art der
Aktivität im Freien, der Dauer des Aufenthalts an der
Sonne und der Sonnenempfindlichkeit der Haut orientieren.
Im Winter braucht es im Mittelland kaum Sonnenschutz,
in den Bergen aber zu jeder Jahreszeit. Nahezu das ganze
Jahr ist die Sonne in der Mittagszeit stark genug, bei zu
langem ungeschütztem Aufenthalt einen Sonnenbrand
zu verursachen.
Erhöhtes Risiko für schwarzen Hautkrebs
(Melanome)
„mehr als 100 Pigmentmale am Körper
„in Form und Farbe unregelmässige Pigmentmale
„Hautkrebserkrankung in der Vergangenheit
„Menschen mit einem geschwächten Immunsystem
Die wichtigsten Tipps:
„zwischen 11 und 15 Uhr im Schatten bleiben
„Hut, Sonnenbrille und Kleidung tragen
„Sonnenschutzmittel auftragen
„ nicht ins Solarium gehen.
Eltern sollten gerade hier ein Vorbild sein!
Personen mit erhöhtem Risiko (s. Tabellen) sollten sich
besonders gut vor der Sonne schützen und sich regelmässig selbst auf Hautveränderungen untersuchen. Zudem
sollten sie mit einem Arzt besprechen, ob eine regelmässige Hautkontrolle nötig ist, und sich geeignete, eventuell
medizinische Sonnenschutzmittel empfehlen lassen.
Ein Tipp, damit man sich daran gewöhnt, Sonnenschutzmassnahmen dauerhaft und täglich anzuwenden: Am
besten schon bei der Morgentoilette das Sonnenschutz-
mittel auf der Licht ausgesetzten Haut, also auf Gesicht,
Ohren, Hals, Dekolleté und Handrücken aufzutragen.
Quasi als Zmorge für die Haut. So, wie viele Frauen nie
ungeschminkt aus dem Haus gehen, sollten Risikoträger
nie ohne Sonnenschutz unterwegs sein.
Quellen:
Schweizerische Ärztezeitung 2014; 95: 16/17.
Schweiz Med Forum 2013; 13 (41): 814–817.
>> Hilfreiche Informationen unter:
www.meteoschweiz.ch:
MeteoSchweiz erstellt täglich eine Prognose für den UV-Index
für verschiedene Regionen und Höhenlagen: www.uv-index.ch
www.krebsliga.ch: Broschüre Sonnenschutz der Krebsliga
1 von 3 erkrankt im Laufe
des Lebens an Krebs.
Darum braucht es die Krebsliga. Mehr denn je.
www.krebsliga.ch Spenden PK 30-4843-9
PERSPEKTIVE LEBEN · RAT UND HILFE
Selbsthilfegruppen
Anleitung zum Selber-Finden
Unsere Autorin Ingrid Meyer fragte sich nach ihrer Krebsbehandlung: Wie kann ich
mir selbst noch weiter helfen? Lesen Sie ihren gelungenen Fahrplan zur Suche nach
einer Selbsthilfegruppe, der Mut macht.
S
eit einigen Tagen plagt es mich schon: das
schlechte Gewissen. Eher beiläufig, aber mit entsprechend mitfühlendem Blick, legt mir Schwester
Simone den Flyer des psychoonkologischen Dienstes
des Klinikums auf die Bettdecke. «Nur für den Fall,
dass Sie es brauchen.»
Ich? Etwas brauchen?
Was soll ich bei einem Psychologen? Mir fehlt doch nichts
im Kopf? Ja, ich habe gerade eine Krebsoperation überstanden, bin noch in der Nachsorge. Alles, was ich will,
ist: möglichst schnell wieder zurück zur Normalität zu
kommen. Das ist jetzt mein Ziel.
Aber der kleine Nager sitzt im Hinterkopf: «Selbsthilfegruppen können vielen Patientinnen helfen», sagt
Schwester Simone, und: «Die Selbsthilfegruppe muss zum
Patienten passen.» Ich schenke mir eine Tasse Tee ein und
starte schliesslich meinen Selbstversuch.
Der Patient muss bereit sein
für eine solche Gruppe
Aller Anfang ist schwer: Meinen Wissensstand über
Selbsthilfegruppen lückenhaft zu nennen, wäre noch
übertrieben. Sagen wir so, ich weiss, dass es so etwas gibt.
Alles andere muss ich herausfinden.
Erste Auflaufstelle im digitalen Zeitalter: Google. Ich gebe
«Brustkrebs Selbsthilfegruppe München» ein und die
Suchmaschine meldet rund 252 000 Treffer. Toll – das hilft
mir jetzt nicht direkt weiter. Wikipedia, der «Brockhaus
im Netz» und Anlaufstelle Nummer zwei, sagt: «Selbsthilfegruppen sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse
von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen
haben und gemeinsam etwas dagegen bzw. dafür unternehmen möchten.»
Aha. Bringt mich konkret aber auch nicht weiter. Und
nun? Für einen Moment überlege ich, die Suche einfach
aufzugeben. Aber irgendetwas muss an der Sache ja dran
sein, sonst gäbe es nicht so viele Selbsthilfe-Initiativen.
Ich schenke mir eine weitere Tasse Tee ein: Mein Ehrgeiz
ist geweckt.
Der Lebensmut wächst
im Gespräch mit Betroffenen
Hilf Dir selbst,
dann hilft Dir Gott:
Der Lieblingsspruch meiner patenten Oma, passend für alle Lebenslagen. Sie selbst hätte den Gedanken an Selbsthilfegruppen damit vermutlich beiseitegeschoben.
Aber mir kommen Zweifel an dieser allzu resoluten Sicht:
Warum sollte ich Hilfe ablehnen, die ich noch nicht einmal kenne? Warum nicht einander unterstützen und informieren, in einem Umfeld, das Vertrauen bildet und auch
«dumme» Nachfragen zulässt? Die Erfahrungen anderer
Menschen nutzen und dankbar dafür sein? Netzwerken
nennt man das heute, ist modern und schick. Ich trinke
die nächste Tasse Tee und mache mich gespannt auf die
Suche nach einem Netzwerk, das zu mir passen könnte.
Ich gebe, damit du gibst: Ich stelle fest, die Suche nach
dem richtigen Netzwerk ist spannend. Über 100 000
40 ·
2/2014
·
AUSGABE SCHWEIZ
RAT UND HILFE · PERSPEKTIVE LEBEN
n
Selbsthilfegruppen gibt es geschätzt in Deutschland. Da
wird sich sicher auch das Richtige für mich finden lassen.
Aber was suche ich? Ich lerne mich ein Stück weit besser
kennen, frage mich:
„Wie soll meine Gruppe aussehen? Mit welchen Menschen möchte ich mich austauschen, zu wem kann ich
Vertrauen aufbauen und bei wem fühle ich mich gehemmt? Männer und Frauen? In meinem Alter? Aber
ich frage mich auch:
„Was kann ich geben, was bringe ich ein? Wie weit will
ich mich öffnen, über meine Probleme sprechen und
meine Erfahrungen weitergeben?
„Und ich frage mich, wie die Gruppe für mich funktionieren soll: Wie wichtig ist eine regelmässige Teilnahme? Macht es mir was aus, beim Besuch der Gruppe
gesehen zu werden? Herrscht Optimismus vor oder
gegenseitiges Bedauern? Gibt es auch ergänzende Angebote wie Vorträge und habe ich überhaupt die Zeit,
daran teilzunehmen? Mit meiner Checkliste in der
Hand fühle ich mich schon ein Stück weit sicherer.
Ich schenke mir die nächste Tasse Tee ein und starte
die grosse Suche von Neuem.
Im Wust der Angebote
muss man das richtige herausfinden
Ein guter Anfang
ist die halbe Arbeit:
Auf meinem Schreibtisch stapeln
sich mittlerweile Flyer, Notizen
und Ausdrucke. In den letzten Tagen habe ich alles an
Informationen mitgenommen und jeden gefragt, der mir
über den Weg gelaufen ist. In der Klinik, bei Ärzten, bei
Mitpatienten und Krankenschwestern, in Kirchen und
im Netz. Ich nehme meine Wunschliste zur Hand und
sortiere schon mal vor. Das bringt Klarheit im Kopf und
füllt den Papierkorb. Bleiben immer noch genügend Angebote übrig. Jetzt heisst es, klug zu wählen:
„Mein erster Blick gilt der Organisationsform der Gruppe. Ein eingetragener Verein garantiert ein Mindest-
Fotos: thinkstock (2)
«Eine
Selbsthilfegruppe
kann bei einer
Krebserkrankung
unterstützen»
mass an Recht und Sicherheit in den Finanzen, was
für mich wichtig ist.
„Mitgliederlisten nehmen Anonymität und zeigen, dass
hier Menschen öffentlich für ihre Anliegen einstehen.
„Ein Blick auf die Sponsorenliste gibt
mir Aufschluss darüber, ob ein
Unternehmen in der SelbsthilEin passendes
fegruppe aktiv ist. Per se nichts
Netzwerk gibt
Schlechtes, aber sollte ein Unes für jeden
ternehmen die Selbsthilfegruppe
allzu deutlich dominieren, dann
lässt das Rückschlüsse auf Ziele und
Motive der Gruppe zu.
„Mit einem Seitenblick prüfe ich noch, ob staatliche
Mittel im Spiel sind. Bevor eine Selbsthilfegruppe eine
Förderung vom Bund oder der EU bekommt, wird sie
von Behörden geprüft. Besteht sie diese Prüfung, dann
ist das ein gutes Zeichen und verdient einen Pluspunkt
auf meiner Liste.
„Zuletzt prüfe ich noch, ob eine renommierte Einrichtung wie Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen
oder meine behandelnde Klinik die Selbsthilfegruppe empfiehlt. Auch das ist der Ausweis einer gewissen
Seriosität.
Ich koche mir eine neue Kanne Tee, schenke mir eine
Tasse ein – lese, prüfe, wäge ab.
Jetzt geht´s los:
Ich muss gestehen, ich bin stolz auf
mich. Ich habe es tatsächlich geschafft, mich durch den
Wust an Informationen durchzuwühlen. Mir wird klar,
dass meine anfängliche Skepsis eher aus der Angst vor
dem Unbekannten gespeist war. Und Schwester Simone
hatte recht: Es gibt für jeden ein passendes Netzwerk – die
Kunst ist nur dabei, es auch zu finden.
Und nun will ich sehen, wer zu mir passt. Ich schenke
mir keinen Tee mehr ein und mache mich auf zum ersten
Treffen.
AUSGABE SCHWEIZ
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2/2014
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PERSPEKTIVE LEBEN · KÖRPER UND SEELE
Jetzt braucht die Seele Hilfe:
Plötzlich läuft das Leben
wie im Zeitraffer ab ...
Die Diagnose Krebs verändert für jeden Menschen das Leben. Nichts scheint mehr, wie
es gestern war. Was hilft uns, aus dem einseitigen Gedanken- und Gefühlskarussell
auszusteigen? Perspektive LEBEN sprach darüber mit Professor Dr. Stephan Zipfel.
MEIN PERSÖNLICHER RAT
Prof. Dr. Stephan Zipfel, Ärztlicher Direktor der
Abteilung für Psychosomatische Medizin und
Gesamtleitung der Psychoonkologie am Südwestdeutschen Tumorzentrum – CCC Tübingen
«Sprechen Sie Ihren Hausarzt auf Ihre seelische
Belastung an. Er weiss genau, was zu tun ist.»
Warum reagieren Menschen gerade auf eine
Krebsdiagnose so stark?
?
Zwei Aspekte sind hier wichtig. Erstens: Über lange
Zeit war eine Krebsdiagnose für die Betroffenen häufig verbunden mit Unheilbarkeit. Dieses Urteil ist noch
heute in den Köpfen vieler Patienten und Angehörigen tief verankert. Zum Zweiten: Wenn wir uns Bilder
von Krebspatienten machen, sind diese meist von der
Krankheit oder von den Nebenwirkungen der Therapie gezeichnet. Auch diese Bilder sind bei uns tief verwurzelt. Daher reagieren viele so heftig, wenn sie eine
Krebsdiagnose erhalten.
therapie deutlich zurückgegangen. Früher wurden z. B.
Chemotherapien während mehrwöchiger Spitalaufenthalte verabreicht. Heute können Patienten oft ambulant
oder in einer Tagesklinik behandelt werden. Sogar Strahlentherapien werden heute auch ohne Unterbrechung der
beruflichen Tätigkeit durchgeführt.
?
Welchen Einfluss hat eine gute seelische Verfassung auf die Therapie?
Ohne Zweifel hat die seelische Stabilität der Patienten
und Angehörigen einen sehr positiven Einfluss. Ein
stabiler und innerlich gefestigter Patient mit Vertrauen
in den Arzt und richtig gewählter Behandlung wird in
aller Regel Therapien nicht abbrechen und aktiv dabei
mitwirken. Und dies sind die besten Voraussetzungen,
die Erfolge auch erleben zu können. Wissenschaftlich ist
dieser positive Einfluss der seelischen Stabilität auf den
Therapieverlauf längst anerkannt. In allen zertifizierten,
also anerkannten, Tumorzentren sind Psychoonkologen
feste Mitglieder im Behandlungsteam. Die Psychoonkologie ist Teil der Gesamttherapie.
?
Bei welchen Anzeichen sollte der Psychoonkologe auf jeden Fall zurate gezogen werden?
Für den Patienten ist es nicht immer leicht, «Anzeichen»
bei sich selbst gleich zu erkennen, die die Betreuung
durch einen Psychoonkologen erfordern. Daher sollten
Krebs ist und bleibt eine sehr ernste Erkrankung. Aber
in den Tumorzentren Patienten mit erstmaliger Krebsdie alten Bilder gelten so nicht mehr. Viele Tumordiagnose einen frühen und dann regelmässigen Kontakt
erkrankungen sind heute gut behandelbar. Insbesonmit der Psychoonkologie haben. Wir finden so rasch
dere dann, wenn sie früh erkannt werden. Oft könheraus, ob eine seelische Belastung vorliegt oder der Panen die Patienten sogar dauerhaft von ihrem Leiden
tient von sich aus eine Beratung wünscht. Darüber hinbefreit werden. Auch langjährige, chronische Verläufe
aus kann in einem solchen frühen Erstkontakt geklärt
der Krebserkrankungen sind häufig ohne allzu
werden, wer zur weiteren Unterstützung
grosse Einschränkungen der Lebensqualität
gewünscht wird: der Psychoonkologe oder
möglich.
der Sozialdienst, vielleicht ein Seelsorger.
Eine stabile
Die Nebenwirkungen und Folgen einer
Wenn Diagnosen oder Behandlungen ausSeele stützt
Tumorbehandlung sind sowohl in der Chirserhalb von Tumorzentren stattfinden, rate
die Therapie
urgie als auch in der Strahlen- und Chemoich Patienten und Angehörigen: Sprechen
Sind diese Bilder und Vorstellungen heute noch
richtig?
?
42 ·
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AUSGABE SCHWEIZ
KÖRPER UND SEELE · PERSPEKTIVE LEBEN
Foto: thinkstock
«Die Psychoonkologie
ist heute ein wichtiger
Teil der gesamten
Krebstherapie»
Sie Ihren Hausarzt an. Er ist gut ausgebildet, seelische Belastungen zu erkennen und die entsprechenden Behandlungen einzuleiten. Die Leistungen psychoonkologischer
Beratungen sind für die Patienten immer kostenfrei.
?
Wie läuft eine Behandlung ab?
Auch in der Psychoonkologie gilt: Keine Behandlung ohne Diagnose. Zuerst muss ermittelt werden,
worin die seelische Belastung besteht und wo deren
Ursachen liegen. Daraus wird der Therapieplan »
Welchen persönlichen Nutzen
kann der Patient von
der Psychoonkologie haben?
Er gewinnt eine gute Vorbereitung auf die anstehenden Entscheidungen und Therapien. Das heisst:
1. Die Behandlung stärkt das Vertrauen des Patienten in
die Therapie – und die Gewissheit, das Richtige zu tun.
2. Er findet Klärung und Hilfe bei Alltagsproblemen.
3. Er bekommt Hilfe dabei, versteckte Belastungen aufzuspüren und auszuräumen.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · KÖRPER UND SEELE
ermittelt. Das Besondere der Psychoonkologie ist: Wir
müssen schnell und effektiv die Belastung in den Griff
bekommen, um den Patienten gut auf die weitere Therapie vorzubereiten. Ganz wesentlicher Bestandteil der
Behandlung ist ein gezieltes Therapiegespräch. Hier
werden mögliche persönliche Belastungsfaktoren erkannt und durch Information, Beratung und spezielle
psychotherapeutische Techniken Ängste abgebaut sowie Stärken des Patienten aktiviert. Ergänzt werden
kann dieses Gespräch durch gezielte Entspannungsverfahren. Oft reicht es zur
Besserung der Belastungssituation
UND IMMER GILT:
Der Patient ist sein bester Experte! Wir müssen dieses Expertenwissen hervorbringen und aktivieren.
schon aus, den Patienten darin zu versichern, dass sein
seelisches Befinden auf einer sehr verständlichen Reaktion beruht, die er mit vielen Mitpatienten
teilt. Eine kleine Intervention – mit grosser
Wirkung.
„Niemals allein!
Gehen Sie nicht allein zu Besprechungen von Untersuchungsergebnissen oder Therapieplanungen. Erstens hören
vier Ohren besser als zwei. Und
zweitens: Der Partner oder
Freund hört anders als Sie. Er ist
indirekt betroffen, nicht direkt. Er
hört auch die Zwischentöne und
Chancen. Ihr Kopf und Ihre Seele
sind momentan vielleicht zu sehr auf
Risiko und Unglück programmiert.
„Die Wiederholung
Das Sprichwort sagt: «Der Blick
verengt sich.» Sie können nur einen Teil wahrnehmen. Vereinbaren
Sie daher – von vornherein – einen
zweiten Termin bei Ihrem Arzt und
lassen Sie sich die Diagnose oder Behandlung nochmals erklären.
„Hilfe annehmen!
Jedes onkologisch tätige Krankenhaus bietet psychosoziale Unterstützung. Nutzen Sie dieses Angebot. Sie
sind nicht der Erste und auch nicht
der Letzte, der dieses Angebot nutzt.
Sie sind nicht allein mit Ihren Ängsten. Sie schaffen für sich seelische
Stabilität und Kraft. Dies ist Teil der
Therapie – auch bei Ihnen.
„Ruhe bewahren!
In den allermeisten Fällen gilt: Ruhe
bewahren. Wenn möglich gönnen Sie
sich ein paar freie Tage. Denn es sind
nun Entscheidungen zu treffen, die
Sie noch nie in Ihrem Leben fällen
mussten. Dies will vorbereitet sein!
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AUSGABE SCHWEIZ
stimmte Medikamente helfen,
die Ängste zu lindern und eine
bessere Nachtruhe zu finden.
Dies ist aber unbedingt mit
dem Arzt vorher abzusprechen, da mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Risiken bergen können.
Fo
th
to:
ink
s to
„Schutzräume aufsuchen!
Gehen Sie in Ihre Schutzräume. Zu
dem Partner, zu Kindern, Freunden
und Verwandten. Zu denen echtes
Vertrauen vorhanden ist. An Orte, an
denen Sie sich wohlfühlen. Gut geschützt vor der Hektik des Alltages.
ck
„Sicherheit schaffen!
Sicherheit, das Richtige zu tun, gibt
Kraft und Überzeugung. Gute Voraussetzung für eine erfolgreiche
Therapie. Treffen Sie Entscheidungen, wenn Sie überzeugt sind. Suchen Sie aktiv Rat bei Ihrem Arzt.
Nehmen Sie Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe auf. Am besten eine, die
das Zentrum oder das Krankenhaus
gut kennt.
„Kraft finden!
Ob Sport oder der Hund. Musik
oder Malen. Egal. Suchen Sie sich
leicht erreichbare Kraftquellen, die
Sie immer aufsuchen können.
„Gut informieren!
Informieren Sie sich gut über den
Stand der Erkrankung, mögliche
Therapien und den Fortgang des
Lebens mit der Erkrankung. Unwissenheit und Unsicherheit bieten den
Raum für Spekulationen und Angst.
Die Folge sind kreisende Gedanken.
Informationen und Sicherheit über
das, was geschieht, stoppen das Karussell.
„Kritisch prüfen!
Wenn Sie sich sehr gestresst und
belastet fühlen, können auch be-
„Freiheit nehmen!
Wenn die Nachricht verarbeitet ist,
die wichtigen Entscheidungen getroffen sind: Nehmen Sie sich die
Freiheit, das zu tun, was Ihnen wichtig ist. Stellen Sie sich in den Mittelpunkt Ihres Handelns im Hier und
Jetzt. Sie werden sehen, das geht von
mal zu mal besser. Keiner ist Ihnen
böse. Und Sie fühlen sich wohler
und zufrieden.
„Sei wachsam!
Befund und Befinden ist oft nicht
dasselbe. Sie fühlen sich gesund und
munter, obwohl ein bösartiger Tumor Ihren Körper befallen hat. Das
ist erfreulich. Beachten Sie aber immer die Vorsorgetermine! Sie geben
Ihnen Sicherheit.
WISSEN · PERSPEKTIVE LEBEN
Inselspital Bern
Krebsbestrahlung mit
dem neuesten CyberKnife
Seit Mitte Mai behandelt das erfahrene Team der Universitätsklinik für Radio-Onkologie Krebspatienten mit dem neuesten Bestrahlungsgerät «CyberKnife». Der Roboterarm kann auch chirurgisch heikle oder sich bewegende Tumore wie z. B. im Hirn, in
der Lunge, der Leber oder der Prostata schonender bestrahlen. Der Patient profitiert
von einer verkürzten Behandlung.
Das CyberKnife am Inselspital verbindet die fortschrittlichste Robotertechnologie mit dem neuesten Bestrahlungsgerät. Professor Dr. Daniel Aebersold, Direktor und
Chefarzt der Klinik: «Es ist ein Meilenstein in der Krebsbestrahlung, ausschlaggebend ist aber ein erfahrenes und
eingespieltes Team, das dem Patienten in kürzester Zeit
die beste und schonendste Behandlung bieten kann.»
Der Patient profitiert von einer deutlich
kürzeren und schonenderen Behandlung
Das CyberKnife kommt als weitere Behandlungsmethode
neben einem operativen Eingriff, einer mehrwöchigen
Bestrahlung oder einer Chemotherapie zum Einsatz. Jedoch nur, wenn der Tumor die strengen Bedingungen –
z. B. in Bezug auf die maximale Grösse – erfüllt. Dieser
wird ohne Spitalaufenthalt im Normalfall in ein bis fünf
Sitzungen und innerhalb einer Woche bestrahlt. Nach der
Behandlung ist kein Rehabilitationsaufenthalt notwendig.
Der Krebspatient wird somit weniger aus seinem Lebensund Arbeitsumfeld gerissen.
CyberKnife als hoch spezialisiertes Angebot
am Universitären Cancer Center
Aktuell entsteht am Inselspital das sogenannte Universitäre Cancer Center mit sämtlichen Disziplinen zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen
unter einem organisatorischen Dach – begleitet von der
Krebsforschung. Schon jetzt ist für jeden Krebspatienten
des Inselspitals sichergestellt, dass seine Erkrankung von
einem interdisziplinären Expertenteam beurteilt wird, gefolgt von der individuell abgestimmten Therapie, nach
neusten Erkenntnissen. Die Beratung und Behandlung
von Krebspatienten folgt dabei strengen Qualitätskriterien, die auch für den Einsatz des CyberKnifes gelten.
Foto: Inselspital
Bestrahlungsgerät
der neuesten Generation:
das CyberKnife
PERSPEKTIVE LEBEN · AKTIV BLEIBEN
Sport und Bewegung während der Therapie
Erlaubt ist,
was Spass macht!
Studien belegen es immer wieder: Körperliche Aktivität beugt Krebs vor. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg stellt beispielsweise fest: Menschen,
die regelmässig Sport treiben, senken ihr Risiko, an Krebs zu erkranken um 20–30 %.
Doch wie sieht es bei Erkrankten aus? Ist Sport auch für Krebspatienten sinnvoll?
Perspektive LEBEN zeigt Ihnen, was Sie alles tun können.
SCHONUNG. Früher gingen Mediziner da-
Aktivität nach
Rücksprache
mit dem Arzt
von aus, dass sich Tumorpatienten erst einmal in Ruhe erholen müssen. «Als ich vor
40 Jahren meinen Hautkrebs auskurieren
sollte, riet mir der Arzt unbedingt von körperlicher Belastung ab», erzählt Elmar Hartung,
heute 84 und Rentner in Kiel. «Er sagte: ‹Jetzt gilt nur
unbedingte Schonung!› Das war die alleinige Empfehlung
damals!», erzählt der genesene Krebspatient. Die Folge:
«Die meiste Zeit meiner Nachsorge verbrachte ich im Bett
der Kurklinik – wie langweilig!»
Damals – gewiss. Heute aber sehen Experten das ganz
anders: Eine angemessene sportliche Betätigung spielt
für viele Krebspatienten eine wichtige Rolle, denn Folge
erkrankungen können vermindert oder ganz vermieden
werden. Zudem zeigt das richtige Mass an Bewegung
noch folgende positive Effekte:
„Die Beweglichkeit des Körpers wird aufrecht erhalten.
„Erschöpfungszustände werden gelindert.
„Depressionen wird vorgebeugt.
„Die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit steigt.
Sport stärkt Studien zufolge auch das persönliche Selbstbewusstsein – was die Lebensqualität enorm verbessern
kann. Bewegung bringt den Energiehaushalt auf Touren
und hilft, ein gesundes Körpergewicht zu halten. Er hat
zudem positive Effekte auf die Psyche, was sich wiederum
auf die allgemeine Befindlichkeit und auf das Immunsystem auswirkt.
Und das besonders Schöne daran: Auch bislang eher inaktive Patienten können von einer Änderung ihres Lebensstils profitieren.
Heute wissen die Ärzte auch schon, wie oft und in welcher Weise sich der Patient bewegen sollte. Als besonders vorteilhaft hat sich ein kombiniertes Kraft- und
Ausdauertraining erwiesen, mit zusätzlichen Elementen
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AUSGABE SCHWEIZ
zur Schulung von Flexibilität und Koordination. Idealerweise sollte man sich drei
Mal pro Woche sportlich betätigen.
Sport – schon während
der Therapie möglich
Aktuelle Studien bestätigen, dass Patienten, die während
einer Chemotherapie unter ärztlicher Kontrolle ihren
Körper trainieren, davon gut profitieren können. Sie sind
leistungsfähiger und leiden weniger unter Nebenwirkungen der Therapie.
Jedoch kann es keine pauschale Empfehlung geben: Zu
unterschiedlich sind nämlich die individuellen Krankheitsbilder, die zu unterschiedlichen Therapien führen.
Was einer Brustkrebspatientin gut tut, die über mehrere
Jahre Hormone einnehmen muss, kann einem Leukämiepatienten, dessen Blutwerte während einer Chemotherapie stark absinken können, sogar schaden.
Patienten sollten daher über ein Sportprogramm immer Rücksprache mit ihrem Arzt halten. Experten raten
Krebspatienten während einer Behandlung auf jeden Fall
davon ab, sich zu überfordern.
Wann ist Sport im Rahmen der Behandlung
verboten?
Unmittelbar nach einer Operation ist Sport für Krebspatienten fast immer tabu. Es spricht jedoch oft nichts dagegen, normale Aktivitäten nach dem Eingriff wieder möglichst schnell aufzunehmen. Wer in seiner Beweglichkeit
stark eingeschränkt ist oder sich nicht fit fühlt, erhält oft
noch im Krankenhaus Physiotherapie und kann unter
Anleitung erste Bewegungsübungen durchführen. Dies
dient dazu, Komplikationen durch zu langes Liegen zu
vermeiden und die Beweglichkeit so früh wie möglich
wieder zu trainieren. Einschränkungen gibt es auch bei
Behandlungsformen, die heute von zu Hause aus durch-
AKTIV BLEIBEN · PERSPEKTIVE LEBEN
Auch Krebspatienten
dürfen körperlich akiv
sein – die Bewegung
wirkt sich positiv auf Körper
und Seele aus.
Fotos: thinkstock (3)
geführt werden können: Beispielsweise sind während einer ambulanten Chemotherapie selbst sehr sportliche
Patienten meist nicht fit genug für ein normales Bewegungspensum. Patienten sollten daher gemeinsam mit
ihrem behandelnden Arzt entscheiden, welche Art von
Bewegung und wie viel körperliche Aktivität in ihrem
Fall möglich ist.
Bei Infektionen und Beschwerden gilt:
bitte langsam!
Auch bei akuten Infektionen sollten Betroffene von übermässiger körperlicher Aktivität absehen. Wer Probleme
mit dem Gleichgewicht hat oder z. B. unter Gefühlsstörungen in Händen und Füssen leidet, sollte ebenfalls
sorgfältig abwägen, wie viel er sich bewegt und welche
Form der Bewegung gut für ihn ist. Besteht die Gefahr,
zu stolpern oder zu stürzen, kann ein Physiotherapeut
bei der Auswahl besonders geeigneter Trainingsmethoden helfen.
Hat ein Patient schon viel Gewicht abgebaut, muss zuerst geklärt werden, ob der sportbedingte Mehrverbrauch
an Energie über die Ernährung ausgeglichen werden
kann oder Schonung sinnvoller ist. Auch wer Begleiterkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf-Beschwerden
oder chronische Gelenkentzündungen hat, sollte mit
den behandelnden Ärzten besprechen, ob körperliche
Aktivität möglich ist. Das Gleiche gilt für Patienten mit
einem Dauerkatheter zum Ableiten des Urins oder einer
Ernährungssonde.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · RICHTIG ERNÄHREN
Ernährungsberatung für Krebskranke
Was die Patienten mich
gelehrt haben
Der Ernährungsberater Tommaso Cimeli hat mehr als zehn Jahre am UniversitätsSpital Zürich Krebskranke mit Ernährungsproblemen betreut und beraten. Bis heute
berät er als freiberuflicher Ernährungsberater mit Praxis in Zürich Menschen, die aus
unterschiedlichen Gründen mehr Informationen über gesunde Ernährung wünschen.
Daneben hat er am Kantonsspital St. Gallen einen Lehrauftrag und ist in der Erwachsenenbildung tätig. Perspektive LEBEN hat Tommaso Cimeli gebeten, von seinen
20 Jahren Erfahrung zu erzählen.
MEIN PERSÖNLICHER RAT
Tommaso Cimeli,
Ernährungsberater
«Wir sollten dem Körper die Nahrungsmittel in einer Zusammensetzung geben,
wie die Natur es vorgesehen hat.»
Herr Cimeli, ein Bild sagt
mehr als tausend Worte. Auf
Ihrer Website haben Sie Fotos von
Baumnuss, Knoblauch, Preiselbeere, Marroni, Melone, Ravioli und
Olivenöl. Ist das Zufall oder steckt
ein tieferer Sinn hinter dieser Auswahl?
CIMELI: Die Fotos stammen alle von
?
mir und es steckt meine Botschaft
als Ernährungsberater darin. Die
Menschheit und jeder Einzelne haben eine Ernährungsgeschichte. In
der Überfülle des Angebotes, in der
wir in der heutigen Zeit leben, haben viele von uns verlernt, intuitiv
zu spüren, was ihnen gut tut und
was nicht. Ich sehe meine Aufgabe
darin, diese Unsicherheit zu nehmen.
48 ·
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AUSGABE SCHWEIZ
?
Wie machen Sie das?
CIMELI: Gesund und unge-
sund definiere ich nicht über ein bestimmtes Nahrungsmittel. Würde
ich einen Lebensmittelladen führen,
so wäre der relativ klein. Es gäbe
da nur zwei oder drei Brotsorten,
ein Vollmilch-Naturjoghurt, Obst
und Gemüse der Saison aus der
Region und qualitativ hochwertige
Grundnahrungsmittel. Dazu lokale
Fleischsorten und Fische, ein paar
Käse, auch aus der Schweiz. Mit
dem Essen wollen wir Lust befriedigen und das können wir nur, wenn
wir dem Körper die Nahrungsmittel in so einer Zusammensetzung
geben, wie die Natur das vorgesehen
hat. Es gibt Studien, die zeigen, dass
Light-Produkte oder Lebensmittel
mit Süssstoffen unsere Hungersät-
tigungsregulation stören können.
Naturprodukte kennt der menschliche Körper seit Langem und kann
damit umgehen. Alles, was wir uns
schon immer zugeführt haben, hat
seine Berechtigung. Zurück zu den
Wurzeln ist für viele in der Situation
wichtig.
Krebs ist auch mit Schuld verbunden. «Fleischeslust» auf allen Ebenen
macht Krebs. Patienten kommen
und sagen: Ich darf keine Wurst
und kein Fleisch mehr essen, oder?
Ich antworte, vergiss es, besorge dir
Fleisch von einem vertrauenswürdigen Produzenten. Wer sehr ängstlich
ist, dem rate ich schon dann auch
während einer Chemotherapie, keine
mit Chemie belasteten Lebensmittel
(meist Importprodukte) zu essen.
Eine Schweizer Bio-Chasselastraube
kostet das Doppelte, aber bietet die
Sicherheit, dass keine Pestizide darauf sind. Leider sind aber nicht alle
Patienten überzeugt, dass saisonal,
lokal und Bio einfach die bessere
Wahl ist.
Zurück zu den Wurzeln –
wann haben wir die Erdung
beim Essen verloren?
CIMELI: Die Entwicklung der Ernäh-
?
rungswissenschaften begann mit den
RICHTIG ERNÄHREN · PERSPEKTIVE LEBEN
In «Ihrem Laden» gäbe es
keine Qual der Wahl?
CIMELI: Für viele Menschen wäre das
?
vorgestellte Modell eine Entlastung.
Ich denke an Eltern mit schwierigen
Kindern oder auch Krebspatienten.
Weniger Auswahl, aber mehr Sicherheit beim Kauf.
Sie betonen, Sie hätten ganz
viel von Krebspatienten gelernt? Was?
CIMELI: Ich komme aus dem Sport-
?
bereich. Da ist es so, dass doch nur
ganz Wenige nach ganz vorne kommen, obwohl sie gleich viel trainieren. Ich habe mich gefragt, was die
Besonderen wohl auszeichnet? Eine
ganz besonders starke Selbstintuition. Und im Krankheitsprozess gilt
das auch. Wenn ein Mensch ganz
stark auf sich hört und in sich selbst
vertraut, dann entwickelt er Kräfte,
um mehr zu schaffen als ohne.
Eine lebensbedrohliche Krankheit
meistern die am besten, die nicht
nur auf Widerstand gehen, sondern
Offenheit und Selbstverantwortung
zeigen. Ich als Therapeut kann von
solchen Leuten enorm viel lernen.
Wenn ein Patient seit zehn Jahren
Krebs hat, dann weiss er mehr über
sich und die Krankheit als ich, da
lerne ich von ihm. Ich kann einzelne
offene Fragen beantworten. Ich habe
im Spital gelernt zuzuhören und das
ist bis heute mein Grundprinzip.
Selbsterfahrung ist wichtig in der
Beratung, etwa zu sagen, das und das
mache ich so und so oder will ich so
und so ändern, das zählt. Oder sich
Sachen aufschreiben mit der Hand,
wiederholen, malen, fühlen in der
Körpertherapie. Die kognitive Wahrnehmung ist nicht die einprägsamste.
Welche Einzelinformationen
geben Sie an andere weiter,
welche Aussagen sind besonders
hilfreich?
CIMELI: Menschen wollen sich ge-
?
sund erhalten. Wenn jemand vorbeugen will, spreche ich über wertvolle
unbelastete Nahrungsmittel, über
wirksame Inhaltsstoffe der Nahrung
und Nahversorgung. Wichtig ist, die
Patienten da abzuholen, wo sie gerade stehen. Mit welchem Ziel kommt
ein Patient? In der Chemotherapiephase sind andere Themen im Vordergrund, als wenn ein Patient schon
fünf Jahre therapiefrei und geheilt
ist. Jemand unter Radioche- »
«Bei der Ernährung
sollte man auf
regionale, möglichst
unbelastete Produkte
achten»
Foto: thinkstock
Weltkriegen. Die Soldaten brauchten
haltbar gemachte und angereicherte
Nahrungsmittel. Die industriell verarbeiteten Lebensmittel sind in den
1960er-Jahren auch bei den privaten Verbrauchern angekommen. Es
wurden immer mehr Produkte hergestellt, die wir nicht «zum Leben»
brauchen – und das in zigfacher
Ausführung. Wenn ich vor 60 Joghurts stehe, nehme ich meist gleich
mehrere mit oder verzichte ganz. Der
Bauch kann uns nicht sagen, dass
ein bestimmter Joghurt jetzt genau
richtig wäre. Wenn ich mit Patienten
einkaufen gehe, üben wir, wieder intuitiver einzukaufen.
AUSGABE SCHWEIZ
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PERSPEKTIVE LEBEN · RICHTIG ERNÄHREN
motherapie, der keinen Geschmack
mehr hat, braucht wiederum etwas
ganz anderes.
Was kann man da machen?
CIMELI: Geschmacksverlust
?
ist etwas vom Problematischsten
bei Krebspatienten. Da sollten sie
neutraler kochen. Je neutraler etwas
ist, umso geringer ist die Gefahr, dass
ein Chemiecocktail entsteht, der auf
der Zunge fremd und unangenehm
schmeckt. Machen Sie doch mal
den Test und nehmen Sie ein kleines Stück Karton in den Mund und
kauen Sie eine Weile darauf rum,
dann werden Sie in etwa wissen,
wie Fleisch einem Patient mit Geschmacksverlust schmecken kann:
breiig und bitter.
Das ist oft ein Thema, wenn Angehörige extra gut kochen und für
den Patienten das Essen aber schon
zweitrangig ist. Es kann der Moment
kommen, wo eine Ernährung keinen Sinn mehr macht, nur noch
die inneren Organe belastet. Es
kommt zu Durchfall, und jede
Mobilisierung des Betroffenen
macht Schmerzen. Angehörige
müssen wissen, warum etwas
gemacht wird. Dass es zum
Besten des Patienten ist, wenn
er in einer bestimmten Phase
nicht mehr essen muss.
Wenn jemand stark an Gewicht verliert und die Nahrung angereichert werden soll,
kann es da helfen, die Ernährungspyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung einfach
auf den Kopf zu stellen?
CIMELI: In gewisser Weise ja. Ich
ich sogar mit Junk-Food gearbeitet. Wenn sie drei Trinknahrungen
akzeptierten, gab es danach Pizza
oder Hamburger. Wenn Patienten
es selbst schaffen stabil zu bleiben,
bin ich sehr zurückhaltend geworden. Mit Druck kommt meist Widerstand, und körperliche Beschwerden
sind garantiert.
Auf die innere Stimme zu
hören, wird in der Broschüre
der Krebsliga empfohlen. Was aber,
wenn jemand sagt, die sei verstummt?
CIMELI: Wenn die innere Stimme
?
verstummt, heisst das oft auch, dass
ein Mensch nicht mehr essen und
trinken kann oder will. Da ist man
immer auf dem Holzweg, wenn
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AUSGABE SCHWEIZ
Auf welche Lebensmittel
verzichten Sie persönlich aus
Gesundheitsgründen?
CIMELI: Bei Früchten, Gemüse,
?
Fleisch und Fisch habe ich den
Grundsatz, je weniger Kilometer
ein Produkt transportiert worden ist,
desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht mit Schadstoffen
belastet ist. Die Gefahr ist immer
dann am grössten, wenn Produkte
von weither kommen. Das gilt übrigens auch für Salmonellen. Die
meisten schweren Darminfektionen
werden in der Schweiz über importierte Keime ausgelöst.
Wann ist eine Beratung
für Sie erfolgreich?
CIMELI: Wenn es bei einem
?
?
habe eine Energiepyramide zusammengestellt, die das im Wesentlichen
macht. Bei Gewichtsverlust ist immer der Ausgangswert mit einzubeziehen. Ein Patient mit einem BMI
19 kg/m2, der auf 18 fällt, stellt keine
Katastrophe dar. Wenn allerdings
jemand von BMI 31 auf 18 abfällt,
dann heisst es handeln, sonst droht
eine Proteinmangelernährung mit
Folgen auch für das Immunsystem,
und die Therapie muss womöglich
pausiert werden. Bei Kindern habe
cher Form. Die Menschheit besitzt
ein Hunger-Gen, auf Fasten können
wir uns einstellen. Was wir nicht
haben, ist ein Überfluss-Gen. Kalorienüberfluss kombiniert mit Bewegungsmangel führt bei Übergewicht
zu chronischer Entzündung und im
Alter dann häufiger zu Krebs.
Fo t
hi
o: t
nk
s to
ck
man mit dem Kopf argumentiert.
Ich habe vor Kurzem einen Freund
verloren, der war bis ins hohe Alter
eine Geniesser. Als letzte Mahlzeit
habe ich für ihn Kartoffelstock mit
Butter zubereitet, er hat zwei Löffelchen gegessen. Das war für mich
eine Niederlage, aber das ist auch die
Realität, die man zu akzeptieren hat.
Ist die klassische Schweizer
Küche eine gesunde oder
kann sie Krebs verursachen?
CIMELI: Schweizer Kost hat im Hin-
?
blick auf krebsauslösende Stoffe kein
Problem. Was unser Leben verkürzt,
ist der generelle Energieüberfluss mit
Übergewicht als Folge. Egal in wel-
Patienten Klick macht und er
für sich einsteht und Entscheidungen selbst trifft. Das fördert
die Selbstheilungskraft mehr als
alles andere und damit auch die
Wahrscheinlichkeit eines besseren
Genesungsverlaufs.
In der Praxis erlebe ich das immer
wieder. Das ist sehr gut für die Patienten, es gibt keine Evidenz, aber
plötzlich wirkt alles besser.
>> Fachliche Beratung:
Tommaso Cimeli, Dipl. Ernährungsberater HF mit Praxis in Zürich
>> Fachliteratur:
Informationsbroschüre Ernährungsprobleme bei Krebs der Schweizerischen
Krebsliga
>> Buchtipps:
Ulrike Gonder: Mehr Fett!
Nicolai Worm: Syndrom X oder Ein
Mammut auf den Teller! Mit Steinzeitdiät aus der Wohlstandsfalle
Paolo Colombari: Fette Irrtümer
PERSPEKTIVE LEBEN
Wissenschaftlicher Beirat
Prof. Franco Cavalli
Dr. Stephan Eberhard
PD Dr. Christoph Rageth
Direktor des Oncology Institute of Southern
Switzerland in Bellinzona sowie Professor
an den Universitäten Bern und Varese
Onkologische Rehabilitation,
Berner Klinik Montana
Brust-Zentrum, Zürich
Prof. Thomas Cerny
Leben wie zuvor, Kontaktstelle für Frauen
nach Brustkrebs, Reinach
Chefarzt Onkologie Kantonsspital St. Gallen,
Präsident der Krebsforschung Schweiz
Donatella Corbat
Präsidentin Europa Donna Schweiz, Bern
Dr. Heidi S. Dazzi
Leitende Ärztin Palliativmedizin
an der Klinik für Onkologie
am UniversitätsSpital Zürich und TUCARE,
Ambulatorium für Tumor- und
Bluterkrankungen
Susi Gaillard
Dr. Agnes Glaus
Expertin Onkologiepflege
Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, St. Gallen
Prof. Viviane Hess
Leiterin klinische Forschung (CCRC),
Universitätsspital Basel
Prof. Richard Herrmann
Ehemaliger Chefarzt der Klinik für
Medizinische Onkologie, Universitätsspital Basel
Prof. Christoph Renner
Onkozentrum Hirslanden, Zürich
Dr. Marc Schlaeppi
Leitender Arzt Onkologie/Hämatologie
und Zentrum für Integrative Medizin,
Kantonsspital St. Gallen
Dr. Christian Taverna
Leitender Arzt Onkologie,
Kantonsspital Münsterlingen
Prof. Frank Zimmermann
Chefarzt Klinik für Strahlentherapie
und Radioonkologie,
Universitätsspital Basel
Dr. phil. Kathrin Kramis-Aebischer
Foto: thinkstock
Geschäftsführerin Krebsliga Schweiz, Bern
Impressum
Chefredaktion:
Dr. med. Petra Genetzky, Winfried Powollik
Redaktion: Dr. med. Susanne Schelosky,
Prof. Dr. phil. Christoph Fasel, Jochen Schlabing,
Dietmar Kupisch, Felix Schlepps, Sandro Most,
Jonas Lisker, Jörg Schumacher
Perspektive LEBEN – Das Schweizer Magazin für
Menschen mit Krebsdiagnose und ihre Angehörigen
© 2014
Verlag:
swissprofessionalmedia AG
Geschäftsleitung: Oliver Kramer
Verlagsleitung: Dr. med. Theo Constanda
Projektleitung: Dr. med. Susanne Schelosky
Lektorat: Dr. phil. Regine Schricker
Creative Director: Anette Klein
Layout: Andrea Schmuck, Laura Carlotti
Herstellung: Olivier Kilchherr
Vertriebsleitung:
Carolyn Piele, [email protected]
Marketing und Anzeigenadministration:
Daniela Uhl, [email protected]
Verkauf:
Marc Philipp (Rx)
Tel. 058 958 96 43, [email protected]
Antonino Diaco (Rx)
Tel. 058 958 96 17, [email protected]
Biagio Ferrara (Rx)
Tel. 058 958 96 45, [email protected]
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damit einverstanden, dass sein Beitrag ganz oder teilweise in allen
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AUSGABE SCHWEIZ
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Den Krebs zu besiegen ist unser Ziel.
Mit vereinten Kräften.
Wir arbeiten mit Leidenschaft an der Zukunft der Krebsmedizin, um den Patienten
bestmöglich zu unterstützen. Unsere
jahrzehntelange Erfahrung und innovativen
Forschungstechnologien sind die Basis
für neue, richtungsweisende Therapien in
der Onkologie. Symptome nicht nur behandeln,
sondern langfristig Krebs besiegen:
Das ist für uns kein Traum, es ist das Ziel.
2-2014
www.roche-pharma.ch
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