Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Kompakt Nachrichten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ZUR SACHE Tag gegen Lärm Wer hören will, muss schützen Zu den am meisten unterschätzten Gesundheitsgefahren bei der Arbeit zählt Lärm. Mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer sind in Deutschland Tag für Tag gehörgefährdenden Geräuschen ausgesetzt. Beim jährlich stattfindenden „Tag gegen Lärm“ soll am 29. April auf ein besonders sensibles Sinnesorgan aufmerksam gemacht werden: das Ohr. Lärm macht krank. Mit 5.000 neuen bestätigten Fällen pro Jahr ist Lärmschwerhörigkeit die häufigste anerkannte Berufskrankheit in Deutschland. Insgesamt rund 37.000 Versicherte erhielten im Jahr 2007 deshalb eine Rente von ihrer Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. „Langjährige, hohe platz darf seit der neuen Lärm- und Vibrationsschutzverordnung aus dem Jahr 2007 ein Grenzwert von 85 Dezibel nicht überschritten werden; bisher musste ab 90 Dezibel Gehörschutz getragen werden – die Lautstärke einer Handbohrmaschine im Leerlauf. In der Freizeit jedoch nimmt der Stress fürs Ohr ständig zu, etwa durch MP3-Player bei Jugendlichen oder den Einsatz von Laubbläsern bei Hobbygärtnern. „Das Ohr macht bei Lärm keinen Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit“, betont Liedtke. „Deshalb sollte man stets darauf achten, sein Gehör zu schützen.“ Berufsgenossenschaften und Unfallkassen unterstützen nicht nur Unternehmen beim Lärmschutz, „Das Ohr macht keinen Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit“ Dr. Martin Liedtke, Lärmexperte im Institut für Arbeitsschutz (BGIA) Foto: DGUV DGUV Ausgabe 4 · April 2009 Am Arbeitsplatz muss das Gehör ab einer Lautstärke von 85 Dezibel geschützt werden Geräuschpegel können die Haarzellen im Innenohr unwiederbringlich zerstören“, erklärt Dr. Martin Liedtke, Lärmexperte im Institut für Arbeitsschutz (BGIA) der DGUV. Am Arbeits- sondern beispielsweise auch Kindertagesstätten und Schulen: Mit einer Lärmampel lassen sich Kinder für zu hohe Geräuschpegel sensibilisieren; schallabsorbierende Elemente unter der Decke senken die Lärmbelastung für Erzieherinnen und Erzieher. Den Arbeitnehmern, die bereits einen Hörschaden erlitten haben, kamen im Jahr 2007 durch die Unfallversicherungsträger insgesamt rund 142 Millionen Euro für medizinische Behandlung, Rehabilitation oder eine Rente zugute. Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV Prävention nach Maß Arbeitsschutz ist wichtig, darüber besteht allgemein Einigkeit. Über das „Wie“ auf dem Weg zur effektiven Prävention nicht immer. Wie viele Befugnisse sollen die Akteure – Bund, Länder und die Unfallversicherungsträger – jeweils besitzen? Wer darf auf diesem wichtigen Gebiet Recht setzen? Hier gibt es stets Diskussionen. Wir meinen: Das duale System des Arbeitsschutzes in Deutschland ergänzt sich ideal. Während der Staat vor allem das „große Ganze“ im Blick hat, kümmern sich Berufsgenossenschaften und Unfallkassen vor Ort gemeinsam mit Unternehmern und betrieblichen Akteuren um die praxisnahe Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Dabei dürfen sie Vorschriften erlassen, auf deren Einhaltung sie dringen können. Das ist notwendig, da zwar Aufklärung und Schulung fruchten und die Argumente für sichere Arbeitsplätze inzwischen auch Betriebswirtschaftler überzeugen. Aber: Bestimmte Standards müssen einzufordern sein – notfalls auch mit der Möglichkeit von Sanktionen. Das sind wir unseren Arbeitgebern und Versicherten schuldig. Ihr Dr. Joachim Breuer DGUV Kompakt Ausgabe 4 · April 2009 Seit 25 Jahren steht das BG-Zeichen für geprüfte Qualität im Arbeitsschutz. Vergeben wird es von BGPRÜFZERT, der unabhängigen Prüfund Zertifizierungsstelle der DGUV. Anlässlich des diesjährigen Jubiläums sprach „DGUV Kompakt“ mit Rüdiger Reitz, Leiter der Geschäftsstelle BG-PRÜFZERT in Dresden. Die beiden Zeichen ergänzen sich. Das GS-Zeichen steht für sichere Endprodukte, während das BG-Zeichen auch auf Einzelteile, zum Beispiel von Maschinen, oder für bestimmte Aspekte wie etwa geprüfte Hygiene vergeben werden kann. Dabei konzentrieren wir uns insbesondere auf gewerblich genutzte Produkte. Herr Reitz, seit 1984 steht das BGZeichen als ein wichtiges Sicherheitszeichen neben dem GS-Zeichen. Wie grenzen sie sich voneinander ab? Welchen Stellenwert haben die Prüfzeichen bei den Herstellern? Einen großen! Im vergangenen Jahr haben wir das 100.000. Zertifikat ausgestellt, jährlich kommen gut 3.000 neue Zertifikate für nationale wie internationale Produkte dazu. Etwa 70 Prozent der Prüfungen basieren auf freiwilliger Basis und ermöglichen die Prüfzeichennutzung. Produktmängel werden so vor dem Verkauf beseitigt. sicherung auch in der Normung mit. So sind sie in der Produktsicherheit auf dem aktuellsten Stand. Im Gegenzug fließt Rüdiger Reitz, unser ProduktBG-PRÜFZERT wissen in die Normung ein. So gelingt uns eine optimale Verzahnung mit der Praxis. Kürzlich hat ein Gericht die Werbung „CE-geprüft“ verboten. Was hat es damit auf sich? Der CE-Kennzeichnung geht keine Sicherheitsprüfung voran. Der Hersteller erklärt damit lediglich, dass sein Produkt die EU-Rechtsvorschriften einhält. Wer vor dem Kauf auf Nummer sicher gehen will, sollte daher auf das BG-Zeichen oder das GS-Zeichen als Auswahlhilfe achten. Unfallbilanz Neuer Ausschuss Prävention auf BBI Die Zahl der tödlichen Arbeits- und Wegeunfälle ist im vergangenen Jahr erneut zurückgegangen. Aus den vorläufigen Zahlen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen geht hervor, dass 2008 insgesamt 1.046 Menschen bei der Arbeit oder auf dem Weg dahin ihr Leben verloren haben. Das sind 76 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der tödlichen Unfälle in der SchülerUnfallversicherung nahm hingegen zu. Insgesamt verloren 78 Versicherte 2008 ihr Leben, elf beim Besuch der Bildungseinrichtung, 67 auf dem Weg dorthin. Gegenüber dem Jahr 2007 ist das ein Anstieg um 16 tödliche Unfälle. Der Ausschuss für Arbeitsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im März 2009 seine Arbeit aufgenommen. Er setzt sich unter anderem aus Vertretern der gesetzlichen Unfallversicherung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften zusammen. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Dr. Stephan Letzel, Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., gewählt. Aufgabe des Ausschusses ist es, Regeln und Erkenntnisse zur Anwendung der neuen „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ zu ermitteln und das BMAS in allen Fragen der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu beraten. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) und das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg haben einen Präventionsstützpunkt auf der Großbaustelle des Hauptstadt-Airports Berlin Brandenburg International (BBI) eröffnet. Der Stützpunkt ist bundesweit das erste praktische Projekt der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie von Bund, Ländern und gesetzlicher Unfallversicherung. Experten der BG BAU und der Landesbehörde für Arbeitsschutz beraten vor Ort die Unternehmen beim Arbeitsschutz und untersuchen die Beschäftigten. Info: www.dguv.de (Webcode d89838) Info: www.bmas.de > Pressemitteilungen Info: www.bgbau.de (Webcode 2964823) WEITERE INFORMATIONEN Zur BG-PRÜFZERT www.dguv.de/bg-pruefzert Foto: M. Schmieding / A. Obst Berliner Flughäfen Foto: DGUV Geprüfte Arbeitsmittel im Einsatz: Ob der Zurrgurt sicher ist, verrät das BG-Zeichen Wer stellt die Prüfkriterien? Unsere Prüfkriterien richten sich nach nationalen, europäischen und internationalen Normen. Viele unserer Prüfer arbeiten über die Fachausschüsse der gesetzlichen Unfallver- Foto: Siegfried Kirchberg Im Zeichen der Sicherheit Foto: Unfallkasse NRW INTERVIEW 25 Jahre BG-Zeichen DGUV Ausgabe 4 · April 2009 Kompakt Hintergrund Arbeitsschutz praxisnah gestalten Nun steht eine Überarbeitung des grundlegenden Papiers an, um veränderten Rahmenbedingungen bei der Prävention Rechnung zu tragen. Dabei wird es auch darum gehen, wie viel Entscheidungsspielraum in der Praxis verbleibt und wie viel davon in staatliche Hände übergehen soll. Das deutsche Arbeitsschutzsystem gilt weltweit als vorbildlich. Seit Jahren sinken die Unfallzahlen, die Arbeitsplätze sind hochmodern, die soziale Absicherung steht auf hohem Niveau. Die Gründe für den Erfolg liegen zum einen in einer effektiven Arbeitsschutzgesetzgebung und zum anderen in dem spezifischen dualen Arbeitsschutzsystem (siehe S. 4), das die Umsetzung des Rechts in die Pra- xis sicherstellt. Neben den staatlichen Arbeitsschutzbehörden der Länder, die sich im Wesentlichen um die technischen Regelungen beim Arbeitsschutz kümmern, sind es vor allem die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die vor Ort – gemeinsam mit den betrieblichen Akteuren – für eine wirksame Prävention sorgen. Wichtiger Bestandteil ihres Präventionsauftrags ist es, verbindliche Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen und durchzuführen. Dieses Regelwerk steht stets auf dem Prüfstand und wird den Bedürfnissen der Betriebe angepasst und modernisiert. Mit der Möglichkeit, Recht zu setzen, die von den Sozialpartnern gemeinsam wahrgenommen wird, werden branchenspezifische und praxisorientierte Instrumente für gute Arbeitsbedingungen geschaffen. Das heißt: Neben der Beratung und Schulung ist auch die Kontrolle des Arbeitsschutzes eine wichtige Aufgabe der Unfallversicherung. In den jüngsten Beratungen zum neuen Leitlinienpapier wird diese Befugnis der Unfallversicherung, eigenes Recht im Arbeitsschutz zu setzen, bisweilen in Frage gestellt. Partnerschaftlich handeln ver.di befürwortet das duale Arbeitsschutzsystem und unterstützt die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie. Dabei muss der Schutz der Beschäftigten immer die höchste Priorität haben. In den Gremien der Unfallversicherung, in staatlichen Ausschüssen und als ver.di-Vertreter in der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz setze ich mich für ein kohärentes, praxisnahes, aber auch um- und durchsetzbares Regelwerk ein. Die Länder bauen jedoch ihre Aufsicht seit Jahren ab, so dass der Vollzug lückenhaft ist. Auch passen die staatlichen Regeln nicht zusammen, weil die Verordnungen selbst unterschiedlich sind – Stichwort Entbürokratisierung. Aktuell bereitet mir große Sorge, dass sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein alleiniges Entscheidungsrecht bei allen strit- Gut verzahnt, gut geschützt Quelle: DGUV Hier musste die Unfallversicherung bereits durch das Gesetz zu ihrer Reform (UVMG) deutliche Einschränkungen hinnehmen. Die Folgen des Entzugs dieser Instrumente sind gravierend: Weniger Handlungsspielraum und Durchsetzungsmöglichkeiten, aber auch ein Verlust an Flexibilität und Zielgenauigkeit – denn das bisherige Recht ermöglichte es, Vorschriften der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung kontinuierlich anzupassen. Mehr Staat statt „aus der Praxis in die Praxis“ könnte die erfolgreiche Bilanz des deutschen Arbeitsschutzes künftig gefährden. ZUM THEMA tigen Regeln sichern will. Das widerspricht dem gesetzlichen Auftrag der Unfallversicherung, Arbeitsunfälle und berufliche Erkrankungen mit allen geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Ein einheitliches Regelwerk kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn dieses schrittweise und im gegenseitigen Respekt entwickelt wird. Foto: ver.di Im April 2003 hat der Koordinierungskreis „Neuordnung des Arbeitsschutzrechts“ die „Leitlinien zur künftigen Gestaltung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz“ beschlossen. Der beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eingerichtete Koordinierungskreis besteht aus Vertretern der Länder, der DGUV, der Sozialpartner, der Industrie und des Handwerks. Dr. Horst Riesenberg-Mordeja, ver.di-Bundesverwaltung, Referat Arbeitsschutz und Unfallversicherung Info: www.sopo.verdi.de Literaturhinweis: Riesenberg-Mordeja, Dr. Horst: „Stellenwert und Optimierung von staatlichem und berufsgenossenschaftlichem Recht: Offene Fragen“, in: „Gute Arbeit“ (2008), Nr. 12, S. 16-20