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MASTERARBEIT
Titel der Masterarbeit:
Kühlstrategien für Bürogebäude mit Fokus auf den Büromarkt in Wien
Eingereicht von:
Dipl-Ing. Daniel Trageser
Matrikelnummer.:
12F0422
Name des/der
betreuenden Lektors/in:
Mag.a Dr.in Susanne Geissler
Beurteilung:
Ich versichere,
dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen
und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient
habe,
dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form
als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
________________________
Datum
________________________
Unterschrift des Studierenden
________________________
Datum, Unterschrift des/der
Betreuenden Lektors/in
_____________________
Datum, Unterschrift der
Institutsleitung
Kurzfassung
Kühlstrategien für Bürogebäudemit Fokus auf den Büromarkt in Wien
Inhalt
Die Arbeit untersucht Konzepte zur Reduktion des Kühlbedarfs und Systeme für eine
effiziente Bereitstellung von Kühlenergie sowohl im Stadtraum als auch im Hochbau.
Dabei werden Bürogebäude in Wien mit den dort geltenden gesetzlichen Anforderungen
und die strategische Ausrichtung der Stadt Wien zur Stadtentwicklung betrachtet.
Hintergrund
Aufgrund der globalen Erwärmung wird der Kühlbedarf in den nächsten Jahrzehnten
massiv ansteigen. Im Bürobau werden durch die weitere Verbreitung von Bürotechnik
zusätzlich interne Wärmelasten erzeugt, die durch Kühlsysteme abgeführt werden
müssen. Eine herkömmliche Klimaanlage verbraucht große Mengen an elektrischer
Energie, was in den Sommermonaten künftig zu hohen Lastspitzen in den Stromnetzen
führen wird. Vom Europäischen Rat wurden für das Jahr 2020 verbindliche Vorgaben
zur Energieeffizienz von Gebäuden erlassen, was sich künftig in noch höheren
energetischen Gebäudestandards auswirken wird.
Forschungsfrage
In dieser Arbeit werden dabei folgende Fragestellungen untersucht:
•
Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei
Bestandsgebäuden reduziert werden?
•
Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten?
•
Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab?
Methode und Belege
Die Untersuchung des Themas erfolgt durch Literaturrecherche und qualitative
Experteninterviews. Zum Thema Energieversorgungs- und Stadtentwicklungskonzept
der Stadt Wien werden die zuständigen Magistratsabteilungen und Agenturen befragt.
Die Experten für den Bürobau werden anhand von energieeffizienten Bürogebäuden
ausgewählt, die unter ihrer Beteiligung errichtet wurden und über einen niedrigen
Kühlbedarf wie auch ein effizientes Kühlsystem verfügen.
Ergebnisse
Grünflächen haben nur sehr geringe Kühleffekte auf das städtische Mikroklima, jedoch
sind durchaus spürbare Effekte in einem sehr kleinen lokalen Maßstab vorhanden. Des
Weiteren wird durch Dach- und Fassadenbegrünungen oder durch die natürliche
Beschattung von Bäumen das Eindringen solarer Strahlung auf das Gebäude
weitestgehend vermieden, wodurch externe Kühllasten reduziert werden. Im städtischen
Energiemix wird der Anteil erneuerbarer Energien zunehmen. Die Energieeffizienz und
der geringere Energiebedarf künftiger Bürogebäude werden sich auf den Ausbau des
Fernkälte- und Fernwärmenetz auswirken. Einerseits ist Fernkälte aufgrund der hohen
Anschlusskosten nur für Großabnehmer interessant; andererseits werden im Neubau
künftig nur mehr geringe Energiemengen abgenommen, während der Altbestand
aufgrund der aufwendigeren Sanierung auch in Zukunft mehr von externer
Energieversorgung abhängig sein wird. Im Hochbau zeigt sich ein klarer Trend zur
Nutzung von vor Ort vorhandenen erneuerbaren Energien, wobei sich die thermische
Bauteilaktivierung als Kühlsystem im Bürobau sehr stark durchsetzen wird. Bei der
Bereitstellung von Kühlenergie wird, neben der Nutzung von Erdwärme und
Grundwasser, der solarthermischen Kühlung ein großes Potential beigemessen. Hier
werden in nächsten Jahren spannende Entwicklungen zu erwarten sein.
Abstract
Cooling Strategies for Office Buildings With a Focus on the Office Market in Vienna
Topic
This paper studies concepts for reducing the cooling demand, and examines a number of
systems for an efficient provision of cooling energy in the urban area and in individual
buildings. Specifically, this study considers building offices in Vienna against the
background of applicable legal requirements and the City of Vienna’s strategic
orientation towards urban development.
Background
Due to global warming, the next decades will see huge increases in the demand for
cooling. Where office buildings are concerned, the further spreading of office
technology will generate additional internal cooling loads to be dissipated by cooling
systems. As traditional air-conditioning systems consume large quantities of electrical
energy, this will lead to massive peak demands in electrical grids during the summer
months. The European Council adopted binding energy efficiency targets for buildings
for 2020, which will result in even higher energy-performance standards in the future.
Research question
This paper researches the following problems:
•
How can cooling loads be reduced in new as well as existing office buildings?
•
Which cooling systems are the most effective in terms of costs and benefits?
•
Which trends can be observed as regards the use of specific cooling systems?
Method
These questions are researched through a comprehensive review of literature as well as
in-depth interviews with selected experts in the field. The City of Vienna’s concepts for
energy and urban development are surveyed at the responsible municipal departments
and agencies. The specialists for the construction of office buildings are selected for
their participation in building energy-efficient office buildings with a low cooling
demand and efficient cooling systems.
Results
Green areas have only little cooling effect on the urban micro-climate, although there
may be quite noticeable effects on a very small local scale. Additionally, the greening of
roofs and façadesor the natural shadowing from trees largely prevent the penetration of
sun radiation, thus reducing external cooling loads. In the urban energy mix, the
proportion of renewable energies will expand. The energy efficiency and reduced
energy consumption of future office buildings will affect the expansion of the district
cooling and heating network: on the one hand, district cooling with its high connection
costs is of interest mainly for large-scale buyers. On the other, new buildings will
require only small amounts of energy as compared to existing buildings, which will
remain more dependent on external energy supply because of their more expensive
thermal rehabilitation. In structural engineering, there is a clear trend towards using
local renewable energies for the cooling of office buildings, of which the thermal
activation of construction elements will play a very great role. As regards the provision
of cooling energy, solar cooling is considered to have great potential in addition to the
use of geothermal energy und groundwater. In this field, exciting developments can be
expected for the years to come.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ..................................................................................................................... 4
1.1. Ziele der Arbeit .......................................................................................................... 5
1.2. Methodik .................................................................................................................... 6
2. Klimawandel und sommerliche Überwärmung in Wien ....................................... 10
2.1. Auswirkungen des Klimawandels in Wien .............................................................. 10
2.2. Stadteffekt - urbane Wärmeinseln (Urban Heat Islands) ......................................... 12
3. Energieverbrauch für die Kühlung von Gebäuden ............................................... 15
3.1. Status quo des Energieverbrauchs für Raumklimatisierung .................................... 15
3.2. Künftige Nachfrage nach Kühlenergie..................................................................... 18
3.3. Gesetzliche Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden..................................... 20
3.3.1. Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ............. 20
3.3.2. Landesgesetze Wien - Bauordnung für Wien und Wiener Bautechnikverordnung21
3.3.3. OIB - Richtlinie 6, Ausgabe Oktober 2011 ........................................................... 22
3.4. Energetische Standards von Bürogebäuden (Nichtwohngebäuden - NWG) ........... 24
3.4.1. Gesetzliche Mindestanforderungen ....................................................................... 25
3.4.2. Niedrig- und Niedrigstenergiegebäude ................................................................. 26
3.4.3. Passivhausstandard................................................................................................ 27
3.4.4. Nullenergie- und Plusenenergiegebäude ............................................................... 28
3.4.5. Energiebewusstes Bauen - Kriterien und Anforderungen für
Dienstleistungsgebäude in Wien ..................................................................................... 29
4. Kühlstrategien auf städtischer Ebene. .................................................................... 33
4.1. Programme zur Reduktion des Energieverbrauchs .................................................. 33
4.1.1. KliP II - Klimaschutzprogramm der Stadt Wien .................................................. 34
4.1.2. SEP - Städtisches Energieeffizienz-Programm ..................................................... 35
4.1.3. RAP - Renewable Action Plan Vienna ................................................................. 36
1
4.1.4. Smart City Wien.................................................................................................... 37
4.2. Energieversorgung - Bereitstellung von Kühlenergie .............................................. 38
4.2.1. Zentrale Versorgung mit Kühlenergie .................................................................. 39
4.2.2. Dezentrale Versorgung mit Kühlenergie .............................................................. 41
4.3. Städtisches Mikroklima............................................................................................ 43
4.3.1. Stadtentwicklungsplan STEP 2025 ....................................................................... 43
4.3.2. Urban Heat Islands - Strategieplan Wien zur Vermeidung städtischer
Wärmeinseln ................................................................................................................... 44
4.3.3. Maßnahmen im städtischen Mikroklima............................................................... 45
5. Kühlstrategie im Hochbau. ...................................................................................... 48
5.1. Klimatische Bedingungen von Bürogebäuden ......................................................... 48
5.1.1. Raumklima und Behaglichkeitskriterien ............................................................... 48
5.1.2. Kühllasten ............................................................................................................. 53
5.2. Systeme zur Kühlung/ Klimatisierung in Bürogebäuden ........................................ 58
5.2.1. Nur - Luft - Anlagen ............................................................................................. 59
5.2.2. Luft - Wasser - Anlagen ........................................................................................ 62
5.2.3. Flächenkühlung (Nur - Wasser - Anlage) ............................................................. 65
5.2.4. Kombisysteme ....................................................................................................... 69
5.2.5. Passive Kühlsysteme ............................................................................................. 70
5.2.6. Kälteerzeugung ..................................................................................................... 75
5.3. Kühlsysteme bei Demonstrationsprojekten mit besonders hoher Energieeffizienz. 81
5.3.1. ENERGYbase ....................................................................................................... 82
5.3.2. aspern IQ ............................................................................................................... 87
5.3.3. Zubau Raiffeisen Hochhaus .................................................................................. 93
5.3.4. Sanierung Österreichische Kontrollbank .............................................................. 96
5.3.5. Rückschlüsse aus den Demonstrationsprojekten ................................................ 100
5.4. Energieeffizienz im Altbestand. ............................................................................. 102
6. Trends für eine zukünftige energieeffiziente Gebäudekühlung. ........................ 105
2
6.1.1. Bereitschaft zum Einsatz energieeffizienter Systeme ......................................... 110
6.1.2. Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden .................................................... 111
7. Zusammenfassung ................................................................................................... 112
8. Verzeichnisse ........................................................................................................... 114
8.1. Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 114
8.2. Literatur- und Quellenverzeichnis.......................................................................... 116
8.2.1. Literaturverzeichnis............................................................................................. 116
8.2.2. Internetquellen..................................................................................................... 118
8.2.3. ExpertInnengespräche ......................................................................................... 124
8.3. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 125
9. Anhang ..................................................................................................................... 128
9.1. Zusammenfassung Interview in der MA 20- Energieplanung ............................... 128
9.2. Zusammenfassung Interview in der MA 22 - Umweltschutz ................................ 150
9.3. Zusammenfassung Interview bei tinavienna .......................................................... 165
9.4. Zusammenfassung Interview im ENERGY base ................................................... 173
9.5. Zusammenfassung Interview in aspern IQ ............................................................. 187
9.6. Zusammenfassung Interview mit Hrn. Steininger ................................................. 210
9.7. Zusammenfassung Interview mit Fr. Balogh/ ÖKB .............................................. 220
9.8. Projekte zertifiziert nach EU - Green Building Programm oder Total Quality
Building ......................................................................................................................... 236
3
1. Einleitung
Die Reduktion von Kühllasten und ein effizienter Einsatz von Kühlenergie ist für die
nächsten Jahre eine der großen Herausforderungen im Bürobau. Durch die Verwendung
von
großflächigen
Glasfassaden
und
den
steigenden
Einsatz
technischer
Geräteausstattung im Bürobau müssen hohe externe wie auch interne Kühllasten
abgeführt werden.
Zusätzlich werden die Außentemperaturen durch den Klimawandel künftig ansteigen.
Im Sommer sind besonders innerstädtische Lagen durch das Aufheizen der Stadt
wesentlich stärker von der Hitzebelastung betroffen als Stadtrandlagen. „Wien ist
aufgrund der großräumig dichten Bebauung und dem geringen Anteil an Grünflächen
ein typisches Beispiel für die urbane Beeinflussung des Lokalklimas“ (Formayer et al.
2009, S.69). „Dieser Wärmeinseleffekt führt zu einer stärkeren Hitzebelastung im
Stadtzentrum“ (Formayer et al. 2009, S.70). Um ein behagliches Raumklima in
Bürogebäuden gewährleisten zu können, wird der Kühlbedarf daher massiv steigen.
(vgl. Berger et al. 2012)
Mit der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) vom Mai 2010 wurden
Anforderungen zur Energieeinsparung bei Gebäuden definiert. Ab Ende 2020 sollen alle
neuen Gebäude als Niedrigstenergiegebäude mit einem sehr geringen beziehungsweise
fast null Energieverbrauch (vgl. Art. 9 Abs.1 RL 2010/31/EU) ausgeführt werden. Um
den Stromverbrauch durch Klimaanlagen zu senken, soll die sommerliche
Gebäudeerwärmung durch bauliche Maßnahmen wie Sonnenschutz reduziert und der
Einsatz passiver Kühlsysteme verstärkt werden (vgl. RL 2010/31/EU, S. L 153/16 Pkt.
25). Die Neubauten sollen anteilig mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt
werden (vgl. Art. 2 Zi 1 RL 2010/31/EU).
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Anforderungen der EUGebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) werden in dieser Arbeit Systeme untersucht,
mit denen sich Kühllasten in Bürogebäuden reduzieren lassen.
Die Arbeit gibt unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtung einen
Überblick über die derzeit eingesetzten Kühlsysteme in Bürogebäuden. Des Weiteren
4
werden Trends und Strategien für eine zukünftige Versorgung der Gebäude
mit
Kühlenergie aufgezeigt.
In den letzten Jahren wurden in Wien einige Bürogebäude errichtet, die nach dem
Niedrigenergie- bzw. Passivhausstandard zertifiziert wurden und bei denen zur Prüfung
des Energieverbrauchs ein Energiemonitoring durchgeführt wurde. Aus den
Erkenntnissen des Gebäudebetriebs werden Rückschlüsse auf den zukünftigen Einsatz
von effizienten Kühlsystemen gezogen. Weiterhin werden im Rahmen von „Smart City
Wien“ auf städtischer Ebene Konzepte für eine effiziente Nutzung von Energie
entwickelt. In der Arbeit werden derzeit eingesetzte Technologien zur Erzeugung von
Kühlenergie vorgestellt und es wird unter Berücksichtigung der hochbaulichen und
städtebaulichen Ebene einen Ausblick auf die zukünftige Kühlenergieversorgung im
Wiener Bürobau geben. Die bauphysikalischen Anforderungen für Gebäude sind in der
Wiener Bauordnung beziehungsweise in der OIB-Richtlinie 6 definiert. Mit den derzeit
vorgeschriebenen
Passivhausstandard
energetischen
noch
nicht
Standards
erreicht.
wird
der
Allerdings
Niedrigstenergiewird
die
und
Errichtung
energieeffizienter Gebäude mit entsprechender Zertifizierung wie beispielsweise durch
die „Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ oder „green building“ immer
populärer.
1.1. Ziele der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist das Aufzeigen von Entwicklungen und Tendenzen zur
Reduktion von Kühllasten im Stadtraum und im Hochbau sowie die Darstellung
technologischer Entwicklungen für eine energieeffiziente und nachhaltige Bereitstellung
von Kühlenergie. Ausgehend von den heutigen gesetzlichen Energiestandards für
Gebäude und den künftigen Anforderungen nach der EU-Gebäuderichtlinie werden
anhand der bereits realisierten Demonstrationsprojekte Wege aufgezeigt, wie diese
künftig verpflichteten hohen Energiestandards im Hochbau eingehalten werden können.
Dabei wird auch die strategische Ausrichtung der Stadt zur Energieversorgung und zur
räumlichen Entwicklung aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser Arbeit können Bauherren,
Projektentwickler und Planer in der Abwicklung künftiger Bauprojekte unterstützen.
5
Im Rahmen dieser Arbeit werden folgende Forschungsfragen behandelt:
•
Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei
Bestandsgebäuden reduziert werden?
•
Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten?
•
Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab?
1.2. Methodik
Die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt einerseits über Literaturrecherche und
Recherche
bereits
vorhandener
Studien
wie
zum
Beispiel
aus
dem
Forschungsprogramm „Haus der Zukunft“, bei dem bereits Studien zum Thema
energieeffiziente Kühlkonzepte veröffentlicht wurden. Andererseits werden über
qualitative Experteninterviews Informationen zu städtebaulichen und hochbaulichen
Energiekonzepten aus der Praxis gewonnen und mit der Literatur und den Studien
verglichen.
Für die Ermittlung der Experten auf gebäudetechnischer Ebene werden zunächst
Bürogebäude ausgewählt, die einen Niedrigenergie- oder Passivhausstandard aufweisen.
Weitere Auswahlkriterien sind neben der Energieeffizienz der Einsatz von erneuerbaren
Energien und die Durchführung eines Energiemonitorings zum Energieverbrauch in den
Gebäuden. Nach der Auswahl der Projekte werden die Personen befragt, die Einblick in
das Energiemonitoringprogramm der jeweiligen Bürogebäude haben. Da dieser hohe
Standard bei Bürogebäuden in Wien bisher in geringem Umfang realisiert wurde,
werden die Quellen im Rahmen einer Vollbefragung erhoben. Auf städtebaulicher
Ebene wurden ExpertInnen der Magistratsabteilung 20 - Energieplanung, der
Magistratsabteilung 22 - Umweltschutz und tinavienna als Smart City Agentur der
Stadt Wien befragt. Dabei konnte mit folgenden Personen qualitative Interviews geführt
werden:
6
Abbildung 1:
Interviewpartner auf städtischer Ebene
Magistratsabteilung/
Unternehmen
Interviewpartner
Titel)
Magistratsabteilung 20 - Hr. Geier
Energieplanung
(ohne Funktion/ Bereich
Referent
ViennaGIS_Ansprechpartner
Hr. Ritter
Leiter
Energieeffizienz,
Koordination
Bereich
SEP -
Magistratsabteilung 22 - Hr. Preiss
Umweltschutz
Räumliche Entwicklung
Tina vienna
Internationale Kooperation +
Best Practices Hub
Hr. Schaffler
Quelle: Eigene Darstellung
Des Weiteren werden in dieser Arbeit richtungsweisende Hochbauprojekte im Bürobau
vorgestellt, die eine besonders hohe Energieeffizienz aufweisen und deren
Energiebedarf überwiegend aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Dabei werden
zukunftsweisende
Technologien
für
Gebäudesysteme
aufgezeigt,
wobei
der
Schwerpunkt auf der Betrachtung des jeweiligen Kühlsystems gelegt wird. Die Projekte
wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt:
•
Bürobau in Wien
•
Zertifizierung nach dem EU - Greenbuilding Programm1 oder
Zertifizierung nach Total Quality Building (TQB)2
1
•
Erneuerbare Energien
•
Energiemonitoring
Betreuung durch das IBO (Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie beziehungsweise Österreichisches
Institut für Baubiologie und Bauökologie).
2
Betreuung durch die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB).
7
Bei der Auswahl der Büroprojekte wurde auf die im Internet veröffentlichten Listen
zertifizierter Gebäude von IBO und ÖGNB mit Stand 17.11.2013 zurückgegriffen.
Dabei sind folgende Projekte für eine Betrachtung in Frage gekommen:
Abbildung 2:
Ausgewählte Projekt nach EU - Greenbuilding Programm und
TQB3
Projekt
Anschrift
EU GreenBuilding
oder
TQB Partner
Sanierung (OeKB)
Strauchgasse
1-3,
1010 Österreichische
Wien
Raiffeisen
Kontrollbank AG
Klimaschutz- Obere Donaustraße 83 - Raiffeisen NÖ Wien
Hochhaus
89, 1020 Wien
Siemens City
Siemensstraße 90-92, 1210 Siemens AG Österreich
Wien
Uniqa Tower
Untere
Donaustraße
21, UNIQA
1029 Wien
aspern IQ
ENERGYbase
Seestadtstraße
Immobilien-
Service GmbH
27,
1220 WWFF
Business
Wien
Service Center GmbH
Giefinggasse 6, 1210 Wien
WWFF
Business
and
and
Service Center GmbH
Quelle: Eigene Darstellung
Nach der Projektauswahl wurde Kontakt mit den zuständigen Personen aufgenommen,
die Einblick in das Mentoring - Programm der jeweiligen Projekte hatten. Nach der
Kontaktaufnahme konnte mit folgenden Personen ein qualitatives Experteninterview
3
Eine detaillierte Aufstellung aller Projekte, die mit Stand 17.11.2013 im Internet von IBO und ÖGNB veröffentlich
wurden, ist im Anhang zu finden.
8
vereinbart werden, wonach auch die Auswahl der Projekte fixiert wurde, die in dieser
Arbeit vorgestellt werden.
Abbildung 3:
Endgültige Projektauswahl mit Interviewpartner
Projekt
Interviewpartner
Funktion/ Unternehmen
(ohne Titel)
ENERGYbase
Hr. Selke
Austrian
Institute
of
Technology
aspern IQ
Hr. Weiss
Geschäftsführer aspern IQ und
Projektentwickler
in
Immobilienabteilung
der
der
Wirtschaftsagentur Wien, ein
Fonds der Stadt Wien.
Hr. Wiedemann
Raiffeisen
Klimaschutz- Hr. Steininger
Facility Management, Siemens
Vasko & Partner
Hochhaus
Sanierung (OeKB)
Fr. Balogh
Österreichische Kontrollbank Facility Management
Quelle: Eigene Darstellung
9
2. Klimawandel und sommerliche Überwärmung in Wien
Im folgenden Kapitel werden die Temperaturentwicklungen für das 21. Jahrhundert in
der Region Wien dargestellt, die unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels
prognostizierten wurden. Dabei werden im Besonderen die Auswirkungen des
Klimawandels auf das innerstädtische Mikroklima betrachtet.
2.1. Auswirkungen des Klimawandels in Wien
Die Auswirkungen des Klimawandels infolge der globalen Erwärmung machen sich
auch in Wien bemerkbar. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird ein deutlicher
Anstieg der Temperatur erwartet. Nach der Studie „VorSicht Klima!“, die von
GLOBAL 2000 beauftragt wurde, steigen die Temperaturen in Wien bis Ende des
Jahrhunderts um 2 bis 4°C. Die Studie bezieht sich dabei auf Daten des dynamischen
regionalen Klimamodells REMO-UBA vom Max-Planck-Institut für Meteorologie
(MPI-M) in Deutschland, das unter Beteiligung des Umweltbundesamts (UBA) und der
Bundesanstalt für Gewässerkunde (BFG) regionale Klimaszenarien für Deutschland,
Schweiz und Österreich für den Zeitraum 2000 - 2100 erstellt hat. Zur Darstellung der
künftigen
klimatischen
Entwicklung
wurden
verschiedene
Emissionsszenarien
berechnet, B1-, A1B- und A2-Szenario. Das B1-Szenario geht von einer ökologischen
Energienutzung und von sehr geringen Treibhausgasemissionen aus. Im Szenario A1B
wird eine ausgewogene Nutzung von fossilen und nicht-fossilen Rohstoffen sowie eine
höhere Emission von Treibhausgasen als im Szenario B1 angenommen. Die größte
Emission von Treibhausgasen wird im Szenario A2 angenommen, was sehr ökonomisch
und materiell orientiert ist. (vgl. Formayer et al. 2007, S.8)
10
Abbildung 4:
Szenarien der Anomalien der Jahresmitteltemperatur für Wien
nach REMO-UBA und drei verschiedenen Emissionsszenarien
Quelle: vgl. Formayer et al. 2009, S.75
Die Szenarien A1B und A2 verlaufen sehr ähnlich und zeigen bis zum Ende des
Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung von 4°C. In Szenario B1 wird eine um 2°C
geringere Temperaturerhöhung prognostiziert. Bei allen drei Modellen ist der Anstieg
der Temperatur bis 2050 eher gering. Die Heizgradtage werden sich bis 2050 um mehr
als 20 Prozent verringern, ab 2050 sogar um bis zu 35 Prozent. Kühlgradtage hingegen
verdoppeln sich bis 2050 und steigen ab 2050 fast auf das Dreifache. Warme Tage mit
Temperaturen über 30°C nehmen im gleichen Verhältnis zu wie die Anzahl der
Kühlgradtage. Es erfolgt eine Verdopplung bis zum Jahr 2050 und eine Verdreifachung
ab der Mitte des Jahrhunderts. Die Anzahl sehr heißer Tage mit mehr als 35°C wird
ebenfalls überproportional ansteigen. (vgl. Formayer et al. 2009, S.75f.)
Nach der Studie wird sich auch die Anzahl der Niederschlagsereignisse über das Jahr
verändern. In den Wintermonaten werden Niederschläge zunehmen, in den
Sommermonaten dagegen abnehmen. Infolge geringerer Niederschläge und der
Zunahme warmer beziehungsweise heißer Tage in den Sommermonaten wird der
Bodenwassergehalt aufgrund von Verdunstung abnehmen. (vgl. Formayer et al. 2009,
S.69)
11
Eine ähnliche Studie wurde vom Austrian Research Center (ARC) mit dem Projekt
reclip:more (research für climate protection - model run evaluation) durchgeführt, bei
der man in einem kleinen 10 km großen Netz regionale Klimamodelle für Österreich
berechnet hat. Für die Modellierung eines Jahrzehnts im 21. Jahrhundert, nämlich 2041
- 2050 wurden zunächst vorhandene Daten eines repräsentativen Jahrzehnts aus der
Vergangenheit 1981 - 1990 analysiert und Schlussfolgerungen für die Modellierung der
Zukunft abgeleitet. Die grundsätzlichen Aussagen über die künftige Entwicklung des
Klimas stimmen mit dem REMO-UBA-Modell überein. Nach der Studie reclip:more
wird die durchschnittliche Jahrestemperatur bis 2050 um 2 bis 2,5°C ansteigen, also
mehr als bei der Modellierung nach REMO-UBA, die mit einem Temperaturanstieg von
1°C bis 2050 als untere Grenze betrachtet wird. (vgl. Formayer et al. 2007, S.15)
Die Niederschläge werden im Osten Österreichs im Sommer und Herbst stark
abnehmen und im Winter und Frühling je nach Region zunehmen, was mit den
Ergebnissen aus REMO-UBA übereinstimmt. Bezüglich der Sommer- und Hitzetage
wird mit einer Verdopplung von warmen Tagen über 25°C und einer Vervierfachung
von heißen Tagen über 30°C gerechnet (vgl. ARC 2007, S.1).
2.2. Stadteffekt - urbane Wärmeinseln (Urban Heat Islands)
In großen urbanen Räumen wie Wien hat der Stadteffekt einen zusätzlichen Einfluss auf
den Klimawandel. Durch die dichte Bebauung in der Innenstadt wird die Sonnenenergie
in der Gebäudemasse gespeichert und nachts an die Umgebung in Form von Wärme
abgegeben. Außerdem entfallen wichtige natürliche Kühleffekte, in dem die
Windgeschwindigkeit durch die Bebauung reduziert wird und durch den hohen
Versiegelungsgrad der Stadt eine natürliche Verdunstung aufgrund fehlender
Grünflächen nicht mehr stattfindet. Die Stadt kann daher an manchen Tagen nicht mehr
abkühlen und die Hitzebelastung wird verstärkt. Es entstehen urbane Wärmeinseln. Die
Wiener Innenstadt ist durch den geringen Anteil von Grünflächen und durch die dichte
historische Bebauung von der Hitzebelastung wesentlich stärker betroffen als
Stadtrandgebiete,
was
besonders
in
warmen
Sommernächten
Windbewegungen zu spüren ist. (Formayer et al. 2009, S.23)
12
mit
geringen
Eine Abkühlung durch Nachlüftung ist in künftig längeren Wärmeperioden kaum noch
möglich, was den Kühlenergiebedarf in der Innenstadt besonders stark ansteigen lässt.
Nach Studien über Temperaturszenarien für Wien, bei denen Wetterdaten von
Stadtrandlagen, wie beispielsweise der Hohen Warte, mit Wetterdaten der Wiener
Innenstadt verglichen wurden, gibt es aufgrund des Wärmeinseleffekts in der Innenstadt
etwa 20 Frosttage weniger und etwa 4 Hitzetage mehr pro Jahr als am Stadtrand.
(Formayer et al. 2007, S.21)
Die Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Stadtrandlage sind im Winter
größer als im Sommer, wobei Lage, Topographie und räumliche Auflösung einen
großen Einfluss auf die Temperaturen haben. Im Winter können die Unterschiede bis zu
15°C betragen, was sich zunächst positiv auf den Heizenergiebedarf in der Innenstadt
auswirkt. Im Sommer sind die Temperaturunterschiede geringer, wirken sich dafür aber
wesentlich unangenehmer auf das menschliche Behaglichkeitsgefühl aus, da eine
Anpassung an Kälte durch beispielweise wärmere Kleidung leichter möglich ist als eine
Anpassung an Hitze, bei der man die Behaglichkeit über Kleidung nur bis zu gewissen
Temperaturen beeinflussen kann. Im Sommer können bei Außentemperaturen von 40°C
in der Innenstadt Unterschiede von bis zu 7°C im Vergleich zur Stadtrandlage auftreten.
Dabei hat die solare Strahlung einen wesentlichen Einfluss auf das persönliche
Hitzeempfinden. In Stadtrandlagen wie am Wiener Wald schützen die Bäume durch
Beschattung vor der Solarstrahlung. In der Innenstadt ist die Beschattung von Bäumen
aufgrund der Bestandsstrukturen nur im geringen Ausmaß vorhanden. Teilweise ist die
Bepflanzung mit Bäumen aus infrastrukturellen Gründen auch nicht mehr möglich. Es
kann also sehr viel Sonnenstrahlung in den Stadtraum eindringen, wodurch oft sehr
extreme Temperaturen erreicht werden. Der Temperaturunterschied zwischen
innerstädtischen Bezirken und Randbezirken muss allerdings nicht immer vorhanden
sein. In Wien kann es beispielsweise im ersten Bezirk genauso warm sein wie im 21.
oder 22. Bezirk, was einerseits an der Bebauungsstruktur durch das Verhältnis
Baukörperhöhe und Abstand zur Nachbarbebauung und andererseits an den
verwendeten Baustoffen liegt. Beide Faktoren beeinflussen das lokale Klima. Die
historische Innenstadt ist durch eine dichte Bebauung geprägt, bei der sich die Gebäude
durch die geringen Abstände und engen Gassen oft gegenseitig verschatten. Des
Weiteren bestehen die Gebäude überwiegend aus Ziegelstein, wodurch eine große
Speichermasse vorhanden ist und Wärme im Stein aufgenommen werden kann. Im 21.
13
Bezirk sind die Straßenräume viel breiter, wodurch mehr Sonnenstrahlung in die
Bebauungsstruktur eindringen kann. Auch sind die Gebäude wesentlich neuer und oft
mit einem Wärmedämmverbundsystem ausgeführt, wodurch die solare Strahlung kaum
in die Außenwand eindringen kann und eher im Außenraum bleibt. Der Außenraum
heizt sich dadurch schneller auf als in der historischen Innenstadt, wo die Solarstrahlung
von den Mauerwerkswänden absorbiert wird. Die gute Außendämmung bei Neubauten
verhindert zwar den Wärmeeintrag in das Gebäude, wirkt sich aber im Vergleich zu
Altbauten im Sommer nachteilig auf das städtische Mikroklima aus. (vgl.
Expertengespräch Preiss 2014)
14
3. Energieverbrauch für die Kühlung von Gebäuden
3.1. Status quo des Energieverbrauchs für Raumklimatisierung
Seit 1993 hat die Verbreitung von Klimaanlagen im Dienstleistungsbereich in Wien
sehr stark zugenommen, was einem internationalen Trend folgt. In den USA sind
beispielsweise an die 97 Prozent aller Bürogebäude klimatisiert. In Europa ist der Trend
zur Klimatisierung von Bürogebäuden ebenfalls vorhanden, um bei hohen
Außentemperaturen ein angenehmes Arbeitsklima gewährleisten zu können, wobei der
größte Marktanteil für Klimageräte auf den Südeuropäischen Raum entfällt. (vgl.
Simader 2005, S.114)
Nach dem Energiebericht 2013 ist die Ausstattung mit Klimaanlagen im gewerblichtechnischen Bereich in Wien von etwa 12 Prozent im Jahr 1993 auf bereits 98 Prozent
im Jahr 2011 angestiegen, wobei unter diesem Bereich nicht nur Büronutzungen
zusammengefasst
wurden,
sondern
auch
Rechenzentren,
Relaisstationen
und
Technikräume, die aufgrund von hoher Geräteabwärme einer Klimatisierung bedürfen.
Der angegebene Ausstattungsgrad von Klimatisierungsgeräten kann daher nicht eins zu
eins auf den Bürobau übertragen werden. Allerdings lassen sich durchaus
Entwicklungstendenzen ableiten. (vgl. Haas 2013, S.67f)
Für den Büroneubau ist eine Raumklimatisierung mittlerweile Standard geworden.
Büroflächen ohne Raumkühlung können heutzutage sehr schlecht vermietet werden,
daher wird man bei bestehenden Bürogebäude nachrüsten müssen, um mit dem hohen
Standard von Neubauten mithalten zu können (vgl. Expertengespräch Ritter/Geier
2014).
15
Abbildung 5:
Ausstattungsentwicklung von Klimatisierungsgeräten
Quelle: Haas 2013, S.68
Der auf Klimageräte entfallende Energieverbrauch ist seit 1993 von unter 1 GWh/a sehr
drastisch auf 166 GWh/a im Jahr 2011 gestiegen, was sicher mit der Verbreitung der
Klimaanlagen zusammenhängt, da die Zunahme des Stromverbrauchs im fast gleichen
Verhältnis zur Ausstattungsentwicklung erfolgte.
Abbildung 6:
Abschätzung des Stromverbrauchs von Klimatisierungsgeräten in
Wien
Quelle: Haas 2013, S.69
16
Seit 1993 ist ein kontinuierlicher Anstieg des Energiebedarfs durch Klimatisierung zu
beobachten. Dieser Trend wird durch die Zunahme der Kühlgradtage infolge des
Klimawandels noch verstärkt werden. (vgl. Haas 2013, S.69)
Die Studie „Energieverbrauch im Dienstleistungsbereich“ aus dem Jahr 2012 schlüsselt
den österreichischen Dienstleistungsbereich in die Sektoren Büros, Einzelhandel,
Großhandel, Beherbergung, Gastronomie, Gesundheitsbereich und öffentlicher Bereich
auf, wodurch eine detaillierte Zuordnung des Energiebedarf auf die einzelnen Sektoren
erfolgte. Danach fallen etwa 20 Prozent des Energieverbrauchs in Büros auf
Klimatisierung und Lüftung.
Abbildung 7:
Aufteilung der Energienutzung in Büros nach Verbrauchern
Quelle: Benke 2012, S.27
Nach dieser Studie verfügen etwa 37 Prozent der Büroflächen über eine
Klimatisierung, wobei 2005 verwendet ein Büroflächenbestand von 10.600.000
Quadratmeter in Wien vorhanden war. Bis zum Jahr 2014 sind die Büroflächen auf
10.850.000
Quadratmeter4
angestiegen.
Berücksichtigt
man
die
steigende
Ausstattungsentwicklung von Klimageräten nach dem Energiebericht 2013 für Wien
kann man in den nächsten Jahren eine weitere Zunahme von Klimaanlagen im
Bürobereich erwarten. Der Strombedarf von klimatisierten Büros ist um 30 Prozent
höher als von Büros ohne Klimaanlage, was auch darin liegen kann, dass klimatisierte
Büros häufig moderner sind und über eine höhere Technikausstattung verfügen.
4
Vgl. EHL Wiener Büromarktbericht Frühjahr 2014.
17
Vergleicht man Bürogrößen von 500 bis 4000 Quadratmeter bedeutet das einen höheren
Stromverbrauch von etwa 80 kWh/m²a zwischen klimatisierten und nicht klimatisierten
Bürogebäuden. Der jährliche Energieverbrauch für Kühlung liegt bei alten Gebäuden
bei 65 kWh/m²a, bei Neubauten bei 10 kWh/m²a. Dieser Bedarf kann bei energetisch
optimierten Gebäuden auf 3 kWh/m²a reduziert werden. Ein weiterer Aspekt ist der
Stromverbrauch außerhalb der Bürozeiten, der mit einem Anteil von 30 Prozent am
Gesamtstromverbrauch relativ groß ist. (vgl. Benke 2012, S.28f.)
Nach Benke liegt in der Klimatisierung und Lüftung ein Einsparungspotential von 30
Prozent.
3.2. Künftige Nachfrage nach Kühlenergie
In der Studie „Energie der Zukunft“ wurden analog zur Temperaturentwicklung nach
REMO-UBA, siehe 2.1, drei Szenarien zum künftigen Energieverbrauch für
Raumkühlung und Klimatisierung infolge des Klimawandels bis ins Jahr 2050
modelliert. Im A2-Szenario geht man von einem starken Trend zur Klimatisierung aus,
der nicht nachhaltig ist und bei dem bis ins Jahr 2050 etwa 90 Prozent der Büroflächen
klimatisiert sind. Das Modell A1B nimmt ebenfalls einen Zuwachs von Klimaanlagen
an, berücksichtigt aber effiziente Technologien, die den Kühlbedarf reduzieren. Der
Anteil klimatisierter Büroflächen beträgt bei diesem Modell etwa 60 Prozent. Entgegen
der vorherigen Szenarien setzt Modell B1 auf vielfältigste technologische Maßnahmen
zur Reduktion des Kühlbedarfs und geht von einem geringen Zuwachs von
klimatisierten Flächen aus (vgl. Kalt/Kranzl 2010, S.101f.).
18
Abbildung 8:
Szenarien des Energieverbrauchs für Raumkühlung und
Klimatisierung in Österreich
Quelle: Kalt/Kranzl 2010, S.102
Die Modellierungen zeigen einen künftig weiter steigenden Kühlbedarf, womit der
Trend aus den analysierten Daten von 1993 fortgesetzt wird. Da aus jetziger Sicht
Klimaanlagen in Zukunft weiterhin eingesetzt werden, ist Szenario B eher zu
vernachlässigen. Der erhöhte Kühlbedarf führt besonders bei Verwendung von
konventionellen Technologien zu einem steigenden Stromverbrauch, wodurch im
Sommer sehr hohe Lastspitzen in den Stromnetzen entstehen.
19
3.3. Gesetzliche Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben 2010 vor dem
Hintergrund des steigenden Energieverbrauchs auf dem Gebäudesektor, der einen hohen
Anteil am Gesamtenergieverbrauch darstellt, eine Richtlinie zur Verbesserung der
Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und Bestandsgebäuden erlassen, die bis zum
Jahr 2020 in allen Europäischen Staaten umzusetzen ist. In Österreich sind bereits
einige Vorgaben aus dieser Richtlinie in Landesgesetze, Richtlinien und Normen
eingeflossen. Im folgenden Abschnitt wird der gesetzlich verbindliche energetische
Standard von Neubauten und Bestandsgebäuden in Wien aufgezeigt, der in der
Bauordnung für Wien und Wiener Bautechnikverordnung geregelt ist. Die Wiener
Bautechnik verweist dabei auf die Einhaltung der OIB Richtlinie 6 und des Leitfadens
Energetisches Verhalten von Gebäuden des Österreichischen Instituts für Bautechnik
(OIB) als Teil der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU).
3.3.1. Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
Die EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) wurde vor dem Hintergrund erstellt,
den Energieverbrauch auf dem Gebäudesektor zu senken, der etwa 40 Prozent am
Gesamtenergieverbrauchs in der Union ausmacht - Tendenz steigend. Des Weiteren
dient
die
Umsetzung
der
Richtlinie
der
Einhaltung
bereits
beschlossener
Klimaschutzziele, wie die Reduktion der Gesamttreibhausgaskonzentration bis 2020 um
mindestens 20Prozent im Vergleich zu den Werten von 1990 (Kyoto-Protokoll) oder die
Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent bis zum Jahr 2020, wobei der Anteil
erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch ebenfalls 20 Prozent betragen soll,
was im Europäischen Rat 2007 beschlossen wurde. Durch die Richtlinie werden
Rahmenbedingungen vorgegeben, mit Hilfe derer die Gesamtenergieeffizienz von
Neubauten und bestehenden Gebäuden, bei denen die Gesamtkosten der Sanierung 25
Prozent des Gebäudewerts übersteigen oder die Renovierung mehr als 25 Prozent der
Gebäudehülle betrifft, verbessert werden soll. Dabei sind die Mitgliedsstaaten
aufgefordert, Berechnungsmethoden zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden auf
nationaler und regionaler Ebene zu definieren und Mindestanforderungen an die
Gesamtenergieeffizienz festzulegen. Bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz
20
sollen neben den Thermischen Eigenschaften eines Gebäudes auch regenerative
Energien und eine energieeffiziente Gebäudetechnologie berücksichtigt werden, wobei
die klimatischen und lokalen Gegebenheiten zu beachten sind. Bei der Festlegung der
Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz soll ein angemessenes Kosten-/
Nutzenverhältnis zwischen den erforderlichen Maßnahmen und den über die
wirtschaftliche Lebensdauer des Gebäudes zu erzielenden Energieeinsparungen
berücksichtigt werden. (vgl. Richtlinie 2010/31/EU, S. L 153/13f)
Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen ist die
Tatsache, dass in der EU immer mehr Klimaanlagen in den Gebäuden verwendet
werden, was durch den hohen Stromverbrauch dieser Geräte zu Problemen in der
Stromversorgung zu Spitzenlastzeiten führt. Daher ist bei der Entwicklung von
Strategien auf die thermischen Eigenschaften des Gebäudes im Sommer, die
Vermeidung sommerlicher Überwärmung durch zum Beispiel Sonnenschutz oder auf
die Speicherkapazitäten der Gebäudekonstruktion zu achten. Dabei gilt es passive
Systeme, die Kühleffekte auf das Raumklima in Gebäuden oder auf das Mikroklima
außerhalb von Gebäuden haben, verstärkt einzusetzen. (vgl. Richtlinie 2010/31/EU, S. L
153/16)
Grundsätzlich
sollen
bis
31.
Dezember
2020
alle
Neubauten
als
Niedrigstenergiegebäude ausgeführt werden, deren Energiebedarf bei fast Null liegt
oder sehr gering ist. Die benötigte Restenergie soll überwiegend aus erneuerbaren
Quellen gedeckt werden, die am Standort oder in der Umgebung erzeugt werden. (vgl.
Richtlinie 2010/31/EU, S. L 153/18)
3.3.2. Landesgesetze Wien - Bauordnung für Wien und Wiener
Bautechnikverordnung
Nach der Bauordnung für Wien sind die bauphysikalischen Anforderungen an Gebäude
zur Energieeinsparung im neunten Teil - Bautechnische Vorschriften unter Abschnitt 7 Energieeinsparung und Wärmschutz in §118 geregelt. Danach muss die in einem
Gebäude benötigte Energiemenge nach dem Stand der Technik begrenzt werden, wobei
der Verwendungszweck des Gebäudes und die damit verbundenen raumklimatischen
Anforderungen zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus müssen bei Neu-, Zu- und
Umbauten, aber auch bei Änderungen und Instandsetzungen ab einem gewissen
21
Ausmaß hocheffiziente alternative Systeme eingesetzt werden, wie zum Beispiel der
Einsatz erneuerbarer Energien, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder die Verwendung
von Fern- und Nahwärme und Fern- und Nahkälte (vgl. §118 BO für Wien, Stand:
16.12.2013).
Nach Wiener Bautechnikverordnung wird den Bautechnischen Vorschriften der
Bauordnung für Wien entsprochen, wenn die Richtlinien des Österreichischen Instituts
für Bautechnik (OIB) eingehalten werden (vgl. §1 WBTV, Stand: 21.12.2012).
Insbesondere dienen die OIB Richtlinie 6 - Energieeinsparung und Wärmeschutz sowie
der Leitfaden zum Energetischen Verhalten von Gebäuden, der in Verbindung mit der
OIB Richtlinie 6 herausgegeben wurde, der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie
(Richtlinie 2010/31/EU) vgl. §4 WBTV, Stand: 21.12.2012).
3.3.3. OIB - Richtlinie 6, Ausgabe Oktober 2011
Bei der Definition der Anforderungen an den Nutzenergiebedarf wird nach
Gebäudekategorien
unterschieden,
nämlich
nach
Wohngebäuden
und
Nicht-
Wohngebäuden, wobei Bürogebäude in die Kategorie Nicht-Wohngebäude fallen. In
der Richtlinie werden Anforderungen zur Berechnung des Heizwärme- und Kühlbedarfs
bei Neubauten und bei größeren Sanierungen von Nichtwohngebäuden definiert.
Außerdem werden Anforderungen an die Berechnung des Endenergiebedarfs, dessen
Anteile sich in weiterer Folge in den Primärenergiebedarf umrechnen lassen, gestellt.
Beispielsweise wird bei Nicht-Wohngebäuden der jährliche Heizwärmebedarf von
Neubauten mit höchstens 18,7 kWh/m³a und von Sanierungen mit höchstens 30
kWh/m³a festgelegt. Nach dem Primärenergiebedarf werden die Gebäude in
verschiedene Effizienzklassen eingeteilt. (vgl. OIB RL, 2011-10)
22
Abbildung 9:
Klassengrenzen des jährlichen Heizwärmebedarfs
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
Abbildung 10: Klassengrenzen des jährlichen Primärenergiebedarfs
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
Nach der Richtlinie muss bei Nicht-Wohngebäuden der Nachweis über die Vermeidung
der sommerlichen Überwärmung nach ÖNORM B 8110-3 erbracht werden oder ein
maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf von 1,0 kWh/m³a eingehalten werden.
Dieser Kühlbedarf entsteht ausschließlich durch Solareinträge und Transmission. Des
Weiteren werden in der Richtlinie Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile
hinsichtlich maximal zulässiger Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte) definiert.
Das betrifft sowohl Neubauten als auch Renovierungen von Gebäuden. (vgl. OIB RL,
2011-10)
23
Abbildung 11: Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile, Auszug
Bauteil
U-Wert
[W/m²K]
1
WÄNDE gegen Außenluft
0,35
10
FENSTER, FENSTERTÜREN, VERGLASTE TÜREN jeweils in 1,70
Nicht-Wohngebäuden (NWG) gegen Außenluft²
19
DECKEN und DACHSCHRÄGEN jeweils gegen Außenluft und 0,20
gegen Dachräume (durchlüftet oder ungedämmt)
25
BÖDEN erdberührt
0,40
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
3.4. Energetische Standards von Bürogebäuden (Nichtwohngebäuden NWG)
Gebäude können hinsichtlich ihrer Energieeffizienz verschiedenen Kategorien
zugeordnet werden. Ausgehend von den gesetzlichen Mindestanforderungen werden je
nach
Effizienzgrad
Passivhausstandard,
der
Gebäude
Nullenergie-
und
Niedrig-
und
Niedrigstenergiestandard,
Plusenergiestandard
unterschieden.
Die
Anforderungen dieser energetischen Standards werden nachfolgend vorgestellt. Eine
wichtige Größe ist in diesem Zusammenhang der jährliche Heizwärmebedarf, bei
dessen Ermittlung das Referenzklima (RK) und die Gebäudegeometrie (Ic)
berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der Gebäudegeometrie wird die
charakteristische Länge (Ic) als Maß für die Gebäudegeometrie über das Verhältnis von
beheiztem Gebäudevolumen (VB) zur Fläche der thermischen Gebäudehülle (AB)
berechnet, Ic = VB / AB.
24
3.4.1. Gesetzliche Mindestanforderungen
Die gesetzlichen energetischen Mindestanforderungen sind in den jeweiligen
Bauordnungen definiert. Die OIB-Richtlinie 6 Stand 2011 ist bis auf Salzburg in allen
Bundesländern einzuhalten. In Salzburg ist derzeit noch die OIB-Richtlinie 6 Stand
2007 in Kraft (vgl. OIB 2011). Danach müssen neben definierten maximal zulässigen
Werten
für
wärmeübertragende
Bauteile
auch
Grenzwerte
für
den
Jahresheizwärmebedarf und für den sommerlichen Wärmeschutz eingehalten werden.
Bei
Neubauten
von
Nichtwohngebäuden
ist
folgender
Grenzwert
im
Jahresheizwärmebedarf einzuhalten:
Abbildung 12: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWG,max,RK Neubau
HWB*V,NWG,max,RK = 5,5 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a]
Höchstens jedoch 18,7 [kWh/m³a]
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
Die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung kann entweder über die ÖNORM B
8110-3
nachgewiesen
werden
oder
es
muss
folgender
maximal
zulässiger
außeninduzierter Kühlbedarf eingehalten werden.
Abbildung 13: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max Neubau
Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max = 1,0 kWh/m³a
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
Bei Sanierungen von Nichtwohngebäuden gibt es Erleichterungen bei der Einhaltung
der
zulässigen
Grenzwerte.
Es
gilt
folgender
maximal
zulässiger
Jahresheizwärmebedarf:
Abbildung 14: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWGsan,max,RK bei Sanierung:
HWB*V,NWGsan,max,RK = 8,5 x (1+2,5/Ic) [kWh/m3a] Höchstens jedoch 30,0 [kWh/m3a
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
Die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung kann ebenfalls entweder über die
ÖNORM B 8110-3 nachgewiesen werden oder es muss folgender maximal zulässiger
außeninduzierter Kühlbedarf eingehalten werden:
25
Abbildung 15: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max bei Sanierung:
Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWGsan,max = 2,0 kWh/m³a
Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10
3.4.2. Niedrig- und Niedrigstenergiegebäude
Die
Anforderungen
für
Niedrigenergie
und
Niedrigstenergiegebäude
von
Nichtwohngebäuden sind in der ÖNORM B 8110 - 1 Stand 2011 definiert. Auch hier
werden bei der Deklaration dieser energetischen Standards Grenzwerte für den
Jahresheizwärmebedarf und Vorgaben zur Vermeidung sommerlicher Überwärmung
festgelegt. Für den jährlichen Heizwärmebedarf gelten folgende maximal zulässige
Werte HWB*V,nE-NWG,RK für Niedrigenergiegebäude und HWB*V,nstE-NWG,RK für
Niedrigstenergiegebäude.
Abbildung 16: Anforderung für die Deklaration von
Niedrigenergiegebäudehüllen
HWB*V,nE-NWG,RK ≤ 5,67 x (1+2,5/Ic) [kWh/m³a]
Quelle: vgl. ÖNORM B 8110-1, 2011-08
und
Abbildung 17: Anforderung für die Deklaration von
Niedrigstenergiegebäudehüllen
HWB*V,nstE-NWG,RK ≤ 3,33 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a]
Quelle: vgl. ÖNORM B 8110-1, 2011-08
Die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz müssen nach der ÖNORM B
8110-3 nachgewiesen werden. Danach muss eine maximale operative Temperatur von
27°C in den Haupträumen unterschritten werden, wobei Klimaannahmen, Werte für
innere Lasten und Lüftungsmöglichkeiten laut ÖNORM B 8110-3 zu berücksichtigen
sind. Höhere Standards als Niedrigstenergie-Gebäude sind in dieser ÖNORM nicht
angeführt.
26
Mit der ÖNORM B 8110 - 1 werden lediglich Anforderungen an den Wärmeschutz der
Gebäudehülle deklariert. Der in dieser Norm definierte Niedrigstenergiestandard ist
noch nicht mit dem Niedrigstenergiestandard nach EU-Gebäuderichtlinie vergleichbar,
weil keine Anforderungen an den Primär- oder Endenergiebedarf des Gebäudes
festgelegt wurden.
3.4.3. Passivhausstandard
Der Passivhausstandard wird vom Passivhaus-Institut Darmstadt als Initiator der
Passivhäuser definiert. Passivhäuser sind Gebäude, die über einen derart geringen
jährlichen Heizwärmebedarf verfügen, dass keine separate Gebäudeheizung und
-klimatisierung erforderlich ist, um die Behaglichkeitskriterien zu erfüllen. Dieser
Standard wird vor allem durch eine sehr gute Dämmung der Gebäudehülle und durch
eine kontrollierte Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung erreicht. Dabei sind die in
der folgenden Abbildung dargestellten Kriterien für Nichtwohngebäude einzuhalten.
Abbildung 18: Kriterien für Passivhäuser mit Nicht-Wohnnutzung (NiWo)
Jährlicher Heizwärmebedarf
max. 15,0 [kWh/m²a]
Energiekennwert Nutzkälte
max. 15,0 [kWh/m²a]
Jährlicher Primärenergiebedarf
max. 120,0 [kWh/m²a]
Quelle: vgl. http://www.ibo.at/de/passivhaus/index.htm
Die Energiekennzahlen werden für das jeweilige Projekt nach dem Passivhaus
Projektierungs-Paket (PHPP) berechnet und bei Einhaltung der Kriterien wird das
Gebäude als Passivhaus durch das Passivhaus-Institut zertifiziert. Allerdings ist zu
berücksichtigen,
das
die
Berechnungsmethode
nach
PHPP
nicht
mit
den
österreichischen Anforderungen vergleichbar ist. Zum Beispiel entspricht der
Heizwärmebedarf von 15,0 kWh/m²a bezogen auf die Netto-Grundfläche etwa maximal
einem Heizwärmebedarf von 10 kWh/m²a bezogen auf die Brutto-Grundfläche, der
nach OIB Richtlinie 6 berechnet wurde (vgl. www.igpassivhaus.at). Des Weiteren
müssen für einen Passivhausstandard bestimmte Anforderungen bei der Gebäudehülle
erreicht werden.
27
Abbildung 19: Qualitätsanforderungen an Passivhäuser
Bauteil
U-Wert
[W/m²K]
Opake Außenbauteile
0,15
Fenster und andere transluzente Bauteile
<0,8
Quelle: vgl. Passivhaus Institut
Der
Passivhausstandard
entspricht
bei
Einhaltung
der
Kriterien
hinsichtlich
Primärenergiebedarf mindestens Klasse B, hinsichtlich Heizwärmebedarf mindestens
Klasse A+ nach OIB Richtlinie 6. Die Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile
sind wesentlich höher als die Mindestanforderungen nach OIB-Richtlinie. Der
Passivhausstandard bildet eine gute Grundlage für höhere Energiestandards.
3.4.4. Nullenergie- und Plusenenergiegebäude
Ein Nullenergiehausstandard wird dann erreicht, wenn die Energiebilanz des Gebäudes
über ein Jahr gesehen ausgeglichen ist. Dabei müssen Energiegewinne, die im Gebäude
durch alternative Energiesysteme wie beispielsweise Solaranlagen oder Wärmepumpen
erzeugt werden, den externen Energiebedarf im Jahresdurchschnitt aufwiegen.
Voraussetzung ist eine kompakte und gut gedämmte Gebäudehülle, wobei nicht
unbedingt ein Passivhausstandard erreicht werden muss. Wichtig ist eine über das Jahr
gesehen ausgeglichene Energiebilanz. Bei einem Plusenergiegebäude wird durch das
Gebäude mehr Energie erzeugt als im Betrieb benötigt wird. Bei beiden Standards wird
in einer Energiejahresbilanz der Verbrauch externer Energie der im Gebäude
produzierten Energie gegenübergestellt. (vgl. MA 20 2012, S.68)
Wenn keine Energie von außen bezogen werden muss, spricht man von energieautarken
Gebäuden. Dann wird der gesamte jährliche Energiebedarf durch eigene Gewinne
gedeckt. (vgl. Pistohl 2007, I119)
28
3.4.5. Energiebewusstes Bauen - Kriterien und Anforderungen für
Dienstleistungsgebäude in Wien
Der ab 2020 für Neubauten und für größere Renovierungen von Gebäuden
vorgeschriebene Niedrigstenergiestandard nach der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie
2010/31/EU) stellt Anforderungen an den Energiebedarf der Gebäude, der fast bei Null
liegen beziehungsweise sehr gering sein soll und überwiegend aus erneuerbaren Quellen
gedeckt werden soll. Diese Definition von „fast Null oder sehr geringe Energiebedarf“
lässt einen gewissen Spielraum zu. Bisher gibt es noch keine verbindliche Vorgabe in
Gesetzen,
Richtlinien
oder
Normen,
die
den
Endenergieverbrauch
von
Niedrigstenergiegebäuden begrenzen oder eine im Jahresmittel ausgeglichene
Energiebilanz
laut
Definition
Nullenergiegebäude
vorschreiben.
Verbindliche
Grenzwerte werden derzeit nur an den Jahresheizwärme- und Kühlbedarf gestellt sowie
an wärmeübertragende Bauteile. Dabei sind die Werte für den Endenergiebedarf (EEB),
Haushaltsstrom- (HHSB) und Betriebsstrombedarf (BSB), Primärenergiebedarf
(PEBBGF,SK),
Kohlendioxidemissionen
(CO2,BGF,SK)
und
der
Gesamtenergieeffizienzfaktor (fGEE) nach vorgegebenen Berechnungsmethoden zu
ermitteln
beziehungsweise
im
Energieausweis
anzuführen.
Im
Auftrag
der
Magistratsabteilung 20 - Energieplanung wurde 2012 für die Stadt Wien ein Leitfaden
für energiebewusstes Bauen für Dienstleistungsgebäude in Wien erstellt, in dem
Kriterien und Zielwerte für die Umsetzung energiebewusster Dienstleistungsgebäude
definiert worden sind. Die Zielwerte gehen über die gesetzlichen Mindestanforderungen
hinaus und orientieren sich am Nullenergiehausstandard der EU-Gebäuderichtlinie
(Richtlinie 2010/31/EU), der aus jetziger Sicht ab 2020 verbindlich sein wird. Von der
Stadt Wien wurden sechs Schwerpunkte mit unterschiedlichen Prioritätsstufen
festgelegt, die als Bewertungskriterien auszugsweise vorgestellt werden. Das
Kriterienset ist bisher nicht verbindlich, sondern dient Projektentwicklern und
Projektentwicklerinnen als Hilfestellung bei der Umsetzung energiebewusster
Dienstleistungsgebäude. Danach können bereits jetzt Nullenergiegebäude realisiert
werden, die ab 2020 Standard sein werden. (vgl. Grim, 2012)
29
Abbildung 20: Prioritäten der Stadt Wien im Bereich des energiebewussten und
nachhaltigen Bauens
1.
Gebäudehülle optimieren.
2.
Stromverbrauch reduzieren.
reduzieren
3.
Langlebigkeit forcieren.
4.
Nachhaltige Mobilität fördern.
5.
Erneuerbare Energien nutzen.
6.
Ökologisches Handeln unterstützen.
Quelle: vgl. Grim 2012, S.7
Inn der nachfolgenden Grafik werden die Anforderungen für energiebewusste
Dienstleistungsgebäude an den Heizwärmebedarf und an den außeninduzierten
Kühlbedarf für Neubauten und Sanierungen aufgezeigt.
Abbildung 21: Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger
Dienstleistungsgebäude in Wien - Neubau
Quelle: Grim 2012, S.8
30
Abbildung 22: Zielwerte für
für außeninduzierten Kühlbedarf und
Heizwärmebedarf
eizwärmebedarf - Neubau
Quelle: . Grim 2012, S.8
Die Anforderung an den Heizwärmebedarf entspricht der Anforderung von
Niedrigstenergiegebäuden nach ÖNORM B 8110 - 1. Das Kriterium für den
außeninduzierten Kühlbedarf liegt mit 0,2 kWh/m³a weit unter der verbindlichen
Anforderung von 1,0 kWh/m³ bei Neubauten nach OIB Richtlinie 6. In Abbildung 22:
werden
en die höheren Anforderungen des Kriteriensets im Vergleich zu den gesetzlichen
Mindestanforderungen nach Bauordnung sehr anschaulich aufgezeigt.
aufgezeigt Nachfolgend
werden die Anforderungen an Sanierungen dargestellt.
Abbildung 23: Auszug Zielwerte für die Qualität derr Gebäudehülle künftiger
Dienst
Dienstleistungsgebäude
in Wien - Sanierung
Quelle: Grim 2012, S.12
31
Abbildung 24: Zielwert für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf
- Sanierung
Quelle: . Grim 2012, S.12
Die Anforderung an den Heizwärmebedarf bei Sanierungen mit HWB* ≤ 5,50 x
(1+2,5/Ic) [kWh/m³a] liegt unter den Mindestanforderungen für Neubauten nach OIB
Richtlinie 6 mit HWB* = 5,50 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a]. Durch die Änderung der Zahl
3,0 (OIB) auf 2,5 (Kriterienset) wurde die Steigung der Formel geändert und die
Anforderungen dadurch verschärft. Das Kriterium für den außeninduzierten Kühlbedarf
befindet sich mit 0,2 kWh/m³a ebenfalls weit unter den verbindlichen Anforderungen
von 1,0 kWh/m³ bei Neubauten nach OIB Richtlinie 6. Abbildung 23: zeigt auch hier
sehr anschaulich die höheren Anforderungen des Kriteriensets im Vergleich zu den
gesetzlichen Mindestanforderungen nach Bauordnung. Des Weiteren wurden zur
Reduktion des Stromverbrauchs Zielwerte für den Gesamtenergieeffizienzfaktor mit
fGEE ≤ 0,7 und für den Kühlenergiebedarf KEB26 ≤ 9,00 kWh/m²a vorgegeben. Bei einer
Büronutzung gelten diese Werte sowohl für Neubauten als auch Sanierungen. Die
Berechnung erfolgt nach OIB Richtlinie 6 beziehungsweise nach OIB Leitfaden für das
energetische Verhalten von Gebäuden (vgl. MA 20 2012, S.9 und S.13). Unter Punkt
„Erneuerbare Energieträger“ wurde ein Zielwert zur Begrenzung der CO2-Emissionen
mit CO2 ≤ 36 kg/m²BGFa für Neubauten und CO2 ≤ 40 kg/m²BGFa für Sanierungen
vorgegeben, der nach ÖNORM B 8110 - 6 nachzuweisen ist (vgl. Grim 2012, S.11 und
S.17).
32
4. Kühlstrategien auf städtischer Ebene.
In Wien gibt es bereits verschiedene Programme, um den Energieverbrauch der Stadt zu
reduzieren und den Einsatz erneuerbarer Energien zu fördern. Der Bereitstellung und
Erzeugung von Kühlenergie kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu, da der
Kühlbedarf von Gebäuden aufgrund der längeren Wärmeperioden und einer höheren
Anzahl an Kühlgradtagen steigen wird. Neben der reinen Energieversorgung werden
auch Konzepte erarbeitet, wie mit stadtplanerischen Maßnahmen das Mikroklima in der
Stadt beeinflusst werden kann, um den Kühlbedarf aufgrund der Hitzebelastung in der
Innenstadt zu verringern.
4.1. Programme zur Reduktion des Energieverbrauchs
Von der Stadt Wien werden zur Senkung des Energieverbrauchs unterschiedliche
Programme verfolgt, die einerseits schon vor einigen Jahren initiiert wurden und aus
denen bereits Rückschlüsse gezogen werden können oder andererseits gerade entwickelt
werden. Dabei werden folgende Programme dargestellt:
•
KliP II (Klimaschutzprogramm Wien)
•
SEP (Städtisches Energieeffizienz - Programm)
•
RAP (Renewable Action Plan Vienna)
•
Smart City Wien
Die Programme reichen von Klimaschutzzielen, wie der Reduktion der CO2 Emissionen (KliP II), über Maßnahmen zur Minimierung des Energieverbrauchs (SEP)
mit Integration von erneuerbaren Energien im städtischen Energiemix (RAP) bis hin zu
einer übergeordneten Rahmenstrategie für die Smart City Wien, in der diese Programme
einfließen und koordiniert werden.
33
4.1.1. KliP II - Klimaschutzprogramm der Stadt Wien
Das Klimaschutzprogramm der Stadt Wien (KliP) wurde bereits 1999 zur Reduktion der
CO2-Emissionen initiiert und lief in einer ersten Phase bis 2010. Durch die Maßnahmen
des KliP I konnten bereits 3,1 Mio. Jahrestonnen an Treibhausen vermieden werden.
2009 wurde die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms (KliP II) bis ins Jahr 2020
beschlossen mit umfassenden Maßnahmen in den Bereichen:
•
Energieaufbringung
•
Energieverwendung
•
Mobilität und Stadtstruktur
•
Beschaffung, Abfallwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz
•
Öffentlichkeitsarbeit
Im Vergleich zu 1990 sollen die Treibhausgase um 21Prozent pro Einwohner und Jahr
bis ins Jahr 2020 reduziert werden. Das bedeutet eine weitere Reduktion von 1,4 Mio.
Tonnen Treibhausgase. (vgl. Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.5)
Im Bereich Energieaufbringung werden unter anderem Maßnahmen für eine
klimaschonende
Kühlung
empfohlen.
Danach
sollen
anstelle
dezentraler
Kompressionskältemaschinen vorwiegend Fernkälte oder solare Kühlung eingesetzt
werden. Falls die Kälte dennoch dezentral vor Ort erzeugt werden muss, sollten
thermische Kältemaschinen verwendet werden, die mit Fernwärme oder Solarenergie
angetrieben werden. (vgl. Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.36f.)
Im Rahmen der Energieverwendung setzt man beispielsweise auf eine verbesserte
thermische Qualität der Gebäudehülle, um Energieverluste zu minimieren. Desweiteren
gilt es den Kühlbedarf entsprechend der Gebäudekategorie durch planerische und
haustechnische Maßnahmen zu reduzieren oder ganz auszuschließen, wie zum Beispiel
durch die Nutzung von Speichermassen, Bauteilaktivierung oder Nachtlüftung. (vgl.
Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.59)
34
4.1.2. SEP - Städtisches Energieeffizienz-Programm
Durch das Städtische Energieeffizienz-Programm (SEP) werden seit 2006 Maßnahmen
gesetzt, um den Energieverbrauch der Stadt Wien zu reduzieren ohne dabei den
Lebensstandard der Bewohner zu beeinträchtigen. Die Maßnahmen zur Energieeffizienz
und Energieeinsparung betreffen folgende Bereiche:
•
Privathaushalte
•
Private Dienstleistungen
•
Öffentliche Dienstleistungen
•
Industrie und produzierendes Gewerbe
•
Verkehr und Landwirtschaft
Das Programm läuft noch bis 2015 und wird von der Magistratsabteilung 20
koordiniert. In der letzten Evaluierung im Jahr 2012 wurde errechnet, dass durch die
Maßnahmen des SEP seit 2006 etwa 160 GWh Energie pro Jahr eingespart wurden. Die
Maßnahmen beinhalten beispielsweise Anforderungen an die Ausführungsqualität von
Sanierungen und Neubauten im Rahmen von Förderungen, wie die Verwendung von
energieeffizienten Heizsystemen, oder die Verwendung von energieeffizienter
Beleuchtung im öffentlichen Bereich. (vgl. MA 20 2012, S.61)
Im Rahmen der letzten Evaluierung, die alle drei Jahre durchgeführt wird, wurde auch
festgestellt, dass viele Maßnahmen in dem Städtischen Energieeffizienz Programm von
2006 nicht mehr aktuell sind. Einerseits haben sich die Rahmenbedingungen in einigen
Bereichen geändert und damit auch die Herausforderungen. Andererseits bietet die
technologische Entwicklung neue Möglichkeiten, um Anforderungen zu definieren. Da
das Programm noch bis Ende 2015 läuft, werden die bisherigen Maßnahmen für das
Nachfolgeprogramm überarbeitet werden, worin auch das Thema Kühlung und
Klimatisierung wichtiger werden wird. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier,2014)
35
4.1.3. RAP - Renewable Action Plan Vienna
Im Renewable Action Plan Vienna (RAP_Vie), welcher ebenfalls von der
Magistratsabteilung 20 koordiniert wird, werden Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer
Energien wie Solarenergie und Geothermie definiert. Der Maßnahmenkatalog gilt bis
ins Jahr 2020 und beinhaltet zum Beispiel neben dem Ausbau des Fernwärmenetzes
auch die Einspeisung von regenerativen Energien, wie Geothermie, in das
Fernwärmenetz oder den Ausbau von Photovoltaikanlagen und solarthermischen
Anlagen. Des Weiteren sieht der Renewable Action Plan auch Investitionen in
regenerative Stromerzeugung, wie beispielsweise Windkraftanlagen, außerhalb Wiens
vor, wenn damit Energie für die Stadt Wien produziert wird. Für die Zukunft sollen die
Energienetze zu intelligenten Netzen umgebaut werden, wobei Möglichkeiten
geschaffen werden sollen, Stromüberschüsse aus regenerativen Quellen zu speichern.
(vgl. MA 20 2012, S.81)
Grundsätzlich geht es um den Einsatz von erneuerbaren Energien, die vor Ort möglichst
keine Emissionen verursachen. Dafür eignen sich in Wien vor allem Solarthermie und
Photovoltaik oder die Nutzung der Erdwärme oder Grundwasserwärme. Die Nutzung
von
Windkraft
ist
aufgrund
der
begrenzten
Fläche
Wiens
und
aus
genehmigungsrechtlichen Gründen nur eingeschränkt möglich. Daher werden durchaus
Investitionen außerhalb Wiens getätigt, um den Energiemix für die Stadt Wien zu
erweitern.
Im Osten Österreichs gibt es bereits einige Windparks, die tendenziell
ausgebaut werden. Energie aufgrund von Überproduktion aus den Windkraftanlagen
könnte künftig von der Stadt Wien genutzt werden. Ein zentraler Bestandteil des
städtischen Energiemix werden nach wie vor Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bilden,
die einerseits Wärme ins städtische Fernwärmenetz einspeisen und andererseits Strom
erzeugen. In das Fernwärmenetz soll künftig zusätzlich zum Biomasseheizkraftwerk in
Simmering mehr Energie aus erneuerbaren Quellen eingespeist werden. Die Stadt Wien
setzt dabei auf den Ausbau der Tiefengeothermie, wo Bohrtiefen von bis zu fünf
Kilometern erreicht werden. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
36
4.1.4. Smart City Wien
Der Begriff Smart City wurde schon seit Ende der 1990er Jahren für eine vernetzte
Gesellschaft
verwendet,
bei
der
das
Leben
durch
Informations-
und
Kommunikationstechnologien (IKT) geprägt ist. Heute versteht man unter dem Begriff
Smart City eine Lebensqualität, bei der ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen unter
Verwendung intelligenter IKT - Systeme erreicht wird. Aufgrund des weltweiten Trends
zum Städtewachstum sind gerade auf städtischer Ebene Konzepte gefragt, wie man
effizient mit Ressourcen umgehen kann, da gerade Städte die größten CO2-Emissionen
verursachen. Die Stadt Wien setzt bei dem Konzept der Smart City Schwerpunkte in
folgenden Bereichen:
•
Energie
•
Klima,
•
Verkehr
•
Stadtentwicklung
Die Programme Renewable Action Plan Vienna und das Städtische Energieeffizienz
Programm bilden dabei die Grundlage für die Energiepolitik der Smart City. (vgl. MA
20 2012, S.93f.)
In einem ersten Stakeholderprozess im Jahr 2011 wurden langfristige Ziele in Form
einer Roadmap for 2020 and beyond für das Smart City Konzept erarbeitet. Dieser
Prozess wird unter der Leitung der MA 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung in
Verbindung mit der Smart City Wien Agentur, die bei dem Unternehmen TINA Vienna
Urban Technologies & Strategies GmbH angesiedelt ist, weitergeführt. Derzeit wird
aufbauend auf der Roadmap eine Rahmenstrategie zur Smart City entwickelt, in der
bereits laufende Programme der Stadt integriert und koordiniert werden. Die
Programme der verschiedenen Magistratsabteilungen werden dadurch nicht mehr für
sich allein betrachtet, sondern im Zusammenhang mit einer übergeordneten Strategie.
Diese Rahmenstrategie wird dieses Jahr in den Wiener Gemeinderat eingebracht. (vgl.
Expertengespräch Schaffler, 2014)
Im Bereich der Stadtplanung sollen über Vorgaben im Stadtentwicklungs- und
Flächenwidmungsplan,
wie
Orientierung
und
Dichte
der
Baumassen
mit
37
Vorschreibungen zur Energieeffizienz in Gebäuden, Energieeinsparungen erzielt
werden (vgl. MA 18 2012, S.14).
Im Neubau sollen bis 2020 entsprechend der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie
2010/31/EU) nur noch Null-Energie-Gebäude mit Verwendung erneuerbarer Energien
realisiert werden. Das betrifft sowohl den Heizbedarf als auch den Kühlbedarf. Bei
Bestandsgebäuden
wie
Wohngebäude
und
Nicht-Wohngebäude
sollen
die
Sanierungsraten durch Förderungen und optimierte Standards gesteigert werden, wobei
bei Nicht-Wohngebäuden unter Berücksichtigung einer Lebenszyklusbetrachtung zu
prüfen ist, ob Abbruchmaßnahmen anstatt ineffizienter Sanierungen ökonomisch
sinnvoller sind. Grundsätzlich sollte bei Sanierungen die Bereitstellung von
Kühlenergie durch Kältemaschinen vermieden werden. (vgl. MA 18 2012, S.20f.)
4.2. Energieversorgung - Bereitstellung von Kühlenergie
Die Erzeugung von Kühlenergie erfolgt bei konventionellen Systemen in der Regel fast
ausschließlich über einen hohen Einsatz von elektrischer Energie. Infolge des
Klimawandels und der weiteren Verbreitung von Raumklimatisierung treten im
Sommer immer häufiger extrem hohe Lastspitzen in den Stromnetzen auf. „Nach
Einschätzung von ExpertInnen wird in einigen Jahren der Energiebedarf für
Bürokühlung im
Sommer mit
dem
heutigen
Heizenergiebedarf
im
Winter
übereinstimmen“ (MA 20 2012, S.71). Um den Bedarf von Kühlenergie zu senken und
eine Überlastung der Stromnetze zu vermeiden, verfolgt die Stadt Wien die Strategie
den Kühlbedarf von Gebäuden durch bauliche Maßnahmen und Vermeidung externer
und interner Lasten, siehe Kapitel 5.1.2, möglichst gering zu halten. Bei der Erzeugung
von Kühlenergie sollen alternative Systeme anstatt konventioneller Systeme eingesetzt
werden. (vgl. MA 20 2012, S.71)
Von städtischen Versorgungsunternehmen wird die Kühlenergie zentral über ein
Fernkältenetz oder dezentral über thermische Kältemaschinen unter Verwendung von
Fernwärme bereitgestellt, siehe Kapitel 4.1.1.
38
4.2.1. Zentrale Versorgung mit Kühlenergie
Bei einer Versorgung von Gebäuden mit Fernkälte wird die Kühlenergie zentral in einer
Anlage aufbereitet und über ein Fernkältenetz an die entsprechenden Abnehmer verteilt.
Bei diesem Konzept werden Kälteanlagen, in der Regel Sorptionskältemaschinen in der
Nähe von Orten mit hohen Wärmeabgaben, meistens thermische Kraftwerke, errichtet.
Die Kühlenergie wird dann unter Verwendung von Wärme erzeugt über einen
Kaltwasserkreislauf mit isolierten Rohrleitungen zu den Abnehmern transportiert, wo
sie in das jeweilige Kühlsystem des Gebäudes eingespeist wird. Fernkälte eignet sich
besonders für Gebäude mit einem hohen Kühlbedarf, da durch die zentrale Versorgung
mit Kühlenergie eigene Kältemaschinen mit hohem Energieverbrauch vor Ort
vermieden werden können. Eine klassische Fernkältezentrale wurde 2009 mit einer
Leistung von 17 Megawatt (MW) in Spittelau, gleich in der Nähe zum
Müllheizkraftwerk, errichtet. Zur Erzeugung der Kälte wird die Wärme aus der
Verbrennung des Mülls und die Abwärme der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen genutzt.
Die
Wärme
wird
in
der
Kältezentrale
als
Antriebsenergie
für
zwei
Absorptionskältemaschinen, siehe Kapitel 5.2.6.2, mit je fünf MW genutzt, bei denen
der Stromverbrauch wesentlich niedriger ist als bei konventionellen Kältemaschinen.
Zusätzlich wurde eine Kompressionskältemaschine mit 7 MW integriert, die mit dem
Strom aus den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen des Müllheizkraftwerks versorgt wird.
Gerade im Sommer außerhalb der Heizperiode steht ein großes ungenutztes Potential an
Wärme aus dem Müllheizkraftwerk zur Verfügung, dass zur Erzeugung von
Kühlenergie genutzt werden kann. Die Fernkältezentrale in Spittelau versorgt unter
anderem das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien als größten Abnehmer von
Kühlenergie und spart durch die Nutzung von Abwärme im Vergleich zur
konventionellen Kälteerzeugung etwa 79Prozent an CO2-Emissionen ein. Das
Fernkältenetz wird daher voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten weiter ausgebaut
werden. (vgl. MA 20 2012, S.71f.)
Allerdings ist man beim Kältetransport aufgrund der niedrigen Temperaturdifferenzen
zwischen Zulauf und Rücklauf in der Leistung begrenzt. Die Zulauftemperatur bei der
Versorgung eines Gebäudes beträgt etwa 6 Grad und die Rücklauftemperatur zur
Kältezentrale etwa 12 Grad. Dadurch ist der Hub, den man energetisch gewinnen kann,
sehr gering. Beispielsweise können bei der Fernwärme mit Zulauftemperaturen von
39
140°C bis 150°C und Rücklauftemperaturen von 60°C bis 70°C größere Energiemengen
umgesetzt werden. Der Kältetransport ist daher energetisch nicht so effektiv wie der
Fernwärmetransport. Ein weiterer Aspekt sind die Kosten für einen Fernkälteanschluss,
die sich erst ab gewissen Abnahmemengen rechnen. Man muss genau prüfen, in
welchen Bereichen die Investition in ein Fernkältenetz sinnvoll ist, wie beispielsweise
bei einem Ensemble von Gebäuden, wo einen hoher Kühlbedarf vorhanden ist oder bei
Großabnehmern aus dem Gewerbe oder Industrie. Grundsätzlich müssen im Sommer
entsprechende Wärmeüberschüsse aus den thermischen Kraftwerken vorhanden sein,
dass eine zentrale Fernkälteversorgung sinnvoll angeboten werden kann. (vgl.
Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
Die Verwendung von Fernkälte ist im Bürobau aufgrund der hohen Anschlusskosten
bisher unattraktiv. Besonders bei energieeffizienten Gebäuden, die den Kühlbedarf
teilweise aus regenerativen Quellen decken, wird ein Fernkälteanschluss aus
Kostengründen in der Regel ausgeschlossen. (vgl. Expertengespräche Balogh,
Steininger, Weiss/ Wiedmann, 2014)
Die Kosten für einen Fernkälteanschluss sind oft auch dann ein Ausschlusskriterium,
wenn große Mengen an Kühlenergie aufgrund von Rechenzentren abgenommen werden
könnten, da eine alternative Erzeugung von Kühlenergie wesentlich günstiger ist (vgl.
Expertinnengespräch Balogh, 2014).
Nach Meinung der befragten Experten ist die Verwendung dezentraler Kälteanlagen
sinnvoller, da das Fernwärmenetz zum Betrieb von thermischen Kältemaschinen
verwendet werden kann. Der Vorteil liegt darin, dass die Infrastruktur des
Fernwärmenetzes bereits vorhanden ist und daher ein Gebäudekomplex über
Kältemaschinen vor Ort mit Kühlenergie versorgt werden kann, was besonders dann
effektiv ist, wenn im Sommer entsprechende Wärmeüberschüsse aus den thermischen
Kraftwerken günstig zur Verfügung stehen. (vgl. Expertengespräche Selke, Steininger,
Weiss/ Wiedmann, 2014)
40
4.2.2. Dezentrale Versorgung mit Kühlenergie
Bei der dezentralen Erzeugung von Kühlenergie werden thermische Kältemaschinen
entweder direkt in der Kältezentrale des zu kühlenden Gebäudes oder in einer eigenen
Kältezentrale
zur
Versorgung
mehrerer
Gebäude
verortet.
Die
thermischen
Kältemaschinen werden mit Wärme betrieben, die entweder über das Fernwärmenetz
oder alternative Systeme wie Solarthermie bereit gestellt wird. Solarthermie eignet sich
besonders, da der Kühlbedarf in den Gebäuden meistens dann am größten ist, wenn
auch die Sonneneinstrahlung am intensivsten ist und damit Kühlenergie erzeugt werden
kann. Durch die Nutzung von Fernwärme wird das Fernwärmenetz auch im Sommer
besser ausgelastet und das Stromnetz dadurch entlastet. Dezentrale Kälteanlagen bieten
sich vor allem dort an, wo bereits ein Fernwärmeanschluss vorhanden ist und
Fernkältenetze auch nicht geplant sind. In Wien werden bereits einige Gebäude über
eine dezentrale Kälteanlage versorgt wie zum Beispiel der Businesspark TownTown im
dritten Wiener Bezirk, in dem 21 Bürogebäude mit Kühlenergie versorgt werden. (vgl.
MA 20 2012, S.72f.)
Abbildung 25: Schema des Fernkältenetzes in TownTown
Quelle: MA 20 2012, S.71
41
Weitere dezentrale Kälteanlagen befinden sich beispielsweise im Sozialmedizinischen
Zentrum Ost (SMZ Ost), am Schottenring, womit die Innenstadt versorgt wird oder
auch im neuen Hauptbahnhof. Zusammen mit anderen kleineren Kälteanlagen werden
etwa 79 MW Kälte erzeugt, wobei Wien Energie bis 2020 das Fernkältenetz auf 200
MW ausbauen will. Wird zur Kälteerzeugung Fernwärme verwendet, werden nur
ungefähr 10 Prozent des Primärenergiebedarfs einer konventionellen Kälteerzeugung
verbraucht (vgl. MA 20 2012, S.72f.)
Eine interessante Entwicklung der Wien Energie ist der Umstand, gewerbliche
energieeffiziente Neubauprojekte nicht mehr mit Fernwärme zu versorgen. Hier liegt
die Vermutung nahe, dass sich die Investitionskosten für einen Fernwärmeanschluss auf
Seite des Energieversorgers im Vergleich zur Energiemenge, die an den Kunden
abgegeben werden kann, nicht mehr rechnen, da der Restwärmebedarf bei diesen
Neubauten zu gering ist, was aber in dieser Arbeit nicht weiter verifiziert wird (vgl.
Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014).
Der Einsatz zentraler oder dezentraler Fernkälteversorgung ist daher im Einzelfall zu
prüfen. Entsprechende Abnahmemengen sind jedenfalls eine Voraussetzung für eine
wirtschaftliche Nutzung von Fernkälte sowohl auf Seite des Energieversorgers als auch
auf Seite des Abnehmers.
42
4.3. Städtisches Mikroklima
Infolge des Klimawandels kommt den Maßnahmen zur Gestaltung eines angenehmen
Stadtklimas eine immer größere Bedeutung zu. In Wien sind Maßnahmen zur
Verbesserung des Stadtklimas beispielsweise im Stadtentwicklungsplan STEP 2025
enthalten und werden in Projekten wie dem Urban Heat Islands - Strategieplan Wien
zur Vermeidung städtischer Wärmeinseln auf Effizienz und Umsetzbarkeit untersucht.
Durch ein besseres Stadtklima und die Vermeidung innerstädtischer Wärmeinseln
können externe Kühllasten, die auf Gebäude einwirken, reduziert werden.
4.3.1. Stadtentwicklungsplan STEP 2025
Der Stadtentwicklungsplan dient als Leitbild für die räumliche Entwicklung der Stadt
und für das künftige urbane Zusammenleben der Gesellschaft. Die Leitlinien werden
regelmäßig auf Aktualität überprüft, wobei der neue Stadtentwicklungsplan STEP 2025
vom Wiener Gemeinderat 2014 beschlossen werden soll. Der STEP 2025 ist eine
Fortschreibung der Leitlinien des letzten Stadtentwicklungsplans aus dem Jahr 2005,
wobei für 2025 unter anderem Schwerpunkte im Bereich des öffentlichen Raums und
der Grün- und Erholungsräume gesetzt werden. (vgl. TINA Vienna, 2013)
Die stadtklimatische Funktion von Freiräumen wird nach dem Entwurf des STEP 2025
immer wichtiger. Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete sollen auch vor
dem Hintergrund des Klimawandels für den Luftaustausch in der Stadt aufrecht erhalten
werden. Dabei sollen auch kleinräumige Maßnahmen wie die Verringerung von
versiegelten Flächen, eine natürliche Beschattung durch das Pflanzen von Bäumen, ein
entsprechendes Regenwassermanagement sowie Dach-und Fassadenbegrünungen zur
Verbesserung des Stadtklimas beitragen. (vgl. MA 18 2014, S.79)
Durch den Ausbau von Grünflächen und Freiraumnetzen im Wiener Stadtraum sollen
neben attraktiven Freizeitflächen und innerstädtischen Aufenthaltsräumen auch das
Stadtklima positiv beeinflusst werden. Freiraumnetze sollen dabei Grün- und
Erholungsräume
über
ein
Wegenetz
verbinden,
das
mit
gezielten
Begrünungsmaßnahmen und Stadtmöbeln attraktiv gestaltet wird. Dadurch soll nicht
43
nur die Erholungsqualität für die Stadtbewohner gestärkt werden, sondern auch das
städtische Mikroklima verbessert werden. (vgl. MA 18 2014, S.80f.)
4.3.2. Urban Heat Islands - Strategieplan Wien zur Vermeidung städtischer
Wärmeinseln
Im Rahmen des EU-Projekts Urban Heat Islands werden Maßnahmen zur Minimierung
des global auftretenden Phänomens städtischer Wärmeinseln untersucht. Wien nimmt
als eines von acht Städten in Europa an diesem Programm teil. Ziel ist es einen
Strategieplan für Wien zu entwickeln, aus dem unter Berücksichtigung von
stadtplanerischen, stadtökologischen, soziologischen
und ökonomischen Aspekten
konkrete Maßnahmen zur Reduktion innerstädtischer Erwärmung abgeleitet werden
kann. (vgl. BOKU Wien, 2013)
Das Projekt läuft in Wien noch bis Sommer 2014, wobei neben der Entwicklung
konkreter Maßnahmen auch Steuerungsmöglichkeiten auf städtischer Ebene aufgezeigt
werden, um diese Maßnahmen durch Vorgaben der Stadt umzusetzen. Des Weiteren
wird bereits im Vorfeld die Akzeptanz verschiedener Maßnahmen durch Befragung der
Bevölkerung überprüft. Man untersucht beispielsweise die Auswirkung von Grün- oder
Wasserflächen auf das städtische Mikroklima, in dem man prüft, welche Arten von
Begrünungen sich an welchen Standorten am besten eignen. In Wien wird im Rahmen
dieses Projekts einerseits das Gebiet südlich des Karlsplatz als Beispiel für einen dicht
bebauten Bezirk und der Nordbahnhof als Beispiel für ein Stadterweiterungsgebiet
analysiert und Maßnahmen im kleineren Maßstab betrachtet. Dadurch sollen
Erkenntnisse gewonnen werden, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung der
städtebaulichen Situation effizient umgesetzt werden können und wie diese Maßnahmen
in eine Stadtentwicklungsplanung integriert werden können. Im Stadtentwicklungsplan
sind bereits Zielsetzungen zur Verbesserung des Stadtklimas vorhanden, die allerdings
durch den Strategieplan optimiert werden sollen. Die innerstädtischen Bezirke, dritter
bis neunter Bezirk, aber auch der 17 Bezirk sind sehr ambitioniert, kleinräumige
Maßnahmen zur Erweiterung von Grünflächen umzusetzen. Im Stadterweiterungsgebiet
Aspern war die Integration von Grünräumen in den Stadtraum Gegenstadt des
44
städtebaulichen Leitbilds. Man kann erwarten, dass mit der Entwicklung dieses
Stadtteils ein sehr fortschrittliches Konzept zur Anpassung an den Klimawandel
umgesetzt wird. (vgl. Expertengespräch Preiss, 2014)
4.3.3. Maßnahmen im städtischen Mikroklima
Bei der Bewertung von Maßnahmen, die das städtische Mikroklima beeinflussen, muss
vorher der räumliche Bezug betrachtet werden. Grünflächen müssen in einem großen
Ausmaß vorhanden sein, um das Mikroklima von Stadtteilen oder Bezirken spürbar
beeinflussen zu können, besonders was Kühleffekte betrifft. Einer Studie zur Folge, bei
der die Auswirkungen eines etwa 48.000 m² großen Parks im Stadtzentrum von São
Paulo auf die Lufttemperatur gemessen wurden, ist der Kühleffekt nach etwa 10 Metern
vorbei. Begrünung müsste demnach sehr flächendeckend vorgesehen werden, um
Kühleffekte für den Stadtraum erzeugen zu können. (vgl. Expertengespräch Ritter/
Geier, 2014)
Abbildung 26: Trianon Park in São Paulo
Quelle: http://www.spbairros.com.br/parque-trianon/
Allerdings bringen Grünflächen im kleineren räumlichen Maßstab schon gewisse
Kühleffekte, wie zum Beispiel Baumplanzungen in Innenhöfen, die durch eine
natürliche Verschattung den Eintrag solarer Strahlung in den Innenhof oder auf die
45
Gebäude vermindern. In der Wiener Innenstadt sind neue Grünlagen wie Parks aufgrund
der dichten Verbauung fast nicht mehr realisierbar. Daher können in diesen Gebieten
meist nur kleinere Grünstrukturen wie Dachflächen- und Fassadenbegrünungen oder
teilweise auch Begrünungen des Straßenraums umgesetzt werden. Die Ausführung der
Grünanlagen, als Wiese, Wald oder in Kombination von Wasserflächen, ist dabei sehr
entscheidend, da nicht jede Grünfläche die gleichen Auswirkungen hat. Neben der
Strukturierung von Grünflächen spielt auch die Lage und die Topografie ein Rolle.
Beispielswiese können Windströme, die für den Luftaustausch in der Stadt wichtig sind,
durch
Bebauung
oder
ungünstige
Bepflanzungen
beeinträchtigt
werden.
Dachbegrünungen und natürliche Versickerungsflächen können das lokale Klima
beeinflussen, in dem das Regenwasser zunächst zurückgehalten wird und dann natürlich
verdunsten kann. Bei Dachbegrünungen ist zwischen extensiver und intensiver
Begrünung zu unterscheiden, wobei der Dachaufbau bei einer intensiven Begrünung
hochwertiger ist und dadurch eine größere Bandbreite von Bepflanzungen ausgeführt
werden kann. Der Einfluss auf das Klima des darunter liegenden Stadtraum ist bei
beiden Systeme zu vernachlässigen. Kühleffekte werden nur unmittelbar im Bereich der
Dachfläche erreicht und beziehen sich im wesentlichen auf einen besseren Schutz der
Gebäudehülle vor Wärmeeinstrahlung. (vgl. Expertengespräch Preiss, 2014)
Von
städtischer
Seite
wurde
auf
dieses
Thema
reagiert,
in
dem
ein
Gründachpotentialkataster und ein Solarpotentialkataster erstellt wurde. Dadurch sind
die Dachflächen ersichtlich, die sich für eine Nutzung von Solarenergie oder für eine
Ausführung von Grünflächen eignen. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
Grundsätzlich kann man auch Solartechnologie (Photovoltaik) und Gründächer
miteinander kombinieren, was auch ökonomische Vorteile bringt. Der Wirkungsgrad
von Solaranlagen ist bei kühleren Temperaturen höher, was durch Dachbegrünungen
begünstigt wird. Beide Systeme werden von der Stadt gefördert. Derzeit wird ein
Solarleitfaden von der Stadt Wien erstellt, in dem die Kombinierbarkeit dieser System
dargestellt wird. Des Weiteren eignen sich Fassaden- und Bauwerksbegrünungen auch
in dicht bebauten Gebieten für eine Kühlung des Mikroklimas, was bereits in Projekten
nachgewiesen wurde. An der Fassade der Magistratsabteilung 48 wurde eine
fassadengebundene Begrünung installiert und man kann dort den Kühleffekt anhand der
Wassermenge, die der Begrünung zugeführt wird, berechnen.
46
Abbildung 27: Fassadengebundene Begrünung Magistratsabteilung 48
Quelle: Preiss 2013, S.82
An einem heißen Tag werden der Fassade etwa 800 Liter Wasser zugeführt, die dann
verdunsten können. Die damit erzeugte Verdunstungskälte entspricht bei dieser Fassade
etwa 50 Klimageräten von je 3000 Watt, die an heißem Tag acht Stunden in Betrieb
sind. Diese Leistung wird zwar nicht eins zu eins an den Innenraum abgegeben, aber es
entspricht der Wärmeenergie, die nicht auf das Gebäude übertragen wird. Allerdings
muss für die fassadengebundene Begrünung im Gegensatz zu einer bodengebundenen
Fassadenbegrünung ein Bewässerungssystem installiert werden. (vgl. Expertengespräch
Preiss, 2014)
In bestehenden Stadtquartieren trägt die Entkernung der Innenbereiche von
Blockrandbebauungen ebenfalls dazu bei, Aufenthaltsqualitäten in den Innenhöfen
durch
Grünflächen
zu
schaffen.
Innenhofentkernungen
werden
auch
bei
Blocksanierungen im Zuge der sanften Stadterneuerung gefördert, um in den Blöcken
zusammenhängende Grünflächen zu errichten und eine Durchgängigkeit zu erreichen.
(vgl. Expertengespräche Preiss, Ritter/ Geier, 2014)
Neben den energetischen Effekten schaffen Grünflächen Aufenthaltsqualitäten im
öffentlichen Stadtraum oder auch direkt in den Wohnblöcken. Dach- und
Fassadenbegrünungen
sind
vor
allem
dort
eine
gute
Ergänzung,
wo
ein
Grünraummangel vorhanden ist.
47
5. Kühlstrategie im Hochbau.
5.1. Klimatische Bedingungen von Bürogebäuden
5.1.1. Raumklima und Behaglichkeitskriterien
Menschen verbringen den Großteil ihrer Zeit in Gebäuden. Daher ist es wichtig ein
gesundes und komfortables Raumklima zu erzeugen, um optimale Aufenthalts- und
Arbeitsbedingungen für die GebäudenutzerInnen zu gewährleisten. Unter dem Begriff
Raumklima werden alle Bedingungen eines Raumes verstanden, die das Wohlbefinden
und die Leistungsfähigkeit der NutzerInnen beeinflussen. Neben natürlicher Lüftung
werden dafür Heizungs- und Lüftungsanlagen verwendet. Das Raumklima wird auch
von den Personen beeinflusst,
die sich in einer gewissen Anzahl mit bestimmten
Tätigkeiten eine bestimmte Zeit in Räumen aufhalten und damit thermische und
stoffliche Belastungen erzeugen. Dabei ist die Art der Bekleidung zu berücksichtigen.
Die Qualitäten des Raumes bestimmen das Wohlbefinden durch das Verhältnis
zwischen Oberflächentemperatur und Lufttemperatur, durch vorhandene Wärmequellen
wie EDV-Geräte und durch die verwendeten Baustoffe, die eine Geruchsbelastung
durch Schadstoffemissionen erzeugen können. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die
raumlufttechnischen Anlagen, die Luftqualitäten, Temperatur, Feuchtigkeit und
Reinheit
in
den
Räumen
unter
Berücksichtigung
der
Luftwechselrate
und
Luftgeschwindigkeit steuern. Man unterscheidet im Wesentlichen folgende Parameter,
die zur Behaglichkeit in einem Raum beitragen:
•
Raumlufttemperatur und Oberflächentemperatur
•
Luftbewegung
•
Luftfeuchte
•
Luftqualität
Der Mensch gibt in Abhängigkeit seiner Tätigkeit und Umgebungstemperatur
Wärmeenergie an seine Umgebung ab. Bei einer niedrigen Umgebungstemperatur ist
die Wärmeabgabe sehr hoch
48
und
man
fängt
an
zu
frieren.
Eine hohe
Umgebungstemperatur führt zu einem Wärmestau im Körper und man beginnt zu
schwitzen. Durch warme Kleidung kann die menschliche Wärmeabgabe verzögert
beziehungsweise bei leichter Kleidung erhöht werden. Für das Wohlbefinden muss
zwischen Körpertemperatur und Raumlufttemperatur eine gewisse Differenz bestehen,
wobei die empfundene Temperatur ebenfalls ein wichtiges Kriterium ist. Die
Empfindungstemperatur, auch operative Temperatur genannt, setzt sich aus dem
Mittelwert
zwischen
Raumlufttemperatur
und
Oberflächentemperatur
der
Raumbegrenzungsflächen wie Wände, Decken, Fußböden und Fenster zusammen und
sollte nicht mehr als drei Kelvin von der Raumtemperatur abweichen. (vgl. Pistohl
2007, S. L4f.)
Die Raumtemperatur hat neben der Behaglichkeit auch einen großen Einfluss auf die
Produktivität am Arbeitsplatz, wobei je nach Tätigkeit unterschiedliche Temperaturen
als angenehm empfunden werden. Bei sitzender Bürotätigkeit werden Temperaturen
zwischen 23°C und 25°C als angenehm empfunden. Die Produktivität am Arbeitsplatz
nimmt bei Temperaturen ab 26°C rapide ab und fällt bei Temperaturen bis an die 30°C
auf etwa 60 Prozent der normalen Leistungsfähigkeit (vgl. Sattler et al. 2010, S.7).
Abbildung 28: Leistungsfähigkeit des Menschen relativ zum Raumklima
Quelle: Sattler et al. 2010, S.7
49
Nach Arbeitsstättenverordnung §28 Absatz 1 muss bei Arbeiten mit geringer
körperlicher Belastung eine Lufttemperatur zwischen 19 und 25°C gewährleistet werden
(vgl. §28 Abs. 1 AStV). Nach ÖNORM B 8110 - 3 darf zum Schutz vor sommerlicher
Überwärmung eine operative Temperatur von 27°C nicht überschritten werden (vgl.
ÖNORM B 8110 - 3, 2012-03). In den Sommermonaten ist in der Regel eine Kühlung
erforderlich, um die vorgeschriebenen maximalen Raumtemperaturen einhalten zu
können.
Die Behaglichkeit wird auch von der Luftbewegung beeinflusst. In der freien Natur
werden Luftbewegungen durchaus als angenehm empfunden, hingegen reagiert man in
geschlossenen Räumen eher empfindlich. Durch hohe Luftgeschwindigkeiten verliert
der Körper schneller Wärme, was als Zugerscheinungen empfunden wird. Daher sollte
in geschlossenen Räumen die Temperatur und der Turbulenzgrad bei der Auslegung
von Luftgeschwindigkeiten berücksichtigt werden. Für den Betrieb im Winter sollten
bei Temperaturen um die 20°C Luftgeschwindigkeiten von etwa 0,1 m/s und für den
Betrieb im Sommer bei Temperaturen von 24-28°C Luftgeschwindigkeiten bis 0,35 m/s
angenommen werden. (vgl. Sattler et al. 2010, S.9)
Nach Pistohl werden folgende Werte für die Auslegung der Luftgeschwindigkeit
empfohlen.
Abbildung 29: Auslegungswerte für Luftgeschwindigkeit (DIN EN 13 779)
Lufttemperatur
Üblicher Bereich
Standartwert
θa = 20°C
0,10 - 0,16 m/s
v = ≤ 0,13 m/s
θa = 21°C
0,10 - 0,17 m/s
v = ≤ 0,14 m/s
θa = 22°C
0,11 - 0,18 m/s
v = ≤ 0,15 m/s
θa = 24°C
0,13 - 0,21 m/s
v = ≤ 0,17 m/s
θa = 26°C
0,15 - 0,25 m/s
v = ≤ 0,20 m/s
Quelle: Pistohl 2007, S.L5
50
Der menschliche Körper gibt die Wärme teilweise durch Verdunstung über die Haut ab.
Daher ist die Luftfeuchte im Raum ein weiteres wesentliches Kriterium für das
Wohlbefinden. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wird über die relative Luftfeuchtigkeit
definiert, die das Verhältnis zwischen Wasserdampfmenge und Sättigungsmenge in
Abhängigkeit zur Temperatur ausdrückt. Bei steigenden Temperaturen wird eine hohe
Luftfeuchtigkeit als unangenehm empfunden, da der Körper nicht mehr genug Wärme
über Verdunstung abgegeben kann. In diesem Fall sollte die relative Luftfeuchte im
Raum herabgesetzt werden, um die Abgabe von Wärme über Verdunstung zu
erleichtern. Das Behaglichkeitsfeld für den Anteil der Luftfeuchte befindet sich
zwischen 35 Prozent und 65 Prozent, wobei der Bereich von 45 Prozent bis 55 Prozent
als optimal empfunden wird. (vgl. Pistohl 2007, S. H9)
Dabei ist auch zu beachten, dass die Raumtemperatur mit steigender relativer
Luftfeuchte oft wärmer empfunden wird. Beispielsweise wird eine Raumtemperatur von
26°C bei einer relativen Luftfeuchte von 40 Prozent bereits als 28°C empfunden. (vgl.
Sattler et al. 2010, S.9)
Der Feuchtegehalt in der Luft kann durch Lüftungsanlagen mit Be- und Entfeuchtung
reguliert werden. Nach Arbeitsstättenverordnung §28 Absatz 5 ist bei Verwendung
einer Klimaanlage eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 Prozent und 70 Prozent
zulässig. (vgl. §28 Abs. 5 AStV)
Die Luftqualität wird durch Verunreinigungen beeinflusst, die infolge der Nutzung
oder der räumlichen Bedingungen auftreten. Sie ist ebenfalls entscheidend für das
Behaglichkeitsgefühl. Luftverunreinigungen entstehen beispielsweise durch einen
erhöhten Kohlendioxydgehalt in der Luft aufgrund menschlicher Atmung, durch
Staubbelastungen,
Tabakrauch
oder
Ausdünstungen
von
Baustoffen
und
Einrichtungsgegenständen. Eine Verbesserung der Luftqualität kann durch natürliche
Lüftung oder durch raumlufttechnische Anlagen, die eine gewisse Menge an
Frischluftzufuhr pro Stunde und pro Person gewährleisten, erfolgen. (vgl. Pistohl 2007,
S. L12)
Die Europäische Norm EN 13 779 klassifiziert verschiedene Raumluftkategorien, bei
denen die vorher genannten Parameter berücksichtigt wurden.
51
Abbildung 30: Klassifizierung der Raumluftqualität - IDA (EN 13 779)
Kategorie
Beschreibung
IDA 1
Hohe Raumluftqualität
IDA 2
Mittlere Raumluftqualität
IDA 3
Mäßige Raumluftqualität
IDA 4
Niedrige Raumluftqualität
Quelle: ÖNORM EN 13 779, 2008-01
Nach
der
Norm
EN
13
779
werden
für
Aufenthaltsräume
folgende
Mindestanforderungen an Außenvolumenströme empfohlen.
Abbildung 31: Außenluftvolumenströme je Person (EN 13 779)
Außenluftvolumenstrom je Person in m³/h
Kategorie
Nichtraucher-Bereich
Raucher-Bereich
Üblicher Bereich
Standardwert
Üblicher Bereich
Standardwert
IDA 1
> 15
20
> 30
40
IDA 2
10 - 15
12,5
20 - 30
25
IDA 3
6 - 10
8
12 - 20
16
IDA 4
<6
5
< 12
10
Quelle: ÖNORM EN 13 779, 2008-01
Bei
mechanischen
Be-
und
Entlüftungsanlagen
ist
nach
§27
Absatz
3
Arbeitsstättenverordnung bei Arbeiten mit geringer körperlicher Belastung ein
Luftwechsel von mindestens 35 m³ pro Stunde und anwesender Personen im Raum zu
gewährleisten (vgl. §27 Abs. 3 AStV). Die Anforderungen der AStV liegen demnach
weit über den Mindest-Anforderungen nach der europäischen Norm EN 13779.
Das Wohlbefinden in einem Raum wird außerdem durch die Akustik, Beleuchtung und
Farbgebung beeinflusst. Durch raumlufttechnische Anlagen kann der Nutzerkomfort
52
verbessert werden und Energieeinsparungen durch kontrollierte Lüftung und
Wärmerückgewinnung erzielt werden, wobei den Einspareffekten auch höhere
Herstellkosten
gegenüber
stehen.
Allerdings
ist
bei
der
Verwendung
von
raumlufttechnischen Anlagen eine sorgfältige Planung und ein sachgemäßer Betrieb
eine Voraussetzung, da diese Anlagen auch das Wohlbefinden beeinträchtigen können.
Besonders bei vollklimatisierten Gebäuden mit nicht öffenbaren Fenster kann das Sick
Building Syndrom auftreten und zu Beeinträchtigung des Wohlbefindens bis hin zu
Gesundheitsstörungen führen. Statistischen Umfragen zur Folge wurden bei
klimatisierten Gebäuden vor allem Zuglufterscheinungen, Lärmemissionen durch
Lüftungsanlagen und Bildung von Schimmelpilzen im Leitungssystem der Lüftung wie
auch eine fehlende Fensterlüftung bemängelt. (vgl. Pistohl 2007, S. L6)
5.1.2. Kühllasten
Kühllasten entstehen durch Wärmeeinträge, die dem Raum entweder von außen
zugeführt werden, wie Solarstrahlung, oder durch Wärmequellen, die bereits im Raum
vorhanden sind, wie EDV-Ausstattung, Beleuchtung und anwesende Personen. Zur
Bestimmung der Kühllasten sind die vorhandenen Speichermassen des Gebäudes
beziehungsweise die speicherwirksame Masse eines Raumes zu berücksichtigen. Diese
ist abhängig von der Bauweise des Gebäudes, Leichtbau oder Massivbau, und den
verwendeten Baustoffen. Bei einer massiven Bauweise kann die Wärme in den Wänden,
Decken oder Böden
gespeichert werden und zeitverzögert wieder in den Raum
abgegeben werden. Für eine wirksame Wärmeaufnahme und Abgabe müssen die
massiven Bauteile frei in den Raum gerichtet sein und dürfen nicht durch abgehängte
Decken oder Vorsatzschalen verdeckt werden. Bei einer Leichtbauweise sollten
zumindest die Boden- und Deckenkonstruktion massiv ausgeführt werden, um
Speichermassen zu generieren. Die speicherwirksame Masse kann nach ÖNORM B
8110-3 ermittelt werden. Die Kühllasten können durch Sonnenschutz, Speichermassen
oder durch eine entsprechende Orientierung der Büroflächen wesentlich reduziert
werden (vgl. Blümel 2002, S.9f.). Bei klimatisierten Gebäuden sind die Energiekosten
für Kühlung wesentlich höher als für Heizung. Von daher ist die Reduktion von
Kühllasten ein besonders wichtiges Thema. (vgl. Pistohl 2007, S. L65)
53
5.1.2.1. Externe Lasten
Externe Lasten entstehen hauptsächlich durch Wärmeinträge infolge
• Solarer Strahlung durch transparente Bauteile
• Transmission durch Außenwände, Fenster und Dächer
• Luftaustausch zwischen Außenraum und Innenraum (vgl. Fink et al. 2002, S.26)
Die solare Strahlung durch transparente Bauteile verursacht mit über 50 Prozent den
größten Anteil an der Kühllast. Deswegen sind bei Fenstern und großflächigen
Verglasungen Vorkehrungen für den Sonnenschutz zu treffen, um die solaren Einträge
vor allem in den Sommermonaten möglichst gering zu halten. Die Intensität der
Einstrahlung auf die Fassadenflächen ist je nach Himmelsrichtung unterschiedlich und
abhängig von der Tages- und Jahreszeit. Die größte Belastung durch Solarstrahlung
findet in den Sommermonaten auf der Ost- und Westfassade statt. Da die Sonne um die
Mittagszeit am höchsten steht und durch den steilen Einfallswinkel weniger solare
Strahlung auf die Fassade trifft, ist der Wärmeeintrag auf der Südfassade im Sommer
etwas geringer als auf der Ost- und Westfassade. (vgl. Sattler et al. 2010, S.10)
Abbildung 32: Gesamtstrahlung nach Himmelsrichtung
Quelle: Sattler et al. 2012, S.10
54
Im Frühjahr und Herbst trifft die Solarstrahlung in der gleichen Intensität auf die Ost-,
Süd- und Westfassade auf. (vgl. Pistohl 2007, S. L65).
Eine Orientierung großflächiger Verglasungen sollte besonders auf der Ostfassade
vermieden werden, da die Raumtemperatur bereits morgens durch die solaren Einträge
sehr erhöht wird.
Wärme wird auch von außen infolge Transmission durch Wände, Decken und Fenster
in das Gebäude eingetragen. Der opake Anteil der
Gebäudehülle spielt bei den
Wärmeeinträgen über Transmission eine untergeordnete Rolle. Den größten Anteil
machen wie bereits angeführt die transparenten Bauteile aus, bei denen Wärme nicht
nur direkt über Strahlung eindringt, sondern auch indirekt über Konvektion. Der
konvektive Anteil entsteht durch die Erwärmung der Glasscheibe, die einen Teil der
Solarstrahlung absorbiert. Zwischen erwärmter Verglasung und Raumluft entsteht ein
Temperaturgefälle, wodurch Wärme von der Glasscheibe an den Innenraum abgegeben
wird. Die Energiemenge, welche durch direkte und indirekte Solarstrahlung in das
Gebäude eindringen kann, wird durch den Gesamtenergiedurchlassgrad g bestimmt.
Sonnenschutzgläser mit einem sehr geringen g-Wert verhindern das Eindringen von
Sonneneinstrahlung zu einem signifikantem Teil. (vgl. Fink et al. 2002, S.26f)
Lüftungswärmegewinne entstehen durch den Luftaustausch zwischen Außen- und
Innenraum. Lüftungsanlagen saugen die heiße Außenluft im Sommer an und geben die
warme Raumluft an den Außenraum ab, um den erforderlichen Luftwechsel wie im
Abschnitt 5.1.15.1.1 beschrieben zu gewährleisten. Die heiße Außenluft muss abgekühlt
werden, bevor sie dem Innenraum zugeführt werden kann, was wiederum Kühllasten
verursacht. (vgl. Fink et al. 2002, S.27)
5.1.2.2. Interne Lasten
Interne Lasten entstehen durch Wärmeeinträge von
•
EDV-Geräten
•
Beleuchtung
•
Anwesenden Personen
55
EDV - Geräte tragen in Büros vor allem in den Sommermonaten wesentlich zu den
internen Lasten bei. Bürogeräte werden zwar immer energieeffizienter, aber durch die
Zunahme an technischer Ausstattung mit längeren Betriebszeiten ist die dem Raum
zugeführte Wärme in Büros eher angestiegen. Der Stromverbrauch durch elektrische
Geräte fällt zum größtenteils im Standby-Modus an, wenn die Geräte also in
Bereitschaft sind, und nur zu einem geringen Anteil durch die aktive Gerätenutzung.
Die Geräteabwärme verursacht besonders bei der aktiven Nutzung signifikante
Kühllasten. PC´s, Drucker und Kopierer geben die Wärme durch Ventilatoren an den
Raum ab. (vgl. Fink et al. 2002, S.30 - 32)
Eine optimale Beleuchtung ist eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige
Arbeitsplätze, die nach ÖNORM EN 12464-1 bestimmt wird. Die Verwendung
energetisch ineffizienter Beleuchtungskörper und lange tägliche Betriebszeiten können
zu hohen Wärmelasten führen. Mit modernen Leuchten wie LED - Technik kann der
Energieverbrauch allerdings erheblich reduziert werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.32)
Die anwesenden Personen verursachen durch Abgabe von Körperwärme ebenfalls
interne Lasten. Dabei ist die Personenanzahl und die Belegungsdichte zu
berücksichtigen. Besonders in kleineren Räumen mit einer hohen Personenanzahl, wie
es beispielsweise in Besprechungsräumen der Fall ist, müssen sehr hohe Wärmelasten
abgeführt werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.32f.)
Die folgenden Abbildungen zeigen den Kühlbedarf, der durch innere und äußere Lasten
erzeugt wird und den jeweiligen Anteil an der Gesamtkühllast.
56
Abbildung 33: Typische
ypische innere und äußere Kühllasten in Bürogebäuden
Quelle: Sattler et al. 2012, S.11
Abbildung 34: Verteilung der Kühllasten in einem durchschnittlichen Büro
Quelle: Sattler et al. 2012, S.11
Hauptverursacher von Kühllasten in Büros sind die Sonneneinstrahlung durch Fenster
mit einem Anteil von 50 Prozent,, die Geräteabwärme der EDV-Ausstattung
EDV
und die
anwesenden Personen. Der Kühlbedarf kann durch entsprechende Maßnahmen bei
diesen Parametern am effektivsten reduziert werden.
57
5.2. Systeme zur Kühlung/ Klimatisierung in Bürogebäuden
Kühllasten können auf verschiedene Weise aus dem Raum abgeführt werden. Die
Raumwärme kann einerseits durch Wärmestrahlung von kühlen Raumoberflächen wie
massiven Bauteilen und Flächen-Kühlsystemen
Flächen
aufgenommenn werden oder es kann
andererseits warme Raumluft durch Konvektion über Ventilatorkonvektoren oder
Konvektionsdecken im Raum gekühlt werden. Eine weitere Möglichkeit ist der
Austausch warmer Raumluft gegen kühle Zuluft, was in der Regel über zentrale
Raumluftanlagen erfolgt. (vgl. Sattler et al. 2012, S.23)
Die Begriffe Kühlung und Klimatisierung unterscheiden sich in der
der Art der
Konditionierung der Raumluft und damit in den thermodynamischen Funktionen
Heizen, Kühlen, Befeuchten und Entfeuchten. Reine Kühlsysteme
systeme beschränken sich auf
die Aufnahme der Raumwärme beziehungsweise Kühlung der Raumluft. Klimaanlagen
werden nach der Anzahl der thermodynamischen Funktionen in Teilklimaanlagen
klimaanlagen mit
zwei bis drei Funktionen und Vollklimatisierung mit allen vier Funktionen
onen unterteilt,
siehe nachfolgende Abbildung. (vgl. Pistohl 2007, L35)
Abbildung 35: Einteilung von Klimaanlagen nach ÖNORM EN 13779
Quelle: Sattler et al. 2012, S.23
Klimaanlagen sind raumlufttechnische Anlagen, die im Gegensatz zu reinen
Lüftungsanlagen mit maximal einer
einer thermodynamischen Luftbehandlungsfunktion,
Luftbehandlungsfunktion über
das ganze Jahr bei unterschiedlichen Außentemperaturen konstante Raumluftqualitäten
mit entsprechender Luftreinheit, -temperatur und -feuchte gewährleisten können (vgl.
Pistohl 2007, L48). Je nachdem
dem wie das
da Gebäude mit Kühlenergie versorgt wird und
wie die Klimaanlagen im Gebäude situiert sind, kann man zentrale und dezentrale
58
Klimaanlagen unterscheiden. Bei zentralen Anlagen wird die Luft für das Gebäude in
einer Klimazentrale konditioniert und über Luftkanäle in die jeweiligen Räume verteilt,
wie beispielweise bei zentralen Nur-Luft-Anlagen. Dezentrale Anlagen konditionieren
die Luft vor Ort in den Räumen, wobei das aufwendige Luftkanalsystem im Gebäude
entfallen kann und lediglich ein Anschluss an das Heiz- und Kühlsystem des Gebäudes
notwendig ist. Da die Kühlleistung dezentraler Anlagen meistens begrenzt ist, werden
diese Anlagen oft in Verbindung mit Flächen-Kühlsystemen eingesetzt. Dezentrale
Anlagen unterscheiden sich von Raumklimageräten, da über sie die Klimatisierung für
ganze Gebäude bereitgestellt wird und nicht nur für einzelne Räume. Die Geräte sind
aber ähnlich aufgebaut, daher ist der Übergang oft fließend.(vgl. Pistohl 2007, L48)
Für die Ausführung von Klimaanlagen stehen verschiedene Systeme am Markt zur
Verfügung, wobei nach ÖNORM H 5058 folgenden Arten von Kühlsystemen
unterschieden werden (vgl. ÖNORM H 5058, 2011-03):
•
Nur-Luft-Anlagen
•
Luft-Wasser-Anlagen
•
Flächenkühlung
•
Kombisysteme
•
Passive Kühlsysteme
Nachfolgend werden gebräuchliche Kühlsysteme unter der entsprechenden Kategorie
vorgestellt.
5.2.1. Nur - Luft - Anlagen
Bei Nur-Luft-Anlagen erfolgt die Aufbereitung der Zuluft zentral oder dezentral in nur
einer Klimaanlage. Bei einer zentralen Versorgung wird die Zuluft in einer
Klimaanlage, die in der Regel in einem Technikgeschoss des Gebäudes verortet ist,
konditioniert und über Zuluftkanäle den einzelnen Räumen zugeführt. Die
bereitgestellte Zuluft wird in den Räumen nicht nachbehandelt. (vgl. ÖNORM H 5058
Pkt.6.2.1, 2011)
Zentrale
Nur-Luft-Anlagen
lassen
sich
nach
dem
Luftkanalsystem
in
Einkanalanlagen und Zweikanalanlagen unterscheiden. Bei Einkanalanlagen wird die
59
Außenluft entsprechend konditioniert und in einem Kanalsystem den jeweiligen
Räumen zugeführt. Alle angeschlossenen Räume erhalten die gleiche Luftqualität. Bei
Zweikanalanlagen wird die Zuluft nach einer Grundaufbereitung der Außenluft in der
Klimazentrale in einen Warmluftkanal und einen Kaltluftkanal getrennt geführt und erst
vor dem Lufteintritt in den Raum in einem Mischkasten zusammengeführt. Dieses
System wird beispielsweise bei Räumen mit speziellen Temperaturanforderungen
eingesetzt, aber mittlerweile wegen der erhöhten Installationskosten durch doppelte
Kanalführung und des höheren Energiebedarfs nur noch selten angewendet.
Abbildung 36: Schema Einkanal - Niederdruck-Klimaanlage
Legende
1 Filter
2 Vorwärmer
3 Luftkühler
4 Luftwäsche mit Tropfenabscheider
5 Nachwärmer
6 Ventilator
7 Schalldämpfer
Quelle: Pistohl 2007, L49
Sowohl das Einkanal- als auch das Zweikanalsystem kann als Niederdruck- oder als
Hochdruckanlage ausgeführt werden. Bei Hochdruckanlagen können im Gegensatz zu
Niederdruckanlagen
aufgrund
höherer
Luftgeschwindigkeiten
kleinere
Kanalquerschnitte realisiert werden, was bei größeren Gebäuden und vielen
Raumgruppen unter Umständen sinnvoller ist, da Platz für die Kanalführung eingespart
werden kann. Die hohen Drücke in den Kanälen werden von Ventilatoren erzeugt, die
im Vergleich zu Niederdruckanlagen mehr Leistung erbringen müssen und damit mehr
Energie verbrauchen. Bevor die Luft den Räumen zugeführt werden kann, muss die
Luftgeschwindigkeit in sogenannten Entspannungskästen reduziert werden, da sonst
starke Zugluft im Raum vorhanden wäre. Die hohen Luftgeschwindigkeiten in den
60
Kanälen
führen
auch
zu
einer
beträchtlichen
Geräuschentwicklung,
womit
Schallschutzmaßnahmen wie Schalldämpfer in den Kanälen vorgesehen werden
müssen. Des Weiteren können Zentralklimaanlagen mit konstantem Volumenstrom oder
variablem Volumenstrom ausgeführt werden. Bei konstantem Volumenstrom wird über
die Klimaanlage ein gleichbleibender Zuluftstrom erzeugt, der an die gewünschte
Raumtemperatur angepasst ist. Durch einen variablen Volumenstrom kann die
Zuluftmenge in den Räumen durch Volumenstromregler nach Bedarf gesteuert werden.
Wärmelasten können beispielsweise durch Änderung der Zuluftmenge besser abgeführt
werden. (vgl. Pistohl 2007, L49 - 51)
Grundsätzlich ist es möglich den Heiz- und Kühlbedarf komplett über konditionierte
Luft aus raumlufttechnischen Anlagen zu decken, was allerdings mit einem sehr hohen
Energieverbrauch verbunden ist. Daher werden raumlufttechnische Anlagen in der
Regel mit additiven Elementen, wie zum Beispiel Heizkörper ausgeführt, die den
Wärmebedarf in den Räumen wesentlich effizienter abdecken. (vgl. Expertengespräch
Steininger, 2014).
Als Dezentrale Nur-Luft-Anlagen werden nach ÖNORM H 5058 Splitgeräte mit
Wärmepumpen angesehen. Ein Beispiel für Multi-Split-Anlagen ist die VFR - Technik
(Variable Refrigerant Flow), die aus einem Außengerät mit Kühlaggregat und beliebig
vielen Innengeräten besteht.
Abbildung 37: Anlagenschema einer VRF-Anlage
Quelle: Pistohl 2007, L55
61
Über die Innengeräte kann das Heizen und Kühlen in jedem Raum individuell geregelt
werden, auch eine Entfeuchtung der Luft ist möglich. VFR-Anlagen funktionieren nach
dem Prinzip einer Luft-Wärme-Pumpe, bei der zur Kühlung der Raumluft Wärme aus
dem Raum aufgenommen wird, in dem ein Kältemittel im Innengerät verdampft. Die
aufgenommene Wärme wird dann im gasförmigen Zustand zum Außengerät
transportiert, wo es wieder kondensiert und im flüssigen Zustand wieder zum
Innengerät zurückfließt, wo es wieder erneut Raumwärme aufnimmt. (vgl. Pistohl 2007,
L 55)
5.2.2. Luft - Wasser - Anlagen
Bei Luft-Wasser-Anlagen, auch Primärluftanlagen genannt, wird die Außenluft in der
Lüftungszentrale nur grundaufbereitet. Die Zuluft (Primärluft) wird dann im
Unterschied zu Nur-Luft-Anlagen nachbehandelt und in der Regel im Raum an die
gewünschte Luftqualität individuell angepasst. Nach ÖNORM H 5058 wird bei LuftWasser-Anlagen zwischen Induktionsklimaanlagen und Gebläsekonvektor-Anlagen
unterschieden (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.2, 2011).
5.2.2.1. Induktionsklimaanlage
Die Außenluft wird zuerst von einer zentralen Klimaanlage angesaugt und
grundaufbereitet, wobei die Luft gereinigt und nach Bedarf be- oder entfeuchtet und
gekühlt oder erwärmt wird. Anschließend wird die vorbehandelte Außenluft als
Primärluft über ein Kanalsystem den jeweiligen Räumen zugeführt, wo sie in
Induktionsgeräten auf eine gewünschte Raumtemperatur durch Kühlung oder Heizung
nachbehandelt wird. Die Primärluft wird aus den Zuluftkanälen über feine Düsen in den
Induktionsgeräten in den Raum eingeblasen, wobei bei diesem Vorgang Raumluft als
Sekundärluft angesaugt und der Primärluft beigemischt wird. Primär- und Sekundärluft
werden im Induktionsgerät über einen Wärmetauscher entsprechend konditioniert und
als Zuluft in den Raum eingeblasen. Die verbrauchte Luft wird aus dem Raum
abgesaugt und über Fortluftkanäle ins Freie geführt. Da die Raumluft als Umluft zur
Konditionierung der Raumluftqualität genutzt wird, kann der Primärluftanteil auf eine
erforderliche Mindest-Luftwechselrate reduziert werden, wodurch die Querschnitte der
Zuluftkanäle vor allem bei Hochdruckanlagen mit hohen Luftgeschwindigkeiten
62
geringer dimensioniert werden können. Allerdings muss jedes Induktionsgerät an einen
Heiz- und Kaltwasserkreislauf im Gebäude angeschlossen werden, so dass eine
Kühlung oder Beheizung der Primärluft aus der Klimazentrale und der Sekundärluft aus
dem Raum möglich ist. (vgl. Pistohl 2007, L 53)
Abbildung 38: Schema Hochdruck-Induktionsklimaanlage und HDInduktionsgerät
Legende
1
Filter
2
Vorwärmer
3
Luftkühler
4
Luftwäsche mit
5
Tropfenabscheider
6
Nachwärmer
7
Ventilator
8
Schalldämpfer
9
Hochdruck-Induktionsgerät
Quelle: Pistohl 2007, L53
Hochdruck-Induktionsanlagen können bei hohen Gebäuden oder Gebäuden mit vielen
Einzelräumen, die individuell regelbar sein müssen, sinnvoll angewendet werden. Des
Weiteren kann beispielsweise außerhalb der Betriebszeiten des Gebäudes bei einer
abgeschalteten Klimazentrale immer noch eine Grundtemperierung durch Konvektion
der Raumluft über die Induktionsgeräte in den Räumen erfolgen. (vgl. Pistohl 2007, L
53)
5.2.2.2. Gebläsekonvektoren (Fan Coils)
Gebläsekonvektoren, auch sogenannte Ventilatorkonvektoren oder FanCoils, können als
Decken- oder Wandgerät im Raum installiert werden (vgl. Sattler et al. 2012, S.25). Sie
haben einen ähnlichen Aufbau wie Induktionsgeräte, wobei die Zuluft nicht über Düsen
sondern über Ventilatoren in den Gebläsekonvektoren dem Raum zugeführt wird (vgl.
Pistohl 2007, L 54). Die Konditionierung der Zuluft erfolgt wie bei den
Induktionsgeräten über Wärmetauscher, welche die Zuluft kühlen oder beheizen. Heiz63
und
Kühlenergie
wird
den
Gebläsekonvektoren
über
einen
Warm-
und
Kaltwasserkreislauf bereitgestellt. Gebläsekonvektoren können einerseits ähnlich der
Induktionsklimaanlagen mit Umluft und einem Frischluftanteil betrieben werden. Dabei
wird Außenluft als Primärluft entweder analog zur Induktionsklimaanlagen zentral
grundaufbereitet und über Luftkanäle den Gebläsekonvektoren zugeführt oder direkt
von der Außenfassade über Öffnungen in der Wand bezogen. Primärluft und Raumluft
als Sekundärluft werden von den Gebläsekonvektoren parallel angesaugt und durch
Wärmetauscher auf die gewünschte Raumluftqualität nachbehandelt. (vgl. Pistohl 2007,
L 115)
Abbildung 39: Schema Gebläsekonvektor
Quelle: Pistohl 2007, L115
Gebläsekonvektoren können auch nur im Umluftprinzip betrieben werden. Dabei muss
der erforderliche Luftwechsel im Raum, beispielsweise über Fensterlüftung oder über
ein
Lüftungssystem
mit
Zu-
und
Abluft,
sichergestellt
werden
(vgl.
Expertinnengespräch Balogh 2014). Gebläsekonvektoren verursachen durch die
Ventilatoren eine höhere Geräuschentwicklung und auch höhere Wartungskosten als
Induktionsgeräte (vgl. Pistohl 2007, L 115).
Mittlerweile verfügen Gebläsekonvektoren über ein gutes Strömungsbild, so dass im
Raum kaum Zuglufterscheinungen entstehen. Diese Geräte können sehr leicht mit
anderen Systemen kombiniert werden und sind daher eine gute Ergänzung, wenn in
64
Bereichen mit hohen Kühl- oder Heizlasten die Energieversorgung durch das
Grundsystem nicht gedeckt werden kann. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014)
5.2.3. Flächenkühlung (Nur - Wasser - Anlage)
Flächenkühlungen werden bei Gebäuden mit einer gut gedämmten Gebäudehülle in
letzter Zeit vermehrt eingesetzt, da bei einem niedrigen Energiebedarf des Systems hohe
Kühllasten abgeführt werden können und ein komfortables Raumklima erreicht werden
kann. Flächenkühlsysteme werden mit kaltem Wasser durchströmt und nehmen die
Raumwärme über Strahlung teils auch über Konvektion auf, wodurch eine Kühlung der
Raumluft erfolgt. Dabei werden Zuglufterscheinungen und Turbulenzen im Raum
vermieden. (vgl. Pistohl 2007, L 108)
Des Weiteren erfolgt die Wärmeübertragung bei diesem System ohne mechanischen
Antrieb. Flächensysteme können nicht nur zur Kühlung, sondern auch zum Beheizen
verwendet werden (vgl. Sattler et al. 2012, S.25). Die ÖNORM H 5058 zählt zu den
Flächenkühlungen Kühldecken und Bauteilaktivierung (vgl. ÖNORM H 5058, 201103).
5.2.3.1. Kühldecken
Kühldecken können als geschlossene und offene Kühldecken eingesetzt werden.
Geschlossene Kühldecken werden einerseits als Putzdecke ausgeführt, wobei die
Rohrleitungen für das Kühlsystem entweder an der Untersicht der Rohdecke angebracht
und anschließend verputzt werden oder von der Rohdecke als Gipskartondecke oder
Metalllangfelddecke abgehängt werden. Die Wärmeaufnahme erfolgt bei diesem
System über Strahlung. Offene Kühldecken werden als einzelne Deckenelemente von
der Rohdecke abgehängt, die beispielsweise perforiert sind oder in Abständen verlegt
werden, so dass Raumluft um diese Elemente strömen kann. Die Wärmeübertragung
erfolgt hier über Konvektion. Die Rohrleitungen werden dann an den Kühlkreislauf mit
Vor- und Rücklauf angeschlossen, der die Kühldecken mit einer Vorlauftemperatur von
etwa 16 °C bis 18°C kaltem Wasser durchströmt. Die Rücklauftemperaturen liegen
dann um etwa 2 bis 3 Kelvin höher. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Kühlwassertemperatur nicht den Taupunkt der Raumluft unterschreitet, da sonst
Kondenswasser anfällt. (vgl. Pistohl 2007, L 108f.)
65
Abbildung 40: Aufbau und Wirkungsweise einer statischen Kühldecke
Quelle: Pistohl 2007, L108
Abbildung 41: Kühldecken Bauformen
Quelle: Pistohl 2007, L109
Der Vorteil von Kühldecken liegt im Vergleich zur Nur-Luft-Kühlung in den
niedrigeren Investitionskosten sofern hohe Kühllasten abgeführt werden müssen. Bei
Kühldecken kann zum einen mit relativ hohen Vorlauftemperaturen gekühlt werden und
zum anderen kann mit einer geringen Fördermenge das Kühlwasser im Wasserkreislauf
66
zirkuliert werden, was den Energieverbrauch bei der Erzeugung der Kaltwassers sowie
bei Förderpumpen senkt und damit die Betriebskosten reduziert. (vgl. Pistohl 2007, L
109)
5.2.3.2. Bauteilaktivierung
Bei der Bauteilaktivierung, auch Betonkernaktivierung genannt, erfolgt die Kühlung
ebenfalls wie bei den Kühldecken über Rohrleitungen, in denen Kaltwasser zirkuliert.
Allerdings wird das Rohrleitungssystem meist mäanderförmig in einer massiven
Stahlbetondecke verlegt, wodurch die Speichermasse der Decke thermisch aktiviert und
zur Kühlung genutzt wird. Das thermische aktivierte Bauteil wird in geringer
Temperaturdifferenz zur Raumluft temperiert, also im Kühlfall etwas unterhalb der
Raumtemperatur. Dabei darf wiederum die Taupunkttemperatur der Raumluft von der
Deckentemperatur des Bauteils nicht unterschritten werden, da sonst Kondensat anfällt.
Stahlbetonwände können auch zur Bauteilaktivierung genutzt werden, was aber seltener
der Fall ist. Die Übertragung der Raumwärme auf die kühle Betondecke erfolgt durch
Strahlung, womit Zuglufterscheinung im Vergleich zu einer Kühlung über Luft
entfallen.
Die Vorlauftemperaturen des Kühlwassers liegen ähnlich der Kühldecken
bei etwa 16°C bis 20°C, wobei sich bei diesem System optimal erneuerbare
Energiequellen wie Grundwasser, Flusswasser, Erdspeicher und dergleichen zur
Bereitstellung der Kühlenergie integrieren lassen. Die thermische Bauteilaktivierung ist
bei Bürogebäuden ein sehr wirtschaftliches Kühlsystem, dass die Grundkühllast im
Gebäude abdeckt und im Winter auch zur Beheizung des Gebäudes verwendet werden
kann. Einsparungen werden nicht nur bei den Betriebskosten erzielt, sondern auch bei
den Baukosten, da einerseits abgehängte Decken, die sonst die Wirkungsweise der
Bauteilaktivierung stark einschränken würden, entfallen. Dabei können auch kleinere
Lüftungskanäle ausgeführt werden, die nur einen Mindestluftwechsel in den Räumen
gewährleisten, da nicht aufwendig Raumwärme durch höhere Luftwechselraten
abgeführt werden muss. (vgl. Pistohl 2007, L 111)
67
Abbildung 42: Kühlung über thermisch aktivierte Bauteile mit Nutzung
utzung
regenerativer Energieträger
Quelle: Pistohl 2007, L111
Abbildung 43: Aufbau bauteilaktivierte Stahlbetondecke
Quelle: http://www.eder.co.at/uploads/pics/2010_Thermodecke_2.jpg
Die Vorteile der Bauteilaktivierung liegen in den relativ günstigen Errichtungskosten,
da mittlerweile die Verrohrung für den Wasserkreislauf beim Betonieren der
Stahlbetonbauteile kostengünstig verlegt werden kann. Bei einer thermischen
Aktivierung der Stahlbetondecken entfallen abgehängte Decken, wodurch höhere
Räume möglich werden, da Installationen
Install onen überwiegend über den in Bürogebäuden
üblichen Doppelboden geführt werden.
werden Der Entfall der Zwischendecke führt allerdings
zu Beeinträchtigungen in der Akustik,
Akustik da durch die sichtbaren Betondecken ein hoher
Anteil harter Oberflächen im Raum vorhanden ist.
is Daher müssen bei Verwendung einer
Bauteilaktivierung akustische Maßnahmen beispielsweise bei der Einrichtung oder den
68
Wänden getroffen werden. Ein weiterer Vorteil sind die geringen Vorlauftemperaturen,
womit hohe Wirkungsgrade bei der Wärme- und Kälteerzeugung erreicht werden. Dabei
lassen sich regenerative Systeme wie Wärmepumpen sehr leicht integrieren. Die
Regelung der Bauteilaktivierung ist anfangs etwas aufwändiger, da es ein massenträges
System ist und sich Regelungseffekte daher mit einer Verzögerung auswirken.
Raumtemperaturen müssen rechtzeitig und im Vornhinein gesteuert werden, wofür das
System richtig eingestellt sein muss, dass vom System eine selbstständige Regelung
möglich ist. Ab dann ist der Betrieb des Systems sehr unkompliziert (vgl.
Expertengespräch Steininger, Weiss/ Wiedemann, 2014)
Eine kurzfristige Anpassung der Raumtemperatur aufgrund der temporär auftretenden
hohen Wärmelasten wie in Besprechungsräumen ist bei einer Bauteilaktivierung nicht
möglich. In diesem Fall sind additive Maßnahmen wie beispielsweise Fan Coils
notwendig, die schneller reagieren (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). Von der
anfangs aufwändigeren Einregelung abgesehen wird das System von den Experten als
sehr zukunftsfähig angesehen, da mit vergleichsweise günstigen Herstell- und
Betriebskosten ein optimales Raumklima bei einem geringem Ressourcenverbrauch
erreicht wird, wobei eine dichte und gedämmte Gebäudehülle eine Voraussetzung für
eine optimale Funktionsweise der Bauteilaktivierung ist.
5.2.4. Kombisysteme
Kombisysteme stellen nach ÖNORM
H 5058 eine Kombination der bisher
vorgestellten Systeme dar. Durch die Kombination können die Vorteile des jeweiligen
Systems besser genutzt werden und falls ein System zur Deckung des Energiebedarfs
nicht ausreicht, kann die Versorgung mit dem anderen System ergänzt werden. (vgl.
ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.4, 2011)
Beispielsweise lassen sich durch die Kombination von thermischer Bauteilaktivierung
zur Grundheiz- und -kühllast und energieeffizienten raumlufttechnischen Anlagen, die
einen Mindestluftwechsel in den Räumen gewährleisten sehr hohe energetische
Einsparungen erzielen.
69
5.2.5. Passive Kühlsysteme
Passive Kühlsysteme erzeugen die Kühlenergie nicht aktiv, wie beispielsweise mit
Kältemaschinen, sondern nutzen natürliche Temperaturniveaus, die beispielsweise in
der Außenluft, im Erdreich oder im Grundwasser vorhanden sind. Energie wird nur zum
Transport des Kühlenergieträgers verbraucht und nicht zur Erzeugung der Kälte. (vgl.
Sattler et al. 2012, S.28)
In der ÖNORM H 5058 werden unter den Passiven Systemen die freie Kühlungen durch
Kühltürme, Erdreichregister und Kaltwasserkühlung über Brunnenwasser angeführt,
wobei Angaben zur Berechnung der Hilfsenergien für den Energietransport enthalten
sind (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.5, 2011). Des Weiteren kann eine passive Kühlung
auch über Erdwärmetauscher beziehungsweise Geothermie, Nachtlüftung oder
Speichermassen wie massive Bauteile oder Phase Change Materials erfolgen (vgl.
Sattler et al. 2012, S.28f.).
5.2.5.1. Freie Kühlung - Free Cooling
Bei den sogenannten freien Kühlungssystemen - Free Cooling - erfolgt die Kühlung der
Raumluft über Erdreichregister, Brunnenwasser oder Kühltürme. Die angesaugte
Außenluft
kann
durch
Erdreichregister
oder
durch
Wärmetauscher
in
der
Lüftungsanlage, die mit kaltem Brunnenwasser durchströmt werden, vorgekühlt
werden.
Brunnenwasser
kann
auch
direkt
über
Wärmetauscher
an
den
Kaltwasserkreislauf angeschlossen werden. Bei Erdreichregistern werden Luftleitungen
im Erdreich verlegt, wodurch die Zuluft im Sommer vorgekühlt wird, siehe Kapitel
5.2.5.2. Diese Systeme verursachen geringe Betriebskosten, aber vergleichsweise hohe
Baukosten, da Brunnen gegraben oder Luftkanäle im Erdreich verlegt werden müssen.
(vgl. Sattler et al. 2012, S.30)
Bei der thermischen Bauteilaktivierung bietet sich kaltes Brunnenwasser ebenfalls zur
Kühlung an, wobei in der Übergangszeit die Kühlung des Kaltwasserkreislaufs auch nur
über die Außenluft erfolgen kann. Bei einer Kühlung mit Außenluft wird das
Kühlmedium in Kühltürmen beziehungsweise Rückkühlen, die in der Regel frei auf der
Dachfläche des Gebäudes aufgestellt sind, durch einen Wärmeüberträger geführt. Dabei
durchströmt die Außenluft, die von Ventilatoren angesaugt wird, den Wärmeträger,
70
wodurch das Kühlmedium gekühlt wird. Rückkühler werden auch sehr oft bei der
Kälteerzeugung mit Kältemaschinen verwendet. Dabei unterstützen Rückkühler den
Kondensationsprozess des Kühlmittels, siehe Kapitel 5.2.6. Die Nutzung von Außenluft
zur Kühlung ist vor allem dann sinnvoll, wenn kein Brunnen- oder Flusswasser zur
Verfügung steht. Die Herstellungskosten sind wesentlich günstiger als bei der Nutzung
von Brunnenwasser oder Geothermie. (vgl. Pisthol 2007, L95)
5.2.5.2. Erdwärmetauscher/ Geothermie
Bei Erdwärmetauschern beziehungsweise bei der Nutzung von Geothermie wird die
Speichermasse des Erdreichs zur Kühlung im Sommer oder auch zur Beheizung im
Winter genutzt. Die Temperatur im Erdreich wird nur bis zur einer Tiefe von etwa 20
Metern von der solaren Strahlung oder den saisonalen Witterungsverhältnissen
beeinflusst, wobei sich der Temperaturverlauf des Erdreichs zeitlich verzögert zum
Temperaturverlauf der Umgebungstemperatur entwickelt, weil das Erdreich sehr träge
reagiert. In einer Tiefe zwischen 20 m und 100 m ist im Erdreich ganzjährig eine
konstante Temperatur von etwa 10°C vorhanden, die bei größeren Tiefen ansteigt, siehe
Abbildung 44:. (vgl. Sattler et al. 2012, S.29f.)
Diese thermischen Eigenschaften des Erdreichs werden mit Hilfe von LuftErdwärmetauschern
oder
Wasser-Erdwärmetauschern
genutzt.
Aufgrund
der
Temperaturdifferenz von Außentemperatur zu Erdreichtemperatur wird die für
Lüftungszwecke
genutzte
Außenluft
durch
die
Verwendung
von
Luft-
Erdwärmetauschern im Sommer gekühlt beziehungsweise im Winter erwärmt. Die
Funktionsweise eines wasserdurchströmten Erdreichwärmetauschers ist ähnlich den
luftdurchströmten
Erdwärmetauschern.
Bei
beiden
Systemen
wird
das
Temperaturniveau des Erdreichs zur Energieversorgung des Gebäudes genutzt.
Allerdings werden bei wassergeführten Erdreichwärmetauschern Rohrleitungen im
Erdreich verlegt, die an den Wasserkreislauf des Gebäudes angeschlossenen sind und
das Temperaturniveau des Erdreichs in das Gebäude transportieren. Im Gegensatz zur
Luft besitzt Wasser eine höhere Wärmekapazität, wodurch der Transport von Energie
wesentlich effizienter ist als durch Luft. Wassergeführte Systeme können sinnvoll mit
der thermischen Bauteilaktivierung angewendet werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.45-51)
71
Abbildung 44: Temperaturprofil im Erdreich
Quelle: Sattler et al. 2012, S.29
Abbildung 45: Schema Luft-Erdwärmetauscher für Zuluftkonditionierung
Quelle: Fink et al. 2002, S.48
Nutzt man die Geothermie ganzjährig zum Kühlen und zum Heizen, wird das System
optimal genutzt und die Investitions- und Betriebskosten sind im Vergleich zum
Wirkungsgrad sehr gering (vgl. Sattler et al. 2012, S.30). Erdberührte Bauteile wie
Fundamente können thermisch aktiviert werden. Besonders eignen sich Gebäude, bei
denen Tiefengründungen erforderlich sind, zur Nutzung von Geothermie, da in den
Bohrpfählen mit geringem Mehraufwand Erdsonden installiert und damit die
Temperaturen des Erdreichs zur Energieversorgung des Gebäudes herangezogen werden
72
können. Von der Magistratsabteilung 20 wird derzeit ein Geothermiepotentialkataster
erstellt. Der Vorteil der Nutzung von Geothermie liegt auch darin, dass keine
behördlichen Genehmigungsverfahren erforderlich sind wie bei einer Nutzung von
Grundwasser oder Flusswasser. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
5.2.5.3. Nachtlüftung
Die Nachtlüftung kühlt das Gebäude in den warmen Perioden durch Luftaustausch in
den Nacht- und frühen Morgenstunden, wenn die Temperaturen kühler sind als im
Verlauf des Tages. Bei diesem System nehmen die Speichermassen des Gebäudes
tagsüber die Raumwärme über Strahlung auf und stabilisieren dadurch das Niveau der
Raumtemperatur. In der Nacht, wenn die Außentemperatur abgekühlt ist, werden die
Fenster in der Regel automatisch geöffnet, womit kühle Außenluft in das Gebäude
strömen kann. Die massiven Bauteile geben infolge des Luftaustauschs die tagsüber
gespeicherte Wärme an die einströmende Außenluft ab. (vgl. Sattler et al. 2012, S.28)
Abbildung 46: Prinzip der Nachtauskühlung bei Bürogebäuden
Quelle: Pistohl 2007, L110
Der Raum wird damit sehr günstig vorgekühlt. Dabei können Kühllasten bei einer
effizienten Nachtlüftung und entsprechenden Speichermassen, um etwa 50 Prozent
reduziert werden. Für eine optimale Wirkung der Speichermassen dürfen diese nicht
durch abgehängte Decken, Teppiche und dergleichen verdeckt werden. (vgl. Sattler et
al. 2012, S.28)
In Hitzeperioden werden auch in unseren Breitengraden nachts sehr hohe Temperaturen
erreicht. Durch den städtischen Wärmeinseleffekts wird die Hitzebelastung in der Nacht
noch verstärkt, wodurch Gebäude über eine Nachlüftung nicht mehr gekühlt werden
können. (vgl. Formayer et al. 2009, S.78)
Des Weiteren ist eine Nachlüftung über Fenster mit einem großen organisatorischen
Aufwand verbunden. Man muss darauf achten, dass keine Zugluft entsteht und keine
73
Arbeitsunterlagen auf den Tischen liegen, die durch den Raum gewirbelt werden
können. Vom Vermieter sind Regeln zur Nachtlüftung schwer oder gar nicht
durchzusetzen. Die
ie Organisation müsste vom Mieter selbst kommen, durch
beispielsweise flexible Arbeitsplatzkonzepte, bei denen abends alle Arbeitsplätze
aufgeräumt sind. (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann,
Wiedemann 2014)
5.2.5.4. Phase Change Materials
In Gebäuden, die in Leichtbauweise
Leichtbauweise errichtet wurden und daher über einen geringen
geringe
Anteil massiver Speichermassen verfügen,
verfügen kann durch Verwendung von Phase Change
Materials (PCM),, sogenannte Latentwärmespeicher, die Speicherkapazität auch in
Leichtbauteilen verbessert werden. Phase Change Materials verfügen über eine hohe
Wärmespeicherkapazität und nehmen die Raumwärme
durch Änderung des
Aggregatszustands auf, zum Beispiel von fest zu flüssig. Wenn diee Raumtemperatur
wieder abgekühlt wird, beispielsweise durch Nachtlüftung, wird die gespeicherte
gespe
Wärme an die Raumluft abgegeben und der Aggregatszustand ändert sich von flüssig zu
fest. Als Latentwärmespeicher eignen sich beispielsweise wässrige Salzlösungen,
Salzhydrate oder Paraffine und Fettsäuren,
Fettsäuren, die im Verbund mit Baustoffen in Wänden
und
nd Decken integriert werden können.
können
Abbildung 47: PCM-Verbundmaterialien:
Verbundmaterialien: Granulat und PCM-Grafit-Verbund
PCM
Verbund
Quelle: Mehling et al. 2009, S.5
Abbildung 48: BASF - Gipsbauplatte mit PCM
Quelle: Mehling et al. 2009, S.6
74
Phase Change Materials schmelzen teilweise bei Raumtemperaturen von etwa 23°C 26°C und reduzieren dadurch die Überwärmung des Raums.
5.2.6. Kälteerzeugung
Kühlenergie wird in den häufigsten Fällen aktiv von Kältemaschinen erzeugt, die einen
thermodynamischen Kreislaufprozess umsetzen. Dabei können folgende Arten von
Kältemaschinen eingesetzt werden (vgl. Pisthol 2007, L93):
•
Kompressionskältemaschinen
•
Sorptionskältemaschinen
•
Anlagen, die ohne aktive Kälteerzeugung Kühlenergie bereitstellen, sind
beispielsweise:
•
DEC - Anlagen
5.2.6.1. Kompressionskältemaschine
Kompressionskältemaschinen sind das am weitesten verbreitete System zur Erzeugung
von Kühlenergie. Die Maschine funktioniert nach dem umgekehrten Prinzip einer
Kompressionswärmepumpe. In einem thermodynamischen Kreislauf wird dabei der
Aggregatszustand eines Kältemittels geändert. Dem Kühlgut wird Wärme durch
Verdampfung des Kältemittels entzogen, das anschließend in einem Kompressor
verdichtet wird und die aufgenommene Wärme durch Kondensation an anderer Stelle
wieder abgibt. Die Wärmeabgabe erfolgt in der Regel über Rückkühlgeräte, die von der
Außenluft gekühlt werden. Danach wird das Kältemittel in einem Expansionsventil
entspannt und erneut dem Kreislauf zugeführt, um wieder Wärme aufzunehmen. (vgl.
Pisthol 2007, H231)
75
Abbildung 49: Prinzip der Kompressionskältemaschine
Quelle: Sattler et al. 2012, S.31
Kompressionsmaschinen erzeugen Kühlenergie mit mechanischer Arbeit, wofür sehr
viel elektrische Energie verbraucht wird. Des Weiteren entstehen hohe Kosten durch die
Wartung der mechanischen Verschleißteile, die sehr geräuschvoll arbeiten. (vgl. Pistohl
2007, L93)
5.2.6.2. Sorptionskältemaschine
Sorptionskältemaschinen werden im Vergleich zur Kompressionskältemaschinen nicht
mechanisch angetrieben
und sind daher geräuscharmer und haben eine längere
Lebensdauer. Sie werden mit Wärme betrieben und deshalb auch als thermische
Kältemaschinen bezeichnet. Die Wärme kann aus verschiedenen Quellen gewonnen
werden, entweder direkt aus der Verbrennung fossiler Stoffe wie Öl und Gas oder auch
76
indirekt aus Abwärme von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, Fernwärme oder Wärme
aus Geothermie. Bei diesen Systemen kann auch die Wärme aus Solarenergie genutzt
werden. Dabei wird die Wärme in Solarkollektoren erzeugt und den Sorptionsanlagen
zugeführt. Der Vorteil liegt darin, dass die größte Wärmemenge bei intensiver
Sonnenstrahlung erzeugt werden kann, wenn auch der Kühlbedarf am größten ist.
Allerdings ist der Einsatz dieser Anlagen im Vergleich zu Kompressionskältemaschinen
mit höheren
niedrigeren
Herstellungskosten verbunden, aber bei größeren Anlagen auch mit
Betriebskosten.
Sorptionsanlagen
werden
in
Absorptions-
und
Adsorptionsanlagen unterschieden. (vgl. Pistohl 2007, L93)
Bei Absorptionskältemaschinen wird im Gegensatz zu Kompressionsanlagen das
verdampfte Kältemittel nicht mechanisch verdichtet, sondern es wird zuerst in einem
Absorptionsprozess in einem Lösungsmittel verflüssigt, wobei Kondensations- und
Lösungswärme frei wird. Anschließend wird es durch Wärmezufuhr von der Lösung
getrennt, wobei durch die Temperaturerhöhung auch der Druck erhöht wird. Danach
wird der verdichtete Kältemitteldampf zum Kondensator geführt, wo die Wärme wieder
abgegeben und das Kältemittel wieder verflüssigt wird. Das unter Druck stehende
Kältemittel wird dann entspannt und erneut dem Verdampfer zugeführt. Als
Absorptionsmittel
werden
Ammoniak
-
Wasserlösungen
oder
Wasser-
Lithiumbromidlösungen verwendet. Dieser physikalisch-chemische Prozess verbraucht
im Vergleich zur Kompressionskältemaschine viel weniger elektrische Energie. (vgl.
Pistohl 2007, L93)
Abbildung 50: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine
Quelle: MA 27 2007, S.11
77
Adsorptionskältemaschinen bestehen aus einem geschlossenem System mit zwei
Arbeitskammern, die den Absorber beinhalten. Als Absorber werden feste Stoffe wie
Silicagel eingesetzt. Die Anlage steht unter Unterdruck, wodurch das Kältemittel (meist
Wasser) bereits bei geringen Temperaturen verdampfen kann und in eine der Kammern
gelangt. An der Oberfläche des Absorbers adsorbiert das Kältemittel, wobei die
Wassermoleküle an der Oberfläche des Absorbers aufgenommen werden. Durch diesen
Vorgang entsteht der Kühleffekt. Gleichzeitig wird der anderen Kammer Wärme
zugeführt und in einem Desorptionsprozess verdampft das vorher adsorbierte
Kältemittel, was dann in den Kondensator gelangt und wieder flüssig wird. Dabei
regeneriert der Absorber wieder und der Vorgang kann wieder erneut durchgeführt
werden. Die Vorgänge erfolgen wechselseitig in den Kammern, wobei in einer Kammer
der Adsorptionsprozess und in der anderen der Desorptionsprozess abläuft. (vgl. Pistohl
2007, L94)
Abbildung 51: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine
Quelle: MA 27 2007, S.11
78
5.2.6.3. DEC - Anlage
DEC-Anlagen (Desiccant Evaporative Cooling), auch sorptionsgestützte Klimatisierung
genannt, werden den thermischen Kältemaschinen zugeordnet und übernehmen nicht
nur die Kühlung, sondern auch die Entfeuchtung der Außenluft. Bei diesem System
wird zuerst die Außenluft in einem Filter gereinigt und dann in einem
Sorptionsgenerator, der aus einem rotierenden Adsorptionsrad besteht, entfeuchtet und
erhitzt, wofür Wärme von erhitzter Raumabluft genutzt wird. Danach wird die warme
und getrocknete Außenluft über ein rotierendes Wärmerückgewinnungsrad von kühler
Raumabluft abgekühlt. Anschließend wird die Außenluft im Nacherhitzer und
Verdunstungskühler auf die gewünschte Zulufttemperatur und -feuchte gebracht und in
den Raum eingeblasen. Zur Regeneration des Adsorptionsrads wird Wärme benötigt,
die auch über Solaranlagen gewonnen werden kann. (vgl. Pisthol 2007, L94)
Abbildung 52: Schema DEC - Anlage
Quelle: Sattler et al. 2012, S.24
Ein Vorteil der DEC-Anlagen ist, dass die Kühlenergie nicht aktiv erzeugt werden
muss. Die erforderliche Wärmezufuhr für den Betrieb der Erhitzer kann mit Fernwärme,
Abwärme oder Solarenergie erfolgen, wodurch wertvolle Primärenergie eingespart
werden kann. Die Investitions- und Betriebskosten sind zwar bei DEC - Anlagen
geringer als bei konventioneller Technik, aber der Betrieb ist nur eingeschränkt
möglich, da bei hohen Außentemperaturen die Außenluft oft nicht auf die gewünschte
Zuluftqualität konditioniert werden kann. (vgl. Sattler et al. 2012, S.24)
Nach der Studie SolarCooling Monitor bieten DEC-Anlagen, die solarthermisch
betrieben werden, ein hohes Potenzial zur Einsparung von Primärenergie im Vergleich
79
zu Kompressionskältemaschinen. Bei einer ganzjährigen Nutzung lassen sich vor allem
im Winter durch die Rückgewinnung von Wärme und Feuchte aus der Abluft hohe
Einsparungen erzielen. Die Nutzung von DEC-Anlagen sollte daher nicht nur auf die
Erzeugung von Kühlenergie im Sommer beschränkt werden. Des Weiteren sollte auch
bei konventionellen raumlufttechnischen Anlagen nicht nur die Wärmerückgewinnung,
sondern auch eine Feuchterückgewinnung integrieren werden. (vgl. Preisler et al. 2012,
S.41)
Allerdings ist die Effizienz solcher Anlagen sehr stark von der Auslegung in der
Planung, der Errichtung und vor allem der Regelung im Betrieb abhängig. Falls die
Auslegung und der Betrieb nicht optimal gestaltet werden, wirkt sich das stärker auf die
Effizienz dieser Anlagen aus als bei konventionellen Technologien. (vgl. Preisler et al.
2012, S.46)
Im Bürogebäude ENERGYbase wurde eine solarbetriebene DEC - Anlage realisiert, um
dieses System in der Praxis zu erforschen. Dabei stand bei diesem Projekt die
technische Machbarkeit einer solaren Klimatisierung in Wien im Vordergrund und nicht
die wirtschaftliche Betrachtung. Die Wirtschaftlichkeit der Anlage ist bei diesem
Projekt daher schwer darstellbar und es können diesbezüglich keine Aussagen getroffen
werden. Insbesondere im Winterbetrieb ist die Energieeffizienz solcher Anlagen
besonders groß, was an den sehr hohen Wärme- und Feuchterückgewinnungsgraden
liegt. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
80
5.3. Kühlsysteme bei Demonstrationsprojekten mit besonders hoher
Energieeffizienz
Im folgenden Kapitel werden sehr energieeffiziente Bürogebäude vorgestellt, die weit
über die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen hinaus energetisch optimiert wurden.
Durch die Verwendung regenerativer Energien haben diese Gebäude einen sehr
geringen Energiebedarf und produzieren teilweise sogar mehr Energie als vom Gebäude
benötigt wird. Die Gebäude entsprechen teilweise jetzt schon den Anforderungen der
EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) für das Jahr 2020. Bei der Vorstellung
dieser Projekte wird der Schwerpunkt auf die dort eingesetzten Kühlsysteme gelegt. Die
Bürogebäude wurden anhand der im Abschnitt 1.21.2 dargestellten Methodik
ausgewählt, wonach folgende Projekte dargestellt werden:
•
ENERGYbase
•
aspern IQ
•
Zubau Raiffeisen Hochhaus
•
Sanierung Österreichische Kontrollbank
Die Projekte wurden mit den jeweiligen Experten überwiegend vor Ort besprochen,
wodurch ein besserer Einblick in das verwendete Kühlsystem gewonnen wurde.
81
5.3.1. ENERGYbase
Das Bürogebäude ENERGYbase wurde aus dem Forschungsprojekt Sunny Research im
Rahmen der Programmlinie Haus der Zukunft entwickelt, worin ein Konzept für ein
energieeffizientes
Bürogebäude
erarbeitet
wurde.
Die
Grundlage
für
das
Gebäudekonzept bilden die drei Säulen:
•
Energieeffizienz
•
Nutzung von erneuerbaren Energien
•
Höchster NutzerInnenkomfort
Mit der Realisierung des Passivhausstandards, der mehr im Wohnbau verbreitet ist,
wurde bei diesem Bürogebäude ein innovativer Ansatz verfolgt. Dabei war das Ziel, den
Energieverbrauch des Gebäudes zu minimieren und den Bedarf an Restenergie
überwiegend aus erneuerbaren Energien wie Erdwärme und Solarenergie zu decken.
(vgl. Preisler 2009, S.7f.)
Abbildung 53: ENERGYbase
Quelle: http://www.technikum-wien.at/img/db/pics/16493.jpg.
Im ENERGYbase konnten durch die energetischen Optimierungsmaßnahmen im
Bereich der haustechnischen Einrichtungen Einsparungen von etwa 80 Prozent CO282
Emissionen im Vergleich zu konventionellen Bürogebäuden erreicht werden. (vgl.
Preisler 2009, S.19)
Für die Umsetzung des Passivhausstandards wurde zum einen die Gebäudehülle hoch
wärmegedämmt und luftdicht ausgeführt und zum anderen eine Lüftungsanlage mit
einer Wärme- und Feuchterückgewinnung aus der Abluft zur Minimierung von
Energieverlusten
installiert
sowie
entsprechende
Sonnenschutzmaßnahmen
zur
Vermeidung externer Kühllasten im Gebäude vorgesehen. Dadurch konnte nach dem
Passivhausprojektierungspaket ein Heizwärmebedarf von unter 11 kWh/m²a sowie ein
Kühlbedarf von unter 15 kWh/m²a erreicht werden und damit das Bürogebäude als
Passivhaus zertifiziert werden. (vgl. Preisler 2009, S.30f.)
Durch den Passivhausstandard wird der Energiebedarf des Gebäudes besonders im
Bereich der Wärmeaufbringung sehr weit minimiert. Die benötigte Restenergie wird
größtenteils mit regenerativen Systemen bereitgestellt. Dabei wird Grundwasser im
Heizfall in Verbindung mit Wärmepumpen und im Kühlfall mittels Free-Cooling über
thermisch aktivierte Stahlbetondecken im Gebäude verteilt.
Abbildung 54: Schema Heiz- und Kühlkonzept
Quelle: Preisler 2009, S.31
Zur Konditionierung der Außenluft wurde bei diesem Gebäude mit dem Solar Cooling
ein sehr innovatives System erstmals in dieser Form bei einem Bürogebäude in
Österreich umgesetzt. Dabei wird Sonnenenergie durch Solarkollektoren aufgenommen
und zum Betrieb einer DEC - Anlage (Desiccant Evaporative Cooling), siehe Kapitel
83
5.2.6.3, genutzt, welche im Sommer die Frischluft trocknet und kühlt. Im Winter wird
die gewonnene Energie aus den Solarkollektoren zur Unterstützung der Heizung
genutzt. Ein weiteres innovatives Konzept wurde mit der ökologischen Regulierung der
Luftfeuchte durch Grünraumpuffer im Gebäude umgesetzt. Dabei sah man in den
Mietflächen Bereiche für Bepflanzungen vor, die auch im Winter und in der
Übergangszeit Feuchte in das Lüftungssystem einspeisen.
Abbildung 55: Grünraumpuffer im ENERGYbase
Quelle: http://www.energybase.at/infocenter_presseinfo.php?PHPSESSID=cf0c741038c5f29e8eac1526a
047998c#
Die Sonnenenergie wird in diesem Gebäude mehrfach, aktiv und passiv, genutzt. Die
spezielle Faltung der Südfassade bewirkt, dass die solare Strahlung nur im Winter direkt
in das Gebäude eindringen kann und dadurch passive thermische Gewinne erzielt
werden, die über das Lüftungssystem auch den nördlich gelegenen Räumen zugeführt
werden. Im Sommer verschattet sich die Südfassade selbst, wodurch das Eindringen
solarer Strahlung verhindert wird. In die gefaltete Fassade wurden Photovoltaikmodule
mit einer Fläche von 400 m² integriert, die mit einer Leistung von etwa 46 Kilowatt
Peak ungefähr 20 Prozent der benötigten Energie für Heizung, Kühlung, Lüftung,
Beleuchtung und Hilfsstrom abdecken. Die restlichen 80 Prozent werden aus dem
Stromnetz bezogen, wobei diese Energie durch Wasserkraft aufgebracht wird. Des
Weiteren wurden 285 m² Solarkollektoren für das Solar Cooling im Sommer und zur
Unterstützung der Heizung im Winter installiert. (vgl. Preisler 2009, S.30 - 32)
84
Abbildung 56: Aktive und passive Nutzung von Solarenergie im ENERGYbase
Quelle: Preisler 2009, S.32
Die Wirkungsweise der verschiedenen Systeme zur Optimierung der Energieeffizienz
des Gebäudes wurden in der Planungsphase simuliert und die Energiekennzahlen
berechnet. Die ermittelten Energiewerte konnten auch im Betrieb durch ein
wissenschaftliches Energie-Monitoring bestätigt werden, das seit 2009 kontinuierlich
durchgeführt wird. Innovative Projekte wie dieses werden oft stark beworben, doch im
Betrieb zeigt sich, dass die prognostizierten Werte nicht eingehalten werden und der
Energieverbrauch höher ist als angenommen. Das kann an verschiedenen Gründen
liegen, wie zum Beispiel an der Überheizung von Räumen im Winter auf 22°C anstatt
20°C.
Durch die Auswertung der Messergebnisse aus Energieverbräuchen im
ENERGYbase wurde festgestellt, dass die Wärmepumpe eine gute Energieperformance
liefert, aber noch Verbesserungspotentiale vorhanden sind. Der Stromverbrauch der
Lüftungsanlage ist im Vergleich zu anderen Verbrauchergruppen noch relativ hoch,
wobei ein übermäßiger Verbrauch aufgrund eines effizienten Betriebs der Anlage durch
das Facility-Management vermieden wird. Dagegen ist der Energieverbrauch durch
künstliche Beleuchtung vergleichsweise gering. Mit der derzeit am Markt vorhandenen
Beleuchtungstechnik können bereits gute Ergebnisse erzielt werden. Nach der
Inbetriebnahme des Gebäudes dauerte es etwa ein Jahr bis die Gebäudeleittechnik so
eingestellt war, dass die Systeme optimal betrieben werden konnten. Grundsätzlich lässt
sich sagen, dass die Nutzung von Grundwasser zur Gebäudekühlung ein sehr kostenund energieeffizientes System ist, da der Energieaufwand nur im Pumpenbetrieb für die
Zirkulation des Wasserkreislaufs besteht. Bei Photovoltaikanlagen kommt man unter
Berücksichtigung
der
günstigeren
Preisentwicklung
seit
2008
ebenfalls
in
85
wirtschaftliche
Kosten-Nutzen-Rechnungen.
Im
ENERGYbase
erzeugt
die
Photovoltaikanlage etwa ein Fünftel der erforderlichen Energie für den Gebäudebetrieb.
Würde man die photovoltaische Fläche in diesem Gebäude um das Fünffache erhöhen,
würde über das Jahr gesehen so viel Solarstrom erzeugt werden wie durch den
Gebäudebetrieb für Heizen, Kühlen, Zuluftaufbereitung und Grundbeleuchtung
verbraucht wird. Für das Solar Cooling ist die Wirtschaftlichkeit bisher noch schwer
darstellbar. Bei der Nutzung von solarer Wärme zur Klimatisierung im Sommer stand
bei diesem Projekt der Forschungscharakter im Vordergrund, wobei der praktische
Nachweis für die Kombination von thermischer Solarenergie und DEC - Anlagen
geliefert wurde. Auch im Winterbetrieb ist mit der DEC - Technik eine hohe
Energieeffizienz aufgrund hoher Wärme- und Feuchterückgewinnungsgrade zu
erreichen. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
86
5.3.2. aspern IQ
Das
Technologiezentrum
aspern
IQ
wurde
als
erstes
Gebäude
im
Stadterweiterungsgebiet „Seestadt Aspern“ von September 2011 bis Oktober 2012
errichtet (vgl. MA 20 2013, S.92). In diesem Gebäude kombinierte man verschiedene
innovative Technologien miteinander, so dass ausgehend vom Passivhausstandard das
erste Plusenergie-Bürogebäude in Österreich realisiert wurde. Das Gebäude produziert
demnach mehr Energie als es selbst verbraucht. Das Hauptanliegen bei diesem Projekt
war einen optimalen NutzerInnenkomfort zu schaffen und durch die Verwendung
lokaler Ressourcen den Plusenergiestandard zu erreichen.
Abbildung 57: aspern IQ
Quelle: http://www.asperniq.at/wp-content/uploads/2013/05/Slider02a-1030x428.jpg
Abbildung 58: aspern IQ - Flächen
Büroflächen: 4.900 m2
Produktions- und Gewerbeflächen: 1.230 m²
Restaurant mit 100 Plätzen, Seminarbereich für 120 Personen
Tiefgarage mit 65 Stellplätzen
Quelle: vgl. aspern IQ 2013a
Eine Vorgabe war Energieverluste über die Gebäudehülle und Anlagentechnik auf
Passivhausniveau zu reduzieren und folgende Werte zu unterschreiten:
87
• Heizwärmebedarf Zielwert: HWB*V,NWG,max = 3 * (1+2,5/lc) kWh/m³a
• Außeninduzierter Kühlbedarf Zielwert: KB*V,NWG,max = 0,5 kWh/m³a
• Primärenergiebedarf Zielwert: PEBNWG,max = 100 kWh/m²a
Der
Zielwert
für
den
Primärenergiebedarf
liegt
deutlich
unter
den
Mindestanforderungen für Passivhäuser von 120 kWh/m²a, siehe Kapitel 3.4.3. Die
Anforderungen an den Heizwärmebedarf liegen sogar unter den Werten nach den
„Kriterien und Anforderungen für Dienstleistungsgebäude in Wien“, die Anforderungen
an den außeninduzierten Kühlbedarf etwas oberhalb, vergleiche Kapitel 3.4.5. (vgl.
aspern IQ 2013b)
Voraussetzung für eine Passivhausqualität war eine
dichte hochwärmegedämmte
Gebäudehülle, um Energieverluste über die Außenflächen soweit wie möglich zu
verringern. Durch großzügige Fensterflächen wird das Tageslicht optimal genutzt,
wobei ein außenliegender Sonnenschutz den Raum vor Überhitzung durch hohe
Solarstrahlung schützt. Der Sonnenschutz wird über Sensoren je nach Sonnenstand und
Strahlungsintensität automatisch heruntergefahren, dabei werden die Fassaden nach
Bedarf unabhängig voneinander angesteuert. Aufgrund perforierter Raffstores ist bei
heruntergefahrenem Sonnenschutz immer ein gewisser Anteil an Tageslicht im Raum
vorhanden, was den zusätzlichen Bedarf an Kunstlicht zur Erreichung der erforderlichen
Arbeitsplatzbeleuchtung reduziert. Außerdem wird dadurch eine Sichtbeziehung nach
außen gewährleistet, was sich positiv auf den NutzerInnenkomfort auswirkt. Die
Fassade wurde bereichsweise mit Add-On-Elementen versehen wie Schilfbewuchs, der
das Gebäude natürlich beschattet und zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt, oder
Photovoltaik-Module,
die ebenfalls das Gebäude beschatten und dabei Energie
produzieren. Photovoltaik-Module wurden auch im Bereich der Flachdächer vorgesehen
und in der Fassade der Technikzentrale am Dach integriert. Die Photovoltaikanlage
produziert mit einer Fläche von etwa 1300 m² zu Spitzenzeiten etwa 140 kWp Energie.
(vgl. aspern IQ 2013a)
Der
geringe
Energieverbrauch
des
Gebäudes
beruht
auch
auf
effizienten
Haustechnikanlagen, die mit intelligenter Regelung und Steuerung betrieben werden,
wobei zur Deckung des Energiebedarfs immer das System zugeschaltet wird, welches
den höheren Wirkungsgrad aufweist. Der Energieverbrauch durch Be- und Entlüftung
88
sowie durch Beleuchtung orientiert sich am Bedarf der NutzerInnen. Durch die
Lüftungsanlage wird in den Mieteinheiten ein geringer kontinuierlicher Luftwechsel
bereitgestellt, wobei über Fühler der CO2 -Gehalt in der Luft gemessen und der
Luftwechsel nach Bedarf, zum Beispiel durch anwesende Personen, angepasst wird.
Rotationswärmetauscher
in
der
Lüftungsanlage
ermöglichen
eine
Wärmerückgewinnung von etwa 80 Prozent, in dem beispielsweise mit der warmen
Abluft die kühle Zuluft vortemperiert wird. Auch die Beleuchtung in den Mieteinheiten
wird ebenfalls über Licht- und Anwesenheitssensoren bedarfsorientiert gesteuert.
Entsprechend der Tageslichtverhältnisse oder nach anwesenden Personen werden die
dimmbaren Leuchten auf eine optimale Raumbeleuchtung nachgeregelt. Da in diesem
Gebäude das Heizen und Kühlen über eine thermische Bauteilaktivierung der massiven
Decken erfolgt, wurde die Raumbeleuchtung mit Stehleuchten ausgeführt, um Auslässe
in der Stahlbetondecke auf das Minimum zu reduzieren und eine abgehängte Decke zu
vermeiden. Zonenventile ermöglichen eine getrennte Steuerung des Heiz- und
Kühlbedarf in den Mieteinheiten. Theoretisch könnte sogar gleichzeitig eine Mieteinheit
gekühlt und eine andere beheizt werden. Der Wärmebedarf wird bei dieser
hochgedämmten Gebäudehülle oft schon durch die internen Lasten gedeckt. Neben der
Wärmerückgewinnung durch die Lüftungsanlage wird auch die Abwärme aus den
Serverräumen
genutzt,
die
mittels
Kleinwärmepumpen
in
Pufferspeichern
zwischengelagert und bei Bedarf über die Bauteilaktivierung zum Beheizen verwendet
wird. Dadurch wird eine gesamte Wärmerückgewinnung der eingesetzten Energie von
über 90 Prozent erzielt. Lastspitzen werden durch Fernwärme abgedeckt. Zur Kühlung
des Gebäudes wird Grundwasser verwendet, wobei in der Übergangszeit ein
Rückkühler am Dach zugeschaltet wird, der im Frühjahr und Herbst höhere
Wirkungsgrade erzielt. Durch den Einsatz dieser energieeffizienten Systeme liegt der
verbleibende Restenergiebedarf des Gebäudes im Vollbetrieb nur mehr bei einem
Sechstel von Bürogebäuden mit konventioneller Technik. Der Restenergiebedarf wird
durch die Stromproduktion der Photovoltaikanlage ausgeglichen, wodurch ein
Plusenergiebürogebäude realisiert wurde. (vgl. aspern IQ 2013b)
89
Abbildung 59: aspern IQ - Energieverteilung in der Mieteinheit
Quelle: http://www.clusterwien.at/files/uploads/2012/11/WS1_a_Bedenk_-_Haustechnik_Planung.pdf
Bei der Konzeption und Planung der energieeffizienten Systeme im Bürogebäude
aspern IQ konnte auf Erfahrungen aus dem ENERGYbase zurückgegriffen werden.
Beide Projekte wurden von der Wirtschaftsagentur Wien initiiert und mit dem gleichen
Projektentwickler umgesetzt. Das Gebäude Management des ENERGYbase wurde
dabei in die Konzeption des Gebäudes involviert und in weiterer Folge auch mit der
Betreuung des aspern IQ beauftragt. Dadurch konnten wichtige Erkenntnisse aus dem
Betrieb des ENERGYbase bereits in der Planungsphase des aspern IQ einfließen.
Beispielsweise
wurde
im
ENERGYbase
festgestellt,
dass
auch
schon
die
Sicherheitsbeleuchtung in einem sehr energieeffizienten Gebäude verhältnismäßig viel
Energie verbraucht. Eine weitere Erkenntnis war das Nutzungspotential der Abwärme
aus den Serverräumen. Im Gebäude aspern IQ wurde diese Abwärme über eine Art
interne
Energieschiene
unter
Verwendung
von
Kleinwärmepumpen
in
das
Beheizungssystem des Gebäudes integriert. Da diese Art der Abwärmenutzung noch
wenig erforscht ist, wird derzeit durch Gegenüberstellung der Investitionskosten und
den alternativen Kosten für die gewonnene Energie evaluiert, inwieweit dieses System
kosteneffizient ist. Dabei können auch Rückschlüsse gezogen werden, ab welcher
Anzahl von Servern die Nutzung der Abwärme sinnvoll ist. Der Aufbau der
90
Lüftungsanlage entspricht größtenteils dem Anlagenkonzept des ENERGYbase mit
Wärme- und Feuchterückgewinnung durch Rotationswärmetauscher zwischen Zu- und
Abluft. Zur Gebäudekühlung wird Grundwasser genutzt, wofür eigene Brunnen
errichtet wurden. Das Grundwasser wird mit einer Temperatur von etwa 13 bis 14 Grad
aus einem Förderbrunnen gepumpt, zu einem Wärmetauscher geleitet und im Sommer
zum Kühlen genutzt. Über einen Schluckbrunnen wird das Grundwasser dann wieder in
den Boden zurückgeführt. Alternativ werden zur Kühlung auf der Dachfläche situierte
luftgekühlte Rückkühler zugeschaltet, was vor allem in der Übergangszeit bessere
Wirkungsgrade bringt und wodurch die Brunnen nicht verwendet werden müssen. Das
kühle Wasser wird dann über die Bauteilaktivierung im Gebäude verteilt. Die
Raumtemperaturen werden unabhängig vom Kühl- oder Heizfall über die Temperatur
der thermisch aktivierten Bauteile geregelt, was zentral gesteuert wird. Dabei werden
Sollwerte für die Deckentemperatur definiert, die im Heizfall etwas über und im
Kühlfall etwas unter der Raumtemperatur liegen. Die Deckentemperaturen werden über
im Bauteil eingelegte Fühler kontrolliert. Durch Wärmeabgabe (Heizfall) und
Wärmeaufnahme (Kühlfall) durch das thermisch aktivierte Bauteil werden behagliche
Raumtemperaturen gewährleistet. Im Winter liegt die Lufttemperatur im Raum bei 2122° C, im Sommer können je nach Fassadenseite auch 25°C erreicht werden. Die
Lüftungsanlage regelt dabei die Luftfeuchtigkeit im Raum, was einen wesentlichen
Einfluss auf das Behaglichkeitsgefühl hat. Im Winter werden etwa 45 Prozent
Luftfeuchtigkeit im Raum erreicht, im Sommer maximal 60 Prozent. Da die
Deckentemperaturen zentral gesteuert werden, gibt es keine eigenen Raumregelungen in
den Mieteinheiten. Die Bauteilaktivierung ist ein massenträges System und die Effekte
einer Regelung kommen erst verzögert im Raum an. Daher muss das System vorher so
gut eingestellt werden, dass es rechtzeitig auf Temperaturänderungen reagieren kann,
wobei eine hochwertige Gebäudehülle Voraussetzung für das Funktionieren einer
Bauteilaktivierung ist. Wenn beispielsweise die Temperaturen in einem Raum stark
vom Sollwert abweichen, kann es bis zu einem Tag dauern, bis das System die
gewünschte Temperatur nachgeregelt hat. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass bei
einer richtigen Einstellung des Systems von den NutzerInnen keine Notwendigkeit für
Raumregelungen besteht. Die Fenster im Gebäude sind öffenbar und können von den
NutzerInnen nach Bedarf bedient werden. Geöffnete Fenster haben auf die
Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes kaum beziehungsweise keine Auswirkungen. Das
91
Lüften in der Früh oder das Öffnen der Fenster in der Übergangszeit, wenn die
Außentemperatur in etwa einer behaglichen Raumtemperatur entspricht, stellt kein
Problem dar. Wenn die Fenster an heißen oder sehr kalten Tagen zu lange geöffnet
werden, kann es aufgrund der Bauteilaktivierung etwas dauern, bis im Raum wieder
optimale Temperaturen erreicht werden. Darüber werden die Nutzer informiert, um die
Raumtemperatur nicht unbewusst zu beeinträchtigen. Aufgrund der durchschnittlichen
Arbeitszeiten von Montag bis Freitag und damit über die Woche gesehen
unterschiedlichen Belegungszeiten reichen die internen Lasten vor allem nachts und am
Wochenende manchmal nicht aus, um angenehme Raumtemperaturen zu gewährleisten.
Daher wurde im aspern IQ ein Fernwärmeanschluss vorgesehen, um Lastspitzen beim
Wärmebedarf abzudecken. In den Mieteinheiten gibt es aufgrund der Bauteilaktivierung
fast keine abgehängten Decken, was aber keine Einschränkung in der Flexibilität der
Raumnutzung darstellt. Über den Doppelboden ist eine flexible Installationsführung
möglich, wobei auch die Zuluft über Quellluftauslässe im Doppelboden dem Raum
zugeführt wird. Somit kann die Raumaufteilung nach Bedarf konzipiert werden. (vgl.
Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014)
92
5.3.3. Zubau Raiffeisen Hochhaus
Das bestehende Raiffeisenhaus am Donaukanal in Wien wurde Ende 2012 nach einer
Bauzeit von etwa zwei Jahren durch einen 22-geschossigen Zubau in Passivhausqualität
erweitert (vgl. Raiffeisen Klimaschutz 2012a). Damit wurde das weltweit erste
Passivbürohochhaus errichtet und Büroflächen von 20.000m² geschaffen (vgl.
Raiffeisen Klimaschutz 2012b). Für die Zertifizierung nach Passivhausstandard musste
ein jährlicher Primärenergiebedarf von unter 120 kWh/m²a und ein jährlicher
Energiebedarf für Heizwärme und Kühlung von jeweils unter 15 kWh/m²a gewährleistet
werden. Das konnte mit diesem Gebäude erreicht werden. Der Primärenergiebedarf
wurde mit <120 kWh/m²a, der Heizwärmebedarf mit 14 kWh/m²a und der
Kühlenergiebedarf mit 9 kWh/m²a berechnet (vgl. Raiffeisen Klimaschutz 2012c). Der
Energiebedarf wird in diesem Gebäude durch einen Mix aus verschiedenen Systemen
wie zum Beispiel Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungs-Anlage, Geothermie, Photovoltaik
oder das Wasser aus dem Donaukanal gedeckt (vgl. MA 20 2013, S.88).
Abbildung 60: Raiffeisenbank - Energieversorgung
Wärmebedarf:
40 % Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK)
38 % Abwärme Rechenzentrum
7 % Geothermie
15 % Fernwärme
Kühlbedarf:
28 % über Donaukanalwasser
8 % Geothermie
29 % Kompressions-Kältemaschine
33 % Absorptions-Kältemaschine
Strom:
60 % KWKK
1 % Photovoltaik
39 % Wien-Strom
Quelle: MA 20 2013, S.88f.
93
Zur Vermeidung eines Hitzeeintrags durch Sonnenstrahlung wurde eine doppelschalige
Klimaschutzfassade vorgesehen, die einerseits eine optimale Tageslichtausnutzung,
andererseits eine natürliche Lüftung über Fenster gewährleistet. Der Sonnenschutz
wurde im Fassadenzwischenraum installiert, der hinterlüftet ist und wodurch ein
Hitzestau zwischen den Glasscheiben vermieden wird. Da jedes zweite Fenster öffenbar
beziehungsweise kippbar ausgeführt wurde, kann nach Bedarf auch natürlich belüftet
werden.
Bei
starker
solarer
Strahlung
wird
der
Sonnenschutz
automatisch
heruntergefahren, was aber von den Nutzern übersteuert werden kann. Durch perforierte
Lamellen
bleibt
auch
bei
geschlossenem
Sonnenschutz
noch
ein
gewisser
Tageslichteinfall und Blickkontakt nach außen erhalten, allerdings regelt dann die
dimmbare Beleuchtung je nach vorhandenem Lichteinfall die Lichtintensität des Raums
automatisch nach, um eine optimale Arbeitsplatzbeleuchtung zu gewährleisten. Die
Räume werden hauptsächlich über eine thermische Bauteilaktivierung gekühlt, wobei
auch eine gewisse Kühlung durch die konditionierte Zuluft erfolgt, die aber bei einem
1,5fachen Luftwechsel nur einen geringen Anteil an der Kühlung ausmacht. In
Besprechungsräumen mit besonders großen Wärmelasten oder in exponierten Räumen
mit hohem Fassadenanteil und geringen Deckenflächen wurden zusätzlich zur
Bauteilaktivierung
Ventilator-unterstütze
Unterflurkonvektoren
installiert.
Die
Energieerzeugung erfolgt zu einem großen Teil über ein eigenes Blockheizkraftwerk,
das mit Biogas betrieben wird und den Strombedarf zu 60 Prozent, wie auch den
Wärmebedarf zu 40 Prozent deckt. Die benötigte Kühlenergie wird einerseits durch
Kompressionskältemaschinen mit einem Anteil von 29 Prozent und andererseits durch
Absorptionskältemaschinen erzeugt, die mit 33 Prozent den größten Teil der
Kühlenergie bereitstellen und sowohl die Abwärme des Blockheizkraftwerks als auch
der
Kompressionskältemaschinen
als
Antriebsenergie
verwenden.
Die
Kompressionskältemaschinen werden in der Regel zur Abdeckung von Lastspitzen
eingesetzt, wobei deren Stromverbrauch zu einem Großteil vom Blockheizkraftwerk
abgedeckt wird. Die auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage erzeugt mit einer
Nennleistung von 60 Kilowatt Peak pro Jahr ebenfalls Strom. Des Weiteren trägt das
Donaukanalwasser zu einem Anteil von 28 Prozent zur Kühlenergie bei, da in den
Übergangszeiten Frühjahr und Herbst überwiegend mit Wasser aus dem Kanal gekühlt
wird. In heißen Perioden verwendet man das Wasser zur Rückkühlung der
94
Kompressionskältemaschinen. Die Nutzung des Donauwassers musste in einem eigenen
Verfahren behördlich bewilligt werden, dabei wurde die Rücklauftemperatur des
Wassers, welches wieder in den Kanal eingeleitet wird, mit einem Delta von 5°C
beschränkt. Die Rücklauftemperaturen müssen sich daher im Jahresverlauf immer an
den Wassertemperaturen des Donaukanals orientieren. Geothermie wird ebenfalls zur
Erzeugung von Kühlenergie verwendet, wenn auch nur zu einem geringen Anteil von 8
Prozent. Einen hohen Energiebedarf verursacht das Rechenzentrum der Raiffeisenbank,
welches sich auch in diesem Gebäude befindet und ganzjährig gekühlt werden muss.
Mit der Abwärme des Rechenzentrums wird wiederum ein Teil des Heizwärmebedarfs
gedeckt. Die Abgabe von Kühlenergie erfolgt über einen Kaltwasserverteilerkreis, der
die massiven Stahlbetondecken durchströmt und an den das Rechenzentrum
angeschlossen ist. Durch die kühlere Betondecke wird die Raumwärme über Strahlung
aufgenommen und abgeführt. Da bei diesem System Zugerscheinungen auch aufgrund
der moderaten Luftwechselrate entfallen, entsteht auch in warmen Perioden ein
angenehmes Raumklima, was sich im heißen Sommer 2013 bewährt hat. Die Aussagen
der Nutzer waren diesbezüglich sehr positiv. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014)
Für die Errichtung dieses Passivhochhauses wurde ein Anteil von etwa 5 Prozent der
Gesamtinvestitionskosten für regenerative und energieeffiziente Systeme projektiert
(vgl. Raiffeisen 2012b). Berechnungen zur Folge wird mit diesen Maßnahmen der
Energieverbrauch im Vergleich zu Bürobauten mit konventioneller Technik um 50
Prozent niedriger sein (vgl. Raiffeisen 2012c). Dabei werden sich die getätigten
Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen nach etwa 12 Jahren plus minus zwei
Jahren amortisieren, wobei die zukünftige Entwicklung von Gas beziehungsweise
Biogas eine Rolle spielen wird (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014).
95
5.3.4. Sanierung Österreichische Kontrollbank
Die Österreichische Kontrollbank (OeKB) hat bereits im Jahr 2000 mit dem Aufbau
eines Nachhaltigkeitsmanagement begonnen und ist seit 2001 gemäß EMAS (ECO
Management and Audit Scheme) - zertifiziert. Im Rahmen dieser Nachhaltigkeitspolitik
wurden viele Maßnahmen umgesetzt, um den Gebäudebetrieb energieeffizienter zu
gestalten. Bei diesem Gebäude handelt es sich um einen Gründerzeitbau, der im
Zeitraum um 1850 errichtet wurde und sich sowohl im Eigentum der OeKB befindet als
auch von der OeKB selbst als Büro genutzt wird. Von 2010 bis 2012 wurden weitere
umfassende Sanierungsmaßnahmen realisiert wie der Ausbau des Dachgeschosses mit
Errichtung einer Photovoltaikanlage, Austausch und Sanierung von Fenstern im
Bestand, Optimierung der Regelung der haustechnischen Anlagen und weitere Nutzung
der Abwärme aus dem hausinternen Rechenzentrum. (vgl. IBO 2010, S.3-10)
Abbildung 61: Österreichische Kontrollbank
Quelle: Eigene Darstellung
Mit dem Dachgeschossausbau wurde der Passivhausstandard realisiert und weitere
2000
m²
Bürofläche
geschaffen.
Nach
einer
Vorgabe
aus
dem
Nachhaltigkeitsmanagement durfte durch die zusätzlichen Büroflächen nicht mehr
Energie verbraucht werden als vorher im Gebäude. Daher mussten durch den
Dachgeschossausbau sogar Energiegewinne erzielt werden. Ein behagliches Raumklima
wird im Dachgeschoss über eine Flächenheizung und -kühlung erreicht, in dem ein
96
Leitungssystem in den Leichtbauwänden und im Fußboden installiert wurde. Im
Kühlfall zirkuliert kaltes Wasser durch die Leitungen, im Heizfall warmes Wasser,
wobei zur Temperierung des Warmwassers Abwärme aus dem Rechenzentrum genutzt
wird.
Ergänzend
zur
Flächenkühlung
und
-heizung
wurden
vereinzelt
Gebläsekonvektoren vorgesehen. Mit der Errichtung des Dachgeschossausbaus wurden
auch Wärmeverluste aus dem darunter liegenden Geschoss sehr weit reduziert, die
aufgrund des ursprünglich schlecht gedämmten Dachbodens relativ hoch waren. Zur
Vermeidung solarer Einstrahlung wurden im Bereich der Fenster Sonnenschutzgläser
und sonnenstandgesteuerte innenliegende Jalousien vorgesehen. Die Fenster wurden mit
einer Absaugung ausgeführt, womit warme Luft zwischen Jalousie und Verglasung über
Konvektion nach außen abgeführt werden und nicht in den Raum eindringen kann. Des
Weiteren wurden an den Fenstern Kontakte vorgesehen, die signalisieren, ob die Fenster
geöffnet sind. Bei geöffneten Fenstern wird die Flächenheizung und -kühlung
automatisch abgeschaltet. Offen stehende Fenster werden abends automatisch
geschlossen, da besonders im Winter der Raum sonst zu stark auskühlen würde und die
Flächenheizung sehr lange brauchen würde, um die Temperaturen auf ein angenehmes
Niveau nachzuregeln. Um eine Passivhausqualität zu erreichen, wurden eine
kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung im Dachgeschoss installiert, die einen
erforderlichen Luftwechsel gewährleistet. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014)
In den bestehenden Geschossen gibt es keine Lüftungsanlage, auch wäre ein Nutzung
von Flächenheizung und -kühlung zu teuer gewesen. Da die Fenster zum Lüften
geöffnet werden, hat man sich für in der abgehängten Decke eingebaute
Gebläsekonvektoren entschieden, weil dadurch Raumtemperaturen wesentlich schneller
nachgeregelt werden können als mit Flächenheizung und -kühlungen. So wie im
Dachgeschoss wurden an den Fenstern Kontakte vorgesehen, die signalisieren, wenn
Fenster
geöffnet
sind.
Bei
offen
stehenden
Fenstern
schalten
sich
die
Gebläsekonvektoren automatisch ab, was zur Folge hat, dass über die Fenster nur noch
stoß gelüftet wird und Fenster nicht mehr ganztägig offen stehen, da es sonst keine
Heizung und Kühlung in den Räumen gäbe. Durch diese Maßnahmen können
Energieverluste deutlich reduziert werden. Die Gebläsekonvektoren verfügen über ein
gutes Strömungsbild, wodurch kaum Zugerscheinungen in den Räumen entstehen, was
sich positiv auf die Nutzerzufriedenheit auswirkt. Des Weiteren wurden die
Kunststofffenster im Innenhof gegen Holz-Alu-Fenster mit niedrigen U-Werten
97
getauscht. Die bestehenden Eichen-Fenster in der Außenfassade wurden im Zuge der
Sanierung neu abgedichtet und neu eingestellt. Im OeKB-Gebäude ist auch ein
betriebsinternes
Rechenzentrum
untergebracht,
das
ganzjährig
über
Kompressionskältemaschinen gekühlt werden muss. Die Abwärme der Kältemaschinen
wird zum Heizen des Dachgeschosses und des gesamten Erdgeschossbereichs genutzt,
in dem sich eine Halle und ein Mitarbeiterrestaurant befinden. Die restlichen Geschosse
werden mit Fernwärme geheizt. Für ein nachhaltiges Energiemanagement ist es wichtig,
dass die Systeme gut einreguliert sind, da sonst niedrige Vorlauftemperaturen zum
Beheizen schwer zu erreichen sind. Bereiche mit großem Energieverbrauch, wie
beispielsweise Technikräume, Besprechungsräume, Mitarbeiterrestaurant oder das
Rechenzentrum
wurden
mit
eigenen
Zählern
versehen
und
über
getrennte
Technikstränge versorgt. Auch bei den Kältemaschinen wurden eigene Zähler
installiert. Auf diese Weise kann gemessen werden, an welcher Stelle und zu welcher
Zeit ein großer Energiebedarf anfällt, wodurch die Energieversorgung bedarfsgerecht
und effizient gesteuert wird. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014)
Während
der
Planungsphase
des
Dachgeschossausbaus
wurden
verschiedene
regenerative Systeme von der thermischen Solaranlage (Solar Cooling) bis hin zu
Photovoltaik überlegt. Allerdings war aufgrund der geringen Dachfläche und einer
damit verbundenen Kosten-Nutzen-Rechnung eine solarthermische Anlage nicht
sinnvoll. Problematisch war bei diesem System auch die Verortung eines Speichers, um
die Solarenergie aufnehmen zu können. Bei einer Situierung im Dachraum wäre
wertvolle Bürofläche verloren gegangen und auf dem Dach konnte der Speicher aus
Denkmalschutzgründen nicht verortet werden. Daher entschied man sich für
eine
Photovoltaikanlage, die mit einer Leistung von etwa 31 Kilowatt Peak zur Deckung des
Strombedarfs im Gebäude beiträgt. Die Verwendung von Absorberkältemaschinen hatte
man ebenfalls im Zusammenhang mit solarthermischen Anlagen angedacht. Da aber zu
wenig Energie über die solarthermische Anlage bereitgestellt worden wäre und eine
ausschließliche Versorgung mit Fernwärme nicht sinnvoll gewesen wäre, wurde das
Konzept nicht weiter verfolgt. Eine weitere Erkenntnis war, das auch die Nutzung einer
vor Ort vorhandenen Fernkälteleitung nicht rentabel ist, obwohl der Kühlbedarf im
Rechenzentrum sehr hoch ist und daher auch entsprechende Mengen abgenommen
98
werden könnten, aber der Anschluss im Vergleich zur eigener Produktion von
Kühlenergie zu teuer ist. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014)
Die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wurden nicht nur aus
betriebsökologischen
Gründen
umgesetzt,
sondern
auch
aufgrund
der
Unternehmensphilosophie. Da die OeKB als österreichische Exportkreditagentur bei der
Kreditvergabe Projekte auch nach sozialen und ökologischen Kriterien prüft, sollten im
eigenen Gebäude ebenfalls ökologische Maßstäbe gesetzt werden. Durch die
umgesetzten Sanierungsmaßnahmen wurden bei Betrachtung heutiger Flächen mit
einem damaligen Energieverbrauch vor der Sanierung im Jahr 2000 und bei Annahme
heutiger
Energiepreisen
infolge
der
energetischen
Optimierungen
jährliche
Einsparungen von etwa 300.000 € erzielt. Die Mehrinvestitionen in energieeffiziente
Maßnahmen rechnen sich mittlerweile. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014)
99
5.3.5. Rückschlüsse aus den Demonstrationsprojekten
Die Mehrkosten für Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen und regenerative
Systeme liegen je nach Bauvorhaben bei etwa sechs bis acht Prozent der
Gesamtinvestitionskosten. Dabei verringert sich der prozentuale Anteil je größer das
Bauvorhaben ist. Tendenziell sind die Kosten für regenerative Systeme fallend.
Beispielsweise kostete die Photovoltaikanlage im aspern IQ mit 1300 m² Fläche
geringfügig mehr als die Photovoltaikanlage im ENERGYbase mit 400 m². Der
Quadratmeterpreis der Photovoltaikanlage betrug demnach im aspern IQ, Fertigstellung
2013, etwa ein Drittel des Preises im ENERGYbase, welches 2008 fertiggestellt wurde.
Für die Umsetzung energieeffizienter und regenerativer Systeme sind planerisches
Fachwissen, entsprechende Planungszeiten und die richtige bauliche Ausführung eine
Voraussetzung. Das betrifft vor allem die Auswahl und Kombination der verschiedenen
Systeme miteinander. Der Einsatz vieler Systeme bringt nicht unbedingt eine große
Einsparung, teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall und es entsteht ein höherer
Verbrauch. Die Systeme müssen aufeinander abgestimmt werden und dabei gilt, wenige
Systeme, die miteinander funktionieren, bringen oft größere Einsparungen im Betrieb
und erhöhen die Investitionskosten in geringerem Ausmaß.
Für Projektentwickler
stellen die Mehrkosten von energieeffizienten Systemen oft eine Hemmschwelle dar, in
höhere energetische Gebäudestandards als gesetzlich gefordert zu investieren, da
nachwievor die Konkurrenz zu Bürogebäuden mit konventioneller Technik vorhanden
ist. Daher werden energieoptimierende Maßnahmen in der Regel in Gebäuden
vorgesehen, die vom Eigentümer selbst genutzt werden und die aufgrund der
Firmenphilosophie für eine nachhaltige Bauweise einstehen. Durch die Eigennutzung
der
Gebäude
können
die
Mehrinvestitionskosten
langfristig
über
niedrigere
Betriebskosten amortisiert werden. Bei fremdvermieteten Gebäuden gibt es vereinzelt
innovative Ansätze, in denen die Mehrkosten für eine Investition in energiesparende
Maßnahmen in Form einer Gesamtmiete mit garantierten Betriebskosten amortisiert
werden können. Förderungen sind ein Anreizsystem, um hochwertige energieeffiziente
Gebäude umzusetzen, da die Amortisierung der Investitionskosten bei derartigen
Projekten ohne Förderungen oft sehr schwierig ist, besonders bei fremdvermieteten
Objekten, die mit den Mietpreisen konventioneller Bürogebäude konkurrieren müssen.
100
Teilweise können diese Projekte nur realisiert werden, weil es Förderungen gibt. (vgl.
Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014)
Bei der Einführung energieeffizienter und regenerativer Systeme müssen die
NutzerInnen über die Funktionsweise dieser Systeme informieren werden, um gewisse
Einflussparameter, wie beispielsweise lange Temperaturnachregelung von thermisch
aktivierten Bauteilen (Raiffeisenbank, aspern IQ) beziehungsweise Abschalten des
Heiz- und Kühlsystems (OeKB) bei geöffneten Fenstern, aufzuzeigen. Allerdings darf
die Funktionsweise der Systeme nicht von einem bestimmten NutzerInnenverhalten
abhängen. MitarbeiterInnenschulungen sind in Bürogebäuden sehr aufwendig.
Außerdem kann das Facility-Management deren Verhalten sehr schwer kontrollieren
(vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014). Daher müssen die Systeme selbstständig auf
das NutzerInnenverhalten reagieren, wie zum Beispiel durch das automatische
Schließen der Fenster am Abend (OeKB), automatisches Abschalten des Heiz- und
Kühlsystems bei geöffneten Fenstern (OeKB),
Regelung der Beleuchtung durch
Anwesenheitssensoren, wenn sich niemand im Büro aufhält (Raiffeisenbank, aspern IQ)
oder Steuerung der Lüftungsanlage aufgrund von CO2 - Sensoren (aspern IQ). In der
Regel erwarten die MitarbeiterInnen, dass diese Systeme von selbst funktionieren und
nicht durch entsprechendes NutzerInnenverhalten beeinflusst werden müssen (vgl.
Expertinnengespräch Balogh, 2014). Wenn die energieeffizienten Systeme richtig
eingestellt sind, gibt es von NutzerInnen auch keinen Bedarf das Raumklima durch
beispielsweise Raumregler individuell einzustellen. NutzerInnenbefragungen in
energieeffizienten Gebäuden haben gezeigt, dass die Zufriedenheit mit der
haustechnischen Versorgungen sehr hoch ist. Dabei ist die Zufriedenheit mit der
Haustechnik oft noch größer, wenn man auch mit dem Facility Management zufrieden
ist. Das heißt, beide Komponenten haben einen wesentlichen Einfluss auf die
NutzerInnenzufriedenheit bezüglich der haustechnischen Versorgung im Gebäude (vgl.
Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014).
101
5.4. Energieeffizienz im Altbestand.
Wien ist eine gebaute Stadt mit einem überwiegenden Anteil an historischer
Bausubstanz. Betrachtet man den Primärenergieverbrauch der Stadt Wien fällt ein
Großteil des Energieverbrauchs auf den Verkehr und auf die Gebäude, wobei dies
hauptsächlich
den
Altbestand
überwiegend
zur
Erzeugung
betrifft.
von
Bestandsgebäude
Raumwärme
und
verbrauchen
Warmwasser.
Energie
(vgl.
Expertengespräch Schaffler, 2014)
Bei historischen Gebäuden ist eine thermische Sanierung der Fassade aufgrund von
Denkmalschutz und aufwendiger Stuckatur oft nicht möglich, wobei die Sanierung der
Gebäudehülle, beispielsweise auf einen Passivhausstandard, bei Gründerzeithäusern
grundsätzlich mit einem extrem hohen Aufwand verbunden ist. Die Nutzung
alternativer Energien wie Solarthermie oder auch Fernwärme ist teilweise wegen nicht
vorhandener zentraler Heizversorgungsanlagen ebenfalls schwer möglich. Deshalb
sollten bei Sanierungen zentrale Heizanlagen mit entsprechenden Steigsträngen
vorrangig nachinstalliert werden, sofern nicht vorhanden, weil man dadurch andere
technische Systeme wie Solarthermie in die Energieversorgung des Gebäudes flexibler
integrieren kann. Die Umsetzung solcher Sanierungsmaßnahmen ist bei Gebäuden dann
sehr schwierig, wenn einerseits die Wohnungen über verschiedene Heizsysteme
versorgt werden, andererseits in dem Gebäude eine unterschiedliche Eigentümerstruktur
vorhanden ist. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
Bei nützlichen Verbesserungen oder baulichen Veränderungen, die über die Erhaltung
hinausgehen, muss die Mehrheit der Wohnungseigentümer per Beschluss zustimmen,
wobei der Beschluss unter gewissen Voraussetzungen auch von überstimmten
Wohnungseigentümer per Antrag gerichtlich aufgehoben werden kann (vgl. §29 Abs.1
WEG).
Bei einer Büronutzung steht aufgrund der internen Wärmelasten die Kühlung im
Sommer im Vordergrund. Durch den Klimawandel und die drastische Zunahme von
Kühlgradtagen wird sich der Energieverbrauch auch im Altbau mehr auf die Deckung
des Kühlbedarfs verlagern.
102
Um in Bestandsgebäuden Kühllasten möglichst zu reduzieren, gilt es im Sommer durch
die Belegungsdichte der Arbeitsplätze, durch den Einsatz energieeffizienter Bürotechnik
und Beleuchtung möglichst geringe interne Lasten zu erzeugen. Dann ist ein externer
Sonnenschutz elementar, um den Eintrag solarer Strahlung zu vermeiden.
Im
Altbestand, vor allem im Gründerzeitbau, sind durch die massive Ziegelbauweise große
Speichermassen vorhanden, die tagsüber durch die Aufnahme von Wärme eine
ausgleichende Wirkung auf die Raumtemperatur haben. Mit Nachlüftungskonzepten
können diese Speichermassen die aufgenommene Wärme nachts wieder abgeben. Die
Nachtlüftung kann beispielsweise über automatisch öffenbare Fenster in der Nacht
erfolgen, wenn die Außentemperaturen niedriger sind als die Raumtemperaturen oder
durch eine Lüftungsanlage, die nur im Ventilatorbetrieb dem Raum kühle Außenluft
zuführt. Falls in Bestandsgebäuden wenig thermisch nutzbare Speichermassen
vorhanden sind, kann mit PCM - Elementen, siehe Kapitel 5.2.5.4, in Kombination mit
Nachtlüftung eine Reduktion der Kühllasten erreicht werden. Phasenwechselmaterialien
sind Latentwärmespeicher, die im Gebäude tagsüber Wärme aufnehmen und schmelzen.
Nachts wird diese eingelagerte latente Wärme beispielsweise über Nachtlüftung mit
hohen Luftwechselraten wieder abgegeben. So lassen sich Tagesspitzen der
Raumlufttemperatur abfedern und Kühllasten reduzieren. In innerstädtischen Lagen
wird
eine Nachtlüftung aufgrund des Wärmeinseleffekts an manchen Tagen und
Wochen, wenn die Gebäude aufgeheizt sind, nicht mehr funktionieren, siehe Kapitel
2.2. Dann wird zumindest temporär eine aktive Kühlung erforderlich werden.
Grundsätzlich sind passive Kühlsysteme im Bürobau vorrangig einzusetzen, um die
Grundkühllasten zu reduzieren. Falls notwendig kann dann der geringere Kühlbedarf
über eine aktive Klimatisierung gedeckt werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
Lüftungsanlagen sind dabei sehr effizient mit möglichst kurzen Laufzeiten zu
verwenden, da sie den größten Anteil an elektrischer Energie verbrauchen. Die
Verwendung energiesparender Bürotechnik oder Beleuchtung trägt ebenfalls zur
Reduktion interner Lasten bei. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014)
In der Sanierung des Altbestandes liegen hohe Energieeinsparpotentiale, dabei ist die
Herausforderung wie man den energetischen Umbau von Bestandsgebäuden auch
leistbar gestalten kann (vgl. Expertengespräch Selke, 2014). Der Umgang mit dem
Gebäudebestand in Bezug auf Energieversorgung und Sanierung wird auch Gegenstand
103
des „Städtischen Energieeffizienzprogramm Zwei“ (SEP) sein (vgl. Expertengespräch
Ritter/ Geier, 2014).
104
6. Trends für eine zukünftige energieeffiziente
Gebäudekühlung.
Büroimmobilien sind bereits jetzt ohne Klimatisierung oder Kühlung sehr schlecht am
Markt zu verwerten
(vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014). Infolge des
Klimawandels mit starker Zunahme von sehr warmen und heißen Tagen wird der
Klimatisierung von Büroarbeitsplätzen noch eine größere Bedeutung zukommen. Von
gesetzlicher Seite werden höhere Anforderungen zur Energieversorgung von Gebäuden
hinsichtlich Einsatz erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienz bezüglich
Primärenergieverbrauch der Gebäude zu erwarten sein, um die Ziele der EUGebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) für das Jahr 2020 einhalten zu können. Um
Gebäude energieeffizient zu errichten und damit den Primärenergieverbrauch gering zu
halten, muss auch der Kühlenergiebedarf der Gebäude reduziert werden. Wege für eine
effiziente Klimatisierung werden nun im Zusammenhang den anfangs gestellten
Forschungsfragen aufgezeigt.
Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei
Bestandsgebäuden reduziert werden?
Im Bürobau wird man weiterhin von großen Verglasungsanteilen in der Fassade
ausgehen können, wodurch eine hohe natürliche Belichtung der Arbeitsplätze
gewährleistet wird. Mittlerweile gibt es bereits hochwertige Fassadenelemente mit
einem adäquaten Preis-Leistungsverhältnis am Markt, bei denen die Energieverluste
über den Verglasungsanteil gering sind. Der außenliegende Sonnenschutz ist bei hohen
Verglasungsanteilen elementar und das effektivste Beschattungssystem, um das
Eindringen externer Wärmelasten in das Gebäude zu vermeiden. Wärmeeinstrahlung
durch Fenster verursacht den größten Anteil an externen Kühllasten, siehe Kapitel
5.1.2.1. Die Ausführung des Sonnenschutz muss bei jedem Projekt neu überlegt werden.
Perforierte Raffstores sind dabei interessante Systeme, da sie im geschlossenen Zustand
das Eindringen der Solarstrahlung verhindern, aber gleichzeitig einen gewissen
Tageslichtanteil im Raum und einen Sichtbezug nach außen gewährleisten.
105
Ambitionierte Energie- und Komfortziele können ohne einen effektiven Sonnenschutz
nicht realisiert werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
Durch eine natürliche Beschattung von Bäumen wird das Eindringen solarer Strahlung
auf das Gebäude ebenfalls reduziert. Besonders Laubbäume bieten in den
Sommermonaten und Übergangszeiten einen effektiven Schutz vor Solarstrahlung,
wenn die externen Wärmegewinne durch Sonnenergie in den Büroräumen unerwünscht
ist. In den Wintermonaten können wiederum solare Wärmegewinne in den Büroräumen
genutzt werden, da die Gebäude ohne das Laubwerk der Bäume nicht mehr verschattet
werden. Externe Kühllasten können infolge Wärmetransmission durch Bauteile durch
eine gut gedämmte Gebäudehülle oder durch Dach- und Fassadenbegrünungen
vermieden werden. Ein interessantes System bilden dabei fassadengebundene
Begrünungen, bei denen die
Fassadenbewässerung das lokale Außenklima durch
Verdunstung kühlt. Die solare Energie, mit der das Wasser verdunstet wird, trifft dann
nicht mehr auf die Fassade des Gebäudes, siehe Kapitel 4.3.3. Bei Bestandsgebäuden
kann die Gebäudehülle oft nur bedingt wärmetechnisch optimiert werden, was teilweise
im Denkmalschutz begründet ist. Daher sind bei Neubauten und bei Bestandsgebäuden
umso mehr interne Kühllasten zu reduzieren, was durch eine geringe Belegungsdichte
der Arbeitsplätze, durch den Einsatz energieeffizienter Bürotechnik und Beleuchtung
erreicht wird, siehe Kapitel 5.1.2.2.
Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten?
Die Demonstrationsprojekte haben gezeigt, dass sich mit der Betonkernaktivierung ein
sehr
effizienter
Heiz-
und
Kühlbetrieb
realisieren
lässt
und
damit
hohe
Energieeinsparungen erzielt werden. Durch die thermische Aktivierung von
Betonelementen wird eine hohe Behaglichkeit im Raum erreicht. Bei der
Betonkernaktivierung lassen sich Wärmepumpen im Sommer durch das niedrige
Temperaturniveau zur Beheizung und im Sommer durch das relativ hohe
Temperaturniveau zum Kühlen energieeffizient betreiben. Des Weiteren ist das KostenNutzenverhältnis dieses Systems aufgrund niedriger Errichtungs- und Betriebskosten
optimal.
106
Das träge Reagieren auf Temperaturänderungen sowie raumakustische
Maßnahmen müssen bei diesem System allerdings berücksichtigt werden, siehe Kapitel
5.2.3.2. Der Vorteil der thermischen Bauteilaktivierung liegt in der Kombination von
Flächenkühlung beziehungsweise -heizung und der Aktivierung von Speichermassen.
Grundsätzlich sollten die Grundkühllasten des Gebäudes mit passiven Systemen, wie
Nachtlüftungskonzepte mit der Nutzung von Speichermassen, abgedeckt werden.
Dadurch kann bei günstigen Herstellungskosten der Kühlbedarf erheblich reduziert
werden, siehe Kapitel 5.2.5.3 . Im Leichtbau können fehlende Speichermassen
beispielsweise durch Phase-Change-Materials-Verbundwerkstoffe kompensiert werden,
siehe Kapitel 5.2.5.4. Der Einsatz regenerativer Energien (Grundwasser, Geothermie,
Free-Cooling) ist bei einer Lebenszyklusbetrachtung trotz höherer Herstellungskosten
langfristig sehr kosteneffizient. Bei Free-Cooling-Systemen sind die Herstellungskosten
günstiger als bei Nutzung von Grundwasser oder Geothermie, da die Kosten für die
Errichtung von Brunnen oder Erdregistern entfallen. Allerdings kann Geothermie auch
kostengünstig über Fundierungen genutzt werden, wenn bei der Errichtung der
Fundamente, besonders bei Tiefengründungen, gleichzeitig Erdsonden verlegt werden.
Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab?
Auf städtischer Ebene setzt man mit dem STEP 2025 auf eine integrierte
Energieraumplanung, in der unter Berücksichtigung des Standorts Kriterien für die
Energieversorgungswahl mit den notwendigen Prozessabläufen definiert werden. Dabei
sollen erneuerbare Energien, die vor Ort keine oder kaum Emissionen haben, verwendet
werden wie beispielsweise Solarthermie, Photovoltaik, Erdwärme und Grundwasser.
Fernwärme wird bei der Energieversorgung weiterhin ein wichtiger Bestandteil
bleiben, auch zur Erzeugung von Fernkälte. Dezentrale Fernkälteanlagen mit
Anbindung an das Fernwärmenetz sind dabei einfacher zu realisieren als der Ausbau
zentraler Fernkältenetze, da die Infrastruktur auf der Fernwärmeseite bereits vorhanden
ist. Gebäudekomplexe können daher leichter über dezentrale Anlagen vor Ort mit
Fernkälte versorgt werden, wie zum Beispiel im Businesspark „TownTown“ im 3.
Wiener Gemeindebezirk. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014)
107
Desweiteren kann bei dezentralen Fernkälteanlagen, die durch Wärme angetrieben
werden, vor Ort erzeugte solarthermische Energie verwendet werden. Die Nutzung
eines Fernkälteanschluss zum Kühlen ist aber aus Kostengründen erst dann sinnvoll,
wenn große Abnahmemengen vorhanden sind. Wie man aus den vorgestellten
Demonstrationsprojekten rückschließen kann, war die Nutzung von Fernkälte auch bei
großem Kühlbedarf für Rechenzentren kein Thema, da sich der Anschluss nicht rentiert
hätte. Neue Gebäude können so energieeffizient ausgeführt werden, dass auch ein
Fernwärmeanschluss für den Energieversorger aufgrund des geringen Energiebedarfs
der Neubauten unrentabel werden kann. Des Weiteren kann man aus den
Demonstrationsprojekten erkennen, dass ein klarer Trend zur Nutzung von vor Ort
vorhandenen regenerativen Energien besteht. Bei allen Projekten wurde Photovoltaik
zur Stromerzeugung eingesetzt und sofern möglich Grundwasser oder Flusswasser zur
Kühlung verwendet. Energieverluste wurden durch hochwertige Gebäudehüllen
minimiert. Abwärme von internen Wärmequellen, insbesondere von Rechenzentren,
wurde zum Beheizen oder als Antriebsenergie für Block-Heizkraftwerke genutzt.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Betonkernaktivierung als Kühlsystem bei neuen
Bürogebäuden weiter verbreiten und sogar künftig Standard werden wird. Eine
hochwertige Gebäudehülle ist bei der Betonkernaktivierung eine Voraussetzung (vgl.
Expertengespräche Selke, Steiniger, Weiss/ Wiedemann, 2014)
Gebläsekonvektoren werden auch in Zukunft weiter verwendet werden, bei verbesserter
Technologie. Mittlerweile verfügen Gebläsekonvektoren über ein gutes Strömungsbild,
wodurch geringe Zugerscheinungen entstehen. Sie werden vor allem dort eingesetzt, wo
bestimmte Werte eingehalten werden müssen oder temporär ein erhöhter Kühlbedarf
auftritt, wie beispielsweise in Besprechungsräumen. Dabei können diese Systeme auch
gut mit Betonkernaktvierung kombiniert werden. (vgl. Expertengespräch Steininger,
2014)
Im Bürobau wird es künftig zum vermehrten Einsatz von Photovoltaik kommen, da eine
sehr
gute
zeitliche
Überdeckung
von
Stromverbrauchsprofilen
und
der
Solarstromlieferung durch Photovoltaik besonders im Sommer vorhanden ist. Dabei
können Photovoltaikelemente intelligent und ästhetisch in die Gebäudehülle integriert
werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
108
Bei der Planung energieeffizienter Systeme ist eine ausreichende Fläche für die
Gebäudetechnik vorzusehen, denn je kleiner und kompakter man baut, besonders bei
Querschnitten von Lüftungsleitungen, desto ineffizienter wird das System. Desweiteren
ist ein gutes Gebäudemanagement erforderlich, das die Systeme auch effizient regeln
kann, da sonst durch eine falsche Einstellung des Systems Energieverluste entstehen.
(vgl. Expertengespräch Steininger, 2014)
109
6.1.1. Bereitschaft zum Einsatz energieeffizienter Systeme
Der Einsatz regenerativer und energieeffizienter Systeme ist mit Mehrkosten von etwa
sechs bis acht Prozent der Gesamtinvestitionskosten verbunden, wobei die Tendenz
aufgrund der technologischen Entwicklung fallend ist. In der Regel werden bei der
Projektentwicklung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen nach Bauordnung
eingehalten, um Mehrkosten zu vermeiden, insbesondere dann wenn der/ die
ProjektentwicklerIn nicht NutzerIn oder EigentümerIn ist (vgl. Expertengespräch
Steininger, 2014). Es gibt aber auch vermehrt BauträgerInnen, die sich mit
nachhaltigen, energieeffizienten Systemen beschäftigen, was auch Wettbewerbsvorteile
bringt, da die Nachfrage bei BewohnerInnen und BauherrInnen nach energieeffizienten
Gebäuden steigt, wobei BauträgerInnen oder ImmobilienentwicklerInnen dennoch nur
in nachhaltige Projekte investieren werden, wenn die Kosten einigermaßen
überschaubar sind. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014)
Energieeffiziente Gebäude mit Verwendung regenerativer Energien werden meistens
von AuftraggeberInnen realisiert, die auch die Immobilie selbst nutzen. Dabei ist die
Investition in nachhaltige Gebäude oft in der Firmenphilosophie begründet, teilweise
auch im Marketing. Bei gewerblichen Projekten steht die Effizienzsteigerung der
bestehenden Systeme mehr im Vordergrund, um Betriebskosten einzusparen als der
Einsatz regenerativer Energien. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014).
Die Verwertung von nachhaltigen und energieeffizienten Mietobjekten ist oft
schwieriger, weil der Markt in der Form noch nicht da ist (vgl. Expertengespräch
Weiss/Wiedemann, 2014), aber auch in diesem Segment steigt die Nachfrage nach
energieeffizienten Gebäuden, siehe Kapitel 6.1.2.
Auf dem Mietsektor gibt es nachwievor die Konkurrenz zu konventionellen Gebäuden
mit niedrigeren energetischen Standards. Energieeffiziente Gebäude sind dabei in der
Errichtung teurer als konventionelle Gebäude, was sich in der Regel auch im Mietpreis
wiederspielgelt. Gesetzliche Vorgaben zur Einhaltung höherer energetischer Standards
wie sie auch nach der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) gefordert werden,
nivellieren den Wettbewerbsnachteil von energetisch optimierten Gebäuden zu
konventionellen Gebäuden etwas. (vgl. Expertengespräch Weiss/Wiedemann, 2014)
110
Im Büromarkt geht die Tendenz hin zu Gesamtmieten, bei denen die Betriebskosten
bereits inkludiert sind. Dadurch entsteht ein Interesse des/ der Eigentümers/
Eigentümerin, energieeffizient zu bauen, eine gute Qualität anzubieten und natürlich die
Betriebskosten möglichst niedrig zu halten, um langfristig Einsparungen zu erzielen.
(vgl. Expertengespräche Ritter/ Geier, Steininger, Weiss/Wiedemann, 2014)
Durch fixe Gesamtmieten kann der/ die MieterIn die künftigen Ausgaben besser
kalkulieren.
6.1.2. Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden
Die Errichtung neuer Büroflächen ist im Frühjahr 2014 auf etwa 120.000 m²
zurückgegangen (EHL 2014, S.4). Allerdings wird die Nachfrage nach Büroflächen
aufgrund der prognostizierten konjunkturellen Entwicklung leicht ansteigen, wodurch
die Leerstandsrate durch die geringe Neuflächenproduktion etwas zurückgehen wird.
Die Nachfrage zielt vor allem bei Erstbezug auf Büroflächen in energieeffizienten
Green Buildings. Ähnlich verhält es sich bei InvestorInnen, die energieeffiziente
Bürogebäude
wegen
der
stabilen
Mieteinnahmen
und
wegen
einem
guten
Wertsteigerungspotential nachfragen. (EHL 2014, S.4)
Die Kosten sind bei der Wahl eines Standorts nicht mehr hauptausschlaggebend,
sondern vielmehr hochwertige Büroflächen, die sich im mittel- und hochpreisigen
Segment befinden (vgl. EHL 2014, S.3).
Abbildung 62: Büromarktbericht Wien, Frühjahr 2014
23
Quelle: vgl. EHL 2014, S.3
111
7. Zusammenfassung
Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben sind noch nicht ausreichend, um den von der
EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) geforderten energetischen Standard zu
erreichen. Das betrifft besonders konkrete Vorschreibungen zum Primär- oder
Endenergieverbrauch von Gebäuden. Diesbezüglich werden in den nächsten Jahren
Verschärfungen in der Bauordnung oder in der OIB Richtlinie zu erwarten sein. Mit der
Realisierung von Demonstrationsprojekten wurde gezeigt, dass sich mit den am Markt
verfügbaren Technologien intelligente Konzepte umsetzen lassen, durch die Gebäude
sehr energieeffizient betrieben und mit erneuerbaren Energien versorgt werden können.
Die künftigen energetischen Gebäudestandards können dadurch bereits jetzt eingehalten
werden. Der Reduktion des Kühlenergiebedarfs und einer effizienten Bereitstellung von
Kühlenergie mit möglichst geringem Stromverbrauch wird bei der energetischen
Optimierung der Gebäude in den kommenden Jahren immer mehr Bedeutung
zukommen. Aufgrund des weiterhin hohen Verglasungsanteils in Bürogebäuden ist ein
effektiver Sonnenschutz, am besten außenliegend, und eine hochgedämmte, dichte
Gebäudehülle besonders wichtig, um externe Kühllasten im Gebäude zu vermeiden. Mit
dem Zubau des Raiffeisenhochhaus wurde nachgewiesen, dass selbst Hochhäuser mit
einer
Doppelfassade
und
zwischenliegendem
Sonnenschutz
auch
hinsichtlich
Kühlbedarf Passivhausstandard erreichen können. Durch die Verwendung von
energieeffizienter Bürotechnik und Beleuchtung sowie durch kleinere Belegungsdichten
lassen sich interne Lasten reduzieren. Der Überwärmung von Räumen wird durch
Nutzung der Speichermassen sowohl im Altbau als auch im Neubau entgegengewirkt,
wobei in Gebäuden, die in Leichtbauweise errichtet wurden, speicherfähige Baustoffe
wie Phase Change Materials verwendet werden können. Bei der Entwicklung von
Energiekonzepten gilt es, Grundkühllasten weitestgehend über passive Systeme
abzudecken und den Restkühlbedarf über aktive Systeme. Dabei zeichnet sich im
Neubau immer mehr der Trend zur thermischen Bauteilaktivierung als energie- und
kosteneffizientes System zur Kühlung, aber auch zur Beheizung des Gebäudes ab. In
dieses System kann sehr leicht Energie aus erneuerbaren Quellen integriert werden, wie
die Nutzung von Grundwasser, Free Cooling oder Solarthermie. Um von externer
Energieversorgung unabhängiger zu werden, setzt man bei der Konzeption von
112
Gebäuden vermehrt auf vor Ort vorhandene Ressourcen. Neubauten werden künftig
immer energieeffizienter, teilweise produzieren die Gebäude über das Jahr gesehen
mehr Energie als sie verbrauchen. Dieser Trend wird den Ausbau von Fernwärme- und
Fernkältenetzen
beeinflussen,
da
in
Zukunft
geringere
Energiemengen
in
Neubausiedlungen abgenommen werden als bisher. Dabei erscheint der Ausbau des
Fernwärmenetzes im Vergleich zum Fernkältenetz zweckmäßiger, da zum einen die
Infrastruktur schon sehr flächendeckend vorhanden ist und zum anderen Heizenergie
und Kühlenergie in Verbindung mit dezentralen Kälteanlagen bereitgestellt werden
kann. Grundsätzlich ist für den Ausbau und die Nutzung von Fernwärme oder Fernkälte
die abzunehmende Energiemenge sowohl für den Energieversorger als auch für den
Endverbraucher entscheidend. Der Altbestand wird auch künftig von externer
Energieversorgung abhängiger bleiben, da erneuerbare Energiequellen schwieriger und
mit vergleichsweise höherem Aufwand in das Gebäude integriert werden können. Oft
mangelt es an einem zentralen Heizsystem in Bestandsgebäuden, um Fernwärme oder
auch Solarthermie einsetzen zu können. Photovoltaikanlagen können dabei zur
Unterstützung der Stromversorgung leichter integriert werden. Da der Energieverbrauch
im Altbestand am höchsten ist, gilt es auch in Zukunft durch Förderungen Anreize zu
schaffen, Sanierungen durchzuführen. Eine interessante Entwicklung ist neben der
steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden der Trend zu Gesamtmieten im
Bürosektor. Dadurch entsteht auf Betreiberseite ein stärkeres Interesse, Gebäude
möglichst energieeffizient zu errichten, um im Hinblick auf den Lebenszyklus geringe
Energiekosten zu erzeugen. Andererseits wird sich das Wettbewerbsverhalten im
Büromarkt ändern und Betreiber von Gebäuden mit schlechten Energiestandards
werden unter Druck geraten und in der Energieeffizienz nachziehen müssen.
113
8. Verzeichnisse
8.1. Abkürzungsverzeichnis
a ................................... Jahr
ABGB.......................... Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
ARC ............................ Austrian Research Center
AStV............................ Arbeitsstättenverordnung
BFG ............................. Bundesanstalt für Gewässerkunde
BGF ............................. Bruttogeschossfläche
BMVIT ........................ Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
BO ............................... Bauordnung für Wien
BSB ............................. Betriebsstrombedarf
CO2 .............................. Kohlendioxid
EAMS.......................... ECO Management and Audit Scheme
EEB ............................. Endenergiebedarf
FFG ............................. Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
fGEE .............................. Gesamtenergieeffizienzfaktor
IBO .............................. Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie (Verein)
und Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH
ICT .............................. Information and Communications Technology
IC .................................................. Charakteristische Länge
HHSB .......................... Haushaltsstrombedarf
HWB ........................... Heizwärmebedarf
KB ............................... Außeninduzierter Kühlbedarf
kWh ............................. Kilowattstunde
MA .............................. Magistratsabteilung
MIT ............................. Massachusetts Institute of Technology
MPI-M ......................... Max-Planck-Institut für Meteorologie
MW ............................. Megawatt
nE ................................ Niedrigenergiegebäude
nstE.............................. Niedrigstenergiegebäude
NWG ........................... Nichtwohngebäude
114
OIB .............................. Österreichisches Institut für Bautechnik
ÖGNB ......................... Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen
PEB ............................. Primärenergiebedarf
PHPP ........................... Passivhausprojektierungspaket
RK ............................... Referenzklima
san ............................... Sanierung
SK................................ Standortklima
TQB ............................. Total Quality Building
UBA ............................ Umweltbundesamt
UHI.............................. Urban Heat Islands
V .................................. Volumen
WBTV ......................... Wiener Bautechnikverordnung
115
8.2. Literatur- und Quellenverzeichnis
8.2.1. Literaturverzeichnis
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energiebewusstes Bauen für Dienstleistungsgebäude in Wien. Wien
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Wien
Magistratsabteilung (MA) 20 - Energieplanung (2013): Wien Vienna Plus, Aspekt:
Architektur + Energie. Wien
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für Büro- und Dienstleistungsgebäude. Wien
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von Niedrig- und Niedrigstenergiegebäuden - Heizwärmebedarf und Kühlbedarf,
Ausgabe 2011-08
ÖNORM B 8110-3. Wärmeschutz im Hochbau. Teil 3: Vermeidung sommerlicher
Überwärmung, Ausgabe 2012-03
ÖNORM EN 13 779. Lüftung von Nichtwohngebäuden - Allgemeine Grundlagen und
Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme, Ausgabe 200801
116
ÖNORM H 5058. Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Kühltechnik-Energiebedarf,
Ausgabe 2011-03
Pistohl, Wolfram (2007):Handbuch der Gebäudetechnik, Band 2. Heizung, Lüftung,
Beleuchtung, Energiesparen, 6.Auflage, Köln: Werner Verlag
Preiss, Jürgen (2013): Leitfaden Fassadenbegrünung, 1. Auflage, Wien
Sattler, Peter et al. (2010): Energieeffiziente Klimatisierung. Wien
Wohneigentumsgesetz - WEG, in der Fassung vom 01. April 2012, In: KODEX des
Österreichischen Rechts - Wohnungsgesetze, 15. Auflage, Wien: LexisNexis Verlag
117
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Daten
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Fakten,
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http://www.asperniq.at/fakten/die-parameter-fuer-den-pulsenergiestandard-im-asperniq/ [18.03.2014], (01.10.2013)
Aspern
IQ
(2013c):
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das
Plusenergie-Bürogebäude,
http://www.asperniq.at/fakten/aspern-iq-das-plusenergie-buerogebaeude/ [18.03.2014],
(01.10.2013)
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und
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[17.03.2014]
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setzen
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ein
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[17.03.2014]
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[17.03.2014]
Richtlinie 2010/31/EU des europäischen Parlaments und des Rates über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, in der Fassung vom 19. Mai 2010, http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:153:0013:0035:DE:PDF
[29.09.2013], (18.06.2010)
122
Simader, Günter (2005): Klimatisierung, Kühlung und Klimaschutz: Technologien,
Wirtschaftlichkeit
und
CO2
-
Reduktionspotenziale,
http://www.wien.gv.at/meu/fdb/pdf/kkk-materialienband-1018-ma27.pdf [10.04.2014]
TINA Vienna (2013): STEP 2025, https://smartcity.wien.at/site/projekte/verkehrstadtentwicklung/step-2025/ [10.04.2014]
http://www.wien.gv.at: Stadtentwicklung Wien: Smart City Wien,
http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/smartcity/ [09.10.2013]
Wiener Bautechnikverordnung - WBTV, in der Fassung vom 21. Dezember 2012,
http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/rechtsvorschriften/html/b0200300.htm
[24.02.2014]
123
8.2.3. ExpertInnengespräche
Balogh, Eveline (2014): Expertengespräch mit Eveline Balogh, Leiterin Abteilung
Organisation, Bauen, Umwelt und Sicherheit in der Österreichischen Kontrollbank,
geführt von Daniel Trageser am 13. Februar 2014 in Wien.
Preiss, Jürgen (2014): Expertengespräch mit Jürgen Preiss, Magistratsabteilung 22 Umweltschutz, geführt von Daniel Trageser am 24. Jänner 2014 in Wien.
Ritter, Herbert/ Geier, Stefan (2014): Expertengespräch mit Herbert Ritter,
Abteilungsleiterstellvertreter und Energiesonderbeauftragter für Magistratsobjekte und
mit Stefan Geier, Referent Magistratsabteilung 20 - Energieplanung, geführt von Daniel
Trageser am 17. Jänner 2014 in Wien.
Schaffler, Volker (2014): Expertengespräch mit Volker Schaffler, Internationale
Kooperation + Best Practices Hub bei tinavienna, geführt von Daniel Trageser am 15.
Jänner 2014 in Wien.
Selke, Tim (2014): Expertengespräch mit Tim Selke, Austrian Institute of Technology,
geführt von Daniel Trageser am 16. Jänner 2014 in Wien.
Steininger, Christian
(2014): Expertengespräch mit Christian Steininger,
geschäftsführender Gesellschafter Vasko & Partner, geführt von Daniel Trageser am
24. Jänner 2014 in Wien.
Weiss, Werner/ Wiedemann (2014): Expertengespräch mit Werner Weiss,
Geschäftsführer aspern IQ und Projektentwickler in der Immobilienabteilung der
Wirtschaftsagentur Wien und Hrn. Wiedemann, Facility Management bei Siemens,
geführt von Daniel Trageser am 13. Jänner 2014 in Wien.
124
8.3. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Interviewpartner auf städtischer Ebene................................................. 7
Abbildung 2:
Ausgewählte Projekt nach EU - Greenbuilding Programm und TQB .. 8
Abbildung 3:
Endgültige Projektauswahl mit Interviewpartner ................................. 9
Abbildung 4:
Szenarien der Anomalien der Jahresmitteltemperatur für Wien nach
REMO-UBA und drei verschiedenen Emissionsszenarien ................ 11
Abbildung 5:
Ausstattungsentwicklung von Klimatisierungsgeräten....................... 16
Abbildung 6:
Abschätzung des Stromverbrauchs von Klimatisierungsgeräten in
Wien .................................................................................................... 16
Abbildung 7:
Aufteilung der Energienutzung in Büros nach Verbrauchern ............ 17
Abbildung 8:
Szenarien
des
Energieverbrauchs
für
Raumkühlung
und
Klimatisierung in Österreich............................................................... 19
Abbildung 9:
Klassengrenzen des jährlichen Heizwärmebedarfs ............................ 23
Abbildung 10:
Klassengrenzen des jährlichen Primärenergiebedarfs ........................ 23
Abbildung 11:
Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile, Auszug .................. 24
Abbildung 12:
Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWG,max,RK Neubau .................. 25
Abbildung 13:
Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max Neubau ......................... 25
Abbildung 14:
Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWGsan,max,RK bei Sanierung: .... 25
Abbildung 15:
Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max bei Sanierung: .............. 26
Abbildung 16:
Anforderung für die Deklaration von Niedrigenergiegebäudehüllen . 26
Abbildung 17:
Anforderung für die Deklaration von Niedrigstenergiegebäudehüllen
............................................................................................................ 26
Abbildung 18:
Kriterien für Passivhäuser mit Nicht-Wohnnutzung (NiWo) ............. 27
Abbildung 19:
Qualitätsanforderungen an Passivhäuser ............................................ 28
Abbildung 20:
Prioritäten der Stadt Wien im Bereich des energiebewussten und
nachhaltigen Bauens ........................................................................... 30
125
Abbildung 21:
Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger
Dienstleistungsgebäude in Wien - Neubau ......................................... 30
Abbildung 22:
Zielwerte für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf Neubau ................................................................................................ 31
Abbildung 23:
Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger
Dienstleistungsgebäude in Wien - Sanierung ..................................... 31
Abbildung 24:
Zielwert für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf Sanierung ............................................................................................ 32
Abbildung 25:
Schema des Fernkältenetzes in TownTown ....................................... 41
Abbildung 26:
Trianon Park in São Paulo .................................................................. 45
Abbildung 27:
Fassadengebundene Begrünung Magistratsabteilung 48 ................... 47
Abbildung 28:
Leistungsfähigkeit des Menschen relativ zum Raumklima ................ 49
Abbildung 29:
Auslegungswerte für Luftgeschwindigkeit (DIN EN 13 779) ............ 50
Abbildung 30:
Klassifizierung der Raumluftqualität - IDA (EN 13 779) .................. 52
Abbildung 31:
Außenluftvolumenströme je Person (EN 13 779) .............................. 52
Abbildung 32:
Gesamtstrahlung nach Himmelsrichtung ............................................ 54
Abbildung 33:
Typische innere und äußere Kühllasten in Bürogebäuden ................. 57
Abbildung 34:
Verteilung der Kühllasten in einem durchschnittlichen Büro ............ 57
Abbildung 35:
Einteilung von Klimaanlagen nach ÖNORM EN 13779 ................... 58
Abbildung 36:
Schema Einkanal - Niederdruck-Klimaanlage ................................... 60
Abbildung 37:
Anlagenschema einer VRF-Anlage .................................................... 61
Abbildung 38:
Schema Hochdruck-Induktionsklimaanlage und HD-Induktionsgerät
............................................................................................................ 63
Abbildung 39:
Schema Gebläsekonvektor.................................................................. 64
Abbildung 40:
Aufbau und Wirkungsweise einer statischen Kühldecke ................... 66
Abbildung 41:
Kühldecken Bauformen ...................................................................... 66
126
Abbildung 42:
Kühlung über thermisch aktivierte Bauteile mit Nutzung regenerativer
Energieträger....................................................................................... 68
Abbildung 43:
Aufbau bauteilaktivierte Stahlbetondecke .......................................... 68
Abbildung 44:
Temperaturprofil im Erdreich ............................................................. 72
Abbildung 45:
Schema Luft-Erdwärmetauscher für Zuluftkonditionierung .............. 72
Abbildung 46:
Prinzip der Nachtauskühlung bei Bürogebäuden................................ 73
Abbildung 47:
PCM-Verbundmaterialien: Granulat und PCM-Grafit-Verbund ........ 74
Abbildung 48:
BASF - Gipsbauplatte mit PCM ......................................................... 74
Abbildung 49:
Prinzip der Kompressionskältemaschine ............................................ 76
Abbildung 50:
Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine ............................... 77
Abbildung 51:
Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine ............................... 78
Abbildung 52:
Schema DEC - Anlage ........................................................................ 79
Abbildung 53:
ENERGYbase ..................................................................................... 82
Abbildung 54:
Schema Heiz- und Kühlkonzept ......................................................... 83
Abbildung 55:
Grünraumpuffer im ENERGYbase..................................................... 84
Abbildung 56:
Aktive und passive Nutzung von Solarenergie im ENERGYbase ..... 85
Abbildung 57:
aspern IQ ............................................................................................. 87
Abbildung 58:
aspern IQ - Flächen ............................................................................. 87
Abbildung 59:
aspern IQ - Energieverteilung in der Mieteinheit ............................... 90
Abbildung 60:
Raiffeisenbank - Energieversorgung .................................................. 93
Abbildung 61:
Österreichische Kontrollbank ............................................................. 96
Abbildung 62:
Büromarktbericht Wien, Frühjahr 2014 ........................................... 111
127
9. Anhang
9.1. Zusammenfassung Interview in der MA 20- Energieplanung
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Herbert Ritter/ MA 20
Hr. Stefan Geier/ MA20
Hr. Kreitmayer/ MA 20
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
17. Jänner 2014, 10:00 - 11:00 Uhr
Ort:
MA 20, Amerlingstr.11, 1060 Wien
Freigabe:
18.02.2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Ritter:
Wir agieren in der MA 20 auf der Verwaltungs- und Administrationsebene und
versuchen Themen innerhalb der Stadt zu setzen. Die Themen Kühlung und
Klimatisierung werden dabei gerade im Dienstleistungsgebäudebereich immer
präsenter, wobei man das Thema auf der Stromseite bei den Lastkurven noch nicht so
sieht. Von der MA 20 wurde ein Leitfaden entwickelt, in dem aufzeigt wird, was die
Stadt gerne hätte. Der Leitfaden besteht aus zwei Teilen und beginnt mit Themen, die
im Planungsprozess zu beachten sind. Am Ende findet man ein Kriterienset, welches
sich aus Normen und Vorschriften ableitet und einen Überblick über die Anforderungen
an Dienstleistungsgebäude gibt. Die Idee ist dabei, dass die Standardwerte, die aufgrund
128
der EU-Gebäuderichtlinie 2020 einzuhalten sind, bei einem Neubau heute schon
verwirklicht werden. Das ist die Philosophie im Hintergrund. Wenn jetzt ein Bauträger
kommt, kann man ihm den Leitfaden vorlegen und er kann nachlesen, was von der Stadt
gewünscht wird.
Hr. Trageser:
Betrifft der Leitfaden nur Dienstleistungsgebäude im öffentlichen Sektor?
Hr. Ritter:
Nein. Er betrifft allgemein Dienstleistungsgebäude. Es ist nicht nur auf den öffentlichen
Sektor beschränkt. Nach der Philosophie der Stadt sollten öffentliche Gebäude
grundsätzlich ohne aktive Klimatisierung ausgeführt werden, dass heißt in Gebäuden
der Magistrate sollten keine Klimaanlagen eingesetzt und eine Klimatisierung mit
anderen baulichen Maßnahmen kompensiert werden, wie es auch die Grundphilosophie
im Wohnbau ist.
Hr. Trageser:
Welche Konzepte gibt es dafür auf der Gebäudeebene? Ein Ansatz ist sicherlich, dass
man die Wärmelasten draußen lässt. Wie verhält es sich mit den internen Lasten?
Hr. Ritter:
Bei den internen Lasten bedeutet das beispielsweise den Einsatz energieeffizienter
Geräte. In unserem Leitfaden für energiebewusstes Bauen wird aufgezeigt wie die
strategische Herangehensweise prinzipiell funktioniert und wie man effizient mit der
Ressource Energie umgeht. Das betrifft natürlich auch das Thema Kühlung und
Klimatisierung. Wir hatten in einer Abstimmungsgruppe Bauträger, die uns mitgeteilt
hatten, dass man bei der Entwicklung einer Büroimmobilie eine Klimatisierung oder
Kühlung vorsehen muss, weil man sie sonst nicht am Markt verwerten kann. Das wird
129
einfach nachgefragt und die Immobilie ist dann unverkäuflich, wenn man nicht einen
gewissen Standard vorweisen kann.
Ich koordiniere das städtische Energieeffizienzprogramm und wir versuchen eine
Bewusstseinsbildung zu schaffen, dass mit Energie effizient umgegangen wird. Es
taucht dabei auch immer das Thema Klimatisierung und Kühlung auf. Da wir selber
keine Objekte besitzen und auch keine verwalten müssen, können wir diese Themen
unabhängig und aus einer gewissen Distanz bewerten. Wir haben die Aufgabe die
Themen zu setzen, von denen wir glauben, dass sie wichtig sind und dafür gibt uns das
städtische Energieeffizienzprogramm einen guten Rahmen. Im Zuge dieses Programms,
das seit 2006 läuft, haben wir ein Format entwickelt, dass die Produktion von
Technologieleitfäden beinhaltet.
In einem Technologieleitfaden geht es beispielsweise um den Sonnenschutz, wie man
ihn baulich einsetzen kann, damit die Wärme draußen bleibt und nicht aufwendig innen
abgeführt werden muss. In einem weiteren Technologieleitfaden wurde die
energieeffiziente Klimatisierung untersucht beziehungsweise was das eigentlich
bedeutet. Ich zitiere kurz aus dem Leitfaden: „Um dem Trend der zunehmenden
Klimatisierung entgegenzuwirken, verfolgt die Stadt folgende Strategie:
1.In Zukunft soll der Kühlbedarf durch bauliche Maßnahmen von vorne herein
vermieden werden. Dies ist durch eine Vermeidung externer und interner Lasten zu
erreichen“ (Sattler, Peter et al. 2010, S.5) wie durch effiziente Geräte mit geringer
Abwärme und durch Sonnenschutz.
„2. Falls Vermeidungsmaßnahmen alleine nicht ausreichen sollten, setzt die Stadt Wien
auf den Ausbau der Fernkälte“ (Sattler, Peter et al. 2010, S.6).
Das ist eine Strategie, die von Wien Energie technisch ins Leben gerufen worden ist,
allerdings gerade neu überdacht wird. Es gibt aber nach wie vor die Überlegung
Abwärmepotentiale, die im Sommer beispielsweise aus der Müllverbrennungsanlage
anfallen, auch zu nutzen, um beispielsweise Fernkälte zu erzeugen. Da gibt es, glaube
ich, auch einige Projekte, die relativ gut laufen wie TownTown, Schottenring und
Spittelau, wobei von Spittelau gewisse Gebiete zentral versorgt werden, teilweise das
AKH…
130
Hr. Geier:
…das ist die einzige klassische zentrale Fernkälte, die anderen Beispiele sind dezentrale
Fernkälteanlagen.
Hr. Trageser:
Die auch über Fernwärme gespeist werden?
Hr. Ritter:
Es gibt zwei Philosophien. Erstens man versorgt einen Gebäudekomplex dezentral, in
dem man vor Ort eine Fernkältezentrale installiert, die mit der Fernwärme betrieben
wird, TownTown ist so ein System oder man hat eine zentrale Kälteanlage und versorgt
die Gebäude direkt. Das ist eher das System in Spittelau.
Hr. Trageser:
Welches System wird man verstärkter ausbauen oder bleibt man bei beiden Systemen?
Hr. Ritter:
Ich glaube, das hängt davon ab, welches System an welchem Standort am besten
einsetzbar ist. Meiner Meinung nach ist eine dezentrale Fernkälteanlage mit Anbindung
an das Fernwärmenetz sinnvoller. Denn die Infrastruktur gibt es auf der Fernwärmeseite
bereits und daher ist es leichter, vor Ort einen Gebäudekomplex mit Fernkälte zu
versorgen. Der Transport von Kälte ist übrigens nicht so einfach, da man aufgrund der
niedrigen Temperaturdifferenzen in der Leistung begrenzt ist. Zum Beispiel beträgt die
Zulauftemperatur
bei
der
Versorgung
eines
Gebäudes
etwa
6
Grad,
die
Rücklauftemperatur zur Kältezentrale etwa 12 Grad. Damit ist der Hub, den man
energetisch gewinnen kann, sehr gering.
131
Hr. Geier:
Würde man dabei den Druck steigern, um zu große Rohrquerschnitte für die
erforderlichen Energiemengen zu vermeiden, würde sich das Wasser schneller
erwärmen.
Hr. Ritter:
Bei der Fernwärme beträgt die Zulauftemperatur zum Gebäude beispielsweise 140 bis
150 Grad und die Rücklauftemperatur etwa 60 bis 70 Grad. Da kann man ganz andere
Energiemengen umsetzen. Der Kältetransport ist daher ein eigenes Thema. Er ist auf
jeden Fall nicht so effektiv wie der Fernwärmetransport. Ich vermute, die Philosophie
geht dahin, dass man dort, wo Abnahmen möglich sind, elektrisch betriebene
Kältemaschinen ersetzen kann, in dem man dort einen Fernwärmeanschluss vorsieht,
eine Kältezentrale errichtet und damit einen Gebäudekomplex mit Kälte versorgt.
Hr. Trageser:
Ist Fernkälte demnach nur für Großabnehmer interessant?
Hr. Ritter:
Ja, weil man gewisse Mengen transportieren muss, bis sich ein Fernkälteanschluss
rechnet.
Hr. Geier:
Ein Fernkältenetz in der Stadt macht keinen Sinn.
Hr. Trageser:
Das wäre meine nächste Frage gewesen. Warum macht es keinen Sinn bei
Bestandsgebäuden Fernkälte nach zu installieren?
132
Hr. Ritter:
Es hängt davon ab, wie viele Kunden man lukrieren kann. Es gab schon Überlegungen
Bestandsgebäude mit Fernkälte zu versorgen, wenn gewisse Abnehmer vorhanden sind.
Ich glaube, es werden auch einige Bestandsgebäude mit Fernkälte versorgt. Wenn zum
Beispiel in einem Ensemble an Gebäuden Fernkälte benötigt wird, kann man es dort
anbieten. Bei gewissen Abnahmemengen kann man Fernkälte zu einem Preis zur
Verfügung stellen, der konkurrenzfähig ist. Dann kann man die Kälteversorgung an
einen Energieversorger auslagern. Ich glaube, man darf die Fernkältestrategie nicht
unterschätzen, darf sie aber auch nicht überschätzen. Es gibt wirklich Bereiche, bei
denen eine Verwendung von Fernkälte auch Sinn macht, aber es ist abhängig von den
Abnahmen und auch mit gewissen Investitionen verbunden.
Hr. Geier:
Man muss sich hier die Aufbringungsseite genau anschauen. Wenn es im Sommer
massive
Überlasten
im
Wärmenetz
gibt,
beispielsweise
aus
der
Müllverbrennungsanlage, dann macht es Sinn überhaupt Fernkälte anzudenken. Wenn
man allerdings dafür zusätzlich Wärme aufbringen muss, lohnt es sich nicht.
Hr. Ritter:
Es ist ein Geschäftsfeld, dass in den letzten Jahren entwickelt worden ist und unseres
Wissen an bestimmten Standorten auch gut funktioniert. Fernkälte ist ein Angebot von
Wien Energie und wenn es sich ökonomisch sinnvoll verwerten lässt, ist es in Ordnung.
Hr. Trageser:
Wie steht es bei dem Thema solares Kühlen? Will man diese Technologie ausbauen
oder gibt es dafür Förderungen?
133
Hr. Ritter:
Solarthermische Anlagen zur Kälteerzeugung wurden gefördert, wobei diese Anlagen
allerdings sehr teuer sind.
Hr. Trageser:
Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch nicht in einem wirtschaftlichen Bereich?
Hr. Ritter:
Wenn ein Haus eine ausgeklügelte Lüftung oder Wohnraumlüftung hat, ist es ein
leichteres Solar Cooling nach zu installieren, aber von vorne herein zu sagen, man
macht Solar Cooling, da geht die Kosten-Nutzen-Rechnung, glaube ich, noch nicht ganz
auf.
Hr. Trageser:
Gibt es einen Unterschied zwischen Sanierung und Neubau?
Hr. Kreitmayer:
Das System ist noch immer sehr teuer. Beim ENERGYbase haben wir so eine Anlage
realisiert, weil wir es ausprobieren wollten. Andere Systeme sind dabei weit effizienter,
wie zum Beispiel reversible Wärmepumpen.
Hr. Ritter:
Es gab einzelne Projekt, in denen Solar Cooling verwendet wurde, bin mir aber nicht
sicher, ob diese gefördert wurden. Es gibt eine Pilotanlage in der Theodor-Sickel-Gasse
der MA34, wo man versucht hat, ein Magistratsgebäude mit einer solarthermischen
Kühlanlage zu betreiben. Es wurde auch ein Energiemonitoring durchgeführt, was vom
Austrian Institute of Technology betreut wurde und dabei hat man untersucht, wie man
134
diese Anlage verbessern kann. Nach meiner Konklusio ist das System noch nicht
gebrauchsfertig.
Hr. Kreitmayer:
Das Solar Cooling wurde übrigens ganz aus dem Förderprogramm genommen, weil die
Förderung nur mehr für den Wohnbau gilt und im Wohnbau keine Kühlung forciert
wird beziehungsweise im Wohnbau nicht notwendig ist.
Hr. Ritter:
Eine aktive Kühlung ist laut Wiener Wohnbauförderung im Wohnbau auch nicht
zulässig ist.
Hr. Trageser:
Demnach gibt es diese Förderprogramme für den Bürobau nicht?
Hr. Ritter:
Von unserer Seite nicht. Die Installation von Solarthermie ist in Wien nicht leicht. Das
hat viele Gründe, weil zum Beispiel viele Bestandsgebäude über kein zentrales
Heizsystem verfügen. Deshalb ist es schwer, solarthermische Anlagen einzubinden.
Das gilt natürlich auch für die solarthermische Kühlung. Dann gibt es auch viele
rechtliche Erschwernisse, die zum Beispiel aus dem Wohnungseigentumsrecht
kommen. Wir versuchen zwar, den solarthermischen Markt zu entwickeln, sonst gäbe es
diesbezüglich auch keine Förderungen, aber es ist sehr schwer. Anders scheint es auf
der Photovoltaikseite zu gehen, weil die Systemeinbindung technisch leichter ist. Die
Förderung von Solarthermie verlagert sich in Richtung Photovoltaik. Dabei geht es in
erster Linie um Stromgewinnung. Bei der Frage, wie man Photovoltaik auch zur
Kühlung und Klimatisierung optimal nutzen kann, kommt dann schon bald die
Wärmepumpe ins Spiel. Ob nicht intelligente Kombinationen aus Photovoltaik und
Wärmepumpenanwendungen unter Berücksichtigung der Möglichkeiten an den
135
jeweiligen Standorten, wie zum Beispiel Klimatisierung über Grundwasser oder
Erdwärme, nicht dazuführen, eine Kühlung über Bauteilaktivierung zu betreiben. Ich
glaube, dass Bauteilaktivierung der innovative Weg sein wird und auch meiner
Wahrnehmung nach bereits jetzt immer mehr eingesetzt wird.
Hr. Geier:
Wir schätzen integrierte Energiekonzepte, beispielsweise gibt es Projekte, in denen die
Abwärme aus Supermärkten zur Heiz- oder Warmwassererzeugung in den
angrenzenden Wohngebäuden genutzt wird. Dabei handelt es sich um Supermärkte, die
über eine zentrale Kälteerzeugung verfügen und bei denen die Abwärme aus den
Kompressionskältemaschinen, die sonst an die Umwelt abgegeben werden würde,
genutzt wird. Zusätzlich wird über Erdwärme und Solarthermie mit verschiedenen
Wärme- und Kältespeichern übers Jahr versucht, genügend Wärme bereitzustellen und
das sind meiner Meinung nach die sinnvollsten Konzepte. Die Nutzung von
Grundwasser scheidet oft im Großen und Ganzen aus. In vielen Teilen von Wien ist das
Grundwasser jetzt schon an der hygienischen Grenze in Bezug auf die Temperatur, die
teilweise schon bei 16 bis 18 Grad liegt. Man kann es kaum noch zu Kühlzwecken
benutzen, sondern nur für thermische Zwecke.
Hr. Trageser:
Wie sieht das Potential bei Geothermie aus, wenn man Erdsonden im Boden installiert?
Hr. Ritter:
Da
ist
sicher
ein
Potential
vorhanden.
Von
unserer
Seite
ist
ein
Geothermiepotentialkataster in Vorbereitung, bei dem man aufzeigt, wo in Wien
oberflächennahe geothermische Potentiale vorhanden sind. Beispielsweise kann man in
Stadtentwicklungsgebieten über Erdpfähle einiges an Energie gewinnen.
136
Hr. Geier:
In Wien wird sehr viel und dicht gebaut, wobei überwiegend erdberührte Baukörper
errichtet
werden,
die
oft
auch
Tiefengründen
benötigen.
Wenn
man
den
Fundierungsaufwand sowieso hat, kann man auch gleich Energiepfähle daraus machen.
Der Vorteil bei diesem System ist der, dass dafür keine Genehmigungsverfahren
erforderlich sind wie beispielsweise bei der Grundwassernutzung.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Behaglichkeitskriterien, in die in den letzten
Jahren viel Bewegung gekommen ist. Projektentwickler gehen nicht mehr davon aus,
dass man zum Beispiel ein Bürogebäude im Sommer auf 18 Grad kühlen muss, sondern
dass im Sommer 25 Grad ausreichend sind. Mit erdberührten Bauteilen kann man in
Verbindung mit Bauteilaktivierung 25 Grad durchaus gewährleisten. Allerdings kann
man mit diesem System Raumtemperaturen nicht so schnell anpassen und 18 Grad
erreicht man ebenfalls nicht, aber diese niedrigen Temperaturen sind auch nicht
notwendig.
Hr. Ritter:
Was tut sich noch strategisch. Das Energieeffizienzprogramm der Stadt Wien, was 2006
initiiert wurde, wird alle drei Jahre evaluiert, was zuletzt Ende 2012 beziehungsweise
Anfang 2013 geschah und dabei wurde festgestellt, dass viele Dinge, die man damals
niedergeschrieben hat, nicht mehr aktuell sind, weil sich die Rahmenbedingungen in
einigen Bereichen geändert haben. Die Herausforderungen sind jetzt teilweise andere.
Die Technologie hat sich anders entwickelt, wie wir es geglaubt hatten. Das Programm
läuft noch bis ins Jahr 2015, aber die Evaluatoren haben angemerkt, dass die Grundzüge
eines Nachfolgeprogramms bereits jetzt entwickelt werden sollten und darin wird das
Thema Kühlung und Klimatisierung, wie man damit in der Stadt umgeht, ein viel
stärkere Rolle spielen. Bis jetzt agieren wir mehr auf einer informativen Ebene. Ich
glaube man wird dann in eine Phase kommen, in der man darüber nachdenkt, wie man
Vorgaben und Rahmenbedingungen noch verstärken kann. Welche Segmente, welche
Lösungen,
welche
Instrumente
braucht
man
überhaupt,
damit
die
Stadt
energieeffizienter wird. Der Dienstleistungsbereich ist in energetischer Hinsicht sicher
eine Herausforderung. Man weiß noch relativ wenig, die Datengrundlage ist relativ
137
dürftig und sehr fragmentiert. Es gibt sehr viele Nutzungsarten mit unterschiedlichen
Zielen. Man muss sich auch überlegen, wie man das Thema Klimatisierung stärker
verankern kann. Da wird sich die Bauordnung sicher weiterentwickeln. Es wurde auch
schon in den Medien berichtet, dass es Überlegungen gibt, eine Solarverpflichtung über
die Bauordnung vorzuschreiben. Wenn man die Photovoltaik richtig in das
Gebäudekonzept integriert und die Energie zum Beispiel zur Klimatisierung nutzt, die
im Sommer aufgrund der Solarstrahlung sehr hoch ist, kann das interessante Lösungen
bringen.
Hr. Trageser:
Wie sehen die Schwerpunkte bei der Definition der neuen Rahmenbedingungen in
Bezug auf die städtische Energieaufbringung aus? Gibt es hier Vorgaben zu einem
Energiemix?
Hr. Ritter:
Das Energiekonzept wird gerade generell etwas überarbeitet. Wir haben derzeit auf
politischer Ebene einen Vorschlag zum Umgang mit erneuerbaren Energien in der Stadt
Wien eingebracht. Dieser Antrag ist Inhalt im RAP Vienna (Renewable Action Plan
Vienna). Wir setzen dabei auf erneuerbare Energien, die vor Ort keine oder kaum
Emissionen haben. Das beinhaltet einerseits die Nutzung von Sonnenenergie, also
Solarthermie und Photovoltaik, und andererseits die Nutzung von Erdwärme oder
Grundwasser. In der Stadt Wien sind aufgrund der flächenmäßigen Größe begrenzte
Möglichkeiten vorhanden. Zum Beispiel ist die Nutzung von Windkraft wegen des
hohen Flächenbedarfs nicht praktikabel, aber es werden durchaus auch Investitionen
außerhalb Wiens getätigt, um den Energiemix weiter zu entwickeln. Die erneuerbaren
Energien werden allerdings immer mehr ein Stromthema, da sich der erneuerbare Markt
ein bisschen auf die Stromseite verlagert. In der Ostregion gibt es viele Windkraftwerke
und derzeit wird die Windkraft dort tendenziell weiter ausgebaut. Falls sich die
Windkraft dort weiterhin so stark entwickelt, stellt sich die Frage, was wird die Rolle
der Stadt Wien sein. Das heißt, wie kann die Stadt bei Überproduktion aus den
Windparks als Puffer wirken beziehungsweise den Stromüberschuss abnehmen. Da ist
138
sicher die Frage, wie man sich diesem Thema in Zukunft widmen wird. Ich glaube auch,
dass die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Zukunft eine wichtige zentrale Rolle
spielen werden. Wir haben die leitungsgebundenen Energieträger wie die Fernwärme,
die ebenfalls eine zentrale Rolle spielen wird und die auch in der Stadt Sinn macht. Bei
dem Gasnetz wird die Frage sein, wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird. Die
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen werden also in naher Zukunft weiter den Hauptanteil
ausmachen, wobei man versucht, erneuerbare Ressourcen in das System zu integrieren.
Wir von der Stadt möchten dabei die Tiefengeothermie weiter voran bringen, auch
wenn wie vorher angesprochen die Bohrung in Eßling nicht die gewünschten
Ergebnisse gebracht hat. Es wird daher sicher weitere Bemühungen geben, das Potential
der Tiefengeothermie zu untersuchen. Dabei geht es um Bohrtiefen von fünf
Kilometern. Bei dem Kraftwerk in Eßling war die Idee, die über Wärmetauscher
gewonnene Energie aus der Erde in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Bis jetzt wird
lediglich gewonnene Energie aus dem Biomasseheizkraftwerk in Simmering in das
Fernwärmenetz eingespeist. Wenn man wirklich von fossilen Energieträgern bei der
Fernwärmeversorgung wegkommen will, dann muss man über Alternativen
nachdenken. Das Netz ist da, wie auch die Kunden, die es natürlich warm haben wollen.
Eine Möglichkeit ist die tiefe Geothermie sowie Speichereinheiten zu integrieren wie
beispielsweise
den
Hochdruckspeicher
in
Simmering.
Dabei
geht
es
um
Systemoptimierung auf der Versorgungsseite. Wir versuchen aber auch mehr auf der
Nachfrageseite zu arbeiten. Was kann man tun, dass uns die Nachfrage nicht davon
läuft. Diese ganzen Ziele, die definiert werden, gelingen nur, wenn die Nachfrage
befriedigt werden kann und da beobachten wir von den Zahlen, dass in den letzten
Jahren eine Stabilisierung des Endenergieverbrauchs erfolgt ist, auch auf der Stromseite.
Hr. Trageser:
Spielen dabei Sanierungsmaßnahmen eine Rolle?
Hr. Ritter:
Die spielen sicher eine Rolle. Ich glaube, es hängt auch mit der wirtschaftlichen
Situation der letzten Jahre zusammen.
139
Hr. Geier:
Die Auswirkungen dieses Knicks in der Konjunktur kann noch nicht ganz bewertet
werden.
Hr. Ritter:
Ich glaube aber auch, dass gewisse Instrumente greifen, wie zum Beispiel die EUweiten Vorschriften zum Energieverbrauch von Endgeräten oder zur Klassifizierung
von Klimageräten, die es meines Wissens auch gibt. Also auch dieses Segment wird
angegangen.
Hr. Geier:
Zum Energiemix lässt sich noch sagen, dass es innerstaatliche Vereinbarungen
zwischen den Bundesländern zu möglichen Heizsystemen gibt, die durch Bauordnungen
oder beispielsweise Kriterien für die Wohnbauförderung geregelt werden. Diese
Kriterien kann man mit einem Fernwärmeanschluss erfüllen, bei einem Gasanschluss
muss man Kombinationen wählen, wie zum Beispiel Gas und Solarthermie oder
Photovoltaik und Wärmepumpen. Das ist schon ein Bereich, bei dem wir uns auch mit
der
Aufbringungsseite
beschäftigen.
Also
wie
kann
man
zukünftige
Stadtentwicklungsgebiete versorgen, welche Konzepte gibt es.
Hr. Trageser:
Ist ein gewisser Anteil an erneuerbaren Energien gesetzlich vorgeschrieben?
Hr. Ritter:
Nein.
Es
sind
nur
technische
Systeme
vorgeschrieben.
Bauordnung
und
Wohnbauförderung sind in Bezug auf den Technologiemix ziemlich angeglichen. Es
müssen alternative Systeme auf Basis erneuerbarer Energien oder Blockheizkraftwerke,
140
Fernkälte, Fernwärme und Wärmepumpen oder gleichwertige Systeme verwendet
werden. Dabei geht es um gewisse Einschränkungen, die für den Neubau schon eine
große Relevanz haben. Wir versuchen dabei die Auswirkungen zu interpretieren, wenn
beispielsweise eine Gasheizung mit einer Photovoltaikanlage kombiniert wird, was man
dabei beachten muss, welche Deckungsgrade sinnvoll sind und wie groß die
solarthermische Anlage im Vergleich zur gasversorgenden Anlage sein muss.
Hr. Trageser:
Werden dabei auch prozentuale Anteile dieser Systeme definiert?
Hr. Ritter:
Da diskutiert man gerade, wie hoch der Anteil dieser System sein muss. In der
Wohnbauförderung ist man beispielsweise schärfer als in der Bauordnung.
Hr. Trageser:
Das ist interessant, weil bis dato gibt es in der Bauordnung noch den Passus, dass
derartige Systeme nur in einem wirtschaftlichen Ausmaß realisiert werden müssen,
speziell bei Sanierungen.
Hr. Ritter:
Genau, das ist dieser Weichspüler. Da wird es von der Stadt zeitnah ein Präzisierung
geben. Wir schauen dabei auch auf die wohnbaugeförderten Objekte, ob die Kriterien
auch mit der Bauordnung kompatibel sind. Es läuft gerade ein Diskussionsprozess in
der Stadt, welche Standards verpflichtend werden sollen, beispielweise wie viel Prozent
vom Warmwasserbedarf solartechnisch abgedeckt werden müssen.
141
Hr. Geier:
Die Grundphilosophie dahinter ist die, dass die Energie zur Warmwassererzeugung im
Sommer, also in der Nicht-Heizperiode, nicht durch Gas bereit gestellt wird, weil es
einfach solarthermisch abgedeckt ist und somit die Heizungsanlage nicht laufen muss.
Hr. Trageser:
Investitionen in erneuerbare Energien sind oft mit Mehrkosten verbunden. Werden in
diese angesprochenen Diskussionen auch Bauträger mit eingebunden?
Hr. Ritter:
Man ist schon mit einzelnen Bauträgern im Austausch. Es gibt auch Projekte, die
ähnlich wie im Leitfaden für energiebewusstes Bauen beschrieben ablaufen. Wir geben
dabei die energetischen Anforderungen an das Projekt bekannt wie effiziente
Energieverwendung, den Einsatz erneuerbare Energien am Standort optimieren,
Verwendung von Abwärmepotentialen, wobei auch Vorgaben aus der bestehenden
Energieinfrastruktur
abgeleitet
werden.
Wir
versuchen
dabei
das
Thema
Energieraumplanung zu strukturieren und mit Leben zu erfüllen. Im Rahmen des
Stadtentwicklungsplans 2025 wird es dabei ein Fachkonzept für integrierte
Energieraumplanung geben. Dabei wird überlegt, welche Kriterien für die
Energieversorgungswahl wichtig und welche Prozessabläufe dafür notwendig sind,
damit man gute ökologische und ökonomische Projekte realisieren kann.
Hr. Geier:
Es geht darum für ganze Stadtgebiete Entscheidungen zu treffen, die halbwegs schlüssig
sind und konsistent durchgehalten werden können. Diese Entscheidungen sollten dann
in städtebaulichen Verträgen fixiert werden. Entscheidet man sich beispielsweise für
Fernwärme sollte man garantieren, dass auch alle Gebäude an die Fernwärme
angeschlossen werden. Dabei schaut man dann gleichzeitig, dass bei möglichst vielen
Gebäuden Photovoltaikanlagen installieren werden, weil sich die Systeme aus
technischer Sicht ganz gut unterstützten. Entscheidet man sich andererseits nicht für
142
Fernwärme und betrachtet dafür alternative Systeme mit Grundwasser- oder
Geothermienutzung
ist
es
wichtig,
dass
das
Potential
in
den
jeweiligen
Stadtentwicklungsgebieten, auch wenn sie erst in fünf Jahren entwickelt werden, dann
auch zur Verfügung steht.
Hr. Trageser:
Bezieht sich die Energieraumplanung nur auf Stadtentwicklungsgebiete oder auch
bestehende Stadtteile?
Hr. Ritter:
Der Fokus liegt auf den Stadtentwicklungsgebieten, weil dieses Thema derzeit brisanter
ist, aber grundsätzlich gilt die Energieraumplanung auch für bestehende Stadtteile.
Dabei ist die Frage, wie geht man mit dem Gebäudebestand überhaupt um, was
Gegenstand im „Städtischen Energieeffizienzprogramm Zwei“ (SEP) sein wird und
zwar geht es dabei um die Energieversorgung und die Sanierung. Den Ausbau der
Fernwärme sollte man in bestehenden Stadtteilen forcieren und Bestandsgebäude daran
anbinden, weil dort energetische Qualitäten vorhanden sind, die einen gewissen
Mindestverbrauch in den nächsten Jahren mit sich bringen werden. Man könnte das
natürlich bei der Fernkälte ähnlich sehen. Ein Gründerzeithaus wird man allerdings nur
mit extrem hohen Aufwand auf einen Passivhausstandard sanieren können. Es empfiehlt
sich daher den Fokus auf den Ausbau der Fernwärme zu legen trotz aller technischer
Schwierigkeiten, die man hat. Es ist nämlich das gleiche Problem wie bei den
solarthermischen Anlagen, die im Bestand deswegen so schlecht funktionieren, weil es
wenige zentrale Heizversorgungsanlagen gibt und die wären bei der Nutzung von
Fernwärme ebenfalls erforderlich.
Hr. Trageser:
Die Installation von Zentralheizungen wird auch im Mietrecht und Steuerrecht
begünstigt. Man kann diese Investitionen als Herstellungsaufwand schneller
abschreiben.
143
Hr. Geier:
Es ist auf jeden Fall sinnvoll, zentrale Heizanlagen in Bestandsgebäuden nach zu
installieren, weil man in der Versorgung mit anderen technischen Systemen flexibler ist.
Es wird bei Bestandsgebäuden vor allem dann schwierig, wenn man eine
unterschiedliche Eigentümerstruktur im Gebäude und
verschiedene Lösungen zur
Heizwärmeversorgung in den jeweiligen Wohnungen hat. Da ist es fast aussichtslos,
dass man das Gebäude an eine zentrale Versorgung anschließen kann.
Hr. Ritter:
Das ist bei unterschiedlichen Eigentümern sicher extrem schwierig und vermutlich auch
kostenintensiv, da man neue Leitungen bis zu jeder Wohnung installieren müsste.
Hr. Trageser:
Müsste es für die flächendeckende Installation von Zentralheizungsanlagen spezielle
Anreizsysteme geben oder Förderungen?
Hr. Ritter:
Sicher, nur sind die Fördertöpfe leider auch begrenzt.
Hr. Geier:
Für die Fernwärme gibt es mittlerweile auch keine Förderungen mehr.
Hr. Ritter:
Früher hat es für die Fernwärme noch Anschlussförderungen gegeben.
144
Hr. Geier:
…für die Installation der Steigleitungen, was aber noch keine Garantie war, das jede
Wohnung auch an die Fernwärme angeschlossen wurde.
Hr. Trageser:
Wäre da eine gesetzliche Verpflichtung eine Lösung?
Hr. Ritter:
Das ist nicht immer so einfach. Ich glaube man muss überlegen, wo man bei
Verpflichtungen bleibt und wo man mit Anreizsystemen arbeitet. Man muss dabei eine
gute Balance finden. Auch wenn eine Verpflichtung da ist, ist die Frage, wie der Markt
darauf reagiert. Das ist der nächste Schritt, wie läuft der Vollzug dieser Verpflichtung.
Hr. Trageser:
Im Mietrecht ist man im Altbau auch im Mietzins begrenzt. Eine Verpflichtung kann
daher unter Umständen zu Investitionen beim Vermieter führen, die sich nicht mehr
amortisieren.
Hr. Ritter:
Genau und da geht es bei der Umsetzung oft um nicht-technische Barrieren und die
liegen ganz wo anders.
Hr. Geier:
Im Büromarkt gibt es da schon interessante Tendenzen, bei denen es um eine
Warmvermietung geht, bei der die Betriebskosten bereits inkludiert sind. Dadurch hat
der Eigentümerauch dann das Interesse, energieeffizient zu bauen, eine gute Qualität
anzubieten und natürlich die Betriebskosten möglichst niedrig zu halten. Das ist, glaube
145
ich, eine der interessantesten Entwicklungen. Im Wohnungsmarkt ist das wiederum
anders.
Hr. Trageser:
Anderes Thema. Welche Strategien gibt es auf Stadtplanungsebene zur Vermeidung von
innerstädtischen
Wärmeinseln,
wie
zum
Beispiel
durch
Begrünung
oder
Durchlüftungsschneisen?
Hr. Geier:
Meines Wissens gibt es diese Durchlüftungsschneisen in Wien seit Jahrhunderten. Das
war in Wien ein hygienisches Thema, da man unangenehme Gerüche aus der Stadt
entfernen wollte. Aus stadtplanerischer Sicht geht es dabei um zwei Entscheidungen.
Entscheidet man sich für Flurwinde oder gegen Flurwinde. In Graz hat man sich zum
Beispiel gegen Flurwinde entschieden, dafür gibt es dort jetzt das Feinstaubproblem,
womit man damals noch nicht rechnen konnte. In Wien hat man die Straßen so
angelegt, dass die warme Luft in der Stadt, die kühle Luft aus dem Umland quasi
ansaugt. Aufgrund der enormen Dichte, die es in Wien bereits in der Gründerzeit gab,
hat man sich für Durchlüftungsschneisen und damit für die Flurwinde entschieden.
Begrünung ist nicht wirklich das Thema, um das Hitzeproblem zu lösen. Man müsste
das dermaßen flächendeckend machen, dass man quasi in einer Gartenstadt leben
würde. Begrünung ist hauptsächlich ein Thema für Lebensqualität und Biodiversität.
Die energetischen Auswirkungen sind sehr minimal. Wenn es wirklich flächendeckend
gemacht wird, dann würde es funktionieren, aber wenn man in einer Bestandsstadt
einige begrünte Fassaden macht und Bäume aufstellt, bringt es fast nichts.
Hr. Trageser:
Müsste man dann die Stadt entdichten und dafür Parkanlagen errichten?
146
Hr. Geier:
Genau und das ist illusorisch. Selbst ein Park hat nur ganz minimale Auswirkungen.
Voriges Jahr war ich in Graz auf der Sustainable Building Konferenz und da wurde eine
Studie aus Südamerika vorgestellt, ich glaube aus Brasilien, in der aufwendig gemessen
wurde wie sich ein Park auf das städtische Mikroklima auswirkt. Die Ergebnisse waren
so ernüchternd, dass die Forscher es selber fast nicht glauben konnten und es daraufhin
nochmal verifiziert haben. Die Auswirkungen eines Parks sind demnach nach zehn
Metern vorbei, was den Kühleffekt betrifft.
Hr. Ritter:
Das Thema wird allerdings bei uns schon wahr genommen. Es gibt den
Solarpotentialkataster und den Gründachpotentialkataster. Die Diskussion dreht sich
immer darum, für was die Dächer genutzt werden, für Photovoltaik oder Gründächer.
Stadt bedeutet immer Handeln mit begrenzten Ressourcen und die Hauptressource ist
Platz.
Hr. Trageser:
Gründächer haben auch die Funktion, dass Regenwasser zurückgehalten wird, das
einerseits natürlich verdunsten kann und andererseits verzögert an die Kanalisation
abgegeben wird.
Hr. Geier:
Das ist mehr eine Frage des Wassermanagements. Die natürlichen Versickerungsflächen
werden mehr durch die MA45 forciert, die auch die Kanalisation betreut. Durch die
häufiger auftretenden Starkregenereignisse dürfen in Stadtentwicklungsgebieten bei
Neubauten Regenwässer nicht mehr in die Kanalisation eingeleitet werden. In Wien gibt
es drei verschiedene Kanalsysteme, nämlich Mischsystem, qualifiziertes Mischsystem
und das Trennsystem. Zum Beispiel gibt es in der Kernstadt überwiegend das
Mischsystem, in Floridsdorf und auf der Donauplatte gibt es das Trennsystem und in
Liesing gibt es das qualifizierte Mischsystem, dabei wird die Entwässerung der Straße
147
in das Mischsystem eingeleitet und sonstige Versickerungsflächen werden in einem
eigenen Regensammler aufgefangen.
Es gibt auch Versuche Versickerungsflächen
anzulegen, auf denen das Wasser temporär stehen kann. Das könnte schon geringe
Auswirkungen auf das Mikroklima haben. Ich glaube der psychologische Effekt macht
bei diesen Maßnahmen wie beispielsweise auch bei der Fassadenbegrünung wesentlich
mehr aus als das, was messbar ist. Grünflächen schaffen Aufenthaltsqualitäten, aber der
Einfluss auf das Mikroklima ist sehr gering. Für einen Effekt müsste man die
Begrünung wie bereits gesagt flächendeckend vorsehen, was auch Studien der TU Wien
belegen. In einer Stadt wie Wien mit hohem Bestand und Bevölkerungszuwachs ist das
aber nicht möglich. Schon ein Thema ist die teilweise Entkernung der Innenbereiche
von bestehenden Baublöcken, um dort Aufenthaltsqualitäten zu schaffen. Das hängt
aber mit der Steigerung von Lebensqualität und Reduktion des Autoverkehrs
zusammen. Wenn man im Innenhof eine Aufenthaltsqualität hat, muss man sich nicht
ins Auto setzen und raus ins Grüne fahren.
Hr. Trageser:
Betrifft die Entkernung nur die Wohnblöcke der Stadt Wien, weil bei privaten
Investoren ist es ein Thema, wenn Mietflächen durch Entkernung reduziert werden?
Hr. Geier:
Es ist grundsätzlich ein Thema der Stadtplanung, das betrifft alle. In einem
Behördenverfahren kann man dem dadurch entgegenkommen, dass man beispielweise
an der Straßenfront zusätzliche Geschosse oder einen besonderen Dachausbau
genehmigt, wofür allerdings die Hintertrakte abgebrochen und begrünt werden müssen.
Aber auch Blocksanierungen im Zuge der sanften Stadterneuerung werden forciert, wo
man alle Eigentümer eines Gebäudeblocks zusammenbringt und versucht die Innenhöfe
zu entkernen, zusammenhängende Grünflächen zu errichten und eine Durchgängigkeit
zu erreichen. Dabei geht es auch darum die soziale Durchmischung weiterhin zu
gewährleisten, was auch stark gefördert wird. Für dieses Programm ist die MA 25 Stadterneuerung und auch der Wohnungsfonds zuständig. In Summe ist das weniger
eine
148
Entdichtung,
sondern
vielmehr
eine
Baumassenverschiebung,
um
beispielsweiseeine bessere Belichtung zu erreichen oder Aufenthaltsqualitäten zu
schaffen, aber im Prinzip bleibt es weitest gehend bei den vorhandenen Dichten.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch.
149
9.2. Zusammenfassung Interview in der MA 22 - Umweltschutz
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Jürgen Preiss/ MA 22 - Wiener Umweltschutzabteilung
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
24. Jänner 2014, 15:00 - 16:00 Uhr
Ort:
MA 22, Dresdner Straße 45, 1200 Wien
Freigabe:
25. Februar 2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Trageser:
Welche Strategien gibt es auf Stadtplanungsebene zur Vermeidung innerstädtischer
Wärmeinseln? Welche Rolle spielen dabei Begrünungen, bauliche Entdichtung oder
lokale Besonderheiten bei der Konzeptfindung?
Hr. Preiss:
Eigentlich sind das Maßnahmen, die Sie ansprechen. Die Strategie wäre Instrumente zu
schaffen, um die Maßnahmen effizient anzuwenden. Es gibt zu diesem Thema einige
Ansätze wie zum Beispiel das EU-Projekt „Urban-Heat-Islands“, das ich als
Projektpartner leite. Ein zweiter Projektpartner ist das Institut für Bauphysik mit Herrn
Professor Mahdavi. In diesem Projekt geht es darum, Maßnahmen zu definieren, zu
modellieren und Strategien zu entwickeln, um die negativen Effekte der sommerlichen
Hitzeinseln in den Städten zu minimieren. Das Phänomen ist bekannt und auch in
150
verschiedener Literatur beschrieben. Hitzeinseln entstehen dadurch, dass Materialien
wie Beton, Asphalt, Metall, die in der Stadt typischerweise auftreten, die
Sonnenstrahlung absorbieren, speichern und in Form von Wärme wieder abgeben. Es
gibt auch verhältnismäßig wenig latenten Wärmestrom durch Verdunstung (Evaporation
und Transpiration) aufgrund des Fehlens vegetativer Strukturen, wodurch auch
Kühleffekte fehlen. Das bewirkt je nach Situation, nach räumlicher Auflösung, nach
Topografie und nach Lage Temperaturunterschiede von bis zu 15 Grad. Im Winter ist
der Effekt auch vorhanden, wobei er in dieser Zeit eher positiv gesehen wird.
Messungen von Temperaturunterschieden mit bis zu 15 Grad sind aus Winterzeiten
bekannt. Im Sommer sind diese Unterschiede nicht ganz so extrem, machen sich aber
dafür um so negativer bemerkbar, weil wir dann in einen Bereich kommen, wo die
physiologische Äquivalenztemperatur vom Menschen schwer beeinflussbar ist. Wenn es
heiß ist, kann man bis zu einem gewissen Grad die Bekleidung anpassen und kann dann
natürlich als Anpassungsmaßnahme klimatisierte Räume aufsuchen. Grundsätzlich ist
die Möglichkeit der Anpassung an Hitze im Freiraum schwieriger als die Anpassung an
Kälte. Bei Kälte kann man sich wärmer anziehen, sich in Räume zurückziehen und man
kann sich auch dem Wind nicht so aussetzen. Wenn wir im Sommer die 40 Grad Marke
erreichen, können die Temperaturunterschiede in den urbanen Freiräumen bis zu sieben
Grad betragen. Die Sonnenstrahlung spielt für das Empfinden eine sehr große Rolle. Im
Wald ist die solare Strahlung durch die Beschattung der Bäume nicht so stark. In der
Stadt besteht das Problem, dass eine Beschattung durch Bäume nicht im optimalen
Ausmaß möglich ist. Oft können Bäume aus diversen infrastrukturellen Gründen nicht
gepflanzt werden. Das heißt, in der Stadt ist man sehr häufig einer Situation ausgesetzt,
die weit jenseits einer erträglichen Temperaturspanne liegt.
Hr. Trageser:
Gibt es bestimmte Bezirke in Wien, in denen sich dieser Effekt besonders negativ
auswirkt?
151
Hr. Preiss:
Die innerstädtischen Bezirke sind davon naturgemäß am meisten betroffen. Es ist aber
nicht so, dass es im ersten Bezirk wirklich heißer sein muss als beispielsweise im
21igsten oder 22igsten Bezirk, wenn man eine kleinere räumliche Einheit betrachtet wie
zum Beispiel einen Innenhof. Würde man da wirklich ins Detail gehen, würde man
sehen, dass es im 21igsten Bezirk an heißen Tagen teilweise extremere Situationen gibt
als im ersten Bezirk.
Hr. Trageser:
Woran liegt das?
Hr. Preiss:
Das liegt sicherlich an der historischen Baustruktur, bei der die Speichermasse durch die
Ziegelbauweise höher ist und auch daran, dass in dicht bebauten Gebieten durch das
vorhandene Breiten-Höhen-Verhältnis der Bebauung die Beschattung ebenfalls höher
ist. Das heißt, es kommt von vornherein nicht so viel Sonnenstrahlung in den Hof oder
die enge Gasse hinunter. Im 21igsten Bezirk ist die Bausubstanz tendenziell neuer oder
moderner.
Die
Straßenräume
sind
wesentlich
breiter.
Dadurch
ist
der
Strahlungsenergieeintrag höher und die Gebäude gleichen aufgrund der relativ
geringeren Speichermasse weniger aus. Wenn die Strahlung auf die Wärmedämmung
auftritt, wird sie stärker in Infrarot (Wärmestrahlung) umgewandelt als bei einem
massiven Altbau und dieses Infrarot wird an die Umgebung abgegeben. Das heißt die
ganze Energie bleibt eher im Außenraum, die Außenluft erwärmt sich daher schneller
als in einem Innenhof oder in einer engen Gasse in der Altstadt, wo man gleich weiß, da
ist der Stein irgendwie kühl, was man auch fühlt, weil der Stein viel träger ist und
länger braucht, um diese ganze Energiemenge aufzunehmen. Durch diese Effekte steht
die alte Stadt nicht so schlecht da. Deswegen hat man auch in südlichen Ländern
bewusst mit engen Gassen gebaut.
152
Hr. Trageser:
Sobald der Stein aber vollständig aufgeheizt ist, hat man die Wärme in der Stadt.
Hr. Preiss:
Es dauert aber viel länger. In manchen Kirchen sitzen Leute auch im Hochsommer mit
Jacken. Der Erwärmungseffekt ist also weniger stark als im modernen Wohnbau. Dort
besteht übrigens die Gefahr, dass die Strahlungsenergie über die Fenster ins Gebäude
gelangt und über Nacht nur schwer entweicht. Die einzige Chance, die Hitze aus den
Gebäuden wieder rauszubringen, ist Querlüften oder aktive Kühlung (Klimaanlagen).
Moderne Gebäude haben tendenziell größere Fensterflächen, um eine ausreichende
natürliche Belichtung zu gewährleisten. Beschattung spielt hier wieder eine wichtige
Rolle.
Hr. Trageser:
Interessant, so habe ich das Thema bisher auch nicht gesehen. Die alte Stadt absorbiert
die Wärme in den Gebäuden, was gut für das Stadtklima ist, aber die modernen
Gebäude lassen die Wärme im Außenraum. Sobald die Wärme durch die Fenster in das
Gebäude kommt, bringt man die Wärme viel schlechter aus dem Gebäude.
Hr. Preiss:
Es sei denn, man baut ein Gebäude mit einem sehr niedrigen U-Wert und einer gut
ausgeklügelten Verschattung, wobei die Fenster geschlossen bleiben müssen
beziehungsweise erst nachts oder morgens in der Früh geöffnet werden, wenn die
Temperatur endlich unter 24 Grad sinkt. Es ist eben eine Komfortsache und der
Mitteleuropäer hat sich auch noch nicht angepasst, was den Arbeitsablauf betrifft. Wir
arbeiten 40 Stunden in der Regel von acht bis 16 Uhr, egal ob es mittags heiß ist oder
nicht. In Wirklichkeit wäre es gescheiter etwas länger zu schlafen, wenn es noch
halbwegs kühl ist, wie es in Italien oder anderen südeuropäischen Ländern der Fall ist,
wobei dann mittags alles etwas langsamer läuft, aber das ist ein kulturelles Thema.
153
Hr. Trageser:
Wenn die Neubauten durch die effiziente Gebäudehülle kaum Wärme absorbieren,
wirkt sich das im Vergleich zur Altstadt negativ auf das städtische Mikroklima aus. Gibt
es auf stadtplanerischer Ebene Konzepte diesen Effekt beispielsweise durch den
verstärkten Einsatz von Grünflächen oder Wasserflächen zu kompensieren?
Hr. Preiss:
Grundsätzlich gibt es Konzepte. Die Strategie wäre jetzt zu analysieren, welche
Maßnahmen in welcher Situation wirkungsvoll sind. Das ist Thema des Strategieplans,
der im Rahmen des Urban-Heat-Islands-Projekts gerade erstellt wird. Das Projekt läuft
bis Juni/ Juli diesen Jahres. In diesem Strategieplan sind verschiedene Kriterien
enthalten, die im Zusammenhang mit allen erdenklichen Maßnahmen untersucht
wurden. Es gab eine Palette von etwa 300 Maßnahmen, die untersucht worden sind.
Dann hat man verschiedene Kriterien bezüglich ihrer Vor- und Nachteile bewertet, nicht
nur in Bezug auf die Klimawirksamkeit, sondern auch auf ökologische Effekte wie die
Biodiversität. Wir haben natürlich auch ökonomische Effekte betrachtet, weil es wichtig
ist eine Strategie zu haben, bei der das Kosten-Nutzen-Verhältnis sinnvoll ist. Ein
Beispiel wäre die Maßnahme, Dächer in weiß auszuführen. Den Ansatz gibt es wirklich
in Amerika. Dort ist es teilweise gesetzlich vorgeschrieben. Dadurch wird mehr
Strahlung reflektiert und man hat einen geringeren Wärmeeintrag in das Gebäude. Der
Nachteil ist, dass man dann das Dach nicht für Begrünung oder Photovoltaik nutzen
kann. Gute Maßnahmen sind sicherlich Grünstrukturen, da kommt es immer darauf an,
in welchem räumlichen Bezug man es betrachtet. Ein Baum in einem Innenhof bringt
für den Hof selbst sehr spürbare Kühlungseffekte. Ein Einzelbaum auf einem großen
Platz oder in einem Stadtteil hat in Relation zu dem großen Raum eine viel geringere
Wirksamkeit. Man muss prüfen, wo es sinnvoll ist, einen Baum zu pflanzen und wo
eine Baumreihe oder Allee, wo Grünflächen im Stadtteil wichtig sind und wie diese
ausgeführt werden müssen, als Wiesen oder Wald oder eine Mischung aus beiden,
ebenso was Wasserflächen bringen oder Kombinationen solcher Flächen. Da ist es
schon so, dass man sehr große Grünflächen braucht, um über gesamte Bezirke eine
merkbaren Einfluss zu haben. Da sind wir bei Größenordnungen wie bei dem
154
Donaupark mit 0,06 Quadratkilometern, der sich auf den 21igsten Bezirk mit 44,46
Quadratkilometern auch messbar auswirkt. Die Fläche des Parks ist im Vergleich zum
Bezirk Floridsdorf relativ gering, aber diese großen Grünflächen haben nicht immer die
gleichen Auswirkungen. Man muss sich dabei mit einem Klimatologen zusammen
setzen, um abschätzen zu können, welche Konstellationen welche Wirkungen haben.
Die Topografie spielt eine Rolle. Beispielsweise werden Kaltluftschneisen vom Wiener
Wald in die Stadt gezogen oder es wird ein guter Luftaustausch in der Stadt durch ein
offenes Marchfeld ermöglicht. Ackerflächen und Wiesen kühlen in der Nacht relativ
rasch aus. Wenn man eine große Bebauung am Stadtrand vorsieht, werden die
Windströme von solchen Flächen unterbunden. Das kann sich negativ auswirken. Auch
die Strukturierung der Grünfläche kann eine Rolle spielen. Es ist nicht immer sinnvoll
Grünflächen mit möglichst vielen Bäumen zu bepflanzen.
In innerstädtischen Gebieten sind neue große Grünanlagen kaum realisierbar. Da kann
man eigentlich nur noch die kleineren Strukturen verändern mit Fassadenbegrünung
oder Dachbegrünung. Die Durchführbarkeit von Maßnahmen hängt sehr von den
städtischen Strukturen ab. Wir haben in dem Zusammenhang auch die Kosten- NutzenVerhältnisse betrachtet und auch die Akzeptanz in der Bevölkerung durch Befragungen
verifiziert.
Hr. Trageser:
Wurden dabei auch Bauträger befragt?
Hr. Preiss:
Ja, es hat sich zum Beispiel ergeben, dass ein Baum auf Kosten eines Parkplatzes beim
Bauträger nicht sehr auf Begeisterung stößt. Er hätte lieber das Auto vorm Haus. Aber
die HausbewohnerInnen hätten lieber den Baum. Die GebäudeeigentümerInnen
verzichten auch lieber auf den Baum auf dem eigenen Grundstück, weil die Pflege einen
höheren Betriebsaufwand bedeuten. Politiker sehen das wieder unterschiedlich und so
weiter. Es wurden verschiedene Interessensgruppen untersucht und es zeigte sich, dass
die Wertschätzung bzw. die Bereitschaft für Pflege und Erhaltung sehr unterschiedlich
ist. Zum Teil werden weniger klimawirksame Maßnahmen, zum Beispiel Abstandsgrün,
155
Rasenstreifen entlang der Straße positiver gesehen als ein Baum, der wesentlich
effektiver wirkt. Die Strategie ist also, welche Maßnahmen kann man wie umsetzen und
in welchen städtebaulichen Situationen sind welche Maßnahmen sinnvoll und effizient.
Die Strategie beinhaltet auch eine Durchleuchtung der Instrumente, die für eine
Stadtplanung und Stadtentwicklung wichtig sind. Es gibt einige Programme, in die diese
Strategie mit einfließt und vor der Erstellung des Strategieplans auch teilweise schon
vorhanden war. Beispielsweise sind im Stadtentwicklungsplan schon konkrete
Zielsetzungen enthalten. Das Thema Stadtklima gibt es da schon länger. Jetzt geht es
eben darum, die Strategie zu optimieren und zu prüfen, wo man bei den Instrumenten
nachbessern muss.
Hr. Trageser:
Gibt es schon konkrete Maßnahmenpakete, die man im nächsten Stadtentwicklungsplan
umsetzen möchte?
Hr. Preiss:
Ja, der STEP ist ein Instrument. Der neue Stadtentwicklungsplan wird Zielsetzungen
vorgeben, Klimawandelanpassung ist ein wichtiger Fokus. Die zukünftige Bedeutung
stadtklimatischer Funktionen der Freiräume wird hervorgehoben, im neuen STEP
werden wichtige Initiativen erarbeitet, zum Beispiel die Entwicklung eines dichten
Fußwegenetzes mit attraktiven Sitzgelegenheiten, Bepflanzung und Schattenspender,
die Erhaltung von Kaltluftschneisen, aber auch kleinräumige Maßnahmen wie zum
Beispiel geringer Versiegelungsgrad, Baumpflanzungen, Regenwassermanagement,
Dach- und Fassadenbegrünung.
Hr. Trageser:
Waren Sie in die Abstimmungsgespräche für den Nord- oder Nordwestbahnhof
involviert. Wenn ja, wie waren dort die Ansätze bei der Konzeptfindung? Wurde ein
gewisser Anteil an Freiflächen vorgesehen oder wurden die Gebäude nach bestimmten
Kriterien orientiert?
156
Hr. Preiss:
Ja, wir sind unterschiedlich intensiv involviert. Es hängt davon ab, um welches Projekt
oder Programm es geht, weil auch die Zielgebiete in unterschiedlicher Intensität und
Schärfe bearbeitet werden. Bei diesem Zielgebiet wurde konkret die Fragestellung
behandelt, ob ein Park günstiger ist, wenn man ihn möglichst groß und
zusammenhängend ausführt oder wenn man ihn in viele kleine Einheiten aufteilt, wie
man die Gebäude entsprechend ausrichtet und die Freiräume proportionsmäßig gestaltet.
Auch die Oberflächen der Bauwerke spielen eine zunehmende Rolle. Das ist zwar im
Nordbahnhof in der jetzigen Phase noch nicht so im Detail behandelt worden, aber
aufgrund des Strategieplans soll es konkrete Vorgaben geben. Es werden auch
Modellierungen stattfinden aufgrund derer man dann ein Gefühl bekommt, wie man die
Breiten-Höhen-Verhältnisse, die Topografie und die Strukturen optimal ausgestalten
kann.
Bei der Seestadt Aspern geht es schon konkreter ins Detail. Beim Südteil wurden aus
Modellierungen konkrete Maßnahmen abgeleitet.
Hr. Trageser: Werden auch Fassadenbegrünungen angedacht?
Hr. Preiss:
Ja. In einigen Bebauungsplänen gibt es sogar gesetzliche Bestimmungen zur
Sicherstellung von Fassadenbegrünungen. Grundsätzlich ist es hochinteressant, welchen
Kühleffekt
die
Verdunstung
hat
und
das
wird
jetzt
bei
Fassaden-
und
Bauwerksbegrünung schon vermehrt genutzt. Da gibt es auch einiges an Forschung
dazu, wenn man sich beispielsweise die begrünte Fassade der MA 48 anschaut, ist die
Wirkung ziemlich hoch, was auch messbar ist. Man kann das sehr gut berechnen, auch
die erforderliche Wassermenge. Es handelt sich dabei um eine fassadengebundene
Begrünung, wo etwa 800 Liter Wasser, die an einem sehr heißen Tag verwendet werden
und wenn diese 800 Liter verdunsten, weiß man, was das für eine Verdunstungskälte
ergibt. Das entspricht etwa 50 Klimageräten von je 3000 Watt, die acht Stunden an
einem heißen Tag in Betrieb sind. Wenn man das auf Kilowattstunden pro Jahr
157
umrechnet, kompensiert das durchaus auch eine Klimaanlage. Das ist nicht eins zu eins
die Leistung, die auch in den Innenraum abgegeben wird, aber es ist die Wärmeenergie
die nicht auf das Gebäude übertragen wird.
Hr. Trageser:
Handelt es sich bei dem Bewässerungssystem um einen kontinuierlichen Kreislauf, bei
dem das Wasser durch die Pflanzentröge nach unten sickert und dann wieder nach oben
gepumpt wird?
Hr. Preiss:
Nein, es ist so gesteuert, dass nichts unten rausläuft. Das ist ein sehr ausgeklügeltes
System, welches aus mehreren Kreisläufen besteht, ich glaube etwa sechs Kreisläufe,
weil die Verdunstung je nach Orientierung der Fassaden, Höhe und Windexposition
unterschiedlich ist. Es hat sich bei diesem System herausgestellt, dass der Wasserbedarf
der Pflanzen je nach Lage an der Fassade recht unterschiedlich ist. Es gibt unten an der
Fassade Messfühler, die zur optimalen Steuerung der Wassermenge beitragen. Die
Kühlleistung wird einfach ermittelt aus der Verdunstungsleistung.
Hr. Trageser:
Das ist wohl ein gutes System, wenn man Grundwasser hat, mit dem man bewässern
kann. Wenn das nicht zur Verfügung steht würde man dann Trinkwasser verwenden?
Hr. Preiss:
Die eigentliche Idee war das Niederschlagswasser von den Dachflächen zu verwenden.
Nur handelte es sich bei der MA48 um ein bestehendes Gebäude und damit war es nicht
einfach, das Regenwasser in das System zum Beispiel mit Zisternen als
Zwischenspeicher einzubinden. Es wäre natürlich optimal, möglichst viel Regenwasser
im System zu behalten und nicht in den Kanal zu leiten. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis
spricht nicht immer für Regenwassernutzungen. In Parkanlagen ist es leichter,
158
Niederschläge zurückzuhalten, zum Beispiel durch sickerfähige Beläge oder
Sickermulden. Dann bleibt das Wasser auch viel länger in dem ganzen System und kann
dann verdunsten, wenn die Sonne wieder scheint. Dann bringt es auch eine
entsprechende Leistung.
Hr. Trageser:
Bringen Gründächer auch einen ähnlichen Kühleffekt. Gibt es da Unterschiede
zwischen extensiver und intensiver Begrünung?
Hr. Preiss:
Man muss dabei wieder die räumliche Einheit betrachten. Extensive Begrünungen
haben auf den darunter liegenden städtischen Raum verhältnismäßig wenig Einfluss.
Auch wenn man sämtliche Dächer begrünen würde, wird es fast nicht bemerkbar sein.
Modellierungen
haben
Temperaturunterschied
ergeben,
erzielt
dass
werden
nicht
kann.
mehr
Dann
als
geht
ein
es
halbes
darum,
Grad
welche
Ausgangssituation man mit welcher Zielsituation vergleicht. Es kann sehr wohl sein,
wenn es sich um wirklich große Flächen mit mehreren tausend Quadratmetern handelt,
dass diese Fracht an kühlerer Luft, die darauf entstehen, bei gewissen Windtransport
angrenzende Stadtteile sehr wohl beeinflussen.
Intensive Begrünungen können etwas mehr, sind aber quantitativ nicht so leicht
durchsetzbar. Für intensive Begrünungen braucht man mindestens 40 Zentimeter
Aufbau und dementsprechend gute statische Vorkehrungen. Das ist eine Maßnahme, die
auf das einzelne Gebäude bezogen in Zusammenhang mit Nutzbarkeit auf dem Dach
sehr wirkungsvoll ist, wenn man alle Kriterien mit betrachtet und man in einer Situation
ist, wo Grünraummangel ist. Dann kann man natürlich durch eine intensive
Dachbegrünung schon ein bisschen was kompensieren, zwar weniger für den
öffentlichen Stadtraum, aber für die Bewohner des Gebäudes kann das ein gute
Bereicherung sein.
Hr. Trageser:
159
Gibt es Förderungen für Dachbegrünungen?
Hr. Preiss:
Dachbegrünungen werden vom Stadtgartenamt bis maximal 2200 € pro Anlage
gefördert, abhängig von der Aufbaustärke und der Fläche. Die Fassadenbegrünungen
werden mit dem selben Maximalbetrag gefördert, was aber pro Anlage gilt, weil man
eine Kletterpflanze schwer in Quadratmetern bemessen kann. Dadurch erreicht man bei
Fassadenbegrünungen
unter
Umständen
eine
hundertprozentige
Deckung
der
Errichtungskosten. Bei der Dachbegrünung wird es mit dem Deckungsgrad schwieriger.
Hr. Trageser:
Können durch den Pflanzenbewuchs Schäden an der Fassade auftreten oder sieht man
dagegen entsprechende Maßnahmen vor?
Hr. Preiss:
Dazu wurde von uns ein Leitfaden zur Fassadenbegrünung herausgegeben. Die zu
treffenden Maßnahmen hängen von der Pflanzenart und von der Fassade ab. Es gibt ein
paar Faustregeln, die man beachten muss. Die Fassade muss erstens technisch in einem
intakten Zustand sein. Das Mauerwerk darf nicht bröckeln und der Putz muss für eine
selbstklimmende Kletterpflanze tragfähig sein. Es hängt auch von der Art der
Begrünung ab, ob es eine bodengebundene Begrünung mit selbstklimmenden
Kletterpflanzen ist, wie beispielsweise der Veitschi beziehungsweise die Mauerkatze,
die sich mit Haftscheiben an der Fassade festkrallt. Wenn der Putz lose ist, kann es sein,
dass die ganze Pflanze mit dem Putz von der Fassade fällt. Beim Efeu gibt es wieder
andere Probleme, wenn die Fassade nicht intakt ist. Da kann es sein, dass der Efeu
Sprossen bildet, die in die Fassade hineinwachsen. Hinterlüftete Fassaden eignen sich
für die Begrünung mit selbstklimmenden Arten überhaupt nicht. Die äußere Schicht ist
nur ein Witterungsschutz, der beispielsweise aus einer Glasplatte oder Holzschalung
besteht und in der Regel statisch so ausgelegt ist, dass sie nur sich selbst tragen kann.
Wenn man dort eine selbstklimmende Pflanze wachsen lässt, die durchaus mehrere
160
hundert Kilo schwer werden kann, kann es zu einer Beschädigung der Fassade kommen.
Eine Tonne ist bei einem Efeu der die blühende Form ausbildet oder auch im Winter
immergrün ist plus entsprechender Schneelast schnell erreicht. Hinterlüftete Fassaden
sind mit selbstklimmenden Pflanzen also nicht kombinierbar. Es geht aber mit
Kletterpflanzen wie die Glyzinie, die eine Kletterhilfe aus Seilen oder Rankgerüste
brauchen und die dann auch nur auf der Kletterhilfe bleiben. Diese Arten beschädigen
dann auch die Fassade nicht. Dabei ist dennoch eine regelmäßige Wartung erforderlich,
da auch die Glyzinie in vorhandene Ritze in der Fassade hineinwachsen kann und die
Kraftauswirkung, die durch das Dickenwachstum der Triebe zustande kommt, ist nicht
zu unterschätzen. Auch wenn die Triebe an Fallrohre wachsen, kann es sein, dass das
Rohr beschädigt wird. Diese Dinge muss man bereits in der Planung berücksichtigen.
Hr. Trageser:
Wie hoch ist der Wartungsaufwand bei begrünten Fassaden?
Hr. Preiss:
Dazu gibt es auch Angaben in unserem Leitfaden. Grundsätzlich sind die
bodengebundenen Begrünungen relativ wartungsarm. Wenn man beispielsweise einen
Veitschi alle zwei Jahre schneiden lässt, weil der Nachbar das nicht haben will, kostet
das je nach Dimension und Zugänglichkeit der Fassade ein paar hundert Euro.
Interessant ist, dass der Pflegeaufwand für Fassadenbegrünung für viele schmerzhafter
ist als zum Beispiel das regelmäßige Waschen von Glasfassaden ganzer Bürogebäude.
Hr. Trageser:
Wie hoch ist die Akzeptanz für begrünte Fassaden im privaten Sektor oder bei
Bauträgern? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, die sich für eine Fassadenbegrünung
interessiert?
161
Hr. Preiss:
Es ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gibt es eine stark zunehmende Nachfrage. Es
gibt Bauträger, die wirklich mustergültig Leuchtturmprojekte zustande bringen. In den
meisten Fällen kommt es mir vor, dass wenn sich jemand mit dem Thema befasst auch
ein gewisse Faszination dafür entsteht. Es hat dann auch immer mit einem persönlichen
Umgang zur Umwelt zu tun. Es gibt Leute, die interessiert das nicht oder es ist ihnen
egal. Die wollen dafür auch nichts investieren. Dann gibt es Leute, die erkennen, dass
sie dadurch ihren Lebensraum gestalten und aufwerten können. In dem Zusammenhang
ist interessant zu beobachten, wie das persönliche Verhältnis zu den Kosten und Nutzen
steht. Die Kosten können bei den Systemen recht unterschiedlich sein. Beispielsweise
kann eine Fassadenbegrünung sehr wenig kosten, aber aufwendige Systeme kosten dann
auch bis zu 800 Euro pro Quadratmeter.
Hr. Trageser:
Gibt es von der Stadt Anreize Baublöcke in der Innenstadt, bei denen auch die
Innenhöfe verbaut sind, zu entdichten und die frei gewordene Fläche zu begrünen,
beispielsweise im Zuge einer Blocksanierung?
Hr. Preiss:
Im Rahmen von Blocksanierungsprojekten weiß ich, dass die Innenhofentkernung
immer noch ein Thema ist. Es gab Zeiten beispielsweise nach dem Krieg, in denen man
die Innenhöfe oft aus betrieblichen Gründen nachverdichtet hat, in dem man dort
Werkstätten errichtet hat. Derzeit versucht man einerseits, die Innenhöfe zu entkernen,
aber andererseits auch innerhalb der Stadt nach zu verdichten, auch weil Wien in der
Ausdehnung beispielsweise durch den Grüngürtel beschränkt ist beziehungsweise
diesen nicht antasten möchte. Dabei ist die Frage wie viel Nachverdichtung ist in der
Innenstadt noch möglich, dass die Grünraumversorgung bzw. die Lebensqualität nicht
beeinträchtigt wird. Früher hat man das Nachverdichten auch unkritischer gesehen als in
der letzten Zeit.
162
Hr. Trageser:
Gibt es konkrete Konzepte, wie man Grünflächen in der Innenstadt erweitern kann?
Hr. Preiss:
Das Thema Bauwerksbegrünung ist in den letzten Jahren schon als eine Möglichkeit
erkannt worden, um in dichten Gebieten noch gewisse Grünstrukturen zu installieren,
die dort ein Mangel sind. Zum Beispiel hat man im sechsten Bezirk kaum noch Chancen
einen Baum zu pflanzen, weil das durch die bestehende Infrastruktur unterhalb der
Oberfläche mit vertretbaren Kosten nicht mehr geht.
Hr. Trageser:
Geht man dann eher bei Dachumbauten zu verpflichtenden Gründächern über ?
Hr. Preiss:
Ja, die Begrünung von Flachdächern ist zu fast hundert Prozent verpflichtend geworden
(gewisse Ausnahmeregelungen gibt es wie zum Beispiel der Belichtung dienende
Aufbauten). Bislang waren Dachbegrünungen individuell festgelegt. Allerdings hat man
aufgrund von wissenschaftlichen Untersuchungen gelernt, dass eine Dachbegrünung für
die Biodiversität, für den Wasserhaushalt und das Kleinklima der Stadt sehr wohl
positive Auswirkungen hat. Es war auch die Frage, wie eine Dachbegrünung mit der
Solartechnologie auf den Dächern zusammenpasst, deren Ausbau auch stark gefördert
wird. Im Grunde funktionieren die beiden Systeme miteinander gut. In diesem
Zusammenhang ist ein Solarleitfaden in Bearbeitung, der nicht nur verschiedene
Systeme zur Nutzung von Photovoltaik behandelt, sondern auch die Kombinierbarkeit
mit Dachbegrünungen. In Deutschland werden sogar Dachbegrünungen gefördert, wenn
eine Solaranlage eingereicht wird. Das hat auch einen ökonomischen Grund, weil die
Begrünung den Wirkungsgrad der Solaranlage erhöht. Denn der Wirkungsgrad ist bei
Solaranlagen bei kühleren Temperaturen – was durch Dachbegrünungen gefördert wird
– höher.
163
Hr. Trageser:
Gibt es in Wien bestimmte Bezirke, in denen man vorrangig diese Konzepte umsetzt?
Hr. Preiss:
Dachbegrünungen lassen sich in Stadterweiterungsgebieten zu einem höheren Anteil
umsetzen, da nicht in bestehende Dachstrukturen eingegriffen werden muss. Hingegen
sind Fassadenbegrünungen in bestehenden dicht bebauten Gebieten noch eher ein
Thema. Im Rahmen des EU-Projekts gibt es zwei Pilotgebiete, wo man einerseits einen
ganz typischen dicht bebauten Bezirk (4. Bezirk südlich Karlsplatz) und andererseits ein
Stadterweiterungsgebiet (Nordbahnhof) betrachtet. Es zeigt sich, dass je nach
Stadtstruktur und Entwicklungsstadium unterschiedliche Maßnahmen zum Tragen
kommen. Innerstädtische Bezirke wie der dritte, vierte, fünfte, sechste, siebte, achte,
neunte, aber auch der 17. Bezirk sind sehr ambitioniert was die Initiierung
kleinräumiger Maßnahmen betrifft (Stichwort: Mikrogrünräume), die Entwicklung der
Seestadt Aspern lässt erwarten, dass hier ein Stadtteil entsteht, in dem ein sehr
fortschrittliches Konzept zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt wird.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch.
164
9.3. Zusammenfassung Interview bei tinavienna
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Volker Schaffler/ tinavienna - urban technologies + strategies
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
15. Jänner 2014, 09:30 - 10:15 Uhr
Ort:
tinavienna, Liechtensteinstr. 12/10, 1090 Wien
Freigabe:
24. Februar 2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Schaffler:
Smart City ist ein Begriff, den es schon länger gibt. Er ist geprägt durch das MIT
(Massachusetts Institute of Technology), durch sehr viele Mobilitätskonzepte oder
durch asiatische Forschungsinstitute, die das ganze Thema sehr ICT-lastig angesehen
haben. Wir in Europa sehen das ein wenig anders. Wir haben da eher einen holistischen
Ansatz. Für uns ist Stadt nicht nur Mobilität und Verbindung zur ICT (information and
communications technology). Wir haben die Prämisse Lebensqualität zu schaffen, weil
eine hoch technologisierte Stadt ist nicht sinnvoll, wenn die Lebensqualität darunter
leidet und da glaube ich, sind wir mit diesem Ansatz in Europa auf dem besseren Weg.
Die EU hat das auch erkannt und einige Förderschienen wie zum Beispiel das
Framework-Programm-Sieben (FP7), jetzt Horizon 2020, ein wenig danach
ausgerichtet. Das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
Technologie) ist der Ausrichtung der EU gefolgt, in dem sie das FIT for SET
Callprogramm gelauncht hat, bei dem wir mitgemacht haben. Das war auch das erste
Smart City Projekt in Wien. Tinavienna war in Managementfunktion und
165
koordinierender Funktion bei diesem Projekt involviert und so ist das Ganze in Wien
entstanden. Der frühere Leiter der MA 18 Thomas Madreiter, der jetzt Planungsdirektor
ist, hatte vorher das Projekt geleitet und betreut diese Smart City Agenden auch noch
immer weiter. Der Smart City war ursprünglich ein Projekt des BMVIT, das jetzt über
die FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) abgewickelt wird. Man
wollte mit diesem Projekt eine Vision und darauf aufbauend eine Roadmap entwickeln.
Da eine Stadt wesentlich komplexer ist als der Themenbereich, den man mit einem
Projekt behandeln kann, war uns bewusst, dass für die Umsetzung des Smart City
Projekts ein übergeordnetes Commitment auf städtischer Ebene notwendig ist. Wir
haben durch dieses Projekt Möglichkeiten aufgezeigt und dann aus diesem Projekt
heraus ein weiteres internes Projekt gelauncht, das sich „Smart City Wien Initiative“
nennt. Diese Smart City Wien Initiative hat in den letzten zwei Jahren sehr viel Fahrt
angenommen. Wir haben eine Steuerungsgruppe mit dem Magistratsdirektor Hr. Erich
Hechtner, was die höchste Verwaltungsposition in der Stadt ist, als Vorsitzenden
eingerichtet. Hier sieht man schon, das es sich bei Smart City um ein übergeordnetes
ganzheitliches Thema handelt, das auf oberster Verwaltungsebene behandelt wird. Wir
sind gerade dabei, eine Dachstrategie für das Projekt „Smart City Wien“ zu entwickeln.
Wien wurde schon immer als die Stadt der Programme genannt. Wir haben sehr viele
gute Programme wie beispielsweise den ÖkoBusinessPlan und ÖkoKauf der MA22,
Stadtentwicklungsplan und Masterplan Verkehr und so weiter. Es geht bei diesem
Projekt darum, eine Rahmenstrategie für die Smart City zu entwickeln, wobei wir nicht
wirklich etwas neues erfinden wollen, sondern Synergien nutzen und die Interaktion der
vorhandenen Programme fördern wollen. Unter dem Dach der Rahmenstrategie werden
alle Programme der Stadt Wien ganz normal weiter laufen, aber man wird sich
untereinander koordinieren. Das ist das eigentliche Smarte daran. In Wien gibt es etwa
60 Magistratsabteilungen, die alle für unterschiedliche Bereiche zuständig sind. In
Zukunft ist es so, dass diese Bereiche nicht mehr für sich allein betrachtet werden,
sondern im Zusammenhang mit anderen. Man sieht es zum Beispiel an dem Thema
Gebäude. Wenn man in Zukunft ein Gebäude realisiert, das mittels Smart Metering und
Smart Grid interagiert, braucht man die richtige Stromversorgung. Man braucht so
etwas wie Energiestadtplanung. Ein gutes Beispiel zur Nutzung vorhandener Potentiale
ist die MA 30 - Wien Kanal, aus der sich ein kommerzielles Tochterunternehmen
166
gebildet hat, das eine Datennetzinfrastruktur im städtischen Kanalnetz anbietet. Das
Aufgraben und Verschließen der Fahrbahnfläche verursacht Belästigungen für den
Verkehr und hohe Kosten. Etwa zwei Drittel der Projektkosten für Leitungsverlegungen
werden für Arbeiten an der Fahrbahn in Anspruch genommen, was auch bei der
Verlegung von Fernwärme oder Fernkälte zutrifft. Daher kam die Idee Glasfaserkabel
im Städtischen Kanalnetz zu verlegen, wodurch man einerseits Kosten spart und
andererseits durch die Vermietung des Datennetzes an Kommunikationsanbieter Geld
für
die
Stadt
verdient.
Somit
ist
Kanal
Wien,
glaub
ich,
der
größte
Glasfaserkabelanbieter in Wien. Das ist das Smarte daran, dass nicht nur auf
Abwasserentsorgungsebene gedacht wird, sondern viel weiter. Dadurch dass wir von
tinavienna in die ersten Projekte im Jahr 2011 involviert waren, auch als Koordinatoren,
haben wir jetzt auch die Funktion der Smart City Agentur übernommen. Nachdem das
erste Projekt abgeschlossen wurde, haben wir festgestellt, dass noch sehr viel
Aufklärungsbedarf auf städtischer Ebene besteht und daher wollten wir das Projekt
Smart City weiter betreiben. Wir sind jetzt so etwas wir der „Smart City Hub“ der Stadt
Wien.
Wir
beantworten
nationale
und
internationale
Anfragen,
helfen
bei
Koordinierungstreffen, machen sehr viel Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Smart City
oder eben inhaltliche Arbeiten. Wir sind keine Magistratsabteilung mit spezifischen
Aufgaben, sondern können Cross-Border arbeiten. Die ganze Rahmenstrategie Smart
City Wien ist noch nicht verbindlich. Sie wird dieses Jahr im Gemeinderat eingebracht
und dann wird es Aufgabe der Verwaltung, diese Strategie umzusetzen. Das heißt, die
verschiedenen Magistratsabteilungen agieren künftig in Abstimmung mit diesem
übergeordneten Strategieplan. Die unterschiedlichen Themen sollen dabei mit Hilfe des
Strategieplans untereinander besser koordiniert werden. Es gibt beispielsweise das
Klimaschutzprogramm und den Masterplan Verkehr. Wenn es in den Programmen
unterschiedliche Mobilitätsziele bis 2050 geben würde, wäre es kontraproduktiv. Wir
sind auch noch in weitere Projekte involviert, zum Beispiel in das Projekt „Transform“,
das im Rahmen dieser letzten FP7-calls (Framework Programs) initiiert wurde und
zusammen mit mehreren Städten durchgeführt wird. Da ist das Ziel eine
Transformationsagenda aufzubauen. Die MA 18 ist für die Stadt Wien in dieses Projekt
auch eingebunden, damit wird die Smart City auf europäischer Ebene behandelt.
167
Hr. Trageser:
Gibt es einen Zeitraum, in dem diese Rahmenstrategie umgesetzt werden soll?
Hr. Schaffler:
Die Vision ist bis 2050. Man hat sich dabei an die Energy Roadmap 2050 der EU
gehalten, wobei ich gelesen habe, dass die EU davon Abstand nehmen möchte,
verbindliche Ziele sogar bis 2030 festzulegen.
Hr. Trageser:
Gibt es Stadtteile, in denen man als Pilotprojekte bestimmte Strategien vorrangig
umsetzen möchte?
Hr. Schaffler:
Aspern, was den Neubau und Liesing, was den Altbau und den Neubau betrifft.
Hr. Trageser:
Welche Ansätze gibt es bei der Energieversorgung für den Gebäudesektor?
Hr. Schaffler:
Das langfristige Ziel ist nahezu Nullenergiegebäude zu realisieren. Daraus kann sich
künftig ein Zielkonflikt bei der Energieversorgung ergeben. In Wien haben wir die
Fernwärme, die sehr gut ist, weil wir die Abwärme von den Kraft-WärmeKopplungsanlagen nutzen können und auch weiter nutzen wollen. Gleichzeitig werden
aber die Neubauten so energieeffizient, dass wir bei diesen Gebäuden kaum noch
Wärmeenergie benötigen. Wenn man allerdings den prozentualen Anteil der Neubauten
am Gesamtgebäudebestand in Wien betrachtet, ist er verhältnismäßig gering. Wien ist
168
eine gebaute Stadt mit einem überwiegenden Anteil an historischer Bausubstanz. Dabei
ist es interessant den Primärenergieverbrauch der Stadt Wien zu betrachten. Von der
Statistik Austria wird jährlich ein Energieflussbild der Stadt Wien erstellt und man
kann gut ablesen, wo die eigentlichen Probleme der Stadt beim Energieverbrauch
liegen.
Die
Hauptverbraucher
sind
einerseits
der
Verkehr
mit
hohem
Treibstoffverbrauch und andererseits die Gebäude mit dem hohen Verbrauch von
Wärmeenergie, wobei dies hauptsächlich den Altbestand betrifft. Das sind also die
beiden großen Hebel, mit denen man den Energieverbrauch der Stadt wirksam
reduzieren kann.
Hr. Trageser:
Welche übergeordneten strategischen Ansätze gibt es für den Altbau, um dort Energie
einzusparen?
Hr. Schaffler:
Es gibt beispielsweise die Sanierungsverordnung, die für öffentliche Gebäude und
Sanierungen gilt, die nach dem Wohnbauförderungs- oder Wohnhaussanierungsgesetz
gefördert werden. Ich glaube das weiter führende Ziel muss das sein, Anreize zu
schaffen, um die Sanierungsraten im Altbestand, der sich im Privatbesitz befindet, zu
erhöhen. So wie ich das sehe, liegt das Problem nach wie vor in der Finanzierung.
Welche Anreize hat ein privater Eigentümer eine thermische Sanierung durchzuführen,
wenn der Effekt darin besteht, dass die Mieter weniger Energie verbrauchen und dafür
nicht wirklich gewillt sind, mehr Miete zu bezahlen. Da fehlt es noch an Mechanismen.
Hr. Trageser:
Einerseits hat man den Bestand als Verbraucher, andererseits Neubauten als
Plusenergiegebäude, die Strom ins allgemeine Versorgungsnetz einspeisen. Gibt es
einen Trend zu dezentralen Versorgungseinheiten und weg von den zentralen
Versorgern?
169
Hr. Schaffler:
Im Prinzip wurde mit dem aspern IQ ein Plusenergiegebäude geschaffen und jetzt muss
man sich das im Verbund anschauen. Man kennt in der Informatik das Problem, wenn
man zwei funktionierende Systeme zusammen gibt, heißt das noch nicht, dass das
Gesamtsystem funktioniert. Wenn jetzt beispielsweise ein Bürogebäude und ein
Wohngebäude mit unterschiedlichen Betriebszeiten ein eigenes Versorgungssystem
bilden, muss man mit Hilfe eines Monitorings prüfen, ob diese dezentrale Lösung
funktioniert. Mit Aspern und dem Gebäude aspern IQ ist man dabei, ein gutes
Instrument zu schaffen, um das System im Verbund bei Neubauten zu prüfen. Im
Altbau ist es schwieriger. Da kommt man schnell auch ins Mietrecht. Aus meiner
subjektiven Wahrnehmung und vor dem Hintergrund, dass ich Energietechniker bin,
kann ich sagen, dass die Teilung von Stromproduzenten und Stromnetz für das
ganzheitliche Smart City Ziel nicht wirklich dienlich ist. Früher waren Stromversorger
und Stromnetz eine Einheit, mittlerweile sind die Stromproduzenten vom Netz
herausgenommen. Das Netz hat eine Hoheit und man kann sich seinen
Stromproduzenten frei wählen. Das heißt, selbst wenn die Stadt dem Unternehmen
Wien Energie, das der Stadt gehört, vorschreibt nur noch erneuerbare Energien zur
Energieversorgung zu verwenden, ist das zwar sehr löblich, aber theoretisch kann jeder
Verbraucher das Versorgungsunternehmen frei wählen und daher könnte auch
Atomstrom aus Frankreich über das unabhängige Netz an den Endverbraucher verkauft
werden.
Hr. Trageser:
Wie kann man sich die Bildung der Rahmenstrategie vom Prozessablauf her vorstellen?
Hr. Schaffler:
Es ist ein großer Stakeholder-Prozess, in den die relevanten Magistratsabteilungen und
Geschäftsgruppen eingebunden sind und der von einem Fachbereich der MA 18 geleitet
wird. Dabei gibt es drei thematische Hauptgruppen nämlich Ressourcen, Innovation und
170
Lebensqualität, die wiederum in Untergruppen untergliedert sind. Beispielsweise fällt
unter die Hauptgruppe Ressourcen die Untergruppe Energie, Mobilität und
Infrastruktur. Zu diesen Untergruppen gibt es einzelne Fachgruppen, die sich konkret
mit diesen spezifischen Themen befassen. Die eigentliche Arbeit der Smart City besteht
darin, die Zielsetzungen der verschiedenen Themen zu harmonisieren, damit sich Ziele
nicht gegenseitig widersprechen oder aufheben.
Hr. Trageser:
Kommen die Themen und Ziele, die in der Rahmenstrategie fixiert werden, aus dem
Stakeholder-Prozess oder gibt man auch Ziele übergeordnet vor?
Hr. Schaffler:
Nein. Man hat zuerst eine Vision mit Oberzielen für 2050 definiert, die man erreichen
möchte. Bei der Umsetzung der Ziele spielt natürlich die technologische Entwicklung
eine Rolle, die immer in Kaskaden erfolgt. Dann hat man sich gesagt, zu den Oberzielen
müssen auch Teilziele definiert werden, die auch schon teilweise in diversen
Programmen definiert sind wie in dem „KliP“ - Klimaschutzprogramm der Stadt, das
auch
gewisse
Ziele
bis
2020
vorgibt.
Dann
wird
gerade
das
städtische
Energieeffizienzprogramm überarbeitet, welches auch Ziele vorgibt. Das heißt, man
denkt in Korridoren und die richtige Mischung hat man nur aus einem Top-down und
Bottom-up approach. Man muss sich dann nachher in der Mitte treffen und das Treffen
in der Mitte ist diese Koordinationsfähigkeit, die das eigentlich Smarte an der Sache ist,
weil der Kommunikationsprozess die verschiedenen Themen miteinander verbindet.
Was die Smart City am Ende ausmachen wird, sind die Projekte, die die
Rahmenstrategie verwirklichen. Es wird Aufgabe der Stadt sein, solche Projekte zu
initiieren. Allerdings können nicht alle Smart City Projekte von der Stadt initiiert
werden, weil die Stadt schon mit dem Daily-Business ausgelastet ist und deshalb
werden voraussichtlich viele Projekte auch als Public-Private-Partnership-Modelle
realisiert werden.
Hr. Trageser:
171
Gibt es Anreizsysteme für die Privatwirtschaft in diese PPP-Modelle zu investieren?
Hr. Schaffler:
Die Stadt möchte zum Beispiel den motorisierten Individualverkehr reduzieren. Das
erreicht man beispielsweise über ein Sharingsystem wie „Car to go“. Dadurch gibt es
weniger Autos und weniger Stellplätze müssen zur Verfügung gestellt werden. Der
Anreiz für ein Privatunternehmen wäre eine Vereinbarung mit der Stadt Wien, dass
Autos von „car to go“ überall parken dürfen und dafür nur eine Pauschale zahlen
müssen.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch.
172
9.4. Zusammenfassung Interview im ENERGYbase
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Tim Selke/ Austrian Institute of Technology
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
16. Jänner 2014, 10:00 - 10:40 Uhr
Ort:
ENERGYbase, Giefinggasse 6, 1210 Wien
Freigabe
29. März 2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Trageser:
Wie wirken sich die EU-Gebäuderichtlinie und Wiener Bauordnung, die nachhaltiges
Bauen vorschreiben, aus Ihrer Sicht auf die derzeitigen Bautätigkeiten aus? Wie hoch ist
die Bereitschaft zum Einsatz erneuerbarer Energien?
Hr. Selke:
Wir stellen fest, dass es Bauträger gibt, die sich vermehrt mit diesem Thema
beschäftigen und es bringt sicherlich auch Wettbewerbsvorteile, zukünftige Bewohner
für dieses Thema zu sensibilisieren. Es gibt mittlerweile auch eine Nachfrage bei
Bewohnern und Bauherren, insofern sehe ich schon eine vermehrte Bereitschaft für
nachhaltiges Bauen. Es ist klar, dass solche Bauträger oder Immobilienentwickler nur in
nachhaltige Projekte investieren werden, wenn die Kosten einigermaßen überschaubar
sind. Es gibt sehr hochmotivierte Eigentümer in Wien, die in dieser Richtung etwas
machen und bewegen wollen und trotzdem Kosten im Blick haben.
173
Bei der Planung von ENERGYbase stand von Anfang an der Forschungscharakter mit
im Vordergrund. Deswegen gab es am Anfang eine hohe Bereitschaft mehr Geld für die
Errichtung bereitzustellen als üblicherweise.
Hr. Trageser:
Können Sie in etwa die Investitionskosten für ein energetisch optimiertes Gebäude im
Vergleich zu einem konventionellen Gebäude abschätzen?
Hr. Selke:
Hier im ENERGYbase wurde uns mitgeteilt, dass 10 bis 15 Prozent Mehrkosten für die
Errichtung im Vergleich zu einer Standardimmobilie investiert wurden, eine genaue
Kostenaufstellung liegt uns nicht vor. Extraleistungen durch die wissenschaftliche
Planungsbegleitung sind nicht enthalten, diese wurden über Forschungsprojekte
teilfinanziert. Wenn man innovativ baut, Passivhausweise und verschiedenste
erneuerbare Technologien anwendet, sind 10 Prozent Mehrkosten für die Errichtung
realistisch.
Hr. Trageser:
Sie führen bei diesem Gebäude auch ein Energiemonitoring durch. Was sind ihre
Erfahrungen nach der Umsetzung dieses Gebäudes? Welche Systeme haben sich vom
Wirkungsgrad als besonders effektiv herausgestellt? Welche Erfahrungen haben Sie
bezüglich energieeffizienter Systeme bei anderen Projekten gemacht?
Hr. Selke:
Vorab ist zu sagen, dass die Energiekennzahlen, die damals in der Planungsphase
gerechnet worden sind, durch unser wissenschaftliches Monitoring bestätigt wurden.
Das
Gebäude
wird
energieeffizient
betrieben.
Wir
liegen
bei
einem
Jahresstromverbrauch von 25 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter für den
Haustechnikbetrieb, d.h. für Heizen, Kühlen, teilweise Beleuchtung und die
Hilfsenergie. Das ist ein Topwert. Die Nutzerverbräuche, wie der Betrieb von
174
Computern und Bürobeleuchtung sind in diesem Wert nicht enthalten. Die hauseigene
Photovoltaikanlage liefert etwa 5 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter also ein
Fünftel des Gebäudebetriebs.
Hr. Trageser:
Diese Werte wurden durch eine rechnerische Simulation bereits im Vorfeld ermittelt?
Hr. Selke:
Teilweise wurden diese Werte durch Simulationen nachgewiesen und über die
Berechnung durch das Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP). Das ist die positive
Botschaft, oft werden innovative Gebäude hoch beworben und im Betrieb zeigt sich,
dass es viele Schwierigkeiten gibt und mehr Energie verbraucht wird als prognostiziert.
Zum Beispiel wird die winterliche Raumtemperatur durch die Nutzer auf über 22 Grad
geregelt, was einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge hat. Diesen Effekt kennen wir
insbesondere bei Gebäuden mit qualitativ hochwertiger Dämmhülle.
Seit 2008 ist das Gebäude in Betrieb und seit 2009 führen wir ein kontinuierliches
Energie-Monitoring durch. Wir haben durch die installierte Messtechnik Zugriff auf
verschiedenste Energieverbräuche und haben bei der Auswertung bereits einige
Überraschungen erlebt. Für die Heizungswärmepumpe sehen wir energetisches
Verbesserungspotential aus verschiedensten Gründen, dies ist weitestgehend auf die
hydraulische Verschaltung zurückzuführen. Grundsätzlich können wir eine gute
Energieperformance der Wärmepumpe feststellen. Fortschritte im Sinne der
verbesserten Energieeffizienz machen wir auch bei der Klimatisierung. Die Ventilatoren
im Klimagerät bewegen die erforderliche Zu- und Abluft durch die Luftführungskanäle
und benötigen zur Überwindung der Druckverluste im System viel Strom. Eine
Senkung des Stromverbrauchs wird dadurch vermieden, dass der Facility-Manager die
Anlage sehr effizient betreibt, wobei der Stromverbrauch für das Klimagerät im
Verhältnis zu den anderen Verbrauchergruppenhoch ist. Die künstliche Beleuchtung ist
sehr effizient und stellt keinen maßgeblichen Anteil am Gesamtverbrauch dar. Meiner
Meinung ist diese Marktverfügbare Beleuchtungstechnik dies bezüglich geeignet und
ausreichend.
175
Hr. Trageser:
Gibt es noch ein Optimierungspotential in der Regelung der Gebäudetechnik oder in
den verwendeten technischen Systemen, um Energieverluste zu minimieren?
Hr. Selke:
Nachdem das Gebäude fertiggestellt ist und die Haustechniksysteme erstmalig in
Betrieb sind, erfolgt eine Phase der Feinabstimmung. Das ist normal und war auch in
der ersten Betriebsphase von ENERGYbase der Fall. Etwa ein Jahr hat es gebraucht bis
das Gebäudeleittechnik GLT so eingestellt war, dass die Systeme optimal betrieben
werden konnten. Die besondere Situation in diesem Haus ist, dass es einen sehr
motivierten und kenntnisreichen Facility-Manager gibt, der im Gespräch mit uns
Forschern, einen effizienten Betrieb auch umsetzen kann. Das ist eine glückliche und
sehr besondere Situation. Wir haben einige wesentliche Ideen zum Einsatz innovative
Technologien in das Projekt miteingebracht und diese konnten wir sowohl ins
Planungsteam als auch bis zum Facility-Manager transportieren.
Hr. Trageser:
Was waren die Ansätze in der Planung bei der Entwicklung des Konzepts?
Hr. Selke:
Damals war die zentrale Frage, lässt sich das Passivhauskonzept auf ein Bürogebäude
anwenden. Die Minimierung des Heizwärmebedarfs ist nicht die Herausforderung, weil
einerseits durch die IKT Informations- und Kommunikationstechnologie und
andererseits durch die Nutzer selber nutzbare Abwärme in den Räumen verfügbar ist.
Die Optimierungen konzentrierten sich insbesondere auf die Reduzierung des
Kühlenergiebedarfs. Ich vergleiche des Passivhauskonzept gerne mit einer gläsernen
Thermoskanne. Wenn die solaren Wärmelasten zu hoch werden, führt das zu einer
massiven Überwärmung der Büroräume. Dann hat man zwar den Heizwärmebedarf
176
deutlich reduziert, aber man muss im Sommer aufwendig technisch kühlen. Die
wesentliche Herausforderung war die richtige Balance zu finden hinsichtlich der
Reduzierung von Kühl- und Heizwärmebedarf. Von Anfang an stand fest, dass wir
überwiegend vor Ort verfügbare erneuerbare Energiequellen einsetzen. Im Sommer
nutzen wir das Temperaturniveau des Grundwassers direkt zu Kühlzwecken und im
Winter dient es als Wärmequelle der Heizwärmepumpe. Die Nutzbarkeit des
Grundwassers hier am Standortist ein Unikum, das lässt sich nicht überall umsetzen.
Zusätzlich stand die Nutzung der Sonnenenergie im Fokus. Der Einsatz von
Solartechnologien am Gebäude ENERGYbase ist gut möglich, da es keine
Verschattungseffekte durch Nachbargebäude gibt und die großflächige, gefaltete
Glasfassade nach Süden ausgerichtet ist. Die Solarenergie und die Umweltwärme sind
die erneuerbaren Energiequellen, die wir zur hautechnischen Grundversorgung des
ENERGYbase nutzen. Faktisch wird Ökostrom vom öffentlichen Netz bezogen um das
Gebäude
zu
betreiben.
Eine
geringe
Eigenstromdeckung
wird
durch
die
Gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage in der Südfassade erreicht.
Hr. Trageser:
Geht es dabei um die Abdeckung von Lastspitzen oder wird kontinuierlich Strom von
außen zugeführt?
Hr. Selke:
Generell wird das Gebäude über das öffentlich Strom versorgt. Die Photovoltaikanlage
mit rund 400 m² Modulfläche liefert Strom vor Ort, der einerseits ins Stromnetz
eingespeist wird und anderseits direkt im Bürogebäude verbraucht wird.
Wir wissen, würde man die photovoltaische Fläche um den Faktor fünf erhöhen, würde
über ein Jahr soviel Solarstrom vor Ort erzeugt werden wie der Gebäudebetrieb für
Heizen, Kühlen, Zuluftaufbereitung und Grundbeleuchtung verbraucht wird.
Hr. Trageser:
177
Welche Systeme haben Ihrer Meinung nach vom Wirkungsgrad das beste Kosten-/
Nutzenverhältnis?
Hr. Selke:
Eine sehr gute kosten- und energieeffiziente Lösung ist die Grundwassernutzung zur
sommerlichen
Gebäudekühlung.
Der
Energieaufwand
resultiert
aus
dem
Pumpenbetrieb, um das Wasser durch das Gebäude zu zirkulieren, das ist Lowtech und
wenig Kostenintensiv. Bei Photovoltaik kommt man unter Berücksichtigung der
Preisentwicklung seit 2008 bereits in interessante Kosten-/ Nutzenrechnungen. Die
Modulpreise sind deutlich gefallen. Bei der solaren Klimatisierung, die hier eingebaut
ist die Wirtschaftlichkeit schwer darstellbar. Durch den Einsatz der solaren
Klimatisierung am Standort Wien konnte die technische Machbarkeit nachgewiesen
werden. Der wirtschaftliche Einsatz stand nicht im Vordergrund.
Hr. Trageser:
Das ist die DEC-Anlage?
Hr. Selke:
Genau, wir klimatisieren im Sommer über die Nutzung von solarer Wärme in
Verbindung mit der DesiccantEvaporativeCooling Technologie. Da war großes
Forschungsinteresse unsererseits vorhanden, den praktischen Nachweis für diese
Technologiekombination zu liefern. Die DEC -Technik weist insbesondere am Standort
Wien große Energieeffizienz im Winterbetrieb auf. Diese begründet sich auf sehr hohe
Wärme- und Feuchterückgewinnungsgrade. Das ist fantastisch für diesen Standort.
Hr. Trageser:
Bei fossilen Energieträgern wird man künftig mit einer Preissteigerung rechnen müssen,
weshalb sich derartige Systeme auch schneller amortisieren werden. Wie ist die
Akzeptanz solcher energieeffizienter Systeme bei den Nutzern? Erfordert der Einsatz
178
dieser Systeme ein geändertes Nutzerverhalten, da zum Beispiel aufgrund von
geöffneten Fenstern im Sommer höhere Kühllastenentstehen? Wie sind diesbezüglich
Ihre Erfahrungen auch bei anderen Projekten?
Hr. Selke:
Der thermische Komfort innerhalb des Gebäudes ist sehr hoch. Insbesondere im
Sommer hat das Gebäude meiner Meinung nach ganz große Stärken. Die
Frischluftversorgung erfolgt über einfachem Luftwechsel. Da wüsste ich jetzt nicht,
dass jemand ganz bewusst aus Mangel an Frischluft die Fenster öffnet, wenn dann nur
kurzfristig. Durch die Passivhausbauweise und die südorientierte, gefaltete Glasfassade
ist das energetische Gebäudeverhalten in den Übergangsphasen charakteristisch. Im
Frühling
kommt
es
durch
die
deutlichen
Tagesschwankungen
der
Umgebungslufttemperaturen und der bereits starker Solarstrahlung sehr schnell zu
Überwärmungseffekten. Im April oder Mai entstehen schnell mal 26 bis 27 Grad
Celsius in den Büroräume nahe der Glasfassade. Man müsste streng genommen bereits
kühlen, aber durch manuelles Fensteröffnen lässt sich die kühlere Außentemperatur
nutzen, um die Raumlufttemperatur der Büros wieder zu senken. Unserer Erfahrung
nach, lässt sich das alles gut bewerkstelligen.
Hr. Trageser:
Wie wird vom Facility-Management auf diese Situation reagiert? Wird die
Überwärmung durch gezielte Regelung der Haustechnik reduziert?
Hr. Selke:
Es können zum Beispiel die Fenster geöffnet werden, wenn so ein Fall eintritt, auch an
der Südfassade. Die Öffnung kann sowohl automatisch als auch vom Nutzer
selbstständig geregelt werden.
Hr. Trageser:
179
Gibt es in diesem Gebäude einen konstanten Luftwechsel oder wird der Luftwechsel
über CO2-Fühler geregelt?
Hr. Selke:
Die Frischluftversorgung erfolgt über einfachem Luftwechsel.
Hr. Trageser:
Welche baulichen Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am effektivsten, um den Eintrag
solarer Strahlung zu vermeiden? Ist es nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz
oder wie hier eine gefaltete Fassade, die sich bei senkrecht stehender Sonne selbst
verschattet?
Hr. Selke:
Es ist nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz. Der eigentliche Konflikt liegt
darin, dass man möglichst viel Tageslicht einfangen möchte, um ausreichende
Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Deshalb gibt es im Bürobau große
Verglasungsflächen. An der Nordfassade gibt es im Sommer nur ein paar Stunden, an
denen direkte solare Strahlung auf die Nordfassade fällt. Der außenliegende
Sonnenschutz ist für die Südfassade, West- und Ostfassade zwingend erforderlich. Der
Konflikt besteht in der Steuerung des außenliegenden Sonnenschutzes, einerseits soll
Überwärmung vermieden werden und andererseits soll gleichzeitig ausreichender
Tageslichteintrag gewährleistet werden. Der worstcase ist, wenn bei vollem Sonnenlicht
die Jalousien oder Raffstores komplett geschlossen werden, innen alles dunkel ist und
dann die Beleuchtung eingeschaltet, obwohl draußen ausreichend Tageslicht vorhanden
ist. Es gibt intelligente Lösungen mit perforierten Lamellen oder unterschiedlichen
Segmenten, die den Eintrag direkter solarer Strahlung reduzieren, aber Tageslicht in den
Raum lenken. Wichtig finde ich ganz persönlich, dass man bei geschlossener Jalousie,
ob extern oder intern, beispielsweise durch eine Perforation immer noch visuellen
Zugang nach außen hat. Das ist definitiv ein Komfortgewinn.
180
Hr. Trageser:
Welchen Einfluss hat die diffuse Strahlung besonders auf der Nordfassade auf den
Eintrag solarer Gewinne?
Hr. Selke:
Diffuse Strahlung hat wärmewirksame Effekte durch die Verglasung auf den
innenliegenden Raum. Die Auswirkungen sind dabei abhängig vom Standort. Eine
Nordfassade kann laut Aussagen von Kollegen energetisch positiv über das Jahr
bilanziert sein. Das heißt die diffuse Strahlung wirkt als Wärmegewinn, als passive
solare Gewinne. Das direkte Sonnenlicht erreicht die Nordfassade im Sommer nur in
den frühen Morgenstunden und kurz vor Sonnenuntergang, die diffuse Strahlung bringt
jedoch nicht zu vernachlässigende passive Wärmegewinne.
Hr. Trageser:
Wird bei den Projekten, die sie mitentwickeln, immer eine Standortanalyse und
Simulation durchgeführt?
Hr. Selke:
Wenn es konkret um Solarenergie geht, schauen wir uns die Wetterdaten an. Es geht in
einem ersten Schritt um die Ausrichtung des Gebäudes. Welche Verglasungsanteile sind
an welchen Fassadenorientierungen vorgesehen. Da lassen sich überschlägig gewisse
Aussagen treffen. Das energetische Gebäudeverhalten lässt sich über die dynamische
Gebäudesimulation optimieren und es lassen sich Aussagen treffen, wo man
Fensterflächen verkleinern oder vergrößern oder andere Fensterqualitäten einbauen
müsste. Wir bewerten Gebäude aus wärmetechnischer Sicht, wir machen keine
Tageslichtsimulationen. Im Bürobau ist der Kühlfall sehr interessant. Wir betrachten
dann den Sommerfallgenauer, um eine Überwärmung zu vermeiden.
Hr. Trageser:
181
In der Innenstadt in Wien gibt es einen großen Altbestand an Gebäuden, besonders aus
der Gründerzeit, bei denen man in der Planung durch die Stuckatur an der Fassade oder
Denkmalschutz teilweise eingeschränkt ist. Welche Konzepte bieten sich in diesem Fall
an, um Kühllasten bei einer Büronutzung zu reduzieren?
Hr. Selke:
Für den Sommerfall muss man bei einer Büronutzung darauf achten, dass man durch die
Belegung keine zu hohen internen Lasten erzeugt, wenn das in irgendeiner Form
möglich ist. Dann ist der externe Sonnenschutz elementar und Nachlüftungskonzepte
sind ein Beitrag zur Vermeidung der sommerlichen Überwärmung. Während der
Wiener Sommer gibt es nächtliche Umgebungslufttemperaturen, die unter den
Raumtemperaturen liegen und somit Kühlpotenzial vorhanden ist. Man müsste dann
dafür sorgen, dass Fenster geöffnet oder eine Anlage vorgesehen wird, die dieses
Nachlüftungspotential ausschöpft. Interessante Lösungen sind PCM - Elemente in
Kombination mit Nachtlüftung. Phasenwechselmaterialien sind Latentwärmespeicher,
die im Gebäude tagsüber Wärme aufnehmen und schmelzen. In der Regel sind es
mikroverkapselte Paraffine, die in raumseitigen Gebäudeelementen eingearbeitet sind.
Über Nacht muss diese eingelagerte latente Wärme wieder abgegeben werden, dies wird
beispielsweise über Nachtlüftung mit hohen Luftwechselraten erreicht. So lassen sich
Tagesspitzen der Raumlufttemperatur abfedern. Es geht nicht darum die gesamte
Kühllast abzufangen.
Hr. Trageser:
Die PCM-Elemente sind quasi ein Ersatz für die Bauteilaktivierung?
Hr. Selke:
Wenn man den Schritt geht, dass man nicht aktiv kühlen möchte, dann ist externer
Sonnenschutz wichtig genauso die Nutzung der thermischen Speichermassen des
Bauwerks. Im Gründerzeitbau sind große thermische Speichermassen durch die massive
Ziegelbauweise gegeben. Man hat damit schon mal sehr viel gewonnen. In städtischen
182
Ballungszentren liegt durch die Bildung von Wärmeinseln die Temperatur im Sommer
einige Kelvin höher als am Stadtrand. Das heißt die Nachtlüftung wird an bestimmten
Tagen und Wochen im Stadtzentrum mit aufgeheizten Gebäuden nicht funktionieren. In
diesem Falle wird wohl ein einfaches Klimagerät aus dem Baumarkt herbeigeschafft.
Ich glaube, das kann nicht ganz vermieden werden, die passiven Maßnahmen zur
Reduzierung des Kühlenergiebedarfs im Bürobau sind prioritär anzugehen bevor aktiv
gekühlt wird.
Hr. Trageser:
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Ausbau der Fernkälte? Man könnte
dadurch auch Kühlenergie in die Innenstadt leiten, ist das ein Thema?
Hr. Selke:
Es ist richtig sich diesem Thema Nah- oder Fernkälte zu widmen, insbesondere wenn
im Sommer Abwärme mehr oder weniger umsonst anfällt - beispielsweise bei der
Müllverbrennung. Interessant sind aus technischer Sicht kleinere Nahkältenetze. Man
muss sich die Wirtschaftlichkeit genau anschauen, weil in der Regel thermisch
angetriebene Kältemaschinen viel teurer sind als die konventionelle Technologielösung.
Kostenfreie Abwärme wirkt sich günstig auf die Wirtschaftlichkeit der thermischen
Kältetechnik aus.
Hr. Trageser:
Gibt es aus Ihrer Erfahrung eine bestimmte Zielgruppe, die sich für den Einsatz
regenerativer Energien besonders interessiert, wie zum Beispiel am Anfang schon
angesprochen Bauträger?
Hr. Selke:
Wir haben die Erfahrung, dass bestimmte Firmen, die Baumaterialien oder -elemente
für Gebäude herstellen gerne aufzeigen, dass mit ihren Produkten nachhaltig gebaut
183
wird. Das Interesse besteht in Bauprojekten, die von Forschungspartnern begleitet
werden. Hier wird der Nachweis angestrebt, dass das Produkt ein wichtiger Bauteil für
das energieoptimierte Bauen ist. Dazu bestehen mit dem AIT einige Partnerschaften. Es
sind Handelsketten, die sich in ihren Lebensmittelfilialen und mit ihrer Firmenstrategie
selber Klimaziele gesetzt haben und dann ihre energetischen Gebäudekonzepte der
Filialen optimieren, da kommen wir als wissenschaftlicher Partner ins Spiel. Einige
Wohnbaugesellschaften, die sogar ganze Stadtteile mitentwickeln, bauen vermehrt
nachhaltig.
Hr. Trageser:
Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Kommt diese Nachfrage nach
Energieeinsparung
aus
einem
Kostenbewusstsein
heraus
oder
spielen
hier
Marketingeffekte eine größere Rolle?
Hr. Selke:
Ich sehe eine erhöhte Bereitschaft bei Häuslebauern in Gebäude mit erneuerbaren
Energietechnologien zu investieren. Mit der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen
im Eigenheim entkoppeln sich die Bürger mehr und mehr von den Preisschwankungen
der klassischen Energieträger und die Energiekosten bleiben kalkulierbar. Durch den
Einsatz dieser Technologien wird man in Zukunft und somit insbesondere im höheren
Lebensalter vermutlich stabile und niedrige Energiekosten erwarten dürfen. Ich höre
zunehmend das Argument, dass die Investition in erneuerbare Energietechnologien im
Eigenheim eine Art finanzielle Altersversorgung darstellt. Rein wirtschaftlich betrachtet
sind Investitionen in erneuerbare Energietechnologien im Eigenheim schwierig
darstellbar ohne finanzielle Anreize wie Investitionskostenförderung, Einspeisetarife
etc. Viele Ausgaben im Hausbau werden nicht rein wirtschaftlich getätigt, sondern es
spielen andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise Emotionen durch Design,
Materialien etc.
Ich denke, das hat was mit einem Commitment zu tun und da sehe ich in Österreich ein
starkes Bekenntnis zu erneuerbaren Energietechnologien und nachhaltigem Bauen.
184
Abschließend glaube ich sagen zu können, technologisch haben wir als Gesellschaft
viele Möglichkeiten erneuerbare Energiequellen zur Versorgung von Gebäuden zu
verwenden. Wir haben mittlerweile sehr viel Erfahrung im nachhaltigen Bauen und es
gibt zahlreiche Projekte in Österreich mit sehr gutem Erfolg. Die Multiplizierbarkeit ist
gegeben was den Neubau betrifft. Die große gesellschaftliche Herausforderung sehe ich
im notwendigen Umbau von Bestandsgebäuden mit hoher Gesamtenergieeffizienz, der
Umbau sollte leistbar sein.
Hr. Trageser:
Inwieweit spielen Förderprogramme bei der Umsetzung solcher Konzepte noch eine
Rolle?
Hr. Selke:
Meiner Meinung nach müssen Förderprogramme langfristig aufgesetzt werden und die
Förderungen sollten planbar bleiben. Es darf nicht ständige und überraschende
Änderungen geben. Die Wirtschaft, Industrie und das ausführende Gewerbe können sich
darauf einstellen, wenn Förderungen langfristig stabil und kalkulierbar sind.
Andererseits sollten Förderungen mit Augenmaß vorgenommen werden, eine
Überförderung bremst die Innovationskraft der Technologieentwicklung. Man sollte im
Auge behalten, dass es Mitbewerber mit alternativen Technologien und Energieträgern
gibt und der Umbau des gesamten Energiesystems in Richtung verstärkter Nutzung der
erneuerbare Energiequellen muss wirtschaftlich sinnvoll, koordiniert und leistbar
erfolgen. Das ist eine wesentliche Rahmenbedingung und wir versuchen mit unseren
Forschungsergebnissen
natürlich
beizutragen,
solche
Transformationsprozesse
mitzugestalten. Die Industrie ist ein wichtiger Partner für uns.
Hr. Trageser:
Das heißt, hier gibt es auch eine Zusammenarbeit mit der Industrie.
Hr. Selke:
Definitiv.
185
Hr. Trageser:
Ich darf Ihnen noch abschließend eine letzte Frage stellen. Wie wird aus Ihrer Sicht ein
Kühlkonzept bei künftigen Bürogebäuden aussehen? Welche Technologien werden sich
durchsetzen?
Hr. Selke:
Ich glaube, man wird weiterhin bei den großen Verglasungsanteilen in der Fassade im
Bürobau bleiben. Bei den Fassadensystemen und Fenstern gibt es mittlerweile
zahlreiche Produkte am Markt, die ein geeignetes Preisleistungsverhältnis aufweisen.
Der außenliegende Sonnenschutz ist sehr wichtig und elementar. Da sollte bei jedem
Gebäudeprojekt neu nachgedacht werden, sonst wird man ambitionierte Energie- und
Komfortziele nicht realisieren können. Ich erwarte, dass die Betonkernaktivierung, wie
im ENERGYbase eingesetzt, Standard wird. Eine thermische Aktivierung über
Betonelemente mit großen Flächen bietet eine hohe thermische Behaglichkeit und
unterstützt den energieeffizienten Betrieb von Wärmeerzeugungsanlagen, zum Beispiel
die Wärmepumpe. Eine Wärmepumpe lässt sich durch das niedrige Temperaturniveau
zur Beheizung der Betonkernaktivierung Energieeffizient betreiben. Das ist ein ganz
großer Vorteil. Ich denke, dass unsere zukünftigen Bürogebäude eine verbesserte
thermische Behaglichkeit aufweisen werden, insgesamt wird der Innenraumkomfort
steigen. Es wird zum vermehrten Einsatz von Photovoltaik im Bürobau der Zukunft
kommen. Denn im Bürogebäude gibt es eine verbesserte Überdeckung von
Stromverbrauchsprofilen im Sommer und dem Tagesgang der Solarstromlieferung
durch Photovoltaik. Dabei gibt es interessante Lösungen, wie Photovoltaik intelligent
und ästhetisch in die Gebäudehülle integriert werden kann. Ich glaube, dass die
Solartechnik
eine
große
Rolle
spielen
wird
und
es
wird
verbesserten
Integrationslösungen kommen. Das Austrian Institute of Technology beforscht das
Thema ‚Gebäude integrierte Photovoltaik‘. Aber ich gehe derzeit noch davon aus, dass
auch Bürogebäude in der Zukunft noch aktiv gekühlt werden, auch in Österreich.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für das Gespräch.
186
9.5. Zusammenfassung Interview in aspern IQ
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Weiss/ Geschäftsführer aspern IQ und Projektentwickler in
der
Immobilienabteilung der Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der
Stadt
Wien.
Hr. Wiedemann/ Facility Management, Siemens
Fragesteller:
Hr. Trageser
Datum:
13. Jänner 2014, 09:15 - 10:00 Uhr
Ort:
Technologiezentrum aspern IQ
Freigabe:
07.02.2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Trageser:
Im Gebäude aspern IQ wird zur Kühlung hauptsächlich eine Betonkernaktivierung
verwendet. Die solare Eintragung wird durch den perforierten Sonnenschutz verhindert.
Die Belichtung wird auf das Nutzerverhalten abgestimmt. Die Lüftung liefert permanent
eine Mindestluftmenge und mit Steigerung des CO2 Wertes erfolgt eine gleitende
Erhöhung der Luftmenge. Die Beleuchtungskörper werden auch über Sensoren
geschaltet?
Hr. Wiedemann:
Ja. Nach Bewegung und nach Helligkeit. Es gibt Bewegungssensoren und
Helligkeitssensoren, wobei die Leuchten lichtgeregelt sind. Die Leuchten regeln sich
187
nach der Umgebungshelligkeit selbst nach, um eine gewünschte Grundhelligkeit im
Raum zu erreichen.
Hr. Trageser:
…die Steuerung erfolgt also nach einer gewünschten Lux-Zahl, um eine ausreichende
Beleuchtung für die Arbeitsplätze zu gewährleisten. Zur Kühlung des Gebäudes wird
Grundwasser verwendet. Gab es demnach eine vorhandene Grundwasserleitung auf dem
Gelände?
Hr. Weiss:
Es wurden eigene Brunnen errichtet, ein Schluckbrunnen und ein Förderbrunnen. Über
einen Wärmetauscher wird das Wasser im Gebäude zur Kühlung über die
Bauteilaktivierung verteilt. Es gibt auch eine Rückkühlung, die ab einer gewissen
Außentemperatur alternativ zugeschaltet wird.
Hr. Wiedemann:
Es ist so, wenn das Gebäude mit einer hohen Wärmedämmung versehen ist, kann es
durchaus passieren, dass die internen Lasten so hoch sind, dass man auch in dieser
Jahreszeit kühlen muss. Dafür gibt es als alternative Möglichkeit die Rückkühler am
Dach, damit man dann den Brunnen nicht verwenden muss.
Hr. Trageser:
Die Kühlung der Rückkühler funktioniert dann ausschließlich über Außenluft oder
werden die Rückkühler bei Lastspitzen zusätzlich mit einem Sprühnebel aus
Grundwasser gekühlt?
Hr. Wiedemann:
188
Es handelt sich um Rückkühler, die über Ventilatoren gekühlt werden ohne
Befeuchtung.
Hr. Trageser:
Kennen Sie das Energiekonzept im ENERGYbase? Wenn ja, welche Erfahrungen
wurden im ENERGYbase aus dem Betrieb gewonnen? Welche Technologien wurden in
das Projekt aspern IQ übernommen?
Hr. Wiedemann:
Ja, ich kenne es ganz gut. Die Bauteilaktivierungsregelung wurde fast eins zu eins zu
übernommen.
Das
Konzept
der
Lüftungsanlage
wurde
vom
Aufbau
mit
Sorptionsregister, Sorptionsrotor, normale Rotoren und Befeuchtung in der Zu- und
Abluft inklusive Wärme- und Feuchterückgewinnung ebenfalls fast eins zu eins
übernommen. Im ENERGYbase wurde zum Beispiel festgestellt, dass in einem
Gebäude, dass schon sehr energieeffizient ist, die Sicherheitsbeleuchtung bereits einen
Großteil des Energieverbrauchs ausmacht. Das Konzept der Orientierungsleuchten
wurde hier anders gelöst. Des Weiteren hat sich herauskristallisiert, dass man sich
irgendetwas einfallen lassen muss mit den Energien von den Serverräumen.
Hr. Weiss:
…was eine interne Last ist. Die Abwärme aus den Serverräumen wird über eine Art
interne Energieschiene der Bauteilaktivierung zur Beheizung zugeführt. Wir sind am
evaluieren, ob dieses System kosteneffizient ist, in dem die aus der Abwärme
gewonnene Energie den Investitionskosten gegenübergestellt werden.
Hr. Trageser:
Demnach gibt es eigene Zähler für dieses System?
Hr. Wiedemann:
189
Ja, gibt es.
Hr. Weiss:
Der Hintergrund ist der, dass die Kleinwärmepumpen nicht billig sind. Die Frage ist
jetzt, nachdem dieses System umgesetzt wurde, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist.
Hr. Trageser:
Gibt es einen zentralen Serverraum oder gibt es pro Büroabteil eigene Serverräume?
Hr. Wiedemann:
Pro Büroabteil, wobei die Bezeichnung Serverraum immer sehr hoch gestochen klingt.
Es ist so, dass die Mieter einen Zentralcomputer in den Serverraum stellen. Das ist ein
Einzelgerät, was noch keine Kühlung benötigt. Wenn es mehrere Geräte werden, kann
man anfangen darüber nachzudenken, ob man den Raum kühlen muss. Ein zentraler
Raum wäre natürlich eine Alternative.
Hr. Weiss:
Die Energieschiene hatten wir im ENERGYbase nicht. Im ENERGYbase hatten wir
Solarthermie, die wir hier nicht haben.
Hr. Trageser:
Warum kam Solarthermie hier nicht zur Anwendung?
Hr. Wiedemann:
Weil das Gebäude zusätzlich an die Fernwärme angeschlossen ist, was mehr auf
Wunsch
des
Notwendigkeit.
190
Energieversorgers
erfolgte
als
auf
einer
gebäudetechnischen
Hr. Trageser:
Das heißt, mit der Fernwärme werden Lastspitzen abgedeckt, falls die derzeitige
Versorgung nicht ausreichen würde?
Hr. Wiedemann:
Es ist zwar ein Passivgebäude, aber es gibt einen Unterschied zum Passivgebäude im
Einfamilienhausbau. Hier sind andere Betriebszeiten. Die Leute gehen abends um 17.00
Uhr nach Hause und am Wochenende ist natürlich auch kein Betrieb. Die
Belegungszeiten
und
interne
Lastenzeiten
unterscheiden
sich
dadurch
vom
Einfamilienhaus. Die Belegungsdichte ist ebenfalls sehr viel schwächer. Daher reichen
hier die internen Lasten allein nicht aus.
Hr. Weiss:
Mittlerweile ist es sogar so, dass die Fernwärme gewerbliche energieeffiziente
Neubauprojekte nicht mehr versorgt. Es gab diesbezüglich ein entsprechendes
Schreiben. Nach meiner Interpretation sind diese Projekte energetisch dermaßen
optimiert sind, dass das Geschäftsmodell nicht mehr aufgeht. Das ist eine spannende
Entwicklung.
Hr. Trageser:
Interessant, das heißt bei allen Büroneubauten kann man davon ausgehen, dass diese
energetisch auf einem so hohen Stand sind, dass man kaum noch oder nur geringe
Energiezufuhr von außen braucht?
Hr. Weiss:
Wie gesagt, dass ist meine Interpretation. Nach dieser Aussendung rechnet es sich
offenbar nicht, den Restwärmebedarf anzubieten, weil sie auf einem so niedrigen
Niveau ist.
191
Hr. Trageser:
Es rechnet sich also nicht mit den Investitionskosten der Fernwärme für die Errichtung
und Wartung neuer Anschlüsse. Die Wärme, die dann verkauft werden könnte, wäre zu
gering, dass sich das rechnet.
Hr. Weiss:
Wobei bei bereits erschlossenen Gebieten es unter Umständen anders aussieht. Da
müsste man direkt mit der Fernwärme sprechen, was deren strategische und
kalkulatorische Überlegung sind.
Hr. Trageser:
Neben der Fernwärme gibt es auch die Fernkälte. Nach meinen Recherchen werden
beispielsweise die Trassen am Handelskai und zur Donauplatte weiter ausgebaut. War
Fernkälte bei diesem Projekt ein Thema beziehungsweise gibt es überhaupt einen
Anschluss nach Aspern?
Hr. Wiedemann (10:43):
Ich wüsste nicht, dass es eine Leitung in Aspern gibt. Selbst wenn, wäre es nicht mal
ansatzweise eine Überlegung bei diesem Projekt gewesen. Die Kälteversorgung über
den Brunnen ist derart günstig, dass es kaum eine vergleichbare Alternative dazu gibt.
Hr. Trageser:
Mit welchen Grundwassertemperaturen kann man rechnen?
Hr. Wiedemann:
In etwa 13 bis 14 Grad, was für die Bauteilaktivierung absolut ausreichend ist.
192
Hr. Weiss:
Wir hatten im Sommer um die 40 Grad Außentemperatur gehabt, was kein Problem
war. Aber man muss dazu sagen, dass als bauphysikalische Voraussetzung die
Gebäudehülle entsprechend energetisch gedämmt sein muss, was wir mit dem
Passivhausstandard realisiert haben, damit der Kühlbedarf auch entsprechend gering ist.
Hr. Trageser:
Werden in diesem Gebäude nachts die Fenster geöffnet, um eine Kühlung durch
Querlüftung zur erzielen?
Hr. Wiedemann:
Kühlung über Fenster ist ein spannendes Thema.
Es entsteht damit ein großer
organisatorischer Aufwand, da man auf Zuglufterscheinungen achten muss und darauf,
dass die Mieter keine Unterlagen auf den Tischen liegen lassen. Eventuell wäre die
Anwendung bei flexiblen Arbeitsplatzkonzepten denkbar, bei denen jeder Mitarbeiter
abends seinen Arbeitsplatz vollständig aufräumt. Wenn vom Mieter selbst diesbezüglich
keine Regelung vorliegt, ist es von Seite des Vermieter schwierig, den Mieter
anzuhalten, abends die Arbeitsplätze aufzuräumen.
Eine reine Kühlung über die Lüftungsanlage würde zu viel Energieaufwand bedeuten
im Vergleich zur Bauteilaktivierung.
Hr. Trageser:
Geht es bei diesem Energiekonzept auch darum, die Lüftungsanlage so wenig wie
möglich zu belasten?
Hr. Wiedemann:
193
Eine Lüftungsanlage kann sehr viel Energie verbrauchen, wenn man sie nicht
bedarfsorientiert betreibt. Im konventionellen Betrieb wird auch viel Energie
verbraucht.
Hr. Trageser:
Strom wird in diesem Projekt über Photovoltaikanlagen gewonnen, beispielsweise über
Solarpaneele, die an der Fassade montiert sind.
Hr. Wiedemann:
…an der Fassade und an den Dächern, vor allem aber an der Südseite.
Hr. Weiss:
Es ist so, dass das Gebäudekonzept ausgehend vom Passivhausstandart energetisch sehr
optimiert ist, beispielsweise über die Energierückgewinnung der Lüftung, über die
bedarfsgesteuerte Regelung der Haustechnik und natürlich der Nutzung der
Brunnenwasserkälte
Restenergiebedarf
zur
wird
Kühlung
übers
des
Jahr
Gebäudes.
gerechnet
Der
noch
primärenergetisch
erforderliche
über
die
Photovoltaikstromproduktion abgedeckt und zwar laut Planungsrechnungen etwas mehr
als abgedeckt. Deswegen haben wir hier einen Plusenergiestandard.
Hr. Trageser:
Wird die überschüssige Energie ins öffentliche Stromnetz eingespeist und verkauft?
Hr. Weiss:
Genau. Der Strom wird an den Stromversorger verkauft. Das wurde aufgrund einer
gesetzlichen Vorgabe so umgesetzt. Es ist in Österreich nicht erlaubt als Privater, und
das sind wir mit diesem Projekt, Strom zu verkaufen. Wir können ihn eigennutzen und
zahlen dafür eine Elektrizitätsabgabe. Der Überschuss muss eingespeist werden. Er
194
kann auch nicht an die eigenen Mieter verkauft werden. Also der Strom wird hier
primär für den Betrieb des Gebäudes konsumiert, ausgeklammert ist aber der
Mieterstrombedarf, die haben einen eigenen Zähler. Das ist systematisch auch gar nicht
anders machbar. Im Erdgeschoss gibt es zum Beispiel ein Forschungslabor mit einem
sehr hohen Strombedarf. Würde man diesen Strombedarf in den Betriebsstrom des
Gebäudes inkludieren,
könnte man den Stromverbrauch für das Gebäude und der
Mieter sehr schwer planen. Also prinzipiell wird der Strom für den Eigenbedarf
verbraucht, der Überschuss wird abgegeben.
Um den Strom verkaufen zu können, gibt es formal und planerisch einiges zu tun. Bei
der MA 64 muss die Anlage als Ökostromanlage eingereicht und dann per Bescheid
bestätigt werden. Danach sind die Voraussetzungen gegeben, dass man mit dem
Energieversorger wirksam einen Einspeisevertrag vereinbaren kann.
Hr. Wiedemann:
Es ist ein ziemlich bürokratischer Aufwand.
Hr. Weiss:
Die ganzen ökologischen Mehrleistungen, die hier realisiert worden sind, erfordern
planerisches Know-how und klare Vorgaben des Bauherrn in einem frühen Stadium,
sonst plant man ewig und falsch. Des Weiteren ist eine genaue Checkliste erforderlich,
welche Aufgaben im Vorfeld erledigt werden müssen, vor allem was die
Genehmigungen betrifft und die rechtlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen.
Hr. Trageser:
Wie lange war der Planungsvorlauf, um diese energetischen Optimierungen
durchzuführen?
Hr. Weiss:
195
Mein Vorgänger hat das Projekt weitgehend realisiert. Der Planungsbeginn war Anfang
2009.
Hr. Trageser:
Wann war der Baubeginn?
Hr. Weiss:
Im Juli 2011 und Fertigstellung war im August 2012. Das ENERGYbase wurde auch
von meinem Vorgänger betreut, was 2008 fertig war.
Hr. Wiedemann:
Das ENERGYbase hat von der Planung bis zur Fertigstellung länger gedauert als dieses
Projekt. Das ENERGYbase war mehr ein Experiment. Da wusste man viele Dinge nur
in der Theorie, aber nicht wie manche Systeme in der Praxis funktionieren. In diesem
Projekt war es dann schon wesentlich leichter.
Hr. Trageser:
Man konnte demnach schon sehr auf die Erfahrungen im ENERGYbase zurück greifen.
War hier das gleiche Planungsteam beteiligt wie im ENERGYbase oder hat man hier
mit anderen Planern gearbeitet?
Hr. Wiedemann:
Nein. In diesem Projekt waren andere Planer beteiligt.
Hr. Weiss:
Aber es war der gleiche Projektentwickler dabei und das gleiche Facility Management
mit Hrn. Wiedemann, der auch das ENERGYbase betreut. Hr. Wiedemann war auch bei
196
der Konzeption dieses Gebäudes beteiligt und hat damit seine Erfahrungen aus der
Praxis einfließen lassen, was ein sehr wichtiger und wesentlicher Beitrag ist, wenn man
so ein Gebäude errichtet.
Hr. Trageser:
Wie schätzen Sie die Baukosten im Vergleich zu konventionellen Bürogebäuden ein,
bei denen diese energetischen Optimierungsmaßnahmen nicht realisiert werden?
Hr. Weiss:
Je Bauvorhaben rechnen wir mit 6 bis 8 Prozent Mehrkosten. Wenn das Bauvorhaben
größer ist, reduziert sich der prozentuale Anteil. Die Tendenz für den Anteil der
Mehrkosten ist fallend, weil die Nachfrage nach energieeffizienten Systemen steigt.
Zum Beispiel haben wir für die Photovoltaikanlage etwa ein Drittel des Preises bezahlt,
der beim ENERGYbase bezahlt wurde.
Hr. Wiedemann:
Im ENERGYbase wurden etwa 400m² Photovoltaikmodule verbaut, die seiner Zeit
geringfügig mehr gekostet haben als die 1300 m² in diesem Gebäude.
Man muss allerdings etwas aufpassen, wenn man über Mehrkosten bei einem Niedrig-,
Passiv- oder Plusenergiegebäude spricht. Tendenziell werden heutzutage sehr viele
energiesparende Dinge eingebaut. Viele energiesparende Dinge sollen in Summe viel
Energie sparen, was erstmal nicht unbedingt stimmt, was sich aber auf den Preis des
Gebäudes niederschlägt. Weniger ist oft mehr.
Hr. Trageser:
Lowtech statt Hightech? Geht es hier um die Wartungsanfälligkeit dieser Systeme?
Hr. Wiedemann:
197
Grundsätzlich ja. Es geht vor allem darum, das die Systeme aufeinander abgestimmt
werden müssen. Oft heben sich diese Systeme gegenseitig auf und teilweise führt es
sogar zu Mehrverbräuchen. Also weniger ist oft mehr und bedeutet auch weniger
Investitionskosten bei der Errichtung.
Hr. Weiss:
Aus ökonomischer Sicht kann man sagen, dass ein solches Projekt zu sinkenden
Mehrkosten führt. Wenn man die energetischen Optimierungsmaßnahmen dann
evaluiert, welche sinnvoll sind und dann bei einem Folgeprojekt nur die sinnvollen
Dinge umsetzt, hat man noch einmal einen Kostenspareffekt in der Investition, aber
unterm Strich hat man als Investor oder Bauherr nach wie vor das Thema zu lösen wie
man mit den Mehrkosten umgeht. De facto ist es so, dass man in Wirklichkeit nur damit
umgehen kann, wenn man das Gebäude selber nutzt, weil man nur dann von den
geringeren Betriebskosten profitiert und damit auch die Mehrinvestitionen durch
Amortisation infolge niedriger Betriebskosten bezahlt werden.
Hr. Trageser:
Werden Büroflächen in diesem Gebäude auch extern vermietet? Wenn ja, inwieweit hat
das Passivhauskonzept Auswirkungen auf den Mietpreis, zum Beispiel höhere
Grundmiete bei niedrigen Betriebskosten?
Hr. Weiss:
Ich würde sagen, dass der potentielle Mieter Miet- und Betriebskosten gesamt rechnet.
Dadurch hat man ein Argument. Die Frage ist nur, ob es für den Mieter ausreicht, das
Geld zurückzuverdienen, weil der Amortisationszeitraum wahrscheinlich länger ist als
die Mietdauer des Mieters. Da müsste man ihm eigentlich etwas mehr bieten, um es
amortisieren zu können.
Man kann sagen, das Bewusstsein ist da, dass nachhaltige Gebäude besser sind. Es fehlt
aber noch ein bisschen der letzte Wille dafür mehr Geld auszugeben. Tatsächlich ist es
so, dass man nach wie vor mehr Geld dafür ausgebiet. Es ist so ähnlich wie mit
198
Bioprodukten. Jeder hätte sie gern, aber die Differenz zum konventionellen Produkt ist
das, was man bereit ist auszugeben und wenn die Differenz zu groß ist, dann greift man
zum konventionellen Produkt. In Wirklichkeit gibt es ganz klar den Wettbewerb zum
konventionellen Produkt.
Hr. Wiedemann:
Man kriegt es über die Qualitätsschiene auch nicht wirklich rüber.
Hr. Weiss:
Nicht wirklich, nur wenn man Spitzenlagen hat, wo diese Mehrkosten nicht mehr ins
Gewicht fallen. Aber es gibt auch schon innovative Ansätze, wo man über spezielle
Vertragskonstruktionen, zum Beispiel garantierte Betriebskosten diesen finanziellen
Mehrwert dem Mietinteressenten so schmackhaft macht, dass es dann wieder
funktioniert, aber dann muss der Mieter schon genau hinschauen. Daher ist auch die
Verwertung mit einer Mehrarbeit und Überzeugungsarbeit verbunden und letztlich geht
es auch darum den Markt dafür zu sensibilisieren und das Bewusstsein zu schaffen, dass
es ein besonderes Angebot gibt, das zunächst etwas mehr kostet, sich dann aber sehr
schnell amortisiert.
Hr. Trageser:
Gibt es eine Zielgruppe, die sich besonders für nachhaltige Gebäude als Mietobjekt
interessiert?
Hr. Weiss:
Würde ich schon sagen. Wir haben dieses Gebäude als Technologiezentrum positioniert
mit
der
Zielsetzung,
dass
sich
technologieaffine
Unternehmen
ansiedeln.
Forschungsunternehmen, die schon aufgrund ihrer Tätigkeit an nachhaltigen Themen
und an Gebäudetechnik Interesse haben. Für diese Unternehmen sind derartige Projekte
spannend und ein absoluter Mehrwert. Es ist eine sehr dankbare Zielgruppe, die
199
versteht, was bei diesen Projekten realisiert wurde. Nur kann man nicht immer so eine
Zielgruppe definieren.
Hr. Trageser:
Wie wirken sich die EU-Gebäuderichtlinie und Wiener Bauordnung, die nachhaltiges
Bauen vorschreiben, aus Ihrer Sicht auf die derzeitigen Bautätigkeiten aus? Wie hoch ist
die Bereitschaft zum Einsatz erneuerbarer Energien?
Hr. Weiss:
Meiner Meinung nach, will man nachhaltig bauen, kann es aber noch nicht, weil der
Markt in der Form noch nicht da ist, wie man es dafür bräuchte. Deswegen ist der
Ansatz richtig, dass man energetische Anforderungen an Gebäude bis zu einem
gewissen Grad über Gesetze vorgibt, weil dann muss man sie auch einhalten. Damit
wird dieser scheinbare Wettbewerbsnachteil von energetisch optimierten Gebäuden zu
konventionellen Gebäuden ein bisschen nivelliert und das macht es leichter solche
Projekte zu realisieren. Der Weg ist aber noch weit, damit kämpft eigentlich jeder, der
Projekte entwickelt.
Hr. Trageser:
Welche Trends setzten sich hinsichtlich energieeffizienter Systeme bei der Entwicklung
von
Bürogebäuden
Ihrer
Meinung
durch?
Welche
Systeme
sind
am
kosteneffizientesten?
Hr. Wiedemann:
Die Bauteilaktivierung ist sicherlich ein interessantes System. Erstmal ist es relativ
günstig von der Errichtung her. Mittlerweile ist es kein Problem, wenn man die Decke
betoniert, die Rohre für den Wasserkreislauf gleich mitzuverlegen. Das lässt sich
mittlerweile recht günstig und preiswert realisieren. Man hat den Vorteil, dass man
durch den Entfall der Zwischendecke größere lichte Raumhöhen erzielen kann und
200
dabei das Gebäude nicht höher bauen muss. Man kann mit sehr geringen
Vorlauftemperaturen operieren, was natürlich bei der Produktion der Kälte und der
Wärme bessere Wirkungsgrade ergibt. Man kann zum Beispiel bei der Wärme mit
Wärmepumpen arbeiten, weil da das Vorlauftemperaturniveau sehr niedrig ist. Man
kann damit die Energierückgewinnung von Serverräumen realisieren. Von daher bietet
sich die Bauteilaktivierung meiner Meinung schon für alles an. Sie hat auch zwei
Nachteile. Man hat ein Problem mit der Akustik. In normalen Büros baut man die
Zwischendecken nicht nur zum Verdecken der Installation ein, sondern auch aus
akustischen Gründen. Akustisch muss man was tun, beispielsweise bei der Einrichtung
oder bei den Wänden. Der zweite Nachteil ist, das die Bauteilaktivierung ein
massenträges System ist. Man muss damit umgehen können.
Hr. Trageser:
Was bedeutet das?
Hr. Wiedemann:
Es nicht ganz einfach zum steuern und regeln. Es ist nicht so, dass man hergeht und
sagt, da muss es jetzt wärmer werden und tut etwas dagegen, sondern man muss es
rechtzeitig und im Vornhinein steuern.
Hr. Trageser:
Der Effekt kommt also verzögert im Raum an.
Hr. Wiedemann:
Wenn man mit den Temperaturen irgendwo wirklich daneben ist, kann man rechnen,
dass man einen Tag braucht bis die gewünschte Raumtemperatur erreicht wird. Man
glaubte, dass sich mit der Bauteilaktivierung gewisse Dinge von selbst regeln. Es
schwebt dieser Geist des Selbstregeleffektes durch die Landschaft, dadurch werden
manche Dinge falsch behandelt. Es regelt sich nicht von selbst, was sich in den letzten
201
Jahren bei dem Betrieb der Bauteilaktivierung herausgestellt hat. Man muss das System
schon so einstellen, dass es sich selbst regeln kann.
Hr. Trageser:
Das heißt, es ist ein höherer Aufwand vom Facility-Management erforderlich oder ein
größeres Know-how?
Hr. Wiedemann:
Etwas mehr Know-how ist sicherlich nicht verkehrt, vom Facility-Management her
würde ich das nicht einmal sagen. Es ist in erster Linie eine Planungssache und man
muss es richtig bauen. Dann funktioniert es eigentlich sehr gut.
Hr. Trageser:
Haben die Nutzer einen Einfluss auf die Raumregelung oder wird die Raumregelung
ausschließlich zentral gesteuert?
Hr. Wiedemann:
Es wird zentral gesteuert. Die Nutzer haben also keine Raumregelungen, wobei sich
herausgestellt hat, dass wenn die Regelung vernünftig eingestellt ist, die Nutzer
eigentlich keinen Bedarf haben irgendetwas einzustellen. Diese Frage stellt sich dann
nicht mehr.
Hr. Weiss:
Am Anfang sind die Nutzer in der Regel sehr ungläubig, wenn sie das hören. Es gibt
offenbar ein menschliches Bedürfnis die Dinge unter Kontrolle zu behalten. Wenn es
nichts zum drehen gibt, gibt es nichts zum kontrollieren. Aber es ist dann einfach
überzeugend, weil es funktioniert. Beim ENERGYbase werden diesbezüglich
kontinuierlich Untersuchungen gemacht und zuletzt haben wir im Rahmen eines
202
Forschungsprojekts die Ergebnisse aus Nutzerbefragungen von verschiedenen
Gebäuden präsentiert bekommen unter anderem vom ENERGYbase und das Ergebnis
war eine außergewöhnlich hohe Zufriedenheit mit der haustechnischen Versorgung.
Und interessanterweise gab es eine sehr starke Korrelation dazu, dass die
wahrgenommene Zufriedenheit in der Haustechnik noch größer war, wenn man auch
mit dem Facility-Management zufrieden war. Das heißt, dass beide Faktoren für die
Wahrnehmung einer funktionsfähigen und guten Haustechnik ganz weit oben stehen.
Hr. Trageser:
Aus psychologischen Gründen wollen Nutzer oft die Fenster öffnen, um zum Beispiel
bei schönem Wetter, die Außentemperatur in das Gebäude zu lassen. Dieses Verhalten
kann manchmal einen nachteiligen Effekt auf das Raumklima haben, beispielsweise
Überhitzung oder Wärmeverluste. Kann man in diesem Gebäude die Fenster öffnen?
Wie wird das Thema im ENERGYbase gehandhabt?
Hr. Wiedemann:
Die Fenster sind in diesem Gebäude öffenbar. Grundsätzlich kann man bei diesem
Thema auf den gesunden Menschenverstand bauen. Wenn man bei extremen
Außentemperaturen wie plus 40 Grad das Fenster öffnet, wird es im Raum warm und
bei minus zehn Grad wird es entsprechend kalt. Da die Bauteilaktivierung ein träges
System ist, dauert es etwas länger bis wieder eine angenehme Raumtemperatur erreicht
wird. Darüber werden die Nutzer informiert. Wenn die Außentemperatur dem
entspricht, was man im Raum haben möchte, besteht also kein Grund die Fenster zu
öffnen, gleiches gilt auch für das Lüften in der Früh. Wenn man im Winter über Nacht
vergisst, das Fenster zuzumachen, dann ist es natürlich am nächsten Tag kalt. Aber das
hat keinen tragischen Einfluss auf das Gebäude. Es ist dann nur in dem jeweiligen
Mietbereich zu kalt. Also derjenige, der es vergisst, hat auch die Nachteile.
Hr. Trageser:
Da setzt man dann also auf einen Lerneffekt.
203
Hr. Weiss:
Ein Punkt ist noch erwähnenswert, nämlich dass die Maximierung der Gebäudeeffizienz
nicht das vorrangige Ziel bei der Konzeption und Umsetzung solcher Projekte ist,
sondern vielmehr die Maximierung des Nutzerkomforts, was auch in einer EURichtlinie geregelt ist. Das darf man nur nicht aus dem Blick verlieren. Bei manchen
Gebäudeprojekten ist es möglicherweise oft so, dass diese Ziele inkongruent sind. Es
geht prinzipiell darum, dass sich die Leute wohl fühlen und als angenehmer
Nebeneffekt wird eine hohe Gebäudeeffizienz mit erzielt. Das kann man alles
durchdenken, der isotherme Luftwechsel, die Bauteilaktivierung mit der angenehmen
Strahlungsenergie, die bedarfsgerechte Steuerung der Beleuchtung und ergänzend die
automatische Steuerung der Sonnenschutzanlage. Alles ist übersteuerbar bis auf die
Lüftung. Das ist im Ergebnis sehr nutzerfreundlich und ein Punkt, den wir hier
konsequent als Manager auch umgesetzt haben, ist die ökologische Bauweise. Wir
haben hier nahezu vollständig schadstofffrei errichtet. Dazu gab es auch sehr früh eine
Bauherrnentscheidung und ein Konzept wie das umzusetzen ist. Erstens wurde die
Vorgabe Bestandteil im Leistungsverzeichnis der ausführenden Firmen. Begleitend
wurde eine Qualitätssicherung, ein sogenanntes Produktmanagement, mit dem
bauphysikalischen Institut durchgeführt, bei der jedes Material vor der Verbauung
freizugeben war. Als zusätzliche Qualitätssicherung und auch als Marketingtool wurde
das Gebäude nach Total-Quality-Management-Standard nach ÖGNB zertifiziert, bei der
wir 974 von 1000 möglichen Punkten erzielt haben. Das zeigt schon, dass das
Gesamtqualitätslevel sehr hoch ist, was auch eines der Ziele der Wirtschaftsagentur war.
Es sollte nicht nur das Minimum, das für jedes Bauwerk in der Seestadt vorgegeben ist,
und das sind immerhin 750 Punkte, erreicht werden, sondern man hat hier versucht
technologisch das bestmögliche und das wirtschaftlich sinnvolle umzusetzen. Es soll
auch nicht unerwähnt bleiben, dass wir das Gebäude als Demogebäude im Rahmen
eines Forschungsprojekts konzipiert und damit auch eine EU-Förderung lukriert haben.
So haben wir übrigens auch unser Kostendilemma gelöst, da wir als Bauherr die
Mehrkosten nicht zurück verdienen würden, nachdem wir die Immobilie nicht selbst
nutzen. Durch die Förderung können und müssen wir die Kostenersparnisse aus den
204
energetischen Optimierungsmaßnahmen an unsere Mieter weitergeben, weil das die
Vorgabe aus der EU-Förderung ist.
Hr. Trageser:
Die EU-Förderprogramme sind also nach wie vor ein Anreizsystem, um nachhaltig zu
bauen?
Hr. Weiss:
Ja, auf jeden Fall. Ich bin gespannt, ob das so bleiben wird. Wenn man jetzt über die
gesetzlichen Vorgaben die Standards sukzessive erhöht, dann braucht man sie nicht
mehr fördern. Wenn dieses Dilemma gelöst wird, wie man die Mehrkosten
zurückverdient, braucht man die Förderung auch nicht mehr unbedingt. Aber ich glaube
momentan ist es wichtig, dass es solche Leuchtturmprojekt gibt und die gibt es teilweise
wirklich nur, weil es gefördert wird und davon profitieren wir alle, wenn man bedenkt,
dass der Weltenergieverbrauch zu 40 Prozent auf Gebäude entfällt und wenn man dann
ein Plusenergiegebäude realisiert, zeigt man, welche Hebel in einem energieeffizienten
Gebäude liegen.
Hr. Trageser:
Noch eine Frage. Wie sieht aus Ihrer Sicht das Kühlkonzept bei künftigen
Bürogebäuden aus, auch aus den Erfahrungen, die sie aus den beiden Projekten
ENERGYbase und aspern IQ gewonnen haben?
Hr. Wiedemann:
Also ich würde das Bauteilaktivierungskühl- und -heizkonzept wieder weiterverwenden.
Für mich ist das System relativ unproblematisch. Das Kosten-/ Nutzenverhältnis wie
auch das Behaglichkeitsgefühl und der Komfortfaktor bis auf die Akustik sind absolut
genial. Es gibt keinen Grund das nicht zu machen. Wie gesagt, man muss halt gewisse
205
Voraussetzungen erfüllen. Bauteilaktivierung mit mäßiger Gebäudehülle wird dann
schon nicht mehr funktionieren.
Hr. Weiss:
Es ist wahrscheinlich auch so, dass man nicht überall die Möglichkeit hat, mit
Grundwasser zu kühlen. Also ist es wahrscheinlich aus dem heraus auch sinnvoll, sich
mit alternativen Konzepten parallel zu beschäftigen.
Hr. Wiedemann:
Die Bauteilaktivierung ist unabhängig vom Grundwasser auch bei Verwendung eines
konventionellen Kühlsystems effizienter.
Hr. Weiss:
Also man muss zwischen Energiequelle und Verteilungssystem trennen.
Hr. Trageser:
Durch die Bauteilaktivierung entfällt die Zwischendecke. Damit müssen sämtliche
Einlegearbeiten für Elektro- oder Lüftungsauslässe, sofern sie nicht aus der Wand
kommen, im Vorhinein geplant werden und sind danach fixiert. Wie ist einerseits der
Planungsaufwand und wie reagieren andererseits die Nutzer auf diese eingeschränkte
Flexibilität, da sonst Installationen nach Bedarf in der abgehängten Decke verlegt
werden können?
Hr. Wiedemann:
Installationen werden hier über den Zwischenboden geführt. Die Belüftung erfolgt bei
den Fenster über den Zwischenboden. Die Lüftungsauslässe befinden sich bei den
Parapeten. Es gibt eine zentrale Absaugstelle. Das ist der einzige Bereich, in dem ein
206
Stückchen Decke abgehängt ist, ca. 2,5m². Im WC gibt es sowieso eine abgehängte
Decke.
Hr. Weiss:
Sie haben die Flexibilität auch aufgrund der Konzeption der Bürofläche, die jede
mögliche
Nutzung
innerhalb
der
Bürogrenzen
ermöglicht.
Eine
flexible
Installationsführung ist über den Doppelboden möglich und die Bürokonfiguration ist
daher frei wählbar. Man ist nur in der Gestaltung der Deckenbeleuchtung eingeschränkt.
Das Beleuchtungskonzept sieht hier Stehleuchten vor, die nach oben und nach unten
beleuchten. Das ist dann letztlich eine Geschmacksfrage, ob man das will. Aber das
haben wir als eines der wenigen Punkte konzeptionell vorgegeben.
Hr. Wiedemann:
Was man noch machen muss, ist aber eigentlich eine absolute Standardsache, ist ein
gewisses Rastermaß an Auslässen in der Decke für die Brandmeldeanlage vorzusehen.
Bis zu einem gewissen Grad gibt es, glaube ich, auch Leerverrohrungen an exponierten
Positionen, die bis zu den WC´s geführt wurden, von wo gegebenenfalls nachinstalliert
werden kann. Das Rastermaß von der Brandmeldeanlage ist ein Muss. Das ist eigentlich
das, was man vorsehen muss, mehr ist es nicht.
Hr. Trageser:
Beziehen Sie sich bei der Regelung der Raumtemperatur auf eine Raumtemperaturgröße
oder auf die Außentemperatur?
Hr. Wiedemann:
Beides. Die Außentemperatur macht uns eine Vorgabe. Dann gibt es noch
eine
Raumtemperatur die diese Vorgabe beeinflusst. Da kommt dann ein Sollwert heraus
und der Unterschied bei einer Bauteilaktivierung ist der, dass sich der Sollwert auf eine
Deckentemperatur bezieht. Also in der Regelung kommt tatsächlich heraus, dass die
207
Decke zum Beispiel 23,5 Grad haben soll. Es sind dafür Fühler in der Decke eingelegt.
Die Raumtemperatur ist dann im Heizfall etwas niedriger, im Kühlfall etwas höher.
Dann gibt es für jeden Mietbereich ein eigenes Absperrventil. Sollte in einem
Mieterbereich zum Beispiel im Heizfall die Deckentemperatur zu niedrig sein, wird das
Ventil geöffnet und es strömt solange warmes Wasser durch die Decke hindurch bis die
Deckensolltemperatur erreicht wird. Dann schaltet es wieder ab. Also wir kontrollieren
hier echte Deckentemperaturen und dadurch ergibt sich auch ein Selbstregeleffekt.
Hr. Trageser:
Inwieweit wird die Raumtemperatur in Bezug zur Außentemperatur gesetzt?
Hr. Wiedemann:
Einen außentemperatur- und raumtemperaturgeführten Soll-Wert gibt es hier nicht. Ich
persönlich halte einen solchen Wert auch nicht für sinnvoll. Es ist so, dass hier eine
vernünftige Raumtemperatur herrscht, bei der die Leute ganz gut leben und arbeiten
können. Bei heißen Außentemperaturen ist die Differenz zur Raumtemperatur sicher
sehr groß. Bei einer Außentemperatur von plus 40 Grad wird die Differenz
wahrscheinlich in einem Bereich von 15 Kelvin liegen, aber man kann drinnen noch
arbeiten.
Hr. Trageser:
In welchem Grenzbereich verläuft die Raumtemperatur im Vergleich von Sommer zu
Winter?
Hr. Wiedemann:
Rein von der gefühlten Temperatur her ziemlich gleich. Im Sommer ist die gefühlte
Temperatur vielleicht etwas wärmer. Die reine Lufttemperatur liegt im Winter bei circa
21-22 Grad. Im Sommer kommt es auf die Ausrichtung der Fassade an, die
Lufttemperatur kann da durchaus bis auf 25 Grad ansteigen.
208
Der große Unterschied zu einem konventionellen Gebäude ist der, dass wir hier mit der
Lüftungsanlage die Luftfeuchtigkeit kontrollieren. Das wird in dieser speziellen Art mit
vernachlässigbarem Energieaufwand nirgends gemacht. Im Winter haben wir um die 45
Prozent Luftfeuchtigkeit und im Sommer liegt die Luftfeuchtigkeit bei maximal 60
Prozent und das macht vom Komfort her einen großen Unterschied.
Hr. Trageser:
Sind bei Ihnen derzeit noch weitere Projekte mit einem ähnlichen Standard in Planung?
Hr. Weiss:
Ja, wir haben weitere Projekte in Planung. Der Standard wird sich von Projekt zu
Projekt zeigen. Die Wirtschaftsagentur hat mit dem ENERGYbase einen Weg
eingeschlagen, bei dem es in Richtung nachhaltige Immobilienentwicklung geht, mit
dem wir auch zeigen wollen, was man realisieren kann und was sinnvoll ist. Wir lassen
auch alle, die sich für diese Themen interessieren an unseren Erfahrungen teilhaben.
Aber wie gesagt, welcher Standard sich letztendlich realisieren lässt, hängt von Projekt
zu Projekt ab und es wird sicher nicht immer möglich sein, Gebäude in dieser Qualität
zu errichten. Aber grundsätzlich ist es der Wirtschaftsagentur ein Anliegen, dass der
hohe Anspruch bei den Bauprojekten bleibt. Wir haben da zum Beispiel ein Baufeld,
auf dem neben dem aspern IQ noch weitere Gebäudeteile geplant sind. Das Ganze
zusammen wird dann das Technologiezentrum
sein, wo sich technologieaffine
Unternehmen ansiedeln, vernetzen und auch wachsen können. Mit uns werden dann
zusätzliche Flächen entstehen. Das ist die Idee des Technologiezentrums. Aber wir
haben auch andere Baufelder, wo wir je nach Bedarf auch andere Gewerbeimmobilien
errichten.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für das Gespräch.
209
9.6. Zusammenfassung Interview mit Hrn. Steininger
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Hr. Christian Steininger/ Vasko & Partner
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
24. Jänner 2014, 18:00 - 18:45 Uhr
Ort:
Café Standard, Margaretenstr.63, 1050 Wien
Freigabe:
06. März 2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Trageser:
Welche Systeme sind nach Ihrer Erfahrung zur Kühlung von Bürogebäuden am
sinnvollsten und wirtschaftlichsten? Welche Systeme sind zukunftsfähig?
Hr. Steininger:
Was sich meiner Meinung nach in Bürogebäuden immer mehr durchsetzen wird, ist die
Bauteilaktivierung. Das ist sicherlich ein gutes System auch im Hinblick auf den
Verbrauch. Man muss allerdings auf die Raumakustik achten und man kann auch nicht
im Gegensatz zu Fan Coils die Raumtemperatur schnell anpassen, weil das System
etwas träger reagiert. Darauf müssen sich die Nutzer einstellen. Durch die
Bauteilaktivierung wird ein Altbau simuliert, also ein schwerer Körper, der in der Früh
kühl ist, über den Tag wärmer wird und in der Nacht die aufgenommene Wärme wieder
abgibt. Man kann sich dabei keine fixierte Temperatur wünschen.
Hr. Trageser:
210
Wie lange dauert die Einregelungsphase bei diesem System und wie ist die Akzeptanz
auf der Nutzerseite?
Hr. Steininger:
Wir hatten letztes Jahr im Raiffeisengebäude den ersten Sommer bei laufendem Betrieb
gehabt, der auch sehr heiß war und es gab eigentlich nur positive Aussagen.
Hr. Trageser:
Es gibt bei diesem Gebäude auch große Glasflächen, die wahrscheinlich auch
hinterlüftet sind?
Hr. Steininger:
Es handelt sich hier um eine Doppelfassade, die hinterlüftet ist. Allerdings täuscht die
Glasfassade etwas, da massive Parapete vorhanden sind. Jedes zweite Fenster ist
öffenbar beziehungsweise kippbar und im Fassadenzwischenraum ist ein Sonnenschutz
angebracht.
Hr. Trageser:
Gibt es im Parapetbereich Lüftungsauslässe, über die man zusätzlich kühle Luft einbläst
oder funktioniert die Kühlung rein über die Bauteilaktivierung?
Hr. Steininger:
Grundsätzlich rein über die Bauteilaktivierung. Es gibt aber eine kontrollierte Lüftung
mit einem moderaten etwa 1,5 fachen Luftwechsel, was völlig ausreicht und auch nur
einen geringen Anteil an der Kühlung ausmacht. Die Fenster sind wie gesagt kippbar,
was aber relativ wenig angewendet wird.
Hr. Trageser:
211
Wird in diesem Gebäude rein über Wasser gekühlt oder gibt es noch andere Medien?
Hr. Steininger:
Die Energieabgabe erfolgt rein über Wasser. Die Energieerzeugung funktioniert auf
verschiedene Weise. Das Herzstück ist dabei ein Blockheizkraftwerk, was mit Biogas
angetrieben wird und eine zertifizierte Ökostromanlage ist. Es gibt einerseits
Kompressionskältemaschinen, die die Kühlenergie zur Abdeckung von Lastspitzen
erzeugen und andererseits Kältemaschinen, die über Absorber mit der Abwärme der
Kompressionskältemaschinen angetrieben werden. Das Wasser aus dem Donaukanal
wird zur Kühlung in der Übergangszeit genutzt und zur Rückkühlung der
Kältemaschinen in den heißen Perioden. Die Kompressionskältemaschinen sind
eigentlich
Heiz-/Kältemaschinen,
die
zwischen
dem
Heizwasser-
und
Kaltwasserverteilerkreis hängen. Im Raiffeisenhaus sind ölfreie, magnetgelagerte
Turboverdichter eingesetzt. Über den Kaltwasserverteilerkreis wird auch das
Rechenzentrum der Raiffeisenbank versorgt, was sich auch in dem Gebäude befindet
und ganzjährig gekühlt werden muss.
Hr. Trageser:
Die EU-Gebäuderichtlinie 2020 und Bauordnung schreiben künftig die Verwendung
von effizienten nachhaltigen Systemen vor. Wie hoch ist die Bereitschaft auf der
Auftraggeberseite diese Systeme bereits jetzt zu verwenden, auch bei anderen
Projekten?
Hr. Steininger:
Im Raiffeisengebäude wurden diese Anforderungen bereits erfüllt. In anderen Projekten
versucht man Fernwärme als alternatives System zu verwenden. Steht keine Fernwärme
zur Verfügung wird man den Energiemix aus anderen Systemen zusammenstellen, wie
zum Beispiel Wärmepumpen, Gas oder Solartechnologie. Die Systemwahl hängt dabei
natürlich von den Randbedingungen ab. Grundsätzlich werden Auftraggeber in der
212
Regel aus Kostengründen nur die Anforderungen nach Bauordnung erfüllen, wobei man
sagen muss, dass diese Standards in Österreich bereits sehr hoch sind.
Im Falle der Raiffeisenbank, die als erstes Passivhochhaus realisiert wurde, war das
etwas anderes. Die Bauherren wollten mit diesem Projekt etwas besonderes machen.
Meiner Erfahrung nach sind das aber einzelne Projekte, die überwiegend von Firmen
beauftragt werden, die das Gebäude selbst nutzen und höhere Standards aufgrund ihrer
Firmenphilosophie oder aus Marketinggründen umsetzen möchten Es gibt auch private
Bauherrn, die diese hohen Standards in ihren Wohnhäusern möchten. Bei gewerblichen
Projekten wird auch oft über eine Effizienzsteigerung im Energieverbrauch
nachgedacht, um beispielsweise Betriebskosten einzusparen. Dabei geht es aber mehr
um die Effizienz als um den Einsatz regenerativer Energien.
Hr. Trageser:
Wie lange dauert es bis sich die Investitionen in nachhaltige Systeme amortisiert haben?
Hr. Steininger:
Für das Raiffeisenhaus wurden etwa 12 Jahre plus minus zwei Jahre ausgerechnet, was
natürlich auch stark von den zukünftigen Preisentwicklungen von Gas oder Biogas
abhängt. Biogas ist in sofern problematisch, weil es sehr teuer ist, etwa doppelt so teuer
wie normales Gas.
Hr. Trageser:
Inwieweit ist aus Ihrer Sicht der Einsatz von Fernkälte zur Kühlung in Gebäuden ein
Thema?
Hr. Steininger:
Ein vergleichbares zentrales Versorgungsnetz wie bei der Fernwärme wird es wohl
nicht geben. Es ist auch die Frage, ob das sinnvoll ist, da große Energiemengen
abgenommen werden müssen bis sich der Ausbau eines solchen Netzes rechnet. Die
213
Versorgung wird eher über dezentrale Einheiten wie TownTown oder in der
Zelinkagasse erfolgen, bei denen einzelne Gebäudekomplexe mit Fernkälte versorgt
werden. Es geht dabei eher um Großabnehmer, die eine bestimmte Energiemenge
verbrauchen. Von daher ist auch die Frage wie konkurrenzfähig dieses System ist. Bei
der Raiffeisenbank war der Donaukanal vor Ort schon sehr praktisch, da man das
Donauwasser zur Gebäudekühlung nutzen konnte.
Hr. Trageser:
Gab es bei der Nutzung des Donaukanalwassers bestimmte Behördenauflagen, wie
beispielsweise gewisse Rücklauftemperaturen, die nicht überschritten werden dürfen,
wenn das Wasser wieder in den Kanal eingespeist wird.
Hr. Steininger:
Es gibt eine Beschränkung der Rücklauftemperatur, die bei einem Delta von 5 Grad zur
Wassertemperaturim Donaukanal liegt. Also das Wasser, das wieder in den Donaukanal
eingeleitet wird, darf maximal 5 Grad wärmer sein als die Wassertemperatur im
Donaukanal. Das bedeutet natürlich über das Jahr gesehen eine Orientierung der
Rücklauftemperaturen an der aktuellen Wassertemperatur im Donaukanal.
Hr. Trageser:
Bei großen Glasflächen hat man immer das Problem, das Eindringen solarer Strahlung
in das Gebäude zu verhindern. Welche Sonnenschutzsysteme sind Ihrer Meinung nach
am effektivsten? Ist es nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz?
Hr. Steininger:
Ja definitiv und das haben wir bei dem Raiffeisengebäude mit einem außenliegenden
Sonnenschutz im Fassadenzwischenraum, der auch belüftet ist, realisiert. Da gab es bis
jetzt keine Probleme.
214
Hr. Trageser:
Durch einen geschlossenen Sonnenschutz dringt zwar keine Solarstrahlung ins
Gebäude, aber es wird auch dunkel, so dass man oft künstliches Licht einschalten muss,
um eine ausreichende Belichtung am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Wie wurde mit
diesem Thema bei dem Raiffeisengebäude umgegangen?
Hr. Steininger:
Dieses Problem lässt sich oft nicht vermeiden. Beim Raiffeisengebäude ist der
Sonnenschutz perforiert und daher fällt noch etwas Tageslicht in das Gebäude. Die
Jalousien fahren bei einem gewissen Sonnenstand automatisch herunter, wobei die
Nutzer diese Automatik auch übersteuern können. Die Beleuchtung ist auf eine
Arbeitsplatzbeleuchtung von etwa 400 Lux eingestellt, 500 Lux ist die Norm, wir sind
da, glaube ich, etwas geringer. Wenn die Jalousien nach unten fahren, wird das Licht
rauf gedimmt und natürlich umgekehrt.
Hr. Trageser:
Da nimmt man also den Stromverbrauch durch eine Beleuchtung untertags in Kauf.
Gibt es alternative Systeme zur Stromgewinnung in diesem Gebäude?
Hr. Steininger:
Das muss man in Kauf nehmen, wobei in diesem Gebäude 60 Prozent des
Gesamtstroms über das Blockheizkraftwerk erzeugt werden. Das beinhaltet auch den
Nutzerverbrauch. Die Photovoltaikanlage am Dach hat eine Nennleistung von 60
Kilowatt Peak, aufgrund der begrenzten Dachfläche kann auch nicht mehr erreicht
werden.
Hr. Trageser:
215
Bei einem Neubau lassen sich diese nachhaltigen Konzepte leichter realisieren. Welche
Systeme bieten sich im Altbestand an, auch bei der teils historischen Bebauung in
Wien?
Hr. Steininger:
Da geht es erstmal darum, den notwendigen Bedarf zu minimieren. Das kann man
beispielsweise durch energiesparende Geräte und ein entsprechendes Nutzerverhalten
erreichen. Dann ist das Thema Lüftung im Altbau immer ein Knackpunkt. Wenn man
eine Lüftung vorsieht, muss sie sauber ausgelegt werden, weil durch die Lüftung am
meisten elektrische Energie verbraucht wird. Das heißt, die Lüftungsanlage muss so
effizient wie möglich gestaltet werden mit möglichst kurzen Laufzeiten. Bei der eigenen
Stromerzeugung ist man im Altbau auch eher begrenzt. Bei gewerblichen Gebäuden
egal ob neu oder alt ist nicht mehr die Wärmeerzeugung das Thema, sondern die
Stromerzeugung, was im Raiffeisengebäude durch das Blockheizkraftwerk gelöst
wurde. Man kann zwar Ökostrom zukaufen oder Solarpaneele installieren, aber eine 100
prozentige Abdeckung wird nicht möglich sein. Es sei denn, man sieht neben
Solaranlagen ein Blockheizkraftwerk auf Gasmotorbasis oder Mikroturbinen vor, wobei
man dabei in eine andere Liga kommt, was die Technologie betrifft. Dann braucht man
ein entsprechendes Facility-Management, was bei größeren Gebäuden sowieso
vorhanden ist. Bei kleineren Gebäuden wie auch in der Altstruktur ist das natürlich
schwierig.
Hr. Trageser:
Wie hoch ist der Planungsaufwand für den Einsatz energieeffizienter Systeme wie die
Bauteilaktivierung im Vergleich zu konventionellen Gebäuden?
Hr. Steininger:
Man benötigt bei diesen Systemen auf jeden Fall eine ausreichende Fläche und Platz. Je
kleiner und kompakter man baut, auch bezogen auf die Leitungsquerschnitte, desto
ineffizienter wird das System. Dabei ist auch wichtig, dass man einen Auftraggeber hat,
216
der dieses Level gegenüber den ausführenden Firmen auch durchsetzt, die in aller Regel
erstmal anfangen das geplante System zu optimieren.
Hr. Trageser:
Welche Systeme außer der Bauteilaktivierung haben noch ein hohes Potential bei der
Kühlung von Bürogebäuden?
Hr. Steininger:
Wie auch am Anfang schon gesagt ist die Bauteilaktivierung ein träges System und die
Raumtemperaturen lassen sich nicht schnell regeln. Ich bin der Meinung, wenn man
Fancoils vernünftig einsetzt und dabei moderne Geräte nimmt, die ein gutes
Strömungsbild haben, um Zugerscheinungen zu vermeiden, sind diese mittlerweile auch
nicht so schlecht. Diese Geräte haben eher historisch bedingt ein schlechtes Image, aber
grundsätzlich halte ich dieses System für nicht so schlecht. Ansonsten bleibt nicht mehr
viel übrig. Es gibt einerseits die statischen Systeme wie Kühlbalken, Kühldecken und
Bauteilaktivierung und andererseits die Fancoilschiene. Eine reine Kühlung über die
Lüftungsanlage findet praktisch nicht mehr statt. Das wurde noch vor den 1980er Jahren
gemacht.
Hr. Trageser:
Welche Trends zeichnen sich bei den Kühlsystemen ab? Welche Systeme werden sich
künftig durchsetzen?
Hr. Steininger:
Ich glaube, dass sich Flächenheizungen und -kühlungen und damit auch die
Bauteilaktivierung künftig sicher sehr stark durchsetzen werden, weil sie den Vorteil
haben, dass sie im Winter relativ niedrige Vorlauftemperaturen haben beziehungsweise
hohe Vorlauftemperaturen im Sommer vertragen. Der Regelungsaufwand ist sehr
gering, weil man nicht einfach alles einstellen kann, was man will. Es werden aber auch
217
die ganz normalen Fancoils nicht aussterben, weil sie einfach schnell reagieren, was von
manchen Nutzern gewünscht wird.
Hr. Trageser:
Ist bei Verwendung der Bauteilaktivierung noch ein additives Element notwendig oder
kann man den Kühlbedarf vollständig über die Bauteilaktivierung abdecken?
Hr. Steininger:
Nicht zwingend. Additive Elemente sind nur dann erforderlich, wenn exakte Grenzen
eingehalten werden sollen oder viele Personen auf einem engen Raum zusammen
kommen, wie zum Beispiel in einem Besprechungszimmer. Im Raiffeisengebäude gibt
es nur in wenigen Fällen Zusatzelemente, wie zum Beispiel in Besprechungszimmern
oder in exponierten Räumen mit großer Fassadenfläche und vergleichsweise geringen
Deckenflächen. Diese Bereiche wurden dann zusätzlich mit Ventilator unterstützten
Unterflurkonvektoren versehen, die man aufgrund des Doppelbodens überall nachrüsten
könnte, falls in irgendwelchen Räumen künftig bestimmte klimatische Werte
eingehalten werden müssen.
Hr. Trageser:
Ist zum effektiven Betrieb des Raiffeisengebäudes ein bestimmtes Nutzerverhalten eine
Voraussetzung, dass zum Beispiel im Sommer, wenn es draußen heiß ist, die Fenster
nicht geöffnet werden dürfen?
Hr. Steininger:
Der letzte Sommer ist sehr problemlos verlaufen. Die zugeführte Luft ist entfeuchtet
und die Decke ist dabei kühl, wodurch ein angenehmes Raumklima entsteht.
Zugerscheinungen
Luftwechselrate.
218
entfallen
durch
die
Bauteilaktivierung
und
die
moderate
Hr. Trageser:
Durch die gesetzlichen Änderungen wie EU-Gebäuderichtlinie wird man in Zukunft
auch im Bürobau noch energieeffizienter bauen müssen, was zu Mehrkosten führen
wird. Könnte man diese Mehrkosten über Förderungen abfedern oder werden sich diese
in der Miete niederschlagen?
Hr. Steininger:
Im Bürobau werden sicher künftig Gesamtmieten Standard werden. In dieser Miete
wird dann auch der Energieverbrauch enthalten sein. Daher könnte es für einen
Betreiber in Zukunft schon interessant werden, energieeffizient zu bauen, weil dadurch
Einsparungen erzielt werden. Der Anteil der Energiekosten an den Betriebskosten liegt
bei etwa einem Drittel.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch.
219
9.7. Zusammenfassung Interview mit Fr. Balogh/ ÖKB
Angaben zu Personen sind ohne Titel:
Befragte Personen:
Fr. Eveline Balogh/ Österreichische Kontrollbank - Facility
Management
Fragesteller:
Hr. Daniel Trageser
Datum:
13. Februar 2014, 10:00 - 10:50 Uhr
Ort:
Österreichische Kontrollbank, Strauchgasse3, 1011 Wien
Freigabe:
25. Februar 2014
Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß
wieder.
Hr. Trageser:
Bei
der
Sanierung
eines
Bestandsgebäudes
verfügt
man
nicht
über
die
Planungsfreiheiten wie bei einem Neubau, vor allem wenn man auch noch
energieeffiziente Systeme installieren möchte. Welche Ansätze hat man bei der
Sanierung der ÖKB verfolgt? Für welche Systeme hat man sich entschieden und
warum?
Fr. Balogh:
Ich darf damit beginnen wie ich zu diesem Thema gekommen bin. Ich bin ausgebildete
Informatikerin und habe an der Donau-Universität Krems 2001-2002 Facility
Management studiert und habe dann die Abteilung für technisches und kaufmännisches
Facility Management übernommen mit Organisation, Organisationsentwicklung,
Operationales Risikomanagement und CSR. Wir haben im Jahr 2000 begonnen ein
220
EMAS (Eco Management and Audit Scheme) zertifiziertes Nachhaltigkeitsmanagement
aufzubauen und haben dann 2001 den ersten Umweltbericht nach EMAS
herausgegeben. Ich habe das immer als sehr positive Synergie empfunden,
Nachhaltigkeitsmanagement und Facility Management in einer Hand zu haben, weil
man hier bereits von der Betriebsökologie die Grundlagen liefert. Wir haben damit
begonnen, naheliegende Maßnahmen umzusetzen, wie Heizung abdrehen, wenn man
das Fenster aufmacht und Licht abdrehen, wenn man aus dem Büro geht. Das ist
natürlich nicht besonders wirkungsvoll, das gebe ich schon zu. Wir haben dann nach
und nach in Zusammenarbeit mit den Haustechnikfirmen ein Energiemanagement
aufgebaut und daraus Projekte entwickelt, die wirklich eine Reduktion des
Energieverbrauchs für das Gebäude bewirkt haben. Diese Projekte haben damit
begonnen, dass man an den Kältemaschinen Wärmerückgewinnungen eingebaut hat,
zunächst nur für die Warmwasserbereitung. Dann gab es Projekte, in denen wir diese
Abwärme immer mehr verwendet haben. Wir haben im Erdgeschossbereich die Halle
neu gestaltet und auch den Fußboden erneuert, in den Flächenheizungen eingebaut
wurden. Wir überheizen die Halle etwas im Winter und haben dadurch Gewinne in den
Abteilungen, einfach aus dem Grund, weil wir so viel Abwärme gehabt haben, dass es
unerheblich war, etwas zu überheizen. Wir haben dann das Mitarbeiterrestaurant
umgebaut und haben hier ebenfalls fast ausschließlich mit Abwärme geheizt. Danach
haben wir ein Green-IT-Rechenzentrum eingebaut, weil wir mehr Rechenleistung
gebraucht haben und damit auch mehr Kühlleistung, weil wir mit unserem bestehenden
Rechenzentrum an der Grenze waren. Wir haben dann APC-Cubes, das sind
geschossene Schränke, mit denen man das Warm-Kaltgang-System dadurch reduziert,
dass man den heißen Bereich, in einem sehr engen geschlossenen Cube hat. Drinnen im
Schrank vertragen die Server 33-34 Grad. Außen, wo die Server ansaugen, brauchen sie
eben diese 24 bis 25 Grad. Dadurch erhält man eine vernünftige Spreizung und hat
damit auch eine effiziente Kälteversorgung in den Serverräumen. Die Kältemaschinen
selbst wurden nach und nach erneuert. Wir werden heuer weitere große Kältemaschinen
erneuern und wiederum die Abwärme aus den Maschinen zum Heizen verwenden. 2010
bis 2012 haben wir das Dachgeschoss ausgebaut, wodurch etwa 2000 Quadratmeter
Bürofläche zusätzlich entstanden sind. Bevor wir mit diesem Projekt begonnen haben,
war die Vorgabe eine innovatives Projekt zu realisieren, mit einer innovativen Kühlung
und man wollte eine Lösung, bei der man trotz des Dachgeschossausbaus und den 2000
221
Quadratmeter mehr Bürofläche nicht mehr Energie verbraucht wie vorher im Gebäude.
Die Vorgaben kamen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement heraus, also das ganze
Gebäude darf nicht mehr Energie verbrauchen als vorher, obwohl die Arbeitsplätze
hinzugekommen sind. Den zusätzlichen Arbeitsplatzstrom braucht man und das heißt,
das Projekt musste Gewinne für das Haus bringen. Das ist dann sogar mehr als
gelungen. Wir haben gemeinsam mit der Firma Riebenbauer in verschiedene
Richtungen überlegt, welche Systeme man einsetzen kann, beispielsweise Solar
Cooling, auch von der thermischen Solaranlage bis Photovoltaik. Für Solar Cooling war
die Dachfläche nicht ausreichend und einen Speicher auf dem Dach zu errichten, war
absurd.
Hr. Trageser:
Warum?
Fr. Balogh:
Weil man den Speicher innerhalb des Dachraums unterbringen müsste, was einerseits
statisch sehr aufwendig gewesen wäre und andererseits hätte man wertvolle Bürofläche
verloren. Selbst wenn wir diese Lösung umgesetzt hätten, hätte wir damit nicht einmal
den kompletten Kühlbedarf des Dachgeschosses abdecken können. Auf der Dachfläche
konnte man den Speicher auch nicht verorten, da wir uns mit diesem Gebäude in einer
Schutzzone befinden. Im Genehmigungsverfahren war auch der Beirat für
Stadtgestaltung involviert. Das ganze Gebiet um die Freyung ist sehr sensibel. Wir
mussten vorab ein Modell der Sonnenkollektoren auf der Dachfläche montieren, damit
der Beirat für Stadtgestaltung bewerten konnte, ob dafür eine Freigabe erteilt werden
kann oder nicht. Wir haben bei diesem Projekt mit dem Architekten Krischanitz
zusammen gearbeitet, der viel Erfahrung im Umgang mit diesen Dingen in sensiblen
Stadtgebieten hat. Damit hatten wir einen Partner, der in der Stadtgestaltung
entsprechend Anklang findet und der das Projekt auch mitgetragen hat. Hinsichtlich
innovativer Systeme gab es viele Ideen, aber es wurde dann leider darauf reduziert, dass
wir die Abwärme stärker nutzen. Wir haben Flächenheizungen beziehungsweise
Flächenkühlungen umschaltbar vorgesehen, also ein duales System mit zweifacher
222
Verwendung. Im Winter sind die Schlangen, die sowohl im Boden als auch in den
Wänden installiert wurden, mit Wärme beaufschlagt, im Sommer mit Kälte. Wir haben
das System in der Theorie berechnet und in einer dynamischen Gebäudesimulation
modelliert. Nach der Berechnung haben wir einige wenige Gebläsekonvektoren
zusätzlich gebraucht, aber sonst kommen wir mit der Flächenheizung/-kühlung aus. Das
Dachgeschoss wurde in einer Passivhausbauweise ausgeführt mit einer entsprechenden
Dämmung und entsprechenden Fenstern. Vor der Sanierung war der Dachboden ein
schlecht gedämmtes Archiv. Durch den Dachgeschossausbau hat man die Gewinne für
das Haus bekommen, wodurch man dieses Ziel erreichen konnte. Ich gebe schon zu, das
war eine plakative Vorgabe, dass der Energieverbrauch trotz Flächenzuwachs nicht
höher werden darf, aber es war mir schon bewusst, dass wir durch die Dämmung der
obersten Geschossdecke die Gewinne für das Haus bekommen würden. Wir hatten auch
tatsächlich vorher im fünften Stock immer wieder ein Heizungsproblem.
Hr. Trageser:
Man hatte also vorher hohe Wärmeverluste durch den schlecht gedämmten Dachraum
gehabt.
Fr. Balogh:
Es musste dann leider bei diesen wenigen Elementen bleiben, weil die neuen
Technologien nicht sinnvoll umsetzbar waren. Man hätte mit diesen neuen
Technologien immer nur einen Teil des Energiebedarfs abdecken können.
Hr. Trageser:
Die Energiemenge wäre demnach zu gering gewesen, die man mit den neuen
Technologien hätte erzeugen können. Lag es bei diesen Technologien auch an einem
Platzproblem?
Fr-Balogh:
223
Es war ein Platzproblem, man hat die Energiemenge nicht erreicht und von der Kosten/Nutzenrechnung wäre es völlig absurd gewesen. Wir haben uns auf Photovoltaik in den
Flachdachbereichen beschränkt. Man hatte hier auch nicht viele Möglichkeiten, da wir
mit diesem Gebäude bereits über der zulässigen Gebäudehöhe liegen. Wir hatten also
nur die Möglichkeit, das 30 Grad geneigte Dach etwas aufzuklappen, mehr konnten wir
nicht machen. Durch das Aufklappen ist ein kleiner Flachdachbereich entstanden, den
wir für Photovoltaik genutzt haben. Daher waren wir von den Möglichkeiten etwas
reduziert. Wir haben aber doch geschaut, dass wir innen von der Kühlung her möglichst
wenig Energie verbrauchen. Mit dem Lüftungsthema habe ich grundsätzlich ein
bisschen ein Problem. Mir ist klar, warum man mit einer Wärmerückgewinnung in der
Lüftung ein positives Ergebnis erreicht. Nur im Bürobereich reduziert die Lüftung
dermaßen die Raumfeuchte, dass man mit sehr viel Energieaufwand Feuchtigkeit
zuschießen muss, um die erforderliche Raumfeuchte gewährleisten zu können, damit es
im Büro erträglich ist. Aus meiner Sicht ist das ein ungelöstes Problem.
Hr. Trageser:
Welche Raumfeuchten erreichen Sie in den Büros?
Fr. Balogh:
Im Winter hat man normalerweise 20 bis 30 Prozent Luftfeuchte im Büro. Das ist
definitiv zu wenig. Das Passivhaus als Wohnhaus hat dieses Problem nicht, da wird
gekocht, da wird geduscht, da gibt es Zuführungen an Luftfeuchte. Im Bürobereich hat
man immer das Problem der Luftfeuchte und Befeuchtungsanlagen sind energetisch
sehr aufwendig. Es gibt daher im Dachgeschoss keine Vollklimatisierung, wir haben
öffenbare Fenster. Es gibt natürlich eine Lüftungsanlage, sonst würde die
Passivhausrechnung nicht aufgehen.
Wir versuchen aber die Lüftung etwas zu
reduzieren.
Hr. Trageser:
Warum versucht man die Lüftung zu reduzieren?
224
Fr. Balogh:
Erstmal wollen die Leute die Fenster aufmachen. Das ist etwas, was man nicht
vermeiden kann. Dort, wo sie sich wirklich an die Lüftung gewöhnt haben, ist die
Lüftung auch stärker, was auch in Ordnung ist. Aber sobald es ein Problem mit der
Feuchte gibt, reduzieren wir die Lüftung und empfehlen mit dem Fenster – weniger – zu
lüften. Das Problem der Raumlufthygiene bleibt dabei natürlich.
Hr. Trageser:
Werden im Sommer dann auch die Fenster geöffnet?
Fr. Balogh:
Gerade im Sommer ist es überhaupt kein Problem. Im Sommer reduzieren wir die
Lüftung sehr. Wir haben überall Fensterkontakte im Haus vorgesehen, die registrieren,
wenn ein Fenster offen steht. Die Heizung und Kühlung schaltet sich in dem jeweiligen
Raum dann automatisch ab, sobald die Fenster geöffnet werden. Das hat im gesamten
Gebäude einen sehr positiven Effekt bewirkt. Es wird wirklich nur mehr stoß gelüftet.
Also die Situation gibt es nicht, dass die Fenster ganztägig geöffnet bleiben, weil es
sonst keine Kühlung und auch keine Heizung gibt. Ich halte Lüftungsanlagen auf der
Hygieneseite für sehr positiv, auch auf der energetischen Seite, aber ich sehe einfach
das Problem der Befeuchtung.
Wir sind mittlerweile im gesamten Haus bei einem Energieverbrauch von etwa 37
Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, was nur mit dem Dachgeschossausbau
erreichbar war. Vor dem Dachgeschossausbau lagen wir bei etwa 46 Kilowattstunden
pro
Quadratmeter
und
Jahr.
Also
wir
waren
vorher
schon
mit
den
Sanierungsmaßnahmen relativ gut, die wir vor dem Dachgeschossausbau realisiert
hatten. Die haustechnische Optimierung mit dem Dachgeschossausbau hat dann die
weiteren Einspareffekte gebracht.
Hr. Trageser:
225
Ich möchte nochmal zur Kühlung zurückkommen, die über eine Flächenkühlung im
Boden und Wänden funktioniert. Wie wurde das in den Wänden realisiert?
Fr. Balogh:
Die Schlangen wurden in die Gipskarton- und Holzständerwände im Dachgeschoss
eingelegt.
Hr. Trageser:
Wurde das auch in den Bestandsgeschossen übernommen?
Fr. Balogh:
Nein, hier wird über Gebläsekonvektoren, in der Decke gekühlt.
Hr. Trageser:
Hat man auch über Kühldecken nachgedacht?
Fr. Balogh:
Ja, aber die wären schlicht zu teuer gewesen. Die Kühldecken sind energetisch und vom
Raumkomfort her sicher besser, aber die Gebläsekonvektoren sind mittlerweile auch
recht gut. Es gibt auch kaum Zugerscheinungen und die Leute im Haus sind damit recht
zufrieden. Bei einer Vollklimatisierung hat man mit der Kühldecke sicher eine bessere
Effizienz. Dadurch das hier die Fenster geöffnet werden und es in den bestehenden
Geschossen keine Lüftungsanlage gibt, ist das System mit den Gebläsekonvektoren
allerdings besser, weil es schneller reagiert. Die Gebläsekonvektoren sind über ReedKontakte mit den Fenstern verbunden, die signalisieren, wenn das Fenster geöffnet ist
und sich dann abschalten. Damit verschwendet man keine Energie.
226
Hr. Trageser:
Dadurch ist die Kühlung und Heizung sozusagen auf das Nutzerverhalten abgestimmt.
Fr. Balogh:
Das ist genau das Thema. Gerade im Bürobereich ist eine Schulung der Nutzer sehr
aufwendig und teilweise auch nicht erwünscht. Es gibt zwar einige Mitarbeiter, die sehr
engagiert sind und dafür sorgen, dass in den Abteilungen die Lichter abgedreht werden,
aber es gibt auch sehr viele Mitarbeiter, die erwarten, dass das System funktioniert und
sich für ein entsprechendes Nutzerverhalten nicht interessieren, was auch bis zu einem
gewissen Grad verständlich ist, weil die Mitarbeiter andere Aufgaben haben.
Hr. Trageser:
Eine Kontrolle durch das Facitlity Management wäre wahrscheinlich ebenfalls sehr
aufwendig.
Fr. Balogh:
Das ist fast unmöglich und durch dieses System hat man das Problem etwas entschärft.
Wenn man träge Systeme hat und die Deckenheizungen und Deckenkühlungen sind
natürlich sehr träge Systeme, ist das nicht so wirkungsvoll. Wir haben zum Beispiel im
Dachgeschoss eine Regelung eingebaut, dass sich die Fenster abends automatisch
schließen, weil wenn jemand vergisst, das Fenster zu zumachen, ist es in der Früh so
kalt, dass man das Büro nicht mehr warm bekommt.
Hr. Trageser:
Welches Kühlsystem ist im Dachgeschoss vorgesehen?
Fr. Balogh:
227
Da erfolgt die Heizung und Kühlung über Flächenheizungen in den Decken und
Wänden. Geheizt wird das Dachgeschoss ausschließlich über Abwärme der
Kältemaschinen, die die Serverräume kühlen, wobei der Bedarf sehr niedrig ist. Durch
das warme Dachgeschoss gewinnt natürlich auch der fünfte Stock, bei dem vorher nur
eine schlecht gedämmte Geschossdecke zu einem kühlen Dachraum vorhanden war.
Wir haben bei dieser Gelegenheit auch alle Kunststofffenster in den Innenhöfen, die
noch in den 80er Jahren eingebaut wurden, gegen hochwertige Holz-Alu-Fenster
getauscht, die eine Passivhausqualität haben und das bringt natürlich auch etwas. Die
Fenster in der Außenfassade auch aus den 80er Jahren sind aus Eiche-Vollholz
ausgeführt und haben daher vom Material eine hohe Qualität. Deswegen hat man sich
für eine Sanierung entschieden, bei der man die Beschläge erneuert und die Fenster
ordentlich abgedichtet hat, aber die U-Werte sind sicherlich nicht so gut, auch wenn die
Fenster damals mit einer Dreifachverglasung ausgestattet wurden.
Hr. Trageser:
Ich darf nochmal kurz zusammenfassen. Die Heizung und Kühlung erfolgt über einen
Wasserkreislauf im Gebäude und man verwendet die Abwärme von den
Kältemaschinen, um das Warmwasser aufzubereiten.
Fr. Balogh:
Genau. Das heißt wir nutzen die Abwärme für das Dachgeschoss und den gesamten
Erdgeschossbereich, in dem sich die Halle und das Mitarbeiterrestaurant befinden.
Hr. Trageser:
Das Kaltwasser wird dann direkt über die Kältemaschinen aufbereitet. Handelt es sich
um
reine
Kompressionskältemaschinen
oder
hat
man
auch
Absorptionskältemaschinen nachgedacht, die auch mit Wärme betrieben werden?
Fr. Balogh:
228
über
Nein, Absorptionskältemaschinen verwenden wir nicht. Das wäre dann mit einem Solar
Cooling System sinnvoll gewesen, aber das hat sich von den Kosten her nicht gerechnet.
Als bauliche Verschattungsmaßnahme haben wir in den sechseckigen Fenstergauben im
Dachgeschoss, wo es mit einem außenliegenden Sonnenschutz relativ kompliziert
gewesen wäre, einen Sonnenschutz innen installiert, der sonnenstandgesteuert runter
geht. Nach Berechnungen sind wir mit diesem System effizienter als mit einem
außenliegenden Sonnenschutz.
Hr. Trageser:
Wie das?
Fr. Balogh:
Wir haben in diesen Bereichen Sonnenschutzgläser vorgesehen, keine besonders
dunklen, dann die innenliegenden Jalousien und wir haben in den Fenstern eine
Absaugung, um die warme Luft, die herein kommt, sofort abzusaugen. Man hat also
zwischen Jalousie und Fenster eine Luftwalze, wodurch die warme Luft sofort durch
Konvektion nach außen geführt wird und nicht in den Innenraum gelangt. Von der
Planung her, insbesondere der Haustechnik war das natürlich schon komplex, aber unser
Ansatz war, wenn wir so einen Sonnenschutz ausführen, dann muss es auch gut
funktionieren. Was man bei dem Dachgeschossausbau nicht wollte, ist die Energie, die
man durch die Dämmung gewinnt, dann in die Kühlung zu stecken.
Hr. Trageser:
Wird die Photovoltaik zur Stromgewinnung für einen bestimmten Verbraucher genutzt
oder wird es allgemein in das System eingespeist?
Fr. Balogh:
Die Photovoltaik speisen wir in der Wurzel in unserer Niederspannungshauptverteilung
ein. Wir haben 31 Kilowattstunden Peak installiert, was ein sehr geringer Anteil von
229
dem ist, was wir an Strom selbst verbrauchen. Daher macht es keinen Sinn, ins
öffentliche Netz einzuspeisen. Im Stiegenhaus haben wir die Glasbedachung auch mit
Photovoltaikelementen beaufschlagt und an der Unterseite bedruckt, so dass eine
Einheit und ein Verschattungseffekt entsteht. Wir wollten dabei auch mit gestalterischen
Mitteln Konzepte zeigen, wobei die Balance zu finden war, wie dicht bedruckt man die
Gläser, dass noch genügend Tageslicht ins Stiegenhaus fällt, um kein Kunstlicht
einschalten zu müssen. Sonst würde man den Strom, den man erzeugt durch die
Beleuchtung wieder verbrauchen.
Hr. Trageser:
Können Sie in etwa die Einsparungen abschätzen?
Fr. Balogh:
Wir veröffentlichen heuer noch die aktuellen Zahlen im Nachhaltigkeitsbericht, aber im
Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts habe ich einmal ausgerechnet, dass wir mit den
heutigen Flächen und den heutigen Energiepreisen und den Energieverbräuchen aus
dem Jahr 2000, also vor Beginn dieser ganzen Sanierungsmaßnahmen, etwa 300.000
Euro Energiekosten im Jahr weniger haben. Ich war immer sehr vorsichtig, was die
Amortisation betrifft. Unser Vorstand hat die Nachhaltigkeit schon immer als ein
strategisches Thema betrachtet und hat daher nicht ganz so streng auf meine
Amortisationsrechnungen geschaut, sonst wären so manche Projekte gefallen, gebe ich
auch zu. Was wir aus heutiger Sicht damit wirklich erreicht haben und das ist oft nicht
so ganz klar abschätzbar gewesen, dass es sich mittlerweile rechnet.
Hr. Trageser:
Wie lange dauerte der Amortisationszeitraum?
Fr. Balogh:
230
Das ist schwer zu sagen bei der Summe dieser Maßnahmen. Aber es ist doch ein
spürbarer
Betrag,
den
man
einspart.
Die
OeKB
ist
als
österreichische
Exportkreditagentur sehr stark in große Projekte involviert und da ist Nachhaltigkeit auf
der Produktseite viel stärker ein Thema. Deshalb werden Projekte auch nach
ökologischen und sozialen Kriterien geprüft. Das ist natürlich sehr viel stärker ein
Thema als die Betriebsökologie, weil die Betriebsökologie im Verhältnis zu anderen
Dingen ein eher unbedeutender Teil ist. Einerseits rechnet es sich bis zu einem gewissen
Grad und bringt Effekte in der Bewusstseinsbildung hier im Haus, weil wir unseren
Exporteuern keine Vorgaben machen können, wenn wir uns selber nicht daran halten.
Die erzielten Einsparungen infolge der energetischen Optimierungen des Gebäudes sind
aber absolut nicht so wenig. Allein durch die Photovoltaikanlage wird der jährliche
Strombedarf von fünf bis sechs Haushalten erzeugt. Wir haben seit dem Jahr 2000 etwa
eine Million Kilowattstunden pro Jahr gespart. Darum kommt man auch auf die 300.000
Euro, wobei die Fernwärme auch einen Anteil daran hat. Die Bereiche, die nicht über
die Abwärme der Haustechnikanlagen abgedeckt werden können, werden über den
Fernwärmeanschluss versorgt. Und darum sind wir auch im Echtverbrauch unter der
gerechneten Energiekennzahl, da die Abwärme in der Energiekennzahl nicht mit
gerechnet wird, weil sie im Stromverbrauch schon berücksichtigt ist.
Hr. Trageser:
Können Sie in etwa die Mehrkosten für die Investition in diese energetischen
Optimierungsmaßnahmen abschätzen?
Fr. Balogh:
Nein.
Hr. Trageser:
Haben Sie Vergleichswerte von anderen Liegenschaften beziehungsweise betreuen Sie
auch andere Objekte?
231
Fr. Balogh:
Nein, ich betreue nur dieses Haus. Mein Aufgabenbereich ist relativ vielfältig, dafür ist
er nicht so groß. Wir haben dieses Gebäude hier mit etwa 20.000 Quadratmeter
Nettogrundfläche und ein zweites Gebäude am Hof, wo unser Firmensitz ist mit etwa
8000 Quadratmetern, die aber gemietet sind. Dieses Gebäude ist in unserem Eigentum.
Dafür haben wir natürlich auch mehr Einfluss.
Hr. Trageser:
Daher rechnen sich auch diese Investitionen mehr als bei einem Mietverhältnis. Würden
Sie im Nachhinein bestimmte Dinge anders machen oder haben sich bestimmte Systeme
besonders im Betrieb bewährt?
Fr.Balogh:
Ich denke, es gibt ein paar Eckpfeiler, auf die man bei all diesen Themen eines
Energiemanagements und eines konsequenten Nachhaltigkeitsmanagements wirklich
schauen muss. Das ist beispielsweise die Regulierung. Die Systeme müssen gut
einreguliert sein, sonst schafft man es nie, dass man Vorlauftemperaturen reduziert.
Hr. Trageser:
Wie lange hat es gedauert, bis die Systeme aufeinander abgestimmt waren?
Fr. Balogh:
Wir haben dafür eigene Projekte gemacht. Wir haben getrennte Stränge für die
kritischeren Bereiche vorgesehen wie beispielsweise die Räume in den Gebäudeecken,
die einen höheren Außenflächenanteil haben. Wir haben eigene Technikstränge für
Bereiche, die auch im Winter gekühlt werden müssen wie zum Beispiel Technikräume
innerhalb der Stockwerke oder auch Besprechungsräume, obwohl wir das eher
versuchen zu vermeiden, dass Besprechungsräume im Winter gekühlt werden müssen.
Ich empfehle den Abteilungen immer die Fenster aufzumachen, wenn es zu warm ist.
232
Also die Regulierung ist ein Thema und die entsprechende Ausgestaltung der
verschiedenen Stränge. Man braucht an wichtigen Stellen Zähler, weil was man nicht
messen kann, kann man nicht steuern. Die Zähler werden pro Anlage vorgesehen.
Beispielsweise gibt es einen eigenen Zähler für den Festsaal, der mit einem Glasdach
aus dem Jahre 1910 überdacht ist und damit eine Energiekennzahl hat, die grenzwertig
ist. Durch den Denkmalschutz kann man das nicht ändern. Bei diesem Saal haben wir
die Betriebszeiten optimiert. Die Lüftung wird also nur eingeschaltet, wenn er wirklich
genutzt wird. Mit einem Extrazähler kann man den Verbrauch besser steuern. Wir haben
eigene Zähler bei den Kältemaschinen, in den Verteilern des Rechenzentrums, im
Mitarbeiterrestaurant und im Prinzip überall dort, wo es große Verbraucher gibt. Über
die Zähler werden der Stromverbrauch und auch die Kältemengen gemessen. In Summe
sind es im ganzen Haus etwa 20 bis 25 Zähler, die man schon braucht, sonst bekommt
man kein Gespür für die Verbräuche und kann sie dann nicht steuern.
Hr. Trageser:
Was sind die größten Verbraucher in diesem Gebäude?
Fr. Balogh:
Kühlung und Rechenzentrum.
Zu den Dingen, die ich anders machen würde. Das Projekt Dachgeschoss ist sehr schön
geworden, die Leute sind sehr zufrieden, aber ich würde mir die Gestaltung eines
außenliegenden Sonnenschutz nochmal überlegen, weil die bauliche Ausführung der
Gauben mit Lüftungsschlitzen schon sehr kompliziert war, wobei das System im
Betrieb perfekt funktioniert. Die Leute sind vom Raumklima wirklich angetan, auch
wenn sie sich natürlich anfangs davor gefürchtet haben, in einem Dachboden zu
arbeiten, der im Sommer heiß und im Winter kalt sein könnte. Die Passivhausqualität
anzukündigen war, glaube ich, der größte Fehler, den ich machen konnte. Es gab eine
Präsentation des Projektes vor Baubeginn, weil es im laufenden Betrieb gebaut wurde
und dann gab es zwei Jahre lang kein Dach, was etwas heftig war. Aber letztendlich
sind die Leute sehr vom Raumklima angetan und ich muss sagen, es funktioniert
233
wirklich perfekt. Ich würde mir nur nochmal überlegen, ob ich diese Komplexität
wirklich will.
Hr. Trageser:
Das war mit Sicherheit ein hoher Planungs- und Ausführungsaufwand. Ich würde gerne
noch einmal zu den Bestandsgeschossen zurück kommen. Gründerzeitgebäude zeichnen
sich durch dicke Ziegelwände aus, die einen gewissen Speichereffekt aufweisen. Macht
sich das beim Energieverbrauch bemerkbar im Vergleich zum Dachgeschoss?
Balogh:
Unser alter Regeltechniker, der das Energiemanagement mit aufgebaut hat und dann
2005 in Pension gegangen ist, war der Ansicht, dass es hier völlig unnötig ist, eine
Nacht- und Wochenendabsenkung der Heizung zu machen, weil es aufgrund der
vorhandenen Speichermassen nichts an Einsparungen bringen wird. Durch die
Absenkung der Heizung am Wochenende kühlen die Wände aus und man braucht am
Beginn der Woche umso länger und viel Energie bis sie wieder aufgeladen sind. Er hat
sich dann mehr überreden als überzeugen lassen, eine Absenkung auszuführen. Es
bringt wirklich was. Das Durchheizen zahlt sich nicht wirklich aus. Wir sind eher mit
den Vorlauftemperaturen runter gegangen und durch die Absenkung am Wochenende
wurde auch einiges an Energie eingespart. Er war dann selber überrascht, wie viel es
eigentlich bringt. Die Speichermassen in diesem Gebäude machen doch nicht so viel
aus. Hier sind die Fensterflächen zu groß und von zu schlechter Qualität. Eine
Dämmung fehlt auch. Außen am Gebäude kann sie nicht angebracht werden und bei
einer Innendämmung würde man die Mauern ruinieren, wobei man die vielen
Wärmebrücken nicht in den Griff bekommen würde und es auch zu aufwendig ist.
Hr. Trageser:
Ich möchte noch kurz auf die Planungsphase zurückkommen. Welche Kühlsysteme
hatte man außer Solar-Cooling noch angedacht?
234
Fr. Balogh:
Solar-Cooling
und
thermische
Solaranlagen
waren
im
Gespräch.
Absorberkältemaschinen hat man im Zusammenhang mit Solar-Cooling auch
angedacht. Absorberkältemaschinen, die nur über Fernwärme betrieben werden, hätten
keinen Sinn gemacht. Es wurde auch über die Nutzung einer vorhandenen
Fernkälteleitung
nachgedacht.
Im
Kunstforum
gibt
es
eine
dezentrale
Absorberkältemaschine, die über Fernwärme betrieben wird. Der Anschluss ist aber
einfach zu teuer. Als wir mit der Sanierung begonnen hatten, war die Fernkälte damals
noch nicht so weit. In nächsten Jahren werden wir alte Kältemaschinen tauschen müssen
und in diesem Zuge wurde eine Verwendung von Fernkälte nochmals rechnerisch
betrachtet. Denn von der abzunehmenden Menge könnten wir sie gut gebrauchen. Man
könnte die Fernkälte auch leicht in unser System einbinden, da die Stichleitungen schon
vorhanden sind. Aber es ist einfach zu unrentabel. Es ist viel billiger, die Kühlenergie
selbst zu erzeugen.
Hr. Trageser:
Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch.
235
9.8. Projekte zertifiziert nach EU - Green Building Programm oder
Total Quality Building
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Quelle: vgl. http://www.ibo.at/de/greenbuilding/listepartner.htm, Stand 17.11.2013
Quelle: vgl. https://www.oegnb.net/zertifizierte_projekte.htm, Stand 17.11.2013
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