Sperrvermerk MASTERARBEIT Titel der Masterarbeit: Kühlstrategien für Bürogebäude mit Fokus auf den Büromarkt in Wien Eingereicht von: Dipl-Ing. Daniel Trageser Matrikelnummer.: 12F0422 Name des/der betreuenden Lektors/in: Mag.a Dr.in Susanne Geissler Beurteilung: Ich versichere, dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe, dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe. ________________________ Datum ________________________ Unterschrift des Studierenden ________________________ Datum, Unterschrift des/der Betreuenden Lektors/in _____________________ Datum, Unterschrift der Institutsleitung Kurzfassung Kühlstrategien für Bürogebäudemit Fokus auf den Büromarkt in Wien Inhalt Die Arbeit untersucht Konzepte zur Reduktion des Kühlbedarfs und Systeme für eine effiziente Bereitstellung von Kühlenergie sowohl im Stadtraum als auch im Hochbau. Dabei werden Bürogebäude in Wien mit den dort geltenden gesetzlichen Anforderungen und die strategische Ausrichtung der Stadt Wien zur Stadtentwicklung betrachtet. Hintergrund Aufgrund der globalen Erwärmung wird der Kühlbedarf in den nächsten Jahrzehnten massiv ansteigen. Im Bürobau werden durch die weitere Verbreitung von Bürotechnik zusätzlich interne Wärmelasten erzeugt, die durch Kühlsysteme abgeführt werden müssen. Eine herkömmliche Klimaanlage verbraucht große Mengen an elektrischer Energie, was in den Sommermonaten künftig zu hohen Lastspitzen in den Stromnetzen führen wird. Vom Europäischen Rat wurden für das Jahr 2020 verbindliche Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden erlassen, was sich künftig in noch höheren energetischen Gebäudestandards auswirken wird. Forschungsfrage In dieser Arbeit werden dabei folgende Fragestellungen untersucht: • Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsgebäuden reduziert werden? • Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten? • Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab? Methode und Belege Die Untersuchung des Themas erfolgt durch Literaturrecherche und qualitative Experteninterviews. Zum Thema Energieversorgungs- und Stadtentwicklungskonzept der Stadt Wien werden die zuständigen Magistratsabteilungen und Agenturen befragt. Die Experten für den Bürobau werden anhand von energieeffizienten Bürogebäuden ausgewählt, die unter ihrer Beteiligung errichtet wurden und über einen niedrigen Kühlbedarf wie auch ein effizientes Kühlsystem verfügen. Ergebnisse Grünflächen haben nur sehr geringe Kühleffekte auf das städtische Mikroklima, jedoch sind durchaus spürbare Effekte in einem sehr kleinen lokalen Maßstab vorhanden. Des Weiteren wird durch Dach- und Fassadenbegrünungen oder durch die natürliche Beschattung von Bäumen das Eindringen solarer Strahlung auf das Gebäude weitestgehend vermieden, wodurch externe Kühllasten reduziert werden. Im städtischen Energiemix wird der Anteil erneuerbarer Energien zunehmen. Die Energieeffizienz und der geringere Energiebedarf künftiger Bürogebäude werden sich auf den Ausbau des Fernkälte- und Fernwärmenetz auswirken. Einerseits ist Fernkälte aufgrund der hohen Anschlusskosten nur für Großabnehmer interessant; andererseits werden im Neubau künftig nur mehr geringe Energiemengen abgenommen, während der Altbestand aufgrund der aufwendigeren Sanierung auch in Zukunft mehr von externer Energieversorgung abhängig sein wird. Im Hochbau zeigt sich ein klarer Trend zur Nutzung von vor Ort vorhandenen erneuerbaren Energien, wobei sich die thermische Bauteilaktivierung als Kühlsystem im Bürobau sehr stark durchsetzen wird. Bei der Bereitstellung von Kühlenergie wird, neben der Nutzung von Erdwärme und Grundwasser, der solarthermischen Kühlung ein großes Potential beigemessen. Hier werden in nächsten Jahren spannende Entwicklungen zu erwarten sein. Abstract Cooling Strategies for Office Buildings With a Focus on the Office Market in Vienna Topic This paper studies concepts for reducing the cooling demand, and examines a number of systems for an efficient provision of cooling energy in the urban area and in individual buildings. Specifically, this study considers building offices in Vienna against the background of applicable legal requirements and the City of Vienna’s strategic orientation towards urban development. Background Due to global warming, the next decades will see huge increases in the demand for cooling. Where office buildings are concerned, the further spreading of office technology will generate additional internal cooling loads to be dissipated by cooling systems. As traditional air-conditioning systems consume large quantities of electrical energy, this will lead to massive peak demands in electrical grids during the summer months. The European Council adopted binding energy efficiency targets for buildings for 2020, which will result in even higher energy-performance standards in the future. Research question This paper researches the following problems: • How can cooling loads be reduced in new as well as existing office buildings? • Which cooling systems are the most effective in terms of costs and benefits? • Which trends can be observed as regards the use of specific cooling systems? Method These questions are researched through a comprehensive review of literature as well as in-depth interviews with selected experts in the field. The City of Vienna’s concepts for energy and urban development are surveyed at the responsible municipal departments and agencies. The specialists for the construction of office buildings are selected for their participation in building energy-efficient office buildings with a low cooling demand and efficient cooling systems. Results Green areas have only little cooling effect on the urban micro-climate, although there may be quite noticeable effects on a very small local scale. Additionally, the greening of roofs and façadesor the natural shadowing from trees largely prevent the penetration of sun radiation, thus reducing external cooling loads. In the urban energy mix, the proportion of renewable energies will expand. The energy efficiency and reduced energy consumption of future office buildings will affect the expansion of the district cooling and heating network: on the one hand, district cooling with its high connection costs is of interest mainly for large-scale buyers. On the other, new buildings will require only small amounts of energy as compared to existing buildings, which will remain more dependent on external energy supply because of their more expensive thermal rehabilitation. In structural engineering, there is a clear trend towards using local renewable energies for the cooling of office buildings, of which the thermal activation of construction elements will play a very great role. As regards the provision of cooling energy, solar cooling is considered to have great potential in addition to the use of geothermal energy und groundwater. In this field, exciting developments can be expected for the years to come. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ..................................................................................................................... 4 1.1. Ziele der Arbeit .......................................................................................................... 5 1.2. Methodik .................................................................................................................... 6 2. Klimawandel und sommerliche Überwärmung in Wien ....................................... 10 2.1. Auswirkungen des Klimawandels in Wien .............................................................. 10 2.2. Stadteffekt - urbane Wärmeinseln (Urban Heat Islands) ......................................... 12 3. Energieverbrauch für die Kühlung von Gebäuden ............................................... 15 3.1. Status quo des Energieverbrauchs für Raumklimatisierung .................................... 15 3.2. Künftige Nachfrage nach Kühlenergie..................................................................... 18 3.3. Gesetzliche Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden..................................... 20 3.3.1. Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ............. 20 3.3.2. Landesgesetze Wien - Bauordnung für Wien und Wiener Bautechnikverordnung21 3.3.3. OIB - Richtlinie 6, Ausgabe Oktober 2011 ........................................................... 22 3.4. Energetische Standards von Bürogebäuden (Nichtwohngebäuden - NWG) ........... 24 3.4.1. Gesetzliche Mindestanforderungen ....................................................................... 25 3.4.2. Niedrig- und Niedrigstenergiegebäude ................................................................. 26 3.4.3. Passivhausstandard................................................................................................ 27 3.4.4. Nullenergie- und Plusenenergiegebäude ............................................................... 28 3.4.5. Energiebewusstes Bauen - Kriterien und Anforderungen für Dienstleistungsgebäude in Wien ..................................................................................... 29 4. Kühlstrategien auf städtischer Ebene. .................................................................... 33 4.1. Programme zur Reduktion des Energieverbrauchs .................................................. 33 4.1.1. KliP II - Klimaschutzprogramm der Stadt Wien .................................................. 34 4.1.2. SEP - Städtisches Energieeffizienz-Programm ..................................................... 35 4.1.3. RAP - Renewable Action Plan Vienna ................................................................. 36 1 4.1.4. Smart City Wien.................................................................................................... 37 4.2. Energieversorgung - Bereitstellung von Kühlenergie .............................................. 38 4.2.1. Zentrale Versorgung mit Kühlenergie .................................................................. 39 4.2.2. Dezentrale Versorgung mit Kühlenergie .............................................................. 41 4.3. Städtisches Mikroklima............................................................................................ 43 4.3.1. Stadtentwicklungsplan STEP 2025 ....................................................................... 43 4.3.2. Urban Heat Islands - Strategieplan Wien zur Vermeidung städtischer Wärmeinseln ................................................................................................................... 44 4.3.3. Maßnahmen im städtischen Mikroklima............................................................... 45 5. Kühlstrategie im Hochbau. ...................................................................................... 48 5.1. Klimatische Bedingungen von Bürogebäuden ......................................................... 48 5.1.1. Raumklima und Behaglichkeitskriterien ............................................................... 48 5.1.2. Kühllasten ............................................................................................................. 53 5.2. Systeme zur Kühlung/ Klimatisierung in Bürogebäuden ........................................ 58 5.2.1. Nur - Luft - Anlagen ............................................................................................. 59 5.2.2. Luft - Wasser - Anlagen ........................................................................................ 62 5.2.3. Flächenkühlung (Nur - Wasser - Anlage) ............................................................. 65 5.2.4. Kombisysteme ....................................................................................................... 69 5.2.5. Passive Kühlsysteme ............................................................................................. 70 5.2.6. Kälteerzeugung ..................................................................................................... 75 5.3. Kühlsysteme bei Demonstrationsprojekten mit besonders hoher Energieeffizienz. 81 5.3.1. ENERGYbase ....................................................................................................... 82 5.3.2. aspern IQ ............................................................................................................... 87 5.3.3. Zubau Raiffeisen Hochhaus .................................................................................. 93 5.3.4. Sanierung Österreichische Kontrollbank .............................................................. 96 5.3.5. Rückschlüsse aus den Demonstrationsprojekten ................................................ 100 5.4. Energieeffizienz im Altbestand. ............................................................................. 102 6. Trends für eine zukünftige energieeffiziente Gebäudekühlung. ........................ 105 2 6.1.1. Bereitschaft zum Einsatz energieeffizienter Systeme ......................................... 110 6.1.2. Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden .................................................... 111 7. Zusammenfassung ................................................................................................... 112 8. Verzeichnisse ........................................................................................................... 114 8.1. Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 114 8.2. Literatur- und Quellenverzeichnis.......................................................................... 116 8.2.1. Literaturverzeichnis............................................................................................. 116 8.2.2. Internetquellen..................................................................................................... 118 8.2.3. ExpertInnengespräche ......................................................................................... 124 8.3. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 125 9. Anhang ..................................................................................................................... 128 9.1. Zusammenfassung Interview in der MA 20- Energieplanung ............................... 128 9.2. Zusammenfassung Interview in der MA 22 - Umweltschutz ................................ 150 9.3. Zusammenfassung Interview bei tinavienna .......................................................... 165 9.4. Zusammenfassung Interview im ENERGY base ................................................... 173 9.5. Zusammenfassung Interview in aspern IQ ............................................................. 187 9.6. Zusammenfassung Interview mit Hrn. Steininger ................................................. 210 9.7. Zusammenfassung Interview mit Fr. Balogh/ ÖKB .............................................. 220 9.8. Projekte zertifiziert nach EU - Green Building Programm oder Total Quality Building ......................................................................................................................... 236 3 1. Einleitung Die Reduktion von Kühllasten und ein effizienter Einsatz von Kühlenergie ist für die nächsten Jahre eine der großen Herausforderungen im Bürobau. Durch die Verwendung von großflächigen Glasfassaden und den steigenden Einsatz technischer Geräteausstattung im Bürobau müssen hohe externe wie auch interne Kühllasten abgeführt werden. Zusätzlich werden die Außentemperaturen durch den Klimawandel künftig ansteigen. Im Sommer sind besonders innerstädtische Lagen durch das Aufheizen der Stadt wesentlich stärker von der Hitzebelastung betroffen als Stadtrandlagen. „Wien ist aufgrund der großräumig dichten Bebauung und dem geringen Anteil an Grünflächen ein typisches Beispiel für die urbane Beeinflussung des Lokalklimas“ (Formayer et al. 2009, S.69). „Dieser Wärmeinseleffekt führt zu einer stärkeren Hitzebelastung im Stadtzentrum“ (Formayer et al. 2009, S.70). Um ein behagliches Raumklima in Bürogebäuden gewährleisten zu können, wird der Kühlbedarf daher massiv steigen. (vgl. Berger et al. 2012) Mit der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) vom Mai 2010 wurden Anforderungen zur Energieeinsparung bei Gebäuden definiert. Ab Ende 2020 sollen alle neuen Gebäude als Niedrigstenergiegebäude mit einem sehr geringen beziehungsweise fast null Energieverbrauch (vgl. Art. 9 Abs.1 RL 2010/31/EU) ausgeführt werden. Um den Stromverbrauch durch Klimaanlagen zu senken, soll die sommerliche Gebäudeerwärmung durch bauliche Maßnahmen wie Sonnenschutz reduziert und der Einsatz passiver Kühlsysteme verstärkt werden (vgl. RL 2010/31/EU, S. L 153/16 Pkt. 25). Die Neubauten sollen anteilig mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt werden (vgl. Art. 2 Zi 1 RL 2010/31/EU). Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Anforderungen der EUGebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) werden in dieser Arbeit Systeme untersucht, mit denen sich Kühllasten in Bürogebäuden reduzieren lassen. Die Arbeit gibt unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtung einen Überblick über die derzeit eingesetzten Kühlsysteme in Bürogebäuden. Des Weiteren 4 werden Trends und Strategien für eine zukünftige Versorgung der Gebäude mit Kühlenergie aufgezeigt. In den letzten Jahren wurden in Wien einige Bürogebäude errichtet, die nach dem Niedrigenergie- bzw. Passivhausstandard zertifiziert wurden und bei denen zur Prüfung des Energieverbrauchs ein Energiemonitoring durchgeführt wurde. Aus den Erkenntnissen des Gebäudebetriebs werden Rückschlüsse auf den zukünftigen Einsatz von effizienten Kühlsystemen gezogen. Weiterhin werden im Rahmen von „Smart City Wien“ auf städtischer Ebene Konzepte für eine effiziente Nutzung von Energie entwickelt. In der Arbeit werden derzeit eingesetzte Technologien zur Erzeugung von Kühlenergie vorgestellt und es wird unter Berücksichtigung der hochbaulichen und städtebaulichen Ebene einen Ausblick auf die zukünftige Kühlenergieversorgung im Wiener Bürobau geben. Die bauphysikalischen Anforderungen für Gebäude sind in der Wiener Bauordnung beziehungsweise in der OIB-Richtlinie 6 definiert. Mit den derzeit vorgeschriebenen Passivhausstandard energetischen noch nicht Standards erreicht. wird der Allerdings Niedrigstenergiewird die und Errichtung energieeffizienter Gebäude mit entsprechender Zertifizierung wie beispielsweise durch die „Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ oder „green building“ immer populärer. 1.1. Ziele der Arbeit Das Ziel dieser Arbeit ist das Aufzeigen von Entwicklungen und Tendenzen zur Reduktion von Kühllasten im Stadtraum und im Hochbau sowie die Darstellung technologischer Entwicklungen für eine energieeffiziente und nachhaltige Bereitstellung von Kühlenergie. Ausgehend von den heutigen gesetzlichen Energiestandards für Gebäude und den künftigen Anforderungen nach der EU-Gebäuderichtlinie werden anhand der bereits realisierten Demonstrationsprojekte Wege aufgezeigt, wie diese künftig verpflichteten hohen Energiestandards im Hochbau eingehalten werden können. Dabei wird auch die strategische Ausrichtung der Stadt zur Energieversorgung und zur räumlichen Entwicklung aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser Arbeit können Bauherren, Projektentwickler und Planer in der Abwicklung künftiger Bauprojekte unterstützen. 5 Im Rahmen dieser Arbeit werden folgende Forschungsfragen behandelt: • Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsgebäuden reduziert werden? • Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten? • Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab? 1.2. Methodik Die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt einerseits über Literaturrecherche und Recherche bereits vorhandener Studien wie zum Beispiel aus dem Forschungsprogramm „Haus der Zukunft“, bei dem bereits Studien zum Thema energieeffiziente Kühlkonzepte veröffentlicht wurden. Andererseits werden über qualitative Experteninterviews Informationen zu städtebaulichen und hochbaulichen Energiekonzepten aus der Praxis gewonnen und mit der Literatur und den Studien verglichen. Für die Ermittlung der Experten auf gebäudetechnischer Ebene werden zunächst Bürogebäude ausgewählt, die einen Niedrigenergie- oder Passivhausstandard aufweisen. Weitere Auswahlkriterien sind neben der Energieeffizienz der Einsatz von erneuerbaren Energien und die Durchführung eines Energiemonitorings zum Energieverbrauch in den Gebäuden. Nach der Auswahl der Projekte werden die Personen befragt, die Einblick in das Energiemonitoringprogramm der jeweiligen Bürogebäude haben. Da dieser hohe Standard bei Bürogebäuden in Wien bisher in geringem Umfang realisiert wurde, werden die Quellen im Rahmen einer Vollbefragung erhoben. Auf städtebaulicher Ebene wurden ExpertInnen der Magistratsabteilung 20 - Energieplanung, der Magistratsabteilung 22 - Umweltschutz und tinavienna als Smart City Agentur der Stadt Wien befragt. Dabei konnte mit folgenden Personen qualitative Interviews geführt werden: 6 Abbildung 1: Interviewpartner auf städtischer Ebene Magistratsabteilung/ Unternehmen Interviewpartner Titel) Magistratsabteilung 20 - Hr. Geier Energieplanung (ohne Funktion/ Bereich Referent ViennaGIS_Ansprechpartner Hr. Ritter Leiter Energieeffizienz, Koordination Bereich SEP - Magistratsabteilung 22 - Hr. Preiss Umweltschutz Räumliche Entwicklung Tina vienna Internationale Kooperation + Best Practices Hub Hr. Schaffler Quelle: Eigene Darstellung Des Weiteren werden in dieser Arbeit richtungsweisende Hochbauprojekte im Bürobau vorgestellt, die eine besonders hohe Energieeffizienz aufweisen und deren Energiebedarf überwiegend aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Dabei werden zukunftsweisende Technologien für Gebäudesysteme aufgezeigt, wobei der Schwerpunkt auf der Betrachtung des jeweiligen Kühlsystems gelegt wird. Die Projekte wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: • Bürobau in Wien • Zertifizierung nach dem EU - Greenbuilding Programm1 oder Zertifizierung nach Total Quality Building (TQB)2 1 • Erneuerbare Energien • Energiemonitoring Betreuung durch das IBO (Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie beziehungsweise Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie). 2 Betreuung durch die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB). 7 Bei der Auswahl der Büroprojekte wurde auf die im Internet veröffentlichten Listen zertifizierter Gebäude von IBO und ÖGNB mit Stand 17.11.2013 zurückgegriffen. Dabei sind folgende Projekte für eine Betrachtung in Frage gekommen: Abbildung 2: Ausgewählte Projekt nach EU - Greenbuilding Programm und TQB3 Projekt Anschrift EU GreenBuilding oder TQB Partner Sanierung (OeKB) Strauchgasse 1-3, 1010 Österreichische Wien Raiffeisen Kontrollbank AG Klimaschutz- Obere Donaustraße 83 - Raiffeisen NÖ Wien Hochhaus 89, 1020 Wien Siemens City Siemensstraße 90-92, 1210 Siemens AG Österreich Wien Uniqa Tower Untere Donaustraße 21, UNIQA 1029 Wien aspern IQ ENERGYbase Seestadtstraße Immobilien- Service GmbH 27, 1220 WWFF Business Wien Service Center GmbH Giefinggasse 6, 1210 Wien WWFF Business and and Service Center GmbH Quelle: Eigene Darstellung Nach der Projektauswahl wurde Kontakt mit den zuständigen Personen aufgenommen, die Einblick in das Mentoring - Programm der jeweiligen Projekte hatten. Nach der Kontaktaufnahme konnte mit folgenden Personen ein qualitatives Experteninterview 3 Eine detaillierte Aufstellung aller Projekte, die mit Stand 17.11.2013 im Internet von IBO und ÖGNB veröffentlich wurden, ist im Anhang zu finden. 8 vereinbart werden, wonach auch die Auswahl der Projekte fixiert wurde, die in dieser Arbeit vorgestellt werden. Abbildung 3: Endgültige Projektauswahl mit Interviewpartner Projekt Interviewpartner Funktion/ Unternehmen (ohne Titel) ENERGYbase Hr. Selke Austrian Institute of Technology aspern IQ Hr. Weiss Geschäftsführer aspern IQ und Projektentwickler in Immobilienabteilung der der Wirtschaftsagentur Wien, ein Fonds der Stadt Wien. Hr. Wiedemann Raiffeisen Klimaschutz- Hr. Steininger Facility Management, Siemens Vasko & Partner Hochhaus Sanierung (OeKB) Fr. Balogh Österreichische Kontrollbank Facility Management Quelle: Eigene Darstellung 9 2. Klimawandel und sommerliche Überwärmung in Wien Im folgenden Kapitel werden die Temperaturentwicklungen für das 21. Jahrhundert in der Region Wien dargestellt, die unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels prognostizierten wurden. Dabei werden im Besonderen die Auswirkungen des Klimawandels auf das innerstädtische Mikroklima betrachtet. 2.1. Auswirkungen des Klimawandels in Wien Die Auswirkungen des Klimawandels infolge der globalen Erwärmung machen sich auch in Wien bemerkbar. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird ein deutlicher Anstieg der Temperatur erwartet. Nach der Studie „VorSicht Klima!“, die von GLOBAL 2000 beauftragt wurde, steigen die Temperaturen in Wien bis Ende des Jahrhunderts um 2 bis 4°C. Die Studie bezieht sich dabei auf Daten des dynamischen regionalen Klimamodells REMO-UBA vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Deutschland, das unter Beteiligung des Umweltbundesamts (UBA) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BFG) regionale Klimaszenarien für Deutschland, Schweiz und Österreich für den Zeitraum 2000 - 2100 erstellt hat. Zur Darstellung der künftigen klimatischen Entwicklung wurden verschiedene Emissionsszenarien berechnet, B1-, A1B- und A2-Szenario. Das B1-Szenario geht von einer ökologischen Energienutzung und von sehr geringen Treibhausgasemissionen aus. Im Szenario A1B wird eine ausgewogene Nutzung von fossilen und nicht-fossilen Rohstoffen sowie eine höhere Emission von Treibhausgasen als im Szenario B1 angenommen. Die größte Emission von Treibhausgasen wird im Szenario A2 angenommen, was sehr ökonomisch und materiell orientiert ist. (vgl. Formayer et al. 2007, S.8) 10 Abbildung 4: Szenarien der Anomalien der Jahresmitteltemperatur für Wien nach REMO-UBA und drei verschiedenen Emissionsszenarien Quelle: vgl. Formayer et al. 2009, S.75 Die Szenarien A1B und A2 verlaufen sehr ähnlich und zeigen bis zum Ende des Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung von 4°C. In Szenario B1 wird eine um 2°C geringere Temperaturerhöhung prognostiziert. Bei allen drei Modellen ist der Anstieg der Temperatur bis 2050 eher gering. Die Heizgradtage werden sich bis 2050 um mehr als 20 Prozent verringern, ab 2050 sogar um bis zu 35 Prozent. Kühlgradtage hingegen verdoppeln sich bis 2050 und steigen ab 2050 fast auf das Dreifache. Warme Tage mit Temperaturen über 30°C nehmen im gleichen Verhältnis zu wie die Anzahl der Kühlgradtage. Es erfolgt eine Verdopplung bis zum Jahr 2050 und eine Verdreifachung ab der Mitte des Jahrhunderts. Die Anzahl sehr heißer Tage mit mehr als 35°C wird ebenfalls überproportional ansteigen. (vgl. Formayer et al. 2009, S.75f.) Nach der Studie wird sich auch die Anzahl der Niederschlagsereignisse über das Jahr verändern. In den Wintermonaten werden Niederschläge zunehmen, in den Sommermonaten dagegen abnehmen. Infolge geringerer Niederschläge und der Zunahme warmer beziehungsweise heißer Tage in den Sommermonaten wird der Bodenwassergehalt aufgrund von Verdunstung abnehmen. (vgl. Formayer et al. 2009, S.69) 11 Eine ähnliche Studie wurde vom Austrian Research Center (ARC) mit dem Projekt reclip:more (research für climate protection - model run evaluation) durchgeführt, bei der man in einem kleinen 10 km großen Netz regionale Klimamodelle für Österreich berechnet hat. Für die Modellierung eines Jahrzehnts im 21. Jahrhundert, nämlich 2041 - 2050 wurden zunächst vorhandene Daten eines repräsentativen Jahrzehnts aus der Vergangenheit 1981 - 1990 analysiert und Schlussfolgerungen für die Modellierung der Zukunft abgeleitet. Die grundsätzlichen Aussagen über die künftige Entwicklung des Klimas stimmen mit dem REMO-UBA-Modell überein. Nach der Studie reclip:more wird die durchschnittliche Jahrestemperatur bis 2050 um 2 bis 2,5°C ansteigen, also mehr als bei der Modellierung nach REMO-UBA, die mit einem Temperaturanstieg von 1°C bis 2050 als untere Grenze betrachtet wird. (vgl. Formayer et al. 2007, S.15) Die Niederschläge werden im Osten Österreichs im Sommer und Herbst stark abnehmen und im Winter und Frühling je nach Region zunehmen, was mit den Ergebnissen aus REMO-UBA übereinstimmt. Bezüglich der Sommer- und Hitzetage wird mit einer Verdopplung von warmen Tagen über 25°C und einer Vervierfachung von heißen Tagen über 30°C gerechnet (vgl. ARC 2007, S.1). 2.2. Stadteffekt - urbane Wärmeinseln (Urban Heat Islands) In großen urbanen Räumen wie Wien hat der Stadteffekt einen zusätzlichen Einfluss auf den Klimawandel. Durch die dichte Bebauung in der Innenstadt wird die Sonnenenergie in der Gebäudemasse gespeichert und nachts an die Umgebung in Form von Wärme abgegeben. Außerdem entfallen wichtige natürliche Kühleffekte, in dem die Windgeschwindigkeit durch die Bebauung reduziert wird und durch den hohen Versiegelungsgrad der Stadt eine natürliche Verdunstung aufgrund fehlender Grünflächen nicht mehr stattfindet. Die Stadt kann daher an manchen Tagen nicht mehr abkühlen und die Hitzebelastung wird verstärkt. Es entstehen urbane Wärmeinseln. Die Wiener Innenstadt ist durch den geringen Anteil von Grünflächen und durch die dichte historische Bebauung von der Hitzebelastung wesentlich stärker betroffen als Stadtrandgebiete, was besonders in warmen Sommernächten Windbewegungen zu spüren ist. (Formayer et al. 2009, S.23) 12 mit geringen Eine Abkühlung durch Nachlüftung ist in künftig längeren Wärmeperioden kaum noch möglich, was den Kühlenergiebedarf in der Innenstadt besonders stark ansteigen lässt. Nach Studien über Temperaturszenarien für Wien, bei denen Wetterdaten von Stadtrandlagen, wie beispielsweise der Hohen Warte, mit Wetterdaten der Wiener Innenstadt verglichen wurden, gibt es aufgrund des Wärmeinseleffekts in der Innenstadt etwa 20 Frosttage weniger und etwa 4 Hitzetage mehr pro Jahr als am Stadtrand. (Formayer et al. 2007, S.21) Die Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Stadtrandlage sind im Winter größer als im Sommer, wobei Lage, Topographie und räumliche Auflösung einen großen Einfluss auf die Temperaturen haben. Im Winter können die Unterschiede bis zu 15°C betragen, was sich zunächst positiv auf den Heizenergiebedarf in der Innenstadt auswirkt. Im Sommer sind die Temperaturunterschiede geringer, wirken sich dafür aber wesentlich unangenehmer auf das menschliche Behaglichkeitsgefühl aus, da eine Anpassung an Kälte durch beispielweise wärmere Kleidung leichter möglich ist als eine Anpassung an Hitze, bei der man die Behaglichkeit über Kleidung nur bis zu gewissen Temperaturen beeinflussen kann. Im Sommer können bei Außentemperaturen von 40°C in der Innenstadt Unterschiede von bis zu 7°C im Vergleich zur Stadtrandlage auftreten. Dabei hat die solare Strahlung einen wesentlichen Einfluss auf das persönliche Hitzeempfinden. In Stadtrandlagen wie am Wiener Wald schützen die Bäume durch Beschattung vor der Solarstrahlung. In der Innenstadt ist die Beschattung von Bäumen aufgrund der Bestandsstrukturen nur im geringen Ausmaß vorhanden. Teilweise ist die Bepflanzung mit Bäumen aus infrastrukturellen Gründen auch nicht mehr möglich. Es kann also sehr viel Sonnenstrahlung in den Stadtraum eindringen, wodurch oft sehr extreme Temperaturen erreicht werden. Der Temperaturunterschied zwischen innerstädtischen Bezirken und Randbezirken muss allerdings nicht immer vorhanden sein. In Wien kann es beispielsweise im ersten Bezirk genauso warm sein wie im 21. oder 22. Bezirk, was einerseits an der Bebauungsstruktur durch das Verhältnis Baukörperhöhe und Abstand zur Nachbarbebauung und andererseits an den verwendeten Baustoffen liegt. Beide Faktoren beeinflussen das lokale Klima. Die historische Innenstadt ist durch eine dichte Bebauung geprägt, bei der sich die Gebäude durch die geringen Abstände und engen Gassen oft gegenseitig verschatten. Des Weiteren bestehen die Gebäude überwiegend aus Ziegelstein, wodurch eine große Speichermasse vorhanden ist und Wärme im Stein aufgenommen werden kann. Im 21. 13 Bezirk sind die Straßenräume viel breiter, wodurch mehr Sonnenstrahlung in die Bebauungsstruktur eindringen kann. Auch sind die Gebäude wesentlich neuer und oft mit einem Wärmedämmverbundsystem ausgeführt, wodurch die solare Strahlung kaum in die Außenwand eindringen kann und eher im Außenraum bleibt. Der Außenraum heizt sich dadurch schneller auf als in der historischen Innenstadt, wo die Solarstrahlung von den Mauerwerkswänden absorbiert wird. Die gute Außendämmung bei Neubauten verhindert zwar den Wärmeeintrag in das Gebäude, wirkt sich aber im Vergleich zu Altbauten im Sommer nachteilig auf das städtische Mikroklima aus. (vgl. Expertengespräch Preiss 2014) 14 3. Energieverbrauch für die Kühlung von Gebäuden 3.1. Status quo des Energieverbrauchs für Raumklimatisierung Seit 1993 hat die Verbreitung von Klimaanlagen im Dienstleistungsbereich in Wien sehr stark zugenommen, was einem internationalen Trend folgt. In den USA sind beispielsweise an die 97 Prozent aller Bürogebäude klimatisiert. In Europa ist der Trend zur Klimatisierung von Bürogebäuden ebenfalls vorhanden, um bei hohen Außentemperaturen ein angenehmes Arbeitsklima gewährleisten zu können, wobei der größte Marktanteil für Klimageräte auf den Südeuropäischen Raum entfällt. (vgl. Simader 2005, S.114) Nach dem Energiebericht 2013 ist die Ausstattung mit Klimaanlagen im gewerblichtechnischen Bereich in Wien von etwa 12 Prozent im Jahr 1993 auf bereits 98 Prozent im Jahr 2011 angestiegen, wobei unter diesem Bereich nicht nur Büronutzungen zusammengefasst wurden, sondern auch Rechenzentren, Relaisstationen und Technikräume, die aufgrund von hoher Geräteabwärme einer Klimatisierung bedürfen. Der angegebene Ausstattungsgrad von Klimatisierungsgeräten kann daher nicht eins zu eins auf den Bürobau übertragen werden. Allerdings lassen sich durchaus Entwicklungstendenzen ableiten. (vgl. Haas 2013, S.67f) Für den Büroneubau ist eine Raumklimatisierung mittlerweile Standard geworden. Büroflächen ohne Raumkühlung können heutzutage sehr schlecht vermietet werden, daher wird man bei bestehenden Bürogebäude nachrüsten müssen, um mit dem hohen Standard von Neubauten mithalten zu können (vgl. Expertengespräch Ritter/Geier 2014). 15 Abbildung 5: Ausstattungsentwicklung von Klimatisierungsgeräten Quelle: Haas 2013, S.68 Der auf Klimageräte entfallende Energieverbrauch ist seit 1993 von unter 1 GWh/a sehr drastisch auf 166 GWh/a im Jahr 2011 gestiegen, was sicher mit der Verbreitung der Klimaanlagen zusammenhängt, da die Zunahme des Stromverbrauchs im fast gleichen Verhältnis zur Ausstattungsentwicklung erfolgte. Abbildung 6: Abschätzung des Stromverbrauchs von Klimatisierungsgeräten in Wien Quelle: Haas 2013, S.69 16 Seit 1993 ist ein kontinuierlicher Anstieg des Energiebedarfs durch Klimatisierung zu beobachten. Dieser Trend wird durch die Zunahme der Kühlgradtage infolge des Klimawandels noch verstärkt werden. (vgl. Haas 2013, S.69) Die Studie „Energieverbrauch im Dienstleistungsbereich“ aus dem Jahr 2012 schlüsselt den österreichischen Dienstleistungsbereich in die Sektoren Büros, Einzelhandel, Großhandel, Beherbergung, Gastronomie, Gesundheitsbereich und öffentlicher Bereich auf, wodurch eine detaillierte Zuordnung des Energiebedarf auf die einzelnen Sektoren erfolgte. Danach fallen etwa 20 Prozent des Energieverbrauchs in Büros auf Klimatisierung und Lüftung. Abbildung 7: Aufteilung der Energienutzung in Büros nach Verbrauchern Quelle: Benke 2012, S.27 Nach dieser Studie verfügen etwa 37 Prozent der Büroflächen über eine Klimatisierung, wobei 2005 verwendet ein Büroflächenbestand von 10.600.000 Quadratmeter in Wien vorhanden war. Bis zum Jahr 2014 sind die Büroflächen auf 10.850.000 Quadratmeter4 angestiegen. Berücksichtigt man die steigende Ausstattungsentwicklung von Klimageräten nach dem Energiebericht 2013 für Wien kann man in den nächsten Jahren eine weitere Zunahme von Klimaanlagen im Bürobereich erwarten. Der Strombedarf von klimatisierten Büros ist um 30 Prozent höher als von Büros ohne Klimaanlage, was auch darin liegen kann, dass klimatisierte Büros häufig moderner sind und über eine höhere Technikausstattung verfügen. 4 Vgl. EHL Wiener Büromarktbericht Frühjahr 2014. 17 Vergleicht man Bürogrößen von 500 bis 4000 Quadratmeter bedeutet das einen höheren Stromverbrauch von etwa 80 kWh/m²a zwischen klimatisierten und nicht klimatisierten Bürogebäuden. Der jährliche Energieverbrauch für Kühlung liegt bei alten Gebäuden bei 65 kWh/m²a, bei Neubauten bei 10 kWh/m²a. Dieser Bedarf kann bei energetisch optimierten Gebäuden auf 3 kWh/m²a reduziert werden. Ein weiterer Aspekt ist der Stromverbrauch außerhalb der Bürozeiten, der mit einem Anteil von 30 Prozent am Gesamtstromverbrauch relativ groß ist. (vgl. Benke 2012, S.28f.) Nach Benke liegt in der Klimatisierung und Lüftung ein Einsparungspotential von 30 Prozent. 3.2. Künftige Nachfrage nach Kühlenergie In der Studie „Energie der Zukunft“ wurden analog zur Temperaturentwicklung nach REMO-UBA, siehe 2.1, drei Szenarien zum künftigen Energieverbrauch für Raumkühlung und Klimatisierung infolge des Klimawandels bis ins Jahr 2050 modelliert. Im A2-Szenario geht man von einem starken Trend zur Klimatisierung aus, der nicht nachhaltig ist und bei dem bis ins Jahr 2050 etwa 90 Prozent der Büroflächen klimatisiert sind. Das Modell A1B nimmt ebenfalls einen Zuwachs von Klimaanlagen an, berücksichtigt aber effiziente Technologien, die den Kühlbedarf reduzieren. Der Anteil klimatisierter Büroflächen beträgt bei diesem Modell etwa 60 Prozent. Entgegen der vorherigen Szenarien setzt Modell B1 auf vielfältigste technologische Maßnahmen zur Reduktion des Kühlbedarfs und geht von einem geringen Zuwachs von klimatisierten Flächen aus (vgl. Kalt/Kranzl 2010, S.101f.). 18 Abbildung 8: Szenarien des Energieverbrauchs für Raumkühlung und Klimatisierung in Österreich Quelle: Kalt/Kranzl 2010, S.102 Die Modellierungen zeigen einen künftig weiter steigenden Kühlbedarf, womit der Trend aus den analysierten Daten von 1993 fortgesetzt wird. Da aus jetziger Sicht Klimaanlagen in Zukunft weiterhin eingesetzt werden, ist Szenario B eher zu vernachlässigen. Der erhöhte Kühlbedarf führt besonders bei Verwendung von konventionellen Technologien zu einem steigenden Stromverbrauch, wodurch im Sommer sehr hohe Lastspitzen in den Stromnetzen entstehen. 19 3.3. Gesetzliche Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben 2010 vor dem Hintergrund des steigenden Energieverbrauchs auf dem Gebäudesektor, der einen hohen Anteil am Gesamtenergieverbrauch darstellt, eine Richtlinie zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und Bestandsgebäuden erlassen, die bis zum Jahr 2020 in allen Europäischen Staaten umzusetzen ist. In Österreich sind bereits einige Vorgaben aus dieser Richtlinie in Landesgesetze, Richtlinien und Normen eingeflossen. Im folgenden Abschnitt wird der gesetzlich verbindliche energetische Standard von Neubauten und Bestandsgebäuden in Wien aufgezeigt, der in der Bauordnung für Wien und Wiener Bautechnikverordnung geregelt ist. Die Wiener Bautechnik verweist dabei auf die Einhaltung der OIB Richtlinie 6 und des Leitfadens Energetisches Verhalten von Gebäuden des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) als Teil der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU). 3.3.1. Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden Die EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) wurde vor dem Hintergrund erstellt, den Energieverbrauch auf dem Gebäudesektor zu senken, der etwa 40 Prozent am Gesamtenergieverbrauchs in der Union ausmacht - Tendenz steigend. Des Weiteren dient die Umsetzung der Richtlinie der Einhaltung bereits beschlossener Klimaschutzziele, wie die Reduktion der Gesamttreibhausgaskonzentration bis 2020 um mindestens 20Prozent im Vergleich zu den Werten von 1990 (Kyoto-Protokoll) oder die Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent bis zum Jahr 2020, wobei der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch ebenfalls 20 Prozent betragen soll, was im Europäischen Rat 2007 beschlossen wurde. Durch die Richtlinie werden Rahmenbedingungen vorgegeben, mit Hilfe derer die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten und bestehenden Gebäuden, bei denen die Gesamtkosten der Sanierung 25 Prozent des Gebäudewerts übersteigen oder die Renovierung mehr als 25 Prozent der Gebäudehülle betrifft, verbessert werden soll. Dabei sind die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Berechnungsmethoden zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden auf nationaler und regionaler Ebene zu definieren und Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz festzulegen. Bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz 20 sollen neben den Thermischen Eigenschaften eines Gebäudes auch regenerative Energien und eine energieeffiziente Gebäudetechnologie berücksichtigt werden, wobei die klimatischen und lokalen Gegebenheiten zu beachten sind. Bei der Festlegung der Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz soll ein angemessenes Kosten-/ Nutzenverhältnis zwischen den erforderlichen Maßnahmen und den über die wirtschaftliche Lebensdauer des Gebäudes zu erzielenden Energieeinsparungen berücksichtigt werden. (vgl. Richtlinie 2010/31/EU, S. L 153/13f) Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen ist die Tatsache, dass in der EU immer mehr Klimaanlagen in den Gebäuden verwendet werden, was durch den hohen Stromverbrauch dieser Geräte zu Problemen in der Stromversorgung zu Spitzenlastzeiten führt. Daher ist bei der Entwicklung von Strategien auf die thermischen Eigenschaften des Gebäudes im Sommer, die Vermeidung sommerlicher Überwärmung durch zum Beispiel Sonnenschutz oder auf die Speicherkapazitäten der Gebäudekonstruktion zu achten. Dabei gilt es passive Systeme, die Kühleffekte auf das Raumklima in Gebäuden oder auf das Mikroklima außerhalb von Gebäuden haben, verstärkt einzusetzen. (vgl. Richtlinie 2010/31/EU, S. L 153/16) Grundsätzlich sollen bis 31. Dezember 2020 alle Neubauten als Niedrigstenergiegebäude ausgeführt werden, deren Energiebedarf bei fast Null liegt oder sehr gering ist. Die benötigte Restenergie soll überwiegend aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden, die am Standort oder in der Umgebung erzeugt werden. (vgl. Richtlinie 2010/31/EU, S. L 153/18) 3.3.2. Landesgesetze Wien - Bauordnung für Wien und Wiener Bautechnikverordnung Nach der Bauordnung für Wien sind die bauphysikalischen Anforderungen an Gebäude zur Energieeinsparung im neunten Teil - Bautechnische Vorschriften unter Abschnitt 7 Energieeinsparung und Wärmschutz in §118 geregelt. Danach muss die in einem Gebäude benötigte Energiemenge nach dem Stand der Technik begrenzt werden, wobei der Verwendungszweck des Gebäudes und die damit verbundenen raumklimatischen Anforderungen zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus müssen bei Neu-, Zu- und Umbauten, aber auch bei Änderungen und Instandsetzungen ab einem gewissen 21 Ausmaß hocheffiziente alternative Systeme eingesetzt werden, wie zum Beispiel der Einsatz erneuerbarer Energien, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder die Verwendung von Fern- und Nahwärme und Fern- und Nahkälte (vgl. §118 BO für Wien, Stand: 16.12.2013). Nach Wiener Bautechnikverordnung wird den Bautechnischen Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprochen, wenn die Richtlinien des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) eingehalten werden (vgl. §1 WBTV, Stand: 21.12.2012). Insbesondere dienen die OIB Richtlinie 6 - Energieeinsparung und Wärmeschutz sowie der Leitfaden zum Energetischen Verhalten von Gebäuden, der in Verbindung mit der OIB Richtlinie 6 herausgegeben wurde, der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) vgl. §4 WBTV, Stand: 21.12.2012). 3.3.3. OIB - Richtlinie 6, Ausgabe Oktober 2011 Bei der Definition der Anforderungen an den Nutzenergiebedarf wird nach Gebäudekategorien unterschieden, nämlich nach Wohngebäuden und Nicht- Wohngebäuden, wobei Bürogebäude in die Kategorie Nicht-Wohngebäude fallen. In der Richtlinie werden Anforderungen zur Berechnung des Heizwärme- und Kühlbedarfs bei Neubauten und bei größeren Sanierungen von Nichtwohngebäuden definiert. Außerdem werden Anforderungen an die Berechnung des Endenergiebedarfs, dessen Anteile sich in weiterer Folge in den Primärenergiebedarf umrechnen lassen, gestellt. Beispielsweise wird bei Nicht-Wohngebäuden der jährliche Heizwärmebedarf von Neubauten mit höchstens 18,7 kWh/m³a und von Sanierungen mit höchstens 30 kWh/m³a festgelegt. Nach dem Primärenergiebedarf werden die Gebäude in verschiedene Effizienzklassen eingeteilt. (vgl. OIB RL, 2011-10) 22 Abbildung 9: Klassengrenzen des jährlichen Heizwärmebedarfs Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 Abbildung 10: Klassengrenzen des jährlichen Primärenergiebedarfs Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 Nach der Richtlinie muss bei Nicht-Wohngebäuden der Nachweis über die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung nach ÖNORM B 8110-3 erbracht werden oder ein maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf von 1,0 kWh/m³a eingehalten werden. Dieser Kühlbedarf entsteht ausschließlich durch Solareinträge und Transmission. Des Weiteren werden in der Richtlinie Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile hinsichtlich maximal zulässiger Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte) definiert. Das betrifft sowohl Neubauten als auch Renovierungen von Gebäuden. (vgl. OIB RL, 2011-10) 23 Abbildung 11: Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile, Auszug Bauteil U-Wert [W/m²K] 1 WÄNDE gegen Außenluft 0,35 10 FENSTER, FENSTERTÜREN, VERGLASTE TÜREN jeweils in 1,70 Nicht-Wohngebäuden (NWG) gegen Außenluft² 19 DECKEN und DACHSCHRÄGEN jeweils gegen Außenluft und 0,20 gegen Dachräume (durchlüftet oder ungedämmt) 25 BÖDEN erdberührt 0,40 Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 3.4. Energetische Standards von Bürogebäuden (Nichtwohngebäuden NWG) Gebäude können hinsichtlich ihrer Energieeffizienz verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Ausgehend von den gesetzlichen Mindestanforderungen werden je nach Effizienzgrad Passivhausstandard, der Gebäude Nullenergie- und Niedrig- und Niedrigstenergiestandard, Plusenergiestandard unterschieden. Die Anforderungen dieser energetischen Standards werden nachfolgend vorgestellt. Eine wichtige Größe ist in diesem Zusammenhang der jährliche Heizwärmebedarf, bei dessen Ermittlung das Referenzklima (RK) und die Gebäudegeometrie (Ic) berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der Gebäudegeometrie wird die charakteristische Länge (Ic) als Maß für die Gebäudegeometrie über das Verhältnis von beheiztem Gebäudevolumen (VB) zur Fläche der thermischen Gebäudehülle (AB) berechnet, Ic = VB / AB. 24 3.4.1. Gesetzliche Mindestanforderungen Die gesetzlichen energetischen Mindestanforderungen sind in den jeweiligen Bauordnungen definiert. Die OIB-Richtlinie 6 Stand 2011 ist bis auf Salzburg in allen Bundesländern einzuhalten. In Salzburg ist derzeit noch die OIB-Richtlinie 6 Stand 2007 in Kraft (vgl. OIB 2011). Danach müssen neben definierten maximal zulässigen Werten für wärmeübertragende Bauteile auch Grenzwerte für den Jahresheizwärmebedarf und für den sommerlichen Wärmeschutz eingehalten werden. Bei Neubauten von Nichtwohngebäuden ist folgender Grenzwert im Jahresheizwärmebedarf einzuhalten: Abbildung 12: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWG,max,RK Neubau HWB*V,NWG,max,RK = 5,5 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a] Höchstens jedoch 18,7 [kWh/m³a] Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 Die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung kann entweder über die ÖNORM B 8110-3 nachgewiesen werden oder es muss folgender maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf eingehalten werden. Abbildung 13: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max Neubau Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max = 1,0 kWh/m³a Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 Bei Sanierungen von Nichtwohngebäuden gibt es Erleichterungen bei der Einhaltung der zulässigen Grenzwerte. Es gilt folgender maximal zulässiger Jahresheizwärmebedarf: Abbildung 14: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWGsan,max,RK bei Sanierung: HWB*V,NWGsan,max,RK = 8,5 x (1+2,5/Ic) [kWh/m3a] Höchstens jedoch 30,0 [kWh/m3a Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 Die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung kann ebenfalls entweder über die ÖNORM B 8110-3 nachgewiesen werden oder es muss folgender maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf eingehalten werden: 25 Abbildung 15: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max bei Sanierung: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWGsan,max = 2,0 kWh/m³a Quelle: vgl. OIB RL 6, 2011-10 3.4.2. Niedrig- und Niedrigstenergiegebäude Die Anforderungen für Niedrigenergie und Niedrigstenergiegebäude von Nichtwohngebäuden sind in der ÖNORM B 8110 - 1 Stand 2011 definiert. Auch hier werden bei der Deklaration dieser energetischen Standards Grenzwerte für den Jahresheizwärmebedarf und Vorgaben zur Vermeidung sommerlicher Überwärmung festgelegt. Für den jährlichen Heizwärmebedarf gelten folgende maximal zulässige Werte HWB*V,nE-NWG,RK für Niedrigenergiegebäude und HWB*V,nstE-NWG,RK für Niedrigstenergiegebäude. Abbildung 16: Anforderung für die Deklaration von Niedrigenergiegebäudehüllen HWB*V,nE-NWG,RK ≤ 5,67 x (1+2,5/Ic) [kWh/m³a] Quelle: vgl. ÖNORM B 8110-1, 2011-08 und Abbildung 17: Anforderung für die Deklaration von Niedrigstenergiegebäudehüllen HWB*V,nstE-NWG,RK ≤ 3,33 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a] Quelle: vgl. ÖNORM B 8110-1, 2011-08 Die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz müssen nach der ÖNORM B 8110-3 nachgewiesen werden. Danach muss eine maximale operative Temperatur von 27°C in den Haupträumen unterschritten werden, wobei Klimaannahmen, Werte für innere Lasten und Lüftungsmöglichkeiten laut ÖNORM B 8110-3 zu berücksichtigen sind. Höhere Standards als Niedrigstenergie-Gebäude sind in dieser ÖNORM nicht angeführt. 26 Mit der ÖNORM B 8110 - 1 werden lediglich Anforderungen an den Wärmeschutz der Gebäudehülle deklariert. Der in dieser Norm definierte Niedrigstenergiestandard ist noch nicht mit dem Niedrigstenergiestandard nach EU-Gebäuderichtlinie vergleichbar, weil keine Anforderungen an den Primär- oder Endenergiebedarf des Gebäudes festgelegt wurden. 3.4.3. Passivhausstandard Der Passivhausstandard wird vom Passivhaus-Institut Darmstadt als Initiator der Passivhäuser definiert. Passivhäuser sind Gebäude, die über einen derart geringen jährlichen Heizwärmebedarf verfügen, dass keine separate Gebäudeheizung und -klimatisierung erforderlich ist, um die Behaglichkeitskriterien zu erfüllen. Dieser Standard wird vor allem durch eine sehr gute Dämmung der Gebäudehülle und durch eine kontrollierte Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung erreicht. Dabei sind die in der folgenden Abbildung dargestellten Kriterien für Nichtwohngebäude einzuhalten. Abbildung 18: Kriterien für Passivhäuser mit Nicht-Wohnnutzung (NiWo) Jährlicher Heizwärmebedarf max. 15,0 [kWh/m²a] Energiekennwert Nutzkälte max. 15,0 [kWh/m²a] Jährlicher Primärenergiebedarf max. 120,0 [kWh/m²a] Quelle: vgl. http://www.ibo.at/de/passivhaus/index.htm Die Energiekennzahlen werden für das jeweilige Projekt nach dem Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP) berechnet und bei Einhaltung der Kriterien wird das Gebäude als Passivhaus durch das Passivhaus-Institut zertifiziert. Allerdings ist zu berücksichtigen, das die Berechnungsmethode nach PHPP nicht mit den österreichischen Anforderungen vergleichbar ist. Zum Beispiel entspricht der Heizwärmebedarf von 15,0 kWh/m²a bezogen auf die Netto-Grundfläche etwa maximal einem Heizwärmebedarf von 10 kWh/m²a bezogen auf die Brutto-Grundfläche, der nach OIB Richtlinie 6 berechnet wurde (vgl. www.igpassivhaus.at). Des Weiteren müssen für einen Passivhausstandard bestimmte Anforderungen bei der Gebäudehülle erreicht werden. 27 Abbildung 19: Qualitätsanforderungen an Passivhäuser Bauteil U-Wert [W/m²K] Opake Außenbauteile 0,15 Fenster und andere transluzente Bauteile <0,8 Quelle: vgl. Passivhaus Institut Der Passivhausstandard entspricht bei Einhaltung der Kriterien hinsichtlich Primärenergiebedarf mindestens Klasse B, hinsichtlich Heizwärmebedarf mindestens Klasse A+ nach OIB Richtlinie 6. Die Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile sind wesentlich höher als die Mindestanforderungen nach OIB-Richtlinie. Der Passivhausstandard bildet eine gute Grundlage für höhere Energiestandards. 3.4.4. Nullenergie- und Plusenenergiegebäude Ein Nullenergiehausstandard wird dann erreicht, wenn die Energiebilanz des Gebäudes über ein Jahr gesehen ausgeglichen ist. Dabei müssen Energiegewinne, die im Gebäude durch alternative Energiesysteme wie beispielsweise Solaranlagen oder Wärmepumpen erzeugt werden, den externen Energiebedarf im Jahresdurchschnitt aufwiegen. Voraussetzung ist eine kompakte und gut gedämmte Gebäudehülle, wobei nicht unbedingt ein Passivhausstandard erreicht werden muss. Wichtig ist eine über das Jahr gesehen ausgeglichene Energiebilanz. Bei einem Plusenergiegebäude wird durch das Gebäude mehr Energie erzeugt als im Betrieb benötigt wird. Bei beiden Standards wird in einer Energiejahresbilanz der Verbrauch externer Energie der im Gebäude produzierten Energie gegenübergestellt. (vgl. MA 20 2012, S.68) Wenn keine Energie von außen bezogen werden muss, spricht man von energieautarken Gebäuden. Dann wird der gesamte jährliche Energiebedarf durch eigene Gewinne gedeckt. (vgl. Pistohl 2007, I119) 28 3.4.5. Energiebewusstes Bauen - Kriterien und Anforderungen für Dienstleistungsgebäude in Wien Der ab 2020 für Neubauten und für größere Renovierungen von Gebäuden vorgeschriebene Niedrigstenergiestandard nach der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) stellt Anforderungen an den Energiebedarf der Gebäude, der fast bei Null liegen beziehungsweise sehr gering sein soll und überwiegend aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden soll. Diese Definition von „fast Null oder sehr geringe Energiebedarf“ lässt einen gewissen Spielraum zu. Bisher gibt es noch keine verbindliche Vorgabe in Gesetzen, Richtlinien oder Normen, die den Endenergieverbrauch von Niedrigstenergiegebäuden begrenzen oder eine im Jahresmittel ausgeglichene Energiebilanz laut Definition Nullenergiegebäude vorschreiben. Verbindliche Grenzwerte werden derzeit nur an den Jahresheizwärme- und Kühlbedarf gestellt sowie an wärmeübertragende Bauteile. Dabei sind die Werte für den Endenergiebedarf (EEB), Haushaltsstrom- (HHSB) und Betriebsstrombedarf (BSB), Primärenergiebedarf (PEBBGF,SK), Kohlendioxidemissionen (CO2,BGF,SK) und der Gesamtenergieeffizienzfaktor (fGEE) nach vorgegebenen Berechnungsmethoden zu ermitteln beziehungsweise im Energieausweis anzuführen. Im Auftrag der Magistratsabteilung 20 - Energieplanung wurde 2012 für die Stadt Wien ein Leitfaden für energiebewusstes Bauen für Dienstleistungsgebäude in Wien erstellt, in dem Kriterien und Zielwerte für die Umsetzung energiebewusster Dienstleistungsgebäude definiert worden sind. Die Zielwerte gehen über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus und orientieren sich am Nullenergiehausstandard der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU), der aus jetziger Sicht ab 2020 verbindlich sein wird. Von der Stadt Wien wurden sechs Schwerpunkte mit unterschiedlichen Prioritätsstufen festgelegt, die als Bewertungskriterien auszugsweise vorgestellt werden. Das Kriterienset ist bisher nicht verbindlich, sondern dient Projektentwicklern und Projektentwicklerinnen als Hilfestellung bei der Umsetzung energiebewusster Dienstleistungsgebäude. Danach können bereits jetzt Nullenergiegebäude realisiert werden, die ab 2020 Standard sein werden. (vgl. Grim, 2012) 29 Abbildung 20: Prioritäten der Stadt Wien im Bereich des energiebewussten und nachhaltigen Bauens 1. Gebäudehülle optimieren. 2. Stromverbrauch reduzieren. reduzieren 3. Langlebigkeit forcieren. 4. Nachhaltige Mobilität fördern. 5. Erneuerbare Energien nutzen. 6. Ökologisches Handeln unterstützen. Quelle: vgl. Grim 2012, S.7 Inn der nachfolgenden Grafik werden die Anforderungen für energiebewusste Dienstleistungsgebäude an den Heizwärmebedarf und an den außeninduzierten Kühlbedarf für Neubauten und Sanierungen aufgezeigt. Abbildung 21: Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger Dienstleistungsgebäude in Wien - Neubau Quelle: Grim 2012, S.8 30 Abbildung 22: Zielwerte für für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf eizwärmebedarf - Neubau Quelle: . Grim 2012, S.8 Die Anforderung an den Heizwärmebedarf entspricht der Anforderung von Niedrigstenergiegebäuden nach ÖNORM B 8110 - 1. Das Kriterium für den außeninduzierten Kühlbedarf liegt mit 0,2 kWh/m³a weit unter der verbindlichen Anforderung von 1,0 kWh/m³ bei Neubauten nach OIB Richtlinie 6. In Abbildung 22: werden en die höheren Anforderungen des Kriteriensets im Vergleich zu den gesetzlichen Mindestanforderungen nach Bauordnung sehr anschaulich aufgezeigt. aufgezeigt Nachfolgend werden die Anforderungen an Sanierungen dargestellt. Abbildung 23: Auszug Zielwerte für die Qualität derr Gebäudehülle künftiger Dienst Dienstleistungsgebäude in Wien - Sanierung Quelle: Grim 2012, S.12 31 Abbildung 24: Zielwert für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf - Sanierung Quelle: . Grim 2012, S.12 Die Anforderung an den Heizwärmebedarf bei Sanierungen mit HWB* ≤ 5,50 x (1+2,5/Ic) [kWh/m³a] liegt unter den Mindestanforderungen für Neubauten nach OIB Richtlinie 6 mit HWB* = 5,50 x (1+3,0/Ic) [kWh/m³a]. Durch die Änderung der Zahl 3,0 (OIB) auf 2,5 (Kriterienset) wurde die Steigung der Formel geändert und die Anforderungen dadurch verschärft. Das Kriterium für den außeninduzierten Kühlbedarf befindet sich mit 0,2 kWh/m³a ebenfalls weit unter den verbindlichen Anforderungen von 1,0 kWh/m³ bei Neubauten nach OIB Richtlinie 6. Abbildung 23: zeigt auch hier sehr anschaulich die höheren Anforderungen des Kriteriensets im Vergleich zu den gesetzlichen Mindestanforderungen nach Bauordnung. Des Weiteren wurden zur Reduktion des Stromverbrauchs Zielwerte für den Gesamtenergieeffizienzfaktor mit fGEE ≤ 0,7 und für den Kühlenergiebedarf KEB26 ≤ 9,00 kWh/m²a vorgegeben. Bei einer Büronutzung gelten diese Werte sowohl für Neubauten als auch Sanierungen. Die Berechnung erfolgt nach OIB Richtlinie 6 beziehungsweise nach OIB Leitfaden für das energetische Verhalten von Gebäuden (vgl. MA 20 2012, S.9 und S.13). Unter Punkt „Erneuerbare Energieträger“ wurde ein Zielwert zur Begrenzung der CO2-Emissionen mit CO2 ≤ 36 kg/m²BGFa für Neubauten und CO2 ≤ 40 kg/m²BGFa für Sanierungen vorgegeben, der nach ÖNORM B 8110 - 6 nachzuweisen ist (vgl. Grim 2012, S.11 und S.17). 32 4. Kühlstrategien auf städtischer Ebene. In Wien gibt es bereits verschiedene Programme, um den Energieverbrauch der Stadt zu reduzieren und den Einsatz erneuerbarer Energien zu fördern. Der Bereitstellung und Erzeugung von Kühlenergie kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu, da der Kühlbedarf von Gebäuden aufgrund der längeren Wärmeperioden und einer höheren Anzahl an Kühlgradtagen steigen wird. Neben der reinen Energieversorgung werden auch Konzepte erarbeitet, wie mit stadtplanerischen Maßnahmen das Mikroklima in der Stadt beeinflusst werden kann, um den Kühlbedarf aufgrund der Hitzebelastung in der Innenstadt zu verringern. 4.1. Programme zur Reduktion des Energieverbrauchs Von der Stadt Wien werden zur Senkung des Energieverbrauchs unterschiedliche Programme verfolgt, die einerseits schon vor einigen Jahren initiiert wurden und aus denen bereits Rückschlüsse gezogen werden können oder andererseits gerade entwickelt werden. Dabei werden folgende Programme dargestellt: • KliP II (Klimaschutzprogramm Wien) • SEP (Städtisches Energieeffizienz - Programm) • RAP (Renewable Action Plan Vienna) • Smart City Wien Die Programme reichen von Klimaschutzzielen, wie der Reduktion der CO2 Emissionen (KliP II), über Maßnahmen zur Minimierung des Energieverbrauchs (SEP) mit Integration von erneuerbaren Energien im städtischen Energiemix (RAP) bis hin zu einer übergeordneten Rahmenstrategie für die Smart City Wien, in der diese Programme einfließen und koordiniert werden. 33 4.1.1. KliP II - Klimaschutzprogramm der Stadt Wien Das Klimaschutzprogramm der Stadt Wien (KliP) wurde bereits 1999 zur Reduktion der CO2-Emissionen initiiert und lief in einer ersten Phase bis 2010. Durch die Maßnahmen des KliP I konnten bereits 3,1 Mio. Jahrestonnen an Treibhausen vermieden werden. 2009 wurde die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms (KliP II) bis ins Jahr 2020 beschlossen mit umfassenden Maßnahmen in den Bereichen: • Energieaufbringung • Energieverwendung • Mobilität und Stadtstruktur • Beschaffung, Abfallwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz • Öffentlichkeitsarbeit Im Vergleich zu 1990 sollen die Treibhausgase um 21Prozent pro Einwohner und Jahr bis ins Jahr 2020 reduziert werden. Das bedeutet eine weitere Reduktion von 1,4 Mio. Tonnen Treibhausgase. (vgl. Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.5) Im Bereich Energieaufbringung werden unter anderem Maßnahmen für eine klimaschonende Kühlung empfohlen. Danach sollen anstelle dezentraler Kompressionskältemaschinen vorwiegend Fernkälte oder solare Kühlung eingesetzt werden. Falls die Kälte dennoch dezentral vor Ort erzeugt werden muss, sollten thermische Kältemaschinen verwendet werden, die mit Fernwärme oder Solarenergie angetrieben werden. (vgl. Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.36f.) Im Rahmen der Energieverwendung setzt man beispielsweise auf eine verbesserte thermische Qualität der Gebäudehülle, um Energieverluste zu minimieren. Desweiteren gilt es den Kühlbedarf entsprechend der Gebäudekategorie durch planerische und haustechnische Maßnahmen zu reduzieren oder ganz auszuschließen, wie zum Beispiel durch die Nutzung von Speichermassen, Bauteilaktivierung oder Nachtlüftung. (vgl. Magistrat der Stadt Wien, MD-KLI 2009, S.59) 34 4.1.2. SEP - Städtisches Energieeffizienz-Programm Durch das Städtische Energieeffizienz-Programm (SEP) werden seit 2006 Maßnahmen gesetzt, um den Energieverbrauch der Stadt Wien zu reduzieren ohne dabei den Lebensstandard der Bewohner zu beeinträchtigen. Die Maßnahmen zur Energieeffizienz und Energieeinsparung betreffen folgende Bereiche: • Privathaushalte • Private Dienstleistungen • Öffentliche Dienstleistungen • Industrie und produzierendes Gewerbe • Verkehr und Landwirtschaft Das Programm läuft noch bis 2015 und wird von der Magistratsabteilung 20 koordiniert. In der letzten Evaluierung im Jahr 2012 wurde errechnet, dass durch die Maßnahmen des SEP seit 2006 etwa 160 GWh Energie pro Jahr eingespart wurden. Die Maßnahmen beinhalten beispielsweise Anforderungen an die Ausführungsqualität von Sanierungen und Neubauten im Rahmen von Förderungen, wie die Verwendung von energieeffizienten Heizsystemen, oder die Verwendung von energieeffizienter Beleuchtung im öffentlichen Bereich. (vgl. MA 20 2012, S.61) Im Rahmen der letzten Evaluierung, die alle drei Jahre durchgeführt wird, wurde auch festgestellt, dass viele Maßnahmen in dem Städtischen Energieeffizienz Programm von 2006 nicht mehr aktuell sind. Einerseits haben sich die Rahmenbedingungen in einigen Bereichen geändert und damit auch die Herausforderungen. Andererseits bietet die technologische Entwicklung neue Möglichkeiten, um Anforderungen zu definieren. Da das Programm noch bis Ende 2015 läuft, werden die bisherigen Maßnahmen für das Nachfolgeprogramm überarbeitet werden, worin auch das Thema Kühlung und Klimatisierung wichtiger werden wird. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier,2014) 35 4.1.3. RAP - Renewable Action Plan Vienna Im Renewable Action Plan Vienna (RAP_Vie), welcher ebenfalls von der Magistratsabteilung 20 koordiniert wird, werden Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien wie Solarenergie und Geothermie definiert. Der Maßnahmenkatalog gilt bis ins Jahr 2020 und beinhaltet zum Beispiel neben dem Ausbau des Fernwärmenetzes auch die Einspeisung von regenerativen Energien, wie Geothermie, in das Fernwärmenetz oder den Ausbau von Photovoltaikanlagen und solarthermischen Anlagen. Des Weiteren sieht der Renewable Action Plan auch Investitionen in regenerative Stromerzeugung, wie beispielsweise Windkraftanlagen, außerhalb Wiens vor, wenn damit Energie für die Stadt Wien produziert wird. Für die Zukunft sollen die Energienetze zu intelligenten Netzen umgebaut werden, wobei Möglichkeiten geschaffen werden sollen, Stromüberschüsse aus regenerativen Quellen zu speichern. (vgl. MA 20 2012, S.81) Grundsätzlich geht es um den Einsatz von erneuerbaren Energien, die vor Ort möglichst keine Emissionen verursachen. Dafür eignen sich in Wien vor allem Solarthermie und Photovoltaik oder die Nutzung der Erdwärme oder Grundwasserwärme. Die Nutzung von Windkraft ist aufgrund der begrenzten Fläche Wiens und aus genehmigungsrechtlichen Gründen nur eingeschränkt möglich. Daher werden durchaus Investitionen außerhalb Wiens getätigt, um den Energiemix für die Stadt Wien zu erweitern. Im Osten Österreichs gibt es bereits einige Windparks, die tendenziell ausgebaut werden. Energie aufgrund von Überproduktion aus den Windkraftanlagen könnte künftig von der Stadt Wien genutzt werden. Ein zentraler Bestandteil des städtischen Energiemix werden nach wie vor Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bilden, die einerseits Wärme ins städtische Fernwärmenetz einspeisen und andererseits Strom erzeugen. In das Fernwärmenetz soll künftig zusätzlich zum Biomasseheizkraftwerk in Simmering mehr Energie aus erneuerbaren Quellen eingespeist werden. Die Stadt Wien setzt dabei auf den Ausbau der Tiefengeothermie, wo Bohrtiefen von bis zu fünf Kilometern erreicht werden. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) 36 4.1.4. Smart City Wien Der Begriff Smart City wurde schon seit Ende der 1990er Jahren für eine vernetzte Gesellschaft verwendet, bei der das Leben durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) geprägt ist. Heute versteht man unter dem Begriff Smart City eine Lebensqualität, bei der ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen unter Verwendung intelligenter IKT - Systeme erreicht wird. Aufgrund des weltweiten Trends zum Städtewachstum sind gerade auf städtischer Ebene Konzepte gefragt, wie man effizient mit Ressourcen umgehen kann, da gerade Städte die größten CO2-Emissionen verursachen. Die Stadt Wien setzt bei dem Konzept der Smart City Schwerpunkte in folgenden Bereichen: • Energie • Klima, • Verkehr • Stadtentwicklung Die Programme Renewable Action Plan Vienna und das Städtische Energieeffizienz Programm bilden dabei die Grundlage für die Energiepolitik der Smart City. (vgl. MA 20 2012, S.93f.) In einem ersten Stakeholderprozess im Jahr 2011 wurden langfristige Ziele in Form einer Roadmap for 2020 and beyond für das Smart City Konzept erarbeitet. Dieser Prozess wird unter der Leitung der MA 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung in Verbindung mit der Smart City Wien Agentur, die bei dem Unternehmen TINA Vienna Urban Technologies & Strategies GmbH angesiedelt ist, weitergeführt. Derzeit wird aufbauend auf der Roadmap eine Rahmenstrategie zur Smart City entwickelt, in der bereits laufende Programme der Stadt integriert und koordiniert werden. Die Programme der verschiedenen Magistratsabteilungen werden dadurch nicht mehr für sich allein betrachtet, sondern im Zusammenhang mit einer übergeordneten Strategie. Diese Rahmenstrategie wird dieses Jahr in den Wiener Gemeinderat eingebracht. (vgl. Expertengespräch Schaffler, 2014) Im Bereich der Stadtplanung sollen über Vorgaben im Stadtentwicklungs- und Flächenwidmungsplan, wie Orientierung und Dichte der Baumassen mit 37 Vorschreibungen zur Energieeffizienz in Gebäuden, Energieeinsparungen erzielt werden (vgl. MA 18 2012, S.14). Im Neubau sollen bis 2020 entsprechend der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) nur noch Null-Energie-Gebäude mit Verwendung erneuerbarer Energien realisiert werden. Das betrifft sowohl den Heizbedarf als auch den Kühlbedarf. Bei Bestandsgebäuden wie Wohngebäude und Nicht-Wohngebäude sollen die Sanierungsraten durch Förderungen und optimierte Standards gesteigert werden, wobei bei Nicht-Wohngebäuden unter Berücksichtigung einer Lebenszyklusbetrachtung zu prüfen ist, ob Abbruchmaßnahmen anstatt ineffizienter Sanierungen ökonomisch sinnvoller sind. Grundsätzlich sollte bei Sanierungen die Bereitstellung von Kühlenergie durch Kältemaschinen vermieden werden. (vgl. MA 18 2012, S.20f.) 4.2. Energieversorgung - Bereitstellung von Kühlenergie Die Erzeugung von Kühlenergie erfolgt bei konventionellen Systemen in der Regel fast ausschließlich über einen hohen Einsatz von elektrischer Energie. Infolge des Klimawandels und der weiteren Verbreitung von Raumklimatisierung treten im Sommer immer häufiger extrem hohe Lastspitzen in den Stromnetzen auf. „Nach Einschätzung von ExpertInnen wird in einigen Jahren der Energiebedarf für Bürokühlung im Sommer mit dem heutigen Heizenergiebedarf im Winter übereinstimmen“ (MA 20 2012, S.71). Um den Bedarf von Kühlenergie zu senken und eine Überlastung der Stromnetze zu vermeiden, verfolgt die Stadt Wien die Strategie den Kühlbedarf von Gebäuden durch bauliche Maßnahmen und Vermeidung externer und interner Lasten, siehe Kapitel 5.1.2, möglichst gering zu halten. Bei der Erzeugung von Kühlenergie sollen alternative Systeme anstatt konventioneller Systeme eingesetzt werden. (vgl. MA 20 2012, S.71) Von städtischen Versorgungsunternehmen wird die Kühlenergie zentral über ein Fernkältenetz oder dezentral über thermische Kältemaschinen unter Verwendung von Fernwärme bereitgestellt, siehe Kapitel 4.1.1. 38 4.2.1. Zentrale Versorgung mit Kühlenergie Bei einer Versorgung von Gebäuden mit Fernkälte wird die Kühlenergie zentral in einer Anlage aufbereitet und über ein Fernkältenetz an die entsprechenden Abnehmer verteilt. Bei diesem Konzept werden Kälteanlagen, in der Regel Sorptionskältemaschinen in der Nähe von Orten mit hohen Wärmeabgaben, meistens thermische Kraftwerke, errichtet. Die Kühlenergie wird dann unter Verwendung von Wärme erzeugt über einen Kaltwasserkreislauf mit isolierten Rohrleitungen zu den Abnehmern transportiert, wo sie in das jeweilige Kühlsystem des Gebäudes eingespeist wird. Fernkälte eignet sich besonders für Gebäude mit einem hohen Kühlbedarf, da durch die zentrale Versorgung mit Kühlenergie eigene Kältemaschinen mit hohem Energieverbrauch vor Ort vermieden werden können. Eine klassische Fernkältezentrale wurde 2009 mit einer Leistung von 17 Megawatt (MW) in Spittelau, gleich in der Nähe zum Müllheizkraftwerk, errichtet. Zur Erzeugung der Kälte wird die Wärme aus der Verbrennung des Mülls und die Abwärme der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen genutzt. Die Wärme wird in der Kältezentrale als Antriebsenergie für zwei Absorptionskältemaschinen, siehe Kapitel 5.2.6.2, mit je fünf MW genutzt, bei denen der Stromverbrauch wesentlich niedriger ist als bei konventionellen Kältemaschinen. Zusätzlich wurde eine Kompressionskältemaschine mit 7 MW integriert, die mit dem Strom aus den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen des Müllheizkraftwerks versorgt wird. Gerade im Sommer außerhalb der Heizperiode steht ein großes ungenutztes Potential an Wärme aus dem Müllheizkraftwerk zur Verfügung, dass zur Erzeugung von Kühlenergie genutzt werden kann. Die Fernkältezentrale in Spittelau versorgt unter anderem das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien als größten Abnehmer von Kühlenergie und spart durch die Nutzung von Abwärme im Vergleich zur konventionellen Kälteerzeugung etwa 79Prozent an CO2-Emissionen ein. Das Fernkältenetz wird daher voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten weiter ausgebaut werden. (vgl. MA 20 2012, S.71f.) Allerdings ist man beim Kältetransport aufgrund der niedrigen Temperaturdifferenzen zwischen Zulauf und Rücklauf in der Leistung begrenzt. Die Zulauftemperatur bei der Versorgung eines Gebäudes beträgt etwa 6 Grad und die Rücklauftemperatur zur Kältezentrale etwa 12 Grad. Dadurch ist der Hub, den man energetisch gewinnen kann, sehr gering. Beispielsweise können bei der Fernwärme mit Zulauftemperaturen von 39 140°C bis 150°C und Rücklauftemperaturen von 60°C bis 70°C größere Energiemengen umgesetzt werden. Der Kältetransport ist daher energetisch nicht so effektiv wie der Fernwärmetransport. Ein weiterer Aspekt sind die Kosten für einen Fernkälteanschluss, die sich erst ab gewissen Abnahmemengen rechnen. Man muss genau prüfen, in welchen Bereichen die Investition in ein Fernkältenetz sinnvoll ist, wie beispielsweise bei einem Ensemble von Gebäuden, wo einen hoher Kühlbedarf vorhanden ist oder bei Großabnehmern aus dem Gewerbe oder Industrie. Grundsätzlich müssen im Sommer entsprechende Wärmeüberschüsse aus den thermischen Kraftwerken vorhanden sein, dass eine zentrale Fernkälteversorgung sinnvoll angeboten werden kann. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) Die Verwendung von Fernkälte ist im Bürobau aufgrund der hohen Anschlusskosten bisher unattraktiv. Besonders bei energieeffizienten Gebäuden, die den Kühlbedarf teilweise aus regenerativen Quellen decken, wird ein Fernkälteanschluss aus Kostengründen in der Regel ausgeschlossen. (vgl. Expertengespräche Balogh, Steininger, Weiss/ Wiedmann, 2014) Die Kosten für einen Fernkälteanschluss sind oft auch dann ein Ausschlusskriterium, wenn große Mengen an Kühlenergie aufgrund von Rechenzentren abgenommen werden könnten, da eine alternative Erzeugung von Kühlenergie wesentlich günstiger ist (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014). Nach Meinung der befragten Experten ist die Verwendung dezentraler Kälteanlagen sinnvoller, da das Fernwärmenetz zum Betrieb von thermischen Kältemaschinen verwendet werden kann. Der Vorteil liegt darin, dass die Infrastruktur des Fernwärmenetzes bereits vorhanden ist und daher ein Gebäudekomplex über Kältemaschinen vor Ort mit Kühlenergie versorgt werden kann, was besonders dann effektiv ist, wenn im Sommer entsprechende Wärmeüberschüsse aus den thermischen Kraftwerken günstig zur Verfügung stehen. (vgl. Expertengespräche Selke, Steininger, Weiss/ Wiedmann, 2014) 40 4.2.2. Dezentrale Versorgung mit Kühlenergie Bei der dezentralen Erzeugung von Kühlenergie werden thermische Kältemaschinen entweder direkt in der Kältezentrale des zu kühlenden Gebäudes oder in einer eigenen Kältezentrale zur Versorgung mehrerer Gebäude verortet. Die thermischen Kältemaschinen werden mit Wärme betrieben, die entweder über das Fernwärmenetz oder alternative Systeme wie Solarthermie bereit gestellt wird. Solarthermie eignet sich besonders, da der Kühlbedarf in den Gebäuden meistens dann am größten ist, wenn auch die Sonneneinstrahlung am intensivsten ist und damit Kühlenergie erzeugt werden kann. Durch die Nutzung von Fernwärme wird das Fernwärmenetz auch im Sommer besser ausgelastet und das Stromnetz dadurch entlastet. Dezentrale Kälteanlagen bieten sich vor allem dort an, wo bereits ein Fernwärmeanschluss vorhanden ist und Fernkältenetze auch nicht geplant sind. In Wien werden bereits einige Gebäude über eine dezentrale Kälteanlage versorgt wie zum Beispiel der Businesspark TownTown im dritten Wiener Bezirk, in dem 21 Bürogebäude mit Kühlenergie versorgt werden. (vgl. MA 20 2012, S.72f.) Abbildung 25: Schema des Fernkältenetzes in TownTown Quelle: MA 20 2012, S.71 41 Weitere dezentrale Kälteanlagen befinden sich beispielsweise im Sozialmedizinischen Zentrum Ost (SMZ Ost), am Schottenring, womit die Innenstadt versorgt wird oder auch im neuen Hauptbahnhof. Zusammen mit anderen kleineren Kälteanlagen werden etwa 79 MW Kälte erzeugt, wobei Wien Energie bis 2020 das Fernkältenetz auf 200 MW ausbauen will. Wird zur Kälteerzeugung Fernwärme verwendet, werden nur ungefähr 10 Prozent des Primärenergiebedarfs einer konventionellen Kälteerzeugung verbraucht (vgl. MA 20 2012, S.72f.) Eine interessante Entwicklung der Wien Energie ist der Umstand, gewerbliche energieeffiziente Neubauprojekte nicht mehr mit Fernwärme zu versorgen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich die Investitionskosten für einen Fernwärmeanschluss auf Seite des Energieversorgers im Vergleich zur Energiemenge, die an den Kunden abgegeben werden kann, nicht mehr rechnen, da der Restwärmebedarf bei diesen Neubauten zu gering ist, was aber in dieser Arbeit nicht weiter verifiziert wird (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014). Der Einsatz zentraler oder dezentraler Fernkälteversorgung ist daher im Einzelfall zu prüfen. Entsprechende Abnahmemengen sind jedenfalls eine Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung von Fernkälte sowohl auf Seite des Energieversorgers als auch auf Seite des Abnehmers. 42 4.3. Städtisches Mikroklima Infolge des Klimawandels kommt den Maßnahmen zur Gestaltung eines angenehmen Stadtklimas eine immer größere Bedeutung zu. In Wien sind Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas beispielsweise im Stadtentwicklungsplan STEP 2025 enthalten und werden in Projekten wie dem Urban Heat Islands - Strategieplan Wien zur Vermeidung städtischer Wärmeinseln auf Effizienz und Umsetzbarkeit untersucht. Durch ein besseres Stadtklima und die Vermeidung innerstädtischer Wärmeinseln können externe Kühllasten, die auf Gebäude einwirken, reduziert werden. 4.3.1. Stadtentwicklungsplan STEP 2025 Der Stadtentwicklungsplan dient als Leitbild für die räumliche Entwicklung der Stadt und für das künftige urbane Zusammenleben der Gesellschaft. Die Leitlinien werden regelmäßig auf Aktualität überprüft, wobei der neue Stadtentwicklungsplan STEP 2025 vom Wiener Gemeinderat 2014 beschlossen werden soll. Der STEP 2025 ist eine Fortschreibung der Leitlinien des letzten Stadtentwicklungsplans aus dem Jahr 2005, wobei für 2025 unter anderem Schwerpunkte im Bereich des öffentlichen Raums und der Grün- und Erholungsräume gesetzt werden. (vgl. TINA Vienna, 2013) Die stadtklimatische Funktion von Freiräumen wird nach dem Entwurf des STEP 2025 immer wichtiger. Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete sollen auch vor dem Hintergrund des Klimawandels für den Luftaustausch in der Stadt aufrecht erhalten werden. Dabei sollen auch kleinräumige Maßnahmen wie die Verringerung von versiegelten Flächen, eine natürliche Beschattung durch das Pflanzen von Bäumen, ein entsprechendes Regenwassermanagement sowie Dach-und Fassadenbegrünungen zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen. (vgl. MA 18 2014, S.79) Durch den Ausbau von Grünflächen und Freiraumnetzen im Wiener Stadtraum sollen neben attraktiven Freizeitflächen und innerstädtischen Aufenthaltsräumen auch das Stadtklima positiv beeinflusst werden. Freiraumnetze sollen dabei Grün- und Erholungsräume über ein Wegenetz verbinden, das mit gezielten Begrünungsmaßnahmen und Stadtmöbeln attraktiv gestaltet wird. Dadurch soll nicht 43 nur die Erholungsqualität für die Stadtbewohner gestärkt werden, sondern auch das städtische Mikroklima verbessert werden. (vgl. MA 18 2014, S.80f.) 4.3.2. Urban Heat Islands - Strategieplan Wien zur Vermeidung städtischer Wärmeinseln Im Rahmen des EU-Projekts Urban Heat Islands werden Maßnahmen zur Minimierung des global auftretenden Phänomens städtischer Wärmeinseln untersucht. Wien nimmt als eines von acht Städten in Europa an diesem Programm teil. Ziel ist es einen Strategieplan für Wien zu entwickeln, aus dem unter Berücksichtigung von stadtplanerischen, stadtökologischen, soziologischen und ökonomischen Aspekten konkrete Maßnahmen zur Reduktion innerstädtischer Erwärmung abgeleitet werden kann. (vgl. BOKU Wien, 2013) Das Projekt läuft in Wien noch bis Sommer 2014, wobei neben der Entwicklung konkreter Maßnahmen auch Steuerungsmöglichkeiten auf städtischer Ebene aufgezeigt werden, um diese Maßnahmen durch Vorgaben der Stadt umzusetzen. Des Weiteren wird bereits im Vorfeld die Akzeptanz verschiedener Maßnahmen durch Befragung der Bevölkerung überprüft. Man untersucht beispielsweise die Auswirkung von Grün- oder Wasserflächen auf das städtische Mikroklima, in dem man prüft, welche Arten von Begrünungen sich an welchen Standorten am besten eignen. In Wien wird im Rahmen dieses Projekts einerseits das Gebiet südlich des Karlsplatz als Beispiel für einen dicht bebauten Bezirk und der Nordbahnhof als Beispiel für ein Stadterweiterungsgebiet analysiert und Maßnahmen im kleineren Maßstab betrachtet. Dadurch sollen Erkenntnisse gewonnen werden, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung der städtebaulichen Situation effizient umgesetzt werden können und wie diese Maßnahmen in eine Stadtentwicklungsplanung integriert werden können. Im Stadtentwicklungsplan sind bereits Zielsetzungen zur Verbesserung des Stadtklimas vorhanden, die allerdings durch den Strategieplan optimiert werden sollen. Die innerstädtischen Bezirke, dritter bis neunter Bezirk, aber auch der 17 Bezirk sind sehr ambitioniert, kleinräumige Maßnahmen zur Erweiterung von Grünflächen umzusetzen. Im Stadterweiterungsgebiet Aspern war die Integration von Grünräumen in den Stadtraum Gegenstadt des 44 städtebaulichen Leitbilds. Man kann erwarten, dass mit der Entwicklung dieses Stadtteils ein sehr fortschrittliches Konzept zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt wird. (vgl. Expertengespräch Preiss, 2014) 4.3.3. Maßnahmen im städtischen Mikroklima Bei der Bewertung von Maßnahmen, die das städtische Mikroklima beeinflussen, muss vorher der räumliche Bezug betrachtet werden. Grünflächen müssen in einem großen Ausmaß vorhanden sein, um das Mikroklima von Stadtteilen oder Bezirken spürbar beeinflussen zu können, besonders was Kühleffekte betrifft. Einer Studie zur Folge, bei der die Auswirkungen eines etwa 48.000 m² großen Parks im Stadtzentrum von São Paulo auf die Lufttemperatur gemessen wurden, ist der Kühleffekt nach etwa 10 Metern vorbei. Begrünung müsste demnach sehr flächendeckend vorgesehen werden, um Kühleffekte für den Stadtraum erzeugen zu können. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) Abbildung 26: Trianon Park in São Paulo Quelle: http://www.spbairros.com.br/parque-trianon/ Allerdings bringen Grünflächen im kleineren räumlichen Maßstab schon gewisse Kühleffekte, wie zum Beispiel Baumplanzungen in Innenhöfen, die durch eine natürliche Verschattung den Eintrag solarer Strahlung in den Innenhof oder auf die 45 Gebäude vermindern. In der Wiener Innenstadt sind neue Grünlagen wie Parks aufgrund der dichten Verbauung fast nicht mehr realisierbar. Daher können in diesen Gebieten meist nur kleinere Grünstrukturen wie Dachflächen- und Fassadenbegrünungen oder teilweise auch Begrünungen des Straßenraums umgesetzt werden. Die Ausführung der Grünanlagen, als Wiese, Wald oder in Kombination von Wasserflächen, ist dabei sehr entscheidend, da nicht jede Grünfläche die gleichen Auswirkungen hat. Neben der Strukturierung von Grünflächen spielt auch die Lage und die Topografie ein Rolle. Beispielswiese können Windströme, die für den Luftaustausch in der Stadt wichtig sind, durch Bebauung oder ungünstige Bepflanzungen beeinträchtigt werden. Dachbegrünungen und natürliche Versickerungsflächen können das lokale Klima beeinflussen, in dem das Regenwasser zunächst zurückgehalten wird und dann natürlich verdunsten kann. Bei Dachbegrünungen ist zwischen extensiver und intensiver Begrünung zu unterscheiden, wobei der Dachaufbau bei einer intensiven Begrünung hochwertiger ist und dadurch eine größere Bandbreite von Bepflanzungen ausgeführt werden kann. Der Einfluss auf das Klima des darunter liegenden Stadtraum ist bei beiden Systeme zu vernachlässigen. Kühleffekte werden nur unmittelbar im Bereich der Dachfläche erreicht und beziehen sich im wesentlichen auf einen besseren Schutz der Gebäudehülle vor Wärmeeinstrahlung. (vgl. Expertengespräch Preiss, 2014) Von städtischer Seite wurde auf dieses Thema reagiert, in dem ein Gründachpotentialkataster und ein Solarpotentialkataster erstellt wurde. Dadurch sind die Dachflächen ersichtlich, die sich für eine Nutzung von Solarenergie oder für eine Ausführung von Grünflächen eignen. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) Grundsätzlich kann man auch Solartechnologie (Photovoltaik) und Gründächer miteinander kombinieren, was auch ökonomische Vorteile bringt. Der Wirkungsgrad von Solaranlagen ist bei kühleren Temperaturen höher, was durch Dachbegrünungen begünstigt wird. Beide Systeme werden von der Stadt gefördert. Derzeit wird ein Solarleitfaden von der Stadt Wien erstellt, in dem die Kombinierbarkeit dieser System dargestellt wird. Des Weiteren eignen sich Fassaden- und Bauwerksbegrünungen auch in dicht bebauten Gebieten für eine Kühlung des Mikroklimas, was bereits in Projekten nachgewiesen wurde. An der Fassade der Magistratsabteilung 48 wurde eine fassadengebundene Begrünung installiert und man kann dort den Kühleffekt anhand der Wassermenge, die der Begrünung zugeführt wird, berechnen. 46 Abbildung 27: Fassadengebundene Begrünung Magistratsabteilung 48 Quelle: Preiss 2013, S.82 An einem heißen Tag werden der Fassade etwa 800 Liter Wasser zugeführt, die dann verdunsten können. Die damit erzeugte Verdunstungskälte entspricht bei dieser Fassade etwa 50 Klimageräten von je 3000 Watt, die an heißem Tag acht Stunden in Betrieb sind. Diese Leistung wird zwar nicht eins zu eins an den Innenraum abgegeben, aber es entspricht der Wärmeenergie, die nicht auf das Gebäude übertragen wird. Allerdings muss für die fassadengebundene Begrünung im Gegensatz zu einer bodengebundenen Fassadenbegrünung ein Bewässerungssystem installiert werden. (vgl. Expertengespräch Preiss, 2014) In bestehenden Stadtquartieren trägt die Entkernung der Innenbereiche von Blockrandbebauungen ebenfalls dazu bei, Aufenthaltsqualitäten in den Innenhöfen durch Grünflächen zu schaffen. Innenhofentkernungen werden auch bei Blocksanierungen im Zuge der sanften Stadterneuerung gefördert, um in den Blöcken zusammenhängende Grünflächen zu errichten und eine Durchgängigkeit zu erreichen. (vgl. Expertengespräche Preiss, Ritter/ Geier, 2014) Neben den energetischen Effekten schaffen Grünflächen Aufenthaltsqualitäten im öffentlichen Stadtraum oder auch direkt in den Wohnblöcken. Dach- und Fassadenbegrünungen sind vor allem dort eine gute Ergänzung, wo ein Grünraummangel vorhanden ist. 47 5. Kühlstrategie im Hochbau. 5.1. Klimatische Bedingungen von Bürogebäuden 5.1.1. Raumklima und Behaglichkeitskriterien Menschen verbringen den Großteil ihrer Zeit in Gebäuden. Daher ist es wichtig ein gesundes und komfortables Raumklima zu erzeugen, um optimale Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für die GebäudenutzerInnen zu gewährleisten. Unter dem Begriff Raumklima werden alle Bedingungen eines Raumes verstanden, die das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der NutzerInnen beeinflussen. Neben natürlicher Lüftung werden dafür Heizungs- und Lüftungsanlagen verwendet. Das Raumklima wird auch von den Personen beeinflusst, die sich in einer gewissen Anzahl mit bestimmten Tätigkeiten eine bestimmte Zeit in Räumen aufhalten und damit thermische und stoffliche Belastungen erzeugen. Dabei ist die Art der Bekleidung zu berücksichtigen. Die Qualitäten des Raumes bestimmen das Wohlbefinden durch das Verhältnis zwischen Oberflächentemperatur und Lufttemperatur, durch vorhandene Wärmequellen wie EDV-Geräte und durch die verwendeten Baustoffe, die eine Geruchsbelastung durch Schadstoffemissionen erzeugen können. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die raumlufttechnischen Anlagen, die Luftqualitäten, Temperatur, Feuchtigkeit und Reinheit in den Räumen unter Berücksichtigung der Luftwechselrate und Luftgeschwindigkeit steuern. Man unterscheidet im Wesentlichen folgende Parameter, die zur Behaglichkeit in einem Raum beitragen: • Raumlufttemperatur und Oberflächentemperatur • Luftbewegung • Luftfeuchte • Luftqualität Der Mensch gibt in Abhängigkeit seiner Tätigkeit und Umgebungstemperatur Wärmeenergie an seine Umgebung ab. Bei einer niedrigen Umgebungstemperatur ist die Wärmeabgabe sehr hoch 48 und man fängt an zu frieren. Eine hohe Umgebungstemperatur führt zu einem Wärmestau im Körper und man beginnt zu schwitzen. Durch warme Kleidung kann die menschliche Wärmeabgabe verzögert beziehungsweise bei leichter Kleidung erhöht werden. Für das Wohlbefinden muss zwischen Körpertemperatur und Raumlufttemperatur eine gewisse Differenz bestehen, wobei die empfundene Temperatur ebenfalls ein wichtiges Kriterium ist. Die Empfindungstemperatur, auch operative Temperatur genannt, setzt sich aus dem Mittelwert zwischen Raumlufttemperatur und Oberflächentemperatur der Raumbegrenzungsflächen wie Wände, Decken, Fußböden und Fenster zusammen und sollte nicht mehr als drei Kelvin von der Raumtemperatur abweichen. (vgl. Pistohl 2007, S. L4f.) Die Raumtemperatur hat neben der Behaglichkeit auch einen großen Einfluss auf die Produktivität am Arbeitsplatz, wobei je nach Tätigkeit unterschiedliche Temperaturen als angenehm empfunden werden. Bei sitzender Bürotätigkeit werden Temperaturen zwischen 23°C und 25°C als angenehm empfunden. Die Produktivität am Arbeitsplatz nimmt bei Temperaturen ab 26°C rapide ab und fällt bei Temperaturen bis an die 30°C auf etwa 60 Prozent der normalen Leistungsfähigkeit (vgl. Sattler et al. 2010, S.7). Abbildung 28: Leistungsfähigkeit des Menschen relativ zum Raumklima Quelle: Sattler et al. 2010, S.7 49 Nach Arbeitsstättenverordnung §28 Absatz 1 muss bei Arbeiten mit geringer körperlicher Belastung eine Lufttemperatur zwischen 19 und 25°C gewährleistet werden (vgl. §28 Abs. 1 AStV). Nach ÖNORM B 8110 - 3 darf zum Schutz vor sommerlicher Überwärmung eine operative Temperatur von 27°C nicht überschritten werden (vgl. ÖNORM B 8110 - 3, 2012-03). In den Sommermonaten ist in der Regel eine Kühlung erforderlich, um die vorgeschriebenen maximalen Raumtemperaturen einhalten zu können. Die Behaglichkeit wird auch von der Luftbewegung beeinflusst. In der freien Natur werden Luftbewegungen durchaus als angenehm empfunden, hingegen reagiert man in geschlossenen Räumen eher empfindlich. Durch hohe Luftgeschwindigkeiten verliert der Körper schneller Wärme, was als Zugerscheinungen empfunden wird. Daher sollte in geschlossenen Räumen die Temperatur und der Turbulenzgrad bei der Auslegung von Luftgeschwindigkeiten berücksichtigt werden. Für den Betrieb im Winter sollten bei Temperaturen um die 20°C Luftgeschwindigkeiten von etwa 0,1 m/s und für den Betrieb im Sommer bei Temperaturen von 24-28°C Luftgeschwindigkeiten bis 0,35 m/s angenommen werden. (vgl. Sattler et al. 2010, S.9) Nach Pistohl werden folgende Werte für die Auslegung der Luftgeschwindigkeit empfohlen. Abbildung 29: Auslegungswerte für Luftgeschwindigkeit (DIN EN 13 779) Lufttemperatur Üblicher Bereich Standartwert θa = 20°C 0,10 - 0,16 m/s v = ≤ 0,13 m/s θa = 21°C 0,10 - 0,17 m/s v = ≤ 0,14 m/s θa = 22°C 0,11 - 0,18 m/s v = ≤ 0,15 m/s θa = 24°C 0,13 - 0,21 m/s v = ≤ 0,17 m/s θa = 26°C 0,15 - 0,25 m/s v = ≤ 0,20 m/s Quelle: Pistohl 2007, S.L5 50 Der menschliche Körper gibt die Wärme teilweise durch Verdunstung über die Haut ab. Daher ist die Luftfeuchte im Raum ein weiteres wesentliches Kriterium für das Wohlbefinden. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wird über die relative Luftfeuchtigkeit definiert, die das Verhältnis zwischen Wasserdampfmenge und Sättigungsmenge in Abhängigkeit zur Temperatur ausdrückt. Bei steigenden Temperaturen wird eine hohe Luftfeuchtigkeit als unangenehm empfunden, da der Körper nicht mehr genug Wärme über Verdunstung abgegeben kann. In diesem Fall sollte die relative Luftfeuchte im Raum herabgesetzt werden, um die Abgabe von Wärme über Verdunstung zu erleichtern. Das Behaglichkeitsfeld für den Anteil der Luftfeuchte befindet sich zwischen 35 Prozent und 65 Prozent, wobei der Bereich von 45 Prozent bis 55 Prozent als optimal empfunden wird. (vgl. Pistohl 2007, S. H9) Dabei ist auch zu beachten, dass die Raumtemperatur mit steigender relativer Luftfeuchte oft wärmer empfunden wird. Beispielsweise wird eine Raumtemperatur von 26°C bei einer relativen Luftfeuchte von 40 Prozent bereits als 28°C empfunden. (vgl. Sattler et al. 2010, S.9) Der Feuchtegehalt in der Luft kann durch Lüftungsanlagen mit Be- und Entfeuchtung reguliert werden. Nach Arbeitsstättenverordnung §28 Absatz 5 ist bei Verwendung einer Klimaanlage eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 Prozent und 70 Prozent zulässig. (vgl. §28 Abs. 5 AStV) Die Luftqualität wird durch Verunreinigungen beeinflusst, die infolge der Nutzung oder der räumlichen Bedingungen auftreten. Sie ist ebenfalls entscheidend für das Behaglichkeitsgefühl. Luftverunreinigungen entstehen beispielsweise durch einen erhöhten Kohlendioxydgehalt in der Luft aufgrund menschlicher Atmung, durch Staubbelastungen, Tabakrauch oder Ausdünstungen von Baustoffen und Einrichtungsgegenständen. Eine Verbesserung der Luftqualität kann durch natürliche Lüftung oder durch raumlufttechnische Anlagen, die eine gewisse Menge an Frischluftzufuhr pro Stunde und pro Person gewährleisten, erfolgen. (vgl. Pistohl 2007, S. L12) Die Europäische Norm EN 13 779 klassifiziert verschiedene Raumluftkategorien, bei denen die vorher genannten Parameter berücksichtigt wurden. 51 Abbildung 30: Klassifizierung der Raumluftqualität - IDA (EN 13 779) Kategorie Beschreibung IDA 1 Hohe Raumluftqualität IDA 2 Mittlere Raumluftqualität IDA 3 Mäßige Raumluftqualität IDA 4 Niedrige Raumluftqualität Quelle: ÖNORM EN 13 779, 2008-01 Nach der Norm EN 13 779 werden für Aufenthaltsräume folgende Mindestanforderungen an Außenvolumenströme empfohlen. Abbildung 31: Außenluftvolumenströme je Person (EN 13 779) Außenluftvolumenstrom je Person in m³/h Kategorie Nichtraucher-Bereich Raucher-Bereich Üblicher Bereich Standardwert Üblicher Bereich Standardwert IDA 1 > 15 20 > 30 40 IDA 2 10 - 15 12,5 20 - 30 25 IDA 3 6 - 10 8 12 - 20 16 IDA 4 <6 5 < 12 10 Quelle: ÖNORM EN 13 779, 2008-01 Bei mechanischen Be- und Entlüftungsanlagen ist nach §27 Absatz 3 Arbeitsstättenverordnung bei Arbeiten mit geringer körperlicher Belastung ein Luftwechsel von mindestens 35 m³ pro Stunde und anwesender Personen im Raum zu gewährleisten (vgl. §27 Abs. 3 AStV). Die Anforderungen der AStV liegen demnach weit über den Mindest-Anforderungen nach der europäischen Norm EN 13779. Das Wohlbefinden in einem Raum wird außerdem durch die Akustik, Beleuchtung und Farbgebung beeinflusst. Durch raumlufttechnische Anlagen kann der Nutzerkomfort 52 verbessert werden und Energieeinsparungen durch kontrollierte Lüftung und Wärmerückgewinnung erzielt werden, wobei den Einspareffekten auch höhere Herstellkosten gegenüber stehen. Allerdings ist bei der Verwendung von raumlufttechnischen Anlagen eine sorgfältige Planung und ein sachgemäßer Betrieb eine Voraussetzung, da diese Anlagen auch das Wohlbefinden beeinträchtigen können. Besonders bei vollklimatisierten Gebäuden mit nicht öffenbaren Fenster kann das Sick Building Syndrom auftreten und zu Beeinträchtigung des Wohlbefindens bis hin zu Gesundheitsstörungen führen. Statistischen Umfragen zur Folge wurden bei klimatisierten Gebäuden vor allem Zuglufterscheinungen, Lärmemissionen durch Lüftungsanlagen und Bildung von Schimmelpilzen im Leitungssystem der Lüftung wie auch eine fehlende Fensterlüftung bemängelt. (vgl. Pistohl 2007, S. L6) 5.1.2. Kühllasten Kühllasten entstehen durch Wärmeeinträge, die dem Raum entweder von außen zugeführt werden, wie Solarstrahlung, oder durch Wärmequellen, die bereits im Raum vorhanden sind, wie EDV-Ausstattung, Beleuchtung und anwesende Personen. Zur Bestimmung der Kühllasten sind die vorhandenen Speichermassen des Gebäudes beziehungsweise die speicherwirksame Masse eines Raumes zu berücksichtigen. Diese ist abhängig von der Bauweise des Gebäudes, Leichtbau oder Massivbau, und den verwendeten Baustoffen. Bei einer massiven Bauweise kann die Wärme in den Wänden, Decken oder Böden gespeichert werden und zeitverzögert wieder in den Raum abgegeben werden. Für eine wirksame Wärmeaufnahme und Abgabe müssen die massiven Bauteile frei in den Raum gerichtet sein und dürfen nicht durch abgehängte Decken oder Vorsatzschalen verdeckt werden. Bei einer Leichtbauweise sollten zumindest die Boden- und Deckenkonstruktion massiv ausgeführt werden, um Speichermassen zu generieren. Die speicherwirksame Masse kann nach ÖNORM B 8110-3 ermittelt werden. Die Kühllasten können durch Sonnenschutz, Speichermassen oder durch eine entsprechende Orientierung der Büroflächen wesentlich reduziert werden (vgl. Blümel 2002, S.9f.). Bei klimatisierten Gebäuden sind die Energiekosten für Kühlung wesentlich höher als für Heizung. Von daher ist die Reduktion von Kühllasten ein besonders wichtiges Thema. (vgl. Pistohl 2007, S. L65) 53 5.1.2.1. Externe Lasten Externe Lasten entstehen hauptsächlich durch Wärmeinträge infolge • Solarer Strahlung durch transparente Bauteile • Transmission durch Außenwände, Fenster und Dächer • Luftaustausch zwischen Außenraum und Innenraum (vgl. Fink et al. 2002, S.26) Die solare Strahlung durch transparente Bauteile verursacht mit über 50 Prozent den größten Anteil an der Kühllast. Deswegen sind bei Fenstern und großflächigen Verglasungen Vorkehrungen für den Sonnenschutz zu treffen, um die solaren Einträge vor allem in den Sommermonaten möglichst gering zu halten. Die Intensität der Einstrahlung auf die Fassadenflächen ist je nach Himmelsrichtung unterschiedlich und abhängig von der Tages- und Jahreszeit. Die größte Belastung durch Solarstrahlung findet in den Sommermonaten auf der Ost- und Westfassade statt. Da die Sonne um die Mittagszeit am höchsten steht und durch den steilen Einfallswinkel weniger solare Strahlung auf die Fassade trifft, ist der Wärmeeintrag auf der Südfassade im Sommer etwas geringer als auf der Ost- und Westfassade. (vgl. Sattler et al. 2010, S.10) Abbildung 32: Gesamtstrahlung nach Himmelsrichtung Quelle: Sattler et al. 2012, S.10 54 Im Frühjahr und Herbst trifft die Solarstrahlung in der gleichen Intensität auf die Ost-, Süd- und Westfassade auf. (vgl. Pistohl 2007, S. L65). Eine Orientierung großflächiger Verglasungen sollte besonders auf der Ostfassade vermieden werden, da die Raumtemperatur bereits morgens durch die solaren Einträge sehr erhöht wird. Wärme wird auch von außen infolge Transmission durch Wände, Decken und Fenster in das Gebäude eingetragen. Der opake Anteil der Gebäudehülle spielt bei den Wärmeeinträgen über Transmission eine untergeordnete Rolle. Den größten Anteil machen wie bereits angeführt die transparenten Bauteile aus, bei denen Wärme nicht nur direkt über Strahlung eindringt, sondern auch indirekt über Konvektion. Der konvektive Anteil entsteht durch die Erwärmung der Glasscheibe, die einen Teil der Solarstrahlung absorbiert. Zwischen erwärmter Verglasung und Raumluft entsteht ein Temperaturgefälle, wodurch Wärme von der Glasscheibe an den Innenraum abgegeben wird. Die Energiemenge, welche durch direkte und indirekte Solarstrahlung in das Gebäude eindringen kann, wird durch den Gesamtenergiedurchlassgrad g bestimmt. Sonnenschutzgläser mit einem sehr geringen g-Wert verhindern das Eindringen von Sonneneinstrahlung zu einem signifikantem Teil. (vgl. Fink et al. 2002, S.26f) Lüftungswärmegewinne entstehen durch den Luftaustausch zwischen Außen- und Innenraum. Lüftungsanlagen saugen die heiße Außenluft im Sommer an und geben die warme Raumluft an den Außenraum ab, um den erforderlichen Luftwechsel wie im Abschnitt 5.1.15.1.1 beschrieben zu gewährleisten. Die heiße Außenluft muss abgekühlt werden, bevor sie dem Innenraum zugeführt werden kann, was wiederum Kühllasten verursacht. (vgl. Fink et al. 2002, S.27) 5.1.2.2. Interne Lasten Interne Lasten entstehen durch Wärmeeinträge von • EDV-Geräten • Beleuchtung • Anwesenden Personen 55 EDV - Geräte tragen in Büros vor allem in den Sommermonaten wesentlich zu den internen Lasten bei. Bürogeräte werden zwar immer energieeffizienter, aber durch die Zunahme an technischer Ausstattung mit längeren Betriebszeiten ist die dem Raum zugeführte Wärme in Büros eher angestiegen. Der Stromverbrauch durch elektrische Geräte fällt zum größtenteils im Standby-Modus an, wenn die Geräte also in Bereitschaft sind, und nur zu einem geringen Anteil durch die aktive Gerätenutzung. Die Geräteabwärme verursacht besonders bei der aktiven Nutzung signifikante Kühllasten. PC´s, Drucker und Kopierer geben die Wärme durch Ventilatoren an den Raum ab. (vgl. Fink et al. 2002, S.30 - 32) Eine optimale Beleuchtung ist eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, die nach ÖNORM EN 12464-1 bestimmt wird. Die Verwendung energetisch ineffizienter Beleuchtungskörper und lange tägliche Betriebszeiten können zu hohen Wärmelasten führen. Mit modernen Leuchten wie LED - Technik kann der Energieverbrauch allerdings erheblich reduziert werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.32) Die anwesenden Personen verursachen durch Abgabe von Körperwärme ebenfalls interne Lasten. Dabei ist die Personenanzahl und die Belegungsdichte zu berücksichtigen. Besonders in kleineren Räumen mit einer hohen Personenanzahl, wie es beispielsweise in Besprechungsräumen der Fall ist, müssen sehr hohe Wärmelasten abgeführt werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.32f.) Die folgenden Abbildungen zeigen den Kühlbedarf, der durch innere und äußere Lasten erzeugt wird und den jeweiligen Anteil an der Gesamtkühllast. 56 Abbildung 33: Typische ypische innere und äußere Kühllasten in Bürogebäuden Quelle: Sattler et al. 2012, S.11 Abbildung 34: Verteilung der Kühllasten in einem durchschnittlichen Büro Quelle: Sattler et al. 2012, S.11 Hauptverursacher von Kühllasten in Büros sind die Sonneneinstrahlung durch Fenster mit einem Anteil von 50 Prozent,, die Geräteabwärme der EDV-Ausstattung EDV und die anwesenden Personen. Der Kühlbedarf kann durch entsprechende Maßnahmen bei diesen Parametern am effektivsten reduziert werden. 57 5.2. Systeme zur Kühlung/ Klimatisierung in Bürogebäuden Kühllasten können auf verschiedene Weise aus dem Raum abgeführt werden. Die Raumwärme kann einerseits durch Wärmestrahlung von kühlen Raumoberflächen wie massiven Bauteilen und Flächen-Kühlsystemen Flächen aufgenommenn werden oder es kann andererseits warme Raumluft durch Konvektion über Ventilatorkonvektoren oder Konvektionsdecken im Raum gekühlt werden. Eine weitere Möglichkeit ist der Austausch warmer Raumluft gegen kühle Zuluft, was in der Regel über zentrale Raumluftanlagen erfolgt. (vgl. Sattler et al. 2012, S.23) Die Begriffe Kühlung und Klimatisierung unterscheiden sich in der der Art der Konditionierung der Raumluft und damit in den thermodynamischen Funktionen Heizen, Kühlen, Befeuchten und Entfeuchten. Reine Kühlsysteme systeme beschränken sich auf die Aufnahme der Raumwärme beziehungsweise Kühlung der Raumluft. Klimaanlagen werden nach der Anzahl der thermodynamischen Funktionen in Teilklimaanlagen klimaanlagen mit zwei bis drei Funktionen und Vollklimatisierung mit allen vier Funktionen onen unterteilt, siehe nachfolgende Abbildung. (vgl. Pistohl 2007, L35) Abbildung 35: Einteilung von Klimaanlagen nach ÖNORM EN 13779 Quelle: Sattler et al. 2012, S.23 Klimaanlagen sind raumlufttechnische Anlagen, die im Gegensatz zu reinen Lüftungsanlagen mit maximal einer einer thermodynamischen Luftbehandlungsfunktion, Luftbehandlungsfunktion über das ganze Jahr bei unterschiedlichen Außentemperaturen konstante Raumluftqualitäten mit entsprechender Luftreinheit, -temperatur und -feuchte gewährleisten können (vgl. Pistohl 2007, L48). Je nachdem dem wie das da Gebäude mit Kühlenergie versorgt wird und wie die Klimaanlagen im Gebäude situiert sind, kann man zentrale und dezentrale 58 Klimaanlagen unterscheiden. Bei zentralen Anlagen wird die Luft für das Gebäude in einer Klimazentrale konditioniert und über Luftkanäle in die jeweiligen Räume verteilt, wie beispielweise bei zentralen Nur-Luft-Anlagen. Dezentrale Anlagen konditionieren die Luft vor Ort in den Räumen, wobei das aufwendige Luftkanalsystem im Gebäude entfallen kann und lediglich ein Anschluss an das Heiz- und Kühlsystem des Gebäudes notwendig ist. Da die Kühlleistung dezentraler Anlagen meistens begrenzt ist, werden diese Anlagen oft in Verbindung mit Flächen-Kühlsystemen eingesetzt. Dezentrale Anlagen unterscheiden sich von Raumklimageräten, da über sie die Klimatisierung für ganze Gebäude bereitgestellt wird und nicht nur für einzelne Räume. Die Geräte sind aber ähnlich aufgebaut, daher ist der Übergang oft fließend.(vgl. Pistohl 2007, L48) Für die Ausführung von Klimaanlagen stehen verschiedene Systeme am Markt zur Verfügung, wobei nach ÖNORM H 5058 folgenden Arten von Kühlsystemen unterschieden werden (vgl. ÖNORM H 5058, 2011-03): • Nur-Luft-Anlagen • Luft-Wasser-Anlagen • Flächenkühlung • Kombisysteme • Passive Kühlsysteme Nachfolgend werden gebräuchliche Kühlsysteme unter der entsprechenden Kategorie vorgestellt. 5.2.1. Nur - Luft - Anlagen Bei Nur-Luft-Anlagen erfolgt die Aufbereitung der Zuluft zentral oder dezentral in nur einer Klimaanlage. Bei einer zentralen Versorgung wird die Zuluft in einer Klimaanlage, die in der Regel in einem Technikgeschoss des Gebäudes verortet ist, konditioniert und über Zuluftkanäle den einzelnen Räumen zugeführt. Die bereitgestellte Zuluft wird in den Räumen nicht nachbehandelt. (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.1, 2011) Zentrale Nur-Luft-Anlagen lassen sich nach dem Luftkanalsystem in Einkanalanlagen und Zweikanalanlagen unterscheiden. Bei Einkanalanlagen wird die 59 Außenluft entsprechend konditioniert und in einem Kanalsystem den jeweiligen Räumen zugeführt. Alle angeschlossenen Räume erhalten die gleiche Luftqualität. Bei Zweikanalanlagen wird die Zuluft nach einer Grundaufbereitung der Außenluft in der Klimazentrale in einen Warmluftkanal und einen Kaltluftkanal getrennt geführt und erst vor dem Lufteintritt in den Raum in einem Mischkasten zusammengeführt. Dieses System wird beispielsweise bei Räumen mit speziellen Temperaturanforderungen eingesetzt, aber mittlerweile wegen der erhöhten Installationskosten durch doppelte Kanalführung und des höheren Energiebedarfs nur noch selten angewendet. Abbildung 36: Schema Einkanal - Niederdruck-Klimaanlage Legende 1 Filter 2 Vorwärmer 3 Luftkühler 4 Luftwäsche mit Tropfenabscheider 5 Nachwärmer 6 Ventilator 7 Schalldämpfer Quelle: Pistohl 2007, L49 Sowohl das Einkanal- als auch das Zweikanalsystem kann als Niederdruck- oder als Hochdruckanlage ausgeführt werden. Bei Hochdruckanlagen können im Gegensatz zu Niederdruckanlagen aufgrund höherer Luftgeschwindigkeiten kleinere Kanalquerschnitte realisiert werden, was bei größeren Gebäuden und vielen Raumgruppen unter Umständen sinnvoller ist, da Platz für die Kanalführung eingespart werden kann. Die hohen Drücke in den Kanälen werden von Ventilatoren erzeugt, die im Vergleich zu Niederdruckanlagen mehr Leistung erbringen müssen und damit mehr Energie verbrauchen. Bevor die Luft den Räumen zugeführt werden kann, muss die Luftgeschwindigkeit in sogenannten Entspannungskästen reduziert werden, da sonst starke Zugluft im Raum vorhanden wäre. Die hohen Luftgeschwindigkeiten in den 60 Kanälen führen auch zu einer beträchtlichen Geräuschentwicklung, womit Schallschutzmaßnahmen wie Schalldämpfer in den Kanälen vorgesehen werden müssen. Des Weiteren können Zentralklimaanlagen mit konstantem Volumenstrom oder variablem Volumenstrom ausgeführt werden. Bei konstantem Volumenstrom wird über die Klimaanlage ein gleichbleibender Zuluftstrom erzeugt, der an die gewünschte Raumtemperatur angepasst ist. Durch einen variablen Volumenstrom kann die Zuluftmenge in den Räumen durch Volumenstromregler nach Bedarf gesteuert werden. Wärmelasten können beispielsweise durch Änderung der Zuluftmenge besser abgeführt werden. (vgl. Pistohl 2007, L49 - 51) Grundsätzlich ist es möglich den Heiz- und Kühlbedarf komplett über konditionierte Luft aus raumlufttechnischen Anlagen zu decken, was allerdings mit einem sehr hohen Energieverbrauch verbunden ist. Daher werden raumlufttechnische Anlagen in der Regel mit additiven Elementen, wie zum Beispiel Heizkörper ausgeführt, die den Wärmebedarf in den Räumen wesentlich effizienter abdecken. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). Als Dezentrale Nur-Luft-Anlagen werden nach ÖNORM H 5058 Splitgeräte mit Wärmepumpen angesehen. Ein Beispiel für Multi-Split-Anlagen ist die VFR - Technik (Variable Refrigerant Flow), die aus einem Außengerät mit Kühlaggregat und beliebig vielen Innengeräten besteht. Abbildung 37: Anlagenschema einer VRF-Anlage Quelle: Pistohl 2007, L55 61 Über die Innengeräte kann das Heizen und Kühlen in jedem Raum individuell geregelt werden, auch eine Entfeuchtung der Luft ist möglich. VFR-Anlagen funktionieren nach dem Prinzip einer Luft-Wärme-Pumpe, bei der zur Kühlung der Raumluft Wärme aus dem Raum aufgenommen wird, in dem ein Kältemittel im Innengerät verdampft. Die aufgenommene Wärme wird dann im gasförmigen Zustand zum Außengerät transportiert, wo es wieder kondensiert und im flüssigen Zustand wieder zum Innengerät zurückfließt, wo es wieder erneut Raumwärme aufnimmt. (vgl. Pistohl 2007, L 55) 5.2.2. Luft - Wasser - Anlagen Bei Luft-Wasser-Anlagen, auch Primärluftanlagen genannt, wird die Außenluft in der Lüftungszentrale nur grundaufbereitet. Die Zuluft (Primärluft) wird dann im Unterschied zu Nur-Luft-Anlagen nachbehandelt und in der Regel im Raum an die gewünschte Luftqualität individuell angepasst. Nach ÖNORM H 5058 wird bei LuftWasser-Anlagen zwischen Induktionsklimaanlagen und Gebläsekonvektor-Anlagen unterschieden (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.2, 2011). 5.2.2.1. Induktionsklimaanlage Die Außenluft wird zuerst von einer zentralen Klimaanlage angesaugt und grundaufbereitet, wobei die Luft gereinigt und nach Bedarf be- oder entfeuchtet und gekühlt oder erwärmt wird. Anschließend wird die vorbehandelte Außenluft als Primärluft über ein Kanalsystem den jeweiligen Räumen zugeführt, wo sie in Induktionsgeräten auf eine gewünschte Raumtemperatur durch Kühlung oder Heizung nachbehandelt wird. Die Primärluft wird aus den Zuluftkanälen über feine Düsen in den Induktionsgeräten in den Raum eingeblasen, wobei bei diesem Vorgang Raumluft als Sekundärluft angesaugt und der Primärluft beigemischt wird. Primär- und Sekundärluft werden im Induktionsgerät über einen Wärmetauscher entsprechend konditioniert und als Zuluft in den Raum eingeblasen. Die verbrauchte Luft wird aus dem Raum abgesaugt und über Fortluftkanäle ins Freie geführt. Da die Raumluft als Umluft zur Konditionierung der Raumluftqualität genutzt wird, kann der Primärluftanteil auf eine erforderliche Mindest-Luftwechselrate reduziert werden, wodurch die Querschnitte der Zuluftkanäle vor allem bei Hochdruckanlagen mit hohen Luftgeschwindigkeiten 62 geringer dimensioniert werden können. Allerdings muss jedes Induktionsgerät an einen Heiz- und Kaltwasserkreislauf im Gebäude angeschlossen werden, so dass eine Kühlung oder Beheizung der Primärluft aus der Klimazentrale und der Sekundärluft aus dem Raum möglich ist. (vgl. Pistohl 2007, L 53) Abbildung 38: Schema Hochdruck-Induktionsklimaanlage und HDInduktionsgerät Legende 1 Filter 2 Vorwärmer 3 Luftkühler 4 Luftwäsche mit 5 Tropfenabscheider 6 Nachwärmer 7 Ventilator 8 Schalldämpfer 9 Hochdruck-Induktionsgerät Quelle: Pistohl 2007, L53 Hochdruck-Induktionsanlagen können bei hohen Gebäuden oder Gebäuden mit vielen Einzelräumen, die individuell regelbar sein müssen, sinnvoll angewendet werden. Des Weiteren kann beispielsweise außerhalb der Betriebszeiten des Gebäudes bei einer abgeschalteten Klimazentrale immer noch eine Grundtemperierung durch Konvektion der Raumluft über die Induktionsgeräte in den Räumen erfolgen. (vgl. Pistohl 2007, L 53) 5.2.2.2. Gebläsekonvektoren (Fan Coils) Gebläsekonvektoren, auch sogenannte Ventilatorkonvektoren oder FanCoils, können als Decken- oder Wandgerät im Raum installiert werden (vgl. Sattler et al. 2012, S.25). Sie haben einen ähnlichen Aufbau wie Induktionsgeräte, wobei die Zuluft nicht über Düsen sondern über Ventilatoren in den Gebläsekonvektoren dem Raum zugeführt wird (vgl. Pistohl 2007, L 54). Die Konditionierung der Zuluft erfolgt wie bei den Induktionsgeräten über Wärmetauscher, welche die Zuluft kühlen oder beheizen. Heiz63 und Kühlenergie wird den Gebläsekonvektoren über einen Warm- und Kaltwasserkreislauf bereitgestellt. Gebläsekonvektoren können einerseits ähnlich der Induktionsklimaanlagen mit Umluft und einem Frischluftanteil betrieben werden. Dabei wird Außenluft als Primärluft entweder analog zur Induktionsklimaanlagen zentral grundaufbereitet und über Luftkanäle den Gebläsekonvektoren zugeführt oder direkt von der Außenfassade über Öffnungen in der Wand bezogen. Primärluft und Raumluft als Sekundärluft werden von den Gebläsekonvektoren parallel angesaugt und durch Wärmetauscher auf die gewünschte Raumluftqualität nachbehandelt. (vgl. Pistohl 2007, L 115) Abbildung 39: Schema Gebläsekonvektor Quelle: Pistohl 2007, L115 Gebläsekonvektoren können auch nur im Umluftprinzip betrieben werden. Dabei muss der erforderliche Luftwechsel im Raum, beispielsweise über Fensterlüftung oder über ein Lüftungssystem mit Zu- und Abluft, sichergestellt werden (vgl. Expertinnengespräch Balogh 2014). Gebläsekonvektoren verursachen durch die Ventilatoren eine höhere Geräuschentwicklung und auch höhere Wartungskosten als Induktionsgeräte (vgl. Pistohl 2007, L 115). Mittlerweile verfügen Gebläsekonvektoren über ein gutes Strömungsbild, so dass im Raum kaum Zuglufterscheinungen entstehen. Diese Geräte können sehr leicht mit anderen Systemen kombiniert werden und sind daher eine gute Ergänzung, wenn in 64 Bereichen mit hohen Kühl- oder Heizlasten die Energieversorgung durch das Grundsystem nicht gedeckt werden kann. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014) 5.2.3. Flächenkühlung (Nur - Wasser - Anlage) Flächenkühlungen werden bei Gebäuden mit einer gut gedämmten Gebäudehülle in letzter Zeit vermehrt eingesetzt, da bei einem niedrigen Energiebedarf des Systems hohe Kühllasten abgeführt werden können und ein komfortables Raumklima erreicht werden kann. Flächenkühlsysteme werden mit kaltem Wasser durchströmt und nehmen die Raumwärme über Strahlung teils auch über Konvektion auf, wodurch eine Kühlung der Raumluft erfolgt. Dabei werden Zuglufterscheinungen und Turbulenzen im Raum vermieden. (vgl. Pistohl 2007, L 108) Des Weiteren erfolgt die Wärmeübertragung bei diesem System ohne mechanischen Antrieb. Flächensysteme können nicht nur zur Kühlung, sondern auch zum Beheizen verwendet werden (vgl. Sattler et al. 2012, S.25). Die ÖNORM H 5058 zählt zu den Flächenkühlungen Kühldecken und Bauteilaktivierung (vgl. ÖNORM H 5058, 201103). 5.2.3.1. Kühldecken Kühldecken können als geschlossene und offene Kühldecken eingesetzt werden. Geschlossene Kühldecken werden einerseits als Putzdecke ausgeführt, wobei die Rohrleitungen für das Kühlsystem entweder an der Untersicht der Rohdecke angebracht und anschließend verputzt werden oder von der Rohdecke als Gipskartondecke oder Metalllangfelddecke abgehängt werden. Die Wärmeaufnahme erfolgt bei diesem System über Strahlung. Offene Kühldecken werden als einzelne Deckenelemente von der Rohdecke abgehängt, die beispielsweise perforiert sind oder in Abständen verlegt werden, so dass Raumluft um diese Elemente strömen kann. Die Wärmeübertragung erfolgt hier über Konvektion. Die Rohrleitungen werden dann an den Kühlkreislauf mit Vor- und Rücklauf angeschlossen, der die Kühldecken mit einer Vorlauftemperatur von etwa 16 °C bis 18°C kaltem Wasser durchströmt. Die Rücklauftemperaturen liegen dann um etwa 2 bis 3 Kelvin höher. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kühlwassertemperatur nicht den Taupunkt der Raumluft unterschreitet, da sonst Kondenswasser anfällt. (vgl. Pistohl 2007, L 108f.) 65 Abbildung 40: Aufbau und Wirkungsweise einer statischen Kühldecke Quelle: Pistohl 2007, L108 Abbildung 41: Kühldecken Bauformen Quelle: Pistohl 2007, L109 Der Vorteil von Kühldecken liegt im Vergleich zur Nur-Luft-Kühlung in den niedrigeren Investitionskosten sofern hohe Kühllasten abgeführt werden müssen. Bei Kühldecken kann zum einen mit relativ hohen Vorlauftemperaturen gekühlt werden und zum anderen kann mit einer geringen Fördermenge das Kühlwasser im Wasserkreislauf 66 zirkuliert werden, was den Energieverbrauch bei der Erzeugung der Kaltwassers sowie bei Förderpumpen senkt und damit die Betriebskosten reduziert. (vgl. Pistohl 2007, L 109) 5.2.3.2. Bauteilaktivierung Bei der Bauteilaktivierung, auch Betonkernaktivierung genannt, erfolgt die Kühlung ebenfalls wie bei den Kühldecken über Rohrleitungen, in denen Kaltwasser zirkuliert. Allerdings wird das Rohrleitungssystem meist mäanderförmig in einer massiven Stahlbetondecke verlegt, wodurch die Speichermasse der Decke thermisch aktiviert und zur Kühlung genutzt wird. Das thermische aktivierte Bauteil wird in geringer Temperaturdifferenz zur Raumluft temperiert, also im Kühlfall etwas unterhalb der Raumtemperatur. Dabei darf wiederum die Taupunkttemperatur der Raumluft von der Deckentemperatur des Bauteils nicht unterschritten werden, da sonst Kondensat anfällt. Stahlbetonwände können auch zur Bauteilaktivierung genutzt werden, was aber seltener der Fall ist. Die Übertragung der Raumwärme auf die kühle Betondecke erfolgt durch Strahlung, womit Zuglufterscheinung im Vergleich zu einer Kühlung über Luft entfallen. Die Vorlauftemperaturen des Kühlwassers liegen ähnlich der Kühldecken bei etwa 16°C bis 20°C, wobei sich bei diesem System optimal erneuerbare Energiequellen wie Grundwasser, Flusswasser, Erdspeicher und dergleichen zur Bereitstellung der Kühlenergie integrieren lassen. Die thermische Bauteilaktivierung ist bei Bürogebäuden ein sehr wirtschaftliches Kühlsystem, dass die Grundkühllast im Gebäude abdeckt und im Winter auch zur Beheizung des Gebäudes verwendet werden kann. Einsparungen werden nicht nur bei den Betriebskosten erzielt, sondern auch bei den Baukosten, da einerseits abgehängte Decken, die sonst die Wirkungsweise der Bauteilaktivierung stark einschränken würden, entfallen. Dabei können auch kleinere Lüftungskanäle ausgeführt werden, die nur einen Mindestluftwechsel in den Räumen gewährleisten, da nicht aufwendig Raumwärme durch höhere Luftwechselraten abgeführt werden muss. (vgl. Pistohl 2007, L 111) 67 Abbildung 42: Kühlung über thermisch aktivierte Bauteile mit Nutzung utzung regenerativer Energieträger Quelle: Pistohl 2007, L111 Abbildung 43: Aufbau bauteilaktivierte Stahlbetondecke Quelle: http://www.eder.co.at/uploads/pics/2010_Thermodecke_2.jpg Die Vorteile der Bauteilaktivierung liegen in den relativ günstigen Errichtungskosten, da mittlerweile die Verrohrung für den Wasserkreislauf beim Betonieren der Stahlbetonbauteile kostengünstig verlegt werden kann. Bei einer thermischen Aktivierung der Stahlbetondecken entfallen abgehängte Decken, wodurch höhere Räume möglich werden, da Installationen Install onen überwiegend über den in Bürogebäuden üblichen Doppelboden geführt werden. werden Der Entfall der Zwischendecke führt allerdings zu Beeinträchtigungen in der Akustik, Akustik da durch die sichtbaren Betondecken ein hoher Anteil harter Oberflächen im Raum vorhanden ist. is Daher müssen bei Verwendung einer Bauteilaktivierung akustische Maßnahmen beispielsweise bei der Einrichtung oder den 68 Wänden getroffen werden. Ein weiterer Vorteil sind die geringen Vorlauftemperaturen, womit hohe Wirkungsgrade bei der Wärme- und Kälteerzeugung erreicht werden. Dabei lassen sich regenerative Systeme wie Wärmepumpen sehr leicht integrieren. Die Regelung der Bauteilaktivierung ist anfangs etwas aufwändiger, da es ein massenträges System ist und sich Regelungseffekte daher mit einer Verzögerung auswirken. Raumtemperaturen müssen rechtzeitig und im Vornhinein gesteuert werden, wofür das System richtig eingestellt sein muss, dass vom System eine selbstständige Regelung möglich ist. Ab dann ist der Betrieb des Systems sehr unkompliziert (vgl. Expertengespräch Steininger, Weiss/ Wiedemann, 2014) Eine kurzfristige Anpassung der Raumtemperatur aufgrund der temporär auftretenden hohen Wärmelasten wie in Besprechungsräumen ist bei einer Bauteilaktivierung nicht möglich. In diesem Fall sind additive Maßnahmen wie beispielsweise Fan Coils notwendig, die schneller reagieren (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). Von der anfangs aufwändigeren Einregelung abgesehen wird das System von den Experten als sehr zukunftsfähig angesehen, da mit vergleichsweise günstigen Herstell- und Betriebskosten ein optimales Raumklima bei einem geringem Ressourcenverbrauch erreicht wird, wobei eine dichte und gedämmte Gebäudehülle eine Voraussetzung für eine optimale Funktionsweise der Bauteilaktivierung ist. 5.2.4. Kombisysteme Kombisysteme stellen nach ÖNORM H 5058 eine Kombination der bisher vorgestellten Systeme dar. Durch die Kombination können die Vorteile des jeweiligen Systems besser genutzt werden und falls ein System zur Deckung des Energiebedarfs nicht ausreicht, kann die Versorgung mit dem anderen System ergänzt werden. (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.4, 2011) Beispielsweise lassen sich durch die Kombination von thermischer Bauteilaktivierung zur Grundheiz- und -kühllast und energieeffizienten raumlufttechnischen Anlagen, die einen Mindestluftwechsel in den Räumen gewährleisten sehr hohe energetische Einsparungen erzielen. 69 5.2.5. Passive Kühlsysteme Passive Kühlsysteme erzeugen die Kühlenergie nicht aktiv, wie beispielsweise mit Kältemaschinen, sondern nutzen natürliche Temperaturniveaus, die beispielsweise in der Außenluft, im Erdreich oder im Grundwasser vorhanden sind. Energie wird nur zum Transport des Kühlenergieträgers verbraucht und nicht zur Erzeugung der Kälte. (vgl. Sattler et al. 2012, S.28) In der ÖNORM H 5058 werden unter den Passiven Systemen die freie Kühlungen durch Kühltürme, Erdreichregister und Kaltwasserkühlung über Brunnenwasser angeführt, wobei Angaben zur Berechnung der Hilfsenergien für den Energietransport enthalten sind (vgl. ÖNORM H 5058 Pkt.6.2.5, 2011). Des Weiteren kann eine passive Kühlung auch über Erdwärmetauscher beziehungsweise Geothermie, Nachtlüftung oder Speichermassen wie massive Bauteile oder Phase Change Materials erfolgen (vgl. Sattler et al. 2012, S.28f.). 5.2.5.1. Freie Kühlung - Free Cooling Bei den sogenannten freien Kühlungssystemen - Free Cooling - erfolgt die Kühlung der Raumluft über Erdreichregister, Brunnenwasser oder Kühltürme. Die angesaugte Außenluft kann durch Erdreichregister oder durch Wärmetauscher in der Lüftungsanlage, die mit kaltem Brunnenwasser durchströmt werden, vorgekühlt werden. Brunnenwasser kann auch direkt über Wärmetauscher an den Kaltwasserkreislauf angeschlossen werden. Bei Erdreichregistern werden Luftleitungen im Erdreich verlegt, wodurch die Zuluft im Sommer vorgekühlt wird, siehe Kapitel 5.2.5.2. Diese Systeme verursachen geringe Betriebskosten, aber vergleichsweise hohe Baukosten, da Brunnen gegraben oder Luftkanäle im Erdreich verlegt werden müssen. (vgl. Sattler et al. 2012, S.30) Bei der thermischen Bauteilaktivierung bietet sich kaltes Brunnenwasser ebenfalls zur Kühlung an, wobei in der Übergangszeit die Kühlung des Kaltwasserkreislaufs auch nur über die Außenluft erfolgen kann. Bei einer Kühlung mit Außenluft wird das Kühlmedium in Kühltürmen beziehungsweise Rückkühlen, die in der Regel frei auf der Dachfläche des Gebäudes aufgestellt sind, durch einen Wärmeüberträger geführt. Dabei durchströmt die Außenluft, die von Ventilatoren angesaugt wird, den Wärmeträger, 70 wodurch das Kühlmedium gekühlt wird. Rückkühler werden auch sehr oft bei der Kälteerzeugung mit Kältemaschinen verwendet. Dabei unterstützen Rückkühler den Kondensationsprozess des Kühlmittels, siehe Kapitel 5.2.6. Die Nutzung von Außenluft zur Kühlung ist vor allem dann sinnvoll, wenn kein Brunnen- oder Flusswasser zur Verfügung steht. Die Herstellungskosten sind wesentlich günstiger als bei der Nutzung von Brunnenwasser oder Geothermie. (vgl. Pisthol 2007, L95) 5.2.5.2. Erdwärmetauscher/ Geothermie Bei Erdwärmetauschern beziehungsweise bei der Nutzung von Geothermie wird die Speichermasse des Erdreichs zur Kühlung im Sommer oder auch zur Beheizung im Winter genutzt. Die Temperatur im Erdreich wird nur bis zur einer Tiefe von etwa 20 Metern von der solaren Strahlung oder den saisonalen Witterungsverhältnissen beeinflusst, wobei sich der Temperaturverlauf des Erdreichs zeitlich verzögert zum Temperaturverlauf der Umgebungstemperatur entwickelt, weil das Erdreich sehr träge reagiert. In einer Tiefe zwischen 20 m und 100 m ist im Erdreich ganzjährig eine konstante Temperatur von etwa 10°C vorhanden, die bei größeren Tiefen ansteigt, siehe Abbildung 44:. (vgl. Sattler et al. 2012, S.29f.) Diese thermischen Eigenschaften des Erdreichs werden mit Hilfe von LuftErdwärmetauschern oder Wasser-Erdwärmetauschern genutzt. Aufgrund der Temperaturdifferenz von Außentemperatur zu Erdreichtemperatur wird die für Lüftungszwecke genutzte Außenluft durch die Verwendung von Luft- Erdwärmetauschern im Sommer gekühlt beziehungsweise im Winter erwärmt. Die Funktionsweise eines wasserdurchströmten Erdreichwärmetauschers ist ähnlich den luftdurchströmten Erdwärmetauschern. Bei beiden Systemen wird das Temperaturniveau des Erdreichs zur Energieversorgung des Gebäudes genutzt. Allerdings werden bei wassergeführten Erdreichwärmetauschern Rohrleitungen im Erdreich verlegt, die an den Wasserkreislauf des Gebäudes angeschlossenen sind und das Temperaturniveau des Erdreichs in das Gebäude transportieren. Im Gegensatz zur Luft besitzt Wasser eine höhere Wärmekapazität, wodurch der Transport von Energie wesentlich effizienter ist als durch Luft. Wassergeführte Systeme können sinnvoll mit der thermischen Bauteilaktivierung angewendet werden. (vgl. Fink et al. 2002, S.45-51) 71 Abbildung 44: Temperaturprofil im Erdreich Quelle: Sattler et al. 2012, S.29 Abbildung 45: Schema Luft-Erdwärmetauscher für Zuluftkonditionierung Quelle: Fink et al. 2002, S.48 Nutzt man die Geothermie ganzjährig zum Kühlen und zum Heizen, wird das System optimal genutzt und die Investitions- und Betriebskosten sind im Vergleich zum Wirkungsgrad sehr gering (vgl. Sattler et al. 2012, S.30). Erdberührte Bauteile wie Fundamente können thermisch aktiviert werden. Besonders eignen sich Gebäude, bei denen Tiefengründungen erforderlich sind, zur Nutzung von Geothermie, da in den Bohrpfählen mit geringem Mehraufwand Erdsonden installiert und damit die Temperaturen des Erdreichs zur Energieversorgung des Gebäudes herangezogen werden 72 können. Von der Magistratsabteilung 20 wird derzeit ein Geothermiepotentialkataster erstellt. Der Vorteil der Nutzung von Geothermie liegt auch darin, dass keine behördlichen Genehmigungsverfahren erforderlich sind wie bei einer Nutzung von Grundwasser oder Flusswasser. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) 5.2.5.3. Nachtlüftung Die Nachtlüftung kühlt das Gebäude in den warmen Perioden durch Luftaustausch in den Nacht- und frühen Morgenstunden, wenn die Temperaturen kühler sind als im Verlauf des Tages. Bei diesem System nehmen die Speichermassen des Gebäudes tagsüber die Raumwärme über Strahlung auf und stabilisieren dadurch das Niveau der Raumtemperatur. In der Nacht, wenn die Außentemperatur abgekühlt ist, werden die Fenster in der Regel automatisch geöffnet, womit kühle Außenluft in das Gebäude strömen kann. Die massiven Bauteile geben infolge des Luftaustauschs die tagsüber gespeicherte Wärme an die einströmende Außenluft ab. (vgl. Sattler et al. 2012, S.28) Abbildung 46: Prinzip der Nachtauskühlung bei Bürogebäuden Quelle: Pistohl 2007, L110 Der Raum wird damit sehr günstig vorgekühlt. Dabei können Kühllasten bei einer effizienten Nachtlüftung und entsprechenden Speichermassen, um etwa 50 Prozent reduziert werden. Für eine optimale Wirkung der Speichermassen dürfen diese nicht durch abgehängte Decken, Teppiche und dergleichen verdeckt werden. (vgl. Sattler et al. 2012, S.28) In Hitzeperioden werden auch in unseren Breitengraden nachts sehr hohe Temperaturen erreicht. Durch den städtischen Wärmeinseleffekts wird die Hitzebelastung in der Nacht noch verstärkt, wodurch Gebäude über eine Nachlüftung nicht mehr gekühlt werden können. (vgl. Formayer et al. 2009, S.78) Des Weiteren ist eine Nachlüftung über Fenster mit einem großen organisatorischen Aufwand verbunden. Man muss darauf achten, dass keine Zugluft entsteht und keine 73 Arbeitsunterlagen auf den Tischen liegen, die durch den Raum gewirbelt werden können. Vom Vermieter sind Regeln zur Nachtlüftung schwer oder gar nicht durchzusetzen. Die ie Organisation müsste vom Mieter selbst kommen, durch beispielsweise flexible Arbeitsplatzkonzepte, bei denen abends alle Arbeitsplätze aufgeräumt sind. (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, Wiedemann 2014) 5.2.5.4. Phase Change Materials In Gebäuden, die in Leichtbauweise Leichtbauweise errichtet wurden und daher über einen geringen geringe Anteil massiver Speichermassen verfügen, verfügen kann durch Verwendung von Phase Change Materials (PCM),, sogenannte Latentwärmespeicher, die Speicherkapazität auch in Leichtbauteilen verbessert werden. Phase Change Materials verfügen über eine hohe Wärmespeicherkapazität und nehmen die Raumwärme durch Änderung des Aggregatszustands auf, zum Beispiel von fest zu flüssig. Wenn diee Raumtemperatur wieder abgekühlt wird, beispielsweise durch Nachtlüftung, wird die gespeicherte gespe Wärme an die Raumluft abgegeben und der Aggregatszustand ändert sich von flüssig zu fest. Als Latentwärmespeicher eignen sich beispielsweise wässrige Salzlösungen, Salzhydrate oder Paraffine und Fettsäuren, Fettsäuren, die im Verbund mit Baustoffen in Wänden und nd Decken integriert werden können. können Abbildung 47: PCM-Verbundmaterialien: Verbundmaterialien: Granulat und PCM-Grafit-Verbund PCM Verbund Quelle: Mehling et al. 2009, S.5 Abbildung 48: BASF - Gipsbauplatte mit PCM Quelle: Mehling et al. 2009, S.6 74 Phase Change Materials schmelzen teilweise bei Raumtemperaturen von etwa 23°C 26°C und reduzieren dadurch die Überwärmung des Raums. 5.2.6. Kälteerzeugung Kühlenergie wird in den häufigsten Fällen aktiv von Kältemaschinen erzeugt, die einen thermodynamischen Kreislaufprozess umsetzen. Dabei können folgende Arten von Kältemaschinen eingesetzt werden (vgl. Pisthol 2007, L93): • Kompressionskältemaschinen • Sorptionskältemaschinen • Anlagen, die ohne aktive Kälteerzeugung Kühlenergie bereitstellen, sind beispielsweise: • DEC - Anlagen 5.2.6.1. Kompressionskältemaschine Kompressionskältemaschinen sind das am weitesten verbreitete System zur Erzeugung von Kühlenergie. Die Maschine funktioniert nach dem umgekehrten Prinzip einer Kompressionswärmepumpe. In einem thermodynamischen Kreislauf wird dabei der Aggregatszustand eines Kältemittels geändert. Dem Kühlgut wird Wärme durch Verdampfung des Kältemittels entzogen, das anschließend in einem Kompressor verdichtet wird und die aufgenommene Wärme durch Kondensation an anderer Stelle wieder abgibt. Die Wärmeabgabe erfolgt in der Regel über Rückkühlgeräte, die von der Außenluft gekühlt werden. Danach wird das Kältemittel in einem Expansionsventil entspannt und erneut dem Kreislauf zugeführt, um wieder Wärme aufzunehmen. (vgl. Pisthol 2007, H231) 75 Abbildung 49: Prinzip der Kompressionskältemaschine Quelle: Sattler et al. 2012, S.31 Kompressionsmaschinen erzeugen Kühlenergie mit mechanischer Arbeit, wofür sehr viel elektrische Energie verbraucht wird. Des Weiteren entstehen hohe Kosten durch die Wartung der mechanischen Verschleißteile, die sehr geräuschvoll arbeiten. (vgl. Pistohl 2007, L93) 5.2.6.2. Sorptionskältemaschine Sorptionskältemaschinen werden im Vergleich zur Kompressionskältemaschinen nicht mechanisch angetrieben und sind daher geräuscharmer und haben eine längere Lebensdauer. Sie werden mit Wärme betrieben und deshalb auch als thermische Kältemaschinen bezeichnet. Die Wärme kann aus verschiedenen Quellen gewonnen werden, entweder direkt aus der Verbrennung fossiler Stoffe wie Öl und Gas oder auch 76 indirekt aus Abwärme von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, Fernwärme oder Wärme aus Geothermie. Bei diesen Systemen kann auch die Wärme aus Solarenergie genutzt werden. Dabei wird die Wärme in Solarkollektoren erzeugt und den Sorptionsanlagen zugeführt. Der Vorteil liegt darin, dass die größte Wärmemenge bei intensiver Sonnenstrahlung erzeugt werden kann, wenn auch der Kühlbedarf am größten ist. Allerdings ist der Einsatz dieser Anlagen im Vergleich zu Kompressionskältemaschinen mit höheren niedrigeren Herstellungskosten verbunden, aber bei größeren Anlagen auch mit Betriebskosten. Sorptionsanlagen werden in Absorptions- und Adsorptionsanlagen unterschieden. (vgl. Pistohl 2007, L93) Bei Absorptionskältemaschinen wird im Gegensatz zu Kompressionsanlagen das verdampfte Kältemittel nicht mechanisch verdichtet, sondern es wird zuerst in einem Absorptionsprozess in einem Lösungsmittel verflüssigt, wobei Kondensations- und Lösungswärme frei wird. Anschließend wird es durch Wärmezufuhr von der Lösung getrennt, wobei durch die Temperaturerhöhung auch der Druck erhöht wird. Danach wird der verdichtete Kältemitteldampf zum Kondensator geführt, wo die Wärme wieder abgegeben und das Kältemittel wieder verflüssigt wird. Das unter Druck stehende Kältemittel wird dann entspannt und erneut dem Verdampfer zugeführt. Als Absorptionsmittel werden Ammoniak - Wasserlösungen oder Wasser- Lithiumbromidlösungen verwendet. Dieser physikalisch-chemische Prozess verbraucht im Vergleich zur Kompressionskältemaschine viel weniger elektrische Energie. (vgl. Pistohl 2007, L93) Abbildung 50: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine Quelle: MA 27 2007, S.11 77 Adsorptionskältemaschinen bestehen aus einem geschlossenem System mit zwei Arbeitskammern, die den Absorber beinhalten. Als Absorber werden feste Stoffe wie Silicagel eingesetzt. Die Anlage steht unter Unterdruck, wodurch das Kältemittel (meist Wasser) bereits bei geringen Temperaturen verdampfen kann und in eine der Kammern gelangt. An der Oberfläche des Absorbers adsorbiert das Kältemittel, wobei die Wassermoleküle an der Oberfläche des Absorbers aufgenommen werden. Durch diesen Vorgang entsteht der Kühleffekt. Gleichzeitig wird der anderen Kammer Wärme zugeführt und in einem Desorptionsprozess verdampft das vorher adsorbierte Kältemittel, was dann in den Kondensator gelangt und wieder flüssig wird. Dabei regeneriert der Absorber wieder und der Vorgang kann wieder erneut durchgeführt werden. Die Vorgänge erfolgen wechselseitig in den Kammern, wobei in einer Kammer der Adsorptionsprozess und in der anderen der Desorptionsprozess abläuft. (vgl. Pistohl 2007, L94) Abbildung 51: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine Quelle: MA 27 2007, S.11 78 5.2.6.3. DEC - Anlage DEC-Anlagen (Desiccant Evaporative Cooling), auch sorptionsgestützte Klimatisierung genannt, werden den thermischen Kältemaschinen zugeordnet und übernehmen nicht nur die Kühlung, sondern auch die Entfeuchtung der Außenluft. Bei diesem System wird zuerst die Außenluft in einem Filter gereinigt und dann in einem Sorptionsgenerator, der aus einem rotierenden Adsorptionsrad besteht, entfeuchtet und erhitzt, wofür Wärme von erhitzter Raumabluft genutzt wird. Danach wird die warme und getrocknete Außenluft über ein rotierendes Wärmerückgewinnungsrad von kühler Raumabluft abgekühlt. Anschließend wird die Außenluft im Nacherhitzer und Verdunstungskühler auf die gewünschte Zulufttemperatur und -feuchte gebracht und in den Raum eingeblasen. Zur Regeneration des Adsorptionsrads wird Wärme benötigt, die auch über Solaranlagen gewonnen werden kann. (vgl. Pisthol 2007, L94) Abbildung 52: Schema DEC - Anlage Quelle: Sattler et al. 2012, S.24 Ein Vorteil der DEC-Anlagen ist, dass die Kühlenergie nicht aktiv erzeugt werden muss. Die erforderliche Wärmezufuhr für den Betrieb der Erhitzer kann mit Fernwärme, Abwärme oder Solarenergie erfolgen, wodurch wertvolle Primärenergie eingespart werden kann. Die Investitions- und Betriebskosten sind zwar bei DEC - Anlagen geringer als bei konventioneller Technik, aber der Betrieb ist nur eingeschränkt möglich, da bei hohen Außentemperaturen die Außenluft oft nicht auf die gewünschte Zuluftqualität konditioniert werden kann. (vgl. Sattler et al. 2012, S.24) Nach der Studie SolarCooling Monitor bieten DEC-Anlagen, die solarthermisch betrieben werden, ein hohes Potenzial zur Einsparung von Primärenergie im Vergleich 79 zu Kompressionskältemaschinen. Bei einer ganzjährigen Nutzung lassen sich vor allem im Winter durch die Rückgewinnung von Wärme und Feuchte aus der Abluft hohe Einsparungen erzielen. Die Nutzung von DEC-Anlagen sollte daher nicht nur auf die Erzeugung von Kühlenergie im Sommer beschränkt werden. Des Weiteren sollte auch bei konventionellen raumlufttechnischen Anlagen nicht nur die Wärmerückgewinnung, sondern auch eine Feuchterückgewinnung integrieren werden. (vgl. Preisler et al. 2012, S.41) Allerdings ist die Effizienz solcher Anlagen sehr stark von der Auslegung in der Planung, der Errichtung und vor allem der Regelung im Betrieb abhängig. Falls die Auslegung und der Betrieb nicht optimal gestaltet werden, wirkt sich das stärker auf die Effizienz dieser Anlagen aus als bei konventionellen Technologien. (vgl. Preisler et al. 2012, S.46) Im Bürogebäude ENERGYbase wurde eine solarbetriebene DEC - Anlage realisiert, um dieses System in der Praxis zu erforschen. Dabei stand bei diesem Projekt die technische Machbarkeit einer solaren Klimatisierung in Wien im Vordergrund und nicht die wirtschaftliche Betrachtung. Die Wirtschaftlichkeit der Anlage ist bei diesem Projekt daher schwer darstellbar und es können diesbezüglich keine Aussagen getroffen werden. Insbesondere im Winterbetrieb ist die Energieeffizienz solcher Anlagen besonders groß, was an den sehr hohen Wärme- und Feuchterückgewinnungsgraden liegt. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) 80 5.3. Kühlsysteme bei Demonstrationsprojekten mit besonders hoher Energieeffizienz Im folgenden Kapitel werden sehr energieeffiziente Bürogebäude vorgestellt, die weit über die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen hinaus energetisch optimiert wurden. Durch die Verwendung regenerativer Energien haben diese Gebäude einen sehr geringen Energiebedarf und produzieren teilweise sogar mehr Energie als vom Gebäude benötigt wird. Die Gebäude entsprechen teilweise jetzt schon den Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) für das Jahr 2020. Bei der Vorstellung dieser Projekte wird der Schwerpunkt auf die dort eingesetzten Kühlsysteme gelegt. Die Bürogebäude wurden anhand der im Abschnitt 1.21.2 dargestellten Methodik ausgewählt, wonach folgende Projekte dargestellt werden: • ENERGYbase • aspern IQ • Zubau Raiffeisen Hochhaus • Sanierung Österreichische Kontrollbank Die Projekte wurden mit den jeweiligen Experten überwiegend vor Ort besprochen, wodurch ein besserer Einblick in das verwendete Kühlsystem gewonnen wurde. 81 5.3.1. ENERGYbase Das Bürogebäude ENERGYbase wurde aus dem Forschungsprojekt Sunny Research im Rahmen der Programmlinie Haus der Zukunft entwickelt, worin ein Konzept für ein energieeffizientes Bürogebäude erarbeitet wurde. Die Grundlage für das Gebäudekonzept bilden die drei Säulen: • Energieeffizienz • Nutzung von erneuerbaren Energien • Höchster NutzerInnenkomfort Mit der Realisierung des Passivhausstandards, der mehr im Wohnbau verbreitet ist, wurde bei diesem Bürogebäude ein innovativer Ansatz verfolgt. Dabei war das Ziel, den Energieverbrauch des Gebäudes zu minimieren und den Bedarf an Restenergie überwiegend aus erneuerbaren Energien wie Erdwärme und Solarenergie zu decken. (vgl. Preisler 2009, S.7f.) Abbildung 53: ENERGYbase Quelle: http://www.technikum-wien.at/img/db/pics/16493.jpg. Im ENERGYbase konnten durch die energetischen Optimierungsmaßnahmen im Bereich der haustechnischen Einrichtungen Einsparungen von etwa 80 Prozent CO282 Emissionen im Vergleich zu konventionellen Bürogebäuden erreicht werden. (vgl. Preisler 2009, S.19) Für die Umsetzung des Passivhausstandards wurde zum einen die Gebäudehülle hoch wärmegedämmt und luftdicht ausgeführt und zum anderen eine Lüftungsanlage mit einer Wärme- und Feuchterückgewinnung aus der Abluft zur Minimierung von Energieverlusten installiert sowie entsprechende Sonnenschutzmaßnahmen zur Vermeidung externer Kühllasten im Gebäude vorgesehen. Dadurch konnte nach dem Passivhausprojektierungspaket ein Heizwärmebedarf von unter 11 kWh/m²a sowie ein Kühlbedarf von unter 15 kWh/m²a erreicht werden und damit das Bürogebäude als Passivhaus zertifiziert werden. (vgl. Preisler 2009, S.30f.) Durch den Passivhausstandard wird der Energiebedarf des Gebäudes besonders im Bereich der Wärmeaufbringung sehr weit minimiert. Die benötigte Restenergie wird größtenteils mit regenerativen Systemen bereitgestellt. Dabei wird Grundwasser im Heizfall in Verbindung mit Wärmepumpen und im Kühlfall mittels Free-Cooling über thermisch aktivierte Stahlbetondecken im Gebäude verteilt. Abbildung 54: Schema Heiz- und Kühlkonzept Quelle: Preisler 2009, S.31 Zur Konditionierung der Außenluft wurde bei diesem Gebäude mit dem Solar Cooling ein sehr innovatives System erstmals in dieser Form bei einem Bürogebäude in Österreich umgesetzt. Dabei wird Sonnenenergie durch Solarkollektoren aufgenommen und zum Betrieb einer DEC - Anlage (Desiccant Evaporative Cooling), siehe Kapitel 83 5.2.6.3, genutzt, welche im Sommer die Frischluft trocknet und kühlt. Im Winter wird die gewonnene Energie aus den Solarkollektoren zur Unterstützung der Heizung genutzt. Ein weiteres innovatives Konzept wurde mit der ökologischen Regulierung der Luftfeuchte durch Grünraumpuffer im Gebäude umgesetzt. Dabei sah man in den Mietflächen Bereiche für Bepflanzungen vor, die auch im Winter und in der Übergangszeit Feuchte in das Lüftungssystem einspeisen. Abbildung 55: Grünraumpuffer im ENERGYbase Quelle: http://www.energybase.at/infocenter_presseinfo.php?PHPSESSID=cf0c741038c5f29e8eac1526a 047998c# Die Sonnenenergie wird in diesem Gebäude mehrfach, aktiv und passiv, genutzt. Die spezielle Faltung der Südfassade bewirkt, dass die solare Strahlung nur im Winter direkt in das Gebäude eindringen kann und dadurch passive thermische Gewinne erzielt werden, die über das Lüftungssystem auch den nördlich gelegenen Räumen zugeführt werden. Im Sommer verschattet sich die Südfassade selbst, wodurch das Eindringen solarer Strahlung verhindert wird. In die gefaltete Fassade wurden Photovoltaikmodule mit einer Fläche von 400 m² integriert, die mit einer Leistung von etwa 46 Kilowatt Peak ungefähr 20 Prozent der benötigten Energie für Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Hilfsstrom abdecken. Die restlichen 80 Prozent werden aus dem Stromnetz bezogen, wobei diese Energie durch Wasserkraft aufgebracht wird. Des Weiteren wurden 285 m² Solarkollektoren für das Solar Cooling im Sommer und zur Unterstützung der Heizung im Winter installiert. (vgl. Preisler 2009, S.30 - 32) 84 Abbildung 56: Aktive und passive Nutzung von Solarenergie im ENERGYbase Quelle: Preisler 2009, S.32 Die Wirkungsweise der verschiedenen Systeme zur Optimierung der Energieeffizienz des Gebäudes wurden in der Planungsphase simuliert und die Energiekennzahlen berechnet. Die ermittelten Energiewerte konnten auch im Betrieb durch ein wissenschaftliches Energie-Monitoring bestätigt werden, das seit 2009 kontinuierlich durchgeführt wird. Innovative Projekte wie dieses werden oft stark beworben, doch im Betrieb zeigt sich, dass die prognostizierten Werte nicht eingehalten werden und der Energieverbrauch höher ist als angenommen. Das kann an verschiedenen Gründen liegen, wie zum Beispiel an der Überheizung von Räumen im Winter auf 22°C anstatt 20°C. Durch die Auswertung der Messergebnisse aus Energieverbräuchen im ENERGYbase wurde festgestellt, dass die Wärmepumpe eine gute Energieperformance liefert, aber noch Verbesserungspotentiale vorhanden sind. Der Stromverbrauch der Lüftungsanlage ist im Vergleich zu anderen Verbrauchergruppen noch relativ hoch, wobei ein übermäßiger Verbrauch aufgrund eines effizienten Betriebs der Anlage durch das Facility-Management vermieden wird. Dagegen ist der Energieverbrauch durch künstliche Beleuchtung vergleichsweise gering. Mit der derzeit am Markt vorhandenen Beleuchtungstechnik können bereits gute Ergebnisse erzielt werden. Nach der Inbetriebnahme des Gebäudes dauerte es etwa ein Jahr bis die Gebäudeleittechnik so eingestellt war, dass die Systeme optimal betrieben werden konnten. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Nutzung von Grundwasser zur Gebäudekühlung ein sehr kostenund energieeffizientes System ist, da der Energieaufwand nur im Pumpenbetrieb für die Zirkulation des Wasserkreislaufs besteht. Bei Photovoltaikanlagen kommt man unter Berücksichtigung der günstigeren Preisentwicklung seit 2008 ebenfalls in 85 wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnungen. Im ENERGYbase erzeugt die Photovoltaikanlage etwa ein Fünftel der erforderlichen Energie für den Gebäudebetrieb. Würde man die photovoltaische Fläche in diesem Gebäude um das Fünffache erhöhen, würde über das Jahr gesehen so viel Solarstrom erzeugt werden wie durch den Gebäudebetrieb für Heizen, Kühlen, Zuluftaufbereitung und Grundbeleuchtung verbraucht wird. Für das Solar Cooling ist die Wirtschaftlichkeit bisher noch schwer darstellbar. Bei der Nutzung von solarer Wärme zur Klimatisierung im Sommer stand bei diesem Projekt der Forschungscharakter im Vordergrund, wobei der praktische Nachweis für die Kombination von thermischer Solarenergie und DEC - Anlagen geliefert wurde. Auch im Winterbetrieb ist mit der DEC - Technik eine hohe Energieeffizienz aufgrund hoher Wärme- und Feuchterückgewinnungsgrade zu erreichen. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) 86 5.3.2. aspern IQ Das Technologiezentrum aspern IQ wurde als erstes Gebäude im Stadterweiterungsgebiet „Seestadt Aspern“ von September 2011 bis Oktober 2012 errichtet (vgl. MA 20 2013, S.92). In diesem Gebäude kombinierte man verschiedene innovative Technologien miteinander, so dass ausgehend vom Passivhausstandard das erste Plusenergie-Bürogebäude in Österreich realisiert wurde. Das Gebäude produziert demnach mehr Energie als es selbst verbraucht. Das Hauptanliegen bei diesem Projekt war einen optimalen NutzerInnenkomfort zu schaffen und durch die Verwendung lokaler Ressourcen den Plusenergiestandard zu erreichen. Abbildung 57: aspern IQ Quelle: http://www.asperniq.at/wp-content/uploads/2013/05/Slider02a-1030x428.jpg Abbildung 58: aspern IQ - Flächen Büroflächen: 4.900 m2 Produktions- und Gewerbeflächen: 1.230 m² Restaurant mit 100 Plätzen, Seminarbereich für 120 Personen Tiefgarage mit 65 Stellplätzen Quelle: vgl. aspern IQ 2013a Eine Vorgabe war Energieverluste über die Gebäudehülle und Anlagentechnik auf Passivhausniveau zu reduzieren und folgende Werte zu unterschreiten: 87 • Heizwärmebedarf Zielwert: HWB*V,NWG,max = 3 * (1+2,5/lc) kWh/m³a • Außeninduzierter Kühlbedarf Zielwert: KB*V,NWG,max = 0,5 kWh/m³a • Primärenergiebedarf Zielwert: PEBNWG,max = 100 kWh/m²a Der Zielwert für den Primärenergiebedarf liegt deutlich unter den Mindestanforderungen für Passivhäuser von 120 kWh/m²a, siehe Kapitel 3.4.3. Die Anforderungen an den Heizwärmebedarf liegen sogar unter den Werten nach den „Kriterien und Anforderungen für Dienstleistungsgebäude in Wien“, die Anforderungen an den außeninduzierten Kühlbedarf etwas oberhalb, vergleiche Kapitel 3.4.5. (vgl. aspern IQ 2013b) Voraussetzung für eine Passivhausqualität war eine dichte hochwärmegedämmte Gebäudehülle, um Energieverluste über die Außenflächen soweit wie möglich zu verringern. Durch großzügige Fensterflächen wird das Tageslicht optimal genutzt, wobei ein außenliegender Sonnenschutz den Raum vor Überhitzung durch hohe Solarstrahlung schützt. Der Sonnenschutz wird über Sensoren je nach Sonnenstand und Strahlungsintensität automatisch heruntergefahren, dabei werden die Fassaden nach Bedarf unabhängig voneinander angesteuert. Aufgrund perforierter Raffstores ist bei heruntergefahrenem Sonnenschutz immer ein gewisser Anteil an Tageslicht im Raum vorhanden, was den zusätzlichen Bedarf an Kunstlicht zur Erreichung der erforderlichen Arbeitsplatzbeleuchtung reduziert. Außerdem wird dadurch eine Sichtbeziehung nach außen gewährleistet, was sich positiv auf den NutzerInnenkomfort auswirkt. Die Fassade wurde bereichsweise mit Add-On-Elementen versehen wie Schilfbewuchs, der das Gebäude natürlich beschattet und zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt, oder Photovoltaik-Module, die ebenfalls das Gebäude beschatten und dabei Energie produzieren. Photovoltaik-Module wurden auch im Bereich der Flachdächer vorgesehen und in der Fassade der Technikzentrale am Dach integriert. Die Photovoltaikanlage produziert mit einer Fläche von etwa 1300 m² zu Spitzenzeiten etwa 140 kWp Energie. (vgl. aspern IQ 2013a) Der geringe Energieverbrauch des Gebäudes beruht auch auf effizienten Haustechnikanlagen, die mit intelligenter Regelung und Steuerung betrieben werden, wobei zur Deckung des Energiebedarfs immer das System zugeschaltet wird, welches den höheren Wirkungsgrad aufweist. Der Energieverbrauch durch Be- und Entlüftung 88 sowie durch Beleuchtung orientiert sich am Bedarf der NutzerInnen. Durch die Lüftungsanlage wird in den Mieteinheiten ein geringer kontinuierlicher Luftwechsel bereitgestellt, wobei über Fühler der CO2 -Gehalt in der Luft gemessen und der Luftwechsel nach Bedarf, zum Beispiel durch anwesende Personen, angepasst wird. Rotationswärmetauscher in der Lüftungsanlage ermöglichen eine Wärmerückgewinnung von etwa 80 Prozent, in dem beispielsweise mit der warmen Abluft die kühle Zuluft vortemperiert wird. Auch die Beleuchtung in den Mieteinheiten wird ebenfalls über Licht- und Anwesenheitssensoren bedarfsorientiert gesteuert. Entsprechend der Tageslichtverhältnisse oder nach anwesenden Personen werden die dimmbaren Leuchten auf eine optimale Raumbeleuchtung nachgeregelt. Da in diesem Gebäude das Heizen und Kühlen über eine thermische Bauteilaktivierung der massiven Decken erfolgt, wurde die Raumbeleuchtung mit Stehleuchten ausgeführt, um Auslässe in der Stahlbetondecke auf das Minimum zu reduzieren und eine abgehängte Decke zu vermeiden. Zonenventile ermöglichen eine getrennte Steuerung des Heiz- und Kühlbedarf in den Mieteinheiten. Theoretisch könnte sogar gleichzeitig eine Mieteinheit gekühlt und eine andere beheizt werden. Der Wärmebedarf wird bei dieser hochgedämmten Gebäudehülle oft schon durch die internen Lasten gedeckt. Neben der Wärmerückgewinnung durch die Lüftungsanlage wird auch die Abwärme aus den Serverräumen genutzt, die mittels Kleinwärmepumpen in Pufferspeichern zwischengelagert und bei Bedarf über die Bauteilaktivierung zum Beheizen verwendet wird. Dadurch wird eine gesamte Wärmerückgewinnung der eingesetzten Energie von über 90 Prozent erzielt. Lastspitzen werden durch Fernwärme abgedeckt. Zur Kühlung des Gebäudes wird Grundwasser verwendet, wobei in der Übergangszeit ein Rückkühler am Dach zugeschaltet wird, der im Frühjahr und Herbst höhere Wirkungsgrade erzielt. Durch den Einsatz dieser energieeffizienten Systeme liegt der verbleibende Restenergiebedarf des Gebäudes im Vollbetrieb nur mehr bei einem Sechstel von Bürogebäuden mit konventioneller Technik. Der Restenergiebedarf wird durch die Stromproduktion der Photovoltaikanlage ausgeglichen, wodurch ein Plusenergiebürogebäude realisiert wurde. (vgl. aspern IQ 2013b) 89 Abbildung 59: aspern IQ - Energieverteilung in der Mieteinheit Quelle: http://www.clusterwien.at/files/uploads/2012/11/WS1_a_Bedenk_-_Haustechnik_Planung.pdf Bei der Konzeption und Planung der energieeffizienten Systeme im Bürogebäude aspern IQ konnte auf Erfahrungen aus dem ENERGYbase zurückgegriffen werden. Beide Projekte wurden von der Wirtschaftsagentur Wien initiiert und mit dem gleichen Projektentwickler umgesetzt. Das Gebäude Management des ENERGYbase wurde dabei in die Konzeption des Gebäudes involviert und in weiterer Folge auch mit der Betreuung des aspern IQ beauftragt. Dadurch konnten wichtige Erkenntnisse aus dem Betrieb des ENERGYbase bereits in der Planungsphase des aspern IQ einfließen. Beispielsweise wurde im ENERGYbase festgestellt, dass auch schon die Sicherheitsbeleuchtung in einem sehr energieeffizienten Gebäude verhältnismäßig viel Energie verbraucht. Eine weitere Erkenntnis war das Nutzungspotential der Abwärme aus den Serverräumen. Im Gebäude aspern IQ wurde diese Abwärme über eine Art interne Energieschiene unter Verwendung von Kleinwärmepumpen in das Beheizungssystem des Gebäudes integriert. Da diese Art der Abwärmenutzung noch wenig erforscht ist, wird derzeit durch Gegenüberstellung der Investitionskosten und den alternativen Kosten für die gewonnene Energie evaluiert, inwieweit dieses System kosteneffizient ist. Dabei können auch Rückschlüsse gezogen werden, ab welcher Anzahl von Servern die Nutzung der Abwärme sinnvoll ist. Der Aufbau der 90 Lüftungsanlage entspricht größtenteils dem Anlagenkonzept des ENERGYbase mit Wärme- und Feuchterückgewinnung durch Rotationswärmetauscher zwischen Zu- und Abluft. Zur Gebäudekühlung wird Grundwasser genutzt, wofür eigene Brunnen errichtet wurden. Das Grundwasser wird mit einer Temperatur von etwa 13 bis 14 Grad aus einem Förderbrunnen gepumpt, zu einem Wärmetauscher geleitet und im Sommer zum Kühlen genutzt. Über einen Schluckbrunnen wird das Grundwasser dann wieder in den Boden zurückgeführt. Alternativ werden zur Kühlung auf der Dachfläche situierte luftgekühlte Rückkühler zugeschaltet, was vor allem in der Übergangszeit bessere Wirkungsgrade bringt und wodurch die Brunnen nicht verwendet werden müssen. Das kühle Wasser wird dann über die Bauteilaktivierung im Gebäude verteilt. Die Raumtemperaturen werden unabhängig vom Kühl- oder Heizfall über die Temperatur der thermisch aktivierten Bauteile geregelt, was zentral gesteuert wird. Dabei werden Sollwerte für die Deckentemperatur definiert, die im Heizfall etwas über und im Kühlfall etwas unter der Raumtemperatur liegen. Die Deckentemperaturen werden über im Bauteil eingelegte Fühler kontrolliert. Durch Wärmeabgabe (Heizfall) und Wärmeaufnahme (Kühlfall) durch das thermisch aktivierte Bauteil werden behagliche Raumtemperaturen gewährleistet. Im Winter liegt die Lufttemperatur im Raum bei 2122° C, im Sommer können je nach Fassadenseite auch 25°C erreicht werden. Die Lüftungsanlage regelt dabei die Luftfeuchtigkeit im Raum, was einen wesentlichen Einfluss auf das Behaglichkeitsgefühl hat. Im Winter werden etwa 45 Prozent Luftfeuchtigkeit im Raum erreicht, im Sommer maximal 60 Prozent. Da die Deckentemperaturen zentral gesteuert werden, gibt es keine eigenen Raumregelungen in den Mieteinheiten. Die Bauteilaktivierung ist ein massenträges System und die Effekte einer Regelung kommen erst verzögert im Raum an. Daher muss das System vorher so gut eingestellt werden, dass es rechtzeitig auf Temperaturänderungen reagieren kann, wobei eine hochwertige Gebäudehülle Voraussetzung für das Funktionieren einer Bauteilaktivierung ist. Wenn beispielsweise die Temperaturen in einem Raum stark vom Sollwert abweichen, kann es bis zu einem Tag dauern, bis das System die gewünschte Temperatur nachgeregelt hat. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass bei einer richtigen Einstellung des Systems von den NutzerInnen keine Notwendigkeit für Raumregelungen besteht. Die Fenster im Gebäude sind öffenbar und können von den NutzerInnen nach Bedarf bedient werden. Geöffnete Fenster haben auf die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes kaum beziehungsweise keine Auswirkungen. Das 91 Lüften in der Früh oder das Öffnen der Fenster in der Übergangszeit, wenn die Außentemperatur in etwa einer behaglichen Raumtemperatur entspricht, stellt kein Problem dar. Wenn die Fenster an heißen oder sehr kalten Tagen zu lange geöffnet werden, kann es aufgrund der Bauteilaktivierung etwas dauern, bis im Raum wieder optimale Temperaturen erreicht werden. Darüber werden die Nutzer informiert, um die Raumtemperatur nicht unbewusst zu beeinträchtigen. Aufgrund der durchschnittlichen Arbeitszeiten von Montag bis Freitag und damit über die Woche gesehen unterschiedlichen Belegungszeiten reichen die internen Lasten vor allem nachts und am Wochenende manchmal nicht aus, um angenehme Raumtemperaturen zu gewährleisten. Daher wurde im aspern IQ ein Fernwärmeanschluss vorgesehen, um Lastspitzen beim Wärmebedarf abzudecken. In den Mieteinheiten gibt es aufgrund der Bauteilaktivierung fast keine abgehängten Decken, was aber keine Einschränkung in der Flexibilität der Raumnutzung darstellt. Über den Doppelboden ist eine flexible Installationsführung möglich, wobei auch die Zuluft über Quellluftauslässe im Doppelboden dem Raum zugeführt wird. Somit kann die Raumaufteilung nach Bedarf konzipiert werden. (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014) 92 5.3.3. Zubau Raiffeisen Hochhaus Das bestehende Raiffeisenhaus am Donaukanal in Wien wurde Ende 2012 nach einer Bauzeit von etwa zwei Jahren durch einen 22-geschossigen Zubau in Passivhausqualität erweitert (vgl. Raiffeisen Klimaschutz 2012a). Damit wurde das weltweit erste Passivbürohochhaus errichtet und Büroflächen von 20.000m² geschaffen (vgl. Raiffeisen Klimaschutz 2012b). Für die Zertifizierung nach Passivhausstandard musste ein jährlicher Primärenergiebedarf von unter 120 kWh/m²a und ein jährlicher Energiebedarf für Heizwärme und Kühlung von jeweils unter 15 kWh/m²a gewährleistet werden. Das konnte mit diesem Gebäude erreicht werden. Der Primärenergiebedarf wurde mit <120 kWh/m²a, der Heizwärmebedarf mit 14 kWh/m²a und der Kühlenergiebedarf mit 9 kWh/m²a berechnet (vgl. Raiffeisen Klimaschutz 2012c). Der Energiebedarf wird in diesem Gebäude durch einen Mix aus verschiedenen Systemen wie zum Beispiel Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungs-Anlage, Geothermie, Photovoltaik oder das Wasser aus dem Donaukanal gedeckt (vgl. MA 20 2013, S.88). Abbildung 60: Raiffeisenbank - Energieversorgung Wärmebedarf: 40 % Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) 38 % Abwärme Rechenzentrum 7 % Geothermie 15 % Fernwärme Kühlbedarf: 28 % über Donaukanalwasser 8 % Geothermie 29 % Kompressions-Kältemaschine 33 % Absorptions-Kältemaschine Strom: 60 % KWKK 1 % Photovoltaik 39 % Wien-Strom Quelle: MA 20 2013, S.88f. 93 Zur Vermeidung eines Hitzeeintrags durch Sonnenstrahlung wurde eine doppelschalige Klimaschutzfassade vorgesehen, die einerseits eine optimale Tageslichtausnutzung, andererseits eine natürliche Lüftung über Fenster gewährleistet. Der Sonnenschutz wurde im Fassadenzwischenraum installiert, der hinterlüftet ist und wodurch ein Hitzestau zwischen den Glasscheiben vermieden wird. Da jedes zweite Fenster öffenbar beziehungsweise kippbar ausgeführt wurde, kann nach Bedarf auch natürlich belüftet werden. Bei starker solarer Strahlung wird der Sonnenschutz automatisch heruntergefahren, was aber von den Nutzern übersteuert werden kann. Durch perforierte Lamellen bleibt auch bei geschlossenem Sonnenschutz noch ein gewisser Tageslichteinfall und Blickkontakt nach außen erhalten, allerdings regelt dann die dimmbare Beleuchtung je nach vorhandenem Lichteinfall die Lichtintensität des Raums automatisch nach, um eine optimale Arbeitsplatzbeleuchtung zu gewährleisten. Die Räume werden hauptsächlich über eine thermische Bauteilaktivierung gekühlt, wobei auch eine gewisse Kühlung durch die konditionierte Zuluft erfolgt, die aber bei einem 1,5fachen Luftwechsel nur einen geringen Anteil an der Kühlung ausmacht. In Besprechungsräumen mit besonders großen Wärmelasten oder in exponierten Räumen mit hohem Fassadenanteil und geringen Deckenflächen wurden zusätzlich zur Bauteilaktivierung Ventilator-unterstütze Unterflurkonvektoren installiert. Die Energieerzeugung erfolgt zu einem großen Teil über ein eigenes Blockheizkraftwerk, das mit Biogas betrieben wird und den Strombedarf zu 60 Prozent, wie auch den Wärmebedarf zu 40 Prozent deckt. Die benötigte Kühlenergie wird einerseits durch Kompressionskältemaschinen mit einem Anteil von 29 Prozent und andererseits durch Absorptionskältemaschinen erzeugt, die mit 33 Prozent den größten Teil der Kühlenergie bereitstellen und sowohl die Abwärme des Blockheizkraftwerks als auch der Kompressionskältemaschinen als Antriebsenergie verwenden. Die Kompressionskältemaschinen werden in der Regel zur Abdeckung von Lastspitzen eingesetzt, wobei deren Stromverbrauch zu einem Großteil vom Blockheizkraftwerk abgedeckt wird. Die auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage erzeugt mit einer Nennleistung von 60 Kilowatt Peak pro Jahr ebenfalls Strom. Des Weiteren trägt das Donaukanalwasser zu einem Anteil von 28 Prozent zur Kühlenergie bei, da in den Übergangszeiten Frühjahr und Herbst überwiegend mit Wasser aus dem Kanal gekühlt wird. In heißen Perioden verwendet man das Wasser zur Rückkühlung der 94 Kompressionskältemaschinen. Die Nutzung des Donauwassers musste in einem eigenen Verfahren behördlich bewilligt werden, dabei wurde die Rücklauftemperatur des Wassers, welches wieder in den Kanal eingeleitet wird, mit einem Delta von 5°C beschränkt. Die Rücklauftemperaturen müssen sich daher im Jahresverlauf immer an den Wassertemperaturen des Donaukanals orientieren. Geothermie wird ebenfalls zur Erzeugung von Kühlenergie verwendet, wenn auch nur zu einem geringen Anteil von 8 Prozent. Einen hohen Energiebedarf verursacht das Rechenzentrum der Raiffeisenbank, welches sich auch in diesem Gebäude befindet und ganzjährig gekühlt werden muss. Mit der Abwärme des Rechenzentrums wird wiederum ein Teil des Heizwärmebedarfs gedeckt. Die Abgabe von Kühlenergie erfolgt über einen Kaltwasserverteilerkreis, der die massiven Stahlbetondecken durchströmt und an den das Rechenzentrum angeschlossen ist. Durch die kühlere Betondecke wird die Raumwärme über Strahlung aufgenommen und abgeführt. Da bei diesem System Zugerscheinungen auch aufgrund der moderaten Luftwechselrate entfallen, entsteht auch in warmen Perioden ein angenehmes Raumklima, was sich im heißen Sommer 2013 bewährt hat. Die Aussagen der Nutzer waren diesbezüglich sehr positiv. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014) Für die Errichtung dieses Passivhochhauses wurde ein Anteil von etwa 5 Prozent der Gesamtinvestitionskosten für regenerative und energieeffiziente Systeme projektiert (vgl. Raiffeisen 2012b). Berechnungen zur Folge wird mit diesen Maßnahmen der Energieverbrauch im Vergleich zu Bürobauten mit konventioneller Technik um 50 Prozent niedriger sein (vgl. Raiffeisen 2012c). Dabei werden sich die getätigten Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen nach etwa 12 Jahren plus minus zwei Jahren amortisieren, wobei die zukünftige Entwicklung von Gas beziehungsweise Biogas eine Rolle spielen wird (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). 95 5.3.4. Sanierung Österreichische Kontrollbank Die Österreichische Kontrollbank (OeKB) hat bereits im Jahr 2000 mit dem Aufbau eines Nachhaltigkeitsmanagement begonnen und ist seit 2001 gemäß EMAS (ECO Management and Audit Scheme) - zertifiziert. Im Rahmen dieser Nachhaltigkeitspolitik wurden viele Maßnahmen umgesetzt, um den Gebäudebetrieb energieeffizienter zu gestalten. Bei diesem Gebäude handelt es sich um einen Gründerzeitbau, der im Zeitraum um 1850 errichtet wurde und sich sowohl im Eigentum der OeKB befindet als auch von der OeKB selbst als Büro genutzt wird. Von 2010 bis 2012 wurden weitere umfassende Sanierungsmaßnahmen realisiert wie der Ausbau des Dachgeschosses mit Errichtung einer Photovoltaikanlage, Austausch und Sanierung von Fenstern im Bestand, Optimierung der Regelung der haustechnischen Anlagen und weitere Nutzung der Abwärme aus dem hausinternen Rechenzentrum. (vgl. IBO 2010, S.3-10) Abbildung 61: Österreichische Kontrollbank Quelle: Eigene Darstellung Mit dem Dachgeschossausbau wurde der Passivhausstandard realisiert und weitere 2000 m² Bürofläche geschaffen. Nach einer Vorgabe aus dem Nachhaltigkeitsmanagement durfte durch die zusätzlichen Büroflächen nicht mehr Energie verbraucht werden als vorher im Gebäude. Daher mussten durch den Dachgeschossausbau sogar Energiegewinne erzielt werden. Ein behagliches Raumklima wird im Dachgeschoss über eine Flächenheizung und -kühlung erreicht, in dem ein 96 Leitungssystem in den Leichtbauwänden und im Fußboden installiert wurde. Im Kühlfall zirkuliert kaltes Wasser durch die Leitungen, im Heizfall warmes Wasser, wobei zur Temperierung des Warmwassers Abwärme aus dem Rechenzentrum genutzt wird. Ergänzend zur Flächenkühlung und -heizung wurden vereinzelt Gebläsekonvektoren vorgesehen. Mit der Errichtung des Dachgeschossausbaus wurden auch Wärmeverluste aus dem darunter liegenden Geschoss sehr weit reduziert, die aufgrund des ursprünglich schlecht gedämmten Dachbodens relativ hoch waren. Zur Vermeidung solarer Einstrahlung wurden im Bereich der Fenster Sonnenschutzgläser und sonnenstandgesteuerte innenliegende Jalousien vorgesehen. Die Fenster wurden mit einer Absaugung ausgeführt, womit warme Luft zwischen Jalousie und Verglasung über Konvektion nach außen abgeführt werden und nicht in den Raum eindringen kann. Des Weiteren wurden an den Fenstern Kontakte vorgesehen, die signalisieren, ob die Fenster geöffnet sind. Bei geöffneten Fenstern wird die Flächenheizung und -kühlung automatisch abgeschaltet. Offen stehende Fenster werden abends automatisch geschlossen, da besonders im Winter der Raum sonst zu stark auskühlen würde und die Flächenheizung sehr lange brauchen würde, um die Temperaturen auf ein angenehmes Niveau nachzuregeln. Um eine Passivhausqualität zu erreichen, wurden eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung im Dachgeschoss installiert, die einen erforderlichen Luftwechsel gewährleistet. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014) In den bestehenden Geschossen gibt es keine Lüftungsanlage, auch wäre ein Nutzung von Flächenheizung und -kühlung zu teuer gewesen. Da die Fenster zum Lüften geöffnet werden, hat man sich für in der abgehängten Decke eingebaute Gebläsekonvektoren entschieden, weil dadurch Raumtemperaturen wesentlich schneller nachgeregelt werden können als mit Flächenheizung und -kühlungen. So wie im Dachgeschoss wurden an den Fenstern Kontakte vorgesehen, die signalisieren, wenn Fenster geöffnet sind. Bei offen stehenden Fenstern schalten sich die Gebläsekonvektoren automatisch ab, was zur Folge hat, dass über die Fenster nur noch stoß gelüftet wird und Fenster nicht mehr ganztägig offen stehen, da es sonst keine Heizung und Kühlung in den Räumen gäbe. Durch diese Maßnahmen können Energieverluste deutlich reduziert werden. Die Gebläsekonvektoren verfügen über ein gutes Strömungsbild, wodurch kaum Zugerscheinungen in den Räumen entstehen, was sich positiv auf die Nutzerzufriedenheit auswirkt. Des Weiteren wurden die Kunststofffenster im Innenhof gegen Holz-Alu-Fenster mit niedrigen U-Werten 97 getauscht. Die bestehenden Eichen-Fenster in der Außenfassade wurden im Zuge der Sanierung neu abgedichtet und neu eingestellt. Im OeKB-Gebäude ist auch ein betriebsinternes Rechenzentrum untergebracht, das ganzjährig über Kompressionskältemaschinen gekühlt werden muss. Die Abwärme der Kältemaschinen wird zum Heizen des Dachgeschosses und des gesamten Erdgeschossbereichs genutzt, in dem sich eine Halle und ein Mitarbeiterrestaurant befinden. Die restlichen Geschosse werden mit Fernwärme geheizt. Für ein nachhaltiges Energiemanagement ist es wichtig, dass die Systeme gut einreguliert sind, da sonst niedrige Vorlauftemperaturen zum Beheizen schwer zu erreichen sind. Bereiche mit großem Energieverbrauch, wie beispielsweise Technikräume, Besprechungsräume, Mitarbeiterrestaurant oder das Rechenzentrum wurden mit eigenen Zählern versehen und über getrennte Technikstränge versorgt. Auch bei den Kältemaschinen wurden eigene Zähler installiert. Auf diese Weise kann gemessen werden, an welcher Stelle und zu welcher Zeit ein großer Energiebedarf anfällt, wodurch die Energieversorgung bedarfsgerecht und effizient gesteuert wird. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014) Während der Planungsphase des Dachgeschossausbaus wurden verschiedene regenerative Systeme von der thermischen Solaranlage (Solar Cooling) bis hin zu Photovoltaik überlegt. Allerdings war aufgrund der geringen Dachfläche und einer damit verbundenen Kosten-Nutzen-Rechnung eine solarthermische Anlage nicht sinnvoll. Problematisch war bei diesem System auch die Verortung eines Speichers, um die Solarenergie aufnehmen zu können. Bei einer Situierung im Dachraum wäre wertvolle Bürofläche verloren gegangen und auf dem Dach konnte der Speicher aus Denkmalschutzgründen nicht verortet werden. Daher entschied man sich für eine Photovoltaikanlage, die mit einer Leistung von etwa 31 Kilowatt Peak zur Deckung des Strombedarfs im Gebäude beiträgt. Die Verwendung von Absorberkältemaschinen hatte man ebenfalls im Zusammenhang mit solarthermischen Anlagen angedacht. Da aber zu wenig Energie über die solarthermische Anlage bereitgestellt worden wäre und eine ausschließliche Versorgung mit Fernwärme nicht sinnvoll gewesen wäre, wurde das Konzept nicht weiter verfolgt. Eine weitere Erkenntnis war, das auch die Nutzung einer vor Ort vorhandenen Fernkälteleitung nicht rentabel ist, obwohl der Kühlbedarf im Rechenzentrum sehr hoch ist und daher auch entsprechende Mengen abgenommen 98 werden könnten, aber der Anschluss im Vergleich zur eigener Produktion von Kühlenergie zu teuer ist. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014) Die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wurden nicht nur aus betriebsökologischen Gründen umgesetzt, sondern auch aufgrund der Unternehmensphilosophie. Da die OeKB als österreichische Exportkreditagentur bei der Kreditvergabe Projekte auch nach sozialen und ökologischen Kriterien prüft, sollten im eigenen Gebäude ebenfalls ökologische Maßstäbe gesetzt werden. Durch die umgesetzten Sanierungsmaßnahmen wurden bei Betrachtung heutiger Flächen mit einem damaligen Energieverbrauch vor der Sanierung im Jahr 2000 und bei Annahme heutiger Energiepreisen infolge der energetischen Optimierungen jährliche Einsparungen von etwa 300.000 € erzielt. Die Mehrinvestitionen in energieeffiziente Maßnahmen rechnen sich mittlerweile. (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014) 99 5.3.5. Rückschlüsse aus den Demonstrationsprojekten Die Mehrkosten für Investitionen in energieeffiziente Maßnahmen und regenerative Systeme liegen je nach Bauvorhaben bei etwa sechs bis acht Prozent der Gesamtinvestitionskosten. Dabei verringert sich der prozentuale Anteil je größer das Bauvorhaben ist. Tendenziell sind die Kosten für regenerative Systeme fallend. Beispielsweise kostete die Photovoltaikanlage im aspern IQ mit 1300 m² Fläche geringfügig mehr als die Photovoltaikanlage im ENERGYbase mit 400 m². Der Quadratmeterpreis der Photovoltaikanlage betrug demnach im aspern IQ, Fertigstellung 2013, etwa ein Drittel des Preises im ENERGYbase, welches 2008 fertiggestellt wurde. Für die Umsetzung energieeffizienter und regenerativer Systeme sind planerisches Fachwissen, entsprechende Planungszeiten und die richtige bauliche Ausführung eine Voraussetzung. Das betrifft vor allem die Auswahl und Kombination der verschiedenen Systeme miteinander. Der Einsatz vieler Systeme bringt nicht unbedingt eine große Einsparung, teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall und es entsteht ein höherer Verbrauch. Die Systeme müssen aufeinander abgestimmt werden und dabei gilt, wenige Systeme, die miteinander funktionieren, bringen oft größere Einsparungen im Betrieb und erhöhen die Investitionskosten in geringerem Ausmaß. Für Projektentwickler stellen die Mehrkosten von energieeffizienten Systemen oft eine Hemmschwelle dar, in höhere energetische Gebäudestandards als gesetzlich gefordert zu investieren, da nachwievor die Konkurrenz zu Bürogebäuden mit konventioneller Technik vorhanden ist. Daher werden energieoptimierende Maßnahmen in der Regel in Gebäuden vorgesehen, die vom Eigentümer selbst genutzt werden und die aufgrund der Firmenphilosophie für eine nachhaltige Bauweise einstehen. Durch die Eigennutzung der Gebäude können die Mehrinvestitionskosten langfristig über niedrigere Betriebskosten amortisiert werden. Bei fremdvermieteten Gebäuden gibt es vereinzelt innovative Ansätze, in denen die Mehrkosten für eine Investition in energiesparende Maßnahmen in Form einer Gesamtmiete mit garantierten Betriebskosten amortisiert werden können. Förderungen sind ein Anreizsystem, um hochwertige energieeffiziente Gebäude umzusetzen, da die Amortisierung der Investitionskosten bei derartigen Projekten ohne Förderungen oft sehr schwierig ist, besonders bei fremdvermieteten Objekten, die mit den Mietpreisen konventioneller Bürogebäude konkurrieren müssen. 100 Teilweise können diese Projekte nur realisiert werden, weil es Förderungen gibt. (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014) Bei der Einführung energieeffizienter und regenerativer Systeme müssen die NutzerInnen über die Funktionsweise dieser Systeme informieren werden, um gewisse Einflussparameter, wie beispielsweise lange Temperaturnachregelung von thermisch aktivierten Bauteilen (Raiffeisenbank, aspern IQ) beziehungsweise Abschalten des Heiz- und Kühlsystems (OeKB) bei geöffneten Fenstern, aufzuzeigen. Allerdings darf die Funktionsweise der Systeme nicht von einem bestimmten NutzerInnenverhalten abhängen. MitarbeiterInnenschulungen sind in Bürogebäuden sehr aufwendig. Außerdem kann das Facility-Management deren Verhalten sehr schwer kontrollieren (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014). Daher müssen die Systeme selbstständig auf das NutzerInnenverhalten reagieren, wie zum Beispiel durch das automatische Schließen der Fenster am Abend (OeKB), automatisches Abschalten des Heiz- und Kühlsystems bei geöffneten Fenstern (OeKB), Regelung der Beleuchtung durch Anwesenheitssensoren, wenn sich niemand im Büro aufhält (Raiffeisenbank, aspern IQ) oder Steuerung der Lüftungsanlage aufgrund von CO2 - Sensoren (aspern IQ). In der Regel erwarten die MitarbeiterInnen, dass diese Systeme von selbst funktionieren und nicht durch entsprechendes NutzerInnenverhalten beeinflusst werden müssen (vgl. Expertinnengespräch Balogh, 2014). Wenn die energieeffizienten Systeme richtig eingestellt sind, gibt es von NutzerInnen auch keinen Bedarf das Raumklima durch beispielsweise Raumregler individuell einzustellen. NutzerInnenbefragungen in energieeffizienten Gebäuden haben gezeigt, dass die Zufriedenheit mit der haustechnischen Versorgungen sehr hoch ist. Dabei ist die Zufriedenheit mit der Haustechnik oft noch größer, wenn man auch mit dem Facility Management zufrieden ist. Das heißt, beide Komponenten haben einen wesentlichen Einfluss auf die NutzerInnenzufriedenheit bezüglich der haustechnischen Versorgung im Gebäude (vgl. Expertengespräch Weiss/ Wiedemann, 2014). 101 5.4. Energieeffizienz im Altbestand. Wien ist eine gebaute Stadt mit einem überwiegenden Anteil an historischer Bausubstanz. Betrachtet man den Primärenergieverbrauch der Stadt Wien fällt ein Großteil des Energieverbrauchs auf den Verkehr und auf die Gebäude, wobei dies hauptsächlich den Altbestand überwiegend zur Erzeugung betrifft. von Bestandsgebäude Raumwärme und verbrauchen Warmwasser. Energie (vgl. Expertengespräch Schaffler, 2014) Bei historischen Gebäuden ist eine thermische Sanierung der Fassade aufgrund von Denkmalschutz und aufwendiger Stuckatur oft nicht möglich, wobei die Sanierung der Gebäudehülle, beispielsweise auf einen Passivhausstandard, bei Gründerzeithäusern grundsätzlich mit einem extrem hohen Aufwand verbunden ist. Die Nutzung alternativer Energien wie Solarthermie oder auch Fernwärme ist teilweise wegen nicht vorhandener zentraler Heizversorgungsanlagen ebenfalls schwer möglich. Deshalb sollten bei Sanierungen zentrale Heizanlagen mit entsprechenden Steigsträngen vorrangig nachinstalliert werden, sofern nicht vorhanden, weil man dadurch andere technische Systeme wie Solarthermie in die Energieversorgung des Gebäudes flexibler integrieren kann. Die Umsetzung solcher Sanierungsmaßnahmen ist bei Gebäuden dann sehr schwierig, wenn einerseits die Wohnungen über verschiedene Heizsysteme versorgt werden, andererseits in dem Gebäude eine unterschiedliche Eigentümerstruktur vorhanden ist. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) Bei nützlichen Verbesserungen oder baulichen Veränderungen, die über die Erhaltung hinausgehen, muss die Mehrheit der Wohnungseigentümer per Beschluss zustimmen, wobei der Beschluss unter gewissen Voraussetzungen auch von überstimmten Wohnungseigentümer per Antrag gerichtlich aufgehoben werden kann (vgl. §29 Abs.1 WEG). Bei einer Büronutzung steht aufgrund der internen Wärmelasten die Kühlung im Sommer im Vordergrund. Durch den Klimawandel und die drastische Zunahme von Kühlgradtagen wird sich der Energieverbrauch auch im Altbau mehr auf die Deckung des Kühlbedarfs verlagern. 102 Um in Bestandsgebäuden Kühllasten möglichst zu reduzieren, gilt es im Sommer durch die Belegungsdichte der Arbeitsplätze, durch den Einsatz energieeffizienter Bürotechnik und Beleuchtung möglichst geringe interne Lasten zu erzeugen. Dann ist ein externer Sonnenschutz elementar, um den Eintrag solarer Strahlung zu vermeiden. Im Altbestand, vor allem im Gründerzeitbau, sind durch die massive Ziegelbauweise große Speichermassen vorhanden, die tagsüber durch die Aufnahme von Wärme eine ausgleichende Wirkung auf die Raumtemperatur haben. Mit Nachlüftungskonzepten können diese Speichermassen die aufgenommene Wärme nachts wieder abgeben. Die Nachtlüftung kann beispielsweise über automatisch öffenbare Fenster in der Nacht erfolgen, wenn die Außentemperaturen niedriger sind als die Raumtemperaturen oder durch eine Lüftungsanlage, die nur im Ventilatorbetrieb dem Raum kühle Außenluft zuführt. Falls in Bestandsgebäuden wenig thermisch nutzbare Speichermassen vorhanden sind, kann mit PCM - Elementen, siehe Kapitel 5.2.5.4, in Kombination mit Nachtlüftung eine Reduktion der Kühllasten erreicht werden. Phasenwechselmaterialien sind Latentwärmespeicher, die im Gebäude tagsüber Wärme aufnehmen und schmelzen. Nachts wird diese eingelagerte latente Wärme beispielsweise über Nachtlüftung mit hohen Luftwechselraten wieder abgegeben. So lassen sich Tagesspitzen der Raumlufttemperatur abfedern und Kühllasten reduzieren. In innerstädtischen Lagen wird eine Nachtlüftung aufgrund des Wärmeinseleffekts an manchen Tagen und Wochen, wenn die Gebäude aufgeheizt sind, nicht mehr funktionieren, siehe Kapitel 2.2. Dann wird zumindest temporär eine aktive Kühlung erforderlich werden. Grundsätzlich sind passive Kühlsysteme im Bürobau vorrangig einzusetzen, um die Grundkühllasten zu reduzieren. Falls notwendig kann dann der geringere Kühlbedarf über eine aktive Klimatisierung gedeckt werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) Lüftungsanlagen sind dabei sehr effizient mit möglichst kurzen Laufzeiten zu verwenden, da sie den größten Anteil an elektrischer Energie verbrauchen. Die Verwendung energiesparender Bürotechnik oder Beleuchtung trägt ebenfalls zur Reduktion interner Lasten bei. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014) In der Sanierung des Altbestandes liegen hohe Energieeinsparpotentiale, dabei ist die Herausforderung wie man den energetischen Umbau von Bestandsgebäuden auch leistbar gestalten kann (vgl. Expertengespräch Selke, 2014). Der Umgang mit dem Gebäudebestand in Bezug auf Energieversorgung und Sanierung wird auch Gegenstand 103 des „Städtischen Energieeffizienzprogramm Zwei“ (SEP) sein (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014). 104 6. Trends für eine zukünftige energieeffiziente Gebäudekühlung. Büroimmobilien sind bereits jetzt ohne Klimatisierung oder Kühlung sehr schlecht am Markt zu verwerten (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014). Infolge des Klimawandels mit starker Zunahme von sehr warmen und heißen Tagen wird der Klimatisierung von Büroarbeitsplätzen noch eine größere Bedeutung zukommen. Von gesetzlicher Seite werden höhere Anforderungen zur Energieversorgung von Gebäuden hinsichtlich Einsatz erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienz bezüglich Primärenergieverbrauch der Gebäude zu erwarten sein, um die Ziele der EUGebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) für das Jahr 2020 einhalten zu können. Um Gebäude energieeffizient zu errichten und damit den Primärenergieverbrauch gering zu halten, muss auch der Kühlenergiebedarf der Gebäude reduziert werden. Wege für eine effiziente Klimatisierung werden nun im Zusammenhang den anfangs gestellten Forschungsfragen aufgezeigt. Wie können Kühllasten in Bürogebäuden sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsgebäuden reduziert werden? Im Bürobau wird man weiterhin von großen Verglasungsanteilen in der Fassade ausgehen können, wodurch eine hohe natürliche Belichtung der Arbeitsplätze gewährleistet wird. Mittlerweile gibt es bereits hochwertige Fassadenelemente mit einem adäquaten Preis-Leistungsverhältnis am Markt, bei denen die Energieverluste über den Verglasungsanteil gering sind. Der außenliegende Sonnenschutz ist bei hohen Verglasungsanteilen elementar und das effektivste Beschattungssystem, um das Eindringen externer Wärmelasten in das Gebäude zu vermeiden. Wärmeeinstrahlung durch Fenster verursacht den größten Anteil an externen Kühllasten, siehe Kapitel 5.1.2.1. Die Ausführung des Sonnenschutz muss bei jedem Projekt neu überlegt werden. Perforierte Raffstores sind dabei interessante Systeme, da sie im geschlossenen Zustand das Eindringen der Solarstrahlung verhindern, aber gleichzeitig einen gewissen Tageslichtanteil im Raum und einen Sichtbezug nach außen gewährleisten. 105 Ambitionierte Energie- und Komfortziele können ohne einen effektiven Sonnenschutz nicht realisiert werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) Durch eine natürliche Beschattung von Bäumen wird das Eindringen solarer Strahlung auf das Gebäude ebenfalls reduziert. Besonders Laubbäume bieten in den Sommermonaten und Übergangszeiten einen effektiven Schutz vor Solarstrahlung, wenn die externen Wärmegewinne durch Sonnenergie in den Büroräumen unerwünscht ist. In den Wintermonaten können wiederum solare Wärmegewinne in den Büroräumen genutzt werden, da die Gebäude ohne das Laubwerk der Bäume nicht mehr verschattet werden. Externe Kühllasten können infolge Wärmetransmission durch Bauteile durch eine gut gedämmte Gebäudehülle oder durch Dach- und Fassadenbegrünungen vermieden werden. Ein interessantes System bilden dabei fassadengebundene Begrünungen, bei denen die Fassadenbewässerung das lokale Außenklima durch Verdunstung kühlt. Die solare Energie, mit der das Wasser verdunstet wird, trifft dann nicht mehr auf die Fassade des Gebäudes, siehe Kapitel 4.3.3. Bei Bestandsgebäuden kann die Gebäudehülle oft nur bedingt wärmetechnisch optimiert werden, was teilweise im Denkmalschutz begründet ist. Daher sind bei Neubauten und bei Bestandsgebäuden umso mehr interne Kühllasten zu reduzieren, was durch eine geringe Belegungsdichte der Arbeitsplätze, durch den Einsatz energieeffizienter Bürotechnik und Beleuchtung erreicht wird, siehe Kapitel 5.1.2.2. Welche Kühlsysteme sind hinsichtlich Kosten und Nutzen am effektivsten? Die Demonstrationsprojekte haben gezeigt, dass sich mit der Betonkernaktivierung ein sehr effizienter Heiz- und Kühlbetrieb realisieren lässt und damit hohe Energieeinsparungen erzielt werden. Durch die thermische Aktivierung von Betonelementen wird eine hohe Behaglichkeit im Raum erreicht. Bei der Betonkernaktivierung lassen sich Wärmepumpen im Sommer durch das niedrige Temperaturniveau zur Beheizung und im Sommer durch das relativ hohe Temperaturniveau zum Kühlen energieeffizient betreiben. Des Weiteren ist das KostenNutzenverhältnis dieses Systems aufgrund niedriger Errichtungs- und Betriebskosten optimal. 106 Das träge Reagieren auf Temperaturänderungen sowie raumakustische Maßnahmen müssen bei diesem System allerdings berücksichtigt werden, siehe Kapitel 5.2.3.2. Der Vorteil der thermischen Bauteilaktivierung liegt in der Kombination von Flächenkühlung beziehungsweise -heizung und der Aktivierung von Speichermassen. Grundsätzlich sollten die Grundkühllasten des Gebäudes mit passiven Systemen, wie Nachtlüftungskonzepte mit der Nutzung von Speichermassen, abgedeckt werden. Dadurch kann bei günstigen Herstellungskosten der Kühlbedarf erheblich reduziert werden, siehe Kapitel 5.2.5.3 . Im Leichtbau können fehlende Speichermassen beispielsweise durch Phase-Change-Materials-Verbundwerkstoffe kompensiert werden, siehe Kapitel 5.2.5.4. Der Einsatz regenerativer Energien (Grundwasser, Geothermie, Free-Cooling) ist bei einer Lebenszyklusbetrachtung trotz höherer Herstellungskosten langfristig sehr kosteneffizient. Bei Free-Cooling-Systemen sind die Herstellungskosten günstiger als bei Nutzung von Grundwasser oder Geothermie, da die Kosten für die Errichtung von Brunnen oder Erdregistern entfallen. Allerdings kann Geothermie auch kostengünstig über Fundierungen genutzt werden, wenn bei der Errichtung der Fundamente, besonders bei Tiefengründungen, gleichzeitig Erdsonden verlegt werden. Welche Trends zeichnen sich zum Einsatz bestimmter Kühlsysteme ab? Auf städtischer Ebene setzt man mit dem STEP 2025 auf eine integrierte Energieraumplanung, in der unter Berücksichtigung des Standorts Kriterien für die Energieversorgungswahl mit den notwendigen Prozessabläufen definiert werden. Dabei sollen erneuerbare Energien, die vor Ort keine oder kaum Emissionen haben, verwendet werden wie beispielsweise Solarthermie, Photovoltaik, Erdwärme und Grundwasser. Fernwärme wird bei der Energieversorgung weiterhin ein wichtiger Bestandteil bleiben, auch zur Erzeugung von Fernkälte. Dezentrale Fernkälteanlagen mit Anbindung an das Fernwärmenetz sind dabei einfacher zu realisieren als der Ausbau zentraler Fernkältenetze, da die Infrastruktur auf der Fernwärmeseite bereits vorhanden ist. Gebäudekomplexe können daher leichter über dezentrale Anlagen vor Ort mit Fernkälte versorgt werden, wie zum Beispiel im Businesspark „TownTown“ im 3. Wiener Gemeindebezirk. (vgl. Expertengespräch Ritter/ Geier, 2014) 107 Desweiteren kann bei dezentralen Fernkälteanlagen, die durch Wärme angetrieben werden, vor Ort erzeugte solarthermische Energie verwendet werden. Die Nutzung eines Fernkälteanschluss zum Kühlen ist aber aus Kostengründen erst dann sinnvoll, wenn große Abnahmemengen vorhanden sind. Wie man aus den vorgestellten Demonstrationsprojekten rückschließen kann, war die Nutzung von Fernkälte auch bei großem Kühlbedarf für Rechenzentren kein Thema, da sich der Anschluss nicht rentiert hätte. Neue Gebäude können so energieeffizient ausgeführt werden, dass auch ein Fernwärmeanschluss für den Energieversorger aufgrund des geringen Energiebedarfs der Neubauten unrentabel werden kann. Des Weiteren kann man aus den Demonstrationsprojekten erkennen, dass ein klarer Trend zur Nutzung von vor Ort vorhandenen regenerativen Energien besteht. Bei allen Projekten wurde Photovoltaik zur Stromerzeugung eingesetzt und sofern möglich Grundwasser oder Flusswasser zur Kühlung verwendet. Energieverluste wurden durch hochwertige Gebäudehüllen minimiert. Abwärme von internen Wärmequellen, insbesondere von Rechenzentren, wurde zum Beheizen oder als Antriebsenergie für Block-Heizkraftwerke genutzt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Betonkernaktivierung als Kühlsystem bei neuen Bürogebäuden weiter verbreiten und sogar künftig Standard werden wird. Eine hochwertige Gebäudehülle ist bei der Betonkernaktivierung eine Voraussetzung (vgl. Expertengespräche Selke, Steiniger, Weiss/ Wiedemann, 2014) Gebläsekonvektoren werden auch in Zukunft weiter verwendet werden, bei verbesserter Technologie. Mittlerweile verfügen Gebläsekonvektoren über ein gutes Strömungsbild, wodurch geringe Zugerscheinungen entstehen. Sie werden vor allem dort eingesetzt, wo bestimmte Werte eingehalten werden müssen oder temporär ein erhöhter Kühlbedarf auftritt, wie beispielsweise in Besprechungsräumen. Dabei können diese Systeme auch gut mit Betonkernaktvierung kombiniert werden. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014) Im Bürobau wird es künftig zum vermehrten Einsatz von Photovoltaik kommen, da eine sehr gute zeitliche Überdeckung von Stromverbrauchsprofilen und der Solarstromlieferung durch Photovoltaik besonders im Sommer vorhanden ist. Dabei können Photovoltaikelemente intelligent und ästhetisch in die Gebäudehülle integriert werden. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) 108 Bei der Planung energieeffizienter Systeme ist eine ausreichende Fläche für die Gebäudetechnik vorzusehen, denn je kleiner und kompakter man baut, besonders bei Querschnitten von Lüftungsleitungen, desto ineffizienter wird das System. Desweiteren ist ein gutes Gebäudemanagement erforderlich, das die Systeme auch effizient regeln kann, da sonst durch eine falsche Einstellung des Systems Energieverluste entstehen. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014) 109 6.1.1. Bereitschaft zum Einsatz energieeffizienter Systeme Der Einsatz regenerativer und energieeffizienter Systeme ist mit Mehrkosten von etwa sechs bis acht Prozent der Gesamtinvestitionskosten verbunden, wobei die Tendenz aufgrund der technologischen Entwicklung fallend ist. In der Regel werden bei der Projektentwicklung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen nach Bauordnung eingehalten, um Mehrkosten zu vermeiden, insbesondere dann wenn der/ die ProjektentwicklerIn nicht NutzerIn oder EigentümerIn ist (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). Es gibt aber auch vermehrt BauträgerInnen, die sich mit nachhaltigen, energieeffizienten Systemen beschäftigen, was auch Wettbewerbsvorteile bringt, da die Nachfrage bei BewohnerInnen und BauherrInnen nach energieeffizienten Gebäuden steigt, wobei BauträgerInnen oder ImmobilienentwicklerInnen dennoch nur in nachhaltige Projekte investieren werden, wenn die Kosten einigermaßen überschaubar sind. (vgl. Expertengespräch Selke, 2014) Energieeffiziente Gebäude mit Verwendung regenerativer Energien werden meistens von AuftraggeberInnen realisiert, die auch die Immobilie selbst nutzen. Dabei ist die Investition in nachhaltige Gebäude oft in der Firmenphilosophie begründet, teilweise auch im Marketing. Bei gewerblichen Projekten steht die Effizienzsteigerung der bestehenden Systeme mehr im Vordergrund, um Betriebskosten einzusparen als der Einsatz regenerativer Energien. (vgl. Expertengespräch Steininger, 2014). Die Verwertung von nachhaltigen und energieeffizienten Mietobjekten ist oft schwieriger, weil der Markt in der Form noch nicht da ist (vgl. Expertengespräch Weiss/Wiedemann, 2014), aber auch in diesem Segment steigt die Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden, siehe Kapitel 6.1.2. Auf dem Mietsektor gibt es nachwievor die Konkurrenz zu konventionellen Gebäuden mit niedrigeren energetischen Standards. Energieeffiziente Gebäude sind dabei in der Errichtung teurer als konventionelle Gebäude, was sich in der Regel auch im Mietpreis wiederspielgelt. Gesetzliche Vorgaben zur Einhaltung höherer energetischer Standards wie sie auch nach der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) gefordert werden, nivellieren den Wettbewerbsnachteil von energetisch optimierten Gebäuden zu konventionellen Gebäuden etwas. (vgl. Expertengespräch Weiss/Wiedemann, 2014) 110 Im Büromarkt geht die Tendenz hin zu Gesamtmieten, bei denen die Betriebskosten bereits inkludiert sind. Dadurch entsteht ein Interesse des/ der Eigentümers/ Eigentümerin, energieeffizient zu bauen, eine gute Qualität anzubieten und natürlich die Betriebskosten möglichst niedrig zu halten, um langfristig Einsparungen zu erzielen. (vgl. Expertengespräche Ritter/ Geier, Steininger, Weiss/Wiedemann, 2014) Durch fixe Gesamtmieten kann der/ die MieterIn die künftigen Ausgaben besser kalkulieren. 6.1.2. Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden Die Errichtung neuer Büroflächen ist im Frühjahr 2014 auf etwa 120.000 m² zurückgegangen (EHL 2014, S.4). Allerdings wird die Nachfrage nach Büroflächen aufgrund der prognostizierten konjunkturellen Entwicklung leicht ansteigen, wodurch die Leerstandsrate durch die geringe Neuflächenproduktion etwas zurückgehen wird. Die Nachfrage zielt vor allem bei Erstbezug auf Büroflächen in energieeffizienten Green Buildings. Ähnlich verhält es sich bei InvestorInnen, die energieeffiziente Bürogebäude wegen der stabilen Mieteinnahmen und wegen einem guten Wertsteigerungspotential nachfragen. (EHL 2014, S.4) Die Kosten sind bei der Wahl eines Standorts nicht mehr hauptausschlaggebend, sondern vielmehr hochwertige Büroflächen, die sich im mittel- und hochpreisigen Segment befinden (vgl. EHL 2014, S.3). Abbildung 62: Büromarktbericht Wien, Frühjahr 2014 23 Quelle: vgl. EHL 2014, S.3 111 7. Zusammenfassung Die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben sind noch nicht ausreichend, um den von der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie 2010/31/EU) geforderten energetischen Standard zu erreichen. Das betrifft besonders konkrete Vorschreibungen zum Primär- oder Endenergieverbrauch von Gebäuden. Diesbezüglich werden in den nächsten Jahren Verschärfungen in der Bauordnung oder in der OIB Richtlinie zu erwarten sein. Mit der Realisierung von Demonstrationsprojekten wurde gezeigt, dass sich mit den am Markt verfügbaren Technologien intelligente Konzepte umsetzen lassen, durch die Gebäude sehr energieeffizient betrieben und mit erneuerbaren Energien versorgt werden können. Die künftigen energetischen Gebäudestandards können dadurch bereits jetzt eingehalten werden. Der Reduktion des Kühlenergiebedarfs und einer effizienten Bereitstellung von Kühlenergie mit möglichst geringem Stromverbrauch wird bei der energetischen Optimierung der Gebäude in den kommenden Jahren immer mehr Bedeutung zukommen. Aufgrund des weiterhin hohen Verglasungsanteils in Bürogebäuden ist ein effektiver Sonnenschutz, am besten außenliegend, und eine hochgedämmte, dichte Gebäudehülle besonders wichtig, um externe Kühllasten im Gebäude zu vermeiden. Mit dem Zubau des Raiffeisenhochhaus wurde nachgewiesen, dass selbst Hochhäuser mit einer Doppelfassade und zwischenliegendem Sonnenschutz auch hinsichtlich Kühlbedarf Passivhausstandard erreichen können. Durch die Verwendung von energieeffizienter Bürotechnik und Beleuchtung sowie durch kleinere Belegungsdichten lassen sich interne Lasten reduzieren. Der Überwärmung von Räumen wird durch Nutzung der Speichermassen sowohl im Altbau als auch im Neubau entgegengewirkt, wobei in Gebäuden, die in Leichtbauweise errichtet wurden, speicherfähige Baustoffe wie Phase Change Materials verwendet werden können. Bei der Entwicklung von Energiekonzepten gilt es, Grundkühllasten weitestgehend über passive Systeme abzudecken und den Restkühlbedarf über aktive Systeme. Dabei zeichnet sich im Neubau immer mehr der Trend zur thermischen Bauteilaktivierung als energie- und kosteneffizientes System zur Kühlung, aber auch zur Beheizung des Gebäudes ab. In dieses System kann sehr leicht Energie aus erneuerbaren Quellen integriert werden, wie die Nutzung von Grundwasser, Free Cooling oder Solarthermie. Um von externer Energieversorgung unabhängiger zu werden, setzt man bei der Konzeption von 112 Gebäuden vermehrt auf vor Ort vorhandene Ressourcen. Neubauten werden künftig immer energieeffizienter, teilweise produzieren die Gebäude über das Jahr gesehen mehr Energie als sie verbrauchen. Dieser Trend wird den Ausbau von Fernwärme- und Fernkältenetzen beeinflussen, da in Zukunft geringere Energiemengen in Neubausiedlungen abgenommen werden als bisher. Dabei erscheint der Ausbau des Fernwärmenetzes im Vergleich zum Fernkältenetz zweckmäßiger, da zum einen die Infrastruktur schon sehr flächendeckend vorhanden ist und zum anderen Heizenergie und Kühlenergie in Verbindung mit dezentralen Kälteanlagen bereitgestellt werden kann. Grundsätzlich ist für den Ausbau und die Nutzung von Fernwärme oder Fernkälte die abzunehmende Energiemenge sowohl für den Energieversorger als auch für den Endverbraucher entscheidend. Der Altbestand wird auch künftig von externer Energieversorgung abhängiger bleiben, da erneuerbare Energiequellen schwieriger und mit vergleichsweise höherem Aufwand in das Gebäude integriert werden können. Oft mangelt es an einem zentralen Heizsystem in Bestandsgebäuden, um Fernwärme oder auch Solarthermie einsetzen zu können. Photovoltaikanlagen können dabei zur Unterstützung der Stromversorgung leichter integriert werden. Da der Energieverbrauch im Altbestand am höchsten ist, gilt es auch in Zukunft durch Förderungen Anreize zu schaffen, Sanierungen durchzuführen. Eine interessante Entwicklung ist neben der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden der Trend zu Gesamtmieten im Bürosektor. Dadurch entsteht auf Betreiberseite ein stärkeres Interesse, Gebäude möglichst energieeffizient zu errichten, um im Hinblick auf den Lebenszyklus geringe Energiekosten zu erzeugen. Andererseits wird sich das Wettbewerbsverhalten im Büromarkt ändern und Betreiber von Gebäuden mit schlechten Energiestandards werden unter Druck geraten und in der Energieeffizienz nachziehen müssen. 113 8. Verzeichnisse 8.1. Abkürzungsverzeichnis a ................................... Jahr ABGB.......................... Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ARC ............................ Austrian Research Center AStV............................ Arbeitsstättenverordnung BFG ............................. Bundesanstalt für Gewässerkunde BGF ............................. Bruttogeschossfläche BMVIT ........................ Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie BO ............................... Bauordnung für Wien BSB ............................. Betriebsstrombedarf CO2 .............................. Kohlendioxid EAMS.......................... ECO Management and Audit Scheme EEB ............................. Endenergiebedarf FFG ............................. Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft fGEE .............................. Gesamtenergieeffizienzfaktor IBO .............................. Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie (Verein) und Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH ICT .............................. Information and Communications Technology IC .................................................. Charakteristische Länge HHSB .......................... Haushaltsstrombedarf HWB ........................... Heizwärmebedarf KB ............................... Außeninduzierter Kühlbedarf kWh ............................. Kilowattstunde MA .............................. Magistratsabteilung MIT ............................. Massachusetts Institute of Technology MPI-M ......................... Max-Planck-Institut für Meteorologie MW ............................. Megawatt nE ................................ Niedrigenergiegebäude nstE.............................. Niedrigstenergiegebäude NWG ........................... Nichtwohngebäude 114 OIB .............................. Österreichisches Institut für Bautechnik ÖGNB ......................... Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen PEB ............................. Primärenergiebedarf PHPP ........................... Passivhausprojektierungspaket RK ............................... Referenzklima san ............................... Sanierung SK................................ Standortklima TQB ............................. Total Quality Building UBA ............................ Umweltbundesamt UHI.............................. Urban Heat Islands V .................................. Volumen WBTV ......................... Wiener Bautechnikverordnung 115 8.2. Literatur- und Quellenverzeichnis 8.2.1. Literaturverzeichnis Grim, Margot et al. (2012): Schritt für Schritt zum Nullenergiegebäude, Kriterienset energiebewusstes Bauen für Dienstleistungsgebäude in Wien. Wien Magistratsabteilung (MA) 20 - Energieplanung (2012): Energie. Stadt. Neu. Denken. Wien Magistratsabteilung (MA) 20 - Energieplanung (2013): Wien Vienna Plus, Aspekt: Architektur + Energie. Wien Magistratsabteilung (MA) 27 - Europäische Angelegenheiten (2007): Solares Kühlen für Büro- und Dienstleistungsgebäude. Wien ÖNORM B 8110-1. Wärmeschutz im Hochbau. Teil 1: Deklaration des Wärmeschutzes von Niedrig- und Niedrigstenergiegebäuden - Heizwärmebedarf und Kühlbedarf, Ausgabe 2011-08 ÖNORM B 8110-3. Wärmeschutz im Hochbau. 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Februar 2014 in Wien. Preiss, Jürgen (2014): Expertengespräch mit Jürgen Preiss, Magistratsabteilung 22 Umweltschutz, geführt von Daniel Trageser am 24. Jänner 2014 in Wien. Ritter, Herbert/ Geier, Stefan (2014): Expertengespräch mit Herbert Ritter, Abteilungsleiterstellvertreter und Energiesonderbeauftragter für Magistratsobjekte und mit Stefan Geier, Referent Magistratsabteilung 20 - Energieplanung, geführt von Daniel Trageser am 17. Jänner 2014 in Wien. Schaffler, Volker (2014): Expertengespräch mit Volker Schaffler, Internationale Kooperation + Best Practices Hub bei tinavienna, geführt von Daniel Trageser am 15. Jänner 2014 in Wien. Selke, Tim (2014): Expertengespräch mit Tim Selke, Austrian Institute of Technology, geführt von Daniel Trageser am 16. Jänner 2014 in Wien. Steininger, Christian (2014): Expertengespräch mit Christian Steininger, geschäftsführender Gesellschafter Vasko & Partner, geführt von Daniel Trageser am 24. Jänner 2014 in Wien. Weiss, Werner/ Wiedemann (2014): Expertengespräch mit Werner Weiss, Geschäftsführer aspern IQ und Projektentwickler in der Immobilienabteilung der Wirtschaftsagentur Wien und Hrn. Wiedemann, Facility Management bei Siemens, geführt von Daniel Trageser am 13. Jänner 2014 in Wien. 124 8.3. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Interviewpartner auf städtischer Ebene................................................. 7 Abbildung 2: Ausgewählte Projekt nach EU - Greenbuilding Programm und TQB .. 8 Abbildung 3: Endgültige Projektauswahl mit Interviewpartner ................................. 9 Abbildung 4: Szenarien der Anomalien der Jahresmitteltemperatur für Wien nach REMO-UBA und drei verschiedenen Emissionsszenarien ................ 11 Abbildung 5: Ausstattungsentwicklung von Klimatisierungsgeräten....................... 16 Abbildung 6: Abschätzung des Stromverbrauchs von Klimatisierungsgeräten in Wien .................................................................................................... 16 Abbildung 7: Aufteilung der Energienutzung in Büros nach Verbrauchern ............ 17 Abbildung 8: Szenarien des Energieverbrauchs für Raumkühlung und Klimatisierung in Österreich............................................................... 19 Abbildung 9: Klassengrenzen des jährlichen Heizwärmebedarfs ............................ 23 Abbildung 10: Klassengrenzen des jährlichen Primärenergiebedarfs ........................ 23 Abbildung 11: Anforderungen an wärmeübertragende Bauteile, Auszug .................. 24 Abbildung 12: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWG,max,RK Neubau .................. 25 Abbildung 13: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max Neubau ......................... 25 Abbildung 14: Jährlicher Heizwärmebedarf HWB*V,NWGsan,max,RK bei Sanierung: .... 25 Abbildung 15: Außeninduzierter Kühlbedarf KB*V,NWG,max bei Sanierung: .............. 26 Abbildung 16: Anforderung für die Deklaration von Niedrigenergiegebäudehüllen . 26 Abbildung 17: Anforderung für die Deklaration von Niedrigstenergiegebäudehüllen ............................................................................................................ 26 Abbildung 18: Kriterien für Passivhäuser mit Nicht-Wohnnutzung (NiWo) ............. 27 Abbildung 19: Qualitätsanforderungen an Passivhäuser ............................................ 28 Abbildung 20: Prioritäten der Stadt Wien im Bereich des energiebewussten und nachhaltigen Bauens ........................................................................... 30 125 Abbildung 21: Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger Dienstleistungsgebäude in Wien - Neubau ......................................... 30 Abbildung 22: Zielwerte für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf Neubau ................................................................................................ 31 Abbildung 23: Auszug Zielwerte für die Qualität der Gebäudehülle künftiger Dienstleistungsgebäude in Wien - Sanierung ..................................... 31 Abbildung 24: Zielwert für außeninduzierten Kühlbedarf und Heizwärmebedarf Sanierung ............................................................................................ 32 Abbildung 25: Schema des Fernkältenetzes in TownTown ....................................... 41 Abbildung 26: Trianon Park in São Paulo .................................................................. 45 Abbildung 27: Fassadengebundene Begrünung Magistratsabteilung 48 ................... 47 Abbildung 28: Leistungsfähigkeit des Menschen relativ zum Raumklima ................ 49 Abbildung 29: Auslegungswerte für Luftgeschwindigkeit (DIN EN 13 779) ............ 50 Abbildung 30: Klassifizierung der Raumluftqualität - IDA (EN 13 779) .................. 52 Abbildung 31: Außenluftvolumenströme je Person (EN 13 779) .............................. 52 Abbildung 32: Gesamtstrahlung nach Himmelsrichtung ............................................ 54 Abbildung 33: Typische innere und äußere Kühllasten in Bürogebäuden ................. 57 Abbildung 34: Verteilung der Kühllasten in einem durchschnittlichen Büro ............ 57 Abbildung 35: Einteilung von Klimaanlagen nach ÖNORM EN 13779 ................... 58 Abbildung 36: Schema Einkanal - Niederdruck-Klimaanlage ................................... 60 Abbildung 37: Anlagenschema einer VRF-Anlage .................................................... 61 Abbildung 38: Schema Hochdruck-Induktionsklimaanlage und HD-Induktionsgerät ............................................................................................................ 63 Abbildung 39: Schema Gebläsekonvektor.................................................................. 64 Abbildung 40: Aufbau und Wirkungsweise einer statischen Kühldecke ................... 66 Abbildung 41: Kühldecken Bauformen ...................................................................... 66 126 Abbildung 42: Kühlung über thermisch aktivierte Bauteile mit Nutzung regenerativer Energieträger....................................................................................... 68 Abbildung 43: Aufbau bauteilaktivierte Stahlbetondecke .......................................... 68 Abbildung 44: Temperaturprofil im Erdreich ............................................................. 72 Abbildung 45: Schema Luft-Erdwärmetauscher für Zuluftkonditionierung .............. 72 Abbildung 46: Prinzip der Nachtauskühlung bei Bürogebäuden................................ 73 Abbildung 47: PCM-Verbundmaterialien: Granulat und PCM-Grafit-Verbund ........ 74 Abbildung 48: BASF - Gipsbauplatte mit PCM ......................................................... 74 Abbildung 49: Prinzip der Kompressionskältemaschine ............................................ 76 Abbildung 50: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine ............................... 77 Abbildung 51: Funktionsprinzip der Absorptionskältemaschine ............................... 78 Abbildung 52: Schema DEC - Anlage ........................................................................ 79 Abbildung 53: ENERGYbase ..................................................................................... 82 Abbildung 54: Schema Heiz- und Kühlkonzept ......................................................... 83 Abbildung 55: Grünraumpuffer im ENERGYbase..................................................... 84 Abbildung 56: Aktive und passive Nutzung von Solarenergie im ENERGYbase ..... 85 Abbildung 57: aspern IQ ............................................................................................. 87 Abbildung 58: aspern IQ - Flächen ............................................................................. 87 Abbildung 59: aspern IQ - Energieverteilung in der Mieteinheit ............................... 90 Abbildung 60: Raiffeisenbank - Energieversorgung .................................................. 93 Abbildung 61: Österreichische Kontrollbank ............................................................. 96 Abbildung 62: Büromarktbericht Wien, Frühjahr 2014 ........................................... 111 127 9. Anhang 9.1. Zusammenfassung Interview in der MA 20- Energieplanung Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Herbert Ritter/ MA 20 Hr. Stefan Geier/ MA20 Hr. Kreitmayer/ MA 20 Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 17. Jänner 2014, 10:00 - 11:00 Uhr Ort: MA 20, Amerlingstr.11, 1060 Wien Freigabe: 18.02.2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Ritter: Wir agieren in der MA 20 auf der Verwaltungs- und Administrationsebene und versuchen Themen innerhalb der Stadt zu setzen. Die Themen Kühlung und Klimatisierung werden dabei gerade im Dienstleistungsgebäudebereich immer präsenter, wobei man das Thema auf der Stromseite bei den Lastkurven noch nicht so sieht. Von der MA 20 wurde ein Leitfaden entwickelt, in dem aufzeigt wird, was die Stadt gerne hätte. Der Leitfaden besteht aus zwei Teilen und beginnt mit Themen, die im Planungsprozess zu beachten sind. Am Ende findet man ein Kriterienset, welches sich aus Normen und Vorschriften ableitet und einen Überblick über die Anforderungen an Dienstleistungsgebäude gibt. Die Idee ist dabei, dass die Standardwerte, die aufgrund 128 der EU-Gebäuderichtlinie 2020 einzuhalten sind, bei einem Neubau heute schon verwirklicht werden. Das ist die Philosophie im Hintergrund. Wenn jetzt ein Bauträger kommt, kann man ihm den Leitfaden vorlegen und er kann nachlesen, was von der Stadt gewünscht wird. Hr. Trageser: Betrifft der Leitfaden nur Dienstleistungsgebäude im öffentlichen Sektor? Hr. Ritter: Nein. Er betrifft allgemein Dienstleistungsgebäude. Es ist nicht nur auf den öffentlichen Sektor beschränkt. Nach der Philosophie der Stadt sollten öffentliche Gebäude grundsätzlich ohne aktive Klimatisierung ausgeführt werden, dass heißt in Gebäuden der Magistrate sollten keine Klimaanlagen eingesetzt und eine Klimatisierung mit anderen baulichen Maßnahmen kompensiert werden, wie es auch die Grundphilosophie im Wohnbau ist. Hr. Trageser: Welche Konzepte gibt es dafür auf der Gebäudeebene? Ein Ansatz ist sicherlich, dass man die Wärmelasten draußen lässt. Wie verhält es sich mit den internen Lasten? Hr. Ritter: Bei den internen Lasten bedeutet das beispielsweise den Einsatz energieeffizienter Geräte. In unserem Leitfaden für energiebewusstes Bauen wird aufgezeigt wie die strategische Herangehensweise prinzipiell funktioniert und wie man effizient mit der Ressource Energie umgeht. Das betrifft natürlich auch das Thema Kühlung und Klimatisierung. Wir hatten in einer Abstimmungsgruppe Bauträger, die uns mitgeteilt hatten, dass man bei der Entwicklung einer Büroimmobilie eine Klimatisierung oder Kühlung vorsehen muss, weil man sie sonst nicht am Markt verwerten kann. Das wird 129 einfach nachgefragt und die Immobilie ist dann unverkäuflich, wenn man nicht einen gewissen Standard vorweisen kann. Ich koordiniere das städtische Energieeffizienzprogramm und wir versuchen eine Bewusstseinsbildung zu schaffen, dass mit Energie effizient umgegangen wird. Es taucht dabei auch immer das Thema Klimatisierung und Kühlung auf. Da wir selber keine Objekte besitzen und auch keine verwalten müssen, können wir diese Themen unabhängig und aus einer gewissen Distanz bewerten. Wir haben die Aufgabe die Themen zu setzen, von denen wir glauben, dass sie wichtig sind und dafür gibt uns das städtische Energieeffizienzprogramm einen guten Rahmen. Im Zuge dieses Programms, das seit 2006 läuft, haben wir ein Format entwickelt, dass die Produktion von Technologieleitfäden beinhaltet. In einem Technologieleitfaden geht es beispielsweise um den Sonnenschutz, wie man ihn baulich einsetzen kann, damit die Wärme draußen bleibt und nicht aufwendig innen abgeführt werden muss. In einem weiteren Technologieleitfaden wurde die energieeffiziente Klimatisierung untersucht beziehungsweise was das eigentlich bedeutet. Ich zitiere kurz aus dem Leitfaden: „Um dem Trend der zunehmenden Klimatisierung entgegenzuwirken, verfolgt die Stadt folgende Strategie: 1.In Zukunft soll der Kühlbedarf durch bauliche Maßnahmen von vorne herein vermieden werden. Dies ist durch eine Vermeidung externer und interner Lasten zu erreichen“ (Sattler, Peter et al. 2010, S.5) wie durch effiziente Geräte mit geringer Abwärme und durch Sonnenschutz. „2. Falls Vermeidungsmaßnahmen alleine nicht ausreichen sollten, setzt die Stadt Wien auf den Ausbau der Fernkälte“ (Sattler, Peter et al. 2010, S.6). Das ist eine Strategie, die von Wien Energie technisch ins Leben gerufen worden ist, allerdings gerade neu überdacht wird. Es gibt aber nach wie vor die Überlegung Abwärmepotentiale, die im Sommer beispielsweise aus der Müllverbrennungsanlage anfallen, auch zu nutzen, um beispielsweise Fernkälte zu erzeugen. Da gibt es, glaube ich, auch einige Projekte, die relativ gut laufen wie TownTown, Schottenring und Spittelau, wobei von Spittelau gewisse Gebiete zentral versorgt werden, teilweise das AKH… 130 Hr. Geier: …das ist die einzige klassische zentrale Fernkälte, die anderen Beispiele sind dezentrale Fernkälteanlagen. Hr. Trageser: Die auch über Fernwärme gespeist werden? Hr. Ritter: Es gibt zwei Philosophien. Erstens man versorgt einen Gebäudekomplex dezentral, in dem man vor Ort eine Fernkältezentrale installiert, die mit der Fernwärme betrieben wird, TownTown ist so ein System oder man hat eine zentrale Kälteanlage und versorgt die Gebäude direkt. Das ist eher das System in Spittelau. Hr. Trageser: Welches System wird man verstärkter ausbauen oder bleibt man bei beiden Systemen? Hr. Ritter: Ich glaube, das hängt davon ab, welches System an welchem Standort am besten einsetzbar ist. Meiner Meinung nach ist eine dezentrale Fernkälteanlage mit Anbindung an das Fernwärmenetz sinnvoller. Denn die Infrastruktur gibt es auf der Fernwärmeseite bereits und daher ist es leichter, vor Ort einen Gebäudekomplex mit Fernkälte zu versorgen. Der Transport von Kälte ist übrigens nicht so einfach, da man aufgrund der niedrigen Temperaturdifferenzen in der Leistung begrenzt ist. Zum Beispiel beträgt die Zulauftemperatur bei der Versorgung eines Gebäudes etwa 6 Grad, die Rücklauftemperatur zur Kältezentrale etwa 12 Grad. Damit ist der Hub, den man energetisch gewinnen kann, sehr gering. 131 Hr. Geier: Würde man dabei den Druck steigern, um zu große Rohrquerschnitte für die erforderlichen Energiemengen zu vermeiden, würde sich das Wasser schneller erwärmen. Hr. Ritter: Bei der Fernwärme beträgt die Zulauftemperatur zum Gebäude beispielsweise 140 bis 150 Grad und die Rücklauftemperatur etwa 60 bis 70 Grad. Da kann man ganz andere Energiemengen umsetzen. Der Kältetransport ist daher ein eigenes Thema. Er ist auf jeden Fall nicht so effektiv wie der Fernwärmetransport. Ich vermute, die Philosophie geht dahin, dass man dort, wo Abnahmen möglich sind, elektrisch betriebene Kältemaschinen ersetzen kann, in dem man dort einen Fernwärmeanschluss vorsieht, eine Kältezentrale errichtet und damit einen Gebäudekomplex mit Kälte versorgt. Hr. Trageser: Ist Fernkälte demnach nur für Großabnehmer interessant? Hr. Ritter: Ja, weil man gewisse Mengen transportieren muss, bis sich ein Fernkälteanschluss rechnet. Hr. Geier: Ein Fernkältenetz in der Stadt macht keinen Sinn. Hr. Trageser: Das wäre meine nächste Frage gewesen. Warum macht es keinen Sinn bei Bestandsgebäuden Fernkälte nach zu installieren? 132 Hr. Ritter: Es hängt davon ab, wie viele Kunden man lukrieren kann. Es gab schon Überlegungen Bestandsgebäude mit Fernkälte zu versorgen, wenn gewisse Abnehmer vorhanden sind. Ich glaube, es werden auch einige Bestandsgebäude mit Fernkälte versorgt. Wenn zum Beispiel in einem Ensemble an Gebäuden Fernkälte benötigt wird, kann man es dort anbieten. Bei gewissen Abnahmemengen kann man Fernkälte zu einem Preis zur Verfügung stellen, der konkurrenzfähig ist. Dann kann man die Kälteversorgung an einen Energieversorger auslagern. Ich glaube, man darf die Fernkältestrategie nicht unterschätzen, darf sie aber auch nicht überschätzen. Es gibt wirklich Bereiche, bei denen eine Verwendung von Fernkälte auch Sinn macht, aber es ist abhängig von den Abnahmen und auch mit gewissen Investitionen verbunden. Hr. Geier: Man muss sich hier die Aufbringungsseite genau anschauen. Wenn es im Sommer massive Überlasten im Wärmenetz gibt, beispielsweise aus der Müllverbrennungsanlage, dann macht es Sinn überhaupt Fernkälte anzudenken. Wenn man allerdings dafür zusätzlich Wärme aufbringen muss, lohnt es sich nicht. Hr. Ritter: Es ist ein Geschäftsfeld, dass in den letzten Jahren entwickelt worden ist und unseres Wissen an bestimmten Standorten auch gut funktioniert. Fernkälte ist ein Angebot von Wien Energie und wenn es sich ökonomisch sinnvoll verwerten lässt, ist es in Ordnung. Hr. Trageser: Wie steht es bei dem Thema solares Kühlen? Will man diese Technologie ausbauen oder gibt es dafür Förderungen? 133 Hr. Ritter: Solarthermische Anlagen zur Kälteerzeugung wurden gefördert, wobei diese Anlagen allerdings sehr teuer sind. Hr. Trageser: Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch nicht in einem wirtschaftlichen Bereich? Hr. Ritter: Wenn ein Haus eine ausgeklügelte Lüftung oder Wohnraumlüftung hat, ist es ein leichteres Solar Cooling nach zu installieren, aber von vorne herein zu sagen, man macht Solar Cooling, da geht die Kosten-Nutzen-Rechnung, glaube ich, noch nicht ganz auf. Hr. Trageser: Gibt es einen Unterschied zwischen Sanierung und Neubau? Hr. Kreitmayer: Das System ist noch immer sehr teuer. Beim ENERGYbase haben wir so eine Anlage realisiert, weil wir es ausprobieren wollten. Andere Systeme sind dabei weit effizienter, wie zum Beispiel reversible Wärmepumpen. Hr. Ritter: Es gab einzelne Projekt, in denen Solar Cooling verwendet wurde, bin mir aber nicht sicher, ob diese gefördert wurden. Es gibt eine Pilotanlage in der Theodor-Sickel-Gasse der MA34, wo man versucht hat, ein Magistratsgebäude mit einer solarthermischen Kühlanlage zu betreiben. Es wurde auch ein Energiemonitoring durchgeführt, was vom Austrian Institute of Technology betreut wurde und dabei hat man untersucht, wie man 134 diese Anlage verbessern kann. Nach meiner Konklusio ist das System noch nicht gebrauchsfertig. Hr. Kreitmayer: Das Solar Cooling wurde übrigens ganz aus dem Förderprogramm genommen, weil die Förderung nur mehr für den Wohnbau gilt und im Wohnbau keine Kühlung forciert wird beziehungsweise im Wohnbau nicht notwendig ist. Hr. Ritter: Eine aktive Kühlung ist laut Wiener Wohnbauförderung im Wohnbau auch nicht zulässig ist. Hr. Trageser: Demnach gibt es diese Förderprogramme für den Bürobau nicht? Hr. Ritter: Von unserer Seite nicht. Die Installation von Solarthermie ist in Wien nicht leicht. Das hat viele Gründe, weil zum Beispiel viele Bestandsgebäude über kein zentrales Heizsystem verfügen. Deshalb ist es schwer, solarthermische Anlagen einzubinden. Das gilt natürlich auch für die solarthermische Kühlung. Dann gibt es auch viele rechtliche Erschwernisse, die zum Beispiel aus dem Wohnungseigentumsrecht kommen. Wir versuchen zwar, den solarthermischen Markt zu entwickeln, sonst gäbe es diesbezüglich auch keine Förderungen, aber es ist sehr schwer. Anders scheint es auf der Photovoltaikseite zu gehen, weil die Systemeinbindung technisch leichter ist. Die Förderung von Solarthermie verlagert sich in Richtung Photovoltaik. Dabei geht es in erster Linie um Stromgewinnung. Bei der Frage, wie man Photovoltaik auch zur Kühlung und Klimatisierung optimal nutzen kann, kommt dann schon bald die Wärmepumpe ins Spiel. Ob nicht intelligente Kombinationen aus Photovoltaik und Wärmepumpenanwendungen unter Berücksichtigung der Möglichkeiten an den 135 jeweiligen Standorten, wie zum Beispiel Klimatisierung über Grundwasser oder Erdwärme, nicht dazuführen, eine Kühlung über Bauteilaktivierung zu betreiben. Ich glaube, dass Bauteilaktivierung der innovative Weg sein wird und auch meiner Wahrnehmung nach bereits jetzt immer mehr eingesetzt wird. Hr. Geier: Wir schätzen integrierte Energiekonzepte, beispielsweise gibt es Projekte, in denen die Abwärme aus Supermärkten zur Heiz- oder Warmwassererzeugung in den angrenzenden Wohngebäuden genutzt wird. Dabei handelt es sich um Supermärkte, die über eine zentrale Kälteerzeugung verfügen und bei denen die Abwärme aus den Kompressionskältemaschinen, die sonst an die Umwelt abgegeben werden würde, genutzt wird. Zusätzlich wird über Erdwärme und Solarthermie mit verschiedenen Wärme- und Kältespeichern übers Jahr versucht, genügend Wärme bereitzustellen und das sind meiner Meinung nach die sinnvollsten Konzepte. Die Nutzung von Grundwasser scheidet oft im Großen und Ganzen aus. In vielen Teilen von Wien ist das Grundwasser jetzt schon an der hygienischen Grenze in Bezug auf die Temperatur, die teilweise schon bei 16 bis 18 Grad liegt. Man kann es kaum noch zu Kühlzwecken benutzen, sondern nur für thermische Zwecke. Hr. Trageser: Wie sieht das Potential bei Geothermie aus, wenn man Erdsonden im Boden installiert? Hr. Ritter: Da ist sicher ein Potential vorhanden. Von unserer Seite ist ein Geothermiepotentialkataster in Vorbereitung, bei dem man aufzeigt, wo in Wien oberflächennahe geothermische Potentiale vorhanden sind. Beispielsweise kann man in Stadtentwicklungsgebieten über Erdpfähle einiges an Energie gewinnen. 136 Hr. Geier: In Wien wird sehr viel und dicht gebaut, wobei überwiegend erdberührte Baukörper errichtet werden, die oft auch Tiefengründen benötigen. Wenn man den Fundierungsaufwand sowieso hat, kann man auch gleich Energiepfähle daraus machen. Der Vorteil bei diesem System ist der, dass dafür keine Genehmigungsverfahren erforderlich sind wie beispielsweise bei der Grundwassernutzung. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Behaglichkeitskriterien, in die in den letzten Jahren viel Bewegung gekommen ist. Projektentwickler gehen nicht mehr davon aus, dass man zum Beispiel ein Bürogebäude im Sommer auf 18 Grad kühlen muss, sondern dass im Sommer 25 Grad ausreichend sind. Mit erdberührten Bauteilen kann man in Verbindung mit Bauteilaktivierung 25 Grad durchaus gewährleisten. Allerdings kann man mit diesem System Raumtemperaturen nicht so schnell anpassen und 18 Grad erreicht man ebenfalls nicht, aber diese niedrigen Temperaturen sind auch nicht notwendig. Hr. Ritter: Was tut sich noch strategisch. Das Energieeffizienzprogramm der Stadt Wien, was 2006 initiiert wurde, wird alle drei Jahre evaluiert, was zuletzt Ende 2012 beziehungsweise Anfang 2013 geschah und dabei wurde festgestellt, dass viele Dinge, die man damals niedergeschrieben hat, nicht mehr aktuell sind, weil sich die Rahmenbedingungen in einigen Bereichen geändert haben. Die Herausforderungen sind jetzt teilweise andere. Die Technologie hat sich anders entwickelt, wie wir es geglaubt hatten. Das Programm läuft noch bis ins Jahr 2015, aber die Evaluatoren haben angemerkt, dass die Grundzüge eines Nachfolgeprogramms bereits jetzt entwickelt werden sollten und darin wird das Thema Kühlung und Klimatisierung, wie man damit in der Stadt umgeht, ein viel stärkere Rolle spielen. Bis jetzt agieren wir mehr auf einer informativen Ebene. Ich glaube man wird dann in eine Phase kommen, in der man darüber nachdenkt, wie man Vorgaben und Rahmenbedingungen noch verstärken kann. Welche Segmente, welche Lösungen, welche Instrumente braucht man überhaupt, damit die Stadt energieeffizienter wird. Der Dienstleistungsbereich ist in energetischer Hinsicht sicher eine Herausforderung. Man weiß noch relativ wenig, die Datengrundlage ist relativ 137 dürftig und sehr fragmentiert. Es gibt sehr viele Nutzungsarten mit unterschiedlichen Zielen. Man muss sich auch überlegen, wie man das Thema Klimatisierung stärker verankern kann. Da wird sich die Bauordnung sicher weiterentwickeln. Es wurde auch schon in den Medien berichtet, dass es Überlegungen gibt, eine Solarverpflichtung über die Bauordnung vorzuschreiben. Wenn man die Photovoltaik richtig in das Gebäudekonzept integriert und die Energie zum Beispiel zur Klimatisierung nutzt, die im Sommer aufgrund der Solarstrahlung sehr hoch ist, kann das interessante Lösungen bringen. Hr. Trageser: Wie sehen die Schwerpunkte bei der Definition der neuen Rahmenbedingungen in Bezug auf die städtische Energieaufbringung aus? Gibt es hier Vorgaben zu einem Energiemix? Hr. Ritter: Das Energiekonzept wird gerade generell etwas überarbeitet. Wir haben derzeit auf politischer Ebene einen Vorschlag zum Umgang mit erneuerbaren Energien in der Stadt Wien eingebracht. Dieser Antrag ist Inhalt im RAP Vienna (Renewable Action Plan Vienna). Wir setzen dabei auf erneuerbare Energien, die vor Ort keine oder kaum Emissionen haben. Das beinhaltet einerseits die Nutzung von Sonnenenergie, also Solarthermie und Photovoltaik, und andererseits die Nutzung von Erdwärme oder Grundwasser. In der Stadt Wien sind aufgrund der flächenmäßigen Größe begrenzte Möglichkeiten vorhanden. Zum Beispiel ist die Nutzung von Windkraft wegen des hohen Flächenbedarfs nicht praktikabel, aber es werden durchaus auch Investitionen außerhalb Wiens getätigt, um den Energiemix weiter zu entwickeln. Die erneuerbaren Energien werden allerdings immer mehr ein Stromthema, da sich der erneuerbare Markt ein bisschen auf die Stromseite verlagert. In der Ostregion gibt es viele Windkraftwerke und derzeit wird die Windkraft dort tendenziell weiter ausgebaut. Falls sich die Windkraft dort weiterhin so stark entwickelt, stellt sich die Frage, was wird die Rolle der Stadt Wien sein. Das heißt, wie kann die Stadt bei Überproduktion aus den Windparks als Puffer wirken beziehungsweise den Stromüberschuss abnehmen. Da ist 138 sicher die Frage, wie man sich diesem Thema in Zukunft widmen wird. Ich glaube auch, dass die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Zukunft eine wichtige zentrale Rolle spielen werden. Wir haben die leitungsgebundenen Energieträger wie die Fernwärme, die ebenfalls eine zentrale Rolle spielen wird und die auch in der Stadt Sinn macht. Bei dem Gasnetz wird die Frage sein, wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird. Die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen werden also in naher Zukunft weiter den Hauptanteil ausmachen, wobei man versucht, erneuerbare Ressourcen in das System zu integrieren. Wir von der Stadt möchten dabei die Tiefengeothermie weiter voran bringen, auch wenn wie vorher angesprochen die Bohrung in Eßling nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Es wird daher sicher weitere Bemühungen geben, das Potential der Tiefengeothermie zu untersuchen. Dabei geht es um Bohrtiefen von fünf Kilometern. Bei dem Kraftwerk in Eßling war die Idee, die über Wärmetauscher gewonnene Energie aus der Erde in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Bis jetzt wird lediglich gewonnene Energie aus dem Biomasseheizkraftwerk in Simmering in das Fernwärmenetz eingespeist. Wenn man wirklich von fossilen Energieträgern bei der Fernwärmeversorgung wegkommen will, dann muss man über Alternativen nachdenken. Das Netz ist da, wie auch die Kunden, die es natürlich warm haben wollen. Eine Möglichkeit ist die tiefe Geothermie sowie Speichereinheiten zu integrieren wie beispielsweise den Hochdruckspeicher in Simmering. Dabei geht es um Systemoptimierung auf der Versorgungsseite. Wir versuchen aber auch mehr auf der Nachfrageseite zu arbeiten. Was kann man tun, dass uns die Nachfrage nicht davon läuft. Diese ganzen Ziele, die definiert werden, gelingen nur, wenn die Nachfrage befriedigt werden kann und da beobachten wir von den Zahlen, dass in den letzten Jahren eine Stabilisierung des Endenergieverbrauchs erfolgt ist, auch auf der Stromseite. Hr. Trageser: Spielen dabei Sanierungsmaßnahmen eine Rolle? Hr. Ritter: Die spielen sicher eine Rolle. Ich glaube, es hängt auch mit der wirtschaftlichen Situation der letzten Jahre zusammen. 139 Hr. Geier: Die Auswirkungen dieses Knicks in der Konjunktur kann noch nicht ganz bewertet werden. Hr. Ritter: Ich glaube aber auch, dass gewisse Instrumente greifen, wie zum Beispiel die EUweiten Vorschriften zum Energieverbrauch von Endgeräten oder zur Klassifizierung von Klimageräten, die es meines Wissens auch gibt. Also auch dieses Segment wird angegangen. Hr. Geier: Zum Energiemix lässt sich noch sagen, dass es innerstaatliche Vereinbarungen zwischen den Bundesländern zu möglichen Heizsystemen gibt, die durch Bauordnungen oder beispielsweise Kriterien für die Wohnbauförderung geregelt werden. Diese Kriterien kann man mit einem Fernwärmeanschluss erfüllen, bei einem Gasanschluss muss man Kombinationen wählen, wie zum Beispiel Gas und Solarthermie oder Photovoltaik und Wärmepumpen. Das ist schon ein Bereich, bei dem wir uns auch mit der Aufbringungsseite beschäftigen. Also wie kann man zukünftige Stadtentwicklungsgebiete versorgen, welche Konzepte gibt es. Hr. Trageser: Ist ein gewisser Anteil an erneuerbaren Energien gesetzlich vorgeschrieben? Hr. Ritter: Nein. Es sind nur technische Systeme vorgeschrieben. Bauordnung und Wohnbauförderung sind in Bezug auf den Technologiemix ziemlich angeglichen. Es müssen alternative Systeme auf Basis erneuerbarer Energien oder Blockheizkraftwerke, 140 Fernkälte, Fernwärme und Wärmepumpen oder gleichwertige Systeme verwendet werden. Dabei geht es um gewisse Einschränkungen, die für den Neubau schon eine große Relevanz haben. Wir versuchen dabei die Auswirkungen zu interpretieren, wenn beispielsweise eine Gasheizung mit einer Photovoltaikanlage kombiniert wird, was man dabei beachten muss, welche Deckungsgrade sinnvoll sind und wie groß die solarthermische Anlage im Vergleich zur gasversorgenden Anlage sein muss. Hr. Trageser: Werden dabei auch prozentuale Anteile dieser Systeme definiert? Hr. Ritter: Da diskutiert man gerade, wie hoch der Anteil dieser System sein muss. In der Wohnbauförderung ist man beispielsweise schärfer als in der Bauordnung. Hr. Trageser: Das ist interessant, weil bis dato gibt es in der Bauordnung noch den Passus, dass derartige Systeme nur in einem wirtschaftlichen Ausmaß realisiert werden müssen, speziell bei Sanierungen. Hr. Ritter: Genau, das ist dieser Weichspüler. Da wird es von der Stadt zeitnah ein Präzisierung geben. Wir schauen dabei auch auf die wohnbaugeförderten Objekte, ob die Kriterien auch mit der Bauordnung kompatibel sind. Es läuft gerade ein Diskussionsprozess in der Stadt, welche Standards verpflichtend werden sollen, beispielweise wie viel Prozent vom Warmwasserbedarf solartechnisch abgedeckt werden müssen. 141 Hr. Geier: Die Grundphilosophie dahinter ist die, dass die Energie zur Warmwassererzeugung im Sommer, also in der Nicht-Heizperiode, nicht durch Gas bereit gestellt wird, weil es einfach solarthermisch abgedeckt ist und somit die Heizungsanlage nicht laufen muss. Hr. Trageser: Investitionen in erneuerbare Energien sind oft mit Mehrkosten verbunden. Werden in diese angesprochenen Diskussionen auch Bauträger mit eingebunden? Hr. Ritter: Man ist schon mit einzelnen Bauträgern im Austausch. Es gibt auch Projekte, die ähnlich wie im Leitfaden für energiebewusstes Bauen beschrieben ablaufen. Wir geben dabei die energetischen Anforderungen an das Projekt bekannt wie effiziente Energieverwendung, den Einsatz erneuerbare Energien am Standort optimieren, Verwendung von Abwärmepotentialen, wobei auch Vorgaben aus der bestehenden Energieinfrastruktur abgeleitet werden. Wir versuchen dabei das Thema Energieraumplanung zu strukturieren und mit Leben zu erfüllen. Im Rahmen des Stadtentwicklungsplans 2025 wird es dabei ein Fachkonzept für integrierte Energieraumplanung geben. Dabei wird überlegt, welche Kriterien für die Energieversorgungswahl wichtig und welche Prozessabläufe dafür notwendig sind, damit man gute ökologische und ökonomische Projekte realisieren kann. Hr. Geier: Es geht darum für ganze Stadtgebiete Entscheidungen zu treffen, die halbwegs schlüssig sind und konsistent durchgehalten werden können. Diese Entscheidungen sollten dann in städtebaulichen Verträgen fixiert werden. Entscheidet man sich beispielsweise für Fernwärme sollte man garantieren, dass auch alle Gebäude an die Fernwärme angeschlossen werden. Dabei schaut man dann gleichzeitig, dass bei möglichst vielen Gebäuden Photovoltaikanlagen installieren werden, weil sich die Systeme aus technischer Sicht ganz gut unterstützten. Entscheidet man sich andererseits nicht für 142 Fernwärme und betrachtet dafür alternative Systeme mit Grundwasser- oder Geothermienutzung ist es wichtig, dass das Potential in den jeweiligen Stadtentwicklungsgebieten, auch wenn sie erst in fünf Jahren entwickelt werden, dann auch zur Verfügung steht. Hr. Trageser: Bezieht sich die Energieraumplanung nur auf Stadtentwicklungsgebiete oder auch bestehende Stadtteile? Hr. Ritter: Der Fokus liegt auf den Stadtentwicklungsgebieten, weil dieses Thema derzeit brisanter ist, aber grundsätzlich gilt die Energieraumplanung auch für bestehende Stadtteile. Dabei ist die Frage, wie geht man mit dem Gebäudebestand überhaupt um, was Gegenstand im „Städtischen Energieeffizienzprogramm Zwei“ (SEP) sein wird und zwar geht es dabei um die Energieversorgung und die Sanierung. Den Ausbau der Fernwärme sollte man in bestehenden Stadtteilen forcieren und Bestandsgebäude daran anbinden, weil dort energetische Qualitäten vorhanden sind, die einen gewissen Mindestverbrauch in den nächsten Jahren mit sich bringen werden. Man könnte das natürlich bei der Fernkälte ähnlich sehen. Ein Gründerzeithaus wird man allerdings nur mit extrem hohen Aufwand auf einen Passivhausstandard sanieren können. Es empfiehlt sich daher den Fokus auf den Ausbau der Fernwärme zu legen trotz aller technischer Schwierigkeiten, die man hat. Es ist nämlich das gleiche Problem wie bei den solarthermischen Anlagen, die im Bestand deswegen so schlecht funktionieren, weil es wenige zentrale Heizversorgungsanlagen gibt und die wären bei der Nutzung von Fernwärme ebenfalls erforderlich. Hr. Trageser: Die Installation von Zentralheizungen wird auch im Mietrecht und Steuerrecht begünstigt. Man kann diese Investitionen als Herstellungsaufwand schneller abschreiben. 143 Hr. Geier: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, zentrale Heizanlagen in Bestandsgebäuden nach zu installieren, weil man in der Versorgung mit anderen technischen Systemen flexibler ist. Es wird bei Bestandsgebäuden vor allem dann schwierig, wenn man eine unterschiedliche Eigentümerstruktur im Gebäude und verschiedene Lösungen zur Heizwärmeversorgung in den jeweiligen Wohnungen hat. Da ist es fast aussichtslos, dass man das Gebäude an eine zentrale Versorgung anschließen kann. Hr. Ritter: Das ist bei unterschiedlichen Eigentümern sicher extrem schwierig und vermutlich auch kostenintensiv, da man neue Leitungen bis zu jeder Wohnung installieren müsste. Hr. Trageser: Müsste es für die flächendeckende Installation von Zentralheizungsanlagen spezielle Anreizsysteme geben oder Förderungen? Hr. Ritter: Sicher, nur sind die Fördertöpfe leider auch begrenzt. Hr. Geier: Für die Fernwärme gibt es mittlerweile auch keine Förderungen mehr. Hr. Ritter: Früher hat es für die Fernwärme noch Anschlussförderungen gegeben. 144 Hr. Geier: …für die Installation der Steigleitungen, was aber noch keine Garantie war, das jede Wohnung auch an die Fernwärme angeschlossen wurde. Hr. Trageser: Wäre da eine gesetzliche Verpflichtung eine Lösung? Hr. Ritter: Das ist nicht immer so einfach. Ich glaube man muss überlegen, wo man bei Verpflichtungen bleibt und wo man mit Anreizsystemen arbeitet. Man muss dabei eine gute Balance finden. Auch wenn eine Verpflichtung da ist, ist die Frage, wie der Markt darauf reagiert. Das ist der nächste Schritt, wie läuft der Vollzug dieser Verpflichtung. Hr. Trageser: Im Mietrecht ist man im Altbau auch im Mietzins begrenzt. Eine Verpflichtung kann daher unter Umständen zu Investitionen beim Vermieter führen, die sich nicht mehr amortisieren. Hr. Ritter: Genau und da geht es bei der Umsetzung oft um nicht-technische Barrieren und die liegen ganz wo anders. Hr. Geier: Im Büromarkt gibt es da schon interessante Tendenzen, bei denen es um eine Warmvermietung geht, bei der die Betriebskosten bereits inkludiert sind. Dadurch hat der Eigentümerauch dann das Interesse, energieeffizient zu bauen, eine gute Qualität anzubieten und natürlich die Betriebskosten möglichst niedrig zu halten. Das ist, glaube 145 ich, eine der interessantesten Entwicklungen. Im Wohnungsmarkt ist das wiederum anders. Hr. Trageser: Anderes Thema. Welche Strategien gibt es auf Stadtplanungsebene zur Vermeidung von innerstädtischen Wärmeinseln, wie zum Beispiel durch Begrünung oder Durchlüftungsschneisen? Hr. Geier: Meines Wissens gibt es diese Durchlüftungsschneisen in Wien seit Jahrhunderten. Das war in Wien ein hygienisches Thema, da man unangenehme Gerüche aus der Stadt entfernen wollte. Aus stadtplanerischer Sicht geht es dabei um zwei Entscheidungen. Entscheidet man sich für Flurwinde oder gegen Flurwinde. In Graz hat man sich zum Beispiel gegen Flurwinde entschieden, dafür gibt es dort jetzt das Feinstaubproblem, womit man damals noch nicht rechnen konnte. In Wien hat man die Straßen so angelegt, dass die warme Luft in der Stadt, die kühle Luft aus dem Umland quasi ansaugt. Aufgrund der enormen Dichte, die es in Wien bereits in der Gründerzeit gab, hat man sich für Durchlüftungsschneisen und damit für die Flurwinde entschieden. Begrünung ist nicht wirklich das Thema, um das Hitzeproblem zu lösen. Man müsste das dermaßen flächendeckend machen, dass man quasi in einer Gartenstadt leben würde. Begrünung ist hauptsächlich ein Thema für Lebensqualität und Biodiversität. Die energetischen Auswirkungen sind sehr minimal. Wenn es wirklich flächendeckend gemacht wird, dann würde es funktionieren, aber wenn man in einer Bestandsstadt einige begrünte Fassaden macht und Bäume aufstellt, bringt es fast nichts. Hr. Trageser: Müsste man dann die Stadt entdichten und dafür Parkanlagen errichten? 146 Hr. Geier: Genau und das ist illusorisch. Selbst ein Park hat nur ganz minimale Auswirkungen. Voriges Jahr war ich in Graz auf der Sustainable Building Konferenz und da wurde eine Studie aus Südamerika vorgestellt, ich glaube aus Brasilien, in der aufwendig gemessen wurde wie sich ein Park auf das städtische Mikroklima auswirkt. Die Ergebnisse waren so ernüchternd, dass die Forscher es selber fast nicht glauben konnten und es daraufhin nochmal verifiziert haben. Die Auswirkungen eines Parks sind demnach nach zehn Metern vorbei, was den Kühleffekt betrifft. Hr. Ritter: Das Thema wird allerdings bei uns schon wahr genommen. Es gibt den Solarpotentialkataster und den Gründachpotentialkataster. Die Diskussion dreht sich immer darum, für was die Dächer genutzt werden, für Photovoltaik oder Gründächer. Stadt bedeutet immer Handeln mit begrenzten Ressourcen und die Hauptressource ist Platz. Hr. Trageser: Gründächer haben auch die Funktion, dass Regenwasser zurückgehalten wird, das einerseits natürlich verdunsten kann und andererseits verzögert an die Kanalisation abgegeben wird. Hr. Geier: Das ist mehr eine Frage des Wassermanagements. Die natürlichen Versickerungsflächen werden mehr durch die MA45 forciert, die auch die Kanalisation betreut. Durch die häufiger auftretenden Starkregenereignisse dürfen in Stadtentwicklungsgebieten bei Neubauten Regenwässer nicht mehr in die Kanalisation eingeleitet werden. In Wien gibt es drei verschiedene Kanalsysteme, nämlich Mischsystem, qualifiziertes Mischsystem und das Trennsystem. Zum Beispiel gibt es in der Kernstadt überwiegend das Mischsystem, in Floridsdorf und auf der Donauplatte gibt es das Trennsystem und in Liesing gibt es das qualifizierte Mischsystem, dabei wird die Entwässerung der Straße 147 in das Mischsystem eingeleitet und sonstige Versickerungsflächen werden in einem eigenen Regensammler aufgefangen. Es gibt auch Versuche Versickerungsflächen anzulegen, auf denen das Wasser temporär stehen kann. Das könnte schon geringe Auswirkungen auf das Mikroklima haben. Ich glaube der psychologische Effekt macht bei diesen Maßnahmen wie beispielsweise auch bei der Fassadenbegrünung wesentlich mehr aus als das, was messbar ist. Grünflächen schaffen Aufenthaltsqualitäten, aber der Einfluss auf das Mikroklima ist sehr gering. Für einen Effekt müsste man die Begrünung wie bereits gesagt flächendeckend vorsehen, was auch Studien der TU Wien belegen. In einer Stadt wie Wien mit hohem Bestand und Bevölkerungszuwachs ist das aber nicht möglich. Schon ein Thema ist die teilweise Entkernung der Innenbereiche von bestehenden Baublöcken, um dort Aufenthaltsqualitäten zu schaffen. Das hängt aber mit der Steigerung von Lebensqualität und Reduktion des Autoverkehrs zusammen. Wenn man im Innenhof eine Aufenthaltsqualität hat, muss man sich nicht ins Auto setzen und raus ins Grüne fahren. Hr. Trageser: Betrifft die Entkernung nur die Wohnblöcke der Stadt Wien, weil bei privaten Investoren ist es ein Thema, wenn Mietflächen durch Entkernung reduziert werden? Hr. Geier: Es ist grundsätzlich ein Thema der Stadtplanung, das betrifft alle. In einem Behördenverfahren kann man dem dadurch entgegenkommen, dass man beispielweise an der Straßenfront zusätzliche Geschosse oder einen besonderen Dachausbau genehmigt, wofür allerdings die Hintertrakte abgebrochen und begrünt werden müssen. Aber auch Blocksanierungen im Zuge der sanften Stadterneuerung werden forciert, wo man alle Eigentümer eines Gebäudeblocks zusammenbringt und versucht die Innenhöfe zu entkernen, zusammenhängende Grünflächen zu errichten und eine Durchgängigkeit zu erreichen. Dabei geht es auch darum die soziale Durchmischung weiterhin zu gewährleisten, was auch stark gefördert wird. Für dieses Programm ist die MA 25 Stadterneuerung und auch der Wohnungsfonds zuständig. In Summe ist das weniger eine 148 Entdichtung, sondern vielmehr eine Baumassenverschiebung, um beispielsweiseeine bessere Belichtung zu erreichen oder Aufenthaltsqualitäten zu schaffen, aber im Prinzip bleibt es weitest gehend bei den vorhandenen Dichten. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch. 149 9.2. Zusammenfassung Interview in der MA 22 - Umweltschutz Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Jürgen Preiss/ MA 22 - Wiener Umweltschutzabteilung Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 24. Jänner 2014, 15:00 - 16:00 Uhr Ort: MA 22, Dresdner Straße 45, 1200 Wien Freigabe: 25. Februar 2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Trageser: Welche Strategien gibt es auf Stadtplanungsebene zur Vermeidung innerstädtischer Wärmeinseln? Welche Rolle spielen dabei Begrünungen, bauliche Entdichtung oder lokale Besonderheiten bei der Konzeptfindung? Hr. Preiss: Eigentlich sind das Maßnahmen, die Sie ansprechen. Die Strategie wäre Instrumente zu schaffen, um die Maßnahmen effizient anzuwenden. Es gibt zu diesem Thema einige Ansätze wie zum Beispiel das EU-Projekt „Urban-Heat-Islands“, das ich als Projektpartner leite. Ein zweiter Projektpartner ist das Institut für Bauphysik mit Herrn Professor Mahdavi. In diesem Projekt geht es darum, Maßnahmen zu definieren, zu modellieren und Strategien zu entwickeln, um die negativen Effekte der sommerlichen Hitzeinseln in den Städten zu minimieren. Das Phänomen ist bekannt und auch in 150 verschiedener Literatur beschrieben. Hitzeinseln entstehen dadurch, dass Materialien wie Beton, Asphalt, Metall, die in der Stadt typischerweise auftreten, die Sonnenstrahlung absorbieren, speichern und in Form von Wärme wieder abgeben. Es gibt auch verhältnismäßig wenig latenten Wärmestrom durch Verdunstung (Evaporation und Transpiration) aufgrund des Fehlens vegetativer Strukturen, wodurch auch Kühleffekte fehlen. Das bewirkt je nach Situation, nach räumlicher Auflösung, nach Topografie und nach Lage Temperaturunterschiede von bis zu 15 Grad. Im Winter ist der Effekt auch vorhanden, wobei er in dieser Zeit eher positiv gesehen wird. Messungen von Temperaturunterschieden mit bis zu 15 Grad sind aus Winterzeiten bekannt. Im Sommer sind diese Unterschiede nicht ganz so extrem, machen sich aber dafür um so negativer bemerkbar, weil wir dann in einen Bereich kommen, wo die physiologische Äquivalenztemperatur vom Menschen schwer beeinflussbar ist. Wenn es heiß ist, kann man bis zu einem gewissen Grad die Bekleidung anpassen und kann dann natürlich als Anpassungsmaßnahme klimatisierte Räume aufsuchen. Grundsätzlich ist die Möglichkeit der Anpassung an Hitze im Freiraum schwieriger als die Anpassung an Kälte. Bei Kälte kann man sich wärmer anziehen, sich in Räume zurückziehen und man kann sich auch dem Wind nicht so aussetzen. Wenn wir im Sommer die 40 Grad Marke erreichen, können die Temperaturunterschiede in den urbanen Freiräumen bis zu sieben Grad betragen. Die Sonnenstrahlung spielt für das Empfinden eine sehr große Rolle. Im Wald ist die solare Strahlung durch die Beschattung der Bäume nicht so stark. In der Stadt besteht das Problem, dass eine Beschattung durch Bäume nicht im optimalen Ausmaß möglich ist. Oft können Bäume aus diversen infrastrukturellen Gründen nicht gepflanzt werden. Das heißt, in der Stadt ist man sehr häufig einer Situation ausgesetzt, die weit jenseits einer erträglichen Temperaturspanne liegt. Hr. Trageser: Gibt es bestimmte Bezirke in Wien, in denen sich dieser Effekt besonders negativ auswirkt? 151 Hr. Preiss: Die innerstädtischen Bezirke sind davon naturgemäß am meisten betroffen. Es ist aber nicht so, dass es im ersten Bezirk wirklich heißer sein muss als beispielsweise im 21igsten oder 22igsten Bezirk, wenn man eine kleinere räumliche Einheit betrachtet wie zum Beispiel einen Innenhof. Würde man da wirklich ins Detail gehen, würde man sehen, dass es im 21igsten Bezirk an heißen Tagen teilweise extremere Situationen gibt als im ersten Bezirk. Hr. Trageser: Woran liegt das? Hr. Preiss: Das liegt sicherlich an der historischen Baustruktur, bei der die Speichermasse durch die Ziegelbauweise höher ist und auch daran, dass in dicht bebauten Gebieten durch das vorhandene Breiten-Höhen-Verhältnis der Bebauung die Beschattung ebenfalls höher ist. Das heißt, es kommt von vornherein nicht so viel Sonnenstrahlung in den Hof oder die enge Gasse hinunter. Im 21igsten Bezirk ist die Bausubstanz tendenziell neuer oder moderner. Die Straßenräume sind wesentlich breiter. Dadurch ist der Strahlungsenergieeintrag höher und die Gebäude gleichen aufgrund der relativ geringeren Speichermasse weniger aus. Wenn die Strahlung auf die Wärmedämmung auftritt, wird sie stärker in Infrarot (Wärmestrahlung) umgewandelt als bei einem massiven Altbau und dieses Infrarot wird an die Umgebung abgegeben. Das heißt die ganze Energie bleibt eher im Außenraum, die Außenluft erwärmt sich daher schneller als in einem Innenhof oder in einer engen Gasse in der Altstadt, wo man gleich weiß, da ist der Stein irgendwie kühl, was man auch fühlt, weil der Stein viel träger ist und länger braucht, um diese ganze Energiemenge aufzunehmen. Durch diese Effekte steht die alte Stadt nicht so schlecht da. Deswegen hat man auch in südlichen Ländern bewusst mit engen Gassen gebaut. 152 Hr. Trageser: Sobald der Stein aber vollständig aufgeheizt ist, hat man die Wärme in der Stadt. Hr. Preiss: Es dauert aber viel länger. In manchen Kirchen sitzen Leute auch im Hochsommer mit Jacken. Der Erwärmungseffekt ist also weniger stark als im modernen Wohnbau. Dort besteht übrigens die Gefahr, dass die Strahlungsenergie über die Fenster ins Gebäude gelangt und über Nacht nur schwer entweicht. Die einzige Chance, die Hitze aus den Gebäuden wieder rauszubringen, ist Querlüften oder aktive Kühlung (Klimaanlagen). Moderne Gebäude haben tendenziell größere Fensterflächen, um eine ausreichende natürliche Belichtung zu gewährleisten. Beschattung spielt hier wieder eine wichtige Rolle. Hr. Trageser: Interessant, so habe ich das Thema bisher auch nicht gesehen. Die alte Stadt absorbiert die Wärme in den Gebäuden, was gut für das Stadtklima ist, aber die modernen Gebäude lassen die Wärme im Außenraum. Sobald die Wärme durch die Fenster in das Gebäude kommt, bringt man die Wärme viel schlechter aus dem Gebäude. Hr. Preiss: Es sei denn, man baut ein Gebäude mit einem sehr niedrigen U-Wert und einer gut ausgeklügelten Verschattung, wobei die Fenster geschlossen bleiben müssen beziehungsweise erst nachts oder morgens in der Früh geöffnet werden, wenn die Temperatur endlich unter 24 Grad sinkt. Es ist eben eine Komfortsache und der Mitteleuropäer hat sich auch noch nicht angepasst, was den Arbeitsablauf betrifft. Wir arbeiten 40 Stunden in der Regel von acht bis 16 Uhr, egal ob es mittags heiß ist oder nicht. In Wirklichkeit wäre es gescheiter etwas länger zu schlafen, wenn es noch halbwegs kühl ist, wie es in Italien oder anderen südeuropäischen Ländern der Fall ist, wobei dann mittags alles etwas langsamer läuft, aber das ist ein kulturelles Thema. 153 Hr. Trageser: Wenn die Neubauten durch die effiziente Gebäudehülle kaum Wärme absorbieren, wirkt sich das im Vergleich zur Altstadt negativ auf das städtische Mikroklima aus. Gibt es auf stadtplanerischer Ebene Konzepte diesen Effekt beispielsweise durch den verstärkten Einsatz von Grünflächen oder Wasserflächen zu kompensieren? Hr. Preiss: Grundsätzlich gibt es Konzepte. Die Strategie wäre jetzt zu analysieren, welche Maßnahmen in welcher Situation wirkungsvoll sind. Das ist Thema des Strategieplans, der im Rahmen des Urban-Heat-Islands-Projekts gerade erstellt wird. Das Projekt läuft bis Juni/ Juli diesen Jahres. In diesem Strategieplan sind verschiedene Kriterien enthalten, die im Zusammenhang mit allen erdenklichen Maßnahmen untersucht wurden. Es gab eine Palette von etwa 300 Maßnahmen, die untersucht worden sind. Dann hat man verschiedene Kriterien bezüglich ihrer Vor- und Nachteile bewertet, nicht nur in Bezug auf die Klimawirksamkeit, sondern auch auf ökologische Effekte wie die Biodiversität. Wir haben natürlich auch ökonomische Effekte betrachtet, weil es wichtig ist eine Strategie zu haben, bei der das Kosten-Nutzen-Verhältnis sinnvoll ist. Ein Beispiel wäre die Maßnahme, Dächer in weiß auszuführen. Den Ansatz gibt es wirklich in Amerika. Dort ist es teilweise gesetzlich vorgeschrieben. Dadurch wird mehr Strahlung reflektiert und man hat einen geringeren Wärmeeintrag in das Gebäude. Der Nachteil ist, dass man dann das Dach nicht für Begrünung oder Photovoltaik nutzen kann. Gute Maßnahmen sind sicherlich Grünstrukturen, da kommt es immer darauf an, in welchem räumlichen Bezug man es betrachtet. Ein Baum in einem Innenhof bringt für den Hof selbst sehr spürbare Kühlungseffekte. Ein Einzelbaum auf einem großen Platz oder in einem Stadtteil hat in Relation zu dem großen Raum eine viel geringere Wirksamkeit. Man muss prüfen, wo es sinnvoll ist, einen Baum zu pflanzen und wo eine Baumreihe oder Allee, wo Grünflächen im Stadtteil wichtig sind und wie diese ausgeführt werden müssen, als Wiesen oder Wald oder eine Mischung aus beiden, ebenso was Wasserflächen bringen oder Kombinationen solcher Flächen. Da ist es schon so, dass man sehr große Grünflächen braucht, um über gesamte Bezirke eine merkbaren Einfluss zu haben. Da sind wir bei Größenordnungen wie bei dem 154 Donaupark mit 0,06 Quadratkilometern, der sich auf den 21igsten Bezirk mit 44,46 Quadratkilometern auch messbar auswirkt. Die Fläche des Parks ist im Vergleich zum Bezirk Floridsdorf relativ gering, aber diese großen Grünflächen haben nicht immer die gleichen Auswirkungen. Man muss sich dabei mit einem Klimatologen zusammen setzen, um abschätzen zu können, welche Konstellationen welche Wirkungen haben. Die Topografie spielt eine Rolle. Beispielsweise werden Kaltluftschneisen vom Wiener Wald in die Stadt gezogen oder es wird ein guter Luftaustausch in der Stadt durch ein offenes Marchfeld ermöglicht. Ackerflächen und Wiesen kühlen in der Nacht relativ rasch aus. Wenn man eine große Bebauung am Stadtrand vorsieht, werden die Windströme von solchen Flächen unterbunden. Das kann sich negativ auswirken. Auch die Strukturierung der Grünfläche kann eine Rolle spielen. Es ist nicht immer sinnvoll Grünflächen mit möglichst vielen Bäumen zu bepflanzen. In innerstädtischen Gebieten sind neue große Grünanlagen kaum realisierbar. Da kann man eigentlich nur noch die kleineren Strukturen verändern mit Fassadenbegrünung oder Dachbegrünung. Die Durchführbarkeit von Maßnahmen hängt sehr von den städtischen Strukturen ab. Wir haben in dem Zusammenhang auch die Kosten- NutzenVerhältnisse betrachtet und auch die Akzeptanz in der Bevölkerung durch Befragungen verifiziert. Hr. Trageser: Wurden dabei auch Bauträger befragt? Hr. Preiss: Ja, es hat sich zum Beispiel ergeben, dass ein Baum auf Kosten eines Parkplatzes beim Bauträger nicht sehr auf Begeisterung stößt. Er hätte lieber das Auto vorm Haus. Aber die HausbewohnerInnen hätten lieber den Baum. Die GebäudeeigentümerInnen verzichten auch lieber auf den Baum auf dem eigenen Grundstück, weil die Pflege einen höheren Betriebsaufwand bedeuten. Politiker sehen das wieder unterschiedlich und so weiter. Es wurden verschiedene Interessensgruppen untersucht und es zeigte sich, dass die Wertschätzung bzw. die Bereitschaft für Pflege und Erhaltung sehr unterschiedlich ist. Zum Teil werden weniger klimawirksame Maßnahmen, zum Beispiel Abstandsgrün, 155 Rasenstreifen entlang der Straße positiver gesehen als ein Baum, der wesentlich effektiver wirkt. Die Strategie ist also, welche Maßnahmen kann man wie umsetzen und in welchen städtebaulichen Situationen sind welche Maßnahmen sinnvoll und effizient. Die Strategie beinhaltet auch eine Durchleuchtung der Instrumente, die für eine Stadtplanung und Stadtentwicklung wichtig sind. Es gibt einige Programme, in die diese Strategie mit einfließt und vor der Erstellung des Strategieplans auch teilweise schon vorhanden war. Beispielsweise sind im Stadtentwicklungsplan schon konkrete Zielsetzungen enthalten. Das Thema Stadtklima gibt es da schon länger. Jetzt geht es eben darum, die Strategie zu optimieren und zu prüfen, wo man bei den Instrumenten nachbessern muss. Hr. Trageser: Gibt es schon konkrete Maßnahmenpakete, die man im nächsten Stadtentwicklungsplan umsetzen möchte? Hr. Preiss: Ja, der STEP ist ein Instrument. Der neue Stadtentwicklungsplan wird Zielsetzungen vorgeben, Klimawandelanpassung ist ein wichtiger Fokus. Die zukünftige Bedeutung stadtklimatischer Funktionen der Freiräume wird hervorgehoben, im neuen STEP werden wichtige Initiativen erarbeitet, zum Beispiel die Entwicklung eines dichten Fußwegenetzes mit attraktiven Sitzgelegenheiten, Bepflanzung und Schattenspender, die Erhaltung von Kaltluftschneisen, aber auch kleinräumige Maßnahmen wie zum Beispiel geringer Versiegelungsgrad, Baumpflanzungen, Regenwassermanagement, Dach- und Fassadenbegrünung. Hr. Trageser: Waren Sie in die Abstimmungsgespräche für den Nord- oder Nordwestbahnhof involviert. Wenn ja, wie waren dort die Ansätze bei der Konzeptfindung? Wurde ein gewisser Anteil an Freiflächen vorgesehen oder wurden die Gebäude nach bestimmten Kriterien orientiert? 156 Hr. Preiss: Ja, wir sind unterschiedlich intensiv involviert. Es hängt davon ab, um welches Projekt oder Programm es geht, weil auch die Zielgebiete in unterschiedlicher Intensität und Schärfe bearbeitet werden. Bei diesem Zielgebiet wurde konkret die Fragestellung behandelt, ob ein Park günstiger ist, wenn man ihn möglichst groß und zusammenhängend ausführt oder wenn man ihn in viele kleine Einheiten aufteilt, wie man die Gebäude entsprechend ausrichtet und die Freiräume proportionsmäßig gestaltet. Auch die Oberflächen der Bauwerke spielen eine zunehmende Rolle. Das ist zwar im Nordbahnhof in der jetzigen Phase noch nicht so im Detail behandelt worden, aber aufgrund des Strategieplans soll es konkrete Vorgaben geben. Es werden auch Modellierungen stattfinden aufgrund derer man dann ein Gefühl bekommt, wie man die Breiten-Höhen-Verhältnisse, die Topografie und die Strukturen optimal ausgestalten kann. Bei der Seestadt Aspern geht es schon konkreter ins Detail. Beim Südteil wurden aus Modellierungen konkrete Maßnahmen abgeleitet. Hr. Trageser: Werden auch Fassadenbegrünungen angedacht? Hr. Preiss: Ja. In einigen Bebauungsplänen gibt es sogar gesetzliche Bestimmungen zur Sicherstellung von Fassadenbegrünungen. Grundsätzlich ist es hochinteressant, welchen Kühleffekt die Verdunstung hat und das wird jetzt bei Fassaden- und Bauwerksbegrünung schon vermehrt genutzt. Da gibt es auch einiges an Forschung dazu, wenn man sich beispielsweise die begrünte Fassade der MA 48 anschaut, ist die Wirkung ziemlich hoch, was auch messbar ist. Man kann das sehr gut berechnen, auch die erforderliche Wassermenge. Es handelt sich dabei um eine fassadengebundene Begrünung, wo etwa 800 Liter Wasser, die an einem sehr heißen Tag verwendet werden und wenn diese 800 Liter verdunsten, weiß man, was das für eine Verdunstungskälte ergibt. Das entspricht etwa 50 Klimageräten von je 3000 Watt, die acht Stunden an einem heißen Tag in Betrieb sind. Wenn man das auf Kilowattstunden pro Jahr 157 umrechnet, kompensiert das durchaus auch eine Klimaanlage. Das ist nicht eins zu eins die Leistung, die auch in den Innenraum abgegeben wird, aber es ist die Wärmeenergie die nicht auf das Gebäude übertragen wird. Hr. Trageser: Handelt es sich bei dem Bewässerungssystem um einen kontinuierlichen Kreislauf, bei dem das Wasser durch die Pflanzentröge nach unten sickert und dann wieder nach oben gepumpt wird? Hr. Preiss: Nein, es ist so gesteuert, dass nichts unten rausläuft. Das ist ein sehr ausgeklügeltes System, welches aus mehreren Kreisläufen besteht, ich glaube etwa sechs Kreisläufe, weil die Verdunstung je nach Orientierung der Fassaden, Höhe und Windexposition unterschiedlich ist. Es hat sich bei diesem System herausgestellt, dass der Wasserbedarf der Pflanzen je nach Lage an der Fassade recht unterschiedlich ist. Es gibt unten an der Fassade Messfühler, die zur optimalen Steuerung der Wassermenge beitragen. Die Kühlleistung wird einfach ermittelt aus der Verdunstungsleistung. Hr. Trageser: Das ist wohl ein gutes System, wenn man Grundwasser hat, mit dem man bewässern kann. Wenn das nicht zur Verfügung steht würde man dann Trinkwasser verwenden? Hr. Preiss: Die eigentliche Idee war das Niederschlagswasser von den Dachflächen zu verwenden. Nur handelte es sich bei der MA48 um ein bestehendes Gebäude und damit war es nicht einfach, das Regenwasser in das System zum Beispiel mit Zisternen als Zwischenspeicher einzubinden. Es wäre natürlich optimal, möglichst viel Regenwasser im System zu behalten und nicht in den Kanal zu leiten. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis spricht nicht immer für Regenwassernutzungen. In Parkanlagen ist es leichter, 158 Niederschläge zurückzuhalten, zum Beispiel durch sickerfähige Beläge oder Sickermulden. Dann bleibt das Wasser auch viel länger in dem ganzen System und kann dann verdunsten, wenn die Sonne wieder scheint. Dann bringt es auch eine entsprechende Leistung. Hr. Trageser: Bringen Gründächer auch einen ähnlichen Kühleffekt. Gibt es da Unterschiede zwischen extensiver und intensiver Begrünung? Hr. Preiss: Man muss dabei wieder die räumliche Einheit betrachten. Extensive Begrünungen haben auf den darunter liegenden städtischen Raum verhältnismäßig wenig Einfluss. Auch wenn man sämtliche Dächer begrünen würde, wird es fast nicht bemerkbar sein. Modellierungen haben Temperaturunterschied ergeben, erzielt dass werden nicht kann. mehr Dann als geht ein es halbes darum, Grad welche Ausgangssituation man mit welcher Zielsituation vergleicht. Es kann sehr wohl sein, wenn es sich um wirklich große Flächen mit mehreren tausend Quadratmetern handelt, dass diese Fracht an kühlerer Luft, die darauf entstehen, bei gewissen Windtransport angrenzende Stadtteile sehr wohl beeinflussen. Intensive Begrünungen können etwas mehr, sind aber quantitativ nicht so leicht durchsetzbar. Für intensive Begrünungen braucht man mindestens 40 Zentimeter Aufbau und dementsprechend gute statische Vorkehrungen. Das ist eine Maßnahme, die auf das einzelne Gebäude bezogen in Zusammenhang mit Nutzbarkeit auf dem Dach sehr wirkungsvoll ist, wenn man alle Kriterien mit betrachtet und man in einer Situation ist, wo Grünraummangel ist. Dann kann man natürlich durch eine intensive Dachbegrünung schon ein bisschen was kompensieren, zwar weniger für den öffentlichen Stadtraum, aber für die Bewohner des Gebäudes kann das ein gute Bereicherung sein. Hr. Trageser: 159 Gibt es Förderungen für Dachbegrünungen? Hr. Preiss: Dachbegrünungen werden vom Stadtgartenamt bis maximal 2200 € pro Anlage gefördert, abhängig von der Aufbaustärke und der Fläche. Die Fassadenbegrünungen werden mit dem selben Maximalbetrag gefördert, was aber pro Anlage gilt, weil man eine Kletterpflanze schwer in Quadratmetern bemessen kann. Dadurch erreicht man bei Fassadenbegrünungen unter Umständen eine hundertprozentige Deckung der Errichtungskosten. Bei der Dachbegrünung wird es mit dem Deckungsgrad schwieriger. Hr. Trageser: Können durch den Pflanzenbewuchs Schäden an der Fassade auftreten oder sieht man dagegen entsprechende Maßnahmen vor? Hr. Preiss: Dazu wurde von uns ein Leitfaden zur Fassadenbegrünung herausgegeben. Die zu treffenden Maßnahmen hängen von der Pflanzenart und von der Fassade ab. Es gibt ein paar Faustregeln, die man beachten muss. Die Fassade muss erstens technisch in einem intakten Zustand sein. Das Mauerwerk darf nicht bröckeln und der Putz muss für eine selbstklimmende Kletterpflanze tragfähig sein. Es hängt auch von der Art der Begrünung ab, ob es eine bodengebundene Begrünung mit selbstklimmenden Kletterpflanzen ist, wie beispielsweise der Veitschi beziehungsweise die Mauerkatze, die sich mit Haftscheiben an der Fassade festkrallt. Wenn der Putz lose ist, kann es sein, dass die ganze Pflanze mit dem Putz von der Fassade fällt. Beim Efeu gibt es wieder andere Probleme, wenn die Fassade nicht intakt ist. Da kann es sein, dass der Efeu Sprossen bildet, die in die Fassade hineinwachsen. Hinterlüftete Fassaden eignen sich für die Begrünung mit selbstklimmenden Arten überhaupt nicht. Die äußere Schicht ist nur ein Witterungsschutz, der beispielsweise aus einer Glasplatte oder Holzschalung besteht und in der Regel statisch so ausgelegt ist, dass sie nur sich selbst tragen kann. Wenn man dort eine selbstklimmende Pflanze wachsen lässt, die durchaus mehrere 160 hundert Kilo schwer werden kann, kann es zu einer Beschädigung der Fassade kommen. Eine Tonne ist bei einem Efeu der die blühende Form ausbildet oder auch im Winter immergrün ist plus entsprechender Schneelast schnell erreicht. Hinterlüftete Fassaden sind mit selbstklimmenden Pflanzen also nicht kombinierbar. Es geht aber mit Kletterpflanzen wie die Glyzinie, die eine Kletterhilfe aus Seilen oder Rankgerüste brauchen und die dann auch nur auf der Kletterhilfe bleiben. Diese Arten beschädigen dann auch die Fassade nicht. Dabei ist dennoch eine regelmäßige Wartung erforderlich, da auch die Glyzinie in vorhandene Ritze in der Fassade hineinwachsen kann und die Kraftauswirkung, die durch das Dickenwachstum der Triebe zustande kommt, ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn die Triebe an Fallrohre wachsen, kann es sein, dass das Rohr beschädigt wird. Diese Dinge muss man bereits in der Planung berücksichtigen. Hr. Trageser: Wie hoch ist der Wartungsaufwand bei begrünten Fassaden? Hr. Preiss: Dazu gibt es auch Angaben in unserem Leitfaden. Grundsätzlich sind die bodengebundenen Begrünungen relativ wartungsarm. Wenn man beispielsweise einen Veitschi alle zwei Jahre schneiden lässt, weil der Nachbar das nicht haben will, kostet das je nach Dimension und Zugänglichkeit der Fassade ein paar hundert Euro. Interessant ist, dass der Pflegeaufwand für Fassadenbegrünung für viele schmerzhafter ist als zum Beispiel das regelmäßige Waschen von Glasfassaden ganzer Bürogebäude. Hr. Trageser: Wie hoch ist die Akzeptanz für begrünte Fassaden im privaten Sektor oder bei Bauträgern? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, die sich für eine Fassadenbegrünung interessiert? 161 Hr. Preiss: Es ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gibt es eine stark zunehmende Nachfrage. Es gibt Bauträger, die wirklich mustergültig Leuchtturmprojekte zustande bringen. In den meisten Fällen kommt es mir vor, dass wenn sich jemand mit dem Thema befasst auch ein gewisse Faszination dafür entsteht. Es hat dann auch immer mit einem persönlichen Umgang zur Umwelt zu tun. Es gibt Leute, die interessiert das nicht oder es ist ihnen egal. Die wollen dafür auch nichts investieren. Dann gibt es Leute, die erkennen, dass sie dadurch ihren Lebensraum gestalten und aufwerten können. In dem Zusammenhang ist interessant zu beobachten, wie das persönliche Verhältnis zu den Kosten und Nutzen steht. Die Kosten können bei den Systemen recht unterschiedlich sein. Beispielsweise kann eine Fassadenbegrünung sehr wenig kosten, aber aufwendige Systeme kosten dann auch bis zu 800 Euro pro Quadratmeter. Hr. Trageser: Gibt es von der Stadt Anreize Baublöcke in der Innenstadt, bei denen auch die Innenhöfe verbaut sind, zu entdichten und die frei gewordene Fläche zu begrünen, beispielsweise im Zuge einer Blocksanierung? Hr. Preiss: Im Rahmen von Blocksanierungsprojekten weiß ich, dass die Innenhofentkernung immer noch ein Thema ist. Es gab Zeiten beispielsweise nach dem Krieg, in denen man die Innenhöfe oft aus betrieblichen Gründen nachverdichtet hat, in dem man dort Werkstätten errichtet hat. Derzeit versucht man einerseits, die Innenhöfe zu entkernen, aber andererseits auch innerhalb der Stadt nach zu verdichten, auch weil Wien in der Ausdehnung beispielsweise durch den Grüngürtel beschränkt ist beziehungsweise diesen nicht antasten möchte. Dabei ist die Frage wie viel Nachverdichtung ist in der Innenstadt noch möglich, dass die Grünraumversorgung bzw. die Lebensqualität nicht beeinträchtigt wird. Früher hat man das Nachverdichten auch unkritischer gesehen als in der letzten Zeit. 162 Hr. Trageser: Gibt es konkrete Konzepte, wie man Grünflächen in der Innenstadt erweitern kann? Hr. Preiss: Das Thema Bauwerksbegrünung ist in den letzten Jahren schon als eine Möglichkeit erkannt worden, um in dichten Gebieten noch gewisse Grünstrukturen zu installieren, die dort ein Mangel sind. Zum Beispiel hat man im sechsten Bezirk kaum noch Chancen einen Baum zu pflanzen, weil das durch die bestehende Infrastruktur unterhalb der Oberfläche mit vertretbaren Kosten nicht mehr geht. Hr. Trageser: Geht man dann eher bei Dachumbauten zu verpflichtenden Gründächern über ? Hr. Preiss: Ja, die Begrünung von Flachdächern ist zu fast hundert Prozent verpflichtend geworden (gewisse Ausnahmeregelungen gibt es wie zum Beispiel der Belichtung dienende Aufbauten). Bislang waren Dachbegrünungen individuell festgelegt. Allerdings hat man aufgrund von wissenschaftlichen Untersuchungen gelernt, dass eine Dachbegrünung für die Biodiversität, für den Wasserhaushalt und das Kleinklima der Stadt sehr wohl positive Auswirkungen hat. Es war auch die Frage, wie eine Dachbegrünung mit der Solartechnologie auf den Dächern zusammenpasst, deren Ausbau auch stark gefördert wird. Im Grunde funktionieren die beiden Systeme miteinander gut. In diesem Zusammenhang ist ein Solarleitfaden in Bearbeitung, der nicht nur verschiedene Systeme zur Nutzung von Photovoltaik behandelt, sondern auch die Kombinierbarkeit mit Dachbegrünungen. In Deutschland werden sogar Dachbegrünungen gefördert, wenn eine Solaranlage eingereicht wird. Das hat auch einen ökonomischen Grund, weil die Begrünung den Wirkungsgrad der Solaranlage erhöht. Denn der Wirkungsgrad ist bei Solaranlagen bei kühleren Temperaturen – was durch Dachbegrünungen gefördert wird – höher. 163 Hr. Trageser: Gibt es in Wien bestimmte Bezirke, in denen man vorrangig diese Konzepte umsetzt? Hr. Preiss: Dachbegrünungen lassen sich in Stadterweiterungsgebieten zu einem höheren Anteil umsetzen, da nicht in bestehende Dachstrukturen eingegriffen werden muss. Hingegen sind Fassadenbegrünungen in bestehenden dicht bebauten Gebieten noch eher ein Thema. Im Rahmen des EU-Projekts gibt es zwei Pilotgebiete, wo man einerseits einen ganz typischen dicht bebauten Bezirk (4. Bezirk südlich Karlsplatz) und andererseits ein Stadterweiterungsgebiet (Nordbahnhof) betrachtet. Es zeigt sich, dass je nach Stadtstruktur und Entwicklungsstadium unterschiedliche Maßnahmen zum Tragen kommen. Innerstädtische Bezirke wie der dritte, vierte, fünfte, sechste, siebte, achte, neunte, aber auch der 17. Bezirk sind sehr ambitioniert was die Initiierung kleinräumiger Maßnahmen betrifft (Stichwort: Mikrogrünräume), die Entwicklung der Seestadt Aspern lässt erwarten, dass hier ein Stadtteil entsteht, in dem ein sehr fortschrittliches Konzept zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt wird. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch. 164 9.3. Zusammenfassung Interview bei tinavienna Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Volker Schaffler/ tinavienna - urban technologies + strategies Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 15. Jänner 2014, 09:30 - 10:15 Uhr Ort: tinavienna, Liechtensteinstr. 12/10, 1090 Wien Freigabe: 24. Februar 2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Schaffler: Smart City ist ein Begriff, den es schon länger gibt. Er ist geprägt durch das MIT (Massachusetts Institute of Technology), durch sehr viele Mobilitätskonzepte oder durch asiatische Forschungsinstitute, die das ganze Thema sehr ICT-lastig angesehen haben. Wir in Europa sehen das ein wenig anders. Wir haben da eher einen holistischen Ansatz. Für uns ist Stadt nicht nur Mobilität und Verbindung zur ICT (information and communications technology). Wir haben die Prämisse Lebensqualität zu schaffen, weil eine hoch technologisierte Stadt ist nicht sinnvoll, wenn die Lebensqualität darunter leidet und da glaube ich, sind wir mit diesem Ansatz in Europa auf dem besseren Weg. Die EU hat das auch erkannt und einige Förderschienen wie zum Beispiel das Framework-Programm-Sieben (FP7), jetzt Horizon 2020, ein wenig danach ausgerichtet. Das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) ist der Ausrichtung der EU gefolgt, in dem sie das FIT for SET Callprogramm gelauncht hat, bei dem wir mitgemacht haben. Das war auch das erste Smart City Projekt in Wien. Tinavienna war in Managementfunktion und 165 koordinierender Funktion bei diesem Projekt involviert und so ist das Ganze in Wien entstanden. Der frühere Leiter der MA 18 Thomas Madreiter, der jetzt Planungsdirektor ist, hatte vorher das Projekt geleitet und betreut diese Smart City Agenden auch noch immer weiter. Der Smart City war ursprünglich ein Projekt des BMVIT, das jetzt über die FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) abgewickelt wird. Man wollte mit diesem Projekt eine Vision und darauf aufbauend eine Roadmap entwickeln. Da eine Stadt wesentlich komplexer ist als der Themenbereich, den man mit einem Projekt behandeln kann, war uns bewusst, dass für die Umsetzung des Smart City Projekts ein übergeordnetes Commitment auf städtischer Ebene notwendig ist. Wir haben durch dieses Projekt Möglichkeiten aufgezeigt und dann aus diesem Projekt heraus ein weiteres internes Projekt gelauncht, das sich „Smart City Wien Initiative“ nennt. Diese Smart City Wien Initiative hat in den letzten zwei Jahren sehr viel Fahrt angenommen. Wir haben eine Steuerungsgruppe mit dem Magistratsdirektor Hr. Erich Hechtner, was die höchste Verwaltungsposition in der Stadt ist, als Vorsitzenden eingerichtet. Hier sieht man schon, das es sich bei Smart City um ein übergeordnetes ganzheitliches Thema handelt, das auf oberster Verwaltungsebene behandelt wird. Wir sind gerade dabei, eine Dachstrategie für das Projekt „Smart City Wien“ zu entwickeln. Wien wurde schon immer als die Stadt der Programme genannt. Wir haben sehr viele gute Programme wie beispielsweise den ÖkoBusinessPlan und ÖkoKauf der MA22, Stadtentwicklungsplan und Masterplan Verkehr und so weiter. Es geht bei diesem Projekt darum, eine Rahmenstrategie für die Smart City zu entwickeln, wobei wir nicht wirklich etwas neues erfinden wollen, sondern Synergien nutzen und die Interaktion der vorhandenen Programme fördern wollen. Unter dem Dach der Rahmenstrategie werden alle Programme der Stadt Wien ganz normal weiter laufen, aber man wird sich untereinander koordinieren. Das ist das eigentliche Smarte daran. In Wien gibt es etwa 60 Magistratsabteilungen, die alle für unterschiedliche Bereiche zuständig sind. In Zukunft ist es so, dass diese Bereiche nicht mehr für sich allein betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit anderen. Man sieht es zum Beispiel an dem Thema Gebäude. Wenn man in Zukunft ein Gebäude realisiert, das mittels Smart Metering und Smart Grid interagiert, braucht man die richtige Stromversorgung. Man braucht so etwas wie Energiestadtplanung. Ein gutes Beispiel zur Nutzung vorhandener Potentiale ist die MA 30 - Wien Kanal, aus der sich ein kommerzielles Tochterunternehmen 166 gebildet hat, das eine Datennetzinfrastruktur im städtischen Kanalnetz anbietet. Das Aufgraben und Verschließen der Fahrbahnfläche verursacht Belästigungen für den Verkehr und hohe Kosten. Etwa zwei Drittel der Projektkosten für Leitungsverlegungen werden für Arbeiten an der Fahrbahn in Anspruch genommen, was auch bei der Verlegung von Fernwärme oder Fernkälte zutrifft. Daher kam die Idee Glasfaserkabel im Städtischen Kanalnetz zu verlegen, wodurch man einerseits Kosten spart und andererseits durch die Vermietung des Datennetzes an Kommunikationsanbieter Geld für die Stadt verdient. Somit ist Kanal Wien, glaub ich, der größte Glasfaserkabelanbieter in Wien. Das ist das Smarte daran, dass nicht nur auf Abwasserentsorgungsebene gedacht wird, sondern viel weiter. Dadurch dass wir von tinavienna in die ersten Projekte im Jahr 2011 involviert waren, auch als Koordinatoren, haben wir jetzt auch die Funktion der Smart City Agentur übernommen. Nachdem das erste Projekt abgeschlossen wurde, haben wir festgestellt, dass noch sehr viel Aufklärungsbedarf auf städtischer Ebene besteht und daher wollten wir das Projekt Smart City weiter betreiben. Wir sind jetzt so etwas wir der „Smart City Hub“ der Stadt Wien. Wir beantworten nationale und internationale Anfragen, helfen bei Koordinierungstreffen, machen sehr viel Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Smart City oder eben inhaltliche Arbeiten. Wir sind keine Magistratsabteilung mit spezifischen Aufgaben, sondern können Cross-Border arbeiten. Die ganze Rahmenstrategie Smart City Wien ist noch nicht verbindlich. Sie wird dieses Jahr im Gemeinderat eingebracht und dann wird es Aufgabe der Verwaltung, diese Strategie umzusetzen. Das heißt, die verschiedenen Magistratsabteilungen agieren künftig in Abstimmung mit diesem übergeordneten Strategieplan. Die unterschiedlichen Themen sollen dabei mit Hilfe des Strategieplans untereinander besser koordiniert werden. Es gibt beispielsweise das Klimaschutzprogramm und den Masterplan Verkehr. Wenn es in den Programmen unterschiedliche Mobilitätsziele bis 2050 geben würde, wäre es kontraproduktiv. Wir sind auch noch in weitere Projekte involviert, zum Beispiel in das Projekt „Transform“, das im Rahmen dieser letzten FP7-calls (Framework Programs) initiiert wurde und zusammen mit mehreren Städten durchgeführt wird. Da ist das Ziel eine Transformationsagenda aufzubauen. Die MA 18 ist für die Stadt Wien in dieses Projekt auch eingebunden, damit wird die Smart City auf europäischer Ebene behandelt. 167 Hr. Trageser: Gibt es einen Zeitraum, in dem diese Rahmenstrategie umgesetzt werden soll? Hr. Schaffler: Die Vision ist bis 2050. Man hat sich dabei an die Energy Roadmap 2050 der EU gehalten, wobei ich gelesen habe, dass die EU davon Abstand nehmen möchte, verbindliche Ziele sogar bis 2030 festzulegen. Hr. Trageser: Gibt es Stadtteile, in denen man als Pilotprojekte bestimmte Strategien vorrangig umsetzen möchte? Hr. Schaffler: Aspern, was den Neubau und Liesing, was den Altbau und den Neubau betrifft. Hr. Trageser: Welche Ansätze gibt es bei der Energieversorgung für den Gebäudesektor? Hr. Schaffler: Das langfristige Ziel ist nahezu Nullenergiegebäude zu realisieren. Daraus kann sich künftig ein Zielkonflikt bei der Energieversorgung ergeben. In Wien haben wir die Fernwärme, die sehr gut ist, weil wir die Abwärme von den Kraft-WärmeKopplungsanlagen nutzen können und auch weiter nutzen wollen. Gleichzeitig werden aber die Neubauten so energieeffizient, dass wir bei diesen Gebäuden kaum noch Wärmeenergie benötigen. Wenn man allerdings den prozentualen Anteil der Neubauten am Gesamtgebäudebestand in Wien betrachtet, ist er verhältnismäßig gering. Wien ist 168 eine gebaute Stadt mit einem überwiegenden Anteil an historischer Bausubstanz. Dabei ist es interessant den Primärenergieverbrauch der Stadt Wien zu betrachten. Von der Statistik Austria wird jährlich ein Energieflussbild der Stadt Wien erstellt und man kann gut ablesen, wo die eigentlichen Probleme der Stadt beim Energieverbrauch liegen. Die Hauptverbraucher sind einerseits der Verkehr mit hohem Treibstoffverbrauch und andererseits die Gebäude mit dem hohen Verbrauch von Wärmeenergie, wobei dies hauptsächlich den Altbestand betrifft. Das sind also die beiden großen Hebel, mit denen man den Energieverbrauch der Stadt wirksam reduzieren kann. Hr. Trageser: Welche übergeordneten strategischen Ansätze gibt es für den Altbau, um dort Energie einzusparen? Hr. Schaffler: Es gibt beispielsweise die Sanierungsverordnung, die für öffentliche Gebäude und Sanierungen gilt, die nach dem Wohnbauförderungs- oder Wohnhaussanierungsgesetz gefördert werden. Ich glaube das weiter führende Ziel muss das sein, Anreize zu schaffen, um die Sanierungsraten im Altbestand, der sich im Privatbesitz befindet, zu erhöhen. So wie ich das sehe, liegt das Problem nach wie vor in der Finanzierung. Welche Anreize hat ein privater Eigentümer eine thermische Sanierung durchzuführen, wenn der Effekt darin besteht, dass die Mieter weniger Energie verbrauchen und dafür nicht wirklich gewillt sind, mehr Miete zu bezahlen. Da fehlt es noch an Mechanismen. Hr. Trageser: Einerseits hat man den Bestand als Verbraucher, andererseits Neubauten als Plusenergiegebäude, die Strom ins allgemeine Versorgungsnetz einspeisen. Gibt es einen Trend zu dezentralen Versorgungseinheiten und weg von den zentralen Versorgern? 169 Hr. Schaffler: Im Prinzip wurde mit dem aspern IQ ein Plusenergiegebäude geschaffen und jetzt muss man sich das im Verbund anschauen. Man kennt in der Informatik das Problem, wenn man zwei funktionierende Systeme zusammen gibt, heißt das noch nicht, dass das Gesamtsystem funktioniert. Wenn jetzt beispielsweise ein Bürogebäude und ein Wohngebäude mit unterschiedlichen Betriebszeiten ein eigenes Versorgungssystem bilden, muss man mit Hilfe eines Monitorings prüfen, ob diese dezentrale Lösung funktioniert. Mit Aspern und dem Gebäude aspern IQ ist man dabei, ein gutes Instrument zu schaffen, um das System im Verbund bei Neubauten zu prüfen. Im Altbau ist es schwieriger. Da kommt man schnell auch ins Mietrecht. Aus meiner subjektiven Wahrnehmung und vor dem Hintergrund, dass ich Energietechniker bin, kann ich sagen, dass die Teilung von Stromproduzenten und Stromnetz für das ganzheitliche Smart City Ziel nicht wirklich dienlich ist. Früher waren Stromversorger und Stromnetz eine Einheit, mittlerweile sind die Stromproduzenten vom Netz herausgenommen. Das Netz hat eine Hoheit und man kann sich seinen Stromproduzenten frei wählen. Das heißt, selbst wenn die Stadt dem Unternehmen Wien Energie, das der Stadt gehört, vorschreibt nur noch erneuerbare Energien zur Energieversorgung zu verwenden, ist das zwar sehr löblich, aber theoretisch kann jeder Verbraucher das Versorgungsunternehmen frei wählen und daher könnte auch Atomstrom aus Frankreich über das unabhängige Netz an den Endverbraucher verkauft werden. Hr. Trageser: Wie kann man sich die Bildung der Rahmenstrategie vom Prozessablauf her vorstellen? Hr. Schaffler: Es ist ein großer Stakeholder-Prozess, in den die relevanten Magistratsabteilungen und Geschäftsgruppen eingebunden sind und der von einem Fachbereich der MA 18 geleitet wird. Dabei gibt es drei thematische Hauptgruppen nämlich Ressourcen, Innovation und 170 Lebensqualität, die wiederum in Untergruppen untergliedert sind. Beispielsweise fällt unter die Hauptgruppe Ressourcen die Untergruppe Energie, Mobilität und Infrastruktur. Zu diesen Untergruppen gibt es einzelne Fachgruppen, die sich konkret mit diesen spezifischen Themen befassen. Die eigentliche Arbeit der Smart City besteht darin, die Zielsetzungen der verschiedenen Themen zu harmonisieren, damit sich Ziele nicht gegenseitig widersprechen oder aufheben. Hr. Trageser: Kommen die Themen und Ziele, die in der Rahmenstrategie fixiert werden, aus dem Stakeholder-Prozess oder gibt man auch Ziele übergeordnet vor? Hr. Schaffler: Nein. Man hat zuerst eine Vision mit Oberzielen für 2050 definiert, die man erreichen möchte. Bei der Umsetzung der Ziele spielt natürlich die technologische Entwicklung eine Rolle, die immer in Kaskaden erfolgt. Dann hat man sich gesagt, zu den Oberzielen müssen auch Teilziele definiert werden, die auch schon teilweise in diversen Programmen definiert sind wie in dem „KliP“ - Klimaschutzprogramm der Stadt, das auch gewisse Ziele bis 2020 vorgibt. Dann wird gerade das städtische Energieeffizienzprogramm überarbeitet, welches auch Ziele vorgibt. Das heißt, man denkt in Korridoren und die richtige Mischung hat man nur aus einem Top-down und Bottom-up approach. Man muss sich dann nachher in der Mitte treffen und das Treffen in der Mitte ist diese Koordinationsfähigkeit, die das eigentlich Smarte an der Sache ist, weil der Kommunikationsprozess die verschiedenen Themen miteinander verbindet. Was die Smart City am Ende ausmachen wird, sind die Projekte, die die Rahmenstrategie verwirklichen. Es wird Aufgabe der Stadt sein, solche Projekte zu initiieren. Allerdings können nicht alle Smart City Projekte von der Stadt initiiert werden, weil die Stadt schon mit dem Daily-Business ausgelastet ist und deshalb werden voraussichtlich viele Projekte auch als Public-Private-Partnership-Modelle realisiert werden. Hr. Trageser: 171 Gibt es Anreizsysteme für die Privatwirtschaft in diese PPP-Modelle zu investieren? Hr. Schaffler: Die Stadt möchte zum Beispiel den motorisierten Individualverkehr reduzieren. Das erreicht man beispielsweise über ein Sharingsystem wie „Car to go“. Dadurch gibt es weniger Autos und weniger Stellplätze müssen zur Verfügung gestellt werden. Der Anreiz für ein Privatunternehmen wäre eine Vereinbarung mit der Stadt Wien, dass Autos von „car to go“ überall parken dürfen und dafür nur eine Pauschale zahlen müssen. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch. 172 9.4. Zusammenfassung Interview im ENERGYbase Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Tim Selke/ Austrian Institute of Technology Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 16. Jänner 2014, 10:00 - 10:40 Uhr Ort: ENERGYbase, Giefinggasse 6, 1210 Wien Freigabe 29. März 2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Trageser: Wie wirken sich die EU-Gebäuderichtlinie und Wiener Bauordnung, die nachhaltiges Bauen vorschreiben, aus Ihrer Sicht auf die derzeitigen Bautätigkeiten aus? Wie hoch ist die Bereitschaft zum Einsatz erneuerbarer Energien? Hr. Selke: Wir stellen fest, dass es Bauträger gibt, die sich vermehrt mit diesem Thema beschäftigen und es bringt sicherlich auch Wettbewerbsvorteile, zukünftige Bewohner für dieses Thema zu sensibilisieren. Es gibt mittlerweile auch eine Nachfrage bei Bewohnern und Bauherren, insofern sehe ich schon eine vermehrte Bereitschaft für nachhaltiges Bauen. Es ist klar, dass solche Bauträger oder Immobilienentwickler nur in nachhaltige Projekte investieren werden, wenn die Kosten einigermaßen überschaubar sind. Es gibt sehr hochmotivierte Eigentümer in Wien, die in dieser Richtung etwas machen und bewegen wollen und trotzdem Kosten im Blick haben. 173 Bei der Planung von ENERGYbase stand von Anfang an der Forschungscharakter mit im Vordergrund. Deswegen gab es am Anfang eine hohe Bereitschaft mehr Geld für die Errichtung bereitzustellen als üblicherweise. Hr. Trageser: Können Sie in etwa die Investitionskosten für ein energetisch optimiertes Gebäude im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude abschätzen? Hr. Selke: Hier im ENERGYbase wurde uns mitgeteilt, dass 10 bis 15 Prozent Mehrkosten für die Errichtung im Vergleich zu einer Standardimmobilie investiert wurden, eine genaue Kostenaufstellung liegt uns nicht vor. Extraleistungen durch die wissenschaftliche Planungsbegleitung sind nicht enthalten, diese wurden über Forschungsprojekte teilfinanziert. Wenn man innovativ baut, Passivhausweise und verschiedenste erneuerbare Technologien anwendet, sind 10 Prozent Mehrkosten für die Errichtung realistisch. Hr. Trageser: Sie führen bei diesem Gebäude auch ein Energiemonitoring durch. Was sind ihre Erfahrungen nach der Umsetzung dieses Gebäudes? Welche Systeme haben sich vom Wirkungsgrad als besonders effektiv herausgestellt? Welche Erfahrungen haben Sie bezüglich energieeffizienter Systeme bei anderen Projekten gemacht? Hr. Selke: Vorab ist zu sagen, dass die Energiekennzahlen, die damals in der Planungsphase gerechnet worden sind, durch unser wissenschaftliches Monitoring bestätigt wurden. Das Gebäude wird energieeffizient betrieben. Wir liegen bei einem Jahresstromverbrauch von 25 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter für den Haustechnikbetrieb, d.h. für Heizen, Kühlen, teilweise Beleuchtung und die Hilfsenergie. Das ist ein Topwert. Die Nutzerverbräuche, wie der Betrieb von 174 Computern und Bürobeleuchtung sind in diesem Wert nicht enthalten. Die hauseigene Photovoltaikanlage liefert etwa 5 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter also ein Fünftel des Gebäudebetriebs. Hr. Trageser: Diese Werte wurden durch eine rechnerische Simulation bereits im Vorfeld ermittelt? Hr. Selke: Teilweise wurden diese Werte durch Simulationen nachgewiesen und über die Berechnung durch das Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP). Das ist die positive Botschaft, oft werden innovative Gebäude hoch beworben und im Betrieb zeigt sich, dass es viele Schwierigkeiten gibt und mehr Energie verbraucht wird als prognostiziert. Zum Beispiel wird die winterliche Raumtemperatur durch die Nutzer auf über 22 Grad geregelt, was einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge hat. Diesen Effekt kennen wir insbesondere bei Gebäuden mit qualitativ hochwertiger Dämmhülle. Seit 2008 ist das Gebäude in Betrieb und seit 2009 führen wir ein kontinuierliches Energie-Monitoring durch. Wir haben durch die installierte Messtechnik Zugriff auf verschiedenste Energieverbräuche und haben bei der Auswertung bereits einige Überraschungen erlebt. Für die Heizungswärmepumpe sehen wir energetisches Verbesserungspotential aus verschiedensten Gründen, dies ist weitestgehend auf die hydraulische Verschaltung zurückzuführen. Grundsätzlich können wir eine gute Energieperformance der Wärmepumpe feststellen. Fortschritte im Sinne der verbesserten Energieeffizienz machen wir auch bei der Klimatisierung. Die Ventilatoren im Klimagerät bewegen die erforderliche Zu- und Abluft durch die Luftführungskanäle und benötigen zur Überwindung der Druckverluste im System viel Strom. Eine Senkung des Stromverbrauchs wird dadurch vermieden, dass der Facility-Manager die Anlage sehr effizient betreibt, wobei der Stromverbrauch für das Klimagerät im Verhältnis zu den anderen Verbrauchergruppenhoch ist. Die künstliche Beleuchtung ist sehr effizient und stellt keinen maßgeblichen Anteil am Gesamtverbrauch dar. Meiner Meinung ist diese Marktverfügbare Beleuchtungstechnik dies bezüglich geeignet und ausreichend. 175 Hr. Trageser: Gibt es noch ein Optimierungspotential in der Regelung der Gebäudetechnik oder in den verwendeten technischen Systemen, um Energieverluste zu minimieren? Hr. Selke: Nachdem das Gebäude fertiggestellt ist und die Haustechniksysteme erstmalig in Betrieb sind, erfolgt eine Phase der Feinabstimmung. Das ist normal und war auch in der ersten Betriebsphase von ENERGYbase der Fall. Etwa ein Jahr hat es gebraucht bis das Gebäudeleittechnik GLT so eingestellt war, dass die Systeme optimal betrieben werden konnten. Die besondere Situation in diesem Haus ist, dass es einen sehr motivierten und kenntnisreichen Facility-Manager gibt, der im Gespräch mit uns Forschern, einen effizienten Betrieb auch umsetzen kann. Das ist eine glückliche und sehr besondere Situation. Wir haben einige wesentliche Ideen zum Einsatz innovative Technologien in das Projekt miteingebracht und diese konnten wir sowohl ins Planungsteam als auch bis zum Facility-Manager transportieren. Hr. Trageser: Was waren die Ansätze in der Planung bei der Entwicklung des Konzepts? Hr. Selke: Damals war die zentrale Frage, lässt sich das Passivhauskonzept auf ein Bürogebäude anwenden. Die Minimierung des Heizwärmebedarfs ist nicht die Herausforderung, weil einerseits durch die IKT Informations- und Kommunikationstechnologie und andererseits durch die Nutzer selber nutzbare Abwärme in den Räumen verfügbar ist. Die Optimierungen konzentrierten sich insbesondere auf die Reduzierung des Kühlenergiebedarfs. Ich vergleiche des Passivhauskonzept gerne mit einer gläsernen Thermoskanne. Wenn die solaren Wärmelasten zu hoch werden, führt das zu einer massiven Überwärmung der Büroräume. Dann hat man zwar den Heizwärmebedarf 176 deutlich reduziert, aber man muss im Sommer aufwendig technisch kühlen. Die wesentliche Herausforderung war die richtige Balance zu finden hinsichtlich der Reduzierung von Kühl- und Heizwärmebedarf. Von Anfang an stand fest, dass wir überwiegend vor Ort verfügbare erneuerbare Energiequellen einsetzen. Im Sommer nutzen wir das Temperaturniveau des Grundwassers direkt zu Kühlzwecken und im Winter dient es als Wärmequelle der Heizwärmepumpe. Die Nutzbarkeit des Grundwassers hier am Standortist ein Unikum, das lässt sich nicht überall umsetzen. Zusätzlich stand die Nutzung der Sonnenenergie im Fokus. Der Einsatz von Solartechnologien am Gebäude ENERGYbase ist gut möglich, da es keine Verschattungseffekte durch Nachbargebäude gibt und die großflächige, gefaltete Glasfassade nach Süden ausgerichtet ist. Die Solarenergie und die Umweltwärme sind die erneuerbaren Energiequellen, die wir zur hautechnischen Grundversorgung des ENERGYbase nutzen. Faktisch wird Ökostrom vom öffentlichen Netz bezogen um das Gebäude zu betreiben. Eine geringe Eigenstromdeckung wird durch die Gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage in der Südfassade erreicht. Hr. Trageser: Geht es dabei um die Abdeckung von Lastspitzen oder wird kontinuierlich Strom von außen zugeführt? Hr. Selke: Generell wird das Gebäude über das öffentlich Strom versorgt. Die Photovoltaikanlage mit rund 400 m² Modulfläche liefert Strom vor Ort, der einerseits ins Stromnetz eingespeist wird und anderseits direkt im Bürogebäude verbraucht wird. Wir wissen, würde man die photovoltaische Fläche um den Faktor fünf erhöhen, würde über ein Jahr soviel Solarstrom vor Ort erzeugt werden wie der Gebäudebetrieb für Heizen, Kühlen, Zuluftaufbereitung und Grundbeleuchtung verbraucht wird. Hr. Trageser: 177 Welche Systeme haben Ihrer Meinung nach vom Wirkungsgrad das beste Kosten-/ Nutzenverhältnis? Hr. Selke: Eine sehr gute kosten- und energieeffiziente Lösung ist die Grundwassernutzung zur sommerlichen Gebäudekühlung. Der Energieaufwand resultiert aus dem Pumpenbetrieb, um das Wasser durch das Gebäude zu zirkulieren, das ist Lowtech und wenig Kostenintensiv. Bei Photovoltaik kommt man unter Berücksichtigung der Preisentwicklung seit 2008 bereits in interessante Kosten-/ Nutzenrechnungen. Die Modulpreise sind deutlich gefallen. Bei der solaren Klimatisierung, die hier eingebaut ist die Wirtschaftlichkeit schwer darstellbar. Durch den Einsatz der solaren Klimatisierung am Standort Wien konnte die technische Machbarkeit nachgewiesen werden. Der wirtschaftliche Einsatz stand nicht im Vordergrund. Hr. Trageser: Das ist die DEC-Anlage? Hr. Selke: Genau, wir klimatisieren im Sommer über die Nutzung von solarer Wärme in Verbindung mit der DesiccantEvaporativeCooling Technologie. Da war großes Forschungsinteresse unsererseits vorhanden, den praktischen Nachweis für diese Technologiekombination zu liefern. Die DEC -Technik weist insbesondere am Standort Wien große Energieeffizienz im Winterbetrieb auf. Diese begründet sich auf sehr hohe Wärme- und Feuchterückgewinnungsgrade. Das ist fantastisch für diesen Standort. Hr. Trageser: Bei fossilen Energieträgern wird man künftig mit einer Preissteigerung rechnen müssen, weshalb sich derartige Systeme auch schneller amortisieren werden. Wie ist die Akzeptanz solcher energieeffizienter Systeme bei den Nutzern? Erfordert der Einsatz 178 dieser Systeme ein geändertes Nutzerverhalten, da zum Beispiel aufgrund von geöffneten Fenstern im Sommer höhere Kühllastenentstehen? Wie sind diesbezüglich Ihre Erfahrungen auch bei anderen Projekten? Hr. Selke: Der thermische Komfort innerhalb des Gebäudes ist sehr hoch. Insbesondere im Sommer hat das Gebäude meiner Meinung nach ganz große Stärken. Die Frischluftversorgung erfolgt über einfachem Luftwechsel. Da wüsste ich jetzt nicht, dass jemand ganz bewusst aus Mangel an Frischluft die Fenster öffnet, wenn dann nur kurzfristig. Durch die Passivhausbauweise und die südorientierte, gefaltete Glasfassade ist das energetische Gebäudeverhalten in den Übergangsphasen charakteristisch. Im Frühling kommt es durch die deutlichen Tagesschwankungen der Umgebungslufttemperaturen und der bereits starker Solarstrahlung sehr schnell zu Überwärmungseffekten. Im April oder Mai entstehen schnell mal 26 bis 27 Grad Celsius in den Büroräume nahe der Glasfassade. Man müsste streng genommen bereits kühlen, aber durch manuelles Fensteröffnen lässt sich die kühlere Außentemperatur nutzen, um die Raumlufttemperatur der Büros wieder zu senken. Unserer Erfahrung nach, lässt sich das alles gut bewerkstelligen. Hr. Trageser: Wie wird vom Facility-Management auf diese Situation reagiert? Wird die Überwärmung durch gezielte Regelung der Haustechnik reduziert? Hr. Selke: Es können zum Beispiel die Fenster geöffnet werden, wenn so ein Fall eintritt, auch an der Südfassade. Die Öffnung kann sowohl automatisch als auch vom Nutzer selbstständig geregelt werden. Hr. Trageser: 179 Gibt es in diesem Gebäude einen konstanten Luftwechsel oder wird der Luftwechsel über CO2-Fühler geregelt? Hr. Selke: Die Frischluftversorgung erfolgt über einfachem Luftwechsel. Hr. Trageser: Welche baulichen Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am effektivsten, um den Eintrag solarer Strahlung zu vermeiden? Ist es nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz oder wie hier eine gefaltete Fassade, die sich bei senkrecht stehender Sonne selbst verschattet? Hr. Selke: Es ist nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz. Der eigentliche Konflikt liegt darin, dass man möglichst viel Tageslicht einfangen möchte, um ausreichende Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Deshalb gibt es im Bürobau große Verglasungsflächen. An der Nordfassade gibt es im Sommer nur ein paar Stunden, an denen direkte solare Strahlung auf die Nordfassade fällt. Der außenliegende Sonnenschutz ist für die Südfassade, West- und Ostfassade zwingend erforderlich. Der Konflikt besteht in der Steuerung des außenliegenden Sonnenschutzes, einerseits soll Überwärmung vermieden werden und andererseits soll gleichzeitig ausreichender Tageslichteintrag gewährleistet werden. Der worstcase ist, wenn bei vollem Sonnenlicht die Jalousien oder Raffstores komplett geschlossen werden, innen alles dunkel ist und dann die Beleuchtung eingeschaltet, obwohl draußen ausreichend Tageslicht vorhanden ist. Es gibt intelligente Lösungen mit perforierten Lamellen oder unterschiedlichen Segmenten, die den Eintrag direkter solarer Strahlung reduzieren, aber Tageslicht in den Raum lenken. Wichtig finde ich ganz persönlich, dass man bei geschlossener Jalousie, ob extern oder intern, beispielsweise durch eine Perforation immer noch visuellen Zugang nach außen hat. Das ist definitiv ein Komfortgewinn. 180 Hr. Trageser: Welchen Einfluss hat die diffuse Strahlung besonders auf der Nordfassade auf den Eintrag solarer Gewinne? Hr. Selke: Diffuse Strahlung hat wärmewirksame Effekte durch die Verglasung auf den innenliegenden Raum. Die Auswirkungen sind dabei abhängig vom Standort. Eine Nordfassade kann laut Aussagen von Kollegen energetisch positiv über das Jahr bilanziert sein. Das heißt die diffuse Strahlung wirkt als Wärmegewinn, als passive solare Gewinne. Das direkte Sonnenlicht erreicht die Nordfassade im Sommer nur in den frühen Morgenstunden und kurz vor Sonnenuntergang, die diffuse Strahlung bringt jedoch nicht zu vernachlässigende passive Wärmegewinne. Hr. Trageser: Wird bei den Projekten, die sie mitentwickeln, immer eine Standortanalyse und Simulation durchgeführt? Hr. Selke: Wenn es konkret um Solarenergie geht, schauen wir uns die Wetterdaten an. Es geht in einem ersten Schritt um die Ausrichtung des Gebäudes. Welche Verglasungsanteile sind an welchen Fassadenorientierungen vorgesehen. Da lassen sich überschlägig gewisse Aussagen treffen. Das energetische Gebäudeverhalten lässt sich über die dynamische Gebäudesimulation optimieren und es lassen sich Aussagen treffen, wo man Fensterflächen verkleinern oder vergrößern oder andere Fensterqualitäten einbauen müsste. Wir bewerten Gebäude aus wärmetechnischer Sicht, wir machen keine Tageslichtsimulationen. Im Bürobau ist der Kühlfall sehr interessant. Wir betrachten dann den Sommerfallgenauer, um eine Überwärmung zu vermeiden. Hr. Trageser: 181 In der Innenstadt in Wien gibt es einen großen Altbestand an Gebäuden, besonders aus der Gründerzeit, bei denen man in der Planung durch die Stuckatur an der Fassade oder Denkmalschutz teilweise eingeschränkt ist. Welche Konzepte bieten sich in diesem Fall an, um Kühllasten bei einer Büronutzung zu reduzieren? Hr. Selke: Für den Sommerfall muss man bei einer Büronutzung darauf achten, dass man durch die Belegung keine zu hohen internen Lasten erzeugt, wenn das in irgendeiner Form möglich ist. Dann ist der externe Sonnenschutz elementar und Nachlüftungskonzepte sind ein Beitrag zur Vermeidung der sommerlichen Überwärmung. Während der Wiener Sommer gibt es nächtliche Umgebungslufttemperaturen, die unter den Raumtemperaturen liegen und somit Kühlpotenzial vorhanden ist. Man müsste dann dafür sorgen, dass Fenster geöffnet oder eine Anlage vorgesehen wird, die dieses Nachlüftungspotential ausschöpft. Interessante Lösungen sind PCM - Elemente in Kombination mit Nachtlüftung. Phasenwechselmaterialien sind Latentwärmespeicher, die im Gebäude tagsüber Wärme aufnehmen und schmelzen. In der Regel sind es mikroverkapselte Paraffine, die in raumseitigen Gebäudeelementen eingearbeitet sind. Über Nacht muss diese eingelagerte latente Wärme wieder abgegeben werden, dies wird beispielsweise über Nachtlüftung mit hohen Luftwechselraten erreicht. So lassen sich Tagesspitzen der Raumlufttemperatur abfedern. Es geht nicht darum die gesamte Kühllast abzufangen. Hr. Trageser: Die PCM-Elemente sind quasi ein Ersatz für die Bauteilaktivierung? Hr. Selke: Wenn man den Schritt geht, dass man nicht aktiv kühlen möchte, dann ist externer Sonnenschutz wichtig genauso die Nutzung der thermischen Speichermassen des Bauwerks. Im Gründerzeitbau sind große thermische Speichermassen durch die massive Ziegelbauweise gegeben. Man hat damit schon mal sehr viel gewonnen. In städtischen 182 Ballungszentren liegt durch die Bildung von Wärmeinseln die Temperatur im Sommer einige Kelvin höher als am Stadtrand. Das heißt die Nachtlüftung wird an bestimmten Tagen und Wochen im Stadtzentrum mit aufgeheizten Gebäuden nicht funktionieren. In diesem Falle wird wohl ein einfaches Klimagerät aus dem Baumarkt herbeigeschafft. Ich glaube, das kann nicht ganz vermieden werden, die passiven Maßnahmen zur Reduzierung des Kühlenergiebedarfs im Bürobau sind prioritär anzugehen bevor aktiv gekühlt wird. Hr. Trageser: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Ausbau der Fernkälte? Man könnte dadurch auch Kühlenergie in die Innenstadt leiten, ist das ein Thema? Hr. Selke: Es ist richtig sich diesem Thema Nah- oder Fernkälte zu widmen, insbesondere wenn im Sommer Abwärme mehr oder weniger umsonst anfällt - beispielsweise bei der Müllverbrennung. Interessant sind aus technischer Sicht kleinere Nahkältenetze. Man muss sich die Wirtschaftlichkeit genau anschauen, weil in der Regel thermisch angetriebene Kältemaschinen viel teurer sind als die konventionelle Technologielösung. Kostenfreie Abwärme wirkt sich günstig auf die Wirtschaftlichkeit der thermischen Kältetechnik aus. Hr. Trageser: Gibt es aus Ihrer Erfahrung eine bestimmte Zielgruppe, die sich für den Einsatz regenerativer Energien besonders interessiert, wie zum Beispiel am Anfang schon angesprochen Bauträger? Hr. Selke: Wir haben die Erfahrung, dass bestimmte Firmen, die Baumaterialien oder -elemente für Gebäude herstellen gerne aufzeigen, dass mit ihren Produkten nachhaltig gebaut 183 wird. Das Interesse besteht in Bauprojekten, die von Forschungspartnern begleitet werden. Hier wird der Nachweis angestrebt, dass das Produkt ein wichtiger Bauteil für das energieoptimierte Bauen ist. Dazu bestehen mit dem AIT einige Partnerschaften. Es sind Handelsketten, die sich in ihren Lebensmittelfilialen und mit ihrer Firmenstrategie selber Klimaziele gesetzt haben und dann ihre energetischen Gebäudekonzepte der Filialen optimieren, da kommen wir als wissenschaftlicher Partner ins Spiel. Einige Wohnbaugesellschaften, die sogar ganze Stadtteile mitentwickeln, bauen vermehrt nachhaltig. Hr. Trageser: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Kommt diese Nachfrage nach Energieeinsparung aus einem Kostenbewusstsein heraus oder spielen hier Marketingeffekte eine größere Rolle? Hr. Selke: Ich sehe eine erhöhte Bereitschaft bei Häuslebauern in Gebäude mit erneuerbaren Energietechnologien zu investieren. Mit der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen im Eigenheim entkoppeln sich die Bürger mehr und mehr von den Preisschwankungen der klassischen Energieträger und die Energiekosten bleiben kalkulierbar. Durch den Einsatz dieser Technologien wird man in Zukunft und somit insbesondere im höheren Lebensalter vermutlich stabile und niedrige Energiekosten erwarten dürfen. Ich höre zunehmend das Argument, dass die Investition in erneuerbare Energietechnologien im Eigenheim eine Art finanzielle Altersversorgung darstellt. Rein wirtschaftlich betrachtet sind Investitionen in erneuerbare Energietechnologien im Eigenheim schwierig darstellbar ohne finanzielle Anreize wie Investitionskostenförderung, Einspeisetarife etc. Viele Ausgaben im Hausbau werden nicht rein wirtschaftlich getätigt, sondern es spielen andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise Emotionen durch Design, Materialien etc. Ich denke, das hat was mit einem Commitment zu tun und da sehe ich in Österreich ein starkes Bekenntnis zu erneuerbaren Energietechnologien und nachhaltigem Bauen. 184 Abschließend glaube ich sagen zu können, technologisch haben wir als Gesellschaft viele Möglichkeiten erneuerbare Energiequellen zur Versorgung von Gebäuden zu verwenden. Wir haben mittlerweile sehr viel Erfahrung im nachhaltigen Bauen und es gibt zahlreiche Projekte in Österreich mit sehr gutem Erfolg. Die Multiplizierbarkeit ist gegeben was den Neubau betrifft. Die große gesellschaftliche Herausforderung sehe ich im notwendigen Umbau von Bestandsgebäuden mit hoher Gesamtenergieeffizienz, der Umbau sollte leistbar sein. Hr. Trageser: Inwieweit spielen Förderprogramme bei der Umsetzung solcher Konzepte noch eine Rolle? Hr. Selke: Meiner Meinung nach müssen Förderprogramme langfristig aufgesetzt werden und die Förderungen sollten planbar bleiben. Es darf nicht ständige und überraschende Änderungen geben. Die Wirtschaft, Industrie und das ausführende Gewerbe können sich darauf einstellen, wenn Förderungen langfristig stabil und kalkulierbar sind. Andererseits sollten Förderungen mit Augenmaß vorgenommen werden, eine Überförderung bremst die Innovationskraft der Technologieentwicklung. Man sollte im Auge behalten, dass es Mitbewerber mit alternativen Technologien und Energieträgern gibt und der Umbau des gesamten Energiesystems in Richtung verstärkter Nutzung der erneuerbare Energiequellen muss wirtschaftlich sinnvoll, koordiniert und leistbar erfolgen. Das ist eine wesentliche Rahmenbedingung und wir versuchen mit unseren Forschungsergebnissen natürlich beizutragen, solche Transformationsprozesse mitzugestalten. Die Industrie ist ein wichtiger Partner für uns. Hr. Trageser: Das heißt, hier gibt es auch eine Zusammenarbeit mit der Industrie. Hr. Selke: Definitiv. 185 Hr. Trageser: Ich darf Ihnen noch abschließend eine letzte Frage stellen. Wie wird aus Ihrer Sicht ein Kühlkonzept bei künftigen Bürogebäuden aussehen? Welche Technologien werden sich durchsetzen? Hr. Selke: Ich glaube, man wird weiterhin bei den großen Verglasungsanteilen in der Fassade im Bürobau bleiben. Bei den Fassadensystemen und Fenstern gibt es mittlerweile zahlreiche Produkte am Markt, die ein geeignetes Preisleistungsverhältnis aufweisen. Der außenliegende Sonnenschutz ist sehr wichtig und elementar. Da sollte bei jedem Gebäudeprojekt neu nachgedacht werden, sonst wird man ambitionierte Energie- und Komfortziele nicht realisieren können. Ich erwarte, dass die Betonkernaktivierung, wie im ENERGYbase eingesetzt, Standard wird. Eine thermische Aktivierung über Betonelemente mit großen Flächen bietet eine hohe thermische Behaglichkeit und unterstützt den energieeffizienten Betrieb von Wärmeerzeugungsanlagen, zum Beispiel die Wärmepumpe. Eine Wärmepumpe lässt sich durch das niedrige Temperaturniveau zur Beheizung der Betonkernaktivierung Energieeffizient betreiben. Das ist ein ganz großer Vorteil. Ich denke, dass unsere zukünftigen Bürogebäude eine verbesserte thermische Behaglichkeit aufweisen werden, insgesamt wird der Innenraumkomfort steigen. Es wird zum vermehrten Einsatz von Photovoltaik im Bürobau der Zukunft kommen. Denn im Bürogebäude gibt es eine verbesserte Überdeckung von Stromverbrauchsprofilen im Sommer und dem Tagesgang der Solarstromlieferung durch Photovoltaik. Dabei gibt es interessante Lösungen, wie Photovoltaik intelligent und ästhetisch in die Gebäudehülle integriert werden kann. Ich glaube, dass die Solartechnik eine große Rolle spielen wird und es wird verbesserten Integrationslösungen kommen. Das Austrian Institute of Technology beforscht das Thema ‚Gebäude integrierte Photovoltaik‘. Aber ich gehe derzeit noch davon aus, dass auch Bürogebäude in der Zukunft noch aktiv gekühlt werden, auch in Österreich. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für das Gespräch. 186 9.5. Zusammenfassung Interview in aspern IQ Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Weiss/ Geschäftsführer aspern IQ und Projektentwickler in der Immobilienabteilung der Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien. Hr. Wiedemann/ Facility Management, Siemens Fragesteller: Hr. Trageser Datum: 13. Jänner 2014, 09:15 - 10:00 Uhr Ort: Technologiezentrum aspern IQ Freigabe: 07.02.2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Trageser: Im Gebäude aspern IQ wird zur Kühlung hauptsächlich eine Betonkernaktivierung verwendet. Die solare Eintragung wird durch den perforierten Sonnenschutz verhindert. Die Belichtung wird auf das Nutzerverhalten abgestimmt. Die Lüftung liefert permanent eine Mindestluftmenge und mit Steigerung des CO2 Wertes erfolgt eine gleitende Erhöhung der Luftmenge. Die Beleuchtungskörper werden auch über Sensoren geschaltet? Hr. Wiedemann: Ja. Nach Bewegung und nach Helligkeit. Es gibt Bewegungssensoren und Helligkeitssensoren, wobei die Leuchten lichtgeregelt sind. Die Leuchten regeln sich 187 nach der Umgebungshelligkeit selbst nach, um eine gewünschte Grundhelligkeit im Raum zu erreichen. Hr. Trageser: …die Steuerung erfolgt also nach einer gewünschten Lux-Zahl, um eine ausreichende Beleuchtung für die Arbeitsplätze zu gewährleisten. Zur Kühlung des Gebäudes wird Grundwasser verwendet. Gab es demnach eine vorhandene Grundwasserleitung auf dem Gelände? Hr. Weiss: Es wurden eigene Brunnen errichtet, ein Schluckbrunnen und ein Förderbrunnen. Über einen Wärmetauscher wird das Wasser im Gebäude zur Kühlung über die Bauteilaktivierung verteilt. Es gibt auch eine Rückkühlung, die ab einer gewissen Außentemperatur alternativ zugeschaltet wird. Hr. Wiedemann: Es ist so, wenn das Gebäude mit einer hohen Wärmedämmung versehen ist, kann es durchaus passieren, dass die internen Lasten so hoch sind, dass man auch in dieser Jahreszeit kühlen muss. Dafür gibt es als alternative Möglichkeit die Rückkühler am Dach, damit man dann den Brunnen nicht verwenden muss. Hr. Trageser: Die Kühlung der Rückkühler funktioniert dann ausschließlich über Außenluft oder werden die Rückkühler bei Lastspitzen zusätzlich mit einem Sprühnebel aus Grundwasser gekühlt? Hr. Wiedemann: 188 Es handelt sich um Rückkühler, die über Ventilatoren gekühlt werden ohne Befeuchtung. Hr. Trageser: Kennen Sie das Energiekonzept im ENERGYbase? Wenn ja, welche Erfahrungen wurden im ENERGYbase aus dem Betrieb gewonnen? Welche Technologien wurden in das Projekt aspern IQ übernommen? Hr. Wiedemann: Ja, ich kenne es ganz gut. Die Bauteilaktivierungsregelung wurde fast eins zu eins zu übernommen. Das Konzept der Lüftungsanlage wurde vom Aufbau mit Sorptionsregister, Sorptionsrotor, normale Rotoren und Befeuchtung in der Zu- und Abluft inklusive Wärme- und Feuchterückgewinnung ebenfalls fast eins zu eins übernommen. Im ENERGYbase wurde zum Beispiel festgestellt, dass in einem Gebäude, dass schon sehr energieeffizient ist, die Sicherheitsbeleuchtung bereits einen Großteil des Energieverbrauchs ausmacht. Das Konzept der Orientierungsleuchten wurde hier anders gelöst. Des Weiteren hat sich herauskristallisiert, dass man sich irgendetwas einfallen lassen muss mit den Energien von den Serverräumen. Hr. Weiss: …was eine interne Last ist. Die Abwärme aus den Serverräumen wird über eine Art interne Energieschiene der Bauteilaktivierung zur Beheizung zugeführt. Wir sind am evaluieren, ob dieses System kosteneffizient ist, in dem die aus der Abwärme gewonnene Energie den Investitionskosten gegenübergestellt werden. Hr. Trageser: Demnach gibt es eigene Zähler für dieses System? Hr. Wiedemann: 189 Ja, gibt es. Hr. Weiss: Der Hintergrund ist der, dass die Kleinwärmepumpen nicht billig sind. Die Frage ist jetzt, nachdem dieses System umgesetzt wurde, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist. Hr. Trageser: Gibt es einen zentralen Serverraum oder gibt es pro Büroabteil eigene Serverräume? Hr. Wiedemann: Pro Büroabteil, wobei die Bezeichnung Serverraum immer sehr hoch gestochen klingt. Es ist so, dass die Mieter einen Zentralcomputer in den Serverraum stellen. Das ist ein Einzelgerät, was noch keine Kühlung benötigt. Wenn es mehrere Geräte werden, kann man anfangen darüber nachzudenken, ob man den Raum kühlen muss. Ein zentraler Raum wäre natürlich eine Alternative. Hr. Weiss: Die Energieschiene hatten wir im ENERGYbase nicht. Im ENERGYbase hatten wir Solarthermie, die wir hier nicht haben. Hr. Trageser: Warum kam Solarthermie hier nicht zur Anwendung? Hr. Wiedemann: Weil das Gebäude zusätzlich an die Fernwärme angeschlossen ist, was mehr auf Wunsch des Notwendigkeit. 190 Energieversorgers erfolgte als auf einer gebäudetechnischen Hr. Trageser: Das heißt, mit der Fernwärme werden Lastspitzen abgedeckt, falls die derzeitige Versorgung nicht ausreichen würde? Hr. Wiedemann: Es ist zwar ein Passivgebäude, aber es gibt einen Unterschied zum Passivgebäude im Einfamilienhausbau. Hier sind andere Betriebszeiten. Die Leute gehen abends um 17.00 Uhr nach Hause und am Wochenende ist natürlich auch kein Betrieb. Die Belegungszeiten und interne Lastenzeiten unterscheiden sich dadurch vom Einfamilienhaus. Die Belegungsdichte ist ebenfalls sehr viel schwächer. Daher reichen hier die internen Lasten allein nicht aus. Hr. Weiss: Mittlerweile ist es sogar so, dass die Fernwärme gewerbliche energieeffiziente Neubauprojekte nicht mehr versorgt. Es gab diesbezüglich ein entsprechendes Schreiben. Nach meiner Interpretation sind diese Projekte energetisch dermaßen optimiert sind, dass das Geschäftsmodell nicht mehr aufgeht. Das ist eine spannende Entwicklung. Hr. Trageser: Interessant, das heißt bei allen Büroneubauten kann man davon ausgehen, dass diese energetisch auf einem so hohen Stand sind, dass man kaum noch oder nur geringe Energiezufuhr von außen braucht? Hr. Weiss: Wie gesagt, dass ist meine Interpretation. Nach dieser Aussendung rechnet es sich offenbar nicht, den Restwärmebedarf anzubieten, weil sie auf einem so niedrigen Niveau ist. 191 Hr. Trageser: Es rechnet sich also nicht mit den Investitionskosten der Fernwärme für die Errichtung und Wartung neuer Anschlüsse. Die Wärme, die dann verkauft werden könnte, wäre zu gering, dass sich das rechnet. Hr. Weiss: Wobei bei bereits erschlossenen Gebieten es unter Umständen anders aussieht. Da müsste man direkt mit der Fernwärme sprechen, was deren strategische und kalkulatorische Überlegung sind. Hr. Trageser: Neben der Fernwärme gibt es auch die Fernkälte. Nach meinen Recherchen werden beispielsweise die Trassen am Handelskai und zur Donauplatte weiter ausgebaut. War Fernkälte bei diesem Projekt ein Thema beziehungsweise gibt es überhaupt einen Anschluss nach Aspern? Hr. Wiedemann (10:43): Ich wüsste nicht, dass es eine Leitung in Aspern gibt. Selbst wenn, wäre es nicht mal ansatzweise eine Überlegung bei diesem Projekt gewesen. Die Kälteversorgung über den Brunnen ist derart günstig, dass es kaum eine vergleichbare Alternative dazu gibt. Hr. Trageser: Mit welchen Grundwassertemperaturen kann man rechnen? Hr. Wiedemann: In etwa 13 bis 14 Grad, was für die Bauteilaktivierung absolut ausreichend ist. 192 Hr. Weiss: Wir hatten im Sommer um die 40 Grad Außentemperatur gehabt, was kein Problem war. Aber man muss dazu sagen, dass als bauphysikalische Voraussetzung die Gebäudehülle entsprechend energetisch gedämmt sein muss, was wir mit dem Passivhausstandard realisiert haben, damit der Kühlbedarf auch entsprechend gering ist. Hr. Trageser: Werden in diesem Gebäude nachts die Fenster geöffnet, um eine Kühlung durch Querlüftung zur erzielen? Hr. Wiedemann: Kühlung über Fenster ist ein spannendes Thema. Es entsteht damit ein großer organisatorischer Aufwand, da man auf Zuglufterscheinungen achten muss und darauf, dass die Mieter keine Unterlagen auf den Tischen liegen lassen. Eventuell wäre die Anwendung bei flexiblen Arbeitsplatzkonzepten denkbar, bei denen jeder Mitarbeiter abends seinen Arbeitsplatz vollständig aufräumt. Wenn vom Mieter selbst diesbezüglich keine Regelung vorliegt, ist es von Seite des Vermieter schwierig, den Mieter anzuhalten, abends die Arbeitsplätze aufzuräumen. Eine reine Kühlung über die Lüftungsanlage würde zu viel Energieaufwand bedeuten im Vergleich zur Bauteilaktivierung. Hr. Trageser: Geht es bei diesem Energiekonzept auch darum, die Lüftungsanlage so wenig wie möglich zu belasten? Hr. Wiedemann: 193 Eine Lüftungsanlage kann sehr viel Energie verbrauchen, wenn man sie nicht bedarfsorientiert betreibt. Im konventionellen Betrieb wird auch viel Energie verbraucht. Hr. Trageser: Strom wird in diesem Projekt über Photovoltaikanlagen gewonnen, beispielsweise über Solarpaneele, die an der Fassade montiert sind. Hr. Wiedemann: …an der Fassade und an den Dächern, vor allem aber an der Südseite. Hr. Weiss: Es ist so, dass das Gebäudekonzept ausgehend vom Passivhausstandart energetisch sehr optimiert ist, beispielsweise über die Energierückgewinnung der Lüftung, über die bedarfsgesteuerte Regelung der Haustechnik und natürlich der Nutzung der Brunnenwasserkälte Restenergiebedarf zur wird Kühlung übers des Jahr Gebäudes. gerechnet Der noch primärenergetisch erforderliche über die Photovoltaikstromproduktion abgedeckt und zwar laut Planungsrechnungen etwas mehr als abgedeckt. Deswegen haben wir hier einen Plusenergiestandard. Hr. Trageser: Wird die überschüssige Energie ins öffentliche Stromnetz eingespeist und verkauft? Hr. Weiss: Genau. Der Strom wird an den Stromversorger verkauft. Das wurde aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe so umgesetzt. Es ist in Österreich nicht erlaubt als Privater, und das sind wir mit diesem Projekt, Strom zu verkaufen. Wir können ihn eigennutzen und zahlen dafür eine Elektrizitätsabgabe. Der Überschuss muss eingespeist werden. Er 194 kann auch nicht an die eigenen Mieter verkauft werden. Also der Strom wird hier primär für den Betrieb des Gebäudes konsumiert, ausgeklammert ist aber der Mieterstrombedarf, die haben einen eigenen Zähler. Das ist systematisch auch gar nicht anders machbar. Im Erdgeschoss gibt es zum Beispiel ein Forschungslabor mit einem sehr hohen Strombedarf. Würde man diesen Strombedarf in den Betriebsstrom des Gebäudes inkludieren, könnte man den Stromverbrauch für das Gebäude und der Mieter sehr schwer planen. Also prinzipiell wird der Strom für den Eigenbedarf verbraucht, der Überschuss wird abgegeben. Um den Strom verkaufen zu können, gibt es formal und planerisch einiges zu tun. Bei der MA 64 muss die Anlage als Ökostromanlage eingereicht und dann per Bescheid bestätigt werden. Danach sind die Voraussetzungen gegeben, dass man mit dem Energieversorger wirksam einen Einspeisevertrag vereinbaren kann. Hr. Wiedemann: Es ist ein ziemlich bürokratischer Aufwand. Hr. Weiss: Die ganzen ökologischen Mehrleistungen, die hier realisiert worden sind, erfordern planerisches Know-how und klare Vorgaben des Bauherrn in einem frühen Stadium, sonst plant man ewig und falsch. Des Weiteren ist eine genaue Checkliste erforderlich, welche Aufgaben im Vorfeld erledigt werden müssen, vor allem was die Genehmigungen betrifft und die rechtlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen. Hr. Trageser: Wie lange war der Planungsvorlauf, um diese energetischen Optimierungen durchzuführen? Hr. Weiss: 195 Mein Vorgänger hat das Projekt weitgehend realisiert. Der Planungsbeginn war Anfang 2009. Hr. Trageser: Wann war der Baubeginn? Hr. Weiss: Im Juli 2011 und Fertigstellung war im August 2012. Das ENERGYbase wurde auch von meinem Vorgänger betreut, was 2008 fertig war. Hr. Wiedemann: Das ENERGYbase hat von der Planung bis zur Fertigstellung länger gedauert als dieses Projekt. Das ENERGYbase war mehr ein Experiment. Da wusste man viele Dinge nur in der Theorie, aber nicht wie manche Systeme in der Praxis funktionieren. In diesem Projekt war es dann schon wesentlich leichter. Hr. Trageser: Man konnte demnach schon sehr auf die Erfahrungen im ENERGYbase zurück greifen. War hier das gleiche Planungsteam beteiligt wie im ENERGYbase oder hat man hier mit anderen Planern gearbeitet? Hr. Wiedemann: Nein. In diesem Projekt waren andere Planer beteiligt. Hr. Weiss: Aber es war der gleiche Projektentwickler dabei und das gleiche Facility Management mit Hrn. Wiedemann, der auch das ENERGYbase betreut. Hr. Wiedemann war auch bei 196 der Konzeption dieses Gebäudes beteiligt und hat damit seine Erfahrungen aus der Praxis einfließen lassen, was ein sehr wichtiger und wesentlicher Beitrag ist, wenn man so ein Gebäude errichtet. Hr. Trageser: Wie schätzen Sie die Baukosten im Vergleich zu konventionellen Bürogebäuden ein, bei denen diese energetischen Optimierungsmaßnahmen nicht realisiert werden? Hr. Weiss: Je Bauvorhaben rechnen wir mit 6 bis 8 Prozent Mehrkosten. Wenn das Bauvorhaben größer ist, reduziert sich der prozentuale Anteil. Die Tendenz für den Anteil der Mehrkosten ist fallend, weil die Nachfrage nach energieeffizienten Systemen steigt. Zum Beispiel haben wir für die Photovoltaikanlage etwa ein Drittel des Preises bezahlt, der beim ENERGYbase bezahlt wurde. Hr. Wiedemann: Im ENERGYbase wurden etwa 400m² Photovoltaikmodule verbaut, die seiner Zeit geringfügig mehr gekostet haben als die 1300 m² in diesem Gebäude. Man muss allerdings etwas aufpassen, wenn man über Mehrkosten bei einem Niedrig-, Passiv- oder Plusenergiegebäude spricht. Tendenziell werden heutzutage sehr viele energiesparende Dinge eingebaut. Viele energiesparende Dinge sollen in Summe viel Energie sparen, was erstmal nicht unbedingt stimmt, was sich aber auf den Preis des Gebäudes niederschlägt. Weniger ist oft mehr. Hr. Trageser: Lowtech statt Hightech? Geht es hier um die Wartungsanfälligkeit dieser Systeme? Hr. Wiedemann: 197 Grundsätzlich ja. Es geht vor allem darum, das die Systeme aufeinander abgestimmt werden müssen. Oft heben sich diese Systeme gegenseitig auf und teilweise führt es sogar zu Mehrverbräuchen. Also weniger ist oft mehr und bedeutet auch weniger Investitionskosten bei der Errichtung. Hr. Weiss: Aus ökonomischer Sicht kann man sagen, dass ein solches Projekt zu sinkenden Mehrkosten führt. Wenn man die energetischen Optimierungsmaßnahmen dann evaluiert, welche sinnvoll sind und dann bei einem Folgeprojekt nur die sinnvollen Dinge umsetzt, hat man noch einmal einen Kostenspareffekt in der Investition, aber unterm Strich hat man als Investor oder Bauherr nach wie vor das Thema zu lösen wie man mit den Mehrkosten umgeht. De facto ist es so, dass man in Wirklichkeit nur damit umgehen kann, wenn man das Gebäude selber nutzt, weil man nur dann von den geringeren Betriebskosten profitiert und damit auch die Mehrinvestitionen durch Amortisation infolge niedriger Betriebskosten bezahlt werden. Hr. Trageser: Werden Büroflächen in diesem Gebäude auch extern vermietet? Wenn ja, inwieweit hat das Passivhauskonzept Auswirkungen auf den Mietpreis, zum Beispiel höhere Grundmiete bei niedrigen Betriebskosten? Hr. Weiss: Ich würde sagen, dass der potentielle Mieter Miet- und Betriebskosten gesamt rechnet. Dadurch hat man ein Argument. Die Frage ist nur, ob es für den Mieter ausreicht, das Geld zurückzuverdienen, weil der Amortisationszeitraum wahrscheinlich länger ist als die Mietdauer des Mieters. Da müsste man ihm eigentlich etwas mehr bieten, um es amortisieren zu können. Man kann sagen, das Bewusstsein ist da, dass nachhaltige Gebäude besser sind. Es fehlt aber noch ein bisschen der letzte Wille dafür mehr Geld auszugeben. Tatsächlich ist es so, dass man nach wie vor mehr Geld dafür ausgebiet. Es ist so ähnlich wie mit 198 Bioprodukten. Jeder hätte sie gern, aber die Differenz zum konventionellen Produkt ist das, was man bereit ist auszugeben und wenn die Differenz zu groß ist, dann greift man zum konventionellen Produkt. In Wirklichkeit gibt es ganz klar den Wettbewerb zum konventionellen Produkt. Hr. Wiedemann: Man kriegt es über die Qualitätsschiene auch nicht wirklich rüber. Hr. Weiss: Nicht wirklich, nur wenn man Spitzenlagen hat, wo diese Mehrkosten nicht mehr ins Gewicht fallen. Aber es gibt auch schon innovative Ansätze, wo man über spezielle Vertragskonstruktionen, zum Beispiel garantierte Betriebskosten diesen finanziellen Mehrwert dem Mietinteressenten so schmackhaft macht, dass es dann wieder funktioniert, aber dann muss der Mieter schon genau hinschauen. Daher ist auch die Verwertung mit einer Mehrarbeit und Überzeugungsarbeit verbunden und letztlich geht es auch darum den Markt dafür zu sensibilisieren und das Bewusstsein zu schaffen, dass es ein besonderes Angebot gibt, das zunächst etwas mehr kostet, sich dann aber sehr schnell amortisiert. Hr. Trageser: Gibt es eine Zielgruppe, die sich besonders für nachhaltige Gebäude als Mietobjekt interessiert? Hr. Weiss: Würde ich schon sagen. Wir haben dieses Gebäude als Technologiezentrum positioniert mit der Zielsetzung, dass sich technologieaffine Unternehmen ansiedeln. Forschungsunternehmen, die schon aufgrund ihrer Tätigkeit an nachhaltigen Themen und an Gebäudetechnik Interesse haben. Für diese Unternehmen sind derartige Projekte spannend und ein absoluter Mehrwert. Es ist eine sehr dankbare Zielgruppe, die 199 versteht, was bei diesen Projekten realisiert wurde. Nur kann man nicht immer so eine Zielgruppe definieren. Hr. Trageser: Wie wirken sich die EU-Gebäuderichtlinie und Wiener Bauordnung, die nachhaltiges Bauen vorschreiben, aus Ihrer Sicht auf die derzeitigen Bautätigkeiten aus? Wie hoch ist die Bereitschaft zum Einsatz erneuerbarer Energien? Hr. Weiss: Meiner Meinung nach, will man nachhaltig bauen, kann es aber noch nicht, weil der Markt in der Form noch nicht da ist, wie man es dafür bräuchte. Deswegen ist der Ansatz richtig, dass man energetische Anforderungen an Gebäude bis zu einem gewissen Grad über Gesetze vorgibt, weil dann muss man sie auch einhalten. Damit wird dieser scheinbare Wettbewerbsnachteil von energetisch optimierten Gebäuden zu konventionellen Gebäuden ein bisschen nivelliert und das macht es leichter solche Projekte zu realisieren. Der Weg ist aber noch weit, damit kämpft eigentlich jeder, der Projekte entwickelt. Hr. Trageser: Welche Trends setzten sich hinsichtlich energieeffizienter Systeme bei der Entwicklung von Bürogebäuden Ihrer Meinung durch? Welche Systeme sind am kosteneffizientesten? Hr. Wiedemann: Die Bauteilaktivierung ist sicherlich ein interessantes System. Erstmal ist es relativ günstig von der Errichtung her. Mittlerweile ist es kein Problem, wenn man die Decke betoniert, die Rohre für den Wasserkreislauf gleich mitzuverlegen. Das lässt sich mittlerweile recht günstig und preiswert realisieren. Man hat den Vorteil, dass man durch den Entfall der Zwischendecke größere lichte Raumhöhen erzielen kann und 200 dabei das Gebäude nicht höher bauen muss. Man kann mit sehr geringen Vorlauftemperaturen operieren, was natürlich bei der Produktion der Kälte und der Wärme bessere Wirkungsgrade ergibt. Man kann zum Beispiel bei der Wärme mit Wärmepumpen arbeiten, weil da das Vorlauftemperaturniveau sehr niedrig ist. Man kann damit die Energierückgewinnung von Serverräumen realisieren. Von daher bietet sich die Bauteilaktivierung meiner Meinung schon für alles an. Sie hat auch zwei Nachteile. Man hat ein Problem mit der Akustik. In normalen Büros baut man die Zwischendecken nicht nur zum Verdecken der Installation ein, sondern auch aus akustischen Gründen. Akustisch muss man was tun, beispielsweise bei der Einrichtung oder bei den Wänden. Der zweite Nachteil ist, das die Bauteilaktivierung ein massenträges System ist. Man muss damit umgehen können. Hr. Trageser: Was bedeutet das? Hr. Wiedemann: Es nicht ganz einfach zum steuern und regeln. Es ist nicht so, dass man hergeht und sagt, da muss es jetzt wärmer werden und tut etwas dagegen, sondern man muss es rechtzeitig und im Vornhinein steuern. Hr. Trageser: Der Effekt kommt also verzögert im Raum an. Hr. Wiedemann: Wenn man mit den Temperaturen irgendwo wirklich daneben ist, kann man rechnen, dass man einen Tag braucht bis die gewünschte Raumtemperatur erreicht wird. Man glaubte, dass sich mit der Bauteilaktivierung gewisse Dinge von selbst regeln. Es schwebt dieser Geist des Selbstregeleffektes durch die Landschaft, dadurch werden manche Dinge falsch behandelt. Es regelt sich nicht von selbst, was sich in den letzten 201 Jahren bei dem Betrieb der Bauteilaktivierung herausgestellt hat. Man muss das System schon so einstellen, dass es sich selbst regeln kann. Hr. Trageser: Das heißt, es ist ein höherer Aufwand vom Facility-Management erforderlich oder ein größeres Know-how? Hr. Wiedemann: Etwas mehr Know-how ist sicherlich nicht verkehrt, vom Facility-Management her würde ich das nicht einmal sagen. Es ist in erster Linie eine Planungssache und man muss es richtig bauen. Dann funktioniert es eigentlich sehr gut. Hr. Trageser: Haben die Nutzer einen Einfluss auf die Raumregelung oder wird die Raumregelung ausschließlich zentral gesteuert? Hr. Wiedemann: Es wird zentral gesteuert. Die Nutzer haben also keine Raumregelungen, wobei sich herausgestellt hat, dass wenn die Regelung vernünftig eingestellt ist, die Nutzer eigentlich keinen Bedarf haben irgendetwas einzustellen. Diese Frage stellt sich dann nicht mehr. Hr. Weiss: Am Anfang sind die Nutzer in der Regel sehr ungläubig, wenn sie das hören. Es gibt offenbar ein menschliches Bedürfnis die Dinge unter Kontrolle zu behalten. Wenn es nichts zum drehen gibt, gibt es nichts zum kontrollieren. Aber es ist dann einfach überzeugend, weil es funktioniert. Beim ENERGYbase werden diesbezüglich kontinuierlich Untersuchungen gemacht und zuletzt haben wir im Rahmen eines 202 Forschungsprojekts die Ergebnisse aus Nutzerbefragungen von verschiedenen Gebäuden präsentiert bekommen unter anderem vom ENERGYbase und das Ergebnis war eine außergewöhnlich hohe Zufriedenheit mit der haustechnischen Versorgung. Und interessanterweise gab es eine sehr starke Korrelation dazu, dass die wahrgenommene Zufriedenheit in der Haustechnik noch größer war, wenn man auch mit dem Facility-Management zufrieden war. Das heißt, dass beide Faktoren für die Wahrnehmung einer funktionsfähigen und guten Haustechnik ganz weit oben stehen. Hr. Trageser: Aus psychologischen Gründen wollen Nutzer oft die Fenster öffnen, um zum Beispiel bei schönem Wetter, die Außentemperatur in das Gebäude zu lassen. Dieses Verhalten kann manchmal einen nachteiligen Effekt auf das Raumklima haben, beispielsweise Überhitzung oder Wärmeverluste. Kann man in diesem Gebäude die Fenster öffnen? Wie wird das Thema im ENERGYbase gehandhabt? Hr. Wiedemann: Die Fenster sind in diesem Gebäude öffenbar. Grundsätzlich kann man bei diesem Thema auf den gesunden Menschenverstand bauen. Wenn man bei extremen Außentemperaturen wie plus 40 Grad das Fenster öffnet, wird es im Raum warm und bei minus zehn Grad wird es entsprechend kalt. Da die Bauteilaktivierung ein träges System ist, dauert es etwas länger bis wieder eine angenehme Raumtemperatur erreicht wird. Darüber werden die Nutzer informiert. Wenn die Außentemperatur dem entspricht, was man im Raum haben möchte, besteht also kein Grund die Fenster zu öffnen, gleiches gilt auch für das Lüften in der Früh. Wenn man im Winter über Nacht vergisst, das Fenster zuzumachen, dann ist es natürlich am nächsten Tag kalt. Aber das hat keinen tragischen Einfluss auf das Gebäude. Es ist dann nur in dem jeweiligen Mietbereich zu kalt. Also derjenige, der es vergisst, hat auch die Nachteile. Hr. Trageser: Da setzt man dann also auf einen Lerneffekt. 203 Hr. Weiss: Ein Punkt ist noch erwähnenswert, nämlich dass die Maximierung der Gebäudeeffizienz nicht das vorrangige Ziel bei der Konzeption und Umsetzung solcher Projekte ist, sondern vielmehr die Maximierung des Nutzerkomforts, was auch in einer EURichtlinie geregelt ist. Das darf man nur nicht aus dem Blick verlieren. Bei manchen Gebäudeprojekten ist es möglicherweise oft so, dass diese Ziele inkongruent sind. Es geht prinzipiell darum, dass sich die Leute wohl fühlen und als angenehmer Nebeneffekt wird eine hohe Gebäudeeffizienz mit erzielt. Das kann man alles durchdenken, der isotherme Luftwechsel, die Bauteilaktivierung mit der angenehmen Strahlungsenergie, die bedarfsgerechte Steuerung der Beleuchtung und ergänzend die automatische Steuerung der Sonnenschutzanlage. Alles ist übersteuerbar bis auf die Lüftung. Das ist im Ergebnis sehr nutzerfreundlich und ein Punkt, den wir hier konsequent als Manager auch umgesetzt haben, ist die ökologische Bauweise. Wir haben hier nahezu vollständig schadstofffrei errichtet. Dazu gab es auch sehr früh eine Bauherrnentscheidung und ein Konzept wie das umzusetzen ist. Erstens wurde die Vorgabe Bestandteil im Leistungsverzeichnis der ausführenden Firmen. Begleitend wurde eine Qualitätssicherung, ein sogenanntes Produktmanagement, mit dem bauphysikalischen Institut durchgeführt, bei der jedes Material vor der Verbauung freizugeben war. Als zusätzliche Qualitätssicherung und auch als Marketingtool wurde das Gebäude nach Total-Quality-Management-Standard nach ÖGNB zertifiziert, bei der wir 974 von 1000 möglichen Punkten erzielt haben. Das zeigt schon, dass das Gesamtqualitätslevel sehr hoch ist, was auch eines der Ziele der Wirtschaftsagentur war. Es sollte nicht nur das Minimum, das für jedes Bauwerk in der Seestadt vorgegeben ist, und das sind immerhin 750 Punkte, erreicht werden, sondern man hat hier versucht technologisch das bestmögliche und das wirtschaftlich sinnvolle umzusetzen. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass wir das Gebäude als Demogebäude im Rahmen eines Forschungsprojekts konzipiert und damit auch eine EU-Förderung lukriert haben. So haben wir übrigens auch unser Kostendilemma gelöst, da wir als Bauherr die Mehrkosten nicht zurück verdienen würden, nachdem wir die Immobilie nicht selbst nutzen. Durch die Förderung können und müssen wir die Kostenersparnisse aus den 204 energetischen Optimierungsmaßnahmen an unsere Mieter weitergeben, weil das die Vorgabe aus der EU-Förderung ist. Hr. Trageser: Die EU-Förderprogramme sind also nach wie vor ein Anreizsystem, um nachhaltig zu bauen? Hr. Weiss: Ja, auf jeden Fall. Ich bin gespannt, ob das so bleiben wird. Wenn man jetzt über die gesetzlichen Vorgaben die Standards sukzessive erhöht, dann braucht man sie nicht mehr fördern. Wenn dieses Dilemma gelöst wird, wie man die Mehrkosten zurückverdient, braucht man die Förderung auch nicht mehr unbedingt. Aber ich glaube momentan ist es wichtig, dass es solche Leuchtturmprojekt gibt und die gibt es teilweise wirklich nur, weil es gefördert wird und davon profitieren wir alle, wenn man bedenkt, dass der Weltenergieverbrauch zu 40 Prozent auf Gebäude entfällt und wenn man dann ein Plusenergiegebäude realisiert, zeigt man, welche Hebel in einem energieeffizienten Gebäude liegen. Hr. Trageser: Noch eine Frage. Wie sieht aus Ihrer Sicht das Kühlkonzept bei künftigen Bürogebäuden aus, auch aus den Erfahrungen, die sie aus den beiden Projekten ENERGYbase und aspern IQ gewonnen haben? Hr. Wiedemann: Also ich würde das Bauteilaktivierungskühl- und -heizkonzept wieder weiterverwenden. Für mich ist das System relativ unproblematisch. Das Kosten-/ Nutzenverhältnis wie auch das Behaglichkeitsgefühl und der Komfortfaktor bis auf die Akustik sind absolut genial. Es gibt keinen Grund das nicht zu machen. Wie gesagt, man muss halt gewisse 205 Voraussetzungen erfüllen. Bauteilaktivierung mit mäßiger Gebäudehülle wird dann schon nicht mehr funktionieren. Hr. Weiss: Es ist wahrscheinlich auch so, dass man nicht überall die Möglichkeit hat, mit Grundwasser zu kühlen. Also ist es wahrscheinlich aus dem heraus auch sinnvoll, sich mit alternativen Konzepten parallel zu beschäftigen. Hr. Wiedemann: Die Bauteilaktivierung ist unabhängig vom Grundwasser auch bei Verwendung eines konventionellen Kühlsystems effizienter. Hr. Weiss: Also man muss zwischen Energiequelle und Verteilungssystem trennen. Hr. Trageser: Durch die Bauteilaktivierung entfällt die Zwischendecke. Damit müssen sämtliche Einlegearbeiten für Elektro- oder Lüftungsauslässe, sofern sie nicht aus der Wand kommen, im Vorhinein geplant werden und sind danach fixiert. Wie ist einerseits der Planungsaufwand und wie reagieren andererseits die Nutzer auf diese eingeschränkte Flexibilität, da sonst Installationen nach Bedarf in der abgehängten Decke verlegt werden können? Hr. Wiedemann: Installationen werden hier über den Zwischenboden geführt. Die Belüftung erfolgt bei den Fenster über den Zwischenboden. Die Lüftungsauslässe befinden sich bei den Parapeten. Es gibt eine zentrale Absaugstelle. Das ist der einzige Bereich, in dem ein 206 Stückchen Decke abgehängt ist, ca. 2,5m². Im WC gibt es sowieso eine abgehängte Decke. Hr. Weiss: Sie haben die Flexibilität auch aufgrund der Konzeption der Bürofläche, die jede mögliche Nutzung innerhalb der Bürogrenzen ermöglicht. Eine flexible Installationsführung ist über den Doppelboden möglich und die Bürokonfiguration ist daher frei wählbar. Man ist nur in der Gestaltung der Deckenbeleuchtung eingeschränkt. Das Beleuchtungskonzept sieht hier Stehleuchten vor, die nach oben und nach unten beleuchten. Das ist dann letztlich eine Geschmacksfrage, ob man das will. Aber das haben wir als eines der wenigen Punkte konzeptionell vorgegeben. Hr. Wiedemann: Was man noch machen muss, ist aber eigentlich eine absolute Standardsache, ist ein gewisses Rastermaß an Auslässen in der Decke für die Brandmeldeanlage vorzusehen. Bis zu einem gewissen Grad gibt es, glaube ich, auch Leerverrohrungen an exponierten Positionen, die bis zu den WC´s geführt wurden, von wo gegebenenfalls nachinstalliert werden kann. Das Rastermaß von der Brandmeldeanlage ist ein Muss. Das ist eigentlich das, was man vorsehen muss, mehr ist es nicht. Hr. Trageser: Beziehen Sie sich bei der Regelung der Raumtemperatur auf eine Raumtemperaturgröße oder auf die Außentemperatur? Hr. Wiedemann: Beides. Die Außentemperatur macht uns eine Vorgabe. Dann gibt es noch eine Raumtemperatur die diese Vorgabe beeinflusst. Da kommt dann ein Sollwert heraus und der Unterschied bei einer Bauteilaktivierung ist der, dass sich der Sollwert auf eine Deckentemperatur bezieht. Also in der Regelung kommt tatsächlich heraus, dass die 207 Decke zum Beispiel 23,5 Grad haben soll. Es sind dafür Fühler in der Decke eingelegt. Die Raumtemperatur ist dann im Heizfall etwas niedriger, im Kühlfall etwas höher. Dann gibt es für jeden Mietbereich ein eigenes Absperrventil. Sollte in einem Mieterbereich zum Beispiel im Heizfall die Deckentemperatur zu niedrig sein, wird das Ventil geöffnet und es strömt solange warmes Wasser durch die Decke hindurch bis die Deckensolltemperatur erreicht wird. Dann schaltet es wieder ab. Also wir kontrollieren hier echte Deckentemperaturen und dadurch ergibt sich auch ein Selbstregeleffekt. Hr. Trageser: Inwieweit wird die Raumtemperatur in Bezug zur Außentemperatur gesetzt? Hr. Wiedemann: Einen außentemperatur- und raumtemperaturgeführten Soll-Wert gibt es hier nicht. Ich persönlich halte einen solchen Wert auch nicht für sinnvoll. Es ist so, dass hier eine vernünftige Raumtemperatur herrscht, bei der die Leute ganz gut leben und arbeiten können. Bei heißen Außentemperaturen ist die Differenz zur Raumtemperatur sicher sehr groß. Bei einer Außentemperatur von plus 40 Grad wird die Differenz wahrscheinlich in einem Bereich von 15 Kelvin liegen, aber man kann drinnen noch arbeiten. Hr. Trageser: In welchem Grenzbereich verläuft die Raumtemperatur im Vergleich von Sommer zu Winter? Hr. Wiedemann: Rein von der gefühlten Temperatur her ziemlich gleich. Im Sommer ist die gefühlte Temperatur vielleicht etwas wärmer. Die reine Lufttemperatur liegt im Winter bei circa 21-22 Grad. Im Sommer kommt es auf die Ausrichtung der Fassade an, die Lufttemperatur kann da durchaus bis auf 25 Grad ansteigen. 208 Der große Unterschied zu einem konventionellen Gebäude ist der, dass wir hier mit der Lüftungsanlage die Luftfeuchtigkeit kontrollieren. Das wird in dieser speziellen Art mit vernachlässigbarem Energieaufwand nirgends gemacht. Im Winter haben wir um die 45 Prozent Luftfeuchtigkeit und im Sommer liegt die Luftfeuchtigkeit bei maximal 60 Prozent und das macht vom Komfort her einen großen Unterschied. Hr. Trageser: Sind bei Ihnen derzeit noch weitere Projekte mit einem ähnlichen Standard in Planung? Hr. Weiss: Ja, wir haben weitere Projekte in Planung. Der Standard wird sich von Projekt zu Projekt zeigen. Die Wirtschaftsagentur hat mit dem ENERGYbase einen Weg eingeschlagen, bei dem es in Richtung nachhaltige Immobilienentwicklung geht, mit dem wir auch zeigen wollen, was man realisieren kann und was sinnvoll ist. Wir lassen auch alle, die sich für diese Themen interessieren an unseren Erfahrungen teilhaben. Aber wie gesagt, welcher Standard sich letztendlich realisieren lässt, hängt von Projekt zu Projekt ab und es wird sicher nicht immer möglich sein, Gebäude in dieser Qualität zu errichten. Aber grundsätzlich ist es der Wirtschaftsagentur ein Anliegen, dass der hohe Anspruch bei den Bauprojekten bleibt. Wir haben da zum Beispiel ein Baufeld, auf dem neben dem aspern IQ noch weitere Gebäudeteile geplant sind. Das Ganze zusammen wird dann das Technologiezentrum sein, wo sich technologieaffine Unternehmen ansiedeln, vernetzen und auch wachsen können. Mit uns werden dann zusätzliche Flächen entstehen. Das ist die Idee des Technologiezentrums. Aber wir haben auch andere Baufelder, wo wir je nach Bedarf auch andere Gewerbeimmobilien errichten. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für das Gespräch. 209 9.6. Zusammenfassung Interview mit Hrn. Steininger Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Hr. Christian Steininger/ Vasko & Partner Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 24. Jänner 2014, 18:00 - 18:45 Uhr Ort: Café Standard, Margaretenstr.63, 1050 Wien Freigabe: 06. März 2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Trageser: Welche Systeme sind nach Ihrer Erfahrung zur Kühlung von Bürogebäuden am sinnvollsten und wirtschaftlichsten? Welche Systeme sind zukunftsfähig? Hr. Steininger: Was sich meiner Meinung nach in Bürogebäuden immer mehr durchsetzen wird, ist die Bauteilaktivierung. Das ist sicherlich ein gutes System auch im Hinblick auf den Verbrauch. Man muss allerdings auf die Raumakustik achten und man kann auch nicht im Gegensatz zu Fan Coils die Raumtemperatur schnell anpassen, weil das System etwas träger reagiert. Darauf müssen sich die Nutzer einstellen. Durch die Bauteilaktivierung wird ein Altbau simuliert, also ein schwerer Körper, der in der Früh kühl ist, über den Tag wärmer wird und in der Nacht die aufgenommene Wärme wieder abgibt. Man kann sich dabei keine fixierte Temperatur wünschen. Hr. Trageser: 210 Wie lange dauert die Einregelungsphase bei diesem System und wie ist die Akzeptanz auf der Nutzerseite? Hr. Steininger: Wir hatten letztes Jahr im Raiffeisengebäude den ersten Sommer bei laufendem Betrieb gehabt, der auch sehr heiß war und es gab eigentlich nur positive Aussagen. Hr. Trageser: Es gibt bei diesem Gebäude auch große Glasflächen, die wahrscheinlich auch hinterlüftet sind? Hr. Steininger: Es handelt sich hier um eine Doppelfassade, die hinterlüftet ist. Allerdings täuscht die Glasfassade etwas, da massive Parapete vorhanden sind. Jedes zweite Fenster ist öffenbar beziehungsweise kippbar und im Fassadenzwischenraum ist ein Sonnenschutz angebracht. Hr. Trageser: Gibt es im Parapetbereich Lüftungsauslässe, über die man zusätzlich kühle Luft einbläst oder funktioniert die Kühlung rein über die Bauteilaktivierung? Hr. Steininger: Grundsätzlich rein über die Bauteilaktivierung. Es gibt aber eine kontrollierte Lüftung mit einem moderaten etwa 1,5 fachen Luftwechsel, was völlig ausreicht und auch nur einen geringen Anteil an der Kühlung ausmacht. Die Fenster sind wie gesagt kippbar, was aber relativ wenig angewendet wird. Hr. Trageser: 211 Wird in diesem Gebäude rein über Wasser gekühlt oder gibt es noch andere Medien? Hr. Steininger: Die Energieabgabe erfolgt rein über Wasser. Die Energieerzeugung funktioniert auf verschiedene Weise. Das Herzstück ist dabei ein Blockheizkraftwerk, was mit Biogas angetrieben wird und eine zertifizierte Ökostromanlage ist. Es gibt einerseits Kompressionskältemaschinen, die die Kühlenergie zur Abdeckung von Lastspitzen erzeugen und andererseits Kältemaschinen, die über Absorber mit der Abwärme der Kompressionskältemaschinen angetrieben werden. Das Wasser aus dem Donaukanal wird zur Kühlung in der Übergangszeit genutzt und zur Rückkühlung der Kältemaschinen in den heißen Perioden. Die Kompressionskältemaschinen sind eigentlich Heiz-/Kältemaschinen, die zwischen dem Heizwasser- und Kaltwasserverteilerkreis hängen. Im Raiffeisenhaus sind ölfreie, magnetgelagerte Turboverdichter eingesetzt. Über den Kaltwasserverteilerkreis wird auch das Rechenzentrum der Raiffeisenbank versorgt, was sich auch in dem Gebäude befindet und ganzjährig gekühlt werden muss. Hr. Trageser: Die EU-Gebäuderichtlinie 2020 und Bauordnung schreiben künftig die Verwendung von effizienten nachhaltigen Systemen vor. Wie hoch ist die Bereitschaft auf der Auftraggeberseite diese Systeme bereits jetzt zu verwenden, auch bei anderen Projekten? Hr. Steininger: Im Raiffeisengebäude wurden diese Anforderungen bereits erfüllt. In anderen Projekten versucht man Fernwärme als alternatives System zu verwenden. Steht keine Fernwärme zur Verfügung wird man den Energiemix aus anderen Systemen zusammenstellen, wie zum Beispiel Wärmepumpen, Gas oder Solartechnologie. Die Systemwahl hängt dabei natürlich von den Randbedingungen ab. Grundsätzlich werden Auftraggeber in der 212 Regel aus Kostengründen nur die Anforderungen nach Bauordnung erfüllen, wobei man sagen muss, dass diese Standards in Österreich bereits sehr hoch sind. Im Falle der Raiffeisenbank, die als erstes Passivhochhaus realisiert wurde, war das etwas anderes. Die Bauherren wollten mit diesem Projekt etwas besonderes machen. Meiner Erfahrung nach sind das aber einzelne Projekte, die überwiegend von Firmen beauftragt werden, die das Gebäude selbst nutzen und höhere Standards aufgrund ihrer Firmenphilosophie oder aus Marketinggründen umsetzen möchten Es gibt auch private Bauherrn, die diese hohen Standards in ihren Wohnhäusern möchten. Bei gewerblichen Projekten wird auch oft über eine Effizienzsteigerung im Energieverbrauch nachgedacht, um beispielsweise Betriebskosten einzusparen. Dabei geht es aber mehr um die Effizienz als um den Einsatz regenerativer Energien. Hr. Trageser: Wie lange dauert es bis sich die Investitionen in nachhaltige Systeme amortisiert haben? Hr. Steininger: Für das Raiffeisenhaus wurden etwa 12 Jahre plus minus zwei Jahre ausgerechnet, was natürlich auch stark von den zukünftigen Preisentwicklungen von Gas oder Biogas abhängt. Biogas ist in sofern problematisch, weil es sehr teuer ist, etwa doppelt so teuer wie normales Gas. Hr. Trageser: Inwieweit ist aus Ihrer Sicht der Einsatz von Fernkälte zur Kühlung in Gebäuden ein Thema? Hr. Steininger: Ein vergleichbares zentrales Versorgungsnetz wie bei der Fernwärme wird es wohl nicht geben. Es ist auch die Frage, ob das sinnvoll ist, da große Energiemengen abgenommen werden müssen bis sich der Ausbau eines solchen Netzes rechnet. Die 213 Versorgung wird eher über dezentrale Einheiten wie TownTown oder in der Zelinkagasse erfolgen, bei denen einzelne Gebäudekomplexe mit Fernkälte versorgt werden. Es geht dabei eher um Großabnehmer, die eine bestimmte Energiemenge verbrauchen. Von daher ist auch die Frage wie konkurrenzfähig dieses System ist. Bei der Raiffeisenbank war der Donaukanal vor Ort schon sehr praktisch, da man das Donauwasser zur Gebäudekühlung nutzen konnte. Hr. Trageser: Gab es bei der Nutzung des Donaukanalwassers bestimmte Behördenauflagen, wie beispielsweise gewisse Rücklauftemperaturen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn das Wasser wieder in den Kanal eingespeist wird. Hr. Steininger: Es gibt eine Beschränkung der Rücklauftemperatur, die bei einem Delta von 5 Grad zur Wassertemperaturim Donaukanal liegt. Also das Wasser, das wieder in den Donaukanal eingeleitet wird, darf maximal 5 Grad wärmer sein als die Wassertemperatur im Donaukanal. Das bedeutet natürlich über das Jahr gesehen eine Orientierung der Rücklauftemperaturen an der aktuellen Wassertemperatur im Donaukanal. Hr. Trageser: Bei großen Glasflächen hat man immer das Problem, das Eindringen solarer Strahlung in das Gebäude zu verhindern. Welche Sonnenschutzsysteme sind Ihrer Meinung nach am effektivsten? Ist es nach wie vor der außenliegende Sonnenschutz? Hr. Steininger: Ja definitiv und das haben wir bei dem Raiffeisengebäude mit einem außenliegenden Sonnenschutz im Fassadenzwischenraum, der auch belüftet ist, realisiert. Da gab es bis jetzt keine Probleme. 214 Hr. Trageser: Durch einen geschlossenen Sonnenschutz dringt zwar keine Solarstrahlung ins Gebäude, aber es wird auch dunkel, so dass man oft künstliches Licht einschalten muss, um eine ausreichende Belichtung am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Wie wurde mit diesem Thema bei dem Raiffeisengebäude umgegangen? Hr. Steininger: Dieses Problem lässt sich oft nicht vermeiden. Beim Raiffeisengebäude ist der Sonnenschutz perforiert und daher fällt noch etwas Tageslicht in das Gebäude. Die Jalousien fahren bei einem gewissen Sonnenstand automatisch herunter, wobei die Nutzer diese Automatik auch übersteuern können. Die Beleuchtung ist auf eine Arbeitsplatzbeleuchtung von etwa 400 Lux eingestellt, 500 Lux ist die Norm, wir sind da, glaube ich, etwas geringer. Wenn die Jalousien nach unten fahren, wird das Licht rauf gedimmt und natürlich umgekehrt. Hr. Trageser: Da nimmt man also den Stromverbrauch durch eine Beleuchtung untertags in Kauf. Gibt es alternative Systeme zur Stromgewinnung in diesem Gebäude? Hr. Steininger: Das muss man in Kauf nehmen, wobei in diesem Gebäude 60 Prozent des Gesamtstroms über das Blockheizkraftwerk erzeugt werden. Das beinhaltet auch den Nutzerverbrauch. Die Photovoltaikanlage am Dach hat eine Nennleistung von 60 Kilowatt Peak, aufgrund der begrenzten Dachfläche kann auch nicht mehr erreicht werden. Hr. Trageser: 215 Bei einem Neubau lassen sich diese nachhaltigen Konzepte leichter realisieren. Welche Systeme bieten sich im Altbestand an, auch bei der teils historischen Bebauung in Wien? Hr. Steininger: Da geht es erstmal darum, den notwendigen Bedarf zu minimieren. Das kann man beispielsweise durch energiesparende Geräte und ein entsprechendes Nutzerverhalten erreichen. Dann ist das Thema Lüftung im Altbau immer ein Knackpunkt. Wenn man eine Lüftung vorsieht, muss sie sauber ausgelegt werden, weil durch die Lüftung am meisten elektrische Energie verbraucht wird. Das heißt, die Lüftungsanlage muss so effizient wie möglich gestaltet werden mit möglichst kurzen Laufzeiten. Bei der eigenen Stromerzeugung ist man im Altbau auch eher begrenzt. Bei gewerblichen Gebäuden egal ob neu oder alt ist nicht mehr die Wärmeerzeugung das Thema, sondern die Stromerzeugung, was im Raiffeisengebäude durch das Blockheizkraftwerk gelöst wurde. Man kann zwar Ökostrom zukaufen oder Solarpaneele installieren, aber eine 100 prozentige Abdeckung wird nicht möglich sein. Es sei denn, man sieht neben Solaranlagen ein Blockheizkraftwerk auf Gasmotorbasis oder Mikroturbinen vor, wobei man dabei in eine andere Liga kommt, was die Technologie betrifft. Dann braucht man ein entsprechendes Facility-Management, was bei größeren Gebäuden sowieso vorhanden ist. Bei kleineren Gebäuden wie auch in der Altstruktur ist das natürlich schwierig. Hr. Trageser: Wie hoch ist der Planungsaufwand für den Einsatz energieeffizienter Systeme wie die Bauteilaktivierung im Vergleich zu konventionellen Gebäuden? Hr. Steininger: Man benötigt bei diesen Systemen auf jeden Fall eine ausreichende Fläche und Platz. Je kleiner und kompakter man baut, auch bezogen auf die Leitungsquerschnitte, desto ineffizienter wird das System. Dabei ist auch wichtig, dass man einen Auftraggeber hat, 216 der dieses Level gegenüber den ausführenden Firmen auch durchsetzt, die in aller Regel erstmal anfangen das geplante System zu optimieren. Hr. Trageser: Welche Systeme außer der Bauteilaktivierung haben noch ein hohes Potential bei der Kühlung von Bürogebäuden? Hr. Steininger: Wie auch am Anfang schon gesagt ist die Bauteilaktivierung ein träges System und die Raumtemperaturen lassen sich nicht schnell regeln. Ich bin der Meinung, wenn man Fancoils vernünftig einsetzt und dabei moderne Geräte nimmt, die ein gutes Strömungsbild haben, um Zugerscheinungen zu vermeiden, sind diese mittlerweile auch nicht so schlecht. Diese Geräte haben eher historisch bedingt ein schlechtes Image, aber grundsätzlich halte ich dieses System für nicht so schlecht. Ansonsten bleibt nicht mehr viel übrig. Es gibt einerseits die statischen Systeme wie Kühlbalken, Kühldecken und Bauteilaktivierung und andererseits die Fancoilschiene. Eine reine Kühlung über die Lüftungsanlage findet praktisch nicht mehr statt. Das wurde noch vor den 1980er Jahren gemacht. Hr. Trageser: Welche Trends zeichnen sich bei den Kühlsystemen ab? Welche Systeme werden sich künftig durchsetzen? Hr. Steininger: Ich glaube, dass sich Flächenheizungen und -kühlungen und damit auch die Bauteilaktivierung künftig sicher sehr stark durchsetzen werden, weil sie den Vorteil haben, dass sie im Winter relativ niedrige Vorlauftemperaturen haben beziehungsweise hohe Vorlauftemperaturen im Sommer vertragen. Der Regelungsaufwand ist sehr gering, weil man nicht einfach alles einstellen kann, was man will. Es werden aber auch 217 die ganz normalen Fancoils nicht aussterben, weil sie einfach schnell reagieren, was von manchen Nutzern gewünscht wird. Hr. Trageser: Ist bei Verwendung der Bauteilaktivierung noch ein additives Element notwendig oder kann man den Kühlbedarf vollständig über die Bauteilaktivierung abdecken? Hr. Steininger: Nicht zwingend. Additive Elemente sind nur dann erforderlich, wenn exakte Grenzen eingehalten werden sollen oder viele Personen auf einem engen Raum zusammen kommen, wie zum Beispiel in einem Besprechungszimmer. Im Raiffeisengebäude gibt es nur in wenigen Fällen Zusatzelemente, wie zum Beispiel in Besprechungszimmern oder in exponierten Räumen mit großer Fassadenfläche und vergleichsweise geringen Deckenflächen. Diese Bereiche wurden dann zusätzlich mit Ventilator unterstützten Unterflurkonvektoren versehen, die man aufgrund des Doppelbodens überall nachrüsten könnte, falls in irgendwelchen Räumen künftig bestimmte klimatische Werte eingehalten werden müssen. Hr. Trageser: Ist zum effektiven Betrieb des Raiffeisengebäudes ein bestimmtes Nutzerverhalten eine Voraussetzung, dass zum Beispiel im Sommer, wenn es draußen heiß ist, die Fenster nicht geöffnet werden dürfen? Hr. Steininger: Der letzte Sommer ist sehr problemlos verlaufen. Die zugeführte Luft ist entfeuchtet und die Decke ist dabei kühl, wodurch ein angenehmes Raumklima entsteht. Zugerscheinungen Luftwechselrate. 218 entfallen durch die Bauteilaktivierung und die moderate Hr. Trageser: Durch die gesetzlichen Änderungen wie EU-Gebäuderichtlinie wird man in Zukunft auch im Bürobau noch energieeffizienter bauen müssen, was zu Mehrkosten führen wird. Könnte man diese Mehrkosten über Förderungen abfedern oder werden sich diese in der Miete niederschlagen? Hr. Steininger: Im Bürobau werden sicher künftig Gesamtmieten Standard werden. In dieser Miete wird dann auch der Energieverbrauch enthalten sein. Daher könnte es für einen Betreiber in Zukunft schon interessant werden, energieeffizient zu bauen, weil dadurch Einsparungen erzielt werden. Der Anteil der Energiekosten an den Betriebskosten liegt bei etwa einem Drittel. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch. 219 9.7. Zusammenfassung Interview mit Fr. Balogh/ ÖKB Angaben zu Personen sind ohne Titel: Befragte Personen: Fr. Eveline Balogh/ Österreichische Kontrollbank - Facility Management Fragesteller: Hr. Daniel Trageser Datum: 13. Februar 2014, 10:00 - 10:50 Uhr Ort: Österreichische Kontrollbank, Strauchgasse3, 1011 Wien Freigabe: 25. Februar 2014 Die gegenständliche Zusammenfassung gibt den Verlauf des Interviews sinngemäß wieder. Hr. Trageser: Bei der Sanierung eines Bestandsgebäudes verfügt man nicht über die Planungsfreiheiten wie bei einem Neubau, vor allem wenn man auch noch energieeffiziente Systeme installieren möchte. Welche Ansätze hat man bei der Sanierung der ÖKB verfolgt? Für welche Systeme hat man sich entschieden und warum? Fr. Balogh: Ich darf damit beginnen wie ich zu diesem Thema gekommen bin. Ich bin ausgebildete Informatikerin und habe an der Donau-Universität Krems 2001-2002 Facility Management studiert und habe dann die Abteilung für technisches und kaufmännisches Facility Management übernommen mit Organisation, Organisationsentwicklung, Operationales Risikomanagement und CSR. Wir haben im Jahr 2000 begonnen ein 220 EMAS (Eco Management and Audit Scheme) zertifiziertes Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen und haben dann 2001 den ersten Umweltbericht nach EMAS herausgegeben. Ich habe das immer als sehr positive Synergie empfunden, Nachhaltigkeitsmanagement und Facility Management in einer Hand zu haben, weil man hier bereits von der Betriebsökologie die Grundlagen liefert. Wir haben damit begonnen, naheliegende Maßnahmen umzusetzen, wie Heizung abdrehen, wenn man das Fenster aufmacht und Licht abdrehen, wenn man aus dem Büro geht. Das ist natürlich nicht besonders wirkungsvoll, das gebe ich schon zu. Wir haben dann nach und nach in Zusammenarbeit mit den Haustechnikfirmen ein Energiemanagement aufgebaut und daraus Projekte entwickelt, die wirklich eine Reduktion des Energieverbrauchs für das Gebäude bewirkt haben. Diese Projekte haben damit begonnen, dass man an den Kältemaschinen Wärmerückgewinnungen eingebaut hat, zunächst nur für die Warmwasserbereitung. Dann gab es Projekte, in denen wir diese Abwärme immer mehr verwendet haben. Wir haben im Erdgeschossbereich die Halle neu gestaltet und auch den Fußboden erneuert, in den Flächenheizungen eingebaut wurden. Wir überheizen die Halle etwas im Winter und haben dadurch Gewinne in den Abteilungen, einfach aus dem Grund, weil wir so viel Abwärme gehabt haben, dass es unerheblich war, etwas zu überheizen. Wir haben dann das Mitarbeiterrestaurant umgebaut und haben hier ebenfalls fast ausschließlich mit Abwärme geheizt. Danach haben wir ein Green-IT-Rechenzentrum eingebaut, weil wir mehr Rechenleistung gebraucht haben und damit auch mehr Kühlleistung, weil wir mit unserem bestehenden Rechenzentrum an der Grenze waren. Wir haben dann APC-Cubes, das sind geschossene Schränke, mit denen man das Warm-Kaltgang-System dadurch reduziert, dass man den heißen Bereich, in einem sehr engen geschlossenen Cube hat. Drinnen im Schrank vertragen die Server 33-34 Grad. Außen, wo die Server ansaugen, brauchen sie eben diese 24 bis 25 Grad. Dadurch erhält man eine vernünftige Spreizung und hat damit auch eine effiziente Kälteversorgung in den Serverräumen. Die Kältemaschinen selbst wurden nach und nach erneuert. Wir werden heuer weitere große Kältemaschinen erneuern und wiederum die Abwärme aus den Maschinen zum Heizen verwenden. 2010 bis 2012 haben wir das Dachgeschoss ausgebaut, wodurch etwa 2000 Quadratmeter Bürofläche zusätzlich entstanden sind. Bevor wir mit diesem Projekt begonnen haben, war die Vorgabe eine innovatives Projekt zu realisieren, mit einer innovativen Kühlung und man wollte eine Lösung, bei der man trotz des Dachgeschossausbaus und den 2000 221 Quadratmeter mehr Bürofläche nicht mehr Energie verbraucht wie vorher im Gebäude. Die Vorgaben kamen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement heraus, also das ganze Gebäude darf nicht mehr Energie verbrauchen als vorher, obwohl die Arbeitsplätze hinzugekommen sind. Den zusätzlichen Arbeitsplatzstrom braucht man und das heißt, das Projekt musste Gewinne für das Haus bringen. Das ist dann sogar mehr als gelungen. Wir haben gemeinsam mit der Firma Riebenbauer in verschiedene Richtungen überlegt, welche Systeme man einsetzen kann, beispielsweise Solar Cooling, auch von der thermischen Solaranlage bis Photovoltaik. Für Solar Cooling war die Dachfläche nicht ausreichend und einen Speicher auf dem Dach zu errichten, war absurd. Hr. Trageser: Warum? Fr. Balogh: Weil man den Speicher innerhalb des Dachraums unterbringen müsste, was einerseits statisch sehr aufwendig gewesen wäre und andererseits hätte man wertvolle Bürofläche verloren. Selbst wenn wir diese Lösung umgesetzt hätten, hätte wir damit nicht einmal den kompletten Kühlbedarf des Dachgeschosses abdecken können. Auf der Dachfläche konnte man den Speicher auch nicht verorten, da wir uns mit diesem Gebäude in einer Schutzzone befinden. Im Genehmigungsverfahren war auch der Beirat für Stadtgestaltung involviert. Das ganze Gebiet um die Freyung ist sehr sensibel. Wir mussten vorab ein Modell der Sonnenkollektoren auf der Dachfläche montieren, damit der Beirat für Stadtgestaltung bewerten konnte, ob dafür eine Freigabe erteilt werden kann oder nicht. Wir haben bei diesem Projekt mit dem Architekten Krischanitz zusammen gearbeitet, der viel Erfahrung im Umgang mit diesen Dingen in sensiblen Stadtgebieten hat. Damit hatten wir einen Partner, der in der Stadtgestaltung entsprechend Anklang findet und der das Projekt auch mitgetragen hat. Hinsichtlich innovativer Systeme gab es viele Ideen, aber es wurde dann leider darauf reduziert, dass wir die Abwärme stärker nutzen. Wir haben Flächenheizungen beziehungsweise Flächenkühlungen umschaltbar vorgesehen, also ein duales System mit zweifacher 222 Verwendung. Im Winter sind die Schlangen, die sowohl im Boden als auch in den Wänden installiert wurden, mit Wärme beaufschlagt, im Sommer mit Kälte. Wir haben das System in der Theorie berechnet und in einer dynamischen Gebäudesimulation modelliert. Nach der Berechnung haben wir einige wenige Gebläsekonvektoren zusätzlich gebraucht, aber sonst kommen wir mit der Flächenheizung/-kühlung aus. Das Dachgeschoss wurde in einer Passivhausbauweise ausgeführt mit einer entsprechenden Dämmung und entsprechenden Fenstern. Vor der Sanierung war der Dachboden ein schlecht gedämmtes Archiv. Durch den Dachgeschossausbau hat man die Gewinne für das Haus bekommen, wodurch man dieses Ziel erreichen konnte. Ich gebe schon zu, das war eine plakative Vorgabe, dass der Energieverbrauch trotz Flächenzuwachs nicht höher werden darf, aber es war mir schon bewusst, dass wir durch die Dämmung der obersten Geschossdecke die Gewinne für das Haus bekommen würden. Wir hatten auch tatsächlich vorher im fünften Stock immer wieder ein Heizungsproblem. Hr. Trageser: Man hatte also vorher hohe Wärmeverluste durch den schlecht gedämmten Dachraum gehabt. Fr. Balogh: Es musste dann leider bei diesen wenigen Elementen bleiben, weil die neuen Technologien nicht sinnvoll umsetzbar waren. Man hätte mit diesen neuen Technologien immer nur einen Teil des Energiebedarfs abdecken können. Hr. Trageser: Die Energiemenge wäre demnach zu gering gewesen, die man mit den neuen Technologien hätte erzeugen können. Lag es bei diesen Technologien auch an einem Platzproblem? Fr-Balogh: 223 Es war ein Platzproblem, man hat die Energiemenge nicht erreicht und von der Kosten/Nutzenrechnung wäre es völlig absurd gewesen. Wir haben uns auf Photovoltaik in den Flachdachbereichen beschränkt. Man hatte hier auch nicht viele Möglichkeiten, da wir mit diesem Gebäude bereits über der zulässigen Gebäudehöhe liegen. Wir hatten also nur die Möglichkeit, das 30 Grad geneigte Dach etwas aufzuklappen, mehr konnten wir nicht machen. Durch das Aufklappen ist ein kleiner Flachdachbereich entstanden, den wir für Photovoltaik genutzt haben. Daher waren wir von den Möglichkeiten etwas reduziert. Wir haben aber doch geschaut, dass wir innen von der Kühlung her möglichst wenig Energie verbrauchen. Mit dem Lüftungsthema habe ich grundsätzlich ein bisschen ein Problem. Mir ist klar, warum man mit einer Wärmerückgewinnung in der Lüftung ein positives Ergebnis erreicht. Nur im Bürobereich reduziert die Lüftung dermaßen die Raumfeuchte, dass man mit sehr viel Energieaufwand Feuchtigkeit zuschießen muss, um die erforderliche Raumfeuchte gewährleisten zu können, damit es im Büro erträglich ist. Aus meiner Sicht ist das ein ungelöstes Problem. Hr. Trageser: Welche Raumfeuchten erreichen Sie in den Büros? Fr. Balogh: Im Winter hat man normalerweise 20 bis 30 Prozent Luftfeuchte im Büro. Das ist definitiv zu wenig. Das Passivhaus als Wohnhaus hat dieses Problem nicht, da wird gekocht, da wird geduscht, da gibt es Zuführungen an Luftfeuchte. Im Bürobereich hat man immer das Problem der Luftfeuchte und Befeuchtungsanlagen sind energetisch sehr aufwendig. Es gibt daher im Dachgeschoss keine Vollklimatisierung, wir haben öffenbare Fenster. Es gibt natürlich eine Lüftungsanlage, sonst würde die Passivhausrechnung nicht aufgehen. Wir versuchen aber die Lüftung etwas zu reduzieren. Hr. Trageser: Warum versucht man die Lüftung zu reduzieren? 224 Fr. Balogh: Erstmal wollen die Leute die Fenster aufmachen. Das ist etwas, was man nicht vermeiden kann. Dort, wo sie sich wirklich an die Lüftung gewöhnt haben, ist die Lüftung auch stärker, was auch in Ordnung ist. Aber sobald es ein Problem mit der Feuchte gibt, reduzieren wir die Lüftung und empfehlen mit dem Fenster – weniger – zu lüften. Das Problem der Raumlufthygiene bleibt dabei natürlich. Hr. Trageser: Werden im Sommer dann auch die Fenster geöffnet? Fr. Balogh: Gerade im Sommer ist es überhaupt kein Problem. Im Sommer reduzieren wir die Lüftung sehr. Wir haben überall Fensterkontakte im Haus vorgesehen, die registrieren, wenn ein Fenster offen steht. Die Heizung und Kühlung schaltet sich in dem jeweiligen Raum dann automatisch ab, sobald die Fenster geöffnet werden. Das hat im gesamten Gebäude einen sehr positiven Effekt bewirkt. Es wird wirklich nur mehr stoß gelüftet. Also die Situation gibt es nicht, dass die Fenster ganztägig geöffnet bleiben, weil es sonst keine Kühlung und auch keine Heizung gibt. Ich halte Lüftungsanlagen auf der Hygieneseite für sehr positiv, auch auf der energetischen Seite, aber ich sehe einfach das Problem der Befeuchtung. Wir sind mittlerweile im gesamten Haus bei einem Energieverbrauch von etwa 37 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, was nur mit dem Dachgeschossausbau erreichbar war. Vor dem Dachgeschossausbau lagen wir bei etwa 46 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Also wir waren vorher schon mit den Sanierungsmaßnahmen relativ gut, die wir vor dem Dachgeschossausbau realisiert hatten. Die haustechnische Optimierung mit dem Dachgeschossausbau hat dann die weiteren Einspareffekte gebracht. Hr. Trageser: 225 Ich möchte nochmal zur Kühlung zurückkommen, die über eine Flächenkühlung im Boden und Wänden funktioniert. Wie wurde das in den Wänden realisiert? Fr. Balogh: Die Schlangen wurden in die Gipskarton- und Holzständerwände im Dachgeschoss eingelegt. Hr. Trageser: Wurde das auch in den Bestandsgeschossen übernommen? Fr. Balogh: Nein, hier wird über Gebläsekonvektoren, in der Decke gekühlt. Hr. Trageser: Hat man auch über Kühldecken nachgedacht? Fr. Balogh: Ja, aber die wären schlicht zu teuer gewesen. Die Kühldecken sind energetisch und vom Raumkomfort her sicher besser, aber die Gebläsekonvektoren sind mittlerweile auch recht gut. Es gibt auch kaum Zugerscheinungen und die Leute im Haus sind damit recht zufrieden. Bei einer Vollklimatisierung hat man mit der Kühldecke sicher eine bessere Effizienz. Dadurch das hier die Fenster geöffnet werden und es in den bestehenden Geschossen keine Lüftungsanlage gibt, ist das System mit den Gebläsekonvektoren allerdings besser, weil es schneller reagiert. Die Gebläsekonvektoren sind über ReedKontakte mit den Fenstern verbunden, die signalisieren, wenn das Fenster geöffnet ist und sich dann abschalten. Damit verschwendet man keine Energie. 226 Hr. Trageser: Dadurch ist die Kühlung und Heizung sozusagen auf das Nutzerverhalten abgestimmt. Fr. Balogh: Das ist genau das Thema. Gerade im Bürobereich ist eine Schulung der Nutzer sehr aufwendig und teilweise auch nicht erwünscht. Es gibt zwar einige Mitarbeiter, die sehr engagiert sind und dafür sorgen, dass in den Abteilungen die Lichter abgedreht werden, aber es gibt auch sehr viele Mitarbeiter, die erwarten, dass das System funktioniert und sich für ein entsprechendes Nutzerverhalten nicht interessieren, was auch bis zu einem gewissen Grad verständlich ist, weil die Mitarbeiter andere Aufgaben haben. Hr. Trageser: Eine Kontrolle durch das Facitlity Management wäre wahrscheinlich ebenfalls sehr aufwendig. Fr. Balogh: Das ist fast unmöglich und durch dieses System hat man das Problem etwas entschärft. Wenn man träge Systeme hat und die Deckenheizungen und Deckenkühlungen sind natürlich sehr träge Systeme, ist das nicht so wirkungsvoll. Wir haben zum Beispiel im Dachgeschoss eine Regelung eingebaut, dass sich die Fenster abends automatisch schließen, weil wenn jemand vergisst, das Fenster zu zumachen, ist es in der Früh so kalt, dass man das Büro nicht mehr warm bekommt. Hr. Trageser: Welches Kühlsystem ist im Dachgeschoss vorgesehen? Fr. Balogh: 227 Da erfolgt die Heizung und Kühlung über Flächenheizungen in den Decken und Wänden. Geheizt wird das Dachgeschoss ausschließlich über Abwärme der Kältemaschinen, die die Serverräume kühlen, wobei der Bedarf sehr niedrig ist. Durch das warme Dachgeschoss gewinnt natürlich auch der fünfte Stock, bei dem vorher nur eine schlecht gedämmte Geschossdecke zu einem kühlen Dachraum vorhanden war. Wir haben bei dieser Gelegenheit auch alle Kunststofffenster in den Innenhöfen, die noch in den 80er Jahren eingebaut wurden, gegen hochwertige Holz-Alu-Fenster getauscht, die eine Passivhausqualität haben und das bringt natürlich auch etwas. Die Fenster in der Außenfassade auch aus den 80er Jahren sind aus Eiche-Vollholz ausgeführt und haben daher vom Material eine hohe Qualität. Deswegen hat man sich für eine Sanierung entschieden, bei der man die Beschläge erneuert und die Fenster ordentlich abgedichtet hat, aber die U-Werte sind sicherlich nicht so gut, auch wenn die Fenster damals mit einer Dreifachverglasung ausgestattet wurden. Hr. Trageser: Ich darf nochmal kurz zusammenfassen. Die Heizung und Kühlung erfolgt über einen Wasserkreislauf im Gebäude und man verwendet die Abwärme von den Kältemaschinen, um das Warmwasser aufzubereiten. Fr. Balogh: Genau. Das heißt wir nutzen die Abwärme für das Dachgeschoss und den gesamten Erdgeschossbereich, in dem sich die Halle und das Mitarbeiterrestaurant befinden. Hr. Trageser: Das Kaltwasser wird dann direkt über die Kältemaschinen aufbereitet. Handelt es sich um reine Kompressionskältemaschinen oder hat man auch Absorptionskältemaschinen nachgedacht, die auch mit Wärme betrieben werden? Fr. Balogh: 228 über Nein, Absorptionskältemaschinen verwenden wir nicht. Das wäre dann mit einem Solar Cooling System sinnvoll gewesen, aber das hat sich von den Kosten her nicht gerechnet. Als bauliche Verschattungsmaßnahme haben wir in den sechseckigen Fenstergauben im Dachgeschoss, wo es mit einem außenliegenden Sonnenschutz relativ kompliziert gewesen wäre, einen Sonnenschutz innen installiert, der sonnenstandgesteuert runter geht. Nach Berechnungen sind wir mit diesem System effizienter als mit einem außenliegenden Sonnenschutz. Hr. Trageser: Wie das? Fr. Balogh: Wir haben in diesen Bereichen Sonnenschutzgläser vorgesehen, keine besonders dunklen, dann die innenliegenden Jalousien und wir haben in den Fenstern eine Absaugung, um die warme Luft, die herein kommt, sofort abzusaugen. Man hat also zwischen Jalousie und Fenster eine Luftwalze, wodurch die warme Luft sofort durch Konvektion nach außen geführt wird und nicht in den Innenraum gelangt. Von der Planung her, insbesondere der Haustechnik war das natürlich schon komplex, aber unser Ansatz war, wenn wir so einen Sonnenschutz ausführen, dann muss es auch gut funktionieren. Was man bei dem Dachgeschossausbau nicht wollte, ist die Energie, die man durch die Dämmung gewinnt, dann in die Kühlung zu stecken. Hr. Trageser: Wird die Photovoltaik zur Stromgewinnung für einen bestimmten Verbraucher genutzt oder wird es allgemein in das System eingespeist? Fr. Balogh: Die Photovoltaik speisen wir in der Wurzel in unserer Niederspannungshauptverteilung ein. Wir haben 31 Kilowattstunden Peak installiert, was ein sehr geringer Anteil von 229 dem ist, was wir an Strom selbst verbrauchen. Daher macht es keinen Sinn, ins öffentliche Netz einzuspeisen. Im Stiegenhaus haben wir die Glasbedachung auch mit Photovoltaikelementen beaufschlagt und an der Unterseite bedruckt, so dass eine Einheit und ein Verschattungseffekt entsteht. Wir wollten dabei auch mit gestalterischen Mitteln Konzepte zeigen, wobei die Balance zu finden war, wie dicht bedruckt man die Gläser, dass noch genügend Tageslicht ins Stiegenhaus fällt, um kein Kunstlicht einschalten zu müssen. Sonst würde man den Strom, den man erzeugt durch die Beleuchtung wieder verbrauchen. Hr. Trageser: Können Sie in etwa die Einsparungen abschätzen? Fr. Balogh: Wir veröffentlichen heuer noch die aktuellen Zahlen im Nachhaltigkeitsbericht, aber im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts habe ich einmal ausgerechnet, dass wir mit den heutigen Flächen und den heutigen Energiepreisen und den Energieverbräuchen aus dem Jahr 2000, also vor Beginn dieser ganzen Sanierungsmaßnahmen, etwa 300.000 Euro Energiekosten im Jahr weniger haben. Ich war immer sehr vorsichtig, was die Amortisation betrifft. Unser Vorstand hat die Nachhaltigkeit schon immer als ein strategisches Thema betrachtet und hat daher nicht ganz so streng auf meine Amortisationsrechnungen geschaut, sonst wären so manche Projekte gefallen, gebe ich auch zu. Was wir aus heutiger Sicht damit wirklich erreicht haben und das ist oft nicht so ganz klar abschätzbar gewesen, dass es sich mittlerweile rechnet. Hr. Trageser: Wie lange dauerte der Amortisationszeitraum? Fr. Balogh: 230 Das ist schwer zu sagen bei der Summe dieser Maßnahmen. Aber es ist doch ein spürbarer Betrag, den man einspart. Die OeKB ist als österreichische Exportkreditagentur sehr stark in große Projekte involviert und da ist Nachhaltigkeit auf der Produktseite viel stärker ein Thema. Deshalb werden Projekte auch nach ökologischen und sozialen Kriterien geprüft. Das ist natürlich sehr viel stärker ein Thema als die Betriebsökologie, weil die Betriebsökologie im Verhältnis zu anderen Dingen ein eher unbedeutender Teil ist. Einerseits rechnet es sich bis zu einem gewissen Grad und bringt Effekte in der Bewusstseinsbildung hier im Haus, weil wir unseren Exporteuern keine Vorgaben machen können, wenn wir uns selber nicht daran halten. Die erzielten Einsparungen infolge der energetischen Optimierungen des Gebäudes sind aber absolut nicht so wenig. Allein durch die Photovoltaikanlage wird der jährliche Strombedarf von fünf bis sechs Haushalten erzeugt. Wir haben seit dem Jahr 2000 etwa eine Million Kilowattstunden pro Jahr gespart. Darum kommt man auch auf die 300.000 Euro, wobei die Fernwärme auch einen Anteil daran hat. Die Bereiche, die nicht über die Abwärme der Haustechnikanlagen abgedeckt werden können, werden über den Fernwärmeanschluss versorgt. Und darum sind wir auch im Echtverbrauch unter der gerechneten Energiekennzahl, da die Abwärme in der Energiekennzahl nicht mit gerechnet wird, weil sie im Stromverbrauch schon berücksichtigt ist. Hr. Trageser: Können Sie in etwa die Mehrkosten für die Investition in diese energetischen Optimierungsmaßnahmen abschätzen? Fr. Balogh: Nein. Hr. Trageser: Haben Sie Vergleichswerte von anderen Liegenschaften beziehungsweise betreuen Sie auch andere Objekte? 231 Fr. Balogh: Nein, ich betreue nur dieses Haus. Mein Aufgabenbereich ist relativ vielfältig, dafür ist er nicht so groß. Wir haben dieses Gebäude hier mit etwa 20.000 Quadratmeter Nettogrundfläche und ein zweites Gebäude am Hof, wo unser Firmensitz ist mit etwa 8000 Quadratmetern, die aber gemietet sind. Dieses Gebäude ist in unserem Eigentum. Dafür haben wir natürlich auch mehr Einfluss. Hr. Trageser: Daher rechnen sich auch diese Investitionen mehr als bei einem Mietverhältnis. Würden Sie im Nachhinein bestimmte Dinge anders machen oder haben sich bestimmte Systeme besonders im Betrieb bewährt? Fr.Balogh: Ich denke, es gibt ein paar Eckpfeiler, auf die man bei all diesen Themen eines Energiemanagements und eines konsequenten Nachhaltigkeitsmanagements wirklich schauen muss. Das ist beispielsweise die Regulierung. Die Systeme müssen gut einreguliert sein, sonst schafft man es nie, dass man Vorlauftemperaturen reduziert. Hr. Trageser: Wie lange hat es gedauert, bis die Systeme aufeinander abgestimmt waren? Fr. Balogh: Wir haben dafür eigene Projekte gemacht. Wir haben getrennte Stränge für die kritischeren Bereiche vorgesehen wie beispielsweise die Räume in den Gebäudeecken, die einen höheren Außenflächenanteil haben. Wir haben eigene Technikstränge für Bereiche, die auch im Winter gekühlt werden müssen wie zum Beispiel Technikräume innerhalb der Stockwerke oder auch Besprechungsräume, obwohl wir das eher versuchen zu vermeiden, dass Besprechungsräume im Winter gekühlt werden müssen. Ich empfehle den Abteilungen immer die Fenster aufzumachen, wenn es zu warm ist. 232 Also die Regulierung ist ein Thema und die entsprechende Ausgestaltung der verschiedenen Stränge. Man braucht an wichtigen Stellen Zähler, weil was man nicht messen kann, kann man nicht steuern. Die Zähler werden pro Anlage vorgesehen. Beispielsweise gibt es einen eigenen Zähler für den Festsaal, der mit einem Glasdach aus dem Jahre 1910 überdacht ist und damit eine Energiekennzahl hat, die grenzwertig ist. Durch den Denkmalschutz kann man das nicht ändern. Bei diesem Saal haben wir die Betriebszeiten optimiert. Die Lüftung wird also nur eingeschaltet, wenn er wirklich genutzt wird. Mit einem Extrazähler kann man den Verbrauch besser steuern. Wir haben eigene Zähler bei den Kältemaschinen, in den Verteilern des Rechenzentrums, im Mitarbeiterrestaurant und im Prinzip überall dort, wo es große Verbraucher gibt. Über die Zähler werden der Stromverbrauch und auch die Kältemengen gemessen. In Summe sind es im ganzen Haus etwa 20 bis 25 Zähler, die man schon braucht, sonst bekommt man kein Gespür für die Verbräuche und kann sie dann nicht steuern. Hr. Trageser: Was sind die größten Verbraucher in diesem Gebäude? Fr. Balogh: Kühlung und Rechenzentrum. Zu den Dingen, die ich anders machen würde. Das Projekt Dachgeschoss ist sehr schön geworden, die Leute sind sehr zufrieden, aber ich würde mir die Gestaltung eines außenliegenden Sonnenschutz nochmal überlegen, weil die bauliche Ausführung der Gauben mit Lüftungsschlitzen schon sehr kompliziert war, wobei das System im Betrieb perfekt funktioniert. Die Leute sind vom Raumklima wirklich angetan, auch wenn sie sich natürlich anfangs davor gefürchtet haben, in einem Dachboden zu arbeiten, der im Sommer heiß und im Winter kalt sein könnte. Die Passivhausqualität anzukündigen war, glaube ich, der größte Fehler, den ich machen konnte. Es gab eine Präsentation des Projektes vor Baubeginn, weil es im laufenden Betrieb gebaut wurde und dann gab es zwei Jahre lang kein Dach, was etwas heftig war. Aber letztendlich sind die Leute sehr vom Raumklima angetan und ich muss sagen, es funktioniert 233 wirklich perfekt. Ich würde mir nur nochmal überlegen, ob ich diese Komplexität wirklich will. Hr. Trageser: Das war mit Sicherheit ein hoher Planungs- und Ausführungsaufwand. Ich würde gerne noch einmal zu den Bestandsgeschossen zurück kommen. Gründerzeitgebäude zeichnen sich durch dicke Ziegelwände aus, die einen gewissen Speichereffekt aufweisen. Macht sich das beim Energieverbrauch bemerkbar im Vergleich zum Dachgeschoss? Balogh: Unser alter Regeltechniker, der das Energiemanagement mit aufgebaut hat und dann 2005 in Pension gegangen ist, war der Ansicht, dass es hier völlig unnötig ist, eine Nacht- und Wochenendabsenkung der Heizung zu machen, weil es aufgrund der vorhandenen Speichermassen nichts an Einsparungen bringen wird. Durch die Absenkung der Heizung am Wochenende kühlen die Wände aus und man braucht am Beginn der Woche umso länger und viel Energie bis sie wieder aufgeladen sind. Er hat sich dann mehr überreden als überzeugen lassen, eine Absenkung auszuführen. Es bringt wirklich was. Das Durchheizen zahlt sich nicht wirklich aus. Wir sind eher mit den Vorlauftemperaturen runter gegangen und durch die Absenkung am Wochenende wurde auch einiges an Energie eingespart. Er war dann selber überrascht, wie viel es eigentlich bringt. Die Speichermassen in diesem Gebäude machen doch nicht so viel aus. Hier sind die Fensterflächen zu groß und von zu schlechter Qualität. Eine Dämmung fehlt auch. Außen am Gebäude kann sie nicht angebracht werden und bei einer Innendämmung würde man die Mauern ruinieren, wobei man die vielen Wärmebrücken nicht in den Griff bekommen würde und es auch zu aufwendig ist. Hr. Trageser: Ich möchte noch kurz auf die Planungsphase zurückkommen. Welche Kühlsysteme hatte man außer Solar-Cooling noch angedacht? 234 Fr. Balogh: Solar-Cooling und thermische Solaranlagen waren im Gespräch. Absorberkältemaschinen hat man im Zusammenhang mit Solar-Cooling auch angedacht. Absorberkältemaschinen, die nur über Fernwärme betrieben werden, hätten keinen Sinn gemacht. Es wurde auch über die Nutzung einer vorhandenen Fernkälteleitung nachgedacht. Im Kunstforum gibt es eine dezentrale Absorberkältemaschine, die über Fernwärme betrieben wird. Der Anschluss ist aber einfach zu teuer. Als wir mit der Sanierung begonnen hatten, war die Fernkälte damals noch nicht so weit. In nächsten Jahren werden wir alte Kältemaschinen tauschen müssen und in diesem Zuge wurde eine Verwendung von Fernkälte nochmals rechnerisch betrachtet. Denn von der abzunehmenden Menge könnten wir sie gut gebrauchen. Man könnte die Fernkälte auch leicht in unser System einbinden, da die Stichleitungen schon vorhanden sind. Aber es ist einfach zu unrentabel. Es ist viel billiger, die Kühlenergie selbst zu erzeugen. Hr. Trageser: Dann bedanke ich mich für dieses Gespräch. 235 9.8. Projekte zertifiziert nach EU - Green Building Programm oder Total Quality Building 236 237 238 239 240 241 242 243 Quelle: vgl. http://www.ibo.at/de/greenbuilding/listepartner.htm, Stand 17.11.2013 Quelle: vgl. https://www.oegnb.net/zertifizierte_projekte.htm, Stand 17.11.2013 244