NomosLehrbuch NomosLehrbuch Strafrecht Allgemeiner Teil 6. Auflage 6. Auflage Strafrecht | Allgemeiner Teil Kindhäuser Kindhäuser ISBN 978-3-8487-0271-8 Nomos BUC_Kindhaeuser_S AT_0271-8_6A.indd 1 12.03.13 10:24 http://www.nomos-shop.de/20606 NomosLehrbuch Prof. Dr. Dres. h.c. Urs Kindhäuser, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Strafrecht Allgemeiner Teil 6. Auflage Nomos BUT_Kindhaeuser_S AT_0271-8_6A.indd 3 12.03.13 10:14 http://www.nomos-shop.de/20606 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8487-0271-8 6. völlig neu überarbeitete Auflage 2013 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2013. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. BUT_Kindhaeuser_S AT_0271-8_6A.indd 4 12.03.13 10:14 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt 5 Vorwort Abkürzungsverzeichnis 23 A. Das Strafgesetz Erster Abschnitt: Das Strafrecht im Rechtssystem 29 §1 29 29 29 30 31 32 32 32 33 33 34 Der strafrechtlich relevante Konflikt I. Abgrenzungen 1. Definitionen 2. Stellung im Rechtssystem II. Erfassung des Konflikts III. Entscheidung des Konflikts 1. Strafverfahren 2. Urteil und Gutachten 3. Zweispurigkeit der Rechtsfolgen 4. Strafen 5. Maßregeln und weitere Maßnahmen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen §2 Zur Legitimation des Strafrechts I. Die strafrechtlichen Normen 1. Begriff 2. Verhaltens- und Sanktionsnormen II. Zur Legitimation der Verhaltensnormen (Rechtsgüterschutz) III. Zur Legitimation der Sanktionsnormen (Strafe) 1. Absolute Theorien 2. Relative Theorien 3. Vereinigungstheorie Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 34 35 35 35 35 36 37 37 38 39 39 Zweiter Abschnitt: Gesetzlichkeit und Geltung des Strafrechts 40 §3 40 40 40 40 40 41 41 Die Gesetzlichkeit des Strafrechts (Tatbestandsfunktionen) I. Gesetzlichkeitsprinzip II. Garantiefunktionen und Auslegung 1. Verbot des Gewohnheitsrechts 2. Das Rückwirkungsverbot 3. Das Bestimmtheitsgebot 4. Analogieverbot und Auslegung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 42 7 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt §4 Der Geltungsbereich des StGB I. Zeitliche Geltung, Tatzeit und Tatort 1. Grundregel und Modifikationen 2. Tatzeitpunkt 3. Tatort II. Räumliche und personelle Geltung 1. Internationales Strafrecht 2. Geltungsprinzipien III. Gutachten Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 43 43 43 43 44 45 45 45 46 47 B. Allgemeine Straftatlehre §5 Die Straftat als Normwiderspruch I. Wissenschaftliche Zwecksetzung II. Der Normwiderspruch 1. Begriff und Deliktsaufbau 2. Handlungs- und Antriebssteuerung III. Handlungstheorien 1. Finale Lehre 2. Soziale und personale Lehre 3. Intentionale Normbefolgungsfähigkeit 4. Kausale Lehre IV. Gutachten Wiederholungs- und Vertiefungsfragen §6 Der Deliktsaufbau I. Die rechtswidrige und schuldhafte Tat 1. Unrecht und Schuld 2. Feststellung des Unrechts 3. Feststellung der Schuld 4. Zwei- oder dreistufiger Deliktsaufbau II. Objektive Strafbarkeitsbedingungen III. Persönliche Strafausschließungs-, Strafaufhebungs- und Strafeinschränkungsgründe 1. Persönliche Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe 2. Persönliche Strafeinschränkungsgründe IV. Prozessvoraussetzungen, insbesondere Strafantrag 1. Prozessvoraussetzungen 2. Antragsdelikte V. Gutachten Wiederholungs- und Vertiefungsfragen §7 Handeln für einen anderen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 8 48 48 48 48 49 50 50 51 51 51 52 53 54 54 54 54 55 56 57 58 58 59 59 59 60 60 61 62 63 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt C. Das vorsätzliche Begehungsdelikt Erster Abschnitt: Grundlagen der Tatbestandslehre 64 §8 64 64 64 64 65 65 66 66 66 67 67 67 68 68 68 69 70 70 70 70 70 Begriff und Formen des Deliktstatbestands I. Begriff und Abgrenzung 1. Funktion und Herkunft 2. Gesamttatbewertende Merkmale 3. Tatbestand und Rechtswidrigkeit 4. Weitere Begriffsverwendungen II. Tatbestandsabwandlungen 1. Grundtatbestand, Qualifikation und Privilegierung 2. Regelbeispiele 3. Delictum sui generis III. Deliktstypen 1. Begehungsdelikte 2. Allgemeindelikte 3. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte 4. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte 5. Eigenhändige Delikte 6. Dauerdelikte 7. Zustandsdelikte 8. Unternehmensdelikte 9. Antragsdelikte IV. Verbrechen und Vergehen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen §9 Der Inhalt des Deliktstatbestands I. Objektiver und subjektiver Deliktstatbestand 1. Begriff und Funktion 2. Handlungs- und Erfolgsunrecht II. Typen von Tatbestandsmerkmalen 1. Deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale 2. Blankettmerkmale III. Vollendung, Versuch, Beendigung 1. Definitionen 2. Gutachten Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 71 72 72 72 73 73 73 74 75 75 75 75 Zweiter Abschnitt: Der objektive Deliktstatbestand 76 § 10 Erfolg, Handlung und Kausalität I. Die strafrechtliche Funktion der Kausalität 1. Funktionaler Kausalbegriff 2. Rechtsgüterschutz 3. Begriff des Erfolgs 4. Zeitliche Perspektive 76 76 76 76 77 77 9 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt II. Der Kausalitätsnachweis 1. Äquivalenz- oder Bedingungstheorie 2. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung 3. Modifizierte condicio-sine-qua-non-Formel III. Einzelfragen 1. Konkreter Erfolg und hypothetische Kausalverläufe 2. Äquivalenz und atypische Verläufe 3. Überholende und abgebrochene Kausalverläufe 4. Kumulative Kausalität 5. Alternative Kausalität (Doppelkausalität) 6. Abbruch rettender Kausalverläufe 7. Gremienentscheidungen 78 79 79 80 81 81 82 82 83 84 85 86 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 87 § 11 Objektive Zurechnung beim Erfolgsdelikt I. Kausalität und objektive Zurechnung II. Gegenstand der objektiven Zurechnung III. Ursache und Risiko 1. Risikobegriff 2. Konkrete Risiken und übliches Sozialverhalten 3. Hypothetische Schadensverläufe 4. Risikoverringerung 5. Schutzzweck der Norm IV. Risikozuständigkeit 1. Grundsatz 2. Eigenverantwortlichkeitsprinzip 3. Voraussetzungen 4. Phase der Gefahrrealisierung 5. Verbotene Mitwirkung V. Eingreifen Dritter 1. Regressverbot 2. Folgerisiken 3. Retterfälle VI. Gutachten 88 88 89 90 90 91 92 93 95 95 95 96 97 99 99 100 100 103 105 106 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 107 § 12 Einwilligung I. Allgemeines 1. Begriff 2. Deliktssystematische Einordnung 3. Bezug II. Wirksamkeit 1. Voraussetzungen 2. Bedingungen 3. Stellvertretung 4. Widerruf 5. Willensmängel 10 108 108 108 108 110 110 110 111 111 112 112 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt III. Abgrenzung: Einverständnis 1. Begriff 2. Voraussetzungen IV. Einverständliche Fremdgefährdung 1. Begriff 2. Einordnung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 114 114 115 119 120 120 122 Dritter Abschnitt: Der subjektive Deliktstatbestand 123 § 13 Der Vorsatz I. Allgemeines 1. Elemente des Vorsatzes 2. Deliktssystematische Einordnung II. Zeitpunkt und Gegenstand der Vorsatzzurechnung 1. Zeitpunkt 2. Gegenstand 123 123 123 124 125 125 125 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 126 § 14 Arten des Vorsatzes I. Absicht und direkter Vorsatz 1. Absicht 2. Direkter Vorsatz (dolus directus) II. Bedingter Vorsatz 1. Grundlagen 2. Zum Meinungsstand 3. Folgerungen und Definition III. Verbindung mehrerer Vorsätze und dolus generalis 1. Dolus cumulativus und alternativus 2. Dolus generalis Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 127 127 127 128 129 129 129 133 134 134 135 136 Vierter Abschnitt: Rechtswidrigkeit 137 § 15 Grundlagen I. Allgemeines 1. Begriff 2. Begründung und Geltungsbereich 3. Gutachten II. Der Erlaubnistatbestand III. Wichtige Rechtfertigungsgründe 1. Grundsatz 2. Überblick 137 137 137 137 138 139 139 139 140 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 141 11 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt § 16 Notwehr I. Allgemeines 1. Begriff 2. Voraussetzungen und Gutachtenaufbau II. Notwehrlage 1. Angriff 2. Gegenstand 3. Gegenwärtigkeit 4. Rechtswidrigkeit III. Notwehrhandlung 1. Verteidigung 2. Erforderlichkeit 3. Gebotenheit IV. Subjektive Rechtfertigung V. Einschränkungen der Notwehrbefugnis 1. Fallgruppen 2. Bagatellangriffe 3. Krasses Missverhältnis 4. Angriffe Schuldloser 5. Angriffe innerhalb von Garantenstellungen 6. Provozierte oder sonst verschuldete Notwehrlage Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 17 Rechtfertigender Notstand I. Begriff und Systematik 1. Begriff 2. Systematik 3. Rechtfertigender und entschuldigender Notstand II. Der rechtfertigende Notstand (§ 34) 1. Allgemeines 2. Notstandslage 3. Notstandshandlung 4. Subjektive Rechtfertigung 5. Gutachtenaufbau III. Der zivilrechtliche aggressive Notstand (§ 904 BGB) IV. Der defensive Notstand (§ 228 BGB, § 34) 1. Begriff und Voraussetzungen 2. Rechtsgrundlage 3. Gutachtenaufbau Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 18 Rechtfertigende Pflichtenkollision I. Allgemeines II. Voraussetzungen III. Pflichtverletzung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 12 142 142 142 142 143 143 144 145 146 147 148 148 150 150 151 151 151 152 153 153 154 156 157 157 157 157 157 158 158 159 160 163 164 164 164 165 165 166 166 167 167 167 168 168 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt § 19 Mutmaßliche Einwilligung I. Allgemeines II. Anwendungsbereich 1. Voraussetzungen 2. Fallgruppen 3. Ermittlung des mutmaßlichen Willens III. Abgrenzung zur hypothetischen Einwilligung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 20 Sonstige Rechtfertigungsgründe I. Vorläufige Festnahme (§ 127 I StPO) 1. Tat 2. Tatfrische 3. Mittel der Festnahme 4. Subjektive Rechtfertigung II. Zivilrechtliche Selbsthilfe 1. §§ 229, 230 BGB 2. Weitere Selbsthilferegelungen III. Zusendung unbestellter Leistungen (§ 241a BGB) IV. Züchtigungs- und Erziehungsrecht 1. Erziehungs- und Sorgerecht 2. Schule und Berufsausbildung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 169 169 169 169 170 171 171 173 174 174 174 175 175 176 176 176 176 176 177 177 178 178 Fünfter Abschnitt: Schuld 179 § 21 Grundlagen I. Das Schuldprinzip II. Der Schuldbegriff 1. Schuld im formellen Sinne 2. Schuld im materiellen Sinne III. Der Schuldtatbestand IV. Unzumutbarkeit und übergesetzlicher Notstand 1. Unzumutbarkeit normgemäßen Handelns 2. Übergesetzlicher Notstand 3. Religiöse Gewissenskonflikte 179 179 179 179 180 181 182 182 182 183 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 22 Schuldfähigkeit I. Allgemeines II. Schuldunfähigkeit nach § 20 1. Zweistufige Merkmalsanordnung 2. Rauschzustände III. Einschränkungen IV. Anwendung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 183 184 184 184 184 185 186 186 186 13 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt § 23 Actio libera in causa I. Allgemeines 1. Grundsätze 2. Koinzidenzprinzip II. Das Ausnahmemodell 1. Konstruktion 2. Einwände III. Das Tatbestandsmodell 1. Konstruktionen 2. Einwände IV. Folgerungen 1. Verfassungswidrigkeit? 2. Differenzierende Betrachtung 3. Rückgriff auf § 323a V. Gutachten 1. Aufbauprobleme 2. Gutachtenaufbau VI. Actio libera in causa beim Fahrlässigkeitsdelikt Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 24 Entschuldigender Notstand I. Allgemeines II. Voraussetzungen 1. Notstandslage 2. Notstandshandlung 3. Rettungswille 4. Keine Zumutbarkeit III. Anwendung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 25 Notwehrexzess I. Allgemeines II. Der intensive Notwehrexzess III. Der extensive Notwehrexzess IV. Subjektive Tatseite V. Putativnotwehrexzess VI. Anwendung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 187 187 187 187 188 188 188 189 189 190 190 190 191 191 192 192 192 194 194 195 195 195 195 196 196 197 198 198 199 199 199 201 202 202 203 204 Sechster Abschnitt: Irrtumslehre 205 § 26 Grundlagen I. Allgemeines 1. Irrtumsformen 2. Gegenstand des Irrtums 3. Rechtsfolgen des Irrtums II. Irrtümer über sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen 205 205 205 206 206 207 14 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt III. Schematischer Überblick IV. Gutachten 208 210 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 210 § 27 Tatbestandsirrtum I. Gesetzliche Regelung 1. § 16 I 2. § 16 II II. Gegenstand des Irrtums 1. Begriff des Tatumstands 2. Abgrenzung zum Subsumtionsirrtum 3. Normative Tatumstände 4. Tatbestandsalternativen 5. Tatbestands- und Verbotsirrtum im Gutachten III. Einzelfragen 1. Error in persona vel objecto 2. Irrtum über den Kausalverlauf 3. Irrtum über den Vollendungszeitpunkt 4. Aberratio ictus 5. Irrtum bei der actio libera in causa 211 211 211 211 212 212 212 216 218 219 220 220 220 222 223 226 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 227 § 28 Verbotsirrtum und Irrtum über Entschuldigungsgründe I. Der Verbotsirrtum 1. Schuld- und Vorsatztheorie 2. Unrechtsbewusstsein II. Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums III. Der Irrtum über Entschuldigungsgründe Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 29 Irrtum über Rechtfertigungsvoraussetzungen I. Systematik II. Verkennung einer Rechtfertigungslage III. Der Erlaubnistatbestandsirrtum 1. Begriff 2. Deliktssystematische Einordnung 3. Folgerungen 4. Gutachten 5. Irrtümer über die Eigenschaften normativer Erlaubnistatbestandsmerkmale Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 228 228 228 229 230 231 231 232 232 233 234 234 234 237 238 238 239 Siebter Abschnitt: Versuch 240 § 30 Grundlagen I. Allgemeines 1. Begriff 240 240 240 15 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt 2. Gutachtenaufbau 3. Strafwürdigkeit II. Formen des Versuchs 1. Tauglicher und untauglicher Versuch 2. Versuch beim erfolgsqualifizierten Delikt 3. Fahrlässiger Versuch III. Versuch und Wahndelikt 1. Abgrenzung 2. Normative Tatbestandsmerkmale 3. Sonderdelikte 240 241 242 242 243 244 244 244 245 246 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 247 § 31 Vorbereitung und Versuch I. Allgemeines II. Tatentschluss 1. Begriff 2. Unbedingtheit 3. Vorsatzform III. Unmittelbares Ansetzen 1. Voraussetzungen 2. Abgrenzung IV. Versuchsbeginn bei der actio libera in causa 1. Ausnahmemodell 2. Tatbestandsmodell 248 248 248 248 249 249 250 250 250 252 252 252 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 253 § 32 Rücktritt vom Versuch I. Allgemeines 1. Grundlagen 2. Normzweck 3. Tätige Reue II. Rücktrittsrelevante Versuchsformen 1. Fehlgeschlagener Versuch 2. Unbeendeter und beendeter Versuch 3. Überblick III. Rücktritt vom unbeendeten Versuch 1. Zum unbeendeten Versuch 2. Aufgeben der Tat 3. Freiwilligkeit IV. Rücktritt vom beendeten Versuch 1. Beendeter und nicht fehlgeschlagener Versuch 2. Verhindern der Vollendung 3. Einzelaktstheorie V. Rücktritt bei ernsthaftem Bemühen VI. Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten 1. Fallgruppen 2. Voraussetzungen 254 254 254 254 255 255 255 256 257 257 257 261 262 264 264 264 265 265 266 266 266 16 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt VII. Einzelfragen 1. Rücktritt bei objektiv nicht zurechenbarem Erfolg 2. Rücktritt vom qualifizierten Versuch 3. Erfolgsqualifizierte Delikte 4. Unternehmensdelikte Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 267 267 268 268 269 269 D. Das fahrlässige Begehungsdelikt § 33 Fahrlässigkeit I. Allgemeines 1. Strafbarkeit 2. Funktion der Fahrlässigkeitshaftung 3. Begriff und historische Entwicklung II. Die Merkmale der Fahrlässigkeitstat 1. Überblick 2. Gliederung III. Das zweistufige Fahrlässigkeitsmodell 1. Tatbestandsmerkmale 2. Sorgfaltsgemäße Vorhersehbarkeit 3. Sorgfaltsgemäße Vermeidbarkeit 4. Erlaubte Risiken und Vertrauensgrundsatz 5. Erlaubt riskantes Alternativverhalten 6. Die subjektiven Handlungselemente der Fahrlässigkeit IV. Das einstufige Fahrlässigkeitsmodell 1. Kritik des zweistufigen Modells 2. Individuelle Vermeidbarkeit V. Rechtswidrigkeit VI. Schuld 1. Zumutbarkeit 2. Allgemeine Schulderfordernisse 3. Notwehrexzess VII. Fahrlässigkeitsformen 1. Bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit 2. Leichtfertigkeit VIII. Gutachten: Der Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts 1. Das zweistufige Fahrlässigkeitsmodell 2. Das einstufige Fahrlässigkeitsmodell Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 34 Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen I. Allgemeines 1. Systematik 2. Konkrete Gefährdungen II. Erfolgsqualifizierte Delikte 1. Problem 2. Restriktive Auslegung 270 270 270 270 271 272 272 273 273 273 275 277 277 279 282 283 283 283 285 286 286 287 287 287 287 288 288 289 289 290 291 291 291 291 292 292 292 17 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt 3. Beteiligung III. Gutachtenaufbau Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 293 293 294 E. Unterlassungsdelikte § 35 Grundlagen I. Echte und unechte Unterlassungsdelikte II. Zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen 1. Verhältnis von Tun und Unterlassen 2. Einzelfragen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 36 Unechte Unterlassungsdelikte I. Allgemeines 1. Äquivalenz 2. Deliktsaufbau (Überblick) II. Deliktsmerkmale 1. Erfolgseintritt 2. Unterlassen 3. Kausalität 4. Garantenstellung 5. Objektive Zurechnung 6. Vorsatz und Irrtum 7. Fahrlässigkeit 8. Schuld III. Versuch und Rücktritt 1. Versuchsbeginn 2. Rücktritt IV. Zur Begründung von Garantenstellungen 1. Verpflichtungsgründe 2. Überwachergarantenstellung kraft Risikoherrschaft 3. Beschützergarantenstellung kraft institutioneller Fürsorge Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 37 Echte Unterlassungsdelikte I. Allgemeines II. Deliktsmerkmale 1. Objektiver Tatbestand 2. Sonstige Deliktsmerkmale Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 18 295 295 295 295 297 299 300 300 300 300 301 301 301 302 305 306 306 307 307 308 308 309 309 309 311 315 318 319 319 319 319 320 320 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt F. Beteiligung § 38 Grundlagen I. Allgemeines 1. Begriffe 2. Strafgrund der Teilnahme II. Akzessorietät 1. Schuldunabhängigkeit der Beteiligung 2. Akzessorietät der Teilnahme 3. Akzessorietätslockerung III. Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 1. Überblick 2. Subjektive Theorie 3. Materiell-objektive Theorie 4. Anwesenheit am Tatort 5. Sonderdelikte und eigenhändige Delikte 6. Beweisfragen IV. Beteiligung bei Fahrlässigkeit 1. Fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat 2. Vorsätzliche Beteiligung an fahrlässiger Tat 3. Fahrlässige Beteiligung an fahrlässiger Tat V. Beteiligung beim Unterlassungsdelikt 1. Aktive Teilnahme am Unterlassungsdelikt 2. Beteiligung durch Unterlassen Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 39 Alleintäterschaft I. Begriffe 1. Unmittelbarer Täter 2. Mittelbarer Täter 3. Nebentäter II. Mittelbare Täterschaft 1. Zurechnungsprinzip 2. Exzess des Tatmittlers 3. Gutachten III. Wichtige Fallgruppen mittelbarer Täterschaft 1. Defizite auf Tatbestandsebene 2. Defizite auf Rechtfertigungsebene 3. Defizite auf Schuldebene 4. Organisatorische Machtapparate 5. Unterlassen 6. Selbstverletzungen IV. Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft 1. Grundsatz 2. Stellen von Fallen 321 321 321 322 323 323 324 324 326 326 327 328 329 329 330 330 330 331 331 331 331 332 335 336 336 336 336 336 337 337 337 337 337 337 340 340 342 343 344 346 346 347 19 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt V. Irrtumsprobleme 1. Irrtum über die Tatherrschaft 2. Objektverwechslung beim Vordermann 348 348 351 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 352 § 40 Mittäterschaft I. Allgemeines 1. Begriff 2. Zurechnungsprinzip II. Voraussetzungen 1. Gemeinschaftliche Tatbegehung 2. Gemeinsamer Tatentschluss 3. Sondermerkmale 4. Sukzessive Mittäterschaft III. Versuchsbeginn 1. Grundsatz 2. Schein-Mittäterschaft IV. Exzess und Irrtum 1. Exzess eines Mittäters 2. Objektverwechslung 3. Irrtum über Verfolger V. Anwendung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 41 Anstiftung I. Voraussetzungen II. Haupttat III. Bestimmen 1. Definition 2. Anstiftung bei bereits gefasstem Tatentschluss 3. Zeitpunkt der Anstiftung 4. Anstiftung durch Unterlassen 5. Adressat IV. Anstiftervorsatz V. Irrtumsprobleme 1. Anstiftung zur Verletzung eigener Güter 2. Objektverwechslung des Haupttäters Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 42 Beihilfe I. Voraussetzungen II. Hilfeleistung 1. Formen der Beihilfe 2. Kausalität 3. Alltägliche Handlungen 4. Beihilfe durch und zu Unterlassungen 5. Sukzessive Beihilfe III. Gehilfenvorsatz 20 353 353 353 353 353 353 354 355 355 356 356 357 357 357 358 358 358 359 360 360 360 360 360 361 363 363 363 363 365 365 366 367 369 369 369 369 370 372 375 375 376 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt IV. Verhältnis zur Anstiftung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 43 Versuchte Beteiligung I. Allgemeines II. Versuchte Anstiftung (§ 30 I) 1. Der Versuch 2. Verbrechenscharakter der Haupttat 3. Vorsatz III. Strafbare Vorbereitungen (§ 30 II) 1. Überblick 2. Sich-Bereiterklären 3. Annahme des Erbietens 4. Verabredung IV. Verhältnis zum vollendeten Delikt V. Rücktritt vom Versuch der Beteiligung (§ 31) 1. Überblick 2. Verhältnis zu § 24 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 377 377 378 378 378 379 380 381 381 381 381 382 382 382 383 383 383 384 G. Konkurrenzen § 44 Grundlagen I. Gutachten 1. Problemstellung 2. Prüfungsreihenfolge 3. Überblick II. Begriffe Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 45 Kriterien der Handlungseinheit I. Überblick II. Handlung im „natürlichen“ Sinne III. Natürliche Handlungseinheit 1. Voraussetzungen 2. Iterative und sukzessive natürliche Handlungseinheit IV. Tatbestandliche Handlungseinheit V. Fortgesetzte Handlung Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 46 Gesetzeskonkurrenz I. Allgemeines 1. Begriff und Formen 2. Relevanz des zurücktretenden Gesetzes II. Spezialität III. Subsidiarität 385 385 385 385 386 387 387 388 388 388 388 388 390 390 391 391 392 392 392 392 392 393 21 http://www.nomos-shop.de/20606 Inhalt IV. Konsumtion 1. Abgrenzung 2. Bei unechter Tateinheit 3. Bei unechter Tatmehrheit 4. Straflosigkeit der Begleittat V. Gutachten Wiederholungs- und Vertiefungsfragen § 47 Tateinheit und Tatmehrheit I. Grundlagen der Tateinheit 1. Begriff 2. Festsetzung des Strafrahmens 3. Funktion II. Voraussetzungen der Tateinheit 1. Überblick 2. Tateinheit durch identische und teilidentische Handlungen 3. Tateinheit durch Klammerwirkung 4. Tateinheit aufgrund natürlicher Handlungseinheit 5. Tateinheit beim Unterlassen 6. Tateinheit und Beteiligung III. Tatmehrheit 1. Voraussetzungen 2. Prinzipien der Gesamtstrafenbildung 393 393 394 394 395 395 395 396 396 396 396 396 397 397 397 398 399 401 401 402 402 402 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 403 § 48 In dubio pro reo, Wahl- und Postpendenzfeststellung I. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ 1. Begriff und Anwendungsbereich 2. Gutachten II. Wahlfeststellung 1. Entscheidungssituation 2. Gleichartige Wahlfeststellung 3. Ungleichartige Wahlfeststellung III. Postpendenz und Praependenz 1. Postpendenz 2. Praependenz 404 404 404 405 405 405 405 406 407 407 408 Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 408 Definitionen 409 Stichwortverzeichnis 429 22 http://www.nomos-shop.de/20606 §2 § 2 Zur Legitimation des Strafrechts I. Die strafrechtlichen Normen 1. Begriff In einem der freien Entfaltung des Einzelnen dienenden demokratischen Gemeinwesen hat das Recht die Aufgabe, soziale Integration durch eine gewaltlose Verständigung darüber zu leisten, wie die unterschiedlichen Interessen der Bürger miteinander in Einklang zu bringen sind.1 Die Interessenkoordination erfolgt im Recht durch Normen. Normen sind (gesetzliche) Regeln, die sagen, welche Verhaltensweisen von Rechts wegen erlaubt (rechtmäßig) oder verboten (rechtswidrig) sind. Die Strafgesetze lassen sich in zweierlei Weise als Normen interpretieren, und zwar als Verhaltensnormen und als Sanktionsnormen:2 1 2. Verhaltens- und Sanktionsnormen a) Verhaltensnormen: Dem Umstand, dass § 239 I das Einsperren eines Menschen unter Strafe stellt, lässt sich zunächst entnehmen, dass es verboten ist, einen anderen einzusperren. § 32 I besagt dagegen, dass eine durch Notwehr gebotene Handlung erlaubt ist. Weil in diesen Fällen das im jeweiligen Gesetzestatbestand umschriebene Verhalten verboten oder erlaubt wird, spricht man von sog. strafrechtlichen Verhaltensnormen. Solche Verbote und Erlaubnisse gelten entweder für jedermann – es handelt sich dann um allgemeine Normen – oder nur für bestimmte Personen, zB mit der Errichtung öffentlicher Urkunden befasste Amtsträger in § 348; im letztgenannten Fall handelt es sich um Sondernormen. Jede Straftat setzt einen Verstoß gegen eine Verhaltensnorm voraus.3 2 Den Verboten und Erlaubnissen entsprechen Gebote und Freistellungen. Während die strafrechtlichen Verbotsnormen die Verwirklichung des gesetzlich umschriebenen Geschehens untersagen, also ein Unterlassen vorschreiben, ordnen die Gebotsnormen die Verhinderung des gesetzlich umschriebenen Geschehens an, schreiben also ein aktives Tun vor. So gebietet zB § 323c, bei Unglücksfällen zumutbare Hilfe zu leisten. Während Erlaubnisse von Verboten befreien – man darf in Notwehr einen anderen verletzen –, befreien Freistellungen von Geboten. So kann man zB von einer gebotenen Rettung freigestellt sein, wenn man sich selbst in einer Notstandssituation nach § 34 befindet. Auch bei den strafrechtlichen Gebotsnormen gibt es solche, die sich an jedermann richten, und solche, die nur bestimmte Personen, sog. Garanten, verpflichten.4 3 b) Sanktionsnormen: Die Strafgesetze lassen sich ferner als Normen interpretieren, die sich an den sog. Rechtsstab – Staatsanwaltschaft und Gerichte – wenden und vorschreiben, dass jemand unter bestimmten Bedingungen in einer bestimmten Weise strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen ist. So ordnet § 239 I zB an, dass der Täter einer Freiheitsberaubung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe zu bestrafen 4 1 Näher hierzu Kindhäuser ZStW 107 (1995), 701 (711 ff); Grundlegendes zu den einschlägigen Begriffen bei Hollerbach, Selbstbestimmung im Recht, 1996, 6 ff, 15 ff. 2 Näher zur strafrechtlichen Normentheorie Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 29 ff mwN; Überblick bei LK-Walter Vor § 13 Rn 17. 3 Demgemäß werden strafbare Verstöße gegen allgemeine Normen „Allgemeindelikte“ und strafbare Verstöße gegen Sondernormen „Sonderdelikte“ genannt, vgl § 8 Rn 15. 4 Strafbare Verstöße gegen Jedermann-Gebote werden „echte Unterlassungsdelikte“ genannt, während Pflichtverletzungen von Garanten Sonderdelikte sind, die als „unechte Unterlassungsdelikte“ bezeichnet werden; näher § 8 Rn 13 f. 35 http://www.nomos-shop.de/20606 §2 A. Das Strafgesetz ist. Da diese an den Rechtsstab adressierten Normen die Verhängung einer Sanktion zum Gegenstand haben, werden sie als Sanktionsnormen bezeichnet. Sanktionsnormen sind maW spezifische Verhaltensnormen (Sondernormen) für den Rechtsstab. Ein Verstoß gegen diese Verhaltensnormen ist im Übrigen seinerseits durch weitere Sanktionsnormen abgesichert, zB durch die Verbote der Strafvereitelung im Amt (§ 258a) und der Rechtsbeugung (§ 339). 5 c) Legitimationsbedarf: Da die Verhängung von Kriminalstrafe das schärfste staatliche Reaktionsmittel ist und am intensivsten in die (grundrechtlich geschützte) Freiheitssphäre des Bürgers eingreift, steht das Strafrecht unter einem besonders hohen Legitimationsdruck. Hierbei sind die Verhaltens- wie auch die Sanktionsnormen zu rechtfertigen. Es ist also einerseits zu begründen, welche Verhaltensnormen überhaupt in den Kreis der strafrechtlich sanktionierten Normen aufgenommen werden dürfen. Andererseits bedarf es des Nachweises, dass die Kriminalstrafe ein gerechtes und sachdienliches Sanktionsmittel zur Ahndung von Verstößen gegen Verhaltensnormen ist. II. Zur Legitimation der Verhaltensnormen (Rechtsgüterschutz) 6 Die strafrechtlichen Verhaltensnormen dienen nach heute ganz hM dem Schutz von Rechtsgütern.5 Rechtsgüter sind solche Eigenschaften von Personen, Sachen oder Institutionen, die – wie zB Leib, Leben, Freiheit, Eigentum, Rechtspflege – der freien Entfaltung des Einzelnen in einer rechts- und sozialstaatlich verfassten demokratischen Gesellschaft dienen.6 Das Strafrecht schützt diese Güter durch Normen, indem es Verhaltensweisen, durch die sie gefährdet oder verletzt werden, untersagt oder Verhaltensweisen, die ihrer Sicherung oder Erhaltung dienen, vorschreibt.7 Je nachdem, ob das geschützte Gut dem Einzelnen oder im Allgemeininteresse einer Institution – zB Verfassungsorganen (§ 105) oder dem Beweisverkehr (§ 267) – rechtlich zugeordnet ist, spricht man von Individual- oder Kollektivrechtsgütern.8 Allerdings untersagt das Strafrecht nicht jede Beeinträchtigung von Rechtsgütern, sondern hebt bestimmte Verhaltensweisen hervor, die – unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – vom Gesetzgeber als besonders sozialschädlich angesehen werden. Daher werden Schutzlücken durchaus in Kauf genommen; man spricht insoweit vom fragmentarischen Charakter des Strafrechts.9 So ist etwa der bloße Entzug einer fremden Sache grds10 nicht strafbar. Bei 5 Bottke Volk-FS 93 ff; Gimbernat Ordeig GA 2011, 284 ff; zum Rechtsgüterschutz als Schranke für den Strafgesetzgeber Kühl Stöckel-FS 117 (128 ff); zu Aufgaben und Grenzen des Strafrechts zuletzt Schünemann HerzbergFS 39 ff; ferner vertiefend Swoboda ZStW 122 (2010), 24 ff. 6 Im Einzelnen ist die Rechtsgutsbestimmung umstritten; häufig werden Rechtsgüter – ohne dass hierin ein sachlicher Unterschied liegt – auch als rechtlich positiv bewertete Interessen, Zustände o.ä. definiert, vgl Jescheck/Weigend § 26 I; Köhler 24 f; Roxin I § 2/7; ausf. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 38 ff; NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 108 ff; ferner Renzikowski GA 2007, 561 (566 ff), der auf die Rechtsbeziehungen zum Einzelnen abstellt, sowie die Beiträge in Hefendehl/von Hirsch/Wohlers (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie, 2003. 7 Zu Inhalt und Grenzen der Kriminalpolitik vgl NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 49 ff. 8 W-Beulke Rn 7; Otto § 1/32; eingehend Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002. Kollektivrechtsgüter werden teils auch (gleichbedeutend) als Universalrechtsgüter bezeichnet. 9 Vgl hierzu Hefendehl JA 2011, 401 ff; Kühl Tiedemann-FS 29 (35 ff); ders. Volk-FS 275 (283 f); Prittwitz in: Koch (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht, 1997, 145 ff; Vogel StV 1996, 110 ff. 10 Ausnahmen sind zB §§ 248b und 274 I Nr. 1. 36 http://www.nomos-shop.de/20606 §2 § 2 Zur Legitimation des Strafrechts einzelnen Verhaltensnormen kann außerdem problematisch sein, ob sie überhaupt ein (legitimes) Rechtsgut schützen.11 Rechtsgut ist die rechtlich positiv bewertete Eigenschaft als solche, also zB das Lebendigund Gesundsein eines Menschen oder die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Der konkrete Mensch oder das konkrete Objekt, dessen positiv bewertete Eigenschaft negativ verändert wird, wird demgegenüber als Tat- oder Handlungsobjekt bezeichnet.12 Exemplarisch: Tötet A den B durch einen Gewehrschuss, so ist B das Handlungsobjekt eines Totschlags iSv § 212. Dass A zugleich die Eigenschaft des B, lebendig zu sein, zerstört, ist die Verletzung des von der Norm des § 212 geschützten Rechtsguts. Denn das Tötungsverbot schützt das Rechtsgut Leben. 7 III. Zur Legitimation der Sanktionsnormen (Strafe) Die für das Strafrecht grundlegende Frage, woher der Staat das Recht nimmt, seine Bürger – mit ggf existenzbedrohenden Auswirkungen – zu bestrafen, wird seit Jahrhunderten im Grundsatz wie im Detail unterschiedlich beantwortet.13 Weitgehend außer Streit ist heute lediglich, dass der Staat berechtigt sein muss, zur Gewährleistung einer friedlichen Koexistenz seiner Bürger besonders sozialschädliche Verhaltensweisen mit Strafe zu bedrohen. Hierbei ist das Strafrecht als ultima ratio zu verstehen,14 das subsidiär nur eingreifen darf, wenn keine milderen Mittel ausreichen. Umstritten ist dagegen vor allem, ob mit der Androhung und Verhängung von Strafe bestimmte Zwecke verfolgt werden dürfen oder nicht. 8 1. Absolute Theorien Die sog. absoluten Straftheorien gehen davon aus, dass Strafe keinen anderen Zweck verfolgen darf als denjenigen, Antwort auf ein Fehlverhalten zu sein: „punitur, quia peccatum est“.15 Die maßgebliche absolute Straftheorie16 ist die in ihrer heutigen Fassung insbesondere durch Kant und Hegel geprägte Vergeltungstheorie.17 9 Nach Kant besteht die Aufgabe von Strafe in der Durchsetzung von Gerechtigkeit. Strafe darf immer nur gegen den Täter verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn ansonsten – bei zweckhafter Strafe – werde der Mensch bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt. Des Weiteren müsse Gerechtigkeit verwirklicht werden, weil die Verwirklichung von Gerechtigkeit ein kategorischer Imperativ sei. Gehe die Gerechtigkeit unter, so habe es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden lebten.18 Demgegenüber begreift Hegel die Straftat als Verletzung des Rechts iSe Negierung des Rechts: Die Rechtsverletzung erhebe einen Anspruch 10 11 Vgl etwa für das Verbot des Beischlafs zwischen Verwandten nach § 173 Schubarth Dencker-FS 273 ff; allgemein zu den verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Bestimmung von Rechtsgütern NK-Paeffgen Vor § 32 Rn 11 ff mwN. 12 Baumann/Weber/Mitsch § 3/18; Krey/Esser Rn 10; LK-Walter Vor § 13 Rn 14; zum Zeitpunkt seiner Bestimmung Streng JuS 2002, 454 ff. 13 Vgl nur NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 263 ff; Hörnle, Straftheorien, 2011; Jakobs ZStW 107 (1995), 843 ff; Kindhäuser ZStW 107 (1995), 701 ff; Köhler 37–46; Lesch JA 1994, 510 ff, 590 ff; Naucke § 1 Rn 138; Neumann/ Schroth, Neuere Theorien von Kriminalität und Strafe, 1980. 14 Vgl nur die Beiträge in Lüderssen u.a. (Hrsg.), Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, 1990. 15 So die auf Protagoras und Seneca zurückgehende Formel. 16 Zur (bedeutungslosen) sog. Sühnetheorie vgl Haft, Der Schulddialog, 1978. 17 Vgl auch Zaczyk, Das Strafrecht in der Rechtslehre J. G. Fichtes, 1981; ders. Otto-FS, 191 ff. 18 Metaphysik der Sitten, Erster Teil, II. Teil, 1. Abschnitt, Allgemeine Anmerkung E; zu Kants Strafrechtslehre Byrd/Hruschka JZ 2007, 957; Hruschka Puppe-FS 17; Küper Jung-FS 485. 37 http://www.nomos-shop.de/20606 §2 A. Das Strafgesetz auf Geltung, dem die Strafe als „Verletzung der Verletzung“ und somit als „Wiederherstellung des Rechts“ begegne: Strafe sei Negation der Negation des Rechts.19 2. Relative Theorien 11 Die sog. relativen Straftheorien sehen die Strafe dagegen als gerechtfertigt an, wenn sie einen bestimmten (legitimen) Zweck erreicht: „punitur, ne peccetur“. Relative Straftheorien sind die Spezial- und die Generalprävention, wobei letztere wiederum in den beiden Varianten einer negativen und einer positiven Generalprävention vertreten wird. 12 a) Spezialprävention: Adressat der Spezialprävention ist der konkrete Täter, der durch die Bestrafung von künftigen Taten abzuhalten sei. Dies geschieht nach Franz v. Liszt, der mit seinem sog. Marburger Programm das moderne Verständnis der Spezialprävention entscheidend geprägt hat,20 durch n Besserung (Resozialisierung) des besserungsfähigen und besserungsbedürftigen Verbrechers (Erziehung, Kastration usw); n Abschreckung des nicht besserungsbedürftigen Verbrechers (Abschreckung durch warnend gemeinte Strafen); n Unschädlichmachung (zB Sicherungsverwahrung) des nicht besserungsfähigen Verbrechers. 13 b) Negative Generalprävention: Adressat der negativen Generalprävention ist die Allgemeinheit. Die Strafe soll verhindern, dass (noch) andere als der konkrete Täter Straftaten begehen. Sie soll also einen psychologischen Zwang auf potenzielle Täter ausüben und sie durch das angedrohte Strafübel in den Bahnen des Rechts halten.21 Eine so verstandene Generalprävention ist negativ bezeichnet, weil sie die Strafe als Mittel der Abschreckung begreift: n Durch die Androhung der Strafe sollen alle Normadressaten von der Begehung der betreffenden Straftat abgehalten werden; n durch die Vollstreckung des Strafurteils wird der Ernst der Androhung verdeutlicht. 14 c) Positive Generalprävention: Auch nach der Lehre von der positiven Generalprävention wendet sich die Strafe an die Allgemeinheit, soll jedoch nicht abschrecken, sondern – positiv – Rechtstreue und Vertrauen in die Rechtsordnung bestärken.22 Nach diesem Ansatz ist Zweck der Androhung und Verhängung von Strafe die Sicherung der Geltung elementarer Normen freiheitlicher sozialer Integration.23 Es geht im Strafrecht nicht – wie im Polizeirecht – um Gefahrenabwehr, sondern um die Garantie der Erwartung in die wechselseitige Einhaltung der sanktionierten Verhaltensnormen. Jeder Bürger soll davon ausgehen können und dürfen, dass (möglichst) alle anderen die Norm zur Entscheidungsrichtlinie ihres Handelns machen. Das Strafrecht hat zu zeigen, dass diese 19 Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 99 ff; vgl auch Seelmann Jakobs-FS 635 ff. 20 ZStW 3 (1883), 1 ff; ihren gesetzlichen Niederschlag hat die Spezialprävention u.a. in §§ 46, 47 gefunden. 21 So insbesondere die sog. psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, §§ 13 ff. Näher und grundlegend hierzu Naucke, Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962. 22 Zur historischen Entwicklung von der Spezialprävention hin zur positiven Generalprävention in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl Terlinden, Von der Spezial- zur positiven Generalprävention, 2009. 23 Daher wird die positive Generalprävention auch als „Integrationsprävention“ verstanden; zu den im Detail differenzierten Varianten der positiven Generalprävention vgl nur NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 288 ff; Jakobs 1/4 ff; Kargl Rechtstheorie 1999, 371 ff; Kindhäuser Schroeder-FS 81 ff; Neumann Jakobs-FS 435 ff, jew. mwN. 38 http://www.nomos-shop.de/20606 §2 § 2 Zur Legitimation des Strafrechts wechselseitigen Erwartungen berechtigt und verlässlich sind, dass also derjenige, der sein eigenes Handeln an dieser Erwartung ausrichtet, nicht (dauerhaft) enttäuscht wird und umlernen muss. Wird die Erwartung nicht erfüllt, so wird mit der Verhängung von Strafe reagiert: Mit der Zufügung der Strafe wird ausgedrückt, dass dem Täter die Nichtbefolgung der Norm „verübelt“ wird, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen an Loyalität gegenüber dem Recht enttäuscht hat. Die Verhängung von Strafe verdeutlicht demnach, dass die Normverletzung durch den Täter unmaßgeblich ist und die Norm weiterhin als verbindliches Verhaltensmuster gilt. Je bedeutsamer die Norm für die rechtliche Ordnung der Gesellschaft nach deren Selbstverständnis ist, desto schwerer wiegt der (zu verantwortende) Normwiderspruch; kennzeichnend hierfür ist die Höhe der für das Delikt angedrohten Strafe. Zugleich wird dem Täter angetragen, das Strafübel als symbolische Reaktion der Enttäuschung über den durch sein Verhalten ausgedrückten Mangel an Rechtstreue anzunehmen: Betrachtete er seine Tat aus der Perspektive der anderen, müsste er von sich selbst enttäuscht sein und die Strafe als Vergeltung akzeptieren. 15 3. Vereinigungstheorie Die in der Rechtsprechung und großen Teilen der Lehre vertretene Vereinigungstheorie kombiniert Elemente der absoluten und relativen Straftheorien. Die Strafe soll grds zweckhaft sein, jedoch durch das Schuldprinzip iSd Vergeltungstheorie begrenzt werden.24 Vom Ansatz einer positiven Generalprävention her bedarf es jedoch einer solchen Begrenzung nicht, da eine der Verantwortlichkeit des Täters für den Normbruch nicht mehr angemessene Strafe keine soziale Integration leistet; eine überharte Strafe ist kein gerechter Ausgleich einer enttäuschten Erwartung. 16 Teils werden die Elemente der Vereinigungstheorie auch auf einzelne Aspekte der Strafe bezogen;25 so soll 17 n die Strafandrohung abschreckend generalpräventiv, n die Strafverhängung vergeltend (schuldangemessen) und n die Strafvollstreckung spezialpräventiv ausgerichtet sein. Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 18 > Was ist unter Verhaltensnormen, was unter Sanktionsnormen zu verstehen und wer ist ihr jeweiliger Adressat? (Rn 1 ff) > Welchem Zweck dienen die strafrechtlichen Verhaltensnormen? (Rn 6 f) > Was ist unter absoluten, was unter relativen Straftheorien zu verstehen? (Rn 8 ff) 24 Vgl BVerfGE 21, 391 (403 f); 54, 100 (108); Jescheck/Weigend § 8 V; zur Rechtsprechung des BVerfG, welches bislang die positive Formulierung einer eigenen Straftheorie abgelehnt hat, ausf. Roxin Volk-FS 602 ff. 25 Vgl NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 240; Schroeder Otto-FS 165 ff, jew. mwN. 39