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NomosLehrbuch
NomosLehrbuch
Strafrecht
Allgemeiner Teil
7. Auflage
7. Auflage
Strafrecht | Allgemeiner Teil
Kindhäuser
Kindhäuser
ISBN 978-3-8487-0605-1
Nomos
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NomosLehrbuch
Prof. Dr. Dres. h.c. Urs Kindhäuser,
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Strafrecht
Allgemeiner Teil
7. Auflage
Nomos
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8487-0605-1
7. völlig neu überarbeitete Auflage 2015
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2015. Printed in Germany. Alle
Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
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Vorwort
Dieses Lehrbuch zum Allgemeinen Teil des Strafrechts versteht sich als eine komprimierte, den Examensstoff abdeckende Darstellung der allgemeinen Straftatlehre, die
sich gleichermaßen zur Einführung wie auch Wiederholung eignet. Im Vordergrund
steht die Erläuterung der strafrechtlichen Fachsprache und der einzelnen Prüfungsschritte nach Maßgabe der Logik des Deliktsaufbaus. Diesem Hauptteil, mit dem das
„technische“ Studium beginnt, sind Ausführungen zur sozialen Funktion des Strafrechts, zu den (verfassungs-)rechtlichen Prämissen und zur Methodologie vorausgeschickt. Auf solche Vorüberlegungen ist nicht selten zurückzugreifen, wenn es gilt, Argumente zur Entscheidung von Streitfragen zu gewinnen.
Für die 7. Auflage wurde das Lehrbuch durchgehend aktualisiert und völlig überarbeitet. Für ihre Unterstützung bei der Neubearbeitung habe ich Frau Lisa Wüstefeld und
Herrn Wahis Afschar, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Strafrechtlichen Institut,
herzlich zu danken. Zu danken habe ich ferner für manche Anregung und vor allem
für die engagierte Hilfe bei den Korrekturen den Damen und Herren Jennifer Brosch,
Leonie Erdmann, Nilani Fernando, Britta Hahn, Geraldine Laux, Eva-Maria Marxen,
Dr. Alexandra Pohl, Lukas Schefer, Jan Schlöter, Peter Schneider und Anselm-Leander
Wancke. Für die vorzügliche Organisation von Sekretariat und Bibliothek bin ich wie
stets Frau Jacqueline Götsche verbunden.
Bonn, im Januar 2015
Urs Kindhäuser
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Inhalt
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Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
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A. Das Strafgesetz
Erster Abschnitt: Das Strafrecht im Rechtssystem
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§1
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31
32
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33
33
34
Der strafrechtlich relevante Konflikt
I. Abgrenzungen
1. Definitionen
2. Stellung im Rechtssystem
II. Erfassung des Konflikts
III. Entscheidung des Konflikts
1. Strafverfahren
2. Urteil und Gutachten
3. Zweispurigkeit der Rechtsfolgen
4. Strafen
5. Maßregeln und weitere Maßnahmen
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§2
Zur Legitimation des Strafrechts
I. Die strafrechtlichen Normen
1. Begriff
2. Verhaltens- und Sanktionsnormen
II. Zur Legitimation der Verhaltensnormen (Rechtsgüterschutz)
III. Zur Legitimation der Sanktionsnormen (Strafe)
1. Absolute Theorien
2. Relative Theorien
3. Vereinigungstheorie
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Zweiter Abschnitt: Gesetzlichkeit und Geltung des Strafrechts
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§3
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42
Die Gesetzlichkeit des Strafrechts (Tatbestandsfunktionen)
I. Gesetzlichkeitsprinzip
II. Garantiefunktionen und Auslegung
1. Verbot des Gewohnheitsrechts
2. Das Rückwirkungsverbot
3. Das Bestimmtheitsgebot
4. Analogieverbot und Auslegung
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Inhalt
§4
Der Geltungsbereich des StGB
I. Zeitliche Geltung, Tatzeit und Tatort
1. Grundregel und Modifikationen
2. Tatzeitpunkt
3. Tatort
II. Räumliche und personelle Geltung
1. Internationales Strafrecht
2. Geltungsprinzipien
III. Gutachten
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B. Allgemeine Straftatlehre
§5
Die Straftat als Normwiderspruch
I. Wissenschaftliche Zwecksetzung
II. Der Normwiderspruch
1. Begriff und Deliktsaufbau
2. Handlungs- und Antriebssteuerung
III. Handlungstheorien
1. Finale Lehre
2. Soziale und personale Lehre
3. Intentionale Normbefolgungsfähigkeit
4. Kausale Lehre
IV. Gutachten
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§6
Der Deliktsaufbau
I. Die rechtswidrige und schuldhafte Tat
1. Unrecht und Schuld
2. Feststellung des Unrechts
3. Feststellung der Schuld
4. Zwei- oder dreistufiger Deliktsaufbau
II. Objektive Strafbarkeitsbedingungen
III. Persönliche Strafausschließungs-, Strafaufhebungs- und
Strafeinschränkungsgründe
1. Persönliche Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe
2. Persönliche Strafeinschränkungsgründe
IV. Prozessvoraussetzungen, insbesondere Strafantrag
1. Prozessvoraussetzungen
2. Antragsdelikte
V. Gutachten
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§7
Handeln für einen anderen
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Inhalt
C. Das vorsätzliche Begehungsdelikt
Erster Abschnitt: Grundlagen der Tatbestandslehre
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§8
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Begriff und Formen des Deliktstatbestands
I. Begriff und Abgrenzung
1. Funktion und Herkunft
2. Gesamttatbewertende Merkmale
3. Tatbestand und Rechtswidrigkeit
4. Weitere Begriffsverwendungen
II. Tatbestandsabwandlungen
1. Grundtatbestand, Qualifikation und Privilegierung
2. Regelbeispiele
3. Delictum sui generis
III. Deliktstypen
1. Begehungsdelikte
2. Allgemeindelikte
3. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte
4. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte
5. Eigenhändige Delikte
6. Dauerdelikte
7. Zustandsdelikte
8. Unternehmensdelikte
9. Antragsdelikte
IV. Verbrechen und Vergehen
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§9
Der Inhalt des Deliktstatbestands
I. Objektiver und subjektiver Deliktstatbestand
1. Begriff und Funktion
2. Handlungs- und Erfolgsunrecht
II. Typen von Tatbestandsmerkmalen
1. Deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale
2. Blankettmerkmale
III. Vollendung, Versuch, Beendigung
1. Definitionen
2. Gutachten
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Zweiter Abschnitt: Der objektive Deliktstatbestand
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§ 10 Erfolg, Handlung und Kausalität
I. Die strafrechtliche Funktion der Kausalität
1. Funktionaler Kausalbegriff
2. Rechtsgüterschutz
3. Begriff des Erfolgs
4. Zeitliche Perspektive
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Inhalt
II. Der Kausalitätsnachweis
1. Äquivalenz- oder Bedingungstheorie
2. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
3. Modifizierte condicio-sine-qua-non-Formel
III. Einzelfragen
1. Konkreter Erfolg und hypothetische Kausalverläufe
2. Äquivalenz und atypische Verläufe
3. Überholende und abgebrochene Kausalverläufe
4. Kumulative Kausalität
5. Alternative Kausalität (Doppelkausalität)
6. Abbruch rettender Kausalverläufe
7. Gremienentscheidungen
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§ 11 Objektive Zurechnung beim Erfolgsdelikt
I. Kausalität und objektive Zurechnung
II. Gegenstand der objektiven Zurechnung
III. Ursache und Risiko
1. Risikobegriff
2. Konkrete Risiken und übliches Sozialverhalten
3. Hypothetische Schadensverläufe
4. Risikoverringerung
5. Schutzzweck der Norm
IV. Risikozuständigkeit
1. Grundsatz
2. Eigenverantwortlichkeitsprinzip
3. Voraussetzungen
4. Phase der Gefahrrealisierung
5. Verbotene Mitwirkung
V. Eingreifen Dritter
1. Regressverbot
2. Folgerisiken
3. Retterfälle
VI. Gutachten
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§ 12 Einwilligung
I. Allgemeines
1. Begriff
2. Deliktssystematische Einordnung
3. Bezug
II. Wirksamkeit
1. Voraussetzungen
2. Bedingungen
3. Stellvertretung
4. Widerruf
5. Willensmängel
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Inhalt
III. Abgrenzung: Einverständnis
1. Begriff
2. Voraussetzungen
IV. Einverständliche Fremdgefährdung
1. Begriff
2. Einordnung
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Dritter Abschnitt: Der subjektive Deliktstatbestand
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§ 13 Der Vorsatz
I. Allgemeines
1. Elemente des Vorsatzes
2. Deliktssystematische Einordnung
II. Zeitpunkt und Gegenstand der Vorsatzzurechnung
1. Zeitpunkt
2. Gegenstand
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§ 14 Arten des Vorsatzes
I. Absicht und direkter Vorsatz
1. Absicht
2. Direkter Vorsatz (dolus directus)
II. Bedingter Vorsatz
1. Grundlagen
2. Zum Meinungsstand
3. Folgerungen und Definition
III. Verbindung mehrerer Vorsätze und dolus generalis
1. Dolus cumulativus und alternativus
2. Dolus generalis
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Vierter Abschnitt: Rechtswidrigkeit
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§ 15 Grundlagen
I. Allgemeines
1. Begriff
2. Begründung und Geltungsbereich
3. Gutachten
II. Der Erlaubnistatbestand
III. Wichtige Rechtfertigungsgründe
1. Grundsatz
2. Überblick
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Inhalt
§ 16 Notwehr
I. Allgemeines
1. Begriff
2. Voraussetzungen und Gutachtenaufbau
II. Notwehrlage
1. Angriff
2. Gegenstand
3. Gegenwärtigkeit
4. Rechtswidrigkeit
III. Notwehrhandlung
1. Verteidigung
2. Erforderlichkeit
3. Gebotenheit
IV. Subjektive Rechtfertigung
V. Einschränkungen der Notwehrbefugnis
1. Fallgruppen
2. Bagatellangriffe
3. Krasses Missverhältnis
4. Angriffe Schuldloser
5. Angriffe innerhalb von Garantenstellungen
6. Provozierte oder sonst verschuldete Notwehrlage
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 17 Rechtfertigender Notstand
I. Begriff und Systematik
1. Begriff
2. Systematik
3. Rechtfertigender und entschuldigender Notstand
II. Der rechtfertigende Notstand (§ 34)
1. Allgemeines
2. Notstandslage
3. Notstandshandlung
4. Subjektive Rechtfertigung
5. Gutachtenaufbau
III. Der zivilrechtliche aggressive Notstand (§ 904 BGB)
IV. Der defensive Notstand (§ 228 BGB, § 34)
1. Begriff und Voraussetzungen
2. Rechtsgrundlage
3. Gutachtenaufbau
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§ 18 Rechtfertigende Pflichtenkollision
I. Allgemeines
II. Voraussetzungen
III. Pflichtverletzung
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Inhalt
§ 19 Mutmaßliche Einwilligung
I. Allgemeines
II. Anwendungsbereich
1. Voraussetzungen
2. Fallgruppen
3. Ermittlung des mutmaßlichen Willens
III. Abgrenzung zur hypothetischen Einwilligung
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 20 Sonstige Rechtfertigungsgründe
I. Vorläufige Festnahme (§ 127 Abs. 1 StPO)
1. Tat
2. Tatfrische
3. Mittel der Festnahme
4. Subjektive Rechtfertigung
II. Zivilrechtliche Selbsthilfe
1. §§ 229, 230 BGB
2. Weitere Selbsthilferegelungen
III. Zusendung unbestellter Leistungen (§ 241a BGB)
IV. Züchtigungs- und Erziehungsrecht
1. Erziehungs- und Sorgerecht
2. Schule und Berufsausbildung
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Fünfter Abschnitt: Schuld
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§ 21 Grundlagen
I. Das Schuldprinzip
II. Der Schuldbegriff
1. Schuld im formellen Sinne
2. Schuld im materiellen Sinne
III. Der Schuldtatbestand
IV. Unzumutbarkeit und übergesetzlicher Notstand
1. Unzumutbarkeit normgemäßen Handelns
2. Übergesetzlicher Notstand
3. Religiöse Gewissenskonflikte
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§ 22 Schuldfähigkeit
I. Allgemeines
II. Schuldunfähigkeit nach § 20
1. Zweistufige Merkmalsanordnung
2. Rauschzustände
III. Einschränkungen
IV. Anwendung
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Inhalt
§ 23 Actio libera in causa
I. Allgemeines
1. Grundsätze
2. Koinzidenzprinzip
II. Das Ausnahmemodell
1. Konstruktion
2. Einwände
III. Das Tatbestandsmodell
1. Konstruktionen
2. Einwände
IV. Folgerungen
1. Verfassungswidrigkeit?
2. Differenzierende Betrachtung
3. Rückgriff auf § 323a
V. Gutachten
1. Aufbauprobleme
2. Gutachtenaufbau
VI. Actio libera in causa beim Fahrlässigkeitsdelikt
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 24 Entschuldigender Notstand
I. Allgemeines
II. Voraussetzungen
1. Notstandslage
2. Notstandshandlung
3. Rettungswille
4. Keine Zumutbarkeit
III. Anwendung
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 25 Notwehrexzess
I. Allgemeines
II. Der intensive Notwehrexzess
III. Der extensive Notwehrexzess
IV. Subjektive Tatseite
V. Putativnotwehrexzess
VI. Anwendung
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Sechster Abschnitt: Irrtumslehre
211
§ 26 Grundlagen
I. Allgemeines
1. Irrtumsformen
2. Gegenstand des Irrtums
3. Rechtsfolgen des Irrtums
II. Irrtümer über sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen
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Inhalt
III. Schematischer Überblick
IV. Gutachten
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§ 27 Tatbestandsirrtum
I. Gesetzliche Regelung
1. § 16 Abs. 1
2. § 16 Abs. 2
II. Gegenstand des Irrtums
1. Begriff des Tatumstands
2. Abgrenzung zum Subsumtionsirrtum
3. Normative Tatumstände
4. Tatbestandsalternativen
5. Tatbestands- und Verbotsirrtum im Gutachten
III. Einzelfragen
1. Error in persona vel objecto
2. Irrtum über den Kausalverlauf
3. Irrtum über den Vollendungszeitpunkt
4. Aberratio ictus
5. Irrtum bei der actio libera in causa
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§ 28 Verbotsirrtum und Irrtum über Entschuldigungsgründe
I. Der Verbotsirrtum
1. Schuld- und Vorsatztheorie
2. Unrechtsbewusstsein
II. Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums
III. Der Irrtum über Entschuldigungsgründe
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 29 Irrtum über Rechtfertigungsvoraussetzungen
I. Systematik
II. Verkennung einer Rechtfertigungslage
III. Der Erlaubnistatbestandsirrtum
1. Begriff
2. Deliktssystematische Einordnung
3. Folgerungen
4. Gutachten
5. Irrtümer über die Eigenschaften normativer
Erlaubnistatbestandsmerkmale
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Siebter Abschnitt: Versuch
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§ 30 Grundlagen
I. Allgemeines
1. Begriff
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Inhalt
2. Gutachtenaufbau
3. Strafwürdigkeit
II. Formen des Versuchs
1. Tauglicher und untauglicher Versuch
2. Versuch beim erfolgsqualifizierten Delikt
3. Fahrlässiger Versuch
III. Versuch und Wahndelikt
1. Abgrenzung
2. Normative Tatbestandsmerkmale
3. Sonderdelikte
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§ 31 Vorbereitung und Versuch
I. Allgemeines
II. Tatentschluss
1. Begriff
2. Unbedingtheit
3. Vorsatzform
III. Unmittelbares Ansetzen
1. Voraussetzungen
2. Abgrenzung
IV. Versuchsbeginn bei der actio libera in causa
1. Ausnahmemodell
2. Tatbestandsmodell
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§ 32 Rücktritt vom Versuch
I. Allgemeines
1. Grundlagen
2. Normzweck
3. Tätige Reue
II. Rücktrittsrelevante Versuchsformen
1. Fehlgeschlagener Versuch
2. Unbeendeter und beendeter Versuch
3. Überblick
III. Rücktritt vom unbeendeten Versuch
1. Zum unbeendeten Versuch
2. Aufgeben der Tat
3. Freiwilligkeit
IV. Rücktritt vom beendeten Versuch
1. Beendeter und nicht fehlgeschlagener Versuch
2. Verhindern der Vollendung
3. Einzelaktstheorie
V. Rücktritt bei ernsthaftem Bemühen
VI. Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten
1. Fallgruppen
2. Voraussetzungen
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Inhalt
VII. Einzelfragen
1. Rücktritt bei objektiv nicht zurechenbarem Erfolg
2. Rücktritt vom qualifizierten Versuch
3. Erfolgsqualifizierte Delikte
4. Unternehmensdelikte
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D. Das fahrlässige Begehungsdelikt
§ 33 Fahrlässigkeit
I. Allgemeines
1. Strafbarkeit
2. Funktion der Fahrlässigkeitshaftung
3. Begriff und historische Entwicklung
II. Die Merkmale der Fahrlässigkeitstat
1. Überblick
2. Gliederung
III. Das zweistufige Fahrlässigkeitsmodell
1. Tatbestandsmerkmale
2. Sorgfaltsgemäße Vorhersehbarkeit
3. Sorgfaltsgemäße Vermeidbarkeit
4. Erlaubte Risiken und Vertrauensgrundsatz
5. Erlaubt riskantes Alternativverhalten
6. Die subjektiven Handlungselemente der Fahrlässigkeit
IV. Das einstufige Fahrlässigkeitsmodell
1. Kritik des zweistufigen Modells
2. Individuelle Vermeidbarkeit
V. Rechtswidrigkeit
VI. Schuld
1. Zumutbarkeit
2. Allgemeine Schulderfordernisse
3. Notwehrexzess
VII. Fahrlässigkeitsformen
1. Bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit
2. Leichtfertigkeit
VIII. Gutachten: Der Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts
1. Das zweistufige Fahrlässigkeitsmodell
2. Das einstufige Fahrlässigkeitsmodell
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 34 Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen
I. Allgemeines
1. Systematik
2. Konkrete Gefährdungen
II. Erfolgsqualifizierte Delikte
1. Problem
2. Restriktive Auslegung
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Inhalt
3. Beteiligung
III. Gutachtenaufbau
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E. Unterlassungsdelikte
§ 35 Grundlagen
I. Echte und unechte Unterlassungsdelikte
II. Zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen
1. Verhältnis von Tun und Unterlassen
2. Einzelfragen
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 36 Unechte Unterlassungsdelikte
I. Allgemeines
1. Äquivalenz
2. Deliktsaufbau (Überblick)
II. Deliktsmerkmale
1. Erfolgseintritt
2. Unterlassen
3. Kausalität
4. Garantenstellung
5. Objektive Zurechnung
6. Vorsatz und Irrtum
7. Fahrlässigkeit
8. Schuld
III. Versuch und Rücktritt
1. Versuchsbeginn
2. Rücktritt
IV. Zur Begründung von Garantenstellungen
1. Verpflichtungsgründe
2. Überwachergarantenstellung kraft Risikoherrschaft
3. Beschützergarantenstellung kraft institutioneller Fürsorge
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 37 Echte Unterlassungsdelikte
I. Allgemeines
II. Deliktsmerkmale
1. Objektiver Tatbestand
2. Sonstige Deliktsmerkmale
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Inhalt
F. Beteiligung
§ 38 Grundlagen
I. Allgemeines
1. Begriffe
2. Strafgrund der Teilnahme
II. Akzessorietät
1. Schuldunabhängigkeit der Beteiligung
2. Akzessorietät der Teilnahme
3. Akzessorietätslockerung
III. Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
1. Überblick
2. Subjektive Theorie
3. Materiell-objektive Theorie
4. Anwesenheit am Tatort
5. Sonderdelikte und eigenhändige Delikte
6. Beweisfragen
IV. Beteiligung bei Fahrlässigkeit
1. Fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat
2. Vorsätzliche Beteiligung an fahrlässiger Tat
3. Fahrlässige Beteiligung an fahrlässiger Tat
V. Beteiligung beim Unterlassungsdelikt
1. Aktive Teilnahme am Unterlassungsdelikt
2. Beteiligung durch Unterlassen
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 39 Alleintäterschaft
I. Begriffe
1. Unmittelbarer Täter
2. Mittelbarer Täter
3. Nebentäter
II. Mittelbare Täterschaft
1. Zurechnungsprinzip
2. Exzess des Tatmittlers
3. Gutachten
III. Wichtige Fallgruppen mittelbarer Täterschaft
1. Defizite auf Tatbestandsebene
2. Defizite auf Rechtfertigungsebene
3. Defizite auf Schuldebene
4. Organisatorische Machtapparate
5. Unterlassen
6. Selbstverletzungen
IV. Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft
1. Grundsatz
2. Stellen von Fallen
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V. Irrtumsprobleme
1. Irrtum über die Tatherrschaft
2. Objektverwechslung beim Vordermann
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Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
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§ 40 Mittäterschaft
I. Allgemeines
1. Begriff
2. Zurechnungsprinzip
II. Voraussetzungen
1. Gemeinschaftliche Tatbegehung
2. Gemeinsamer Tatentschluss
3. Sondermerkmale
4. Sukzessive Mittäterschaft
III. Versuchsbeginn
1. Grundsatz
2. Schein-Mittäterschaft
IV. Exzess und Irrtum
1. Exzess eines Mittäters
2. Objektverwechslung
3. Irrtum über Verfolger
V. Anwendung
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 41 Anstiftung
I. Voraussetzungen
II. Haupttat
III. Bestimmen
1. Definition
2. Anstiftung bei bereits gefasstem Tatentschluss
3. Zeitpunkt der Anstiftung
4. Anstiftung durch Unterlassen
5. Adressat
IV. Anstiftervorsatz
V. Irrtumsprobleme
1. Anstiftung zur Verletzung eigener Güter
2. Objektverwechslung des Haupttäters
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 42 Beihilfe
I. Voraussetzungen
II. Hilfeleistung
1. Formen der Beihilfe
2. Kausalität
3. Alltägliche Handlungen
4. Beihilfe durch und zu Unterlassungen
5. Sukzessive Beihilfe
III. Gehilfenvorsatz
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Inhalt
IV. Verhältnis zur Anstiftung
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§ 43 Versuchte Beteiligung
I. Allgemeines
II. Versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1)
1. Der Versuch
2. Verbrechenscharakter der Haupttat
3. Vorsatz
III. Strafbare Vorbereitungen (§ 30 Abs. 2)
1. Überblick
2. Sich-Bereiterklären
3. Annahme des Erbietens
4. Verabredung
IV. Verhältnis zum vollendeten Delikt
V. Rücktritt vom Versuch der Beteiligung (§ 31)
1. Überblick
2. Verhältnis zu § 24
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G. Konkurrenzen
§ 44 Grundlagen
I. Gutachten
1. Problemstellung
2. Prüfungsreihenfolge
3. Überblick
II. Begriffe
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§ 45 Kriterien der Handlungseinheit
I. Überblick
II. Handlung im „natürlichen“ Sinne
III. Natürliche Handlungseinheit
1. Voraussetzungen
2. Iterative und sukzessive natürliche Handlungseinheit
IV. Tatbestandliche Handlungseinheit
V. Fortgesetzte Handlung
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 46 Gesetzeskonkurrenz
I. Allgemeines
1. Begriff und Formen
2. Relevanz des zurücktretenden Gesetzes
II. Spezialität
III. Subsidiarität
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Inhalt
IV. Konsumtion
1. Abgrenzung
2. Bei unechter Tateinheit
3. Bei unechter Tatmehrheit
4. Straflosigkeit der Begleittat
V. Gutachten
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
§ 47 Tateinheit und Tatmehrheit
I. Grundlagen der Tateinheit
1. Begriff
2. Festsetzung des Strafrahmens
3. Funktion
II. Voraussetzungen der Tateinheit
1. Überblick
2. Tateinheit durch identische und teilidentische Handlungen
3. Tateinheit durch Klammerwirkung
4. Tateinheit aufgrund natürlicher Handlungseinheit
5. Tateinheit beim Unterlassen
6. Tateinheit und Beteiligung
III. Tatmehrheit
1. Voraussetzungen
2. Prinzipien der Gesamtstrafenbildung
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§ 48 In dubio pro reo, Wahl- und Postpendenzfeststellung
I. Der Grundsatz „in dubio pro reo“
1. Begriff und Anwendungsbereich
2. Gutachten
II. Wahlfeststellung
1. Entscheidungssituation
2. Gleichartige Wahlfeststellung
3. Ungleichartige Wahlfeststellung
III. Postpendenz und Praependenz
1. Postpendenz
2. Praependenz
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Definitionen
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Stichwortverzeichnis
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§2
§ 2 Zur Legitimation des Strafrechts
I. Die strafrechtlichen Normen
1. Begriff
1
In einem der freien Entfaltung des Einzelnen dienenden demokratischen Gemeinwesen
hat das Recht die Aufgabe, soziale Integration durch eine gewaltlose Verständigung
darüber zu leisten, wie die unterschiedlichen Interessen der Bürger miteinander in Einklang zu bringen sind.1 Die Interessenkoordination erfolgt im Recht durch Normen.
Normen sind (gesetzliche) Regeln, die sagen, welche Verhaltensweisen von Rechts wegen erlaubt (rechtmäßig) oder verboten (rechtswidrig) sind. Die Strafgesetze lassen sich
in zweierlei Weise als Normen interpretieren, und zwar als Verhaltensnormen und als
Sanktionsnormen:2
2. Verhaltens- und Sanktionsnormen
2
a) Verhaltensnormen: Dem Umstand, dass § 239 Abs. 1 das Einsperren eines Menschen unter Strafe stellt, lässt sich zunächst entnehmen, dass es verboten ist, einen anderen einzusperren. § 32 Abs. 1 besagt dagegen, dass eine durch Notwehr gebotene
Handlung erlaubt ist. Weil in diesen Fällen das im jeweiligen Gesetzestatbestand umschriebene Verhalten verboten oder erlaubt wird, spricht man von sog. strafrechtlichen
Verhaltensnormen. Solche Verbote und Erlaubnisse gelten entweder für jedermann –
es handelt sich dann um allgemeine Normen – oder nur für bestimmte Personen, zB
mit der Errichtung öffentlicher Urkunden befasste Amtsträger in § 348; im letztgenannten Fall handelt es sich um Sondernormen. Jede Straftat setzt einen Verstoß gegen
eine Verhaltensnorm voraus.3
3
Den Verboten und Erlaubnissen entsprechen Gebote und Freistellungen. Während die
strafrechtlichen Verbotsnormen die Verwirklichung des gesetzlich umschriebenen Geschehens untersagen, also ein Unterlassen vorschreiben, ordnen die Gebotsnormen die
Verhinderung des gesetzlich umschriebenen Geschehens an, schreiben also ein aktives
Tun vor. So gebietet zB § 323c, bei Unglücksfällen zumutbare Hilfe zu leisten. Während Erlaubnisse von Verboten befreien – man darf in Notwehr einen anderen verletzen –, befreien Freistellungen von Geboten. So kann man zB von einer gebotenen Rettung freigestellt sein, wenn man sich selbst in einer Notstandssituation nach § 34 befindet. Auch bei den strafrechtlichen Gebotsnormen gibt es solche, die sich an
jedermann richten, und solche, die nur bestimmte Personen, sog. Garanten, verpflichten.4
4
b) Sanktionsnormen: Die Strafgesetze lassen sich ferner als Normen interpretieren, die
sich an den sog. Rechtsstab – Staatsanwaltschaft und Gerichte – wenden und vorschreiben, dass jemand unter bestimmten Bedingungen in einer bestimmten Weise
1 Näher hierzu Kindhäuser ZStW 107 (1995), 701 (711 ff); Grundlegendes zu den einschlägigen Begriffen bei Hollerbach, Selbstbestimmung im Recht, 1996, 6 ff, 15 ff.
2 Näher zur strafrechtlichen Normentheorie Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 29 ff mwN; Überblick
bei LK-Walter Vor § 13 Rn 17.
3 Demgemäß werden strafbare Verstöße gegen allgemeine Normen „Allgemeindelikte“ und strafbare Verstöße gegen Sondernormen „Sonderdelikte“ genannt, vgl § 8 Rn 15.
4 Strafbare Verstöße gegen Jedermann-Gebote werden „echte Unterlassungsdelikte“ genannt, während
Pflichtverletzungen von Garanten Sonderdelikte sind, die als „unechte Unterlassungsdelikte“ bezeichnet
werden; näher § 8 Rn 13 f.
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§2
§ 2 Zur Legitimation des Strafrechts
strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen ist. So ordnet § 239 Abs. 1 zB an, dass der
Täter einer Freiheitsberaubung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe zu bestrafen ist. Da diese an den Rechtsstab adressierten Normen die Verhängung einer Sanktion zum Gegenstand haben, werden sie als Sanktionsnormen bezeichnet. Sanktionsnormen sind maW spezifische Verhaltensnormen (Sondernormen) für
den Rechtsstab. Ein Verstoß gegen diese Verhaltensnormen ist im Übrigen seinerseits
durch weitere Sanktionsnormen abgesichert, zB durch die Verbote der Strafvereitelung
im Amt (§ 258a) und der Rechtsbeugung (§ 339).
c) Legitimationsbedarf: Da die Verhängung von Kriminalstrafe das schärfste staatliche
Reaktionsmittel ist und am intensivsten in die (grundrechtlich geschützte) Freiheitssphäre des Bürgers eingreift, steht das Strafrecht unter einem besonders hohen Legitimationsdruck. Hierbei sind die Verhaltens- wie auch die Sanktionsnormen zu rechtfertigen. Es ist also einerseits zu begründen, welche Verhaltensnormen überhaupt in den
Kreis der strafrechtlich sanktionierten Normen aufgenommen werden dürfen. Andererseits bedarf es des Nachweises, dass die Kriminalstrafe ein gerechtes und sachdienliches Sanktionsmittel zur Ahndung von Verstößen gegen Verhaltensnormen ist.
5
II. Zur Legitimation der Verhaltensnormen (Rechtsgüterschutz)
Die strafrechtlichen Verhaltensnormen dienen nach heute ganz hM dem Schutz von
Rechtsgütern.5 Rechtsgüter sind solche Eigenschaften von Personen, Sachen oder Institutionen, die – wie zB Leib, Leben, Freiheit, Eigentum, Rechtspflege – der freien Entfaltung des Einzelnen in einer rechts- und sozialstaatlich verfassten demokratischen
Gesellschaft dienen.6 Das Strafrecht schützt diese Güter durch Normen, indem es Verhaltensweisen, durch die sie gefährdet oder verletzt werden, untersagt oder Verhaltensweisen, die ihrer Sicherung oder Erhaltung dienen, vorschreibt.7 Je nachdem, ob das
geschützte Gut dem Einzelnen oder im Allgemeininteresse einer Institution – zB Verfassungsorganen (§ 105) oder dem Beweisverkehr (§ 267) – rechtlich zugeordnet ist,
spricht man von Individual- oder Kollektivrechtsgütern.8 Allerdings untersagt das
Strafrecht nicht jede Beeinträchtigung von Rechtsgütern, sondern hebt bestimmte Verhaltensweisen hervor, die – unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – vom Gesetzgeber als besonders sozialschädlich angesehen werden.
Daher werden Schutzlücken durchaus in Kauf genommen; man spricht insoweit vom
fragmentarischen Charakter des Strafrechts.9 So ist etwa der bloße Entzug einer fremden Sache grds10 nicht strafbar. Bei einzelnen Verhaltensnormen kann außerdem problematisch sein, ob sie überhaupt ein (legitimes) Rechtsgut schützen.11
5 Bottke Volk-FS 93 ff; Gimbernat Ordeig GA 2011, 284 ff; zu Aufgaben und Grenzen des Strafrechts zuletzt
Schünemann Herzberg-FS 39 ff.
6 Im Einzelnen ist die Rechtsgutsbestimmung umstritten; häufig werden Rechtsgüter – ohne dass hierin ein
sachlicher Unterschied liegt – auch als rechtlich positiv bewertete Interessen, Zustände o.Ä. definiert, vgl
Jescheck/Weigend § 26 I; Köhler 24 f; Roxin I § 2/7; ausf. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 38 ff; NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 108 ff.
7 Zu Inhalt und Grenzen der Kriminalpolitik vgl NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 49 ff.
8 W-Beulke/Satzger Rn 7; Otto § 1/32; eingehend Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002; Kollektivrechtsgüter werden teils auch (gleichbedeutend) als Universalrechtsgüter bezeichnet.
9 Vgl hierzu Hefendehl JA 2011, 401 ff; Kühl Tiedemann-FS 29 (35 ff); Prittwitz in: Koch (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht, 1997, 145 ff; Vogel StV 1996, 110 ff.
10 Ausnahmen sind zB §§ 248b und 274 Abs. 1 Nr. 1.
11 Vgl etwa für das Verbot des Beischlafs zwischen Verwandten nach § 173 Schubarth Dencker-FS 273 ff; allgemein zu den verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Bestimmung von Rechtsgütern NK-Paeffgen Vor § 32
Rn 11 ff mwN.
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§2
7
A. Das Strafgesetz
Rechtsgut ist die rechtlich positiv bewertete Eigenschaft als solche, also zB das Lebendig- und Gesundsein eines Menschen oder die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Der
konkrete Mensch oder das konkrete Objekt, dessen positiv bewertete Eigenschaft negativ verändert wird, wird demgegenüber als Tat- oder Handlungsobjekt bezeichnet.12
Exemplarisch: Tötet A den B durch einen Gewehrschuss, so ist B das Handlungsobjekt
eines Totschlags iSv § 212. Dass A zugleich die Eigenschaft des B, lebendig zu sein,
zerstört, ist die Verletzung des von der Norm des § 212 geschützten Rechtsguts. Denn
das Tötungsverbot schützt das Rechtsgut Leben.
III. Zur Legitimation der Sanktionsnormen (Strafe)
8
Die für das Strafrecht grundlegende Frage, woher der Staat das Recht nimmt, seine
Bürger – mit ggf existenzbedrohenden Auswirkungen – zu bestrafen, wird seit Jahrhunderten im Grundsatz wie im Detail unterschiedlich beantwortet.13 Weitgehend außer Streit ist heute lediglich, dass der Staat berechtigt sein muss, zur Gewährleistung
einer friedlichen Koexistenz seiner Bürger besonders sozialschädliche Verhaltensweisen
mit Strafe zu bedrohen. Hierbei ist das Strafrecht als ultima ratio zu verstehen,14 das
subsidiär nur eingreifen darf, wenn keine milderen Mittel ausreichen. Umstritten ist
dagegen vor allem, ob mit der Androhung und Verhängung von Strafe bestimmte
Zwecke verfolgt werden dürfen oder nicht.
1. Absolute Theorien
9
Die sog. absoluten Straftheorien gehen davon aus, dass Strafe keinen anderen Zweck
verfolgen darf als denjenigen, Antwort auf ein Fehlverhalten zu sein: „punitur, quia
peccatum est“.15 Die maßgebliche absolute Straftheorie16 ist die in ihrer heutigen Fassung insbesondere durch Kant und Hegel geprägte Vergeltungstheorie.17
10
Nach Kant besteht die Aufgabe von Strafe in der Durchsetzung von Gerechtigkeit.
Strafe darf immer nur gegen den Täter verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn
ansonsten – bei zweckhafter Strafe – werde der Mensch bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt.
Des Weiteren müsse Gerechtigkeit verwirklicht werden, weil die Verwirklichung von
Gerechtigkeit ein kategorischer Imperativ sei. Gehe die Gerechtigkeit unter, so habe es
keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden lebten.18 Demgegenüber begreift Hegel
die Straftat als Verletzung des Rechts iSe Negierung des Rechts: Die Rechtsverletzung
erhebe einen Anspruch auf Geltung, dem die Strafe als „Verletzung der Verletzung“
und somit als „Wiederherstellung des Rechts“ begegne: Strafe sei Negation der Negation des Rechts.19
12 Baumann/Weber/Mitsch § 3/18; Krey/Esser Rn 10; LK-Walter Vor § 13 Rn 14.
13 Vgl nur NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 263 ff; Hörnle, Straftheorien, 2011; Jakobs ZStW 107 (1995), 843 ff;
Kindhäuser ZStW 107 (1995), 701 ff; Köhler 37–46; Lesch JA 1994, 510 ff, 590 ff; Naucke § 1 Rn 138; Neumann/
Schroth, Neuere Theorien von Kriminalität und Strafe, 1980; Streng Rn 5 ff.
14 Vgl nur die Beiträge in Lüderssen u.a. (Hrsg.), Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, 1990.
15 So die auf Protagoras und Seneca zurückgehende Formel.
16 Zur (bedeutungslosen) sog. Sühnetheorie vgl Haft, Der Schulddialog, 1978.
17 Vgl auch Zaczyk, Das Strafrecht in der Rechtslehre J. G. Fichtes, 1981; ders. Otto-FS, 191 ff.
18 Metaphysik der Sitten, Erster Teil, II. Teil, 1. Abschnitt, Allgemeine Anmerkung E; zu Kants Strafrechtslehre
Byrd/Hruschka JZ 2007, 957; Hruschka Puppe-FS 17; Küper Jung-FS 485.
19 Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 99 ff; vgl auch Seelmann Jakobs-FS 635 ff.
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§ 2 Zur Legitimation des Strafrechts
2. Relative Theorien
Die sog. relativen Straftheorien sehen die Strafe dagegen als gerechtfertigt an, wenn sie
einen bestimmten (legitimen) Zweck erreicht: „punitur, ne peccetur“. Relative Straftheorien sind die Spezial- und die Generalprävention, wobei letztere wiederum in den
beiden Varianten einer negativen und einer positiven Generalprävention vertreten
wird.
11
a) Spezialprävention: Adressat der Spezialprävention ist der konkrete Täter, der durch
die Bestrafung von künftigen Taten abzuhalten sei. Dies geschieht nach Franz v. Liszt,
der mit seinem sog. Marburger Programm das moderne Verständnis der Spezialprävention entscheidend geprägt hat,20 durch
12
n Besserung (Resozialisierung) des besserungsfähigen und besserungsbedürftigen Verbrechers (Erziehung, Kastration usw);
n Abschreckung des nicht besserungsbedürftigen Verbrechers (Abschreckung durch
warnend gemeinte Strafen);
n Unschädlichmachung (zB Sicherungsverwahrung) des nicht besserungsfähigen Verbrechers.
b) Negative Generalprävention: Adressat der negativen Generalprävention ist die Allgemeinheit. Die Strafe soll verhindern, dass (noch) andere als der konkrete Täter Straftaten begehen. Sie soll also einen psychologischen Zwang auf potenzielle Täter ausüben und sie durch das angedrohte Strafübel in den Bahnen des Rechts halten.21 Eine
so verstandene Generalprävention ist negativ bezeichnet, weil sie die Strafe als Mittel
der Abschreckung begreift:
13
n Durch die Androhung der Strafe sollen alle Normadressaten von der Begehung der
betreffenden Straftat abgehalten werden;
n durch die Vollstreckung des Strafurteils wird der Ernst der Androhung verdeutlicht.
c) Positive Generalprävention: Auch nach der Lehre von der positiven Generalprävention wendet sich die Strafe an die Allgemeinheit, soll jedoch nicht abschrecken, sondern – positiv – Rechtstreue und Vertrauen in die Rechtsordnung bestärken.22 Nach
diesem Ansatz ist Zweck der Androhung und Verhängung von Strafe die Sicherung der
Geltung elementarer Normen freiheitlicher sozialer Integration.23 Es geht im Strafrecht
nicht – wie im Polizeirecht – um Gefahrenabwehr, sondern um die Garantie der Erwartung in die wechselseitige Einhaltung der sanktionierten Verhaltensnormen. Jeder
Bürger soll davon ausgehen können und dürfen, dass (möglichst) alle anderen die
Norm zur Entscheidungsrichtlinie ihres Handelns machen. Das Strafrecht hat zu zeigen, dass diese wechselseitigen Erwartungen berechtigt und verlässlich sind, dass also
derjenige, der sein eigenes Handeln an dieser Erwartung ausrichtet, nicht (dauerhaft)
enttäuscht wird und umlernen muss.
20 ZStW 3 (1883), 1 ff; ihren gesetzlichen Niederschlag hat die Spezialprävention u.a. in §§ 46, 47 gefunden.
21 So insbesondere die sog. psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 11. Aufl. 1832, §§ 13 ff; näher und grundlegend hierzu Naucke, Kant und die
psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962.
22 Zur historischen Entwicklung von der Spezialprävention hin zur positiven Generalprävention in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl Terlinden, Von der Spezial- zur positiven Generalprävention, 2009.
23 Daher wird die positive Generalprävention auch als „Integrationsprävention“ verstanden; zu den im Detail
differenzierten Varianten der positiven Generalprävention vgl nur NK-Hassemer/Neumann Vor § 1
Rn 288 ff; Jakobs 1/4 ff; Kargl Rechtstheorie 1999, 371 ff; Kindhäuser Schroeder-FS 81 ff; Neumann Jakobs-FS
435 ff, jew. mwN.
39
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§2
15
A. Das Strafgesetz
Wird die Erwartung nicht erfüllt, so wird mit der Verhängung von Strafe reagiert: Mit
der Zufügung der Strafe wird ausgedrückt, dass dem Täter die Nichtbefolgung der
Norm „verübelt“ wird, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen an Loyalität gegenüber dem Recht enttäuscht hat. Die Verhängung von Strafe verdeutlicht demnach, dass
die Normverletzung durch den Täter unmaßgeblich ist und die Norm weiterhin als
verbindliches Verhaltensmuster gilt. Je bedeutsamer die Norm für die rechtliche Ordnung der Gesellschaft nach deren Selbstverständnis ist, desto schwerer wiegt der (zu
verantwortende) Normwiderspruch; kennzeichnend hierfür ist die Höhe der für das
Delikt angedrohten Strafe. Zugleich wird dem Täter angetragen, das Strafübel als symbolische Reaktion der Enttäuschung über den durch sein Verhalten ausgedrückten
Mangel an Rechtstreue anzunehmen: Betrachtete er seine Tat aus der Perspektive der
anderen, müsste er von sich selbst enttäuscht sein und die Strafe als Vergeltung akzeptieren.
3. Vereinigungstheorie
16
Die in der Rechtsprechung und großen Teilen der Lehre vertretene Vereinigungstheorie
kombiniert Elemente der absoluten und relativen Straftheorien. Die Strafe soll grds
zweckhaft sein, jedoch durch das Schuldprinzip iSd Vergeltungstheorie begrenzt werden.24 Vom Ansatz einer positiven Generalprävention her bedarf es jedoch einer solchen Begrenzung nicht, da eine der Verantwortlichkeit des Täters für den Normbruch
nicht mehr angemessene Strafe keine soziale Integration leistet; eine überharte Strafe
ist kein gerechter Ausgleich einer enttäuschten Erwartung.
17
Teils werden die Elemente der Vereinigungstheorie auch auf einzelne Aspekte der Strafe bezogen;25 so soll
n die Strafandrohung abschreckend generalpräventiv,
n die Strafverhängung vergeltend (schuldangemessen) und
n die Strafvollstreckung spezialpräventiv ausgerichtet sein.
18
Wiederholungs- und Vertiefungsfragen
> Was ist unter Verhaltensnormen, was unter Sanktionsnormen zu verstehen und wer ist
ihr jeweiliger Adressat? (Rn 1 ff)
> Welchem Zweck dienen die strafrechtlichen Verhaltensnormen? (Rn 6 f)
> Was ist unter absoluten, was unter relativen Straftheorien zu verstehen? (Rn 8 ff)
24 Vgl BVerfGE 21, 391 (403 f); 54, 100 (108); Jescheck/Weigend § 8 V; zur Rechtsprechung des BVerfG, welches
bislang die positive Formulierung einer eigenen Straftheorie abgelehnt hat, ausf. Roxin Volk-FS 602 ff.
25 Vgl NK-Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn 240; Schroeder Otto-FS 165 ff, jew. mwN.
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