Hinters Licht geführt: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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Hinters Licht geführt
Im Wortlaut von Sevim Dagdelen, 28. Januar 2015
Von Sevim Daddelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und Sprecherin für
Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE
Am Samstag haben sich die Liberaldemokraten und die Demokratische Partei in Moldau darauf
geeinigt, eine Minderheitenregierung zu bilden. Sie wollen »den prowestlichen Kurs« fortsetzen,
hieß es aus der Hauptstadt Chișinău. Beide Parteien verfügen zusammen über 42 der 101 Sitze im
Parlament. Innerhalb der nächsten zwei Wochen soll laut dem Chef der Liberaldemokraten, Vlad
Filat, ein Kabinett unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Iurie Leancă gebildet werden. Die
Kommunistische Partei hat angekündigt, die neue Regierung tolerieren zu wollen.
Die Wahl Ende November war von politischen Beobachtern zu »Schicksalswahlen« für das kleine
Land zwischen der Ukraine und Rumänien erklärt worden: entweder der prowestliche Kurs der EUAssoziierung, verbunden mit der vagen Hoffnung auf eine Mitgliedschaft, oder die Annäherung an
die Eurasische Union (EaU), bestehend aus Armenien, Belarus, Kasachstan und Russland. Die
liberaldemokratische Regierung von Leancă hatte deswegen bereits vorab Maßnahmen eingeleitet,
um den eigenen Sieg zu sichern.
Wie die deutsche Bundesregierung jüngst in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion
einräumte, geben die erheblichen administrativen Eingriffe, die den Sieg der regierenden
proeuropäischen Koalition sicherten, »Anlass zu einer gewissen Sorge«. So wurde kurz vor der Wahl
die Hürde für den Einzug ins Parlament von vier auf sechs Prozent erhöht, obwohl sich die VenedigKommission des Europarates dagegen ausgesprochen hatte. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass in
Russland lediglich 15.000 Stimmzettel für schätzungsweise 700.000 dort lebende Moldauer zur
Verfügung standen.
Auch die Streichung der Partei »Patria« (Vaterland) von den Stimmzetteln durch das Oberste
Gericht drei Tage vor der Wahl wegen angeblich illegaler Wahlkampffinanzierung, war politisch
motiviert: Die Patria-Partei, die sich offen für einen Beitritt zur Eurasischen Union ausspricht, lag
bei Umfragen kurz vor ihrem Ausschluss bei 17 Prozent.
All diese Schritte reichten, um den drei Pro-EU-Parteien eine knappe Mehrheit im Parlament zu
sichern. Die Manipulationen kommen einem Putsch gleich. Doch die Bundesregierung meint allen
Ernstes, dass bei der Bewertung »der Ausgang der Wahlen kein Kriterium« sei.
Ein ganz besonderes Demokratieverständnis zeigt die Bundesregierung bei der turksprachigen
Minderheit der Gagausen. Diese hatten sich im Februar 2014 in einem Referendum mit deutlicher
Mehrheit für einen Beitritt zur EaU ausgesprochen. In Gagausien bestehe für Berlin daher ein
»großer Bedarf an zusätzlichen Informationen über die Chancen, die die EU-Assoziierung auch für
die autonome Region bietet«. Dass die Minderheit sich aufgrund von Kultur, Geschichte, Sprache
und auch aus anderen Gründen für enge Beziehungen mit Russland aussprechen könnte,
unterschlägt die Bundesregierung in ihrer Antwort. So lange sich die Gagausen gegen die EU
entscheiden, sind sie anscheinend einfach nicht ausreichend informiert worden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und verschiedene Politiker der Regierungskoalition
erwecken immer wieder den Eindruck, dass mit der EU-Assoziierung Moldaus eine Mitgliedschaft
des Landes zwischen Dnjestr und Pruth näherrücken würde. Doch wie die Bundesregierung in der
Antwort auf die kleine Anfrage erneut bestätigte, ist eine »EU-Beitrittsperspektive im Rahmen der
östlichen Partnerschaft weiterhin nicht vorgesehen«. Die deutsche und vor allem die moldauische
Öffentlichkeit werden hinters Licht geführt: Der Binnenmarkt der ehemaligen Sowjetrepublik soll an
die EU angeschlossen werden, ohne Chișinău auch nur eine formale Mitbestimmung in Brüssel zu
gewähren. Weitere politische Geländegewinne in Osteuropa gegenüber Russland zu erzielen, scheint
das vorrangige Ziel deutscher Außenpolitik zu sein. Dabei werden selbst minimale demokratische
Standards missachtet.
junge Welt, 28. Januar 2015
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