GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE

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GRUNDBEGRIFFE
DER
SOZIOLOGIE
Markus Paulus
DIPL.-PSYCH. (UNIV.), M.A.
Radboud University Nijmegen
X, ABWEICHENDES VERHALTEN
1, ZENTRALE BEGRIFFE
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Abweichendes Verhalten/ Devianz bezeichnet Verhaltensweisen,
die gegen die in einer Gesellschaft oder einer ihrer Teilstrukturen
geltenden sozialen Normen verstoßen und im Falle der Entdeckung
soziale Reaktionen hervorrufen, die darauf abzielen, die betreffende
Person, die dieses Verhalten zeigt, zu bestrafen, isolieren, behandeln
oder zu bessern.
Soziale Kontrolle: Strukturen, Prozesse, Mechanismen, um
Mitglieder dazu zu bringen, Normen Folge zu leisten
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Externe soziale Kontrolle: sozialer Drucke der Umwelt, negative Sanktionen
(bspw. rechtliche Sanktionen, soziale Stigmatisierung und Ausgrenzung)
Interne soziale Kontrolle: in Persönlichkeitssystem und Gewissen verlagerte
soziale Kontrolle
Recht: besondere Bedeutung, stark formalisiert, Erzwingungsstab
Dient der sozialen Integration
Soziale Integration: als Überbegriff zu Normen, Sozialisation,
Abweichendes Verhalten, soziale Kontrolle
Quelle: Peuckert, in Korte/Schäfers, 2000, 103ff
2, DEVIANZ ALS TEIL DER GESELLSCHAFT
Durkheim: These von der Normalität des Verbrechens
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Phänomen normal, wenn in jeder bekannten Gesellschaft
gefunden und mit Existenzbedingungen der Gesellschaft
untrennbar verwoben
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Allgegenwart von Verbrechen unbestreitbar
Resultiert aus Differenz individuelles Bewusstsein und
kollektive Einstellungen
Kann Verbrechen aus Gesellschaft verschwinden?
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Würde man bestehende Nichtübereinstimmung beseitigen, würde
Kriminalität nur die Form verändern: zuvor bloße “moralische
Vergehen” würden Status von Verbrechen annehmen
Beseitigung Nichtübereinstimmung würde absolute
Gleichförmigkeit individueller Bewusstseine erfordern.
Aufgrund Einzigartigkeit indiv. Bewusstseins nicht möglich
Aber: Normalität bedeutet nicht Billigung!!
2, DEVIANZ ALS TEIL DER GESELLSCHAFT
Fragen der (Dys-)Funktionalität abweichenden Verhaltens
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Dysfunktional (systemzersetzend)
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Beschädigt Identität von Tätern und Opfern
Mindert Lebensqualität, verursacht Schäden
Verletzt Gerechtigkeitsempfinden, Loyalität ggü. System
Funktional (systemerhaltend)
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Funktion der Normverdeutlichung
Innovationsfunktion
Solidarisierungsfunktion
Ventilfunktion
3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
Ätiologisches (Lehre der Ursachen) Paradigma :
Suche nach Ursachen für einen Sachverhalt
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Orientierung am Struktur-Funktionalismus
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Absolutistische Perspektive
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Täterzentriertheit
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Objektiv vorgegebenes Normensystem
Distinkte Klassen von Verhalten (resp. Akteuren)
Fundamentaler Unterschied Täter und Nicht-Täter
Suche nach Ursachen, die Täter zum Normbruch veranlasst
haben
Korrekturinteresse
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Häufig Interesse an Prävention, Behandlung, Korrektur
Abbau, Vermeidung unerwünschter Verhaltenweisen
3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
Beteiligte Wissenschaften (Biologie, Psychologie,
Soziologie)
Beispiel: Prostitution
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Abnorme Anlagen (Bsp. übersteigerter Sexualtrieb)
Sozialisationsmängel (Bsp. zerrüttete Familie)
Soziale Lage (Bsp. wirtschaftliche Not)
3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
I) Anomietheorie (Robert Merton)
Suche nach sozialstrukturellen Gegebenheiten, die Personen dazu
bringen, sich eher abweichend als konform zu verhalten
  Kulturelle Struktur
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Legitime Zielsetzung (Ziele): kulturell festgelegte Ziele, Absichten, Interessen
Regulative Normen (Mittel): erlaubte Wege zum Erreichen der Ziele
soziale Struktur: Stellung im sozialen Ungleichheitsgefüge
Anomie: Zusammenhang zwischen kulturellen Elementen lockert sich
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Führt zu strukturellen Spannungen (v.a. Unterschicht)
Arten der Anpassung
Ziele
Mittel
Konformität
+
+
Innovation/Devianz
+
-
Ritualismus
-
+
Rückzug
-
-
Rebellion
+/-
+/-
3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
II) Subkulturtheorien Abweichenden Verhaltens
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Geltung von Normen und Werten in Subkulturen, die in
Widerspruch mit dominanter Kultur
Subkultur entsteht durch häufige Interaktion von Personen, die
Schwierigkeiten mit geltendem Norm- und Wertsystem haben
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Belohnender, nach abweichenden Normen zu handeln
Einige Typen von Subkulturen
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Tradierungs-Subkulturen (Bsp. Ethnische Minderheiten)
Subkulturen der Ausgrenzung (Bsp. Drogenszene, Armutslage)
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Sozialstrukturelle Subkulturen (Bsp. Arme, Reiche)
Protestkulturen (Bsp. Frühe Franziskaner, Ökolog. Bewegungen
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Ausstiegskulturen (Bsp. Religiöse Refugien von Sekten)
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3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
1, Theorie der Bandendelinquenz (A. Cohen)
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Erfolgsziele Mittelschicht durchdringen auch Unterschicht
Jugendliche können aufgrund Herkunft Erwartungen nicht
gerecht werden: Frustration, Statusprobleme
Schaffung neuer Statuskriterien, die die Eigenschaften positiv
bewerten, die Jugendliche tatsächlich besitzen
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Subkultur vermindert Minderwertigkeit und Schuldgefühle
2, Subkulturtheorie von W. Miller
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Unterschicht als eigenständige Subkultur mit Normen und
Werten
Männliche Jugendliche: Härte, Erregung, körperliches Geschick
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Erhöhen Wahrscheinlichkeit von Gesetzesübertretungen
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Zufällige Begleiterscheinungen von Handlungen, die kulturelle Tradition
3, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DAS ÄTIOLOGISCHE PARADIGMA
Bewertung
  Sensibilisierung
für soziale und vor allem
strukturelle Faktoren von Devianz
  Eröffnung von Interventionsperspektiven
  Übersieht
Prozesshaftigkeit des Übergangs von
Konformität zu Kriminalität
  Erklären nicht Übergang von abweichendem
Verhalten zu dauerhafter Konformität einer Person
  Nie eindeutige Faktoren für Differenzierung
abweichende und konforme Personen
4, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DIE INTERAKTIONISTISCHE PERSPEKTIVE
Labeling Approach (Etikettierungsansatz):
Devianz als Ergebnis dynamischer Interaktionsprozesse
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Orientierung am symbolischen Interaktionismus
Definition abweichenden Verhaltens als Zuschreibungsprozess
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Primäre Devianz
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Nicht alle Verhaltensweisen/Personen unabh. vom sozialen Kontext als
abweichend definiert
Reaktionen der sozialen Umwelt entscheidend
Devianz durch Normanwendungsprozesse erzeugt bzw. Stabilisiert
Prozesse des Reagierens und Definierens im Vordergrund
Weit verbreitet, unterschiedlichste Ursachen
Kaum Auswirkung auf Status, psychische Struktur beteiliger Person
Sekundäre Devianz
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Reaktionen der Umwelt verändern Status und psych. Struktur
Soziale Stigmatisierungen & soziale Isolation: Abweichlerrolle
4, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DIE INTERAKTIONISTISCHE PERSPEKTIVE
Öffentliche
Etikettierung
Begehen
Regelverletzung
Generalisierung
(master status)
Eintritt in
Abweichlergruppe
X
Stigmatisierung
Abweichende
Identität
4, THEORIEN ABWEICHENDEN VERHALTENS:
DIE INTERAKTIONISTISCHE PERSPEKTIVE
Erläuternde Anmerkungen
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Begehen einer Regelverletzung
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Öffentliche Etikettierung
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Da viele abweichende Impulse: Frage, warum manche nicht nachgeben
Informelles, alltägliches Interaktionsgeschehen
Aktivwerden formeller sozialer Kontrollinstanzen (Polizei etc.)
Zuschreibung abhängig von subjekten Alltagstheorien (Bsp. Unterschicht
größere Gefahr der Verdächtigung und Aburteilung)
Generalisierung: Wandel in der öffentlichen Beurteilung
‘abweichend’ wird zum zentralen Kriterium (master status)
  Zuschreibung anderer, unerwünschter Eigenschaften
  Biographische Rekonstruktion
  Stabilisierung des Eindrucks
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Stigmatisierung: Betroffene erfahren andere Behandlung
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Verhängnisvoll, wenn nicht nur Bestrafung, sondern Aussonderung
Einschränkung Partizipation und Handlungsspielräume
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