Architekten-Wettbewerb, Layout 1

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Baubiologische Architektur
Architekten-Wettbewerb für ein Waldhaus in Freiburg
Anlass und Ziel der
Wettbewerbsaufgabe
Die Stadt Freiburg hatte im Frühjahr 2005 einen Architektenwettbewerb zum Thema "Waldhaus Freiburg" ausgelobt. Mit dem Projekt
will die Stiftung "Waldhaus Freiburg" insbesondere junge Menschen
mit Hilfe der Waldpädagogik für
Wald und Natur gewinnen und den
emotionalen, seelischen Zugang der
Menschen zur Natur wieder stärken.
Gleichzeitig sollen das Ökosystem
Wald sowie die Waldnutzung als
Leitbild für eine zeitgemäße gesellschaftliche Nachhaltigkeitsstrategie
sowie Holz als nachwachsender
Rohstoff und seine Nutzung als Baumaterial und Energieträger ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Für diese besondere Bauaufgabe stellt die Stadt Freiburg der Stiftung ein privilegiertes Grundstück
in schönster Lage mitten im Wald
zur Verfügung.
Interdisziplinäres Arbeiten
fördert ganzheitliche Lösungen
Unseren Wettbewerbsbeitrag haben wir in Zusammenarbeit mit führenden Fachleuten aus den Bereichen innovativer Holzbau (u. a. Prof.
Julius Natterer, Prof. Per Haller), einem ökologisch versierten Haustechnikbüro, mit zwei Büros für den
innovativen Umgang mit Wasser
bzw. Abwasser und mit einem Landschaftsarchitekturbüro erstellt.
Grundrissschema OG
Ideenfindung
Welche Idee, welches Bild entspricht diesem Ort und diesem Projekt am Besten? Einerseits muss unsere Lösung den geforderten Kriterien standhalten, andererseits wollen
wir eine Synthese finden, welche die
Menschen auch ästhetisch, seelisch
und emotional anspricht. Hilfreich
hierbei ist die Auseinandersetzung
mit der "Waldpädagogik" (www.
tirol.gv.at).
Der Ort
Nur indem wir den Ort sehen,
hören (z.B. den Bach) und erspüren,
können wir den "genius loci" erfassen. Welche Qualitäten besitzt der
Wald und wie können die ihm und
der Natur zugrunde liegenden geistigen Prinzipien in eine zukunftsfähige, nachhaltige und auch emotional
ansprechende Architektur übersetzt
werden, ohne Natur einfach nachzubauen?
Die Form
Analog zum "Gastgeber" Wald
wählen wir ein großes schützendes
Dach, unter dem in enger Wechselwirkung mit der umgebenden Natur
die vielfältigsten Aktivitäten und
Begegnungen stattfinden können.
Acht Buchen, von denen wir respekt-
voll Abstand halten, begrenzen das
Baugrundstück. Die Baumradien
und die dazwischen liegenden Freiräume definieren einen Raum bzw.
einen Gegenraum, der die Kontur
unseres organischen Gebäudes bildet. Es entstehen runde, weiche Formen, die dem Besucher andere
Raumqualitäten bieten, als die üblichen standardisierten Raumwirklichkeiten der gebauten Umwelt. Das
Gebäude ermöglicht dem Besucher
den ihn umgebenden Wald in all seinen Facetten im Wandel der Jahreszeiten innen und außen zu erleben.
Wettbewerbskonzept
Entwurf und Gestaltung
Das Haus ist die Ausstellung! Wie
alles in der Natur besitzt unser
"Waldhaus" einen "Kern", in dem
vertikale Stoff- und Bewegungsströme – Wasser, Energie, Menschen –
erlebbar gemacht werden. Der Kern
stellt die vertikale Verbindung zwischen "Wurzeln" (Boden) und "Krone" (Himmel) her. Eine schöne spiralförmige Buchenholztreppe entlang der massiven Brettstapelwand
führt die Besucher nach oben ins
Licht bzw. in das Obergeschoss mit
den Hauptnutzungen. Die Räume
sind funktional und übersichtlich angeordnet und entwickeln sich um den
Kern herum. Durch die große zentrale Lichtkuppel fällt viel Licht in die
Mitte des Gebäudes. Ein Teich mit
Brunnen und Wasserpflanzen ist im
lichtdurchfluteten Treppenauge angeordnet. Durch die betont transparente Fassade öffnet sich das Haus
für Mensch und Natur. Die daran anschließende Terrasse in Hörweite
des Baches kann im Sommer für
Vorträge, Lesungen, Konzerte oder
als Kino unterm Sternenhimmel genutzt werden. Das Gründach wird
als "Waldbodendach" mit Beeren
und Pilzen ausgebildet. Es ist zugleich Wasserrückhaltebecken und
Lebensraum für Tiere.
Konstruktion und
statisches System
Wir verwenden neueste innovative Technologien und Bauweisen
und schenken den natürlichen Kreislaufprinzipien besondere Aufmerksamkeit. Prof. Natterer schlägt ein
ideales, einfaches und wirtschaftliches Konstruktionsprinzip vor: das
so genannte "Sternrosenprinzip",
bei dem Hauptund Nebenträger strahlenförmig von der
Mitte nach außen
geführt werden. Das statische System erinnert
an ein Blatt
mit Haupt- und Nebenadern. Die
Anschlüsse sind einfach herzustellen. Über die Nebenträger werden
sägeraue Brettstapeldecken verlegt,
die gekrümmt in Form von sichtbaren "Jahresringen" hergestellt werden. Es kann mit Starkholzstämmen
"Mann an Mann" in Massivbauweise oder mit Brettschichtträgern realisiert werden. So findet die Forstwirtschaft Verwendung für ihr
Starkholz. Der konstruktive Holzschutz (u. a. weit auskragendes
Dach) ist selbstverständlicher Teil
einer baubiologisch ausgerichteten
Architektur. Die innenliegenden
Rundstützen sind thermomechanisch verformte Hohlprofilstützen
aus Holz. Das Verfahren der thermomechanischen Verformung ist
Bestandteil eines Forschungsprojektes von Prof. Per Haller, TU in
Dresden. Bei einem Materialpreis
von 10 EUR / Stütze kann eine solche Stütze bis zu 60 Tonnen Last
aufnehmen. Der bei der herkömmlichen industriellen Holzverarbeitung
entstehende Abfall von annähernd
50% wird durch dieses Verfahren
fast bis auf Null reduziert. Dieser
"Holz-Abfall" dient bislang der
holzverarbeitenden Industrie als
kostenfreier Rohstoff für die energieintensive Produktion z. T. bedenklicher Holzwerkstoffe, die sich nicht
in den natürlichen Kreislauf zurückführen lassen. 85% unserer Möbel
bestehen daraus – gute Aussichten
für die Rückkehr zum Massivholz.
Energiekonzept
Für das Gebäude erzielen wir einen extrem niedrigen Niedrigenergiestandard mit einem Heizwärmebedarf von 28 kWh/m2 a. Beheizt
wird das Gebäude mit einer vollautomatischen Holz-Pellet-Anlage und
einer Strahlungsheizung. Sämtliche
Komponenten des nachhaltigen
Energiekonzeptes sind den Besuchern zugänglich und werden im
Waldhaus erläutert.
Materialien
"Während die Fachleute (Architekten) nach eigenständigen Ideen
und einer neuen modernen Sprache
suchten, achteten die "Laien" eher
auf die Funktionalität und die Einbindung in den schönen Naturraum.
Der gegenseitige Annäherungsprozess war sehr interessant. Schmerzhaft war, wie die eigene Meinung unter dem fachmännischen Blick nach
und nach zerbröselte" (Zitat eines
Preisrichters).
Wir verwenden ausschließlich
Naturbaustoffe, die mit geringem
Energieaufwand, ohne Umweltverschmutzung und ohne gesundheitliche Belastung der Nutzer erzeugt,
verarbeitet und später entsorgt werden können.
Regenwasser + Grauwasser
Der Anschluss ans öffentliche
Netz wird eingespart. Die Reinigung
erfolgt über einen Schilfklärteich.
Das Regenwasser wird über ein
Waldbodendach zurückgehalten und
über einen kleinen Wasserlauf kaskadenartig nach unten in die Schilfkläranlage geleitet. Wir verwenden
wasserlose Urinale und Toiletten,
die Schwarz- und Gelbwasser voneinander trennen. Dadurch können
wertvolle Nährstoffe gewonnen und
wieder in den natürlichen Kreislauf
eingebracht werden. Das Grauwasser wird für die Beschickung der Toiletten verwendet. Wegen der sehr geringen anfallenden Grauwassermenge wird diese in Hausnähe durch
Weiden gereinigt. Das Abwasser
wird im Freispiegelgefälle abgeleitet
und auf die entsprechende Anzahl
Pflanzen verteilt. In der Darstellung
für das Publikum kann auf die Brisanz des Themas für Entwicklungsländer hingewiesen und aufgezeigt
werden, dass solche Maßnahmen
sehr zur Lösung der einschlägigen
Probleme beitragen können.
Wettbewerbsergebnis
Modern oder organisch?
Unser Entwurf war von 28 eingereichten Arbeiten der einzige
Wettbewerbsbeitrag mit organischen Formen. Wir erreichen den
dritten Rundgang und verpassen damit knapp die Bewertungsrunde der
sieben Preisträger. Der Wettbewerb
wird von verschiedenen Seiten als einer mit "außergewöhnlich hohem
Niveau" bezeichnet. Wie so oft hat
sich auch hier die in der Fachwelt
vorherrschende Sichtweise und Architektursprache durchgesetzt. Der
Wettbewerb ist ein gutes Beispiel dafür, wie machtvoll das nicht nachhaltige System der Moderne nach
wie vor ist.
Die von uns gewählte Architektursprache entspricht nicht der Forderung der in die Jahre gekommenen
"Moderne" nach einer "klaren, konsequenten Sprache". Wir gehen davon aus, dass bei der Bewertung unseres Beitrages durch die Vorprüfer
1. Preis
1. Preis
und durch das Preisgericht die organische Form und die vermeintlich
aufwändige Konstruktion zu einer
negativen Bewertung in Punkto
Kosten geführt hat. Ein Argument,
das bei genauerer Betrachtung leicht
zu widerlegen ist. Unserem Entwurf
lagen langfristige wirtschaftliche
Betrachtungen zugrunde. Einerseits
war uns beispielsweise wichtig, eine
kompakte Bauweise mit einfachen
konstruktiven Anschlüssen zu entwickeln und andererseits ein auch in
emotionaler Hinsicht ansprechendes, beseeltes Gebäude zu schaffen,
das man gerne auch öfter besucht.
Beurteilung des 1. Preisträgers
Bei der Analyse fällt auf, dass
wichtige Kriterien der Auslobung
vernachlässigt wurden. Darunter
fallen insbesondere ökologische,
nachhaltige, aber auch funktionale
Belange. Ausschlaggebend waren
letztlich die "klare, konsequente Architektursprache" des Gebäuderechtecks in konventioneller Holzrahmenbauweise und die vermeintliche Wirtschaftlichkeit. Dafür wird
folgendes in Kauf genommen:
• Parkplätze direkt vor dem Eingangsbereich
• Buchen müssen abgeholzt werden
• Blickrichtungen bzw. Bezug zum
Wald nur nach zwei Gebäudeseiten
• Geforderte Kontrolle der Ausstellungsflächen
nicht/eingeschränkt gegeben.
• Sämtliche sanitären Anlagen
ohne Fenster
• WC-Räume direkt neben der Kasse (visuell + geruchlich beeinträchtigter Arbeitsplatz)
• Küche ohne Fenster!
• Mehrere Aufenthaltsräume mit
mäßiger Beleuchtungsqualität
• Fassade mit Holzlamellen schafft
interessante Lichteffekte, zugleich ist mit nachteiligen Auswirkungen auf die natürliche Belichtung und im Hinblick auf
Dauerhaftigkeit mit hohem Wartungsaufwand zu rechnen
• Konstruktiver Holzschutz vernachlässigt
• Dachhaut mit Bitumendachbahn,
ohne Begrünung (Grundwasserbelastung!).
Fazit Was kommt nach der Moderne?
Handelt es sich bei der so genannten "Moderne" um ein geschlossenes System mit eigener
Sprache? Weshalb gibt es in diesem
engen System keinen Raum und keine Sprache für Nachhaltigkeit? Natur und Ganzheitlichkeit, Schönheit
und Harmonie sind in diesem System
offensichtlich nicht enthalten. Wenn
nun diese Begriffe in dieser Sprache
nicht enthalten sind, wie sollen diese
Aspekte, wie soll die lebendige Natur und unsere Umwelt Gehör finden? Welches Stimmrecht hat der
von der Moderne entmündigte Bürger? Wir glauben, dass es zukünftig
Preisrichter im Wettbewerbswesen
als "Zünglein an der Waage" geben
muss, die einerseits das komplexe
System des Architekturprozesses
beurteilen können, andererseits in
Nachhaltigkeit und ganzheitlicher
Architektur erfahren und ausgebildet sind. Nur so werden Wettbewerbe kreative, zeitgemäße und zukunftsfähige Architektur als Initialzünder für eine nachhaltige Zukunft
hervorbringen können.
Arch. Klaus Zahn
Baubiol. Beratungsstelle IBN
10787 Berlin, info@zahnkoepke
Kommentar des IBN
Das IBN hatte den Autor ermuntert, an dem Wettbewerb teilzunehmen und hat den Entwurf inhaltlich
mit betreut. Nicht zum ersten Mal
haben wir miterlebt, dass bei der
Auslobung von Architekturwettbewerben zwar von Nachhaltigkeit,
Zukunftsfähigkeit, Kreativität etc.
die Rede ist, bei der Entscheidungsfindung aber diese Aspekte kaum
mehr eine Rolle spielen.
Es verdichtet sich der Eindruck,
dass sich aus der Architektenschaft
heraus eine etablierte Wettbewerbsszene entwickelt hat, welche insgesamt mit eigenen Gestaltungsvorstellungen ("schnörkellose Kiste"
bzw. "klare konsequente Architektursprache") dominiert. Unter dieser Prämisse hat z. B. eine "organische Architektur" (s. W+G 114 und
115) keine Chance.
Viele Architekten sehen deshalb
keine Möglichkeit mehr, über Wettbewerbe Aufträge zu akquirieren.
Hierzu gehören häufig Architekten,
die sich um baubiologische und
ökologische Inhalte bemühen.
Die breite Öffentlichkeit steht dieser Situation meist unwissend und
sprachlos gegenüber und verliert
zunehmend das Interesse an der Architektur als Kulturgut.
Erforderlich ist deshalb der Mut
von Architekten wie auch von allen
Interessierten, sich bei Architekturwettbewerben überregional wie vor
Ort einzumischen und zwar mit folgender Zielrichtung:
1. es gibt viele Möglichkeiten für
eine gute Architektur,
2. nachhaltige Architekturkonzepte
werden wichtiger und fester
Bestandteil der Entscheidungsfindung.
Wie lassen sich diese Ziele erreichen? Wir schlagen vor, einen
'Arbeitskreis Architekturwettbewerb'
zu bilden, der sich aktiv für die Umsetzung unserer Ziele einsetzt. Über
einschlägige Stellungnahmen aus
dem Leserkreis würden wir uns
freuen.
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