Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone - 3

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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
1. Einleitung
Die Thomaschristen aus Indien sind eine hierzulande relativ unbekannte Gruppe.
Ihre Geschichte jedoch ist eine sehr spannende.
Um das Schicksal dieser Gemeinde soll es in dieser Arbeit gehen. Das besondere
Hauptaugenmerk liegt auf der Zeit der portugiesischen Kolonialherrschaft in
Indien und dem Verhältnis der Thomaschristen zu den Portugiesen.
Um jedoch ein möglichst umfassendes Bild der Gemeinde zeichnen zu können,
wird auch die vorhergehende und folgende Entwicklung dieser Kirche kurz
angesprochen werden.
2. Die Thomaschristen
2.1. Der Herkunftsmythos
Allein schon aus der Bezeichnung Thomaschristen, einer Selbstbezeichnung der
indischen Christen, lässt sich der Herkunftsmythos erahnen.
Der Überlieferung nach soll der Apostel Thomas, einer der Jünger Jesu, im Jahre
52 n. Chr. in Kodungallur, einer großen Hafenstadt und Residenz eines Königs
Keralaputra, gelandet sein und soll von dort aus seine Missionsreisen begonnen
haben. Folgt man der weiteren Legende, so trifft man auf sieben Kirchen, die
direkt von Thomas gegründet wurden: Kodungallur, Niranam, Kollam, Chayal,
Kottakavu, Kokkamangalam und Palayur.1
Nach 20 Jahren des Reisens in Indien soll Thomas dann 72 n. Chr. in Mylapore
den Märtyrertod gestorben sein. Ebenfalls dort befindet sich eine Kirche, in der
die Überreste des Heiligen bestattet wurden und noch heute verehrt werden. Den
Thomaschristen gilt dies als der Beweis, dass sie wirklich von einem Apostel Jesu
gegründet wurden.
1
The Syro-Malabar Church. The Church of St. Thomas Christians in India. S.1.
-3-
Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Für die indischen Christen stellt sich die Frage nach ihrer Herkunft überhaupt
nicht. Ich zitiere hierzu Paul Verghese: „Es empfiehlt sich in Indien nicht,
einerlei ob man Ausländer oder Einheimischer ist, zu behaupten, der Hl. Thomas
habe die dortige Kirche nicht gegründet. Die Thomaschristen hängen so fest an
dieser Überlieferung, daß sie in Zorn geraten, wenn jemand sie anzuzweifeln
wagt.“2
Doch neben der Legende lassen sich weitere Indizien für einen möglichen
Aufenthalt eines Apostels Jesu oder zumindest eines seiner Zeitgenossen in
Indien finden. Bekannt sind vor allem die ausgeprägten wirtschaftlichen
Verbindungen zwischen dem Westen und Indien, die besonders in der Hand von
Ägyptern und Syrern waren. Vor allem die syrischen Kaufleute spielten eine
große Rolle in der Verbreitung des Christentums in Indien3, waren doch die
Thomaschristen
unter
dem
Patriarchat
der
ostsyrischen
Kirchen.
Die
Handelswege werden bereits von antiken Autoren wie Strabon und Plinius d. Ä.
beschrieben.4
Eine erste wirkliche Spur führt jedoch um das Jahr 200 n. Chr.5 nach Edessa,
„dem Zentrum des syrischen Christentums“6. Dort entstehen die so genannten
Thomasakten. Eigentlich weniger eine Urkunde als vielmehr ein populärer
Roman, werden in ihnen die Geschichte des Apostels Thomas erzählt. Ich zitiere
im Folgenden nach Paul Verghese:
„Die Apostel losten, in welches Land sie gehen sollten. Thomas fiel das Los
zu nach Indien zu gehen, doch weigerte er sich, eine derart weite Reise
anzutreten. Christus erschien ihm im Traum und versprach ihm, seine
Gnade werde stets bei ihm bleiben, doch Thomas beharrte bei seiner
Weigerung. Schließlich verkaufte ihn Christus an einen Sklavenhändler
namens Habban, der ihn auf seinem Schiff nach Indien brachte und dort
an den König Gundaphar als Zimmermann weiterverkaufte, damit er ihm
einen Palast baue. Der König stellt ihm Geld zur Verfügung, das Thomas
jedoch an die Armen verteilt. Wenn der König zu wissen begehrt, wie es
Paul Verghese Die syrischen Kirchen in Indien S.19.
Susan Visvanathan The Christians of Kerala S.IX.
4 Verghese, S.15f.
5 Nach anderen Angaben erst um 400 n. Chr. (Leslie Brown The Indian Christians of St Thomas
S.43ff.).
6 Verghese, S.16.
2
3
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
mit dem Palastbau stehe, gibt Thomas jedes Mal zur Antwort, er komme
gut voran. Als der König den Palast unbedingt sehen will, erwidert
Thomas, er befinde sich im Himmel. Zornentbrannt lässt der König
Thomas ins Gefängnis werfen und beschließt, ihn am nächsten Tag
hinrichten zu lassen. Der Bruder des Königs, Gad, stirbt in der Nacht,
gelangt ins Jenseits und kehrt auf einen Augenblick ins Leben zurück, um
Gundaphar zu berichten, dass der Palast tatsächlich im Himmel sei.
Thomas wird freigelassen. Gundaphar wird Christ. Thomas begibt sich in
ein anderes Königreich, wo ihn der König Mazdai von vier Speerträgern
töten ließ.“7
Diese Thomasakten wurden schnell ins Griechische, Lateinische, Äthiopische
und Armenische übersetzt.8
Mittlerweile ist es der Forschung auch gelungen, sowohl König Gundapahr als
auch seinen Bruder Gad als historische Personen nachzuweisen.9
Die Gemeinde der Thomaschristen hat noch einige andere Indizien, um den
Wahrheitsgehalt der Legende zu untermauern. Dazu gehört die Tatsache, dass die
Gottesdienste der Thomaschristen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auf
Aramäisch abgehalten wurden. Man sieht dies als Beweis für die wahrhaftige
Anwesenheit eines Zeitgenossen Jesu in ihrer Gemeinde an, der ihnen ihre Riten
in seiner Sprache gegeben hat, welche dann als geistliche Sprache überdauert hat.
Während der ganzen Zeit bis hin zur Landung der Portugiesen drangen immer
wieder Briefe oder Gerüchte nach Europa, dass es in Indien wohl ebenfalls noch
Christen geben würde. Gerade von europäischen Mönchen, die auf der
Durchreise nach China waren, gibt es kurze Erwähnungen einer christlichen
Kirche in Indien.10 Dass es sich bei dieser Kirche jedoch um die Thomaschristen
handelte, davon war in Europa nichts bekannt.
7
Verghese, S. 16. Eine etwas andere Darstellung der Thomasakten zeigt Brown (S.43ff).
Brown, S.43. Verghese nennt zusätzlich noch Arabisch und Koptisch (S.16).
9 Brown, S.47.
10 Verghese, S.30f.
8
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
2.2 Die Thomaschristen zur Zeit der Ankunft der Portugiesen
Im 16. Jahrhundert waren die Thomaschristen eine Glaubensgemeinschaft, die
fest in ihre hinduistische Umgebung eingebunden war. Das Zusammenleben der
beiden Gruppen gestaltete sich sehr friedlich, denn die christliche Gemeinde
versuchte sich ihrer hinduistischen Umgebung anzugleichen. Dazu gehörte auch
die Übernahme einiger hinduistischer Gebräuche und Traditionen. Ein solcher
Fall liegt bei der Hochzeitszeremonie vor. Im Hinduismus bekommt die Braut als
Zeichen
ihrer
Verbindung
mit
dem
Bräutigam
von
diesem
einen
regentropfenförmigen Anhänger, ein so genanntes thali, geschenkt. Die
Thomaschristen wandelten dieses hinduistische Symbol etwas um, brachten ein
Kreuz auf dem Anhänger an und verwendeten es ebenfalls bei der Hochzeit.11 Die
Gemeinde hatte eine feste Hierarchie entwickelt, war von Rom komplett
unabhängig und auch von der ostsyrischen Kirche, die ihnen die Bischöfe
schickte, waren sie relativ autonom. Dennoch war ihr Ritus mit dem
chaldäischen Ritus wohl am nächsten verwandt.12
Die Thomaschristen waren im indischen Kastenwesen vergleichsweise hoch
eingestuft, über ihnen standen nur noch die Brahmanen. Verghese erwähnt, die
Christen wären durch besondere Abzeichen kenntlich gemacht worden und
hätten auf Grund ihrer hohen Stellung auch einige Sonderrechte und Privilegien
genossen.13
3. Die Thomaschristen unter portugiesischer Herrschaft
3.1. Die Ankunft der Portugiesen in Indien
Portugal und Spanien waren im 15. Jahrhundert die großen Seefahrernationen
Europas. Der Hintergedanke bei ihren Entdeckungsfahrten war vor allem die
Suche nach neuen Gewürzanbauregionen. Handel mit Gewürzen garantierte
11
Visvanathan, S.104ff.
12
The Syro-Malabar Church. S.1.
13
Verghese, S.34.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
große Gewinne und enorme Staatseinnahmen. Zudem kam noch, dass sich der
portugiesische König Manuel I., wie auch sein spanischer Kollege, in der Rolle
des missionierenden Staatsoberhauptes sehr gefiel. Vor diesem Hintergrund ist
auch der Bericht über die erste Fahrt Vasco da Gamas und seine Ankunft im Mai
1498 in Calicut zu lesen. Laut diesem Bericht hatte die Flotte zwei Aufträge: „Wir
kommen Christen und Gewürze suchen.“14 So die Antwort auf die Frage, was die
Portugiesen vor Calicut wollten.
Dieser doch bekannt gewordene Ausspruch zeigt deutlich die Beweggründe der
Portugiesen, die unbekannte Route um das Kap der Guten Hoffnung herum nach
Indien zu segeln und dort in ein völlig unbekanntes Land einzudringen.
Zumindest gerüchteweise waren Berichte von einem christlichen Reich irgendwo
im Osten nach Europa gedrungen. Viele setzten dieses mit dem sagenhaften
Reich des Priesterkönigs Johannes gleich.15 Auch Marco Polo hatte von Christen
in Indien berichtet, die vom Apostel Thomas missioniert worden waren. Doch es
war immer unklar gewesen, ob es diese Christen auch tatsächlich noch gab. In
Europa hatte man gehofft, mit den christlichen Brüdern im Osten schnell Handel
treiben zu können.
Trotzdem kam es bei der ersten Reise da Gamas zu keinem Kontakt mit den
Thomaschristen.
3.2. Die Thomaschristen und die frühe portugiesische Herrschaft 1500-1540
Der nächste Portugiese, der nach Indien segelte, war Peter Alvares Cabrol, der
1500 in Kranganore landete und dort zum ersten Mal auf die Gemeinde der
Thomaschristen stieß. Cabrol nahm einen von ihnen, einen Mann namens Joseph
mit zurück nach Lissabon. Dieser Joseph reiste von Portugal aus weiter nach Rom
und dann über Jerusalem zurück nach Indien.16
Urs Bitterli Die Entdeckung und Eroberung der Welt, Bd. 2, S.79.
Bitterli, S,306, #4.
16 Brown, S.12.
14
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Cabrol hatte auf dieser Reise ein Sendschreiben des portugiesischen Königs an
König Zamborin von Calicut dabei. In diesem Brief legt Manuel I. seine
Beweggründe und Hoffnungen für diese Reise dar:
„Und einer der hauptsächlichsten Gründe, weshalb wir Gott dem Herrn
großen Dank für diese Vollendung sagen, liegt darin, dass wir erfahren
haben, es lebten Christenmenschen in jenen Gegenden, und unser
höchster Wunsch wird sein, mit Euch ins Gespräch zu kommen und in
brüderlicher Verbundenheit zu geben und zu nehmen, wie es christlichen
Königen untereinander zu tun geziemt. Denn gewiss darf man annehmen,
Gott unser Herr habe ein so wunderbares Unterfangen wie diesen unseren
Seeweg nicht nur dazu bestimmt, dass wir ihm mit Handel und
gegenseitigem irdischen Gewinn dienten, sondern auch mit geistlichem
Dienst an den Seelen und ihrer Befreiung, wozu wir stärker verpflichtet
sind. Er erachtet es daher als größeren Dienst gegenüber Ihm, dass Sein
heiliger christlicher Glaube sich unter Euch und uns verbindend ausbreite
und, wie das gut sechshundert Jahre lang nach Jesu Christi Erscheinen
überall auf der ganzen kleinen Erde geschah. Danach bildeten sich infolge
der Sündhaftigkeit der Menschen gewisse Sekten und Irrlehren, von
denen Christus vorausgesagt hatte, sie würden nach ihm kommen, damit
die Gerechten geprüft und als wahr befunden, die Verdammenswerten
aber in ihrer Bosheit bloßgestellt würden, weil sie die erlösende Wahrheit
nicht annehmen wollten. […] Wir senden auch Personen geistlichen
Standes, in christlichem Glauben und Bekenntnis geschult, und
kirchlichen Schmuck zum Feiern der Gottesdienste und Sakramente, um
Euch die Grundlehre unseres christlichen Glaubens zu zeigen (…). Da wir
nun dies alles erwogen haben samt den Gründen für unseren Dienst
gemäß dem Willen Gottes unseres Herrn, welcher die Ursache unserer
Seefahrt zu Euch war und ist, bitten wir Euch in brüderlicher Liebe,
Seinem Wunsch und Willen zu folgen und aus diesem Eurem Lande
sowohl irdischen wie geistlichen Nutzen zu ziehen und Euch darüber zu
freuen, teilzuhaben am freundschaftlichen Handel und Umgang mit uns,
was wir Euch hiermit in friedlicher Absicht, als Dienst an Ihm, anbieten.
[…].“17
Manuel I. war der festen Überzeugung, den indischen Christen die Segnungen
der katholischen Kirche nahe zu bringen und gleichzeitig, sozusagen von
christlichem König zu christlichem König, den Handel mit den kostbaren
Gewürzen auf eine solide Basis zu stellen. Dazu stellt er von Anfang an klar, dass
nur der Glaube, den er und seine Abgesandten vertreten, der richtige ist, und dass
alle anderen Riten, und damit auch der Glaube der Thomaschristen, nur eine
17
Bitterli, S.81ff.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Irrlehre sind, die es auszumerzen gilt. Gleichzeitig jedoch erkennt er den
indischen
König
als
einen
Bruder
im
Glauben
an
und
stellt
eine
Handelsbeziehung in Aussicht, von der beide Seiten profitieren könnten.
Auch Vasco da Gama kam 1502 zurück nach Indien und traf auf eine Abordnung
von Thomaschristen aus der Nähe von Kranganoore.
Die Thomaschristen hatten zu diesem Zeitpunkt drei Oberhäupter, die ihnen von
den Christen in Seleukia geschickt worden waren: Mar Yahballaha, Mar Denha
und Mar Jacob.18
Zumindest
zu
anfangs
waren
die
indischen
Christen
begeistert,
auf
Glaubenbrüder aus dem Westen zu stoßen, so hofften sie zum Beispiel auch auf
sofortige Waffenhilfe gegen Muslime und sonstige Heiden, die ihrer Meinung
nach das Fortbestehen einer christlichen Gemeinde in Indien gefährden
würden.19
Vithayathil
berichtet
sogar,
dass
die
Portugiesen
und
die
Thomaschristen anfangs zusammen Gottesdienste abgehalten hätten.20
Auch die Bischöfe, vor allem Mar Jacob, bemühten sich um ein gutes Verhältnis
zu den Portugiesen, denn sie erhofften sich Unterstützung für ihre kleinen
Gemeinden, die in einer heidnischen Umgebung, in der sie zwar eingebunden
waren, überleben mussten und die von der syrischen Kirche oft auch alleine
gelassen wurden.21 Mar Jacob war auch einer gewissen Latinisierung gegenüber
aufgeschlossen,
denn
die
Portugiesen
versuchten,
ihre
westlichen
Kirchenbräuche auch den Indern schmackhaft zu machen. Trotz dieser
langsamen, von den Indern begonnenen, Annäherung, gab es unter den
Portugiesen fanatische Missionare, die „sich den morgenländischen Traditionen
gegenüber völlig verständnislos und intolerant verhielten“22. Zu diesen
Missionaren gehörte auch ein Pater Alvaro Penteado, der 1517 an den
portugiesischen König schrieb. In diesem Brief erläutert er seine Ansichten über
Varkey Vithayathil The origin and progress of the Syro-Malabar hierarchy S.19.
Brown, S.13.
20 „The Syro-Malabarian and the Portugese freely coummunicated in sacred worship.“ Vithayathil,
S. 20.
21 Vithayathil, S.19; Verghese, S.36.
22 Verghese, S.36.
18
19
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
die Thomaschristen: „Den Thomaschristen ist an Beziehungen zu den Portugiesen
wenig gelegen, und zwar nicht etwa, weil sie nicht glücklich darüber wären, dass
sie gleichwie wir Christen sind, sondern weil sie uns so ansehen wie wir die
Engländer und die Deutschen. Was ihre Kirchenbräuche angeht, so stehen sie
völlig unter dem schlechten Einfluss ihrer Priester, die ihnen einreden, es habe
zwölf Apostel gegeben, die zwölf verschiedene Kulte begründet hätten.“23
Trotz dieser Reibereien zwischen den beiden Gruppen waren die ersten Jahre von
beiderseitiger Toleranz geprägt. Dieses Verhalten spiegelt sich auch in dem
langsamen Vormarsch der offiziellen Stellen der katholischen Kirche wieder:
Goa, Hauptstützpunkt der Portugiesen in Indien, wurde erst 1534 zum Bistum,
der erste Bischof kam sogar erst 1538 nach Goa.24
Doch 1540 änderte sich das gute Verhältnis zwischen den Portugiesen und den
Thomaschristen. Die Anstrengungen der Portugiesen, den Thomaschristen den
einzig wahren, den katholischen Ritus anzuerziehen, nahmen immer mehr zu.
3.3 Die Zeit bis zur Synode von Diamper 1599
1540 als Wendepunkt in den Beziehungen zwischen den beiden Gruppen zu
setzen ist relativ einfach. 1540 war das Jahr, in dem die Gegenreformation auch
bis nach Indien drang und die Jesuiten, die eifrigsten Vertreter des katholischen
Glaubens sich anschickten, auch in Indien zu missionieren.
Ein erstes Zeichen dieser Entwicklung war die Zerstörung der hinduistischen
Tempel in und um Goa. Land, das bis dahin Eigentum der Tempel gewesen war,
wurde an christliche Priester und Orden übergeben. Viele hinduistische
Zeremonien wurden verboten, so zum Beispiel die Verbrennung der Toten.25
Hintergrund des Ganzen war der Versuch, die Einheimischen zum katholischen
Glauben zu bekehren.
Verghese, S.36; M. Mundanan The arrival of the Portugese in India and the Thomas Christians
under Mar Yacob, S.83.
24 Michael Pearson The Portugese in India S.117.
25 Pearson, S.118.
23
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
1542 schließlich kam mit Franz Xaver der bekannteste jesuitische Missionar nach
Indien. Die Jesuiten begannen, Schulen und Klöster zu errichten, in denen sie
einheimische Priester ausbilden wollten. Neben eigenen Einrichtungen
übernahmen sie teilweise auch die von anderen Orden. Die größte und
bekannteste Einrichtung war sicher St. Pauls, die größte jesuitische Schule Asiens
mit circa 2100 Studenten.
Natürlich begann man auch in Indien, Massentaufen zu veranstalten. 1548 taufte
man in drei Tagen nur im Stadtgebiet von Goa 912 Menschen. Dabei hoffte man
auch auf prominente Täuflinge, die die anderen durch ihr Beispiel überzeugen
sollten. Ein solcher Fall liegt auch in Goa vor: „The most important Hindu in Goa
in the early 1540s was Krishna, who held the top post of Tanadar-Mor, or
overseer, and for three years leased the rights of the newly acquired areas of
Bardes and Salcette. In 1548 he was unseated. His rival, Lakshman, decided to
convert. The bishop performed the ceremony, the governor stood as his
godfather, and eight days of rejoicings followed. Lakshman, now Luquas de Sá,
became Tanadar-Mor, while Krishna and his family, still firmly Hindus, were
dispossessed.”26
Neben den Anstrengungen der Jesuiten und anderer Missionsorden, die vor allem
im Gebiet um Goa, das Metropolitanbistum für ganz Asien27 wurde, Klöster und
Schulen anlegten, um für die geistliche Erziehung der Einheimischen zu sorgen,
versuchte die portugiesische Kolonialregierung, die profaneren Beuteteile
einzusammeln. Schließlich waren immense Geldsummen nötig, um Indien zu
erschließen.
26
27
Pearson, S.118.
Pearson, S.119.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
3.3.1. Das portugiesische System des padroado
Um diese Summen aufwenden zu können, hatten sich die Herrscher von Spanien
und Portugal vom Papst eine gewisse Eigenständigkeit in der Verwaltung der
neuen Gebiete in Übersee zusichern lassen.
Die erste päpstliche Bulle in diesem Zusammenhang ist datiert auf den 8. Januar
1455. Mit der Bulle Romanus Pontifex überträgt Nikolaus V. die ausschließliche
weltliche Souveränität über alle eroberten und noch zu erobernden Gebiete.
Dafür hat Portugal die Pflicht, Kirchen zu bauen und Geistliche zu entsenden
und zu finanzieren. Zusätzlich beinhaltet die Bulle ein Handelsmonopol für die
Portugiesen und das Recht, Ungläubige in die Sklaverei zu verschicken.
Ein Jahr später, am 13. März 1456 in der Bulle Inter cetera bekommt der
Christus-Orden mit seinem Großmeister Heinrich dem Seefahrer von Papst
Calixt III. die geistliche Jurisdiktion in allen eroberten Gebieten übertragen.
Am 30. Dezember 1551 ergeht die letzte dieser Bullen, Praeclara carissimi. Papst
Julius III. verbindet die Krone Portugals mit dem Amt des Großmeisters des
Christusordens, damit werden die portugiesischen Könige zu Patronatsherren.
Und um mit Spanien in keinen Konflikt um Gebiete zu kommen, legte Papst
Alexander VI. 1493 mit der Raja eine Demarkationslinie fest. Die Gebiete östlich
sollten Portugal, die westlichen Spanien gehören.
Damit war die Welt aufgeteilt und das Verwaltungsprinzip des padroado geboren.
Das System des padroado blieb in seiner Form erhalten bis ins Jahr 1622. Mit der
Gründung der Sacra Congregatio de Propaganda Fide endete die Allmacht der
portugiesischen Kolonialherren. Die Änderung sieht man auch an der offiziellen
Sprache der betroffenen Gebiete. Während in der Zeit des padroado die offizielle
Sprache Indiens portugiesisch war, unter der Propaganda Fide jedoch Latein oder
Italienisch. Auch die Missionare änderten sich. Die Jesuiten und Augustiner
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
waren die Orden des padroado, die Kapuziner und Theatiner kamen mit der
Propaganda Fide.28
3.3.2. Die Latinisierung der Thomaschristen
Schon der oben zitierte Brief Manuels I. zeigt, dass die Portugiesen, obwohl sie zu
anfangs noch keine auffälligen Versuche unternahmen, der Überzeugung waren,
die Thomaschristen unter das Dach des katholischen Glaubens zu holen. Aber,
wie schon erwähnt, erst im Zuge der Gegenreformation nahmen die
Anstrengungen in diese Richtung zu.
Den portugiesischen Missionaren schienen die Riten und Gebräuche der
Thomaschristen mit allerlei hinduistischen und nestorianischen Gebräuchen
vermengt.29 Vor allem aber war es ihnen ein Dorn im Auge, dass es den
Thomaschristen gelungen war, sich eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren,
indem sie ihre geistlichen Oberhäupter von der ostsyrischen Kirche kommen
ließen.
Doch die Kirche des Ostens verstrickte sich nach dem Tod ihres Patriarchen
Simon bar Mama in Familienfehden und es wurde zunehmend schwieriger, diese
Unabhängigkeit zu erhalten.30
Einer der Nachfolger Simon bar Mamas schickte mit Mar Joseph und Mar Elias
zwei Bischöfe nach Indien, die von den Portugiesen sofort gefangen gesetzt und
im katholischen Ritus unterrichtet wurden. Mar Joseph jedoch schwor nach
seiner Freilassung dem katholischen Glauben wieder ab und hielt in seiner
Diözese in Cochin die Gottesdienste nach dem alten Ritus ab. Die Portugiesen
schickten ihn nach Europa, aber auch nach seiner Rückkehr 1565 blieb er seinem
Ritus treu und wurde wegen Häresie wieder nach Europa geschickt, wo er 1569
auch starb, jedoch ohne der Häresie für schuldig erklärt zu werden.31
John Correia-Afonso, S. J. Indo-Portugese History. Sources and Problems S.35.
Pearson, S.119.
30 Brown, S.20.
31 Brown, S.20ff.
28
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
In der Zwischenzeit hatte Babylon jedoch einen weiteren Bischof geschickt, Mar
Abraham, der nach dem Tod von Mar Joseph der letzte der chaldäischen Bischöfe
in Indien war.
Um zu gewährleisten, dass im ganzen portugiesischen Herrschaftsgebiet der
katholische Ritus praktiziert wurde, beriefen die Kirchenbehörden in Goa
Versammlungen ein, zu denen auch Mar Abraham eingeladen wurde, der diesen
jedoch fern blieb. Erst 1585 vertraute er den päpstlichen Sicherheitsgarantien und
traf zur dritten Provinzialsynode in Goa ein.32 Auf dieser Synode wurden
Reformen des Klerus und der Diözese von Mar Abraham verabschiedet und
diesem wurde mit Francis Roz ein Jesuitenpriester zur Seite gestellt, der die
Reformen planen und überwachen sollte.
Doch Mar Abraham übernahm keine der geplanten Reformen und kam auch
nicht zur Synode von 1592. Roz schrieb daraufhin mit dem Buch De erroribus
Nestorianorum die offizielle Anklage gegen Mar Abraham wegen Häresie.
Schließlich erging am 27. Januar 1595 ein Breve Papst Clemens VIII., in dem er
den
Erzbischof
von
Goa,
Alexis
Dom
Menezes,
ermächtigte,
diese
Beschuldigungen zu überprüfen. Noch bevor Mar Abraham einen Nachfolger
benennen konnte, starb er 1597. Damit endete die Reihe der chaldäischen
Bischöfe.33
Erzbischof Menezes erkannte die Gunst der Stunde und begann eine Rundreise
durch Malabar. Menezes war der festen Überzeugung, dass es ihm gelingen
würde, die indischen Christen zur Übernahme der katholischen Kirchenbräuche
zu bewegen. Um sein großes Ziel zu erreichen, versuchte er durch
Schmeicheleien und durch Vergabe von Titeln an lokale Größen, eine freiwillige
Übernahme der katholischen Kirchenbräuche zu erreichen.34
Menezes hatte jedoch nicht mit dem Widerstand des alten Erzdiakons gerechnet,
der sich dieser Art von Bekehrung entgegensetze. Das Amt des Erzdiakons war
32
Vithayathil, S.22.
Brown, S.25f; Vithayathil, S.21f; Verghese, S.39f.
34 Den König von Cochin machte er zum Waffenbruder des Königs von Portugal und an die
Armen der Gemeinde ergingen großzügige Zahlungen. (Verghese, S.41.)
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
eingeführt worden in einer Zeit, in der die ostsyrische Kirche nicht genügend
Bischöfe nach Indien geschickt hatte. Nach der alten Hierarchie waren die
Erzdiakone die Vorsteher der Gemeinden.
Doch der Diakon musste bald feststellen, dass er dem Vorschlag Menezes, eine
Synode einzuberufen, um alle offenen Fragen zu klären, zustimmen musste.35
3.4. Die Synode von Diamper
Am 20. Juni 1599 begann die Synode mit einem Gottesdienst, zelebriert vom
Erzbischof in Anwesenheit vieler Portugiesen und der Abordnung der
Thomaschristen.
Menezes hatte bei der Wahl des Ortes große Sorgfalt walten lassen und mit
Diamper einen Ort gefunden, in „unmittelbarer Nähe des Hafens Cochin, einer
Hochburg der Portugiesen“36 lag.
Schon im Vorfeld waren Dokumente ausgearbeitet worden, unter anderem auch
von Francis Roz, in denen eine angestrebte Neuordnung der indischen
Gemeinden erklärt wurden. Diese Dokumente wurden auch in die Landessprache
Malajalam übersetzt.37
An der Synode sollten sowohl Laien als auch Priester teilnehmen, zusammen
ergab das eine Personenzahl von 660, davon nur 153 Priester.38
Bereits am ersten Tag stellte Menezes klar, dass er von nun an nur noch Bischöfe
anerkennen würde, die vom Papst ernannt wurden und verhängte den
Kirchenbann gegen den Patriarchen von Babylon. Trotz einiger Widerstände, vor
allem aus den Reihen des Erzdiakons, unterzeichnete jeder das entsprechende
Abkommen.
35
Verghese, S.41.
Verghese, S.42.
37 Verghese, S.42.
38 Verghese, S.42.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Jeden Tag wurden nun die vorbereiteten Dokumente besprochen und zum
größten Teil auch verabschiedet. Die Dekrete betrafen „den Glauben, die
Kirchendisziplin, die Liturgie, die Traditionen, soziale Fragen usw.“39
Aufgeteilt waren die Dekrete folgendermaßen: „Einleitungssitzung; professio
fidei; über Taufe und Konfirmation; über Eucharistie und Hl. Messe; über Buße
und letzte Ölung; über Priesterweihe und kirchliche Eheschließung; über Reform
der Kirchenverwaltung und über Reform der Kirchengebräuche“40.
Die alten Strukturen der Thomaschristen wurden zerstört und durch neue
ersetzt. Die Diözese von Cochin war aufgelöst worden und an ihre Stelle traten
nun 75 Pfarreien, denen von Menezes Vikare gesandt wurden. Diesen waren
detaillierte Anweisungen über die Seelsorge in ihren Pfarreien mitgegeben
worden.
Nachdem alle Anwesenden das Abschlussprotokoll unterzeichnete hatten, endete
die Synode am 26. Juni 1599 mit dem Segen des Erzbischofs.41
Das Ergebnis der Synode war die Zwangsunierung der Thomaschristen mit Rom
und die komplette Unterwerfung der indischen Christen unter das padroado.42
Von den Portugiesen und im Ausland wurde die Synode als großer Erfolg
gefeiert, schließlich war eine irrige Gruppe von Christen wieder im Schoß der
Kirche, doch unter den Thomaschristen waren die Beschlüsse der Synode
umstritten und oft nicht anerkannt.43
39
Verghese, S.42.
Verghese, S.51, #32.
41 Brown, S.32ff.
40
The Syro-Malabar Church: „With the synod the long-standing relations of the Church of India
with the East-Syrian Church of Persia were terminated and the St. Thomas Christians were
forcibly brought under the Latin Jurisdiction of the Portugese Padroado. Thus the Church of the
St. Thomas Christians became a colonial Church of the Portugese and a period of massive
latinization of the liturgy and the ecclesial life of the St. Thomas Christians began.”, S.2.
43 The Syro-Malabar Church, S.2.
42
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
3.5. Indien unter lateinischen Bischöfen
Der erste lateinische Bischof für die Thomaschristen war Francis Roz, der
versuchte, die Beschlüsse der Synode so schnell wie möglich zu verwirklichen.
Um die Unierung mit der katholischen Kirche noch deutlicher zu machen, wurde
das Erzbistum Angamalee zu einem Suffraganbistum von Goa degradiert und
verlor damit seine Eigenständigkeit.44
Francis Roz begann damit, wichtige Werke der katholischen Kirche in die
Landessprache und das Syrische zu übersetzen und veranstaltete eine groß
angelegte Visitation seines Bistums.45
Die natürliche Folge dieses Versuchs, die Thomaschristen sehr schnell zu
latinisieren war, dass sich die Beziehungen zwischen Francis Roz und seiner
Gemeinde schnell verschlechterten. Erst 1608, als Papst Paul V. mit einer Bulle
Angamalee wieder zum Erzbistum machte, begann sich das Verhältnis wieder zu
bessern.46
Doch nicht nur in der Diözese der Thomaschristen kriselte es. Auch unter den
verschiedenen lateinischen Bischöfen kam es Konflikten. Papst Paul V. gliederte
1609 Kranganoore aus der Diözese Cochin aus und in das Bistum Angamalee ein
und machte es darüber hinaus zum neuen Bischofssitz. Darüber war der Bischof
von Cochin sehr erbost und witterte zudem noch überall den Einfluss der ihm
verhassten Jesuiten.
Die Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten Bischöfen waren so auffällig,
dass sich der alte Erzdiakon, bis zur Synode der geistliche Führer der
Thomaschristen, 1608 gegen Roz erhob. Ob er das aus alleinigem Antrieb oder
auf Anraten von Jesuitenpatres tat, sei dahingestellt und kann nicht geklärt
werden. Jedenfalls schaffte er es, die Unterstützung einiger lokaler Adliger zu
erhalten und hoffte, die Bischöfe von Cochin und Kranganoore gegeneinander
ausspielen zu können. Doch für den Erzdiakon unglücklich war die
44
Vithayathil, S.23.
Brown, S.93.
46 Brown, S.94; Verghese, S.43.
45
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
zwischenzeitliche Versöhnung der beiden und so verlief diese erste offene
Rebellion gegen die katholische Kirche im Sande.47
Nach dem Tod von Roz 1624 über nahm Stephan de Britto den Bischofsstuhl. De
Britto und der Erzdiakon hatten ein relativ entspanntes Verhältnis. De Britto
versuchte den Diakon in die Verwaltung des Bistums mit einzubinden. Doch
diese kurze Zeit einer gemeinsamen Regierung war beinahe zu Ende, als andere
Missionsorden die Thomaschristen für sich entdeckten. Bis zu diesem Zeitpunkt
waren die Thomaschristen nur von Jesuiten betreut worden und andere
Missionare, vor allem Dominikaner, wollten dieses Monopol aufbrechen. Dabei
griffen sie zu unlauteren Mitteln, denn sie behaupteten, dass sie vom Patriarchen
in Babylon geschickt worden wären und hatten mit dieser Behauptung großen
Erfolg.48
Interessant wird diese Situation 1630. Der Erzdiakon schreibt an den Papst. In
diesem Brief beschwert er sich über die Jesuiten und verlangt mehr einheimische
Priester. Die Kurie gibt den Bitten nach und erlaubt anderen Orden in Malabar
zu missionieren. Brown kommt zum Schluss, dass die auffällige Freundlichkeit
des Diakons gegenüber den Dominikanern einen tieferen Sinn hatte, nämlich das
Ausspielen der verschiedenen Orden gegeneinander.49
Das Ende der ganzen Entwicklung zeigt deutlich, dass de Britto mit seinem Kurs
der freundlichen Annäherung einen groben Fehler gemacht hatte, denn anstatt
den Erzdiakon mit seiner Familie auf seine Seite zu bekommen, vergab er
vielmehr alle Macht, die Menezes und Roz so mühsam aufgebaut hatten.
Unter dem dritten Bischof Francis Garcia, einem Jesuiten spitzte sich die Lage zu.
1653 kam ein syrischer Mönch namens Ahattalla nach Mylapore. Dieser Mönch
behauptete nun, ein vom Papst geschickter Patriarch für die Thomaschristen zu
47
Brown, S.94 f.
Brown, S.97.
49 „He and a few priests working with him were still of the mind they had before Diamper. (…)
They hey had experienced the severity and efficiency of the Augustinian Menezes and the Jesuit
Roz, and they thought they could achieve their ends more readily with an archbishop from
another order, who was not Portugese by nationality. It is plain that the jealousy between the
friars and the Jesuits was often made more acute by national prejudice, Italian or Spanish against
Portugese.” (Brown, S.97.)
48
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
sein. Die Gemeinde der Thomaschristen war sehr angetan von ihm, doch die
Portugiesen weigerten sich, ihn überhaupt an Land gehen zu lassen. Stattdessen
versuchte sie, die indischen Christen davon zu überzeugen, dass Ahattalla ein
Hochstapler sei. In einer nächtlichen Geheimmission verschickte man Ahattalla
nach Europa, wo er vermutlich ein Paris starb.
Die Thomaschristen waren jedoch über die Behandlung des Mönchs, ob Betrüger
oder nicht, so wütend, dass sich der schon lange gärende Zorn innerhalb der
Gemeinde im Mai 1653 entlud und es zum Schwur auf das Kreuz von Coonan
kam.
Unter der Führung des neuen Erzdiakons Thomas kam eine Gruppe von Laien
und Priester in Mattanchery zusammen und schwor dort auf die Bibel, niemals
wieder jesuitischen Prälaten zu gehorchen. Gleichzeitig machte die anwesende
Menge, die an dem Schwur durch ein Seil, dass man mit dem Kreuz in der Kirche
verbunden hatte, teilgenommen hatte, den Erzdiakon zu ihrem Bischof und
verweigerte von da an den Gehorsam gegenüber den portugiesischen Bischöfen.50
Die direkte Folge des Schwurs für die Thomaschristen war ihre erste Spaltung.
Die Gruppe um den Erzdiakon wandte sich dem westsyrischen Ritus zu, während
ein anderer Teil dem ostsyrischen Ritus in der latinisierten Form treu blieb.
Rom
schickte
daraufhin
Karmeliter,
die
die
Thomaschristen
wieder
zusammenführen sollten, was jedoch misslang.51
In diese Zeit fällt jedoch auch das Ende der portugiesischen Herrschaft in Indien.
Die Holländer eroberten im Januar 1663 Cochin und die neuen Herren erließen
eine Verordnung, nach der alle ausländischen Priester und Missionare das Land
zu verlassen hatten.52
50
The Syro-Malabar Church, S.2; Brown, S.100f; Verghese,S.44; Vithayathil,S.23f.
51
Vithayathil, S.24.
Brown, S.107.
52
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
4. Die Thomaschristen nach der Kolonialherrschaft der Portugiesen
Die Portugiesen hatten ihr Kolonialreich in Indien an die Holländer verloren, für
die Thomaschristen jedoch änderte sich wenig. Ihre Bistümer blieben weiterhin
Rom, insbesondere der Propaganda Fide unterstellt und ihr Ruf nach
einheimischen Bischöfen verhallte ungehört.
Nachdem
die
Jesuiten
ihre
Missionsbemühungen
einstellen
mussten,
übernahmen Karmeliter die Betreuung der Thomaschristen.53
Die Holländer scheinen eine Bekehrung oder Missionierung der Thomaschristen
wohl überhaupt nicht versucht zu haben, aufgrund der Kürze ihrer Regierung in
Indien hinterließen sie auch keine bleibenden Einfluss bei den Thomaschristen.54
Als die Engländer nach Indien kamen, versuchten sie mit eine Anglikanisierung
der Thomaschristen einzuleiten, indem sie die Church Missionary Society nach
Indien holten. Berichte aus dieser Zeit zeigen, dass versucht wurde, direkten
Einfluss auf die indischen Christen zu nehmen.55
Dennoch haben sich die Thomaschristen eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt
und sie begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts damit, die
Wiederherstellung ihrer alten Hierarchien anzustreben.
1886 war es nach vielen Petitionen an den Papst schließlich soweit. Leo XIII.
erkannte die Trennung des Ritus der Thomaschristen vom römischen Ritus an
und errichtete mit Trichur und Kottayam zwei apostolische Vikariate für die
Thomaschristen. Diese Entwicklung setzte sich auch unter den Nachfolgern Leos
fort und 1923 rekonstituierte Papst Pius XI. feierlich und offiziell die alten
Hierarchien der Thomaschristen, solange sie mit dem lateinischen Ritus konform
waren.
Von diesem Zeitpunkt an hatte die Kirche der Thomaschristen einen enormen
Aufschwung zu verzeichnen, der bis heute anhält.
53
Vithayathil, S.35.
Brown, S.108; Visvanathan, S.16.
55 Visvanathan, S.17.
54
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Die syro-malabarische Kirche, also der Ritus, der sich Rom angeschlossen hat,
und gleichzeitig die größte der Kirchen ist, hatte 1999 18 Bischöfe und 1954
Priester.56
Dennoch haben auch die Thomaschristen die Zeit der Fremdherrschaft nicht
unbeschadet überstanden, aus der einstmals einigen Gemeinde ist eine
zersplitterte Gruppe geworden, die aus mindestens zehn verschiedenen Riten
besteht.57
5. Fazit
Festzuhalten bleibt, dass die Thomaschristen, wenn man der Legende oder auch
nur der spärlichen Überlieferung aus den ersten Jahrhunderten, Glauben schenkt,
zu den frühesten christlichen Gemeinden dieser Erde zählen. Noch bevor das
„christliche Abendland“ überhaupt von Jesus Christus erfahren hatte, gab es in
Indien bereits eine etablierte und blühende Gemeinde. Das besondere an dieser
Gemeinde war, dass sie es schaffte, in einer für sie heidnischen Umgebung zu
überleben, und zwar ohne engen Kontakt zu irgendeiner Mutterkirche oder
anderen christlichen Gemeinden, ja sogar eine wichtige Stellung im indischen
Kastensystem zu einzunehmen. Um das zu erreichen passte sich die Gemeinde
einfach ihrer Umgebung an, und hatte so die Möglichkeit, als in sich geschlossene
Gruppe ihre Traditionen jahrhundertelang zu erhalten.
Diese friedliche Koexistenz mit ihren hinduistischen Nachbarn fängt erst an
brüchig zu werden, als sich westliche Missionare ihren „häretischen“
Glaubensbrüdern annehmen.
Als die Portugiesen nach Indien kamen und dort unerwartet auf eine sehr starke
christliche Gemeinde trafen, begannen sie in westlicher Überlegenheit, ja sogar
Arroganz und teilweise auch Engstirnigkeit, diese Gemeinde zu latinisieren. Sie
konnten sich nicht vorstellen, dass eine christliche Gemeinde, die einen anderen
56
The Syro-Malabar Church, S.9.
57
Verghese, S.11ff.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Ritus pflegte als sie, die andere Traditionen hatte und sich mit der „heidnischen“
Umgebung arrangiert hatte, als gleichwertige Brüder im Glauben anzuerkennen.
Dieser Intoleranz ist es zu verdanken, dass viele der Traditionen und Bräuche der
Thomaschristen heute verloren gegangen sind.
Doch nicht nur die Traditionen sind seit der Erkundung Indiens durch die
Europäer auf der Strecke geblieben. Auch die Einigkeit der Thomaschristen ist
heute verloren gegangen. Die indischen Christen leben heute in mindestens 10
verschiedenen Riten und Kirchen.
Dennoch ist positiv anzumerken, dass sich die katholische Kirche bemüht, die
ärgsten Fehler ihrer Vergangenheit zu lindern und den Thomaschristen wieder
mehr Unabhängigkeit zu geben.
Vielleicht ist diese Politik der Toleranz der Grund dafür, dass sich die indische
Kirche der Thomaschristen so rasant entwickelt hat und heute mit circa vier
Millionen Gläubigen einen Großteil der Christen in Indien stellt.
Ironie der Geschichte, dass viele Priester und Ordensleute der Thomaschristen
heute in der „Mission“ in Europa arbeiten, um den hier herrschenden
Priestermangel auszugleichen.
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Die Thomaschristen in Indien und die portugiesische Krone
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Urs Bitterli (Hrsg.) Die Entdeckung und Eroberung der Welt. Dokumente
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Dauril
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(Hrsg.)
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University Press, 1977.
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Susan Visvanathan The Christians of Kerala. History, Belief and Ritual
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Varkey Vithayathil The Origin and Progress of the Syro-Malabar
Hierarchy Kottayam, Oriental Institute of Religious Studies, 1980.
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Richard Whiteway The rise of Portugese power in India 1497-1550 New
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