ermöglicht dieser Begriff in vielen Fällen eine präzisere Fassung des unklaren älteren Wertigkeitsbegriffes; man sollte nicht mehr sagen: „Schwefel ist in der Schwefelsäure sechs-wertig", sondern: „Schwefel liegt in der Schwefelsäure in der Oxydationssiu/e + 6 vor". Die vier Begriffe Bindigkeit, Wertigkeit, formale Ladung und Oxydationszahl sollen schließlich am Beispiel des Anions der p h o s p h o r i g e n S ä u r e erläutert werden, dessen Elektronenformel :0: 2 - H:P:Ö: :Ö: ist. Das P h o s p h o r atom ist hier vierbindig, das W a s s e r s t o f f atom und die S a u e r s t o f f atome sind einbindig. Die Wertigkeit des Molekül-Ions ist — 2. (Auf P, H und O kann der Wertigkeitsbegriff nicht angewandt werden, weil diese Atome nicht in der Form von Ionen vorliegen.) Die formale Ladung des P h o s p h o r atoms ist + 1 , die der S a u e r s t o f f atome —1; denn, wenn man die Atombindungen „homolytisch" auftrennt, findet man: ;; © b© P- H- •o :0: Die Oxydationszahl des Phosphors ist + 3, da nach den erwähnten konventionellen Regeln H die Oxydationszahl + 1 und O die Oxydationszahl —2 zuzuordnen ist: :0 ©© ©@© .¿i.©Q Vv©e :0:< Am raschesten findet man die Oxydationszahl, wenn man Überlegungen anstellt, wie sie sich aus dem folgenden Rechenschema ergeben: [P H 03]2x + 1 + 3- (—2) = — 2 x = + 3. Die Valenzformel " o H—P—O O läßt sich mittels der H y d r i d r e g e l leicht bestätigen: Das Phosphoratom muß mindestens vierbindig sein, da es ja vier Liganden trägt. Die formale Ladung des vierbindigen Phosphoratoms ist + 1, weil das zugehörige Hydrid das Phosphonium-Ion PH 4 + ist. Berücksichtigt man endlich, daß den einbindigen Sauerstoffatomen die formale Ladung —1 zuzuordnen ist (zugehöriges Hydrid ist O H - ! ) , so erkennt man, daß die angegebene Formel für das PH0 3 2--Ion die richtige ist: denn + l + 3-(—1)=—2. Die Kristallstruktur des Siliciumdiselenids Von A l a r i c h W e i s s und A r m i n Weiss Eduard-Zintl-Institut für anorganische und physikalische Chemie der Technischen Hochschule Darmstadt (Z. Naturforschg. 7 b, 4 8 3 ^ 8 4 [1952]; eingeg. am 14. Juli 1952) Siliciumdiselenid, SiSe 2 , wurde von S a b a t i e r i durch Überleiten von trockenem Selenwasserstoff über auf Rotglut erhitztes Silicium erhalten und als harte, metallisch glänzende Masse beschrieben. Demgegenüber bildete unser Präparat in reinem Zustand bis zu 2 cm lange, durchsichtige und farblose, faserige Kristalle von asbestähnlichem Aussehen und geringer Härte. Die Fasern waren gut biegsam und besaßen eine hohe Reißfestigkeit. Beim Zerreißen teilten sie sich in dünnere Fasern auf. Dieses SiSe2 wurde dargestellt durch wochenlanges Zusammentempern von reinem Si mit einem geringen Überschuß an reinem Se im evakuierten Einschmelzrohr. Das hierbei erhaltene verfilzte, hellgraue Rohprodukt wurde durch Glühen bei 900° C im Hochvakuum vom überschüssigen Se befreit. Die Analyse ergab 15,22% Si (theor. 15,09%) und 84,73% Se (theor. 84,91%). Zur Züchtung von Einkristallen wurde das gereinigte SiSe2 bei etwa 1100° C im Vakuum sublimiert. In geringen Mengen wurde dabei ein gelblichbraunes Pulver erhalten, das nach den Analysen wahrscheinlich Siliciummonoselenid. ist. SiSe2 ist äußerst luft- und feuchtigkeitsempfindlich und zersetzt sich an der Luft in kurzer Zeit nahezu quantitativ in SiO,, H.,Se und rotes Se. Im Röntgenlicht zeigte das sublimierte SiSe., eine gelbgrüne Fluoreszenz. Die Röntgenuntersuchung der unter Luftausschluß eingeschmolzenen Präparate ergab eine rhombische Elementarzelle mit a = 6,03 A, b = 5,76 A und c = 9,76 A. Die Faserachse fällt mit der kristallographischen b-Achse zusammen. Die Zahl der Moleküle in der Elementarzelle errechnete sich mit der unter wasserfreiem Toluol bestimmten Dichte von 3,61 zu 3,95 4. Drehkristall- und Weissenberg-Aufnahmen * ergaben die Raumgruppe D ^ Icma. Die Punktlagen sind die gleichen wie beim SiS.,2. Die Parameter sind: x = 0,202; z = 0,121. Die berechneten Intensitäten stimmen gut mit den beobachteten Werten überein. Jedes Si-Atom ist tetraedrisch von 4 Se-Atomen umgeben. Da jedes Tetraeder mit dem darüber liegenden zwei Atome gemeinsam hat, kommt es wie beim SiS., zur Ausbildung eindimensional-unendlicher Kettenmoleküle (SiSe2)n in Richtung der b-Achse. Die Si-Se-Abstände in einem Tetraeder betragen 2,23 Â, die Se-Se-Abstände in 1 C. R. S a b a t i e r , C. R. hebd. Séances Acad. Sei. 113, 132 [1891], * Die Auswertung der Weissenberg-Aufnahmen wird erschwert durch die Tatsache, daß die parallel gelagerten feinsten Fasem der Kristalle in der Faserachse häufig verdrillt sind, so daß die Reflexe zu Strichen auseinandergezogen werden. 2 E. Z i n 11 u. K. L o o s e n , Z. physik. Chem. Abt. A 174, 301 [1935]; W. B ü s s e m, H. F i s c h e r u. E . G r u n e r , Naturwiss. 23, 740 [1935]. Unauthenticated Download Date | 8/22/17 11:31 AM einem Tetraeder 3,39; 3,73 und 3,77 Ä. Der kürzeste Se-Se-Abstand benachbarter Fasern beträgt 3,87 Ä. Eine ausführliche Veröffentlichung ist für die Zeitschrift für anorganische Chemie vorgesehen. Herrn Prof. Dr. U. H o f m a n n und Herrn Prof. Dr. H. W i t t e danken wir für wertvolle Diskussionen und apparative Unterstützung. Die Auslösung der Polymerisation des Acrylamids durch Ultraschall Von A r n i m Henglein* Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz zen nicht unter einen gewissen Polymerisationsgrad führt, war prinzipiell der Aufbau aus dem Monomeren bis zu diesem Polymerisationsgrad zu erwarten. Da die chemischen Wirkungen des Ultraschalls durch die Anwesenheit von Stoffen, die einen hohen Dampfdruck besitzen, unterdrückt werden 2 , wurde Acrylamid als Monomeres gewählt. Acrylamid und Polyacrylamid sind in Wasser löslich, das letztere läßt sich mit Methanol ausfällen. Die Lösungen wurden unter sorgfältigem Ausschluß von Sauerstoff hergestellt. Das verwendete Wasser war in einem Strom sauerstofffreien Stickstoffs über KMn0 4 und zweimal über Mn(OH), destilliert worden. In diesen Lösungen tritt bei Einwirkung von Ultraschall ohne beobachtbare Induktionsperiode Polymerisation des und von R o l f S c h u l z Organisch-chemisches Institut der Universität Mainz (Z. Naturforschg. 7 b, 484—485 [1952]; eingeg. am 14. Juli 1952) Die chemischen Wirkungen von ionisierenden Strahlen und von Ultraschall in verdünnten wäßrigen Lösungen sind von mehreren Forschern untersucht und miteinander verglichen worden Bei den ionisierenden Strahlen besteht die Primärreaktion in einer Zersetzung des Wassers: H 2 O - > H + OH, . (1) worauf die entstandenen freien Atome und Radikale kombinieren oder auf die im Wasser gelösten Stoffe einwirken. P r u d h o m m e und G r a b a r 2 nehmen Gl. (1) ebenfalls als die Reaktion an, die primär in den Entladungen der Kavitationsblasen bei Durchstrahlung von gashaltigen wäßrigen Lösungen mit Ultraschall eintritt. Danach bestünden zwischen den Wirkungen des Ultraschalls und der ionisierenden Strahlen weitgehende Analogien. Freie Radikale sind in der Lage, die Polymerisation ungesättigter organischer Verbindungen auszulösen3. Umgekehrt kann die Polymerisationsauslösung einen empfindlichen Nachweis für Radikale darstellen4. So hat D a i n t o n 5 die Existenz der durch y- oder Röntgenstrahlen in Wasser gebildeten Radikale durch Auslösung von Polymerisationen bewiesen. Wir haben versucht, in Analogie zu Daintons Experimenten, durch Ultraschall Polymerisationen auszulösen. Über Polymerisationen unter Einfluß des Ultraschalls ist häufig berichtet worden 6 ; in allen diesen Fällen wurden jedoch die emulgierenden oder thermischen Wirkungen des Ultraschalls ausgenützt, während die Auslösung der Polymerisationen durch Katalysatoren erfolgte. Die depolymerisierende Wirkung des Ultraschalls ist seit langem bekannt 7- 8 ; da jedoch der Abbau hochpolymerer SubstanEin Teil dieser Untersuchungen wurde am Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie der T. H. Karlsruhe durchgeführt. 1 P. G ü n t h e r , Angew. Chem. 60, 75 [1948]; 63, 241 [1951]; N. M i l l e r , Trans. Faraday Soc. 46, 546 [1950]; M. H a i s s i n s k y u. R. O. P r u d h o m m e , J. Chim. physique 47, 925 [1950], 2 R. O. P r u d h o m m e u. P. G r a b a r , J. Chim. physique 46, 323 [1949], 3 G. V. S c h u l z u. G. W i 11 i g , Naturwiss. 27, 387 [1939]. Abb. 1. Fällung des Polyacrylamids mit Methanol, a: Niedrigviskoses Produkt, entstanden durch Behandlung einer argonhaltigen Lösung mit Ultraschall. Es flockt gleichmäßig aus. b: Hochviskoses Produkt, entstanden durch Behandlung einer entgasten Lösung mit Ultraschall. Der Niederschlag ballt sofort zu Fäden und Klumpen zusammen. (Mittl. Molekulargewicht 4,7 Millionen). Acrylamids ein. Ausbeute und mittleres Molekulargewicht des Polymeren hängen vom Gasgehalt der Lösung ab. In gashaltigen Lösungen, in denen der Ultraschall depolymerisierend wirkt, entstehen Polymerisate geringen mittleren Molekulargewichtes. In argonhaltigen Lösungen entsteht ein Polymeres, das fast den gleichen Polymerisationsgrad besitzt wie das Produkt, das durch Abbau eines Hochpolymeren nach langer Schalleinwirkung ent4 W. K e r n , Fiat review of german science. II. 5. part III, S. 196 [1948], Makromolekulare Chem. 1, 122 [1947]; K. Z i e g l e r , Angew. Chem. 61, 177/78 [1949]. 5 F. S. D a i t o n , J. physic. Colloid. Chem. 52. 490 [1948], 6 A . S. O s t r o s k i u . R. B. S t a m b u r g h , J. appl. Physics 21, 478 [1950]; W. S a t a u. Y. H a r i s a k i » Kolloid-Z. 124, 36 [1951]. 7 R. O. P r u d h o m m e u. P. G r a b a r , J. Chim. physique 46, 667 [1949];R. O. P r u d h o m m e , J. Chim. physique 47, 795 [1950]; A. W e i s s l e r , J. appl. physics 21, 171 [1950]. 8 G. S c h m i d , G. P a r e t u. H. P f l e i d e r e r , Kolloid-Z. 124, 150 [1951]. Unauthenticated Download Date | 8/22/17 11:31 AM