Medizintechnologie.de Irreversible Elektroporation Hoffnungsträger bei nicht operierbarem Leberkrebs Mit Hilfe von Sonden platziert der Arzt bei der Elektroporation mehrere Elektroden im Bereich des Tumors, an die dann extrem kurze Gleichstromimpulse von bis zu 3000 Volt angelegt werden. Quelle: Universitätsklinikum Regensburg 10.05.2017 Mit jährlich über 780.000 neu Erkrankten ist das hepatozelluläre Karzinom der fünfthäufigste bösartige Tumor weltweit. Sind bei Patienten mit Leberkrebs und Lebermetastasen die gängigen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, gibt es mit der Irreversiblen Elektroporation eine neue Therapieoption. Das Universitätsklinikum Regensburg hat dieses Verfahren in der bislang größten klinischen Studie unter die Lupe genommen. Im Interview spricht Forschungskoordinator Philipp Wiggermann über die gerade vorgestellten Ergebnisse, Technik und Einsatzgebiet der Irreversible Elektroporation und die Zukunft des innovativen Verfahrens. von Ulrich Kraft Dr. Wiggermann, bei der irreversiblen Elektroporation handelt es sich um eine neuartige Form der Krebstherapie. Wie funktioniert das Verfahren genau? Die Technologie selbst ist gar nicht mehr so neu, wird aber erst in jüngster Zeit auch am Patienten eingesetzt. Mit Hilfe von Sonden platziert der Arzt mehrere Elektroden im Bereich des Tumors, an die dann extrem kurze Gleichstromimpulse von bis zu 3000 Volt angelegt werden. Der eigentliche Wirkmechanismus findet immer zwischen zwei Elektroden statt. Dort bildet sich durch die Strompulse für einige Nanosekunden ein sehr starkes Magnetfeld, das dazu führt, dass in der Zellwand kleinste Poren entstehen. Innerhalb gewisser Grenzen können Zellen diese Löcher in der Zellmembran wieder reparieren. Generiert man aber zu viele Poren, schaffen sie das nicht mehr und der programmierte Zelltod – die Apoptose – wird eingeleitet. Und die Folge ist, dass der Tumor abstirbt? Genau. Durch die IRE werden die Zellen nicht zerstört, sondern gehen von selbst unter. Das ist der fundamentale Unterschied zu ähnlichen Verfahren wie beispielsweise der Radiofrequenzablation, die den Tumor mittels Hitze praktisch Durch Strompulse bildet sich für Nanosekunden ein sehr starkes Magnetfeld, das dazu führt, dass in der Zellwand kleinste Poren entstehen. Dadurch sterben die Zellen ab. Quelle: Universitätsklinikum Regensburg verkocht. Krebszellen in den programmierten Zelltod zu treiben, gilt heute als besonders vielversprechender und schonender Weg bei der Behandlung von Tumorerkrankungen. Für welche Krebsformen eignet sich die IRE? Prinzipiell bei jeder Art von Weichgewebstumoren. Für viele dieser Krebsformen gibt es aber andere wirksame Therapien, die bereits etabliert sind. Unsere Hauptanwendungsgebiete sind Leberkrebs und hier vor allem das hepatozelluläre Karzinom sowie Lebermetastasen. Der Fokus liegt dabei auf Patienten, die nicht mehr operiert werden können und bei denen Verfahren wie die thermische Ablation ebenfalls kontraindiziert sind – etwa weil der Krebs zu nah an den großen Gefäßen liegt. Für sie ist die Methode eine neue Option, mit der wir einen kurativen Ansatz verfolgen. Die Behandlung soll also nicht nur den Tumor verkleinern und die Beschwerden verringern – im Sinne einer palliativen Therapie -, sondern Karzinome und Metastasen vollständig beseitigen? So lautet unser Ziel und wie die Ergebnisse unserer unlängst veröffentlichten Studie belegen lässt sich das auch erreichen. In der Untersuchung wurden 71 Patienten mit inoperablem Leberkrebs beziehungsweise Lebermetastasen, die an der Uniklinik Regensburg eine IRE erhalten haben, über maximal fünf Jahre retrospektiv beobachtet. Bei der erste Kontrolluntersuchung, die innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Therapie stattfindet, zeigte sich, dass der Tumor in über 92 Prozent der Fälle komplett entfernt werden konnte. Kurzfristig ist das ein Erfolg, doch wie sieht es mit den Langzeitergebnissen aus, die für die Betroffenen letztlich entscheidend sind? Auch hier gibt die Studie Anlass zu Optimismus. Im durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 35,7 Monaten hatte sich nur bei 31,7 Prozent der Patienten an den Behandlungsstellen wieder Krebs gebildet. Andersherum formuliert: Über zwei Dritteln der Teilnehmer entwickelten auch nach fast drei Jahren noch kein Rezidiv. Dabei muss man berücksichtigen, dass den Betroffenen ohne die IRE keine kurative Therapieoption mehr zur Verfügung gestanden hätte. Wie viele Patienten könnten denn von der Behandlung profitieren? von der Behandlung profitieren? In absoluten Zahlen ist das schwer zu sagen, weil es bislang dazu keine exakten Daten gibt. Fest steht aber: Das hepatozelluläre Karzinom, der fünfhäufigste bösartige Tumor weltweit, wird ebenso wie Lebermetastasen häufig erst im weit fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Dann haben die Betroffenen eine schlechte Prognose. Früher mussten wir einem von sechs Patienten, die zu uns in Zentrum kamen sagen, dass Dr. Philipp Wiggermann ist Leitender Oberarzt am wir ihn wegen der Gefahr Institut für Röntgendiagnostik des ernsthafter Komplikationen nicht Universitätsklinikums Regensburg. behandeln können. Jetzt können wir Quelle: Universitätsklinikum Regensburg diesen Kranken mit der Irreversiblen Elektroporation eine effektive und schonende Therapie anbieten. Gerade bei inoperablen Lebertumoren ist das Verfahren wirklich ein kleiner Durchbruch. Warum wird eine IRE bislang nur erwogen, wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind? Die Medizin ist nun einmal konservativ – und ich finde es grundsätzlich gut, dass man nicht jeder neuen Methode sofort hinterherrennt. Ich bin aber auch ganz klar der Ansicht, dass die IRE in größerem Umfang eingesetzt werden sollte. Verglichen mit einer Operation ist die IRE risikoarm, Nebenwirkungen wie Blutungen treten nur sehr selten auf, der minimal-invasive Eingriff hinterlässt lediglich millimeterkleine Narben und die Patienten können das Krankenhaus in der Regel schon nach drei, vier Tagen wieder verlassen. Trotz aller Pluspunkte ist das Verfahren aber noch immer nicht verbreitet, obwohl es bereits seit längerem zur Verfügung steht. Woran liegt das? Ein Hemmschuh war sicherlich, dass die Methode von den Krankenkassen nicht adäquat vergütet wurde. Das hat sich aber Anfang des Jahres geändert. Zudem dauert die Behandlung länger und ist technisch anspruchsvoller als die thermischen Ablationen, die nur mit einer Sonde arbeiten. Bei der Elektroporation müssen fünf, sechs Nadeln in den Körper eingebracht und präzise an den Wirkort geschoben werden. Die dafür notwendige Erfahrung und Expertise haben wir als erstes Zentrum in Deutschland, dass die IRE verwendet hat, mittlerweile gesammelt. Deshalb ist diese Methode bei uns bereits fester Bestandteil im Werkzeugkasten der interventionellen Radiologie. Vor allem Unikliniken bieten das Verfahren, das auch schon bei Prostatakrebs und inoperablen Pankreaskarzinomen eingesetzt wird, jetzt zunehmend an. Und wie geht es bei Ihnen in Regensburg mit der IRE weiter? Um die Methode wissenschaftlich zu untersuchen, setzen wir die Studie fort und schließen kontinuierlich neue Patienten ein. Ein großes Thema zur Weiterentwicklung der IRE ist bei uns die Robotik. Anhand der Daten aus ComputertomografieAufnahmen wird die Therapie vorab am Computer geplant und auch simuliert. Beim Platzieren der Elektroden setzen wir auf Roboterunterstützung – und werden dabei immer genauer. Ziel ist, mit Hilfe des Roboters die Erfolgsrate in den ersten sechs Wochen auf 100 Prozent zu steigern, heißt, den Tumor bei allen behandelten Patienten vollständig zu beseitigen. Cookies ermöglichen eine bestmögliche Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung dieser Seiten erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. © Medizintechnologie.de MEHR INFOS OK